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Germanistik: Vorlesung und Seminar „deutsche Literatur“ im 19. Jahrhundert (Vormärz, Realismus und Naturalismus) Sommersemester 2012 Vorlesung vom 29.02.2012: Bis dahin gab es Feudalismus und kaum irgendwelche Kultur. Es gab Bauern, Könige und wenige Bürger und nur wenig Industrie. 1788 war Friedrich der Grosse ein grosser Reformer. Die Französische Revolution war eine grosse Zäsur und eine Zeit der Masse. Napoleon eroberte dann als „Grande Nation“ ganz Europa. 1805 hörte das seit 988 existierende heilige römische Reich deutscher Nation auf zu sein. Das Gebilde war eine Fiktion ohne zentrale Macht. Im 18. Jahrhundert gab es keine deutsche Nation. 1813 - 15 gab es Befreiungskriege von deutschen Partisanen gegen Napoleon. Napoleon verlor so Spanien und Deutschland. Deutschland (Preussen), Österreich und Russland haben eine Allianz gegen Napoleon gebildet. 1815 gab es den Wiener Kongress: Ziel war Restauration, d.h. Wiederherstellung der Zustände vor der französischen Revolution. Es War die Zeit des aufgeklärten Absolutismus. Kleine Fürstentümer existierten und lebten vom Zoll und der Landwirtschaft. Sie haben es an freie Bauern verpachtet oder hatten Leibeigene. Letztere wurden von den Fürsten ausgebeutet. Bewässerungsanlagen und Dampfmaschinen wurden gebaut und 1

Germanistikvorlesung Und Seminar Deutsche Literatur Im 19. Jahrhundert

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Vormärz, Realismus und Naturalismus

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Germanistik: Vorlesung und Seminar „deutsche

Literatur“ im 19. Jahrhundert (Vormärz, Realismus

und Naturalismus) Sommersemester 2012

Vorlesung vom 29.02.2012:Bis dahin gab es Feudalismus und kaum irgendwelche Kultur. Es gab Bauern, Könige und

wenige Bürger und nur wenig Industrie. 1788 war Friedrich der Grosse ein grosser Reformer.

Die Französische Revolution war eine grosse Zäsur und eine Zeit der Masse. Napoleon

eroberte dann als „Grande Nation“ ganz Europa. 1805 hörte das seit 988 existierende heilige

römische Reich deutscher Nation auf zu sein. Das Gebilde war eine Fiktion ohne zentrale

Macht. Im 18. Jahrhundert gab es keine deutsche Nation. 1813 - 15 gab es Befreiungskriege

von deutschen Partisanen gegen Napoleon. Napoleon verlor so Spanien und Deutschland.

Deutschland (Preussen), Österreich und Russland haben eine Allianz gegen Napoleon

gebildet. 1815 gab es den Wiener Kongress: Ziel war Restauration, d.h. Wiederherstellung der

Zustände vor der französischen Revolution. Es War die Zeit des aufgeklärten Absolutismus.

Kleine Fürstentümer existierten und lebten vom Zoll und der Landwirtschaft. Sie haben es an

freie Bauern verpachtet oder hatten Leibeigene. Letztere wurden von den Fürsten ausgebeutet.

Bewässerungsanlagen und Dampfmaschinen wurden gebaut und Leibeigene wurden nicht

mehr gebraucht und von den Fürsten weggeschickt.

Es gab viele Handwerker. Die Landhandwerker gingen zu Grunde wegen den

Industrieerzeugnissen. Es gab Schwerindustrie, Eisenbahnen und Schiffsbau. In Deutschland

war der Höhepunkt der Modernisierung um 1830, in England schon früher. 1830 entstand die

erste Eisenbahn Berlin - München, Gaslaternen und Dampfschiffe.

Fürsten verarmten wegen Luxusdrang. Händler verarmten wegen den Zöllen. Die Handwerker

wurden durch das Proletariat verdrängt. Wegen verarmten Bauern und abgeschobenen

Leibeigenen gab es eine grosse Auswanderungswelle in Deutschland. Profitiert davon haben

die Industrieellen; sie hatten aber keine Macht. Gewalt- und Machtmonopol hatten aber die

Fürsten. 300 kleine Diktaturen entstanden in Deutschland. Es wurde auch eine Zensur

eingeführt unter Metternich. Den Bürgern passte dies nicht und sie organisierten sich in

Parteien und verlangten Demokratie und eine konstitutionelle Monarchie. Preussen,

Österreich, Russland und der deutsche Bund mit zusammen 34 Erbmonarchien und 4

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Stadtrepubliken schlossen sich zu einer heiligen Allianz zusammen. Es gab 50 Jahre keinen

Krieg. England und Portugal engagierten sich in Afrika und Asien und holten Rohstoffe.

Bürgertum wollte die Aufhebung der Zölle, auch Industrielle wollten das. Man wollte mehr

verkaufen und man transportierte auch schneller mit der Eisenbahn und dem Schiff. Der

Konflikt zwischen Fürsten und Bürgertum wurde immer stärker und es gab Bauernaufstände.

Die Revolution von 1848 kam nicht von ungefähr. In Frankreich gab es schon 1830 eine

Revolution. 1848 gab es globale Aufstände. Es war die Zeit einer neuen Welt- und

Zeiterfahrung. Es eröffneten sich neue Lebensperspektiven, vorher gab es keine vertikale

Migration und horizontale Migration.

Um 1800 gab es eine Leserrevolution. Nur 5% konnten lesen. Man ging in die Kirche. Die

absoluten Monarchen hatten das Lesen und die Bildung stark eingeschränkt. Es gab keine

öffentlichen Schulen und reiche Leute hatten Hauslehrer.

Um 1800 gab es eine allgemeine Schulpflicht, 4 Klassen, Eintritt mit 7 Jahren. 23 Millionen

Einwohner gab es in den deutschen Ländern. Davon konnten 5% lesen. Das war 1 Million.

DS Bürgertum konnte lesen, da sie kauften und verkauften. Es gab immer mehr Beamte,

Lehrer, Ärzte und Händler. Dies führte zur Veränderung der Bedeutung des Schriftstellers,

früher lebte der Schriftsteller vom Mäzen oder man betrieb die Literatur nebenberuflich. Die

Literatur war nun vom Markt, den Käufern und Verlegern, aber auch von der Zensur

abhängig.

Betrifft zuerst die Romantiker. Sie schrieben Märchen, waren unpolitisch und es war reine

Unerhaltungsliteratur. Es entsteht die Kinderliteratur, wie z.B. die Märchen. Reiche Frauen

hatten viel Zeit zum Lesen. Bürgerliche Mittel- und Oberschichtfrauen hatten nicht gearbeitet.

Es gab keine Autorenrechte. Der Autor hat das Werk geschrieben, es dem Verleger angeboten

und hat damit Geld verdient. Der Verleger konnte immer wieder nachdrucken, ebenso

machten es andere Verleger. Es war eine Konkurrenz zwischen den Verlegern und den

Autoren. Tieck hat sehr viel produziert. Die Schriftstellerei wurde ein neuer Beruf, die Bücher

wurden verbilligt durch technische Errungenschaften wie ein einfacher Transport. Meistens

haben auch Bürgerliche gelesen, v. a. solche mit liberaler Ideologie. Der Autor musste

deshalb auch liberal schreiben. Dies Führte zur Zensur. Jedes Buch musste zuerst genehmigt

werden und es musste weniger als 320 Seiten haben. Dicke Bücher waren teuer und hatten

keine Massenwirkung. Das Theater war auch Zensuriert, deshalb gab es eine Uraufführung.

Preussen hatte 1894 die Schulpflicht eingeführt. Zwischen 1800 – 1850 war die Zeit des

Biedermeier mit Rückzug ins Private, ohne sich in das politische Leben einzumischen. V. a.

in Preussen und Habsburg, da sie stark zentralistische Staaten waren. So lebten deutsche

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Schriftsteller in Paris im Exil, viele Schriftsteller waren Lehrer. Man las in der Freizeit. Das

Lesen einer Lektüre gab Gesprächsstoff für die Geselligkeit. Seit 1770 gab es Literatursalons,

wo Frauen über unpolitische und Männer über politische Bücher diskutierten. Die Literatur

war das Mittel für die Verwirklichung der Kommunikation.

Bei starker Zensur las man unpolitische Bücher mit idyllischer Note. In landwirtschaftlich

geprägten Ländern wie Preussen und Österreich hat der Adel die Macht behalten.

Mehr politisiert wurde in anderen Ländern, so z. B. das „junge Deutschland“, das gegen den

Feudalismus opponierte. Z. B. Karl Gutzkow war geistiger Mentor. Ebenso Ludwig Börne

und Heinrich Heine, die in Paris gelebt hatten. Die geistigen Mentoren waren zerstritten. In

den Zeitschriften gab es viele kritische Themen. Eine neue Erfahrung waren die Vermassung,

die Industriearbeiter und das Proletariat. Auch die Industriearbeiter wurden in der nächsten

Generation zum Leser und gingen zum Volkstheater, Die Schriftsteller sind nun Feinde der

Zensur geworden.

Im 18. Jahrhundert waren Schriftsteller und Künstler Schimpfwörter, d. h. Taugenichtse. Im

19. Jahrhundert hatten sie dann ein hohes Ansehen wegen ihrer Bildung. Viele Schriftsteller

aber waren arm. Es herrschte eine Künstlerkrise: Alkoholiker, Selbstmörder usw. Die

Künstler leiden an der Kunst. Sie ringen um das passende Wort, die sog. Boheme wurde

entdeckt. Die Schriftsteller waren meistens aus dem Kleinbürgertum und wollten nicht

Pfarrer werden. Viele hatten ein abgebrochenes Theologiestudium, z. B. Eduard Mörike, er

lebte von 1804 bis 1875. 1832 schrieb er „Maler Nolten“ und wurde damit nicht berühmt. Erst

die Novelle „Mozart auf der Reise nach Prag“ 1855 machte ihn berühmt, er selber war nie in

Prag. Dies zeigt Provinzialismus und Innerlichkeit. Er war unpolitisch und hatte keinen

Kontakt mit anderen Schriftstellern. Georg Herwegh, 1817 - 1875, Studiumsabbrecher, wurde

berühmt mit „Gedichte eines Lebendigen“ 1841; er ging nach Paris. Dort traf er Victor Hugo

und Karl Marx und heiratete eine reiche Frau. Finanziell wurde er so unabhängig und nahm in

Frankreich an der Revolution von 1848 teil, dann ging er in die Schweiz ins Exil. Er war

politischer Lyriker und Politiker und schrieb eine engagierte Literatur.

