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Informationen für wirtschaftsprüfende, rechts- und steuerberatende Berufe Nr. 2 / April 2015 / 35. Jahrgang GI aktuell Inhalt Editorial 33 GI Entscheidungen 34 GI Literaturhinweis 64 GI Literatur-Ecke 64 Versicherungsschutz 34 Wissentliche Pflichtverletzung / Verletzung elementarer beruflicher Pflichten / Anknüpfungstatsachen / Sekundäre Darlegungslast (BGH, Urt. v. 17.12.2014 – IV ZR 90/13) Zeithonorar 36 Darlegungs- und Beweislast / Zeitraum / Tätigkeiten / Nachprüfbare Angaben (BGH, Beschl. v. 11.12.2014 – IX ZR 177/13) Anwaltshaftung 36 Wiedereinsetzung / Unvorhergesehene Erkrankung / Einschaltung eines Vertreters / Fristverlängerungsantrag (BGH, Beschl. v. 22.10.2014 – XII ZB 257/14) Strafbarkeit eines Rechtsanwalts 39 Erfolgshonorar, § 4a RVG / Belehrungspflicht über gesetzliche Gebühren / Betrug durch Unterlassen (BGH, Urt. v. 25.9.2014 – 4 StR 586/13) Honorarvereinbarung eines Rechtsanwalts 42 Verstoß gegen Formvorschriften, § 3a RVG / Erfolgshonorar- vereinbarung, § 4a RVG / Anspruch auf gesetzliche Gebühren (BGH, Urt. v. 5.6.2014 – IX ZR 137/12) Wirtschaftsprüferhaftung 46 Dritthaftung gegenüber einer Bank / Auskunftsvertrag / Vorsätzlich sittenwidrige Schädigung / Keine Einholung von Saldenbestätigungen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.1.2015 – I-23 U 100/09) Anwaltshaftung 51 Darlegungslast (OLG Koblenz, Beschl. v. 25.11.2014 – 5 U 904/14) Anwaltshaftung 53 Treuhandkonto / Schuldverhältnis eigener Art / Ingerenz / Mitverschulden (OLG München, Urt. v. 8.10.2014 – 7 U 850/14) Pflichtverletzung des Finanzamts 54 Schadenersatz / Kosten des Steuerberaters / „Waffengleichheit“ / Unberechtigter Vorauszahlungsbescheid (OLG Celle, Urt. v. 23.8.2012 – 16 U 8/12) Anwaltshaftung 59 Sorgfaltsmaßstab / Rechtskenntnis / Ausländisches Recht (LG München I, Urt. v. 14.1.2015 – 30 O 27783/13) Versicherungsschutz 62 Treuhandkommanditist / Geschäftsführende Treuhand / Unternehmerisches Risiko / Entscheidungsspielräume (LG Köln, Urt. v. 3.7.2013 – 20 O 431/12)

GI aktuell - HDI DE · v. 8.12.2010 –IVZR2 11/07, VersR 2011, 203 unter II 1b;v.2 4.1.2007–IVZ R2 08/03, VersR2 007,6 41 unter II 1). Danachb esteht die vom Kläger verletzte

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Informationen für wirtschaftsprüfende, rechts- und steuerberatende Berufe

Nr. 2 / April 2015 / 35. Jahrgang

GI aktuell

Inhalt

Editorial 33

GI Entscheidungen 34

GI Literaturhinweis 64

GI Literatur-Ecke 64

Versicherungsschutz 34Wissentliche Pflichtverletzung / Verletzung elementarerberuflicher Pflichten / Anknüpfungstatsachen / SekundäreDarlegungslast(BGH, Urt. v. 17.12.2014 – IV ZR 90/13)

Zeithonorar 36Darlegungs- und Beweislast / Zeitraum / Tätigkeiten /Nachprüfbare Angaben(BGH, Beschl. v. 11.12.2014 – IX ZR 177/13)

Anwaltshaftung 36Wiedereinsetzung / Unvorhergesehene Erkrankung /Einschaltung eines Vertreters / Fristverlängerungsantrag(BGH, Beschl. v. 22.10.2014 – XII ZB 257/14)

Strafbarkeit eines Rechtsanwalts 39Erfolgshonorar, § 4a RVG / Belehrungspflicht übergesetzliche Gebühren / Betrug durch Unterlassen(BGH, Urt. v. 25.9.2014 – 4 StR 586/13)

Honorarvereinbarung eines Rechtsanwalts 42Verstoß gegen Formvorschriften, § 3a RVG / Erfolgshonorar-vereinbarung, § 4a RVG / Anspruch auf gesetzliche Gebühren(BGH, Urt. v. 5.6.2014 – IX ZR 137/12)

Wirtschaftsprüferhaftung 46Dritthaftung gegenüber einer Bank / Auskunftsvertrag /Vorsätzlich sittenwidrige Schädigung / Keine Einholungvon Saldenbestätigungen(OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.1.2015 – I-23 U 100/09)

Anwaltshaftung 51Darlegungslast(OLG Koblenz, Beschl. v. 25.11.2014 – 5 U 904/14)

Anwaltshaftung 53Treuhandkonto / Schuldverhältnis eigener Art / Ingerenz /Mitverschulden(OLG München, Urt. v. 8.10.2014 – 7 U 850/14)

Pflichtverletzung des Finanzamts 54Schadenersatz / Kosten des Steuerberaters /„Waffengleichheit“ / Unberechtigter Vorauszahlungsbescheid(OLG Celle, Urt. v. 23.8.2012 – 16 U 8/12)

Anwaltshaftung 59Sorgfaltsmaßstab / Rechtskenntnis / Ausländisches Recht(LG München I, Urt. v. 14.1.2015 – 30 O 27783/13)

Versicherungsschutz 62Treuhandkommanditist / Geschäftsführende Treuhand /Unternehmerisches Risiko / Entscheidungsspielräume(LG Köln, Urt. v. 3.7.2013 – 20 O 431/12)

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Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

wird eine Zeitvergütung vereinbart, so trägt der Rechts-anwalt die Darlegungs- und Beweislast für die berechneteVergütung. Er hat schlüssig darzulegen, welche Tätigkeit erin der abgerechneten Stunde konkret ausgeübt hat. Pau-schale Angaben über die Tätigkeit reichen – so der BGH –nicht aus. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zumHonorar eines Architekten, der nur darzulegen hat, wie vieleStunden für die Erbringung einer bestimmten Vertragsleis-tung angefallen sind.

Sofern eine Honorarvereinbarung gegen die Formvorschrif-ten für Vergütungsvereinbarungen bzw. Erfolgshonorare ver-stößt, führt dies nicht mehr – wie bisher – zur Unwirksamkeitder Vereinbarung. Der BGH hat insoweit seine bisherigeRechtsprechung hierzu aufgegeben. Die vereinbarte Ver-gütung ist jedoch auf die gesetzlichen Gebühren gedeckelt.

Dass ein Verstoß gegen die Pflicht, bei Vereinbarung einesErfolgshonorars über die im RVG als Regel vorgeseheneAbrechnung nach den gesetzlichen Gebühren und Auslagenaufzuklären, nicht nur zivilrechtliche, sondern auch straf-rechtlichen Folgen haben, zeigt die dritte BGH-Entscheidung:Die Pflicht, über die voraussichtlichen gesetzlichen Gebührenzu belehren, begründet eine Garantenpflicht des Rechts-anwalts. Ein Verstoß hiergegen kann den Vorwurf des Betru-ges durch Unterlassen nach sich ziehen.

In haftungsrechtlicher Hinsicht ist die Entscheidung des LGMünchen I erwähnenswert: Der Rechtsanwalt muss sich zwardie zur Mandatsbearbeitung notwendige Rechtskenntnis –insbesondere von der relevanten Rechtsprechung und derLiteratur – verschaffen. Dies gilt auch bei Mandaten mit Aus-landsbezug. Hiervon hat das LG München I aber dann eineAusnahme gemacht, wenn es um eine solch schwierige undkomplexe Rechtsfrage geht, die ausschließlich durch spezielleAuslegung ausländischer Kommentarliteratur beantwortetwerden kann.

Das LG Köln hatte sich mit dem Versicherungsschutz einesSteuerberaters zu befassen, der im Rahmen eines Fonds dieStellung eines Treuhandkommanditisten innehatte. Eine nichtversicherte, geschäftsführende Treuhand liegt danach vor,wenn ihm Entscheidungsspielräume eingeräumt wurden.Hierunter fallen die ihm freigestellte Wahl über die Form desBeitritts weiterer Anleger, die Einräumung eines Kündigungs-rechts sowie das Halten von Anteilen für eigene Rechnung.

Rafael Meixner

Rafael MeixnerRechtsanwalt

GIaktuell Nr. 2/April 2015 33

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GIaktuell Nr. 2/April 201534

Er begehrt nunmehr im Wege der Deckungsklage die Fest-stellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm Versiche-rungsschutz für die im Klageantrag näher bezeichneten Haft-pflichtforderungen des Insolvenzverwalters der F. zu ge-währen.

In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben.Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. •

Aus den Gründen:Die Revision ist begründet; sie führt zur Zurückverweisungder Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagtegemäß § 4 Nr. 5 AVB-I leistungsfrei sei, weil der Kläger dieaus § 61 InsO folgende Pflicht wissentlich verletzt habe,indem er Verbindlichkeiten zu Lasten der Masse begründethabe, zu deren Erfüllung diese nicht ausreichte.

Zwar sei eine wissentliche Pflichtverletzung nicht bereits mitBindungswirkung im Haftpflichtprozess festgestellt und derVersicherer sei darlegungs- und beweispflichtig für die Ver-wirklichung der subjektiven Merkmale des Risikoausschlus-ses. Zuvor habe aber der Versicherungsnehmer im Rahmender ihm obliegenden sekundären Darlegungslast vorzutragenund plausibel zu machen, aus welchen Gründen es zum Ver-stoß gekommen sei. Dazu genüge der Vortrag des Klägers(die F. sei über die wirtschaftlichen Risiken ihres Engage-ments hinreichend informiert gewesen und der Kläger habeaufgrund des Wertes des Warenbestandes und im Hinblickauf einen „asset deal“ davon ausgehen dürfen, dass dieserzur Befriedigung der Verbindlichkeiten ausreiche) nicht.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidendenPunkt nicht stand.

