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TSK 11 Göttingen 2006 Brodhag et al. Gekoppeltes Kornwachstum in polymineralischen Gestei- nen Vortrag Sabine Brodhag 1 Marco Herwegh 1 Alfons Berger 1 Adrian Pfiffner 1 Bei Temperaturerhöhung tritt in ei- nem kristallinen Festkörper Kornwachs- tum auf; die treibende Kraft hierfür entspricht einer Reduktion der Ober- flächenenergie. Die Parameter, die das Kornwachstum in monomineralischen Stoffen, wie zum Beispiel in Metallen beeinflussen, wurden in der Vergangen- heit eingehend studiert. In der Natur sind Gesteine aber meistens polymi- neralisch, was ein ungleich komplexe- res Wachstumsverhalten mit sich bringt. Bei Gesteinen mit einer dominanten Matrixphase und mengenmäßig unter- geordneten Sekundärphasen muss eine Interaktion zwischen Matrixphase und Sekundärphasen auftreten, damit bei- de Phasengruppen wachsen können und somit eine Korngrößenzunahme im Ge- samtgefüge stattfinden kann. Um dieses gekoppelte Kornwachstum in natürlichen Gesteinen besser verste- hen zu können, wurden Karbonatgestei- ne mit unterschiedlichem Sekundärpha- sengehalt entlang von Temperaturprofi- len in der kontaktmetamorphen Aureo- le des Adamello Plutons in Norditalien beprobt. Die Proben stammen aus den Calcare di Angolo, bei denen es sich um unreine Karbonate, die mit Mergella- gen alterieren, handelt. Hauptphase die- ser Gesteine ist Kalzit, daneben gibt es einen variierenden Zweitphasengehalt an Glimmern, Quarz, Erzen und teilwei- se Feldspäten und Amphibolen. Letzte- re treten als Reaktionsprodukte erst in Kontaktnähe auf. 1 Institut für Geologie, Universität Bern, Schweiz Es zeigt sich, dass mit abnehmender Di- stanz zum Intrusionskontakt eine Zu- nahme der Korngröße von Kalzit und Sekundärphasen in allen polyminerali- schen Karbonaten auftritt. Dabei hängt die Korngrößenzunahme des Gesamtge- füges nicht nur vom Kalzit ab, son- dern im Wesentlichen von dessen Sekun- därphasen. Denn diese beeinflussen das Wachstum der Matrixphase durch ihre Anzahl und Verteilung im Gestein. Je höher der Sekundärphasengehalt, um- so stärker werden die Kalzitkorngren- zen durch diese beim Wachstum behin- dert. Wenn die treibenden Kräfte für das Kalzitkornwachstum größer sind als die rückhaltenden Kräfte der Sekun- därphasen, werden letztere vom Kalzit überwachsen und somit eingeschlossen. Im umgekehrten Fall werden die Kal- zitkorngrenzen durch die Sekundärpha- sen zurückgehalten, was in einer klei- neren Kalzitkorngröße resultiert. Infolge Diffusion zwischen den Sekundärphasen entlang Kalzitkorngrenzen können die Sekundärphasen weiter wachsen. Dies führt zur Abnahme der Anzahl der Se- kundärphasen und somit einer Zunah- me der Distanz zwischen den Sekundär- phasen, wodurch weiteres Kornwachs- tum beim Kalzit ermöglicht wird. Die- ses Kalzitwachstum ist also direkt von demjenigen der Sekundärphasen abhän- gig, weshalb man auch von gekoppel- tem Kornwachstum spricht. Die Tatsa- che, dass grosse Sekundärphasen Kal- zitkorngrenzen fixieren und gleichzeitig kleinere als Einschlüsse in Kalzitkörnern auftreten, erlaubt eine Abschätzung der treibenden Kräfte für das Kalzitkorn- wachstum bei unterschiedlichen Tempe- raturen. Als Funktion des Metamorpho- segrades variieren nicht nur die Größe der Sekundärphasen, sondern auch die Sekundärphasenmineralogie, da Mine- 1

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TSK 11 Göttingen 2006 Brodhag et al.