Von 1791 - 1856 lebte Heinrich Heine, ein Zeitgenosse von Ludwig Börne. Heine

philosophierte, dass er subjektiv sei, er dies aber reflektiere. Exogene Faktoren vermischen

sich mit endogenen Faktoren und er verfiel der Melancholie. Er war Lyriker und beschrieb

Reiseeindrücke. Er produzierte Jahr für Jahr ein neues Buch. Eines war das „Buch der Lieder“

von 1827, darin ahmte er die Volksdichtung nach mit politischer Ironie. 1831 war er in Paris

und schrieb „zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“ und „die

romantische Schule“ 1836. Die Romantik war die Poesie der Ohnmacht und er polemisierte in

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„Ludwig Börne, eine Denkschrift“, 1843. Heine sagt, dass der Schriftsteller zwischen den

Parteien stehen soll und dass der Journalist nicht im Dienst einer Partei oder Ideologie

schreiben soll. 1844 erschien „Deutschland, ein Wintermärchen“, dies wurde im 19.

Jahrhundert in Deutschland die berühmteste Satire. Es war ein fiktiver Reisebericht, in dem er

aus einem fremden Land in das eigene Land geht und es dabei kritisiert. Er reist im Winter,

wann Deutschland vereist ist, aber eine Revolution im Kommen ist. Diese Literatur wurde

100 Jahre lang verfemt, er als Jude und Journalist.

Seminar vom 07.03.2012 wird ergänzt!

Vorlesung vom 14.03.2012:Steht die Kunst über der Wirklichkeit oder greift sie in die Wirklichkeit ein, das war die Frage

während der Zeit der Aufklärung. Die Kunst kann verklären oder erklären, sie kann

Selbstzweck sein oder kritisieren. Die Aufklärer waren Stürmer und Drängler und

Frühromantiker. Nach 1830 kam es zur Restauration. Es gab eine ökonomische und politische

Beränderung. Die Bauern wurden freigelassen, man kam weg vom Feudalismus. Um 1830

starben Schlegel, Hegel, Jean Paul und Goethe. Nun wurde der weg frei für eine neue

Generation.

1830 gab es einen Goethekult, er wurde als Dichterfürst verehrt und alle sollten so schreiben

wie Goethe. Die Klassik wurde zur Norm. Das war eine konservative Auffassung. Georg

Gottfried Gervinus (1805 – 1871) war Goethekritiker. Er meinte, dass sich die Literatur mit

der inneren und äusseren Wirklichkeit auseinandersetzen muss. Gervinus und Wolfgang

Menzel waren Begründer der Literaturwissenschaft. Sie kritisierten Goethe hiermit, dass er

kein Genie sei, sondern nur ein Talent. Goethe hätte das Deutschtum begründen wollen.

Antisemitische schliessen sich dem an. Ludwig Börne schloss sich der Kritik an Goethe an.

Ebenfalls Friedrich Engels. Er sagte, dass Goethe widersprüchlich war wie die Zeit, in der er

lebte. Mal sei er revolutionär, mal sei er reaktionär gewesen. 1836 verfasste Heinrich Heine

die Schrift “die romantische Schule“ und schuf damit eine andere Wirklichkeit. Er schuf

damit auch andere Ideale. Diese stehen im Widerspruch zur Wirklichkeit; er veränderte die

Wirklichkeit und die Kunsttechnik.

K. Gutzkow war Verleger der deutschen Revue. Er versuchte, viele unterschiedliche

Schriftsteller zum Diskurs zu bringen. Seine Zeitschriften waren politisch.

1835 wurde „das junge Deutschland“ als staatsfeindliche Literatur verboten. Die

Intellektuellen sollten eine Revolution hervorbringen.

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Georg Büchner sagte, dass die Revolution nur aus der Not entstehen kann. 1834 erschien „der

hessische Landbote“, eine Flugschrift in A3-Format. Büchner wollte die hessischen Bauern

zur Revolution antreiben. Der Slogan war: „Frieden der Hütten, Krieg den Palästen“. Büchner

verabscheute Gewalt nicht, da der Feudalismus auch eine Form der Gewalt sei. Er schrieb

anti-idealistisch. Gemäss seiner Theorie war der dichter kein Lehrer der Moral, sondern der

Historiker im Fiktiven. Er brachte die Ästhetik des Hässlichen in die Literatur. Die

Wirklichkeit soll nicht verschönert werden. Die Schriftsteller waren immer politisch. Zuerst

waren sie Hofdichter, dann waren sie im 19. Jahrhundert revolutionär. Gutzkow schrieb

„Molly, die Zweiflerin“ und trat in einer antichristlichen Form für die Emanzipation des

Fleisches ein. Er erhielt dafür 10 Wochen Gefängnis. Viele politische Flüchtlinge verliessen

Deutschland und gingen in die Schweiz, nach Frankreich oder Belgien und wirkten von dort

aus.

Bei Georg Weerth war die Poesie ein politisches Mittel. Es gab aber auch Kritik an der

Politisierung der Literatur, da dies nur Hass und Ärger schüre.

Jedes Engagement konnte auch als unverbindliche Selbstaussprache verstanden werden. Die

Dichter konnten auch eine kollektive Begeisterung wecken. Z. B. durch Hymnen wie bei

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Es war ein Singen für die Nation. Heine

kritisierte solche Tendenzdichtung. Durch die Form, den Gebrauch verschiedener Stile, die

Objektivität und die Subjektivität kann man gemäss Heine Kritik üben.

1846 erschien von Hermann Ferdinand Freiligrath ein Gedicht "Wie man's macht", darin

hatte Freiligrath bereits die Revolution prophezeit. Zeitschriften und Flugschriften waren

aktuell. Sie waren billig und jeder hatte Zeit, sie zu lesen, da es kurze Texte waren. Es waren

Lieder, Essays, Karikaturen, Reportagen und Feuilletons. Dies waren die Mittel der

bürgerlichen Agitation.

1848 geschah eine bürgerliche Revolution. V. a. Ärzte, Angestellte, Juristen, Lehrer und

Handwerker beteiligten sich daran. Sie fand v. a. in Paris, Berlin und Wien statt, denn dort

gab es wenig Arbeiter. Es existierte auch wenig Literatur über Arbeiter. In der „rheinischen

Zeitung“ gab es linksorientierte Autoren, z. B. Georg Weerth, der wie Marx und Engels in

London lebte. Dort gab es viel Industrieproletariat. Vor 1848 gab es wenig sozialkritische

Literatur, nachher noch weniger, da der Staat zensurierte. Aber Marx und Engels schrieben

wissenschaftliche Literatur, z. B. „das Kapital“. Ferdinand Lassalle war bis 1894 Führer des

allgemeinen deutschen Arbeitervereins, der späteren SDP. Die Literatur war aber immer noch

grösstenteils Unterhaltungsliteratur. Sie war im 19. Jahrhundert kommerzialisiert und war

Massenliteratur. Um sie zu lesen braucht man Zeit, Neugierde und einwenig Geld. Die

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Unterhaltungsliteratur kam von England, z. B. von Walter Scott, von Charles Dickens und

von Frankreich, von Alexandre Dumas der Ältere „die drei Musketiere“. Auch grosse Dichter

begannen klarer und einfacher zu schreiben, so in Zeitschriften mit Fortsetzungen und es

erschienen Taschenbücher. Christoph Martin Wieland (1733 bis 1813) beeinflusste durch

seine Romane diese Literaturgattung nachhaltig, indem sie vielen anderen Schriftstellern als

mustergültige Vorlagen in Gestaltung und sprachlicher Ausdruck galten. Neben lateinischen

und griechischen Klassikern übersetzte Wieland zwischen 1762 und 1766 auch 22 Dramen

von William Shakespeare. Dadurch förderte er nicht nur die Bekanntheit von Shakespeares

Werken, sondern beeinflusste auch die Aufführungen im deutschen Theater maßgeblich. Mit

seinem Trauerspiel "Lady Johanna Gray" (1758) verfasste Wieland das erste deutsche

Trauerspiel in Blankversen. Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ gilt als der Prototyp des

deutschen Bildungsromans. Er geht auf das zwischen 1777 und 1786 entstandene Fragment

„Wilhelm Meisters theatralische Sendung“ zurück und wird mehr als zwanzig Jahre später

fortgeführt durch den Roman „Wilhelm Meisters Wanderjahre“, der die Geschichte des

Protagonisten weitererzählt, aber die Form eines linearen und sukzessiven Erzählens in

Richtung auf ein offenes, „modernes“ Romankonzept auflöst. Die in acht Bücher unterteilten

Lehrjahre verfolgen den Lebensweg des Kaufmannssohnes Wilhelm Meister, der aus zugleich

wohlhabenden und engen Verhältnissen seines Elternhauses ausbricht, um in der Welt des

Theaters eine freiere Entfaltungsmöglichkeit zu suchen.

Es gab auch historische Romane, z. B. von Willibald Alexis oder der Abenteuerroman „die

drei Musketiere“, des weiteren Salonromane, Science Fiktion von Jules Verne,

Detektivromane, v. a. im englischsprachigen Raum, z.B.

von Edgar Allan Poe, schwarze Romantik in „Frankenstein“, „Dracula“. Aber der Renner war

der Liebesroman mit der Vertreterin Eugénie Marlitt. Dann gab es die Gartenlaubenromantik

in den Zeitschriften und die Abenteuerromane, letztere wurden v. a. von den Männern

gelesen. So z. B. Karl May, der Unterhaltungsromane schrieb.