1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt desBerufungsgerichts, dass hinsichtlich der zum Schadenersatz-anspruch führenden Pflichtverletzung Bindungswirkung andas Haftpflichturteil und die dort getroffenen Feststellungenbesteht. Damit wird verhindert, dass die im Haftpflichtpro-zess getroffene Entscheidung und die zugrunde liegendenFeststellungen im Deckungsprozess erneut in Frage gestelltwerden können (Senatsurt. v. 8.12.2010 – IV ZR 211/07,VersR 2011, 203 unter II 1 b; v. 24.1.2007 – IV ZR 208/03,VersR 2007, 641 unter II 1).

Danach besteht die vom Kläger verletzte Pflicht in derBegründung von Masseverbindlichkeiten, die schon im Zeit-punkt ihrer Begründung aus der Masse voraussichtlichnicht vollständig erfüllt werden konnten (§ 61 InsO). Alleinhierauf ist die Verurteilung im Haftpflichtprozess gestützt.Im Deckungsprozess ist es nicht mehr möglich, eine andereschadenverursachende Pflichtverletzung des Versicherungs-nehmers zugrunde zu legen als dies im Haftpflichtprozessgeschehen ist (Senatsurt. v. 20.6.2001 – IV ZR 101/00, VersR2001, 1103 unter II 2 b). Dabei ist allein auf die im Haft-pflichtprozess festgestellten tatsächlichen Elemente derPflichtwidrigkeit abzustellen (Senatsurt. v. 8.1.2010 – IV ZR211/07, VersR 2011, 203 Rdnr. 13).

Versicherungsschutz• Wissentliche Pflichtverletzung• Verletzung elementarer beruflicher Pflichten• Anknüpfungstatsachen• Sekundäre Darlegungslast(BGH, Urt. v. 17.12.2014 – IV ZR 90/13)

Leitsätze:1. Für den Ausschlussgrund der Wissentlichkeit derPflichtverletzung ist der Versicherer darlegungs- undbeweispflichtig.

2. Hierfür hat er – wenn es sich nicht um die Verletzungelementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kennt-nis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsange-hörigen vorausgesetzt werden kann – Anknüpfungs-tatsachen vorzutragen, die als schlüssige Indizien füreine wissentliche Pflichtverletzung betrachtet werdenkönnen. Erst wenn dieses geschehen ist, obliegt es demVersicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundärenDarlegungslast, Umstände aufzuzeigen, warum dievorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissent-liche Pflichtverletzung nicht zulassen. •

Zum Sachverhalt:Der Kläger war Insolvenzverwalter der Fa. GmbH (im Fol-genden: Schuldnerin). Seine gesetzliche Haftpflicht ausdieser Tätigkeit hatte er durch einen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungsvertrag bei der Beklagten versichert.Nach § 4 Nr. 5 der diesem Vertrag zugrunde liegenden„Allgemeine(n) Versicherungsbedingungen für die Vermö-gensschaden-Haftpflichtversicherung für Insolvenzverfahren(AVB-I)“ sind Haftpflichtansprüche wegen Schadenverur-sachung durch wissentliche Pflichtverletzung vom Versiche-rungsschutz ausgeschlossen.

Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.7.2000führte der Kläger den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin zu-nächst fort. Unter anderem hielt er die Geschäftsbeziehungzur F. (im Folgenden: F.) aufrecht, die die Schuldnerin weiterbelieferte. Nach Eintritt eines Liquiditätsengpasses Anfang2001 sagte er der F. mit Schreiben vom 1.3.2001 nochmalsausdrücklich den Ausgleich ihrer Neuforderungen zu. Infolgeweiterer Lieferungen der F. wurden Forderungen gegen dieSchuldnerin von mehr als 1 Mio. EUR begründet.

Nachdem die Gläubigerversammlung den vom Kläger erar-beiteten Insolvenzplan nicht angenommen hatte und aucheine von ihm angestrebte sanierende Übertragung des Unter-nehmens an einen Erwerber gescheitert war, zeigte er am18.9.2001 dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeitan. Die Forderungen der F. wurden nicht mehr befriedigt.

Der Insolvenzverwalter der inzwischen ebenfalls insolventenF. nahm daraufhin den Kläger auf Schadenersatz gemäߧ§ 60, 61 InsO in Anspruch. In diesem Haftpflichtprozesswurde der hiesige Kläger rechtskräftig zur Zahlung von830.451,86 EUR nebst Zinsen verurteilt.

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2. Weiter zutreffend erkennt das Berufungsgericht, dass hin-sichtlich der Wissentlichkeit der somit maßgeblichen Pflicht-verletzung keine Bindungswirkung besteht. Dieser Aus-schlussgrund ist vielmehr im Deckungsprozess selbständig zuprüfen (Senatsurt. v. 24.1.2007 – IV ZR 208/03, VersR 2007,641 unter II 2 und 3; v. 28.9.2005 – IV ZR 255/04, VersR2006, 106 unter II 2 a; v. 20.6.2001 – IV ZR 101/00, VersR2001, 1103 unter II 2 b).

3. Die vom Berufungsgericht auf dieser Grundlage getrof-fene Feststellung einer wissentlichen Pflichtverletzung desKlägers beruht jedoch auf einer Verkennung der Darlegungs-und Beweislast.

a) Wissentlich handelt nur derjenige Versicherte, der die ver-letzten Pflichten positiv kennt. Bedingter Vorsatz, bei demer die in Rede stehende Verpflichtung nur für möglich hält,reicht dafür ebenso wenig aus wie eine fahrlässige Unkennt-nis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherte diePflichten zutreffend gesehen hat (Senatsurt. v. 28.9.2005 –IV ZR 255/04, VersR 2006, 106 unter II 2 b).

Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung dersubjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses istder Versicherer (Senatsurt. v. 20.6.2001 – IV ZR 101/00,VersR 2001, 1103 unter II 3; v. 5.3.1986 – IVa ZR 179/84,VersR 1986, 647 unter 2 d). In diesem Rahmen muss vomVersicherer dargelegt werden, der Versicherungsnehmerhabe gewusst, wie er sich hätte verhalten müssen.

b) Von dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast istdas Berufungsgericht zwar im Grundsatz ausgegangen. Esschränkt die den Versicherer treffende Darlegungslast jedochunzulässig ein, indem es ausführt, der Versicherungsnehmerhabe im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darle-gungslast vorzutragen und plausibel zu machen, aus wel-chen Gründen es zum Verstoß gekommen sei, „bevor“ derVersicherer die Wissentlichkeit darzulegen und zu beweisenhabe.

aa) Soweit sich das Berufungsgericht für diese Ansicht aufUrteile anderer Oberlandesgerichte berufen hat (OLG KölnVersR 2012, 560; VersR 1990, 193; OLG Saarbrücken ZfSch2008, 219; ZfSch 2007, 522; OLG Frankfurt NVersZ 2000,439; OLG Hamm VersR 2000, 482), ist dem zunächst ent-gegenzuhalten, dass sich eine entsprechende Rechtsauffas-sung einem Teil der zitierten Urteile nicht entnehmen lässt.

Lediglich das OLG Saarbrücken hat ausgeführt, dass ein Ver-sicherungsnehmer schon aufgrund der bloßen Behauptungdes Versicherers, es sei Wissentlichkeit der Pflichtverletzunggegeben, plausibel machen müsse, aus welchen Gründen eszu seinem Fehlverhalten gekommen ist; anderenfalls sei vomVorliegen dieses Umstands auszugehen (OLG SaarbrückenZfSch 2008, 219 unter II 1 a (2); ZfSch 2007, 522 unter II 2 c).

bb) Diese Rechtsauffassung trifft jedoch nicht zu. Aus dergrundsätzlichen Darlegungs- und Beweislast des Versicherersfolgt vielmehr, dass dieser zunächst einen Sachverhalt vorzu-tragen hat, der auf eine Wissentlichkeit der Pflichtverletzung

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des Versicherungsnehmers zumindest hindeutet. Dabei wirdder Vortrag weiterer zusätzlicher Indizien dann entbehrlichsein, wenn es sich um die Verletzung elementarer beruflicherPflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrungbei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann,so wie dies etwa in einem vom OLG Köln entschiedenen Fallgewesen ist (Pflicht des Rechtsanwalts zur Wahrnehmungvon Gerichtsterminen, kein Versäumnisurteil gegen sich er-gehen zu lassen und den Mandanten über den Verfahrens-stand zu unterrichten; OLG Köln VersR 2012, 560).

Jenseits der Fälle der Verletzung von beruflichen Kardinal-pflichten, in denen vom äußeren Geschehensablauf und demAusmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgängegeschlossen werden kann, ist es aber Aufgabe des beweis-pflichtigen Versicherers, Anknüpfungstatsachen vorzutragen,die als schlüssige Indizien für eine wissentliche Pflichtverlet-zung betrachtet werden können. Erst wenn dieses gesche-hen ist, obliegt es dem Versicherungsnehmer im Rahmenseiner sekundären Darlegungslast, Umstände aufzuzeigen,warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf einewissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen.

c) Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ver-mögen nach diesen Maßstäben die Annahme einer wissent-lichen Pflichtverletzung nicht zu tragen.

aa) Eine Feststellung dahingehend, dass Art und Umfang dervom Kläger verletzten Pflicht aus sich heraus auf eine wis-sentliche Begehung hindeuten, hat das Berufungsgerichtnicht getroffen. Es hat im Gegenteil selbst angenommen,dass allein das Fehlen eines Liquiditätsplans für eine solcheAnnahme nicht genügt (eingangs unter II 2 c bb der Gründe).Dies ist jedenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

bb) Auch im Übrigen hat das Berufungsgericht nicht die Fest-stellung getroffen, der Kläger habe positiv gewusst, dass dieEingehung der Verbindlichkeiten auf unzureichender Prüfungihrer Erfüllbarkeit beruhte. Dem Berufungsurteil lässt sichlediglich entnehmen, dass der Kläger nicht ausreichend vor-getragen habe, weshalb er von einer genügenden Sicherungder neu begründeten Verbindlichkeiten ausgegangen seinwill.