Gekoppeltes Kornwachstumin polymineralischen Gestei-nen Vortrag

Sabine Brodhag1 Marco Herwegh1

Alfons Berger1 Adrian Pfiffner1

Bei Temperaturerhöhung tritt in ei-nem kristallinen Festkörper Kornwachs-tum auf; die treibende Kraft hierfürentspricht einer Reduktion der Ober-flächenenergie. Die Parameter, die dasKornwachstum in monomineralischenStoffen, wie zum Beispiel in Metallenbeeinflussen, wurden in der Vergangen-heit eingehend studiert. In der Natursind Gesteine aber meistens polymi-neralisch, was ein ungleich komplexe-res Wachstumsverhalten mit sich bringt.Bei Gesteinen mit einer dominantenMatrixphase und mengenmäßig unter-geordneten Sekundärphasen muss eineInteraktion zwischen Matrixphase undSekundärphasen auftreten, damit bei-de Phasengruppen wachsen können undsomit eine Korngrößenzunahme im Ge-samtgefüge stattfinden kann.Um dieses gekoppelte Kornwachstumin natürlichen Gesteinen besser verste-hen zu können, wurden Karbonatgestei-ne mit unterschiedlichem Sekundärpha-sengehalt entlang von Temperaturprofi-len in der kontaktmetamorphen Aureo-le des Adamello Plutons in Norditalienbeprobt. Die Proben stammen aus denCalcare di Angolo, bei denen es sich umunreine Karbonate, die mit Mergella-gen alterieren, handelt. Hauptphase die-ser Gesteine ist Kalzit, daneben gibtes einen variierenden Zweitphasengehaltan Glimmern, Quarz, Erzen und teilwei-se Feldspäten und Amphibolen. Letzte-re treten als Reaktionsprodukte erst inKontaktnähe auf.1 Institut für Geologie, Universität Bern,Schweiz

Es zeigt sich, dass mit abnehmender Di-stanz zum Intrusionskontakt eine Zu-nahme der Korngröße von Kalzit undSekundärphasen in allen polyminerali-schen Karbonaten auftritt. Dabei hängtdie Korngrößenzunahme des Gesamtge-füges nicht nur vom Kalzit ab, son-dern im Wesentlichen von dessen Sekun-därphasen. Denn diese beeinflussen dasWachstum der Matrixphase durch ihreAnzahl und Verteilung im Gestein. Jehöher der Sekundärphasengehalt, um-so stärker werden die Kalzitkorngren-zen durch diese beim Wachstum behin-dert. Wenn die treibenden Kräfte fürdas Kalzitkornwachstum größer sind alsdie rückhaltenden Kräfte der Sekun-därphasen, werden letztere vom Kalzitüberwachsen und somit eingeschlossen.Im umgekehrten Fall werden die Kal-zitkorngrenzen durch die Sekundärpha-sen zurückgehalten, was in einer klei-neren Kalzitkorngröße resultiert. InfolgeDiffusion zwischen den Sekundärphasenentlang Kalzitkorngrenzen können dieSekundärphasen weiter wachsen. Diesführt zur Abnahme der Anzahl der Se-kundärphasen und somit einer Zunah-me der Distanz zwischen den Sekundär-phasen, wodurch weiteres Kornwachs-tum beim Kalzit ermöglicht wird. Die-ses Kalzitwachstum ist also direkt vondemjenigen der Sekundärphasen abhän-gig, weshalb man auch von gekoppel-tem Kornwachstum spricht. Die Tatsa-che, dass grosse Sekundärphasen Kal-zitkorngrenzen fixieren und gleichzeitigkleinere als Einschlüsse in Kalzitkörnernauftreten, erlaubt eine Abschätzung dertreibenden Kräfte für das Kalzitkorn-wachstum bei unterschiedlichen Tempe-raturen. Als Funktion des Metamorpho-segrades variieren nicht nur die Größeder Sekundärphasen, sondern auch dieSekundärphasenmineralogie, da Mine-

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Brodhag et al. TSK 11 Göttingen 2006

Abbildung 1: bearbeitete Dünnschliffprobe aus nächster Nähe des Kontaktes. Relativgroße Amphibole (schwarz) sowie weitere große Zweitphasenkörner wie Glimmer, Quarz,Erze und Feldspäte (verschiedene Graustufen) befinden sich an den Kalzitkorngrenzen(schwarze Linien), während kleinere Körner jeder Phase in den Kalziten (weiss) einge-schlossen sind.

ralreaktionen auftreten. So entsteht beihohen Temperaturen beispielsweise Tre-molit als eine Sekundärphase. Sein Auf-treten ist in diesen Bereichen immer aufdie Korngrenze oder, als Einschluss, aufden äußersten Randbereich der Kalzit-körner beschränkt. Dies bedeutet, dassder Tremolit erst in einem späten Kal-zitwachstumsstadium entstanden undeingeschlossen worden ist. Infolgedessenkann Typ und Ort von eingeschlossenenSekundärphasen verwendet werden, umdas Kalzitkornwachstum in eine relativeZeit-Temperaturskala einzuhängen.In diesem Sinne gewährt das Studiumvon Sekundärphasen beeinflussten Ag-gregaten wichtige neue Erkenntnisse be-züglich der Prozesse und resultierendenGefüge von polymineralischen Gestei-nen.

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