Es entstand die Kinder- und Jugendliteratur, initiiert durch die allgemeine Schulpflicht, die im

19. Jahrhundert eingeführt wurde. Man wollte Didaktik mit Unterhaltung verbinden. Die

Lehrer sahen, dass Bücher ein Sozialisationsmittel sind, die die Tugenden Ordnung,

Sauberkeit und Fleiss vermitteln. Heinrich Hofmann’s „Struwwelpeter“ erschien 1845, dann

schrieb Wilhelm Busch die Geschichten von „Max und Moritz“ 1865, die von der

spiessbürgerlicher Moral der Kinder handelt und die Elternschaft ironisiert.

Frauenliteratur, d. h. von Frauen über Frauen geschrieben, entstand während der

Industrialisierung, da es in der Familie zu entscheidenden Veränderungen kamen. Der Mann

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ging in der Fabrik arbeiten und die Frau blieb zu Hause. Die Schriftstellerinnen wendeten sich

gegen das männliche Rollenbild, so z. B Sophie von La Roche mit der „Geschichte des

Fräuleins von Sternheim“. George Sand verdammte den Mann als liebesunfähiges Wesen. Es

gab damals viele Zwangsehen. Bettina von Arnim (1785 – 1859), Enkelin der Sophie von La

Roche, ihr Bruder war Clemens Brentano, vertrat emanzipatorische Ideen. Sie hatte 7 Kinder

und trat für die Frauenrechte ein. Sie verfasste sozialpolitische Schriften bis 1848. Die

Revolution war ein schwerer Rückschlag für die Emanzipation. 1879 verfasste August Bebel

mit „die Frau und der Sozialismus“ ein politisches Pamphlet.

Es entstand eine Umwertung der literarischen Gattung, bei der die Versdichtung an Gewicht

verliert, es entsteht immer mehr Prosa, Feuilletons, Reiseberichte, Briefe sowie Erzählungen

in Büchern und Zeitschriften.

Die Prosa wird gelesen und die Verse werden rezitiert.

Das Buch hat nun ein grosses Publikum und ist überall verbreitet. Die Palette des lesenden

Publikums wird viel breiter und man muss des Hochdeutsch mächtig sein. Hugo, Balzac und

Stendhal waren Realisten. Von Willibald Alexis erscheinen 1832 „Cabanis“, 1840 „der

Roland von Berlin“ und 1842 „der falsche Woldemar“, alle vaterländischen Romane. Annette

von Droste-Hülshoff schrieb 1842 „die Judenbuche“, eine Erzählung. Annette von Droste-

Hülshoff zeigt, wie durch die Proletarisierung der Bauern diese zu Verbrechern werden.

Alles war noch weit entfernt vom wirklichen Naturalismus. Zur Entwicklung des Realismus

trug die Kriminalgeschichte bei. 1792 schrieb Schiller „der Verbrecher aus verlorener Ehe“

und „Das Fräulein von Scuderi“ ist eine Erzählung von E. T. A. Hoffmann aus dessen Zyklus

Die Serapionsbrüder, erschienen 1819/21. Sie gilt als erste deutsche Kriminalnovelle und

handelt von einer rätselhaften Mordserie im Paris des 17. Jahrhunderts, um deren Aufklärung

sich die französische Schriftstellerin Madeleine de Scudéry (1607–1701) bemüht.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts haben alle gedichtet, aber niemand wollte es lesen. Es

entstanden Poesiealben, Stammbücher und eine sog. Goldschmiedlyrik.

Das Drama wurde am meisten geschätzt. Es gab viele grosse Theater. Es waren Hof- und

Residenztheater am Fürstenhof, die Stücke waren stark zensuriert. Diese Theaterstucke

brachten den Schriftstellern Ehre und Geld. Ein berühmter Hofschriftsteller war August

Wilhelm Iffland.

Das Volkstheater bestand einmal aus einem privaten Theater für die Mittelschicht. Es wird

versucht, ein zahlungsfähiges Publikum zu bekommen. Es gab bürgerliche Themen mit

Happy end. Kotzebue schrieb solche Dramen. Dann gab es Theater für den Kleinbürger und

die armen Leute, wie die Kutscher, mit billigen Eintrittskarten. Es wurden Satiren und

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Fantasiestücke gespielt, wie z. B. am Wiener Volkstheater. Dafür schrieben Ferdinand

Raimund 1773 - 1836: “der Bauer als Millionär“ 1826, „der Alpenkönig und der

Menschenfeind“ 1838 und Johann Nepomuk Nestroy (1831 - 1864): „der böse Geist

Lumpazivagabundus“ 1835 und „der Talisman“ von 1840. Christian Dietrich Grabbe schrieb

1834 „Napoleon oder die 100 Tage“, es wurde 1869 uraufgeführt. Büchners „Woyczcek“

gehört zur Radikaldramatik, in der eine Szene die andere jagt, es entwickelt sich ein enormes

Tempo und die Masse wird zum Helden und nicht die historische Person Napoleon. Büchners

Erzählung „Lenz“ handelt vom Dichter Lenz, der mit Goethe befreundet und schizophren

war. Es geht hierbei um den Perspektiven- und Wahrnehmungswechsel der Schizophrenen.

Der psychische Zustand und die Natur Korrespondieren. Das wird zum Vorbild für den

Naturalismus. Die Witfrau von Büchner vernichtete einige Werke ihres verstorbenen Gatten.

Erst 1879 wurde Büchner berühmt.

Seminar vom 21.03.2012:Von Grillparzer, 1848 Uraufführung des Stücks „König Ottokars Glück und Ende“. Schildert

den Kampf zwischen dem König des heiligen römischen Reiches und dessen Bruder. Der 30-

jährige Krieg wird prophezeit. Es ist die beste historische politische Tragödie der Deutschen.

Rudolph V von Habsburg verbrachte sein Leben in Spanien. Wegen seiner Vorliebe zum

Katholizismus war er multilingual und hatte eine Vorliebe für Kunst und Literatur. Er hatte

ein gutes Gespür für politische Vorgänge. Er war schizophren. Der Bruderzwist begann, als

im Lande schwere Unruhen ausbrachen. Er verhielt sich zu passiv. Deshalb schritt sein Bruder

Matthias ein und ein Geistlicher. Er machte die Pläne für Matthias. Mit dem böhmischen

Aufstand hatte der 30-jährige Krieg begonnen.

Hebbel wollte mit der „Maria Magdalena“ ein bürgerliches Drama entwickeln. Er stellt die

Unterschiede in den bürgerlichen Schichten dar. Er wollte die Problematik des gesamten

Bürgertums und nicht ein Einzelschicksal schildern. Karl im Stück ist sich bewusst, dass sich

etwas verändern muss. Angeregt durch Hebbels eigene Ereignisse von 1836, als er in

München bei einem Tischlermeister lebte, und sehen musste, dass dessen Bruder ein Dieb

war. Karl ist Materialist. Er wollte auf die See. Der Titel wurde wegen dem Verleger von

„Klara“ zu „Maria Magdalena“ gewechselt. Der Vater im Stück war ein einsamer Mensch, er

misstraute den Kindern und dachte das Schlechteste von ihnen. Die Klara wollte im Stück

dem Vater keine Schande bereiten, deshalb begeht sie Suizid, weil der Vater seinen guten Ruf

in der Gesellschaft nicht verlieren sollte. Der Leonard hat im Stück zuerst keine Arbeit,

deshalb war er für Klara nicht gut. Später wäre er besser gewesen, da er Kassierer wurde und

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so in die Familie einheiraten dürfte. Klara wurde von ihm verlassen wegen einer Liebelei und

er wollte eigentlich Klara nur wegen ihrer Mitgift heiraten. Klara ist eine moralische Person,

die ihrem Vater keine Schande bereiten will, weil sich sonst der Vater umbringen würde. Sie

unterwirft sich dem Vater und dem Bruder. Karl streitet mit dem Vater darüber, dass er zur

See gehen will. Er hat kein Gefühl für Klara. Er schickt sie zum Brunnen, um Wasser zu

holen. Er hörte sie nicht an. Der Leonardo ist der Verlobte von Klara, aber als herauskam,

dass Karl ein Dieb ist, wollte er Klara trotz Schwangerschaft nicht heiraten. Und sowieso hat

der Vater die Mitgift verschenkt und sich selber eine reiche Frau geangelt. Der Sekretär hat

moderne Ansichten. Er will Klara auch nicht heiraten, trotzdem Klara ihm ihre Liebe

mitgeteilt hat. Er stirbt im Duell mit Leonardo. Fazit: Die Gesellschaft hat auf alle Personen

Einfluss. Die Handlung endet tragisch. Die Geburt eines unehelichen Kindes und Suizid ist

verpönt, daher sollt letzterer wie ein Unfall aussehen, damit der Ruf der Familie nicht

gefährdet wird. Meister Anton: „Ich verstehe die Welt nicht mehr“. Maria Magdalena ist eine

biblische Figur, wäre eine Bürgerin aus Galiläa, die Christus bis zur Kreuzigung folgte. Klara

ist ein Opfer ihrer Zeit. Sie ist keine Bürgerin, sie begeht Selbstmord nicht weil sie Schuld auf

sich geladen hat, sondern wegen den patriarchalischen Verhältnissen. Das Verhältnis zum

Vater ist stärker als ihr Glaube. Sie hat Angst vor der Zukunft. Der Schriftsteller zeigte, wie

die Gesellschaft funktionierte. Anton ist Tischler, er lebte nach den 10 Geboten und denkt,

wenn alle so wären wie er, gäbe es keine Probleme.

Das Bürgertum bestand aus Patrizier, der Intelligenz, z. B. Ärzte, den Meistern (mittlere

Intelligenz) und den Gerichtsdienern und den Totengräbern, letztere waren etwas

Unehrenhaftes. Es war die Zeit des August Comte als Mitbegründer der Soziologie.

Grillparzer war ein königlicher Beamter, Hebbel dagegen schrieb als freier Schriftsteller.

Grillparzer lebte in Wien, auch Hebbel war lange Zeit in Wien, die Stücke von Grillparzer

spielten im Burgtheater, diejenigen von Hebbel im Stadttheater. Grillparzer machte

historische Studien, Hebbel schrieb aus eigener Erfahrung und Beobachtung. Er beobachtete

die bürgerliche Gesellschaft mitten in Wien.