Daraus folgt aber noch nicht, dass er positiv wusste, denWert des Warenbestandes unzureichend ermittelt zu haben.Die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, was derKläger alles nicht hätte tun dürfen, tragen außer dem Befundeiner objektiven Pflichtverletzung allenfalls noch einen Fahr-lässigkeitsvorwurf. Für das Wissen des Klägers ist dagegennicht entscheidend, ob er so hätte handeln dürfen wie ge-schehen.

Ferner hat der Kläger vorgetragen, er habe nicht gewusst,einen Liquiditätsplan aufstellen zu müssen, weil eine ent-sprechende Konkretisierung der Pflicht aus § 61 InsO erstdurch das Urteil des BGH vom 6.5.2004 (IX ZR 48/03, BGHZ159, 104) erfolgt sei, und er habe auf eine ausreichende Ab-deckung der Verbindlichkeiten durch eine spätere Verwer-tung des Warenlagers vertraut. Ungeachtet der Frage, ob ein

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Page 6: GI aktuell - HDI DE · v. 8.12.2010 –IVZR2 11/07, VersR 2011, 203 unter II 1b;v.2 4.1.2007–IVZ R2 08/03, VersR2 007,6 41 unter II 1). Danachb esteht die vom Kläger verletzte

Anwalts- und Steuerberaterhaftung, 3. Aufl., S. 205 ff;D. Fischer in: Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab,Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rdnr. 951). Der vonder Beschwerde herangezogene Maßstab hinsichtlich derDarlegung des Zeithonorars eines Architekten (BGH, Urt. v.17.4.2009 – VII ZR 164/07, BGHZ 180, 235 Rdnr. 32 ff) istanders gelagert und kann auf die Rechtsberater nicht über-tragen werden. •

Anwaltshaftung• Wiedereinsetzung• Unvorhergesehene Erkrankung• Einschaltung eines Vertreters• Fristverlängerungsantrag(BGH, Beschl. v. 22.10.2014 – XII ZB 257/14)

Leitsatz:Auch bei einer unvorhergesehenen Erkrankung mussein Rechtsanwalt alle ihm dann noch möglichen undzumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Fristergreifen. An einer schuldhaften Fristversäumung fehltes nur dann, wenn infolge der Erkrankung weder kurz-fristig ein Vertreter eingeschaltet noch ein Fristverlän-gerungsantrag gestellt werden konnte, dies ist glaub-haft zu machen (im Anschluss an BGH, Beschl. v.7.3.2013 – I ZB 67/12, NJW-RR 2013, 1011). •

Zum Sachverhalt:Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Verwerfungihrer Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerde-begründungsfrist.

In dem Verfahren wird die Antragsgegnerin von der Antrag-stellerin, ihrer ehemaligen Schwiegermutter, auf Rückzah-lung von 200.000 EUR in Anspruch genommen. Das AG hatdem Zahlungsantrag mit einem an die Verfahrensbevoll-mächtigten der Antragsgegnerin am 19.11.2013 zugestell-ten Beschluss stattgegeben. Hiergegen hat die anwaltlichvertretene Antragsgegnerin am 20.11.2013 Beschwerdebeim AG eingelegt. Mit am 3.2.2014 zugestellter Verfügungvom 22.1.2014 hat das OLG darauf hingewiesen, dass dieBeschwerde nicht begründet worden sei; am 17.2.2014 istdie Beschwerdebegründung eingegangen.

Am 14.2.2014 hat die Antragsgegnerin Wiedereinsetzung inden vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerde-begründungsfrist beantragt und ausgeführt, ihr Verfahrens-bevollmächtigter habe am 18.1.2014 (einem Samstag) mitder Erstellung der Beschwerdebegründung begonnen. Am19.1.2014 sei er jedoch an einer Seitenstrangangina mithohem Fieber erkrankt und bis einschließlich 27.1.2014arbeits-, verhandlungs- und handlungsunfähig gewesen. Fürden Fall einer schwerwiegenden Erkrankung sei die Kanzlei-angestellte des Verfahrensbevollmächtigten angewiesen,einen der beiden mit diesem in Bürogemeinschaft tätigen

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solches Vertrauen gerechtfertigt war oder dem Kläger inso-weit ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen ist, hat er damitGründe, warum er sich für berechtigt erachtete, die Masse-verbindlichkeiten einzugehen, dargelegt. Selbst wenn dervom Kläger erwartete „asset deal“ nur eine unbestimmteHoffnung gewesen sein sollte, würde dies deshalb mögli-cherweise nur dazu führen, dass ihm hinsichtlich der Frage,ob die Masse zur Erfüllung in der Lage sein wird, eine fahr-lässige Fehleinschätzung vorzuwerfen wäre.

d) Das Berufungsgericht wird deshalb die Frage der Wissent-lichkeit der Pflichtverletzung auf zutreffender rechtlicherGrundlage erneut zu beurteilen haben. Dabei wird es zubeachten haben, dass sich Erklärungen, die dem Versiche-rungsnehmer gegebenenfalls im Rahmen sekundärer Dar-legungslast obliegen, nur auf den fehlenden Vorsatz derPflichtverletzung beziehen müssen. In keinem Fall obliegt esihm darzulegen, dass das tatsächliche Handeln auch objektivgerechtfertigt gewesen ist. •

Zeithonorar• Darlegungs- und Beweislast• Zeitraum• Tätigkeiten• Nachprüfbare Angaben(BGH, Beschl. v. 11.12.2014 – IX ZR 177/13)

Leitsatz (d. Red.):Der Rechtsanwalt – ebenso wie der Steuerberater –muss aufzeichnen, was er in abgerechnetem Zeitraumfür den Mandanten getan hat. Pauschale Angabengenügen nicht. •

Aus den Gründen:Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 3,§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2,Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Rechtssachehat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert dieFortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichenRechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts(§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Der von der Beschwerde geltend gemachte Bedarf zur Fort-bildung des Rechts besteht nicht. Soweit ein StrafverteidigerAnsprüche aus einer Zeitvergütung herleitet, trägt er die Dar-legungs- und Beweislast, dass die berechnete Vergütung tat-sächlich entstanden ist. Hierbei erfordert eine schlüssige Dar-legung der geltend gemachten Stunden, dass über pauschaleAngaben hinaus die während des abgerechneten Zeitraumsgetroffenen Maßnahmen konkret und in nachprüfbarer Weisedargelegt werden (BGH, Urt. v. 4.2.2010 – IX ZR 18/09,BGHZ 184, 209 Rdnr. 77).

Diese Grundsätze sind verallgemeinerungsfähig und geltengleichermaßen auch für das Zivilverfahren (Gehrlein,

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Rechtsanwälte als Vertreter einzuschalten. Sei dies nichtmöglich, habe sie Gerichte und Behörden in den Angelegen-heiten, in denen ein Fristablauf erfolge, unverzüglich überdie Erkrankung in Kenntnis zu setzen und Fristverlängerungzu beantragen.

Die Kanzleiangestellte habe am 20.1.2014 aber keinen derbeiden anderen Rechtsanwälte erreicht und entgegen ihrersonst stets absolut gewissenhaften, sorgfältigen und zuver-lässigen Arbeitsweise auch verabsäumt, die Fristen zu kon-trollieren.

Mit Verfügung vom 20.2.2014 hat das OLG darauf hinge-wiesen, dass das vom 29.1.2014 datierende ärztliche Attestzur Glaubhaftmachung einer Erkrankung des Verfahrens-bevollmächtigten nicht ausreichend sei, und der Antrags-gegnerin auferlegt, weiter zur Erkrankung des Verfahrens-bevollmächtigten sowie zur Verhinderung der beiden Büro-gemeinschafts-Anwälte am 20.1.2014 vorzutragen unddiese Angaben glaubhaft zu machen.

Nach Eingang der mit Anlagen versehenen Stellungnahmedes Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin hat dasOLG der Antragsgegnerin mit dem angefochtenen BeschlussWiedereinsetzung versagt und die Beschwerde verworfen.Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antrags-gegnerin. •

Aus den Gründen:Die gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechts-beschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des§ 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

1. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Antrags-gegnerin als unzulässig verworfen, weil die Beschwerde-begründungsfrist bei Eingang der Beschwerdebegründungabgelaufen gewesen sei. Der Antragsgegnerin sei auch nichtWiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäu-mung der Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren. Ihrentsprechender Antrag sei unbegründet. Sie habe nichtglaubhaft gemacht, ohne ihr Verschulden an der Einhaltungder Frist gehindert gewesen zu sein. Vielmehr beruhe dieFristversäumung auf einem ihr zuzurechnenden Verschuldenihres Verfahrensbevollmächtigten.

Es sei bereits nicht glaubhaft gemacht, dass der Verfahrens-bevollmächtigte sich am 20.1.2014 (einem Montag) zueinem Arzt habe begeben müssen und begeben habe. Daserste eingereichte Attest datiere vom 29.1.2014, die auf diegerichtliche Auflage vorgelegte ärztliche Bescheinigung tragekein Datum. Es ergebe sich weder aus der Bescheinigungnoch aus dem Stellungnahmeschriftsatz des Verfahrens-bevollmächtigten, ob dieser am 20.1.2014 überhaupt beieinem Arzt gewesen sei und gegebenenfalls bei welchemsowie ob schon an diesem Tag eine Arbeitsunfähigkeit fest-gestellt worden sei.