Im 19. Jahrhundert war das Drama das Höchste in der Kunst, die Lyrik indessen verlor an

Bedeutung. Die Gesellschaft entspricht einer göttlichen Idee, alles dreht sich immer um die

Moral, Sitte, Fleiss und Ehre. Gibt es keine Moral, zerfällt die Welt.

Das Drama ist nur möglich, wenn sich die Gesellschaft ändert. Hebbel will bessere

Sittlichkeit, die Gesellschaft muss sich nicht ändern, ohne Moral fällt alles auseinander. Die

Institutionen sind eine Summe von Regeln, nach denen die Leute handeln. Jede Kunst soll

etwas bewegen. Sie soll die Institutionen tiefer begründen. Die dramatische Kunst will nicht

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umstürzen, sondern nur tiefer begründen. Goethes „Werther“ war damals aktuell, es wurde in

andere Sprachen übersetzt, „Magdalena“ nicht. Die Kunst ist die idealisierte Philosophie, die

Welt ist die idealisierte Idee. Die tragische Kunst hat immer eine Notwendigkeit, sie hat eine

geschlossene Form (Ring). Im 20. Jahrhundert gibt es keine tragische Form mehr, die Form

bleibt offen. Allgemein Menschliches ist tragisch, nicht Einzelschicksale. Ungewollte

Schwangerschaft überlebte man damals nicht.

Vorlesung vom 28.03.2012: Die zweite Hälfte des 19. Jh.

1848 – 1871 – etwas wichtig (Bürgerliche Revolution) – reiche und gebildete Leute

Friedrich Wilhelm IV – will dass es deutscher König genannt werde

Der preussische König wollte nicht zum Kaiser genannt werden

300 Länder

Lösungen:

1) Vereinigung von deutschen Ländern ( Großdeutsche Lösung) – Österreich- das grösste

Land

2) Kleindeutsche Lösung (Preußen- das stärkste Land)

1825 - Kanzler Otto von Bismarck ernannt, er blieb Kanzler bis 1888 (Militarismus, Kriege-

die Strategie der Erzweigerung)

Viele kleine Fürstentümer haben darunter gelitten. Sie wurden unter die preussische

Verwaltung gestellt.

1867 – 1867 – Preußen - Krieg mit der Habsburger Monarchie (H. Monarchie – verloren)

Es entstand Österreich – Ungarn (Zentren: Budapest – Wien)

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts- Wien schwächer, Budapest stärker

Wirtschaft in Österreich - wenig Industrie

Berlin – Ballungszentrum

Norddeutsche Ebene – Landwirtschaft

Mark Brandenburg- Landwirtschaft

Junker- Adelige in Preußen, hatten sehr viel Macht; der preussische König musste sie

respektieren.

Berlin – Industrie entwickelt; der Hof war dort;

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Mittel- und Kleinindustrie; Man brauchte mehr Arbeiter;

Ideologie: Hierarchische (Klassengesellschaft) König Junker Industrieller

Kleinbürger Arbeiter

Industrieller – sind reicher geworden und brauchten die Aufhebung von Zöllen.

Westdeutscher Band + Norddeutscher Band (die Vereinigung von kleineren Ländern); sie

brauchten ein großes Reich ohne Zölle.

Louis Bonaparte – Napoleon der III

Großkapital—Frankreich entwickelt sich – Ausbeutung der Arbeiter = Aufstand

(Innenpolitische Probleme)

Napoleon hat die deutschen Länder angegriffen – im Jahr 1870

Pariser Kommune: Als Pariser Kommune (französisch La Commune de Paris) wird der

spontan gebildete, revolutionäre Pariser Stadtrat vom 18. März 1871 bis 28. Mai 1871

bezeichnet, der gegen den Willen der konservativen Zentralregierung versuchte, Paris nach

sozialistischen Vorstellungen zu verwalten. Ihre Mitglieder werden Kommunarden (frz.

communards, Sg. communard) genannt. Die Pariser Kommune gilt als Beispiel für die

Diktatur des Proletariats [1] und Vorbild der Rätedemokratie

Frankreich hat einige Territorien verloren (Saarland)

Wilhelm I von Hohenzollern (akzeptierte deutscher Kaiser zu sein)- wurde in Versailles

gekrönt;

Zentralisierung (Berlin – die Hauptstadt) = das zweite deutsche Reich;

Das erste deutsche Reich im 10. Jh. gegründet (988 – 1806)

Das Koenigreich Preußen – das größte Koenigreich

1848 – 1873

Zentren der Entwicklung:

1) Deutsches Ruhrgebiet – sehr entwickelt (Industrie, Kohl, usw.)

2) Berlin (Konsumzentrum) – Textilindustrie, Färbereien

Gegensätze zwischen den Massen- Jede Klasse war eine Zielgruppe für sich; Man möchte das

alles realistisch beschrieben, so wie es ist (Realismus – wurde in Frankreich und England

„gegründet“)

Realismus- Beschreibung der Welt

Realistische Neutralität- Leoplod von Ranke: „... die Geschichte zu schreiben wie es gewesen

ist“

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Englischer und französischer Realismus –sehr sozial

Russischer Realismus – psychologische Studien

Deutschland – „Realistische Theorien“

Bekannte Theoretiker: Julian Schmidt und Gustav Freytag (Theorien über Realismus);

Die realistische Literatur hatte eine Funktion- Nationalliteratur zu schaffen;

Autoren der „Nationalliteratur“:

Jeremias Gotthelf

Theodor Storm

Theodor Fontane

A. Stifter

K. F. Mayer

Wilhelm Raabe

PAUL HEYSE – 1910 – Nobelpreis für Literatur

1850 – 1900 – Bücher werden immer billiger – Alle konnten sie leisten (kleine Leute)

Verlage- Reclam, S. Fischer und Rowohlt

Keine Autorenrechte

Aristokratie war eine Zielgruppe für Autoren

Keine Analphabeten – allgemeine Schulpflicht

„Gartenlauben Literatur“ – einfach und leicht zum Lesen

„Die Gartenlaube“ – die bekannteste Zeitschrift

Medien: Buch (in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. – wurde zum Massenmedium)

Adel war „Vorbild“ (repräsentieren Ehre, Würde usw.)

Willibald Alexis – Die Hosen des Herrn von Bredow

Fontane – Wanderungen durch die Mark- Brandenburg

Die Junker lebten auf dem Lande

Bildungsbürgertum – hatten Bildung und Kultur (Beamten und Lehrer)

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W. Raabe – „Der Hungerpastor“ (1864)

Solche Werke müssen glaubwürdig sein

Heimat – emotional geladen („Wir Gefühl“)

Das Ziel der Literatur änderte sich mit der Zeit

- Unterhaltung (1878 – Verarmung der Leute) – die Werke wurden einfach, stofflich,

sprachlich formal, damit die armen Leute sie lesen können.

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Page 13: Germanistikvorlesung Und Seminar Deutsche Literatur Im 19. Jahrhundert

- Die Arbeiter konnten sich aber Bücher nicht leisten!

Der Grund: Bücher – billiger ABER Menschen –ärmer

Aber sie konnten Zeitschriften leisten;

Frömmigkeit, Treu, Zuverlässigkeit – Tugenden für den Staat (Lehrer u. a. mussten sie haben)

1835 – Germanistik entstand (die Romantiker)

Früher: Brüder Grimm, Gervinus

1870/ 71- Reichsgründung

Unifizierung (2 Probleme)

1) Konfession (Protestanten und Katholiken)

2) Judenfeindlichkeit

Bildungsroman

Der Roman „Soll und Haben“ (1855) von G. Freytag --- der wichtigste Roman

Dorfgeschichte blühte- das Dorf wurde als eine Utopie dargestellt

Berthold Auerbach – der meist verkaufte Autor

Friedrich der Große. Sein Leben und Wirken; 1834

Das Judenthum und die neueste Literatur; Essay, 1836

Spinoza; Roman, 1837

Dichter und Kaufmann; Roman, 1840

Schwarzwälder Dorfgeschichten; Erzählungen, 1843-1854

Diethelm von Buchenberg

Die Frau Professorin

Oskar; Trauerspiel, 1844

Der Gevattersmann (Kalender); 1844-1848

Schrift und Volk. Grundzüge der volksthümlichen Literatur; 1846

Tagebuch aus Wien; 1849

Abenteuer Roman

Karl May (auch sehr populär)

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Page 14: Germanistikvorlesung Und Seminar Deutsche Literatur Im 19. Jahrhundert

  2. Durchs wilde Kurdistan (1892)

  3. Von Bagdad nach Stambul (1892)

  4. In den Schluchten des Balkan (1892)

  5. Durch das Land der Skipetaren (1892)

  6. Der Schut (1892)

  7. Winnetou I (1893, zeitweilig auch Winnetou der Rote Gentleman I)

  8. Winnetou II (1893, zeitweilig auch Winnetou der Rote Gentleman II)

  9. Winnetou III (1893, zeitweilig auch Winnetou der Rote Gentleman III)

10. Orangen und Datteln (1893, Anthologie)

11. Am Stillen Ocean (1894, Anthologie)

12. Am Rio de la Plata (1894)

13. In den Cordilleren (1894)

HIGHLIGHT --- Victor Falk „DER SCHARFRICHTER VON Berlin“ (1890) --- war ein

Bestseller; 1 Million Kopien wurde verkauft!

Seminar vom 21.03.2012:In Gottfried Keller’s „Kleider machen Leute“ hat die Hauptperson Glück im Kartenspiel und

gibt sich als polnischer Graf aus. Er hat aber zerstochene Finger, da er eigentlich Arbeiter ist.