Selbst wenn der Verfahrensbevollmächtigte aber am20.1.2014 erkrankt gewesen sein sollte, sei nicht glaubhaft

gemacht, dass er ein Fristverlängerungsgesuch nicht mehrrechtzeitig habe stellen können. Wenn er nämlich entspre-chend dem Vortrag der Antragsgegnerin in der Lage gewe-sen sein sollte, die nur etwa zwei Kilometer vom Sitz seinerKanzlei entfernte Praxis des Dr. S. aufzusuchen und seineKanzleimitarbeiterin telefonisch von seiner Erkrankung zuverständigen, sei nicht ersichtlich, warum er nicht auch inseiner Kanzlei einen vorbereiteten Verlängerungsantrag habeunterschreiben oder sich von seiner Kanzleimitarbeiterineinen solchen zur Unterschrift nach Hause habe bringenlassen können.

Ebenso wenig sei glaubhaft gemacht, dass die beiden mitdem Verfahrensbevollmächtigten in Bürogemeinschaft täti-gen Rechtsanwälte nicht noch telefonisch, per SMS oderEmail hätten gebeten werden können, nach ihren Auswärts-terminen noch in der Kanzlei einen Verlängerungsantrag zuunterschreiben und diesen an das Gericht zu faxen. Hinzukomme, dass die der Kanzleimitarbeiterin erteilte Anweisungunzureichend gewesen sei, weil sie dahin habe lauten müs-sen, auf jeden Fall einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt zuerreichen, wenn wie hier das Fristverlängerungsgesuch nurdurch einen solchen gestellt werden könne.

2. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfor-dert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Derangefochtene Beschluss verletzt die Antragsgegnerin nichtin ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch aufwirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbin-dung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses Verfahrensgrund-recht verbietet es den Gerichten, den Verfahrensbeteiligtenden Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräum-ten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zurechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschl. v.2.4.2014 – XII ZB 486/12, FamRZ 2014, 1012 Rdnr. 6m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeliegt auch kein entscheidungserheblicher Verstoß desBeschwerdegerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor.

Das Beschwerdegericht hat zutreffend erkannt, dass dieAntragsgegnerin die Beschwerdebegründung erst nach demEnde der am 20.1.2014 ablaufenden Zweimonatsfrist des§ 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG eingereicht hat. Auch die Ent-scheidung des Beschwerdegerichts, der Antragsgegnerineine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen,hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Wie die Rechtsbeschwerde allerdings zu Recht rügt, hatdas Beschwerdegericht bei seiner Beurteilung der Frage, obeine bereits am 20.1.2014 vorliegende Erkrankung des Ver-fahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin glaubhaftgemacht ist, Vortrag der Antragsgegnerin unberücksichtigtgelassen.

aa) Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt die Verpflichtung desGerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zurKenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dass die-sem Erfordernis genügt wurde, müssen auch die Entschei-dungsgründe erkennen lassen (st. Rspr., vgl. z.B. Senats-beschl. v. 26.10.2011 – XII ZR 9/10, GuT 2011, 309 Rdnr. 3

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wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikoserhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Fristsicherzustellen. Auf einen krankheitsbedingten Ausfall musser sich aber auch in diesem Fall nur durch konkrete Maß-nahmen vorbereiten, wenn er einen solchen Ausfall vorher-sehen kann. Er ist daher selbst dann, wenn er eine Frist biszum letzten Tag ausschöpfen will, nicht gehalten, für den Falleiner unvorhergesehenen Erkrankung vorsorglich einen Ver-treter zu bestellen (BGH, Beschl. v. 7.3.2013 – I ZB 67/12;NJW-RR 2013, 1011 Rdnr. 7 und v. 18.9.2008 – V ZB 32/08,FamRZ 2008, 2271 Rdnr. 9, jeweils m.w.N.; vgl. auchSenatsbeschl. v. 5.3.2014 – XII ZB 736/12, FamRZ 2014, 829Rdnr. 9 und v. 7.8.2013 – XII ZB 533/10, FamRZ 2013, 1722Rdnr. 10).

Auch bei einer unvorhergesehenen Erkrankung muss einRechtsanwalt aber alle ihm dann noch möglichen und zu-mutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergreifen(BGH, Beschl. v. 7.3.2013 – I ZB 67/12, NJW-RR 2013, 1011Rdnr. 8 und v. 18.9.2008 – V ZB 32/08, FamRZ 2008, 2271Rdnr. 12).

Der krankheitsbedingte Ausfall des Rechtsanwalts am letztenTag der Frist rechtfertigt für sich genommen deshalb eineWiedereinsetzung noch nicht. Vielmehr fehlt es an einemdem Verfahrensbeteiligten gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2FamFG, 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seinesRechtsanwalts nur dann, wenn infolge der Erkrankungweder kurzfristig ein Vertreter eingeschaltet noch ein Frist-verlängerungsantrag gestellt werden konnte (BGH, Beschl.v. 7.3.2013 – I ZB 67/12, NJW-RR 2013, 1011 Rdnr. 8;Musielak/Grandel, ZPO, 11. Aufl., § 233 Rdnr. 9; vgl. auchSenatsbeschl. v. 5.3.2014 – XII ZB 736/12, FamRZ 2014,829 Rdnr. 9). Auch dies ist glaubhaft zu machen.

bb) Nach diesen Maßgaben ist es aus Rechtsgründen nichtzu beanstanden, dass das Beschwerdegericht eine Wieder-einsetzung abgelehnt hat, weil der Verfahrensbevollmäch-tigte der Antragsgegnerin keinen Fristverlängerungsantraggestellt hat.

Es hat rechtsfehlerfrei als nicht glaubhaft gemacht erachtet,dass die Erkrankung ihn auch hinderte, am 20.1.2014 dieVerlängerung der Beschwerdebegründungsfrist zu beantra-gen, auf deren Gewährung als erstmalige Verlängerung erauch hätte vertrauen dürfen. Den (nunmehr vier) ärztlichenBescheinigungen lässt sich nichts dazu entnehmen, weshalbes dem Verfahrensbevollmächtigten am 20.1.2014 nichtmöglich und zumutbar gewesen sein soll, einen Schriftsatzmit dem entsprechenden Antrag fertigen zu lassen unddiesen zu unterschreiben.

Die drei Bescheinigungen des Dr. S. attestieren lediglichArbeitsunfähigkeit, was nicht ausreichend ist (vgl. BVerfGNJW-RR 2007, 1717, 1718); der Bericht der H.-Klinik verhältsich nur zum Zeitraum 23. bis 26.1.2014. Der – nicht durcheine hierauf bezogene anwaltliche Versicherung glaubhaftgemachte – schriftsätzliche Vortrag des Verfahrensbevoll-mächtigten der Antragsgegnerin behandelt nicht die Frage,ob es ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht einmal mög-

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und BGH Beschl. v. 31.7.2013 – VII ZR 11/12, NJW-RR 2013,1240 Rdnr. 11 f).

bb) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde insoweit, dasBeschwerdegericht habe gegen Art. 103 Abs. 1 GG ver-stoßen, weil im Schriftsatz vom 10.3.2014 von Bescheini-gungen die Rede, jedoch nur eine (weitere) Bescheinigungdes Dr. S. beigefügt gewesen sei und daher Anlass zu wei-terer Nachfrage bestanden habe.

Das Beschwerdegericht konnte diesen Schriftsatz ohne wei-teres so verstehen, dass sich der Plural auf die bereits vor-liegende Bescheinigung des Dr. S. sowie die dem Schriftsatzbeigefügten Bescheinigungen des Dr. S. einerseits und derA.-Klinik andererseits bezog. Dass es tatsächlich noch einedritte ärztliche Bescheinigung des Dr. S. gab, die nunmehrmit der Rechtsbeschwerde vorgelegt wird und die (als ein-zige) das Ausstellungsdatum 20.1.2014 trägt, war fernlie-gend. Eine Nachfragepflicht des Beschwerdegerichts bestanddaher nicht.

cc) Zutreffend macht die Rechtsbeschwerde hingegen gel-tend, das Beschwerdegericht habe bei seinen die Glaubhaft-machung der Erkrankung des Rechtsanwalts betreffendenErwägungen Vorbringen im Schriftsatz vom 10.3.2014übergangen. Denn bei den entsprechenden Erwägungen inder angegriffenen Entscheidung ist ersichtlich nicht berück-sichtigt, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antrags-gegnerin dort ausgeführt hatte, er habe sich am 20.1.2014zu Dr. S. in ambulante Behandlung begeben, der dann dieArbeits- und Verhandlungsunfähigkeit festgestellt habe.

Entgegen den Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebe-gründung hatte der Verfahrensbevollmächtigte der Antrags-gegnerin dies allerdings lediglich schriftsätzlich vorgetragen,nicht aber anwaltlich versichert. Hierzu hätte es jedenfallseiner Versicherung der Richtigkeit dieser Angaben bedurft(vgl. BGH, Beschl. v. 18.5.2011 – IV ZB 6/10, NJOZ 2011,1809 Rdnr. 11).

Eine solche auf den Arztbesuch bezogene Versicherung ent-hält der Schriftsatz vom 10.3.2014 nicht. Ob das Beschwer-degericht gleichwohl im Rahmen der Beurteilung nach § 294ZPO zu dem Ergebnis hätte gelangen können, dass die vor-gelegten beiden Bescheinigungen des Dr. S. im Zusammen-spiel mit diesen Angaben zur Glaubhaftmachung einer be-reits am 20.1.2014 bestehenden Erkrankung ausreichten,kann aber dahinstehen.

b) Denn der Gehörsverstoß hat sich schon deshalb nicht inentscheidungserheblicher Weise ausgewirkt, weil die dieEntscheidung selbständig tragenden alternativen Ausfüh-rungen des Beschwerdegerichts dazu, dass der Verfahrens-bevollmächtigte der Antragsgegnerin einen Fristverlänge-rungsantrag hätte stellen müssen, die Verneinung einesWiedereinsetzungsgrundes (§ 233 ZPO) und die Versagungder Wiedereinsetzung rechtfertigen.

aa) Ein Rechtsanwalt, der die Frist zur Einlegung oder Begrün-dung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausschöpft, hat

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Aus den Gründen:Das LG hat den Angeklagten vom Vorwurf des Betruges indrei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Wucher, freige-sprochen. Hiergegen richtet sich die mit der Sachrüge be-gründete, vom Generalbundesanwalt im Umfang der Auf-hebung vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. DasRechtsmittel hat teilweise Erfolg.

I. 1. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelasseneAnklage hatte dem Angeklagten zur Last gelegt, sich wegenBetruges in drei Fällen gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 Sätze 1und 2 Nr. 2 StGB, davon einmal in Tateinheit mit Wuchernach § 291 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB, strafbar gemacht zuhaben: Er habe als Rechtsanwalt, kurz bevor der Widerrufseiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft am 26.8.2010wirksam geworden sei, die Vertretung des G. in einer Erb-schaftsangelegenheit übernommen.

Er habe mit seinem Mandanten, der unter einer Minder-begabung leide, am 17.8.2010 eine nicht den Vorgaben desGesetzes entsprechende Honorarvereinbarung geschlossen,auf die sein in rechtlichen und wirtschaftlichen Belangenunerfahrener Mandant nach dem Erlöschen der Anwalts-zulassung insgesamt 82.223,97 EUR gezahlt habe. Danachhabe er auf der Grundlage schriftlicher Darlehensverträgevom 26.5.2011 und vom 6.6.2011 von G. 60.000 EUR und128.000 EUR erhalten, welche er nach Kündigung und Ab-lauf der Kündigungsfrist vorgefasster Absicht entsprechendnicht zurückgezahlt habe.

2. Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Das LG hatihn „aus tatsächlichen Gründen“ freigesprochen.

a) Es hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte war als Rechtsanwalt und Notar in einerKanzlei in M. tätig. Wegen Vermögensverfalls enthob ihnzunächst der Präsident des OLG H. des Notaramts; sodannwiderrief die zuständige Rechtsanwaltskammer seine Zu-lassung zur Rechtsanwaltschaft. Der Widerrufsbescheid vom28.7.2008 wurde mit Zustellung der letztinstanzlichen Ent-scheidung des BGH vom 12.7.2010 am 26.8.2010 rechts-kräftig. Danach war der Angeklagte in seiner früheren Kanz-lei als „Kooperationspartner“ mit dem Zusatz „Assessor jur.,Unternehmensberatung“ beschäftigt.

aa) Anfang August 2010 beauftragte der Zeuge G. die„Rechtsanwälte K. & S.“, ihn in einer erbrechtlichen Ange-legenheit zu vertreten. G., zur Zeit der tatrichterlichenHauptverhandlung 54 Jahre alt, hatte die Sonderschule ohneAbschluss verlassen und war seither als Industriearbeitertätig. Der Zeuge „erweckt nach außen den Eindruck einesaufgeschlossenen, freundlich zugänglichen Menschen, derzwar einfach strukturiert erscheint, jedoch einen durchauslebenstüchtigen Eindruck vermittelt und sein Leben – teilsmit Hilfe Dritter – eigenverantwortlich und mit eigener Ent-scheidungskompetenz bewältigt.“

Ein gerichtliches Betreuungsverfahren wurde mit dem Er-gebnis beendet, „dass der Zeuge in der Lage sei, sein Leben

lich war, einen Fristverlängerungsantrag zu stellen. Wie dasBeschwerdegericht zutreffend feststellt, war der Verfahrens-bevollmächtigte an diesem Tag nach der eidesstattlichenVersicherung seiner Kanzleikraft zu einem Telefonat mitseiner Kanzlei und nach seinen Angaben auch dazu in derLage, die unweit seiner Kanzlei befindliche Arztpraxis auf-zusuchen. Wie er im Schriftsatz vom 10.3.2014 geschilderthat, führte erst eine Zustandsverschlechterung dazu, dass ersich am 23.1.2014 in stationäre Behandlung begab. Schließ-lich enthält auch die Rechtsbeschwerdebegründung hierzunichts Weiterführendes.

cc) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, etwa-ige Versäumnisse des Rechtsanwalts hätten sich nicht aus-gewirkt, weil Grund für die Fristversäumung allein das derAntragsgegnerin nicht zuzurechnende einmalige Fehlverhal-ten der Kanzleiangestellten gewesen sei. Nur weil diese denFristenkalender nicht kontrolliert habe, sei ein Verlängerungs-antrag unterblieben.

Das Fehlverhalten der Kanzleiangestellten schließt ein eige-nes Verschulden des Rechtsanwalts schon deshalb nicht aus,weil diesem nach dem zur Begründung des Wiedereinset-zungsantrags gehaltenen Vortrag die Akte bereits seit dem15.1.2014 zur Fertigung der Beschwerdebegründung vorlag,mit der er nach seinen Angaben im Übrigen auch schon am18.1.2014 begonnen hatte. Mithin war dem Verfahrens-bevollmächtigten der Antragsgegnerin der Fristablauf be-kannt, ohne dass es auf eine Fristenkontrolle durch seinPersonal ankam.

c) Das Beschwerdegericht hat mit Recht darauf hingewiesen,dass die vom Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgeg-nerin seiner Kanzleimitarbeiterin erteilte allgemeine Anwei-sung, bei Nichterreichen der beiden mit ihm in Bürogemein-schaft tätigen Rechtsanwälte selbst Fristverlängerung zubeantragen, unzureichend war. Sie wird Fällen wie dem vor-liegenden, in denen Anwaltszwang herrscht, in keiner Weisegerecht. Inwiefern dieser Organisationsmangel (vgl. dazuetwa Senatsbeschl. v. 18.5.1994 – XII ZB 62/94, FamRZ1994, 1520) hier ein die Wiedereinsetzung hinderndesAnwaltsverschulden begründet, bedarf nach Vorstehendemjedoch keiner Entscheidung. •

Strafbarkeit eines Rechtsanwalts• Erfolgshonorar, § 4a RVG• Belehrungspflicht über gesetzliche Gebühren• Betrug durch Unterlassen(BGH, Urt. v. 25.9.2014 – 4 StR 586/13)

Leitsatz:§ 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG begründet kraft Gesetzes eineGarantenstellung des Rechtsanwalts, der vor Abschlusseiner Erfolgshonorarvereinbarung seinen Mandantenüber die voraussichtliche gesetzliche Vergütung auf-zuklären hat. •

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selbständig ohne Hilfe eines Betreuers zu bewältigen.“ DerVater des Zeugen war in der Schweiz verstorben; der Wertdes Nachlasses betrug ca. 700.000 bis 800.000 EUR. DerErblasser hatte testamentarisch seinen Bruder als Alleinerbeneingesetzt; bei einem Termin am 17.8.2010 teilte der – dasMandat bearbeitende – Angeklagte dem Zeugen G. jedochmit, „dass laut Schweizer Erbrecht Kindern eines Verstorbe-nen 75% des Erbes zustehen, auch wenn ein Testamentvorhanden sei.“

In diesem Termin schloss der Angeklagte mit seinem Man-danten eine von ihm vorbereitete schriftliche „Vergütungs-vereinbarung“. Die Höhe der Vergütung knüpfte danach „andie Höhe des derzeit der Höhe nach unbekannten Erbteils-anspruchs“ an, und zwar bei Zahlungen auf den Erbteil bis400.000 EUR in Höhe von 20%, für den Mehrbetrag bis600.000 EUR in Höhe von 25% und für darüber hinaus-gehende Beträge in Höhe von 30% (jeweils zzgl. Umsatz-steuer).

G. empfand die Vergütung zwar als hoch, aber auch als an-gemessen, zumal er bei erfolglosem Bemühen des Ange-klagten keine Kosten würde tragen müssen. Er war nichtgewillt, der vom Angeklagten dargestellten Alternative einerAbrechnung auf Stundenbasis mit einem Stundensatz von400 EUR nebst Vorschusszahlung näher zu treten. Der An-geklagte seinerseits klärte G. „über den Umstand, dassRechtsanwälte von Gesetzes wegen ihre Vergütung anhanddes sogenannten Gegenstandswertes berechnen und hier-nach gegebenenfalls eine erheblich geringere Vergütungabzurechnen gewesen wäre“, nicht auf.

Er ging „zum Zeitpunkt des Abschlusses der Honorarverein-barung“ davon aus, dass eine solche Vereinbarung wirksammöglich sei. In der Folge erreichte der Angeklagte aufgrundeines Vergleichs vom 3./6.1.2011 die Auszahlung von insge-samt rund 493.000 EUR aus dem Nachlass. Gemäß Kosten-berechnung vom 1.3.2011, die der Angeklagte mit „Ass. Jur.K.“ unterschrieben hatte, brachte er hiervon 82.223,97 EURin Abzug. G. ging davon aus, dass der Angeklagte weiterhinals Rechtsanwalt zugelassen war.

bb) Kurz vor dem Termin zur Versteigerung seines ausWohnhaus und Pferdestallungen bestehenden Anwesenssuchte der Angeklagte im Mai 2011 G. auf und teilte ihmmit, er befinde sich in Geldschwierigkeiten, es drohe die Ver-steigerung seines Hofs. Er bat ihn um ein Darlehen in Höhevon 200.000 EUR und erklärte, „er zahle so viel zurück wieer könne, es könne möglicherweise aber eine Zeit dauern,bis er in der Lage sei das Darlehen abzutragen; (er) äußertedie Hoffnung, eine Rückzahlung innerhalb von drei Jahrenleisten zu können.“

Der Geschädigte begab sich mit dem Angeklagten zu seinerHausbank und hob 60.000 EUR ab; mehr konnte die Bankkurzfristig nicht zur Verfügung stellen. Sodann wurde in derKanzlei des Angeklagten ein schriftlicher Vertrag geschlos-sen, der ein mit 3% verzinsliches Darlehen über den genann-ten Betrag vorsah. Auch sollte monatlich eine in der Höhenicht festgelegte Tilgung erfolgen, ein Zeitrahmen für die