Als hochgestapelter Graf hat er sich in die Amtsratstochter verliebt. Die Verlobung ist am

Faschingstag und der Schneider war am Umzug und wurde entlarvt, als der Meister ihm die

Hand geschüttelt hat. Er ging darauf hinaus nach Seldwyla in den Schnee. Das Mädchen fuhr

zu ihm. Er bat seine Verlobte um Verzeihung. Sie verzieh ihm. Das Mädchen ging zum Vater,

um ihr Erbe zu erhalten. Sie eröffneten als Ehepaar einen Tuchhandel und weil das Geschäft

florierte, zügelten sie nach Goldbach. Das Mädchen und Menzel, resp. Herr Böhmi

(Buchhalter) sind Protagonisten. Die Nebenfiguren sollen die Verwandlung von Menzel

vollziehen. Das Mädchen ist hübsch, reiche Bürgerin und starkes Individuum. Sie hatte viele

Rechte für diese Zeit. Sie ist direkt und selbständig. Menzel ist instabil, das Mädchen muss

sein Leben in die Hand nehmen, er ist ein verlorener Charakter. Er ist Schneider, Graf und

dann Tuchherr. Er hat keinen Mut und will im Schnee erfrieren. Alles was er tut, tut er wegen

anderen Leuten. Er wollte sich allen Einflüssen von aussen unterwerfen. Der Buchhalter

Böhmi ist der typische Vertreter der Goldbacher: reich und fleissig. Er ist Menschenkenner

und eifersüchtig. Goldbach ist eine reiche Stadt, aber langweilig mit eintönigem Alltag. Die

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Page 15: Germanistikvorlesung Und Seminar Deutsche Literatur Im 19. Jahrhundert

Seldwyler sind offener, aber geizig. Kein Charakter kann als Vorbild dienen. Menzel ändert

ständig seine Rolle und auch das Mädchen wird nach der Heirat blass und ohne

Persönlichkeit.

Eine Novelle ist immer abgerundet. Die Gesellschaft ist real. Es gibt kein Happy end, da die

Liebe verloren geht und die Geldgier überhand nimmt. Der Graf ist Pole, also ein Fremder

und die Menschen sehen ihn anders als er ist. Aus einem Penner wurde ein gutsituierter

Bürger. Er will sich dem Mädchen nicht als Lügner präsentieren, er ist angeblich ein ehrlicher

Mann. Die Formel ist eine Liebesgeschichte. Das Mädchen lächelt, wenn es von seiner

Kindheit erzählt. Die Liebe war nur kurz, das Geschäft ist in den Vordergrund gerutscht. Sie

gibt das Kapital und er wird ihr Instrument. Er wirtschaftet und sie ist die Chefin. Er wird als

Tuchhändler durch den Handel reich. Sie ist die Kapitalgeberin für den Reichtum, d.h. man

wird durch Kapital reich. Es ist eine Kritik am Kapitalismus.

„Romeo und Julia auf dem Dorfe“ von Gottfried Keller wurde 1856 als Novelle geschrieben.

Sie gehört zum poetischen Realismus. Anstoss zum Schreiben gab eine Tagesnachricht von

1847, danach brauchte Keller 7 Jahre um die Novelle zu schreiben. Ein Schwerpunkt ist die

ökonomische

Niederlage der Eltern und der zweite ist der Selbstmord von Sali und Vrenchen. Der Acker ist

Ein Symbol für den Tod und die Zerstörung. Dem Vater von Vrenchen, Marti, wird ein Stein

an den Kopf geworfen. Der Fluss ist Symbolisch, die Geschichte beginnt am Fluss und endet

auch dort. Wenn Vrenchen und Sali zusammen sind, dann ist der Himmel blau.

Vergleich zum Drama von Shakespeare:

Ball Tanz im Wirtshaus

Machtstreit Ackerstreit

Familien immer befeindet Familien zuerst befreundet

Zufällige Suizide Absichtliche Suizide

Liebende lernen sich auf Party kennen Liebende kennen sich ganzes Leben

Stadt Dorf

Klassisches Drama Prosa

Priester traut die Liebenden Schwarzer Geiger traut die Liebenden

Dolch und Gift Ertrinken

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Page 16: Germanistikvorlesung Und Seminar Deutsche Literatur Im 19. Jahrhundert

Engländer schreibt über Verona Schweizer schreibt über die Schweiz

Die Werke des Realismus beschäftigen sich mit dem Zerfall der Familie. Vrenchen und Sali

sind aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Sie haben keinen Acker. Sie können nur mit der

Natur überleben, sie wissen sonst nicht, wie überleben. Es ist eine Frage der Identität, wenn

sie umziehen, werden sie jemand anders, aber man soll ja seine Identität bewahren.

Sali kauft Tanzschuhe und gibt dafür seine Taschenuhr weg. Die Tanzschuhe sind ein Symbol

für Märchen. Sie ist eine Prinzessin und die ehe wird vollzogen durch die Hochzeitsnacht.

Das Zuhause, die Heimat stiftet Identität, sie haben das verloren und existieren deshalb nicht

mehr. Man war früher an das Land fest gebunden.

Vorlesung vom 08.04.2012: Das Wilhelminische Reich dauerte von 1871 bis Ende 1. Weltkrieg. Der Preussisch-

Französische Krieg fand im Juli 1870 statt. Preussen hatte viele Truppen um für Ruhe und

Ordnung zu sorgen. Im November 1870 in Sedan Sieg der Deutschen. Napoleon III geriet in

Gefangenschaft. 1870 Zusammenschluss von Nord-, West- und Süddeutschland. 1870 – 1871

kurzer Krieg . Im Januar 1871 standen die Preussen vor Paris und Frankreich kapitulierte.

Frankreich zahlte Reparationskosten an Deutschland. Wilhelm von Hohenzollern war

Wilhelm I (von Preussen) und deutscher Kaiser von 1797 – 1888. Er wurde in Versailles

gekrönt, was eine Demütigung für Frankreich war. Es entstand das zweite Deutsche Reich

und Italien vereinigte sich auch. Grossbritannien, Frankreich, Österreich-Ungarn, Russland,

Italien und Deutschland waren Grossmächte. Das 19. Jahrhundert ist das Jahrhundert der

Entstehung der Nationalstaaten. Spanien wurde auch ein Nationalstaat. Alles waren

konstitutionelle Monarchien. Im Parlament waren Adelige und reiche Bürger, z. B. Bankiers.

Das Wilhelminische Reich war ein Bundesland mit 25 Ländern, z. B. das Königreich Sachsen

und Bayern. Der Preussische König war auch Deutscher Kaiser. Der Preussische Kanzler war

auch Reichskanzler. In Preussen lebten 2/3 der Deutschen. Das heutige Lettland und Litauen

war auch Preussen. Berlin war auch neue Reichshauptstadt. Reichskanzler war Otto von

Bismarck. Preussen hatte viel Macht erreicht und wollt sie stabilisieren. D. h. die Feinde

wurden eliminiert, so wurde 1872 der Jesuitenorden verboten. 1872 – 1875 tobte ein

Kulturkampf. Streitpunkt war, dass sich der Papst nicht in die Politik einmischen sollte. Die

katholischen Priester konnten wegen subversiven Predigten ausgestossen werden in den

Vatikan. Die Die Schulen wurden unter Staatsaufsicht gestellt. Es gab nun die Zivilehe und

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Page 17: Germanistikvorlesung Und Seminar Deutsche Literatur Im 19. Jahrhundert

die Scheidung war nun möglich. Es existierte die katholische Zentrumspartei, die in Bayern

und Polen stark war. Die preussisch-konservative protestantische Partei und die liberale Parte

sollten vom Kaiser gefördert werden.

Die Arbeiter wurden auch als feindlich wahrgenommen. 1863 gründete Ferdinand Lassalle

den allgemeinen deutschen Arbeiterverein. 1862 gründeten Karl Liebknecht und August

Bebel die soziale Arbeiterpartei, die dann die sozialistische Arbeiterpartei (SAD) wurde, die

spätere SPD. Im Mai 1878 fand auf den Kaiser ein Attentat statt. Das war Anlass für das

Sozialistengesetz, in dem die SAD verboten wurde. Dies sollte 2 Jahre gelten, es dauerte aber

30 Jahre. Otto von Bismarck wollte die Unzufriedenheit der Massen wegnehmen, z. B. mit

Einführung von einem Mutterschutzgesetz. Die Mütter waren bis 3 Wochen nach der Geburt

von ihrem Arbeitgeber bezahlt. Er führte die Krankenversicherungs- und

Unfallversicherungspflicht ein, ebenso die Rentenversicherungspflicht ab dem 70. Lebensjahr.

Kaum ein Mensch konnte es wegen der geringen Lebenserwartung beziehen. Diese Rente

bekam man auch bei Invalidität. 1888 war das 3-Kaiserjahr. Der Nachfolger von Wilhelm I

war Wilhelm III (1797 – 1888). Er regierte nur 99 Tage und dann starb er an Kehlkopfkrebs.

Nachfolger war der Sohn von Wilhelm I, Wilhelm II (1860 – 1942). Otto von Bismarck

wurde entlassen und ein Personenkult um Wilhelm II entstand im Reich der Deutschen

Nation. Während Wilhelm I schrittweise erobert hatte, wollt Wilhelm II sehr schnell erobern.

Die damalige Macht Nummer 1 war Grossbritannien, v. a. wegen der Industrie, sie brauchten

Rohstoffe von China und Indien. Frankreich eroberte Nordafrika. Deutschland und Italien

wurden militärisch immer stärker. Österreich-Ungarn wurde nur langsam industrialisiert und

verlor Habsburg an Preussen. Deutschland gewann Bosnien und Herzegowina. Russland

gewann den Kaukasus und die Krim sowie Gebiete der Türkei. Schwächstes Reich wurde das

Osmanische Reich. Sie hatten den Staatsbankrott erklärt. Sie hatten keine Technologie und

verloren den ganzen Balkan, ausser Griechenland, Albanien und Mazedonien. Es entstand ein

3-Kaiser-Pakt zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland und ein 3-Bund mit

Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien. Man sicherte sich ab und erlebte eine enorme

Industrialisierung. Man brauchte Rohstoffe von den Kolonien in Afrika, wie Togo, Tansania

und Kamerun. 1884 fand die Kongo-Konferenz in Berlin statt. Die eroberten Kolonien

wurden verteilt und Deutschland erhielt viele Kolonien. Die Gründerjahre fanden nach 1878

statt. Es wurden Unternehmen und Firmen gegründet. Es kam ein Finanzierungsschub aus

Frankreich. Es entstanden Fabriken, das Ruhrgebiet wurde entwickelt und mit Stahl und

Kohle. Um Berlin bildete sich die Textil- und die Elektroindustrie, z. B Siemens. Das

Beamtentum boomte in Berlin. Diese brauchten eine Infrastruktur wie Restaurants und

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Page 18: Germanistikvorlesung Und Seminar Deutsche Literatur Im 19. Jahrhundert

Pferderennen. Sie konnten sich Konsumgüter leisten und waren kauffreudig. Es bestand eine

grosse Nachfrage nach Bekleidung und Haushaltsgegenständen. Die Fabriken schossen aus

dem Boden. Das Risiko wurde geteilt und so entstand das Finanzkapital, die Banken. Die 3

wichtigsten Banken waren die Deutsche Bank, die Kommerzbank und die Dresdener Bank.

Man schimpfte auf die Juden, die viele kleine Banken hatten. Die Judenfeindlichkeit

verstärkte sich. Grosse Fabriken wurden als Aktiengesellschaften (AG) gehandelt. An der

Berliner Börse wurden die Aktien gehandelt. 1872 krachte es an der Börse, zuerst an der

Wiener Börse, dann an der New Yorker Börse und am Schluss in Berlin. Grundsätzlich wird

an der Börse mit möglichem Geld spekuliert, spekulieren die Banken schlecht, dann fallen die

Aktien. Ein Problem waren die verschiedenen Währungen. 1876 wurde die Deutsche Mark

eingeführt. Der Fahrzeug- und Maschinenbau in Berlin hat sich entwickelt. 1884 ist der

Deutsche Reichstag entstanden. Es wurden viele Häuser gebaut, speziell auch Hochhäuser.

Berlin wuchs mit Charlottenburg zusammen. Die Bahn wurde gebraucht. 1882 wurde die

dampfbetriebene Stadtbahn in Betrieb genommen. 1924 wurde sie elektrifiziert. Die

Eisenbahn war staatlich. Man benötigte auch eine Handelsflotte, es entstanden Schiffswerften

in Hamburg und Bremen. Man bohrte einen Kanal, den Nord-Ostsee-Kanal, damit die Schiffe

nicht über Dänemark fahren mussten. Es brauchte viel Stahl aus dem Ruhrpot. 1875 entstand

das Kaufhaus „Karstadt“. 1874 hat Remington eine Schreibmaschine für das 10-Fingersystem

erfunden. 1886 wurden die Setzmaschinen für die Zeitungsdruckerei verbessert. 1878 - 80

erfand Thomas Eddison die Glühbirne, vorher hatte man eine Gasstrassenbeleuchtung. Das

erste Grammophon wurde entworfen. Der erste Otto-Motor von Karl Benz und Gottlieb

Daimler wurde gebaut. Man montierte den Otto-Motor auf die Kutschen. Dies alles führte zur

Urbanisierung. Die sozialen Schichten differenzierten sich. Dem Adel ging es nicht mehr so

gut. Er war die Stütze der kaiserlichen Militärmacht und der Offiziere. Ihre Ehre war ihnen

wichtig. Sie verarmten oder heirateten Neureiche. Es war eine sog. Mesalliance. Der Adel

hatte aber die Mehrheit im Parlament. Die erste obere Mittelschicht der Bürger, die

Bourgeoisie, verfügte über das Finanzkapital. Sie waren bei den Adeligen und Armen

verpönt. Für den Adel waren sie unehrenhaft und für die Arbeiter ausbeutbar. Im Parlament

waren sie schlecht vertreten.

Die zweite Mittelschicht waren die Bildungsbürger. Sie waren die Träger des

Nationalsozialismus und bestanden aus Ärzten, Lehrer und Juristen. Sie waren vom Staat

abhängig und angesehen. Sie lebten von und für die Bildung und machten Dienstleistungen.

Die dritte Mittelschicht war die untere Mittelschicht, das waren obere und mittlere Beamte.

Sie identifizierten sich besonders mit dem Staat. Sie übten sich in Gehorsamkeit und besassen

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Page 19: Germanistikvorlesung Und Seminar Deutsche Literatur Im 19. Jahrhundert

Untertanenmentalität. Der Staat wollte aber die Kontrolle über die Finanzen und die

Menschen. Die Bildung, die Gesundheit, die Post, die Bahn und die Polizei war alles mit

Beamten besetzt. Beim dienstpersonal gab es eine gehobene Schicht, die bestand aus

verarmten adeligen Frauen ohne Familie. Sie arbeiteten als Gouvernanten und

Musiklehrerinnen und kamen bei Familien unter. Die niedrige Schicht bestand aus Kutscher,

Hausburschen und -mädchen. Man bot ihnen ein Dach über dem Kopf und Nahrung. Sie

bekamen nur einwenig Taschengeld und mussten ohne Familiengründung bleiben.

Die Handwerker gerieten unter Druck wegen der zunehmenden Industrialisierung und

konnten kaum mehr überleben. Sie konnten fast nur noch Reparaturen ausführen. Die

Mittelschicht war loyal zum Staat, der sie ernährte und ihnen Selbstbewusstsein gab.

Die Unterschicht bildete das Industrieproletariat, das v. a. in der Bergbau- und

Schwerindustrie tätig war. Die Männer arbeiteten 12 - 16 Stunden am Tag. Sie mussten eine

Familie mit vielen Kindern ernähren. Die Kinder mussten mitverdienen und sie wohnten in

Mietskasernen. Die Frauen arbeiteten in der Textilindustrie, Färberei, Wäscherei und Hotels

oder beteiligten sich an der Produktion von kleinen Produkten. Die Kinder arbeiteten ab 10-

jährig. Nach 1860 gab es keine Auswanderung mehr, sondern eine Urbanisierung mit

Mietskasernen. So entstand der Stadtteil Neuköln in Berlin. Die Ober- bis Mittelschicht hatten

1- 3 Kinder. Der rheinische Kapitalismus war weniger brutal als der Manchesterkapitalismus.

Man schaute, dass die Arbeiter nicht so unzufrieden waren. Im Gegensatz zu England gab es

wenige Streiks.

Die Naturwissenschaften, die Archäologie und die Psychologie entwickelten sich. Die

deutschen Universitäten aber verharrten in der Naturphilosophie der reinen Spekulation.

Revolutionär wirkte die Theorie von Charles Darwin. 1870 - 74 wurden seine Schriften

übersetzt. Die Evolutionstheorie war wichtig. Die positiven Folgen waren die Zucht für die

Nahrungsmittelindustrie. Es konnte mehr Nahrung produziert werden. Es entstanden

botanische Gärten und Treibhäuser. Die negativen Auswüchse finden sich als Grundlage für

die Rassentheorie wieder. Robert Koch fand den Tuberkulosebazillus. Dies förderte die

Pharmaindustrie und die chemischen Unernehmen wie „Beiersdorf“. Durch die Entdeckung

von chemischen Verbindungen entstanden Seifen, die z. b. von der Firma „Henkel“ hergestellt

wurden.

Das Patent für die Jeans wurde 1873 an Levi Strauss vergeben. In der Physik wurde die

Elektrizität die Grundlage für Konsumgeräte, Strassenbahnen, ab 1873 für den Telegraf und

ab 1876 für das Telefon. Die Informationstechnologie wurde revolutioniert: es entstand der

Phonograph mit der Aufnahme und Wiedergabe von Ton, das Grammophon und Mikrophon

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und seit 1889 lochgesteuerte Rechenmaschinen. Das elektromechanisch gesteuerte

Rechengerät war der Vorläufer der Personal Computer. Daimler und Maibach erfanden das

Motorrad und das Maschinengewehr wurde konstruiert. Die Firma Eulenstein und Kobel

betrieben Maschinenbau.

Das erste Institut für Psychologie wurde 1789 gegründet und 1850 entstand die Soziologie als

Wissenschaft.

Heinrich Schliemann formulierte die Archäologie als Wissenschaft und fand Troja.

Die historische Wissenschaft war berühmt, v. a. dank Herbert von Ranke, und wurde zur

staatstragenden Wissenschaft.

Seminar vom 25.04.2012: Theodor Storms „Pole Poppenspäler“ erzählt vom Kunstdrechsler Paul Paulsen, der ausführt,

wie er zu seinem Schimpfnamen gekommen ist. Der Erzähler ist zum Hochzeitstag der

Paulsen eingeladen und vor 40 Jahren war der Erzähler im Elternhaus, wo Paul Paulsen zu

Gast war. Es ist pädagogischer Lesestoff für die Jugend. Die zeitgenössische Literatur war

meistens nur Erwachsenen zugänglich, daher hat man etwas für die Jugend geschaffen. Es

fehlen abstrakte Ausdrücke, daher ist es für Schüler ideal. 1875 wurde das Buch

herausgegeben. Die Freiheit der Phantasie und der bürgerlichen Werte werden gebunden. Es

gibt verschiedene Erzählebenen: 1. Der Erzähler, 2. der Erzähler sitzt mit dem erwachsenen

Pole Poppenspäler zusammen und dieser erzählt von seiner Jugend. 3. Pole Poppenspäler hat

einen 40-jährigen Sohn und er erzählt über dessen Jugend.

Pole Poppenspäler ist von Beruf Kunstdrechsler, also Handwerker, dann wurde er

Mechaniker. Er verkörpert die Tugenden wie sparen für das Alter, arbeiten und lernen. Alle

Figuren sind brav und kommen am Ende in den Himmel. Die Puppenspieler waren Fahrende,

also unehrenhafte Leute. Sie waren Künstler und im 18. Jahrhundert war der Ausdruck

„Künstler“ noch ein Schimpfwort. Das Publikum waren Erwachsene und Kinder. Pole war

Einzelkind, Lisei auch. Die Meisterin hatte auch nur einen Sohn. Normalerweise hatten die

Handwerker 5 Kinder, auch wegen der hohen Kindersterblichkeit.