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Rückzahlung war nicht festgelegt. Der Angeklagte ver-wandte das Geld als Sicherheitsleistung, um seinem Bruderdie Ersteigerung der Immobilie zu ermöglichen.

cc) Etwa eine Woche später erklärte der Angeklagte demGeschädigten, er benötige einen weiteren Betrag, um dieSache endgültig zu regeln. G. war – „mehr oder weniger ...von sich aus“ – bereit, dem Angeklagten zusätzlich 128.000EUR darlehensweise zur Verfügung zu stellen. Nachdem derGeschädigte das Geld bei seiner Bank abgehoben hatte,erklärte ihm der Angeklagte zur Beruhigung, eine frühereMandantin habe ihn in ihrem Testament bedacht; nach Ver-wertung der ererbten Aktien werde er „das Geld“ zurück-zahlen. In der Kanzlei übergab G. dem Angeklagten denzuvor abgehobenen Betrag und die Beteiligten schlosseneinen schriftlichen Darlehensvertrag vergleichbaren Inhalts.

dd) G., der den Angeklagten nach wie vor für einen zuge-lassenen Rechtsanwalt hielt, und dieser selbst gingen davonaus, dass die Darlehen in absehbarer Zeit zurückgeführtwürden. Tatsächlich zahlte der Angeklagte neun Monatelang lediglich die Darlehenszinsen; danach folgten keineZahlungen mehr. Daraufhin kündigte der Geschädigte – aufIntervention seines Arbeitgebers – beide Darlehen. Der Ange-klagte wurde rechtskräftig zur Rückzahlung der Darlehenwie auch des Großteils der von ihm vereinnahmten Vergü-tung verurteilt; insoweit gingen die Zivilgerichte von einem„gesetzlichen Gebührenanspruch“ in Höhe von lediglich3.745,88 EUR aus. Die gegen ihn gerichteten tituliertenAnsprüche konnte der Angeklagte mangels Zahlungsfähig-keit nicht erfüllen. Sein Anwesen verlor er bei einer zweitenVersteigerung.

b) Zur Begründung des Freispruchs hat das LG im Wesent-lichen ausgeführt:

Strafbarer Wucher nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB imZusammenhang mit der Honorarvereinbarung liege bereitsmangels einer tatbestandlichen Opferlage nicht vor. Auchfehle es an einem Ausbeuten und einem darauf gerichtetenVorsatz. Ein Betrug durch den Abschluss der Honorarverein-barung scheitere schon am Fehlen einer Täuschungshand-lung; ein strafbares Unterlassen scheide aus, da den Ange-klagten keine Rechtspflicht zur Offenbarung sonstiger Ab-rechnungsmethoden oder des Widerrufs seiner Zulassunggetroffen habe. Auch fehle es an einer Vermögensverfügungund – für die Annahme eines (versuchten) Eingehungs-betrugs – am Vorsatz des Angeklagten.

Im Zusammenhang mit der Abrechnung des Honorars liegeebenfalls keine Vermögensverfügung vor. Letztlich scheitereeine Betrugsstrafbarkeit an der fehlenden Kausalität „zwi-schen einer etwaigen Täuschungshandlung und einer Ver-mögensverfügung bzw. einem Vermögensschaden“. Dennder Geschädigte sei mit der Arbeit des Angeklagten sehrzufrieden und jedenfalls bis April 2011 bereit gewesen, sichan der Honorarvereinbarung festhalten zu lassen.

Im Hinblick auf die Darlehensverträge habe der Angeklagteweder Zahlungswilligkeit noch Zahlungsfähigkeit vorgespie-

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gelt. Jedenfalls liege kein Täuschungsvorsatz vor, denn derAngeklagte habe Grund zu der Annahme gehabt, er könneweiterhin Einnahmen erzielen und Liquidität beschaffen. DerHinweis auf eine Erbschaft sei erst nach der Entscheidungdes Geschädigten zur Ausreichung des zweiten Darlehenserfolgt, habe daher nicht mehr kausal werden können.

Das Verhalten des Angeklagten erfülle auch keine weiterenStrafnormen wie etwa den Tatbestand der Gebührenüber-hebung oder der Untreue.

II. Die Revision der Staatsanwaltschaft erweist sich teilweiseals begründet.

1. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfungstand, soweit das LG den Angeklagten vom Vorwurf desBetruges durch den Abschluss der beiden Darlehensverträgeim Mai und Juni 2011 freigesprochen hat. Das LG hat rechts-fehlerfrei eine Täuschungshandlung des Angeklagten ver-neint.

2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet dasUrteil jedoch, soweit das LG den Angeklagten auch von demVorwurf freigesprochen hat, sich durch den Abschluss derVergütungsvereinbarung vom 17.8.2010 strafbar gemachtzu haben.

a) Allerdings hat die Wirtschaftsstrafkammer mit Recht eineStraftat des Wuchers nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGBverneint. Nach den bisher getroffenen Feststellungen liegtdie im Gesetz beschriebene sogenannte Opferlage nicht vor.

b) Demgegenüber hält das angefochtene Urteil rechtlicherNachprüfung nicht stand, soweit das LG eine Strafbarkeitwegen Betruges gemäß § 263 StGB verneint hat. Nach denbisher getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte G. beider Vereinbarung des Erfolgshonorars durch Unterlassengetäuscht.

aa) Begehen durch Unterlassen ist nach § 13 Abs. 1 StGBnur dann strafbar, wenn der Täter rechtlich dafür einzuste-hen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unter-lassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandesdurch ein Tun entspricht. Während bei den Begehungs-delikten die objektive Zurechnung auf der Verursachung destatbestandsmäßigen Erfolgs beruht, reicht bei den unechtenUnterlassungsdelikten die Tatsache, dass eine möglicheHandlung den Erfolg verhindert hätte, nicht aus, um dieBeeinträchtigung des Rechtsguts jedem Handlungsfähigenals von ihm zu verantwortendes Unrecht zur Last legen zukönnen. Vielmehr muss ein besonderer Rechtsgrund nach-gewiesen werden, wenn jemand ausnahmsweise dafür ver-antwortlich gemacht werden soll, dass er es unterlassen hat,zum Schutz fremder Rechtsgüter positiv tätig zu werden.

Die Gleichstellung des Unterlassens mit dem aktiven Tunsetzt deshalb voraus, dass der Täter als „Garant“ für dieAbwendung des Erfolgs einzustehen hat. Alle Erfolgsabwen-dungspflichten beruhen auf dem Grundgedanken, dass einebestimmte Person in besonderer Weise zum Schutz des ge-

fährdeten Rechtsguts aufgerufen ist und dass sich alle übri-gen Beteiligten auf das helfende Eingreifen dieser Personverlassen und verlassen dürfen (BGH, Urt. v. 25.7.2000 –1 StR 162/00, NJW 2000, 3013, 3014, und v. 10.7.2012 –VI ZR 341/10, BGHZ 194, 26, 33; Jescheck/Weigend, Lehr-buch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Aufl., S. 620;SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 13 Rn. 15, 18).

bb) Entgegen der Auffassung des LG war der Angeklagteverpflichtet, seinen Mandanten G. über die im Rechtsanwalts-vergütungsgesetz als Regel vorgesehene Abrechnung nachden gesetzlichen Gebühren und Auslagen aufzuklären. DieseGarantenstellung folgt aus Gesetz, nämlich aus der Regelungin § 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG:

Der Angeklagte hat sich – was die Wirtschaftsstrafkammernicht verkannt hat – in der Vergütungsvereinbarung einErfolgshonorar im Sinne des § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO ver-sprechen lassen. Eine solche Vereinbarung muss unter ande-rem die voraussichtliche gesetzliche Vergütung enthalten.Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt unter Zugrundelegungdes Gegenstandswerts die sich voraussichtlich aus dem Ver-gütungsverzeichnis ergebenden Gebühren sowie seine Aus-lagen zu berechnen hat. Diese Verpflichtung hat der Gesetz-geber dem Rechtsanwalt gerade zum Schutz des Mandantenauferlegt, mit dem jener ein Erfolgshonorar vereinbarenmöchte (BT-Drucks. 16/8384, S. 8); nach den Materialienbietet allein diese Angabe „einen verlässlichen und trans-parenten Vergleichsmaßstab für die rechtsuchenden Bürge-rinnen und Bürger“ (BT-Drucks. 16/8384, S. 15).

Damit hat der Gesetzgeber an die Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit eines gene-rellen Verbots anwaltlicher Erfolgshonorare angeknüpft, inder das Gericht den „Schutz der Rechtsuchenden vor einerÜbervorteilung durch überhöhte Vergütungssätze“ hervor-gehoben und auf die asymmetrische Informationsverteilungzwischen Mandant und Rechtsanwalt sowie auf die sichhieraus ergebenden Gefahren für die wirtschaftlichen Inte-ressen des Rechtsuchenden hingewiesen hat (BVerfG, NJW2007, 979, 980 f, 983).

Um daher dem Mandanten zu verdeutlichen, dass der Verzichtdes Anwalts auf eine Vergütung im Misserfolgsfall mit derVerpflichtung zur Zahlung eines – gegebenenfalls hohen –Zuschlags im Erfolgsfall verbunden ist, sieht § 4a Abs. 2 Nr. 1RVG u.a. die Angabe der voraussichtlichen gesetzlichen Ver-gütung vor (BT-Drucks. 16/8384, S. 11; Bischof in: Bischof/Jungbauer, RVG, 6. Aufl., § 4a Rdnr. 20). Demnach ist es ge-rechtfertigt, aus dieser Aufklärungs- und Informationspflichtdes Anwalts eine Garantenstellung kraft Gesetzes im Sinnedes § 13 Abs. 1 StGB zu entnehmen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 4b RVG, derlediglich eine Sonderregelung für die zivilrechtlichen Folgentrifft, wenn eine Erfolgshonorarvereinbarung unter anderemgegen § 4a Abs. 1 und 2 RVG verstößt (vgl. BGH, Urt. v.5.6.2014 – IX ZR 137/12, NJW 2014, 2653). Eine Einschrän-kung der strafrechtlichen Verfolgbarkeit kann hieraus nichthergeleitet werden.