„Der Immensee“ von Theodor Storm ist eine Novelle. Ein älterer Herr, Reinhardt, erinnert

sich an seine unerfüllte Jugendliebe namens Elisabeth. Es ist ein Meisterwerk der Literatur. Es

hat eine Rahmen- und eine Binnenhandlung: Ein alter Mann kommt von einem Spaziergang

nach Hause. Die Erinnerung an die Vergangenheit stellt die Binnenhandlung dar. Das

Element Wasser macht Angst, es ist schwarz. Es ist eine Novelle im Stile zwischen Romantik

und Realismus. Motiv des Fensters ist Romantik, die unglückliche Liebe nähert sich der

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Realität an. Es gibt eine Lichtsymbolik, immer wenn der Alte alleine war, erschien Licht. Der

Alte ist stürmisch, Elisabeth ist zu passiv. Der Alte war ein romantiker, denn er wollte nach

Indien gehen und durch Deutschland ziehen und Volkslieder sammeln. Die Mutter setzte

Elisabeth unter Druck, sie musste Erich, einen schwachen Charakter, heiraten. Reinhard

studierte. Elisabeth wollte mit nach Indien, aber sie wollte die Mutter mitnehmen, das ging

nicht. Das Symbol der Wasserlilie tritt in der Mitte der Novelle auf, zwischen Kindheit und

Alter. Elisabeth wollte sich aus ökonomischen Gründen nicht mit einem Romantiker, einem

Künstler binden. Der Hempflingvogel wurde durch einen Kanarienvogel ersetzt. Der Vogel

im goldenen Käfig symbolisiert die Situation von Elisabeth. Reinhard war selten zu Hause.

Wenn er nach Hause kam, trocknete er Blumen und legte sie in ein Buch. Die Natur wurde

zerstört. Aus den Obstbäumen wurde Schnaps produziert und die Natur stirbt. Elisabeth und

Erich haben keine Kinder, die Welt ist industriell steril. Sie finden keine Erdbeeren. Künstler

würden verhungern. Erdbeeren sind ein Erotiksymbol. Durch die Industrialisierung wird die

Natur zerstört. Die Wasserlilie ist weiss, eine Symbolfarbe des Todes. Das Wasser ist

bedrohlich. Reinhard könnte darin ertrinken. Er verschwindet in die Natur und in die

Romantik. Der Kuckuck legt Eier in fremde Nester, so sollte es Nachkommen geben, egal ob

von Reinhard oder Erich. Die weite Welt wird hier dem lokal Abgegrenzten gegenüber

gestellt. Die Elisabeth kann nicht aus dem Haus kommen, alles ist überdacht. Die Romantik

und Natur werden gegen die Bürgerlichkeit und Natur ausgespielt.

Vorlesung vom 02.05.2012: Realismus und Naturalismus existieren in einer Zeit der Verbesserung der Produktion. Es gibt

Zeitungen und Bücher und neue Setzmaschinen. Das Urheberrecht wird neu geregelt. So

haben Schriftsteller genügend Zeit zur Verbesserung ihrer Werke. Der Realismus ist das

Gegenteil von fantastisch und utopisch. Realismus ist Gegensatz zu Idealismus. Die

Realpolitik wollte das Mögliche und es erreichen. Man hatte einen besonderen Sinn für das

Wirkliche, Sachliche, Massvolle und Angemessene einer Sache. Man hatte dem Leben

gegenüber eine positive Haltung. Man erzählte keine Märchen sondern man handelte mit

Aktien. Die Wirklichkeit war die Frage nach der Authentizität, nach dem, was passieren

könnte. Der Realismus in Deutschland ist spezifisch. Es ist ein bürgerlicher Realismus. Er ist

von den Bürgern kreiert und für die Bürger geschrieben. Die Schriftsteller vertreten die

Interessen ihres Publikums. Bürgerlich bezieht sich auf den Handel und das Gewerbe. Die

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Realisten verstehen sich auf die Weiterführung der Aufklärung. Die Welt sollte entzaubert

werden. Man kommt weg von der Romantik. Die Wirklichkeit ist nicht etwas, was subjektiv

gebraucht wird. Dies können Gegenstände, die Menschen und die Natur sein. In jedem Raum

wird eine Wirklichkeit entsprechend dem Erfahrungswert konzipiert. Die Fiktion sollte die

Wirklichkeit sein, aber es gibt nur Vorstellungen von der Wirklichkeit. Zuerst drang der

Realismus in die bildende Kunst ein, dort entwickelte er sich zum plumpen Realismus. Es

entstand v. a. Porträtskunst, die dazu diente, dass man verewigt wurde. Der plumpe Realismus

verlor an Bedeutung, seit Aufkommen der Fotographie. Die Fotographie entstand um 1839.

Das Bild konnte die politische Seite der Realität zum Vorschein bringen, das war die sog.

Verklärung. Die Realisten hatten die Malerei zum Vorbild genommen. Es entstand eine

Verbindlichkeit von Realität und Idealität. Die Gegenständlichen Aspekte der Realität

schaffen Sicherheit und ein Allerweltswissen, so z. B. dass Stühle 4 Beine haben. Es gab

immer mehr Gegenstände ab letztem Viertel des 19. Jahrhunderts. Des Weiteren waren leitete

man aus Situationen Verhaltensweisen ab. Dahinter standen aber auch Normen und Werte.

Sie schufen eine Orientierungshilfe in der Welt. Es gab Erzählinstanzen, so war die Figur des

Erzählers wichtig. Die kritisierten Fehlformen der Wirklichkeit gehörten auch zum

Realismus. Die Frage wird gestellt, ob gewisse Selbstverständlichkeiten auch wirklich gut

sind. Dies mündet in den kritischen Realismus. Er bildet nicht nur ab, er entlarvt, was schlecht

ist. Er soll auch Schädliches und Inhumanes darstellen. In den besseren Literaturwerken ist

die Kritik impliziert. Man kommt zu einer Lösung, wie es sein könnte. Neue

Wirklichkeitsfelder und neue Massstäbe entstehen. Die Voraussetzung war, dass man die

Sehgewohnheiten entautomatisierte. Die Wirklichkeit ist nicht unveränderlich.

Die Wirklichkeit ist die geglaubte Welt, man überprüft sie und danach ist sie nicht mehr

selbstverständlich. Die Welt ist mittlerweile mannigfaltig, daher ist die Selbstverständlichkeit

wichtig für das Überleben. Schon in der Kindheit baut man durch Bilder, Sehen und die

Erfahrung die Wirklichkeit auf.

Die Wirklichkeit hat Aufgaben und Probleme. Der kritische Realismus fragt, ob das

Bestehende so gut ist, wie man es glaubt. Man muss die Welt überprüfen. Die Welt muss man

sehen, an Hand von realistischen Texten kann man die Welt besser wahrnehmen. Das Sehen

ist ein biophysikalischer Vorgang auf einen Reiz. Es fällt auf etwas Licht und das Licht wird

anschliessend reflektiert. Man kann auch lernen, besser zu sehen. Der Realismus besteht in

einem Medium. Das Buch besteht aus Zeichen, Buchstaben, und die Zeichen verweisen auf

etwas. Sie sind eine Referenz. Es gibt ikonische Darstellungen. Das sind Ähnlichkeiten

zwischen der Realität und Zeichen, z. B. Reden oder Briefe oder Zeit deckendes Erzählen,

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Page 23: Germanistikvorlesung Und Seminar Deutsche Literatur Im 19. Jahrhundert

dabei sind 1 Stunde Lesen 1 Stunde Handlung. Die sozialen Beziehungen werden so

abgebildet.

Indexalische Darstellungen, Wohnungen, Kleider, Sprache und Stil haben symptomatische

Werte. Die Determinierung der Wohnung bestimmt die Norm und zeigt die soziale Schicht.

Es sind Indizien für bestimmte Vorstellungen von Wirklichkeit. Das Symbol zeigt den

Unterschied zwischen dem Original und dem bild von der Wirklichkeit. Alles bleibt Fiktion.

Der Realismus dauerte lange, mehrere Jahrzehnte.

Der Naturalismus fand zwischen 1885 und 1895 statt. Diese Literatur wurde von den

Intellektuellen abgelehnt weil sie den Schmutz und Zynismus der Welt zum Vorschein

brachte. Er wurde nur von wenigen Intellektuellen als neu und revolutionär begrüsst.

Der Naturalismus zeigt die Welt als harmonische Lüge. Es gibt ein disparates Neben- und

Gegeneinander von Tendenzen und Konzepten. Es gibt ein kapitaler Unterschied zwischen

den Theoretikern und den Praktikern, den Schriftstellern. Die Autoren waren bürgerlich, aber

ihre Werke zeigten das soziale Elend der Proletarier. Die Lyrik entstand um die Mitte der

1880-er Jahre, Prosa und Novellen gab es während den ganzen zehn Jahren von 1880 bis

1890. Das Drama dominierte. Bei Emile Zola waren es Romane. Die meisten Werke waren

opponierend gegen den Realismus. Die Natürlichkeit, der Natursinn und die Rückkehr zur

Natur waren angesagt. Man stand im Gegensatz zur Künstlichkeit und zur Schule, denn die

Schule ist auch künstlich. Es war ein Gegensatz zum Symbolismus und Impressionismus und

den sich daraus im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts herausbildenden Expressionismus. Die

Realistischen Werke wurden viel länger, bis Ende der 1890-er Jahre geschrieben.

Die Zentren der naturalistischen Strömung waren München und Berlin. Es entstand eine

Lyrikanthologie „Moderne Dichter-Charaktere“ ein Projekt vieler naturalistischer Zentren und

von Arno Holz den Gedichtband „das Buch der Zeit“. 1890 wurde in München die Zeitschrift

„die Gesellschaft“ herausgegeben. In Berlin gibt es das Drama, das auf der „freien Bühne“

gespielt wurde von Henrik Ibsen „Die Gespenster“ und von Gerhard Hauptmann 1889 „Vor

Sonnenaufgang“. Dies alles gefiel den Intellektuellen. Die Schriftsteller waren jung, alle nach

1860 geboren. Sie hassten die Franzosen nicht und lasen Emile Zola und hatten einen

bürgerlichen Lebensweg. Sie waren von der Literaturentwicklung fasziniert und vom

Positivismus und Materialismus. Sie hatten ein anderes Weltbild als ihre Väter. Sie hatten

eine Aversion gegen ihre Väter.

Es entstanden Mietskasernen, die klein und feucht waren und so eine Brutstätte für

Tuberkulosebakterien waren. Es herrschte Elend in den Mietswohnungen. Beim damaligen

Hausbau musste man die Wände lange trocknen lassen.

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Page 24: Germanistikvorlesung Und Seminar Deutsche Literatur Im 19. Jahrhundert

Zur Zeit des Naturalismus lebten zwei Schriftsteller, die Gebrüder Hart, die zusammen mit

Bruno Wille und Wilhelm Bölsche die „friedrichshafener Künstlerkolonie“ bildeten. Sie

mieteten eine Vorstadtvilla und diskutierten dort. Es waren dort die Autoren: Arno Holz, er

hat eine der wenigen naturalistischen Komödien geschrieben, „die Sozialaristokraten“, und

Johannes Schlaf schrieb „Papa Hamlet“, Hermann Sudermann schrieb das Schauspiel „Die

Ehre“ und Gerhard Hauptmann, der lange lebte.

Die „freie Bühne“ wurde in die „freie Volksbühne“ umgewandelt, deren Leiter Bruno Wille

war. Es begann mit Theorie und Lyrik. Die Literatur soll sein, wie ein Blatt, das vom Baum

fällt, sie soll grosse Präzision haben mit vielen Details. Dies galt aber nur am Anfang des

Naturalismus. Ein wichtiges Thema bildeten die Naturgesetze, die Vererbungslehre von

Darwin und der Kampf ums Dasein wurde thematisch ausgeschlachtet. Das Milieu und

Soziales wurden gezeigt, v.a. das Armeleutemilieu. Die Naturalisten haben genau beobachtet

und es wurden soziale Experimente gemacht. Dies wurde von Emile Zola übernommen mit

seinem „roman expérimental“. Das Arbeiterelend und die Frauenemanzipation waren das

Thema. Die Figuren sprechen meistens im Dialekt. Der Mensch ist von der Natur und seinem

Milieu determiniert. Das war das Thema des naturalistischen Dramas.

Seminar vom 09.05.2012: „Der Schimmelreiter“ ist Theodor Fontanes letztes Werk Es hat eine Rahmenerzählung: ein

Mann macht sich beim Besuch von Freunden auf den Heimweg und kehrt in ein Gasthaus ein.

Die Erzählung des Schulmeisters ist die Binnenhandlung: Ein Reiter namens Hauke trifft mit

seinem Pferd auf eine dunkle Gestalt. Er erzählt in einem Gasthaus von seinem Erlebnis. Er

ist Sohn eines Bauern. Er war Kleinknecht und verliebte sich in die Tochter Elke. Er geriet in

einen Streit mit dem Hochknecht. Elkes Vater stirbt. Hauke kaufte sich ein weisses Pferd.

Hauke wurde von einer alten Frau verflucht. Hauke hatte ein behindertes Kind mit Elke.

Hauke sah eine schwache Stelle im Deich und wollte sie flicken. Der Deich brach bei einem

Sturm ein. Die Frau und das Kind wurden von den hereinstürzenden Wassermassen in den

Tod gerissen, ebenso Hauke, der aber als dunkle Gestalt immer noch herumirrt.

Hauke ist die verkörperte Ratio, er ist gegen traditionelle Strukturen. Er wird aber von den

Dorfbewohnern zur mythischen Figur gemacht.

Diese Erzählung gehört zu den besten Novellen. Mythische und realistische Elemente werden

vermischt. Ein alter Mann erinnert sich an etwas, was er vor 50 Jahren gelesen hat und vor 70

Jahren stattgefunden hat. Hauke hat die Deiche trockengelegt und so hat er Land gewonnen.

Dieses hat er dem Meer entnommen, durch die Kultivierung der Erde hat er Nahrung erhalten.

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Landbesitz war damals sehr wichtig, denn die Leute hungerten und konnten sich nur durch

eigenen Landbesitz ernähren. Hauke war ein genialer Rechner, ein Deichgewinnler. Er

erwürgte die Katze seines Jugendfreundes, deshalb ist er auch asozial und sein Kind ist

autistisch.

Der Aberglaube wird hier gegen die Ratio ausgespielt. Hauke glaubt an Gott, aber macht

einen Deal mit ihm. Die Strafe Gottes ist der Deichbruch und die Behinderung des Kindes.

Die Elternliebe ist ein Phänomen des 19. Jahrhunderts und kam nur bei reichen Familien vor.

Früher zeigte man seine Elternliebe durch Weitergabe des Eigentums, wie z. B. des Hofes.

Hauke wollte sich ein Denkmal schaffen mit der Trockenlegung von Deichen. Elkes Vater

war Deichgraf. Hauke wollte auch Deichgraf werden. Haukes Vater hatte kein Land. Er war

ein armer Schlucker. So konnte Hauke eigentlich nicht Deichgraf werden, da er kein Land

hatte.

Im 18. Jahrhundert gab es keine Liebesheirat. Elke heiratet Hauke weil er intelligent und

fleissig ist. Das 18. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Aufklärung. Man möchte sich vom

Schicksal befreien, das ist in Deutschland bis ca. 1870 so.

Es geht in der Novelle auch um die Frage, ob das Gottes- oder Menschenwerk wichtiger ist.

Im 18. Jahrhundert gab es kaum Aufstiegsmöglichkeiten, man wurde entweder arm oder reich

geboren. Hauke steigt auf, aber der Preis war, dass am Ende alle sterben. Hauke spukte dann

als dunkle Gestalt auf den Deichen herum. Der Schulmeister spürte eine Streifung dieses

Spuks am rechten Arm. Es ist eine Legende mit einer Personencharakterisierung und wird

dadurch zum authentischen Bericht. Der Autor lässt Hauke und Elke sehr wenig sprechen.

Der Autor schafft es, dass die Personen ohne grosse Dialoge charakterisiert werden.

„L’Adultera“ von Theodor Fontane wurde 1879 begonnen. Zuerst erschien die Novelle in

einer Monatszeitschrift „Nord und Süd“. Danach erschien sie 2 Jahre später als Buch. Der

Verleger wollte den Titel „l’Adultera“, d.h. auf Italienisch „die Ehebrecherin“, so haben. Es

handelt von einem Ehebruchskandal, bei dem eine Ehebrecherin namens Melanie ihre Familie

verlassen hat. Es war der erste Berliner Gesellschaftsroman, der den Vorfall weder unter den

Tisch gewischt noch beschönigt hatte. Fontane wollt die Realität wiedergeben. Die

Naturalisten haben ihn als einen der ihren angeschaut. Die Ehebrecherin musste mit 17

heiraten. Sie gebar 2 Kinder. Sie hatte materiell alles. Im Winter war sie in einer

Stadtwohnung, im Sommer in einer Gartenvilla. Sie erhielt einmal als Geschenk ein bild

„l’Adultera“, was sie sehr erschreckte. Sie stand diesem Geschenk ablehnend gegenüber und

wollte es in eine Galerie geben. Ein Major kommt oft zu Besuch, ebenso ein Baron, ein

Polizeileutnant und zwei Maler. Es geschah, dass Melanie mit ihren Kindern schon in der

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Sommerwohnung war, während ihr Mann Ezechiel noch in der Stadt weilte. Es kam ein

Kavalier zu Besuch und es entwickelte sich eine Affäre. Auf einer Bootsfahrt kamen sie sich

näher und es entstand ein Kind. Sie ging mit dem Liebhaber weg von Ezechiel. Melanie war

sehr glücklich, sie ging mit ihrem neuen Mann zuerst in die Schweiz und dann nach Berlin.

Dann kamen harte Zeiten. Ihr Mann war fast bankrott, Melanie verliess ihn und musste sich

als Musiklehrerin ihren Lebensunterhalt verdienen. Ein italienischer Maler des 16.

Jahrhunderts, Jacopo- Tintoretto, malte das Bild, das Ezechiel es seiner Frau als Kopie hat

anfertigen lassen.

L’Adultera, die Ehebrecherin, wurde gemäss Bibel zu Jesus geführt und er hat ihr alle Sünden

erlassen. Melanie empfand insgeheim eine Sympathie für sie und nahm so ihre

Stigmatisierung weg.

Die Farbe rot ist das Leitmotiv und ihr Name Melanie, geb. de Caparoux, Rotkäppchen,

deutet auch daraufhin, ebenso die Mohnblumen, die feurige Leidenschaft und Verlangen nach

Liebe symbolisieren. Die Granatenblütengarnitur symbolisiert die Göttin der Liebe,

Aphrodite. Fontane war ein Kunstfreund. Das Bild und die Erzählweise sind aufeinander

bezogen. Aus dem Mohn gewinnt man Opium, das die Sinne vernebelt. Melanie war in der

Ehe unzufrieden. Ihr Mann war nicht sehr maskulin. Sie kann nicht gleichzeitig eine

glückliche ehe führen und eine glückliche Frau sein. Sie war eine starke Persönlichkeit.

Rubehn ist als Name eine Anlehnung an die Bibelgeschichte, in der er als Sohn Jakobs mit

seiner Mutter Ehebruch begann. Der Ehebruch findet im Palmenhaus statt, dieses ist ein

Symbol des Fortschritts und der Dekadenz. Melanie wollte die wahre Liebe, Ezechiel hatte

absichtlich schlechte Manieren, war aber hoch gebildet und hatte keinen feinen Geschmack.

Es geht hier auch um Neugierde, sie wurde hormonell dazu getrieben. Sie wollte auch

Bestätigung für ihr Ego. Aus egoistischen Gründen geht sie von zwei Kindern weg. Melanie

kommt auch von Melanin, die Schwarze.

Die symbolischen Bezüge sind sehr fein und offensichtlich. Sie implizieren auch die

Thematik der Frauenemanzipation. Die Musik Richard Wagners spielte auch eine wichtige

Rolle. Sie ist eine ultrareich Frau und Bürgerin. Sie ist auch Ballkönigin.

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