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Der Beklagte hatte 2006 in München ein Hotel gemietet undwollte dieses sodann aufgrund einer Kaufoption im Miet-vertrag für 8 Mio. EUR kaufen. Zur Finanzierung verhandelteer mit der H., die ihm zur Zinssicherung zunächst zwei Zins-swaps und Anteile an einem Rentenfonds verkaufte, an-schließend aber die Finanzierung ablehnte. Deshalb schalteteder Beklagte Rechtsanwalt L. ein, um mit dessen Hilfe dieFinanzierung doch noch zu erreichen.

Für die Abfassung eines Aufforderungsschreibens erhielt derBeklagte aufgrund einer Vergütungsvereinbarung vom17.11.2009 auf Stundenhonorarbasis 3.888 EUR. Nachdemdie Bank ein Gespräch in Aussicht gestellt hatte, schlossender Zedent und der Beklagte am 15.12.2009 eine weitereVergütungsvereinbarung. Danach sollte Rechtsanwalt L.anstelle der gesetzlichen Gebühren 20.000 EUR zuzüglichUmsatzsteuer erhalten sowie im Falle des Abschlusses einesFinanzierungsvertrages weitere 10.000 EUR zzgl. Umsatz-steuer. Der Beklagte zahlte 20.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer.

Das Gespräch mit der Bank unter Mitwirkung von Rechts-anwalt L. blieb ohne Erfolg, weshalb der Beklagte Rechts-anwalt L. beauftragte, eine Klage auf Schadenersatz wegender Zinsswaps und der Anteile an dem Rentenfonds vorzu-bereiten. Mündlich wurde zwischen den Parteien insoweitvereinbart, dass die Pauschalvergütung, die sich zunächst nurauf die außergerichtliche Tätigkeit bezogen hatte, nunmehrauch die erste Instanz eines Klageverfahrens gegen die H.abdecken sollte.

Rechtsanwalt L. erstellte den Klageentwurf. Dieser wurdeaber nicht mehr eingereicht, weil sich der Beklagte mit derBank in einem weiteren Gespräch ohne Beteiligung vonRechtsanwalt L. auf eine Finanzierung einigte.

Die Klägerin stellte daraufhin das Erfolgshonorar von Rechts-anwalt L. in Höhe von 10.000 EUR nebst Umsatzsteuer inRechnung. Der Beklagte zahlte dieses nicht. Sein nunmehrbevollmächtigter Rechtsanwalt machte die Unwirksamkeitder Honorarvereinbarung geltend. Daraufhin rechnete derZedent nach den Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungs-gesetzes ab. Er errechnete ein Honorar von 64.274, 28 EURfür außergerichtliche Tätigkeit und von 49.817, 92 EUReinschließlich einer Vergleichsgebühr für gerichtliche Tätig-keit erster Instanz. Hiervon brachte er die Zahlung von23.800 EUR in Abzug und verlangte als Differenz 90.292,20EUR, die der Beklagte nicht zahlte. Diesen Betrag macht dieKlägerin geltend. Der Beklagte rechnet hilfsweise mit außer-gerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.680,10EUR auf, die zur Abwehr der streitigen Honorarforderungender Klägerin angefallen sind.

Das LG hat den Beklagten zur Zahlung von 10.738,31 EURnebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewie-sen. Es hat die Klage in Höhe von 10.000 EUR zuzüglichUmsatzsteuer für berechtigt gehalten und die Hilfsaufrech-nung in Höhe von 1.161,68 EUR durchgreifen lassen.

Die Berufung der Klägerin hatte nur wegen eines Berech-nungsfehlers des LG bei der Hilfsaufrechnung insoweit

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Seiner Pflicht, die voraussichtliche gesetzliche Vergütung zuberechnen, ist der Angeklagte nach den bisher getroffenenFeststellungen nicht nachgekommen.

cc) Die Feststellungen des LG stehen auch im Übrigen einerBetrugsstrafbarkeit durch Unterlassen nicht entgegen: DieWirtschaftsstrafkammer hat selbst ausgeführt, dass G. davonausgegangen sei, es gebe zu den ihm vom Angeklagten auf-gezeigten Möglichkeiten der Abrechnung keine Alternative.Aufgrund dieses Irrtums verfügte er über sein Vermögen, in-dem er die Honorarvereinbarung abschloss und dadurch einenAnspruch auf eine Rechtsdienstleistung erwarb, die er ander-weitig zu einem geringen Bruchteil des vereinbarten Hono-rars hätte erlangen können (vgl. zum Schaden auch BGH,Urt. v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2598 f).

Da der Angeklagte zum Abzug des Erfolgshonorars von derauf sein Konto zu überweisenden Erbschaft berechtigt war,lag zumindest eine schadensgleiche Vermögensgefährdungvor (vgl. zum sogenannten Kontoeröffnungsbetrug BGH, Urt.v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, BGHSt 33, 244, 245 f; Beschl.v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 167, und v.14.10.2010 – 2 StR 447/10, NStZ 2011, 160).

Der Umstand, dass G. mit der aufgrund der Honorarverein-barung erbrachten Leistung des Angeklagten zufrieden war,stellt entgegen der Meinung des LG die Kausalität „zwischeneiner etwaigen Täuschungshandlung und einer Vermögens-verfügung bzw. einem Vermögensschaden“ nicht infrage.Auf den Abschluss dieser Honorarvereinbarung, auf den er,wie er wusste, keinen Anspruch hatte, kam es dem Ange-klagten gerade an. (...) •

Honorarvereinbarung einesRechtsanwalts

• Verstoß gegen Formvorschriften, § 3a RVG• Erfolgshonorarvereinbarung, § 4a RVG• Anspruch auf gesetzliche Gebühren(BGH, Urt. v. 5.6.2014 – IX ZR 137/12)

Leitsatz:Eine Vergütungsvereinbarung zwischen Rechtsanwaltund Mandant, die gegen die Formvorschriften des § 3aAbs. 1 Satz 1 und 2 RVG oder die Voraussetzungen fürden Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung nach§ 4a Abs. 1 und 2 RVG verstößt, ist wirksam; aus ihrkann die vereinbarte Vergütung bis zur Höhe dergesetzlichen Gebühr gefordert werden (Aufgabe derbisherigen Rechtsprechung). •

Zum Sachverhalt:Die Klägerin, eine anwaltliche Verrechnungsstelle, verlangtvom Beklagten aus abgetretenem Recht des Rechtsanwalts L.restliches Anwaltshonorar in Höhe von 90.292,20 EUR.

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Erfolg, als der Beklagte nunmehr zur Zahlung von 10.923,70EUR nebst Zinsen verurteilt wurde. Mit der vom Senat zuge-lassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch invollem Umfang weiter. •

Aus den Gründen:Die zulässige Revision ist unbegründet.

I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil veröffentlicht ist inNJW 2012, 3454, hat ausgeführt: Dem Zedenten sei esgemäß § 242 BGB verwehrt, unter Berufung auf die Nichtig-keit der Vergütungsvereinbarung vom 15.12.2009 die ge-setzliche Vergütung zu fordern, soweit diese über den in derVergütungsvereinbarung vorgesehenen Betrag von insge-samt 30.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer hinausgehe.

Die getroffene Vergütungsvereinbarung sei unwirksam. Da-ran ändere auch nichts der Umstand, dass der Beklagte umdie Gebührenvereinbarung gebeten habe, weil es Sache desfachkundigen Rechtsanwalts sei, dabei auf die Einhaltungdes anwaltlichen Gebührenrechts zu achten. Wenn derZedent nunmehr nach dem gesetzlichen Gebührenrechtabrechne, obwohl er hierauf unter Verstoß gegen diesesRecht verzichtet habe, verstoße er gegen Treu und Glauben,weil sich der Mandant auf die vom Anwalt vorgeschlageneHonorarregelung verlassen können müsse.

Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dasssich der Beklagte auf die Unwirksamkeit der Vergütungsver-einbarung berufen habe, weil er nicht arglistig gehandelthabe. Die Begrenzung der dem Zedenten zustehenden Ver-gütung durch die Vergütungsvereinbarung erfasse auch diegerichtliche Tätigkeit, die nach der nachfolgenden mündli-chen Vereinbarung durch den vereinbarten Höchstbetrag mitabgegolten sein sollte.

In Höhe von 976,30 EUR sei der Honoraranspruch des Ze-denten durch Aufrechnung erloschen. Die Klägerin habedem Beklagten die Aufwendungen zur außergerichtlichenAbwehr ihrer unberechtigten Honorarforderungen zu erset-zen. Der Anspruch ergebe sich aus § 280 Abs. 1 BGB. Zwarführe die Geltendmachung eines unberechtigten Anspruchsals solche noch nicht zu einer Sonderverbindung nach § 241BGB. Die Klägerin sei aber als Zessionarin in die Gläubiger-stellung des Zedenten eingerückt.

II. Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Prü-fung stand. Die Klägerin kann Honorarforderungen desZedenten nur in restlicher Höhe von 10.000 EUR zuzüglichUmsatzsteuer abzüglich des hilfsweise aufgerechneten Scha-denersatzanspruchs des Beklagten in Höhe von 976,30 EURgeltend machen.

1. Der Anwaltsvertrag zwischen dem Zedenten und demBeklagten war rechtswirksam, selbst wenn die Honorarver-einbarung nichtig gewesen wäre. Dies war schon nach demvor dem 1.7.2008 geltenden Recht in ständiger Rechtspre-chung anerkannt, nach dem Erfolgshonorarvereinbarungennach § 49b Abs. 2 BRAO generell verboten waren, was ge-mäß § 134 BGB zu ihrer Nichtigkeit führte (BGH, Urt. v.

23.10.2003 – IX ZR 270/02, NJW 2004, 1169, 1171; v.23.4.2009 – IX ZR 167/07, WM 2009, 1249 Rdnr. 11, 15 ff).

Nach dem seit 1.7.2008 geltenden § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAOsind Erfolgshonorarvereinbarungen nur noch unzulässig,soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nichts anderesbestimmt. An der fortdauernden Wirksamkeit des Anwalts-vertrages selbst hat sich dadurch nichts geändert. Die Ein-schränkung des Verbotes von Erfolgshonoraren sollte nichtzu einer weitergehenden Nichtigkeitsfolge bezüglich desAnwaltsvertrages führen. Dessen Rechtswirksamkeit sollteunberührt bleiben (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierungfür ein Gesetz zur Neuregelung des Verbots der Verein-barung von Erfolgshonoraren, BT-Drucks. 16/8384, S. 12 zu§ 4b; Schneider/Wolf/Onderka, RVG, 7. Aufl., § 4b Rdnr. 9;Baumgärtel in Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG,16. Aufl., § 4b Rdnr. 2; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG,21. Aufl., § 4b Rdnr. 3; Foerster, JR 2012, 93). Demgemäßkann der Zedent Anwaltshonorar verlangen.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt derunstreitige Verstoß gegen § 4a Abs. 1 und 2 RVG bei Verein-barung des Erfolgshonorars jedoch nicht zur Nichtigkeit derErfolgshonorarvereinbarung, sondern zur Deckelung der ver-einbarten Vergütung auf die gesetzliche Vergütung.

a) Ob ein Verstoß gegen § 4a Abs. 1 oder 2 RVG die Nichtig-keit der Erfolgshonorarvereinbarung zur Folge hat, ist aller-dings umstritten. Nach einer Auffassung sind Erfolgshonorar-vereinbarungen, die die Voraussetzungen des § 4a RVGnicht erfüllen, nichtig (Foerster, JR 2012, 93; Onderka in:Schneider/Wolf, a.a.O., § 4b Rdnr. 7). Nach anderer Auf-fassung sind sie rechtswirksam, begrenzen aber im Erfolgsfalldie Vergütung des Rechtsanwalts auf die gesetzliche Vergü-tung (Göttlich/Mümmler, RVG, 4. Aufl., E 3 S. 323; Schonsin: Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl., § 4b Rdnr. 1, 9;Baumgärtel in Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG,a.a.O., § 4b Rdnr. 2; Mayer in: Gerold/Schmidt, a.a.O., § 4bRdnr. 3). Andere lassen die Frage offen, wenden aber § 242BGB an (Teubel in: Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl., § 4b Rdnr. 1,3; Bischof in: Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Klipstein/Klüsener/Uher, RVG, 6. Aufl., § 4b Rdnr. 2).

b) Die Frage ist dahin zu beantworten, dass eine Erfolgs-honorarvereinbarung, die gegen § 4a Abs. 1 oder 2 RVGverstößt, nicht nichtig ist, sondern die vertragliche verein-barte Vergütung – auch im Erfolgsfall – auf die gesetzlicheGebühr beschränkt. Ist die gesetzliche Gebühr höher, kannnur die vereinbarte Vergütung verlangt werden.

aa) Nach § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO sind Erfolgshonorarver-einbarungen unzulässig, soweit das Rechtsanwaltsvergü-tungsgesetz nichts anderes bestimmt. Das Rechtsanwalts-vergütungsgesetz hat in §§ 4a, 4b eine Sonderregelunggetroffen, in § 4a RVG hinsichtlich der Voraussetzungen,unter denen ein Erfolgshonorar vereinbart werden darf undin § 4b RVG hinsichtlich der Folgen, die sich aus einemVerstoß gegen § 4a Abs. 1 und 2 RVG ergeben. Insoweithandelt es sich auch in § 4b RVG um eine Sonderregelung.Danach kann der Rechtsanwalt aus einer Vergütungsverein-

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barung, die § 4a Abs. 1 und 2 RVG nicht entspricht, keinehöheren als die gesetzlichen Gebühren fordern. Bis zu dieserGrenze kann dagegen aus der Honorarvereinbarung Erfül-lung verlangt werden. Dies spricht dagegen, dass die Verein-barung nach dem Willen des Gesetzgebers nichtig sein soll.Denn dann hätte es der Regelung des § 4b RVG nicht be-durft. Die Nichtigkeit hätte sich, wie nach früherem Recht,aus § 134 BGB ergeben.

§ 4b Satz 1 RVG entfaltet demnach nicht nur Wirkung für denFall, dass die vereinbarte Vergütung höher ist als die gesetz-liche Vergütung, sondern auch dann, wenn sie niedriger ist.Da § 4b Satz 1 RVG als Folge nur eine Deckelung nach obenanordnet, kann der Verstoß gegen § 4a Abs. 1 und 2 RVG beivereinbarter niedrigerer Vergütung nicht dazu führen, dassin Abweichung von der Vereinbarung mehr als vereinbartverlangt werden könnte, etwa die höheren gesetzlichen Ge-bühren.

bb) Die Gesetzesbegründung zur Neuregelung des § 4b RVGist allerdings unklar und widersprüchlich. Dort (BT-Drucks.16/8384, S. 12) wird ausgeführt, dass die Neuregelung dembis dahin geltenden Recht entspreche. Formfehler der Ver-gütungsvereinbarung führten nicht zur Nichtigkeit des An-waltsvertrages, sondern begrenzten den Vergütungsanspruchauf die gesetzliche Vergütung. Im Übrigen würden die all-gemeinen zivilrechtlichen Regelungen gelten, was dazu füh-ren könne, dass im Falle des Misserfolgs keinerlei Vergütunggeschuldet sei, weil ein Vergütungsverlangen eine unzuläs-sige Rechtsausübung darstelle (§ 242 BGB).

Dass bei unzulässiger Erfolgshonorarvereinbarung derAnwaltsvertrag selbst nichtig sei, war schon zum alten Rechtnicht angenommen worden. Zur Wirksamkeit der Erfolgs-honorarvereinbarung selbst sagt die Gesetzesbegründungnichts. Soweit dort ausgeführt wird, dass Formfehler derVergütungsvereinbarung den Vergütungsanspruch begren-zen, wird der Vereinbarung eine Rechtswirkung zuerkannt,die ihr bei Nichtigkeit nicht zukommen könnte.

c) Die Regelung des § 4b RVG ist in ihrer Formulierung aller-dings an Vorgängerregelungen in § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG inseiner bis zum 30.6.2008 geltenden Fassung sowie an diezuvor geltende Regelung in § 3 BRAGO angelehnt. In § 4bRVG a.F. hieß es, dass aus einer Vereinbarung eine höhereals die gesetzliche Vergütung nur gefordert werden könne,wenn die Erklärung des Auftraggebers schriftlich abgegebenund nicht in der Vollmacht enthalten sei.

Auch in § 3 BRAGO hieß es, dass aus einer Vereinbarungein Rechtsanwalt eine höhere als die gesetzliche Vergütungnur fordern könne, wenn die Erklärung des Auftraggebersschriftlich abgegeben und nicht in der Vollmacht oder ineinem Vordruck enthalten sei, der auch andere Erklärungenumfasse.

aa) Der Senat hat Honorarvereinbarungen, die gegen dieseVorschriften verstießen, bislang als unwirksam angesehen(vgl. BGH, Urt. v. 19.5.2009 – IX ZR 174/06, WM 2009,1379 Rdnr. 6 ff zu § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO). Er hat dies

auch auf § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG nF übertragen (BGH, Urt. v.3.11.2011 – IX ZR 47/11, WM 2012, 760 Rdnr. 15), ohnesich allerdings mit der Neufassung des § 4b RVG näher zubefassen.

bb) Hieran hält der Senat jedoch nicht fest.

Auf die bisherige Rechtslage kann bei Erfolgshonoraren nichtzurückgegriffen werden. Die nach § 46b Abs. 2 BRAO a.F.ausnahmslos unzulässige Erfolgshonorarvereinbarung warnichtig. Aufgrund dieser Vorschrift hatte der Bundesgerichts-hof in ständiger Rechtsprechung Vereinbarungen, durch dieeine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache odervom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemachtworden ist, als unzulässig angesehen. Jede solche Verein-barung stellte eine gemäß § 134 BGB nichtige Erfolgshono-rarvereinbarung dar (BGH, Urt. v. 23.4.2009 – IX ZR 167/07,WM 2009, 1249 Rdnr. 14 ff).

Der Rechtsanwalt konnte in solchen Fällen der Nichtigkeitder Gebührenvereinbarung die gesetzlichen Gebühren ver-langen (BGH, Urt. v. 8.6.2004 – IX ZR 119/03, NJW 2004,2818, 2819 [juris Rdnr. 20] m.w.N.). Es handelte sich dabeiaber nicht um verschiedene Ansprüche, weil es jeweils umdie vertragliche Vergütung für ein und dieselbe anwaltlicheTätigkeit geht (BGH, Urt. v. 4.7.2002 – IX ZR 153/01, NJW2002, 2774, 2776; v. 23.10.2003 – IX ZR 270/02, NJW2004, 1169, 1171 [juris Rdnr. 36]). Die Höhe konnte jedochnach § 242 BGB beschränkt sein (BGH, Urt. v. 26.10.1955 –VI ZR 145/54, BGHZ 18, 340, 347; v. 19.6.1980 – III ZR91/79, NJW 1980, 2407, 2408; OLG Düsseldorf, GI aktuell2012, 116, 118; BT-Drucks. 16/8384, S. 12).

Führt aber der Rechtsfehler der Vergütungsvereinbarungnicht zu deren Nichtigkeit, sondern zu einer Begrenzung derhiernach geschuldeten Vergütung auf die gesetzlichen Ge-bühren, bedarf es der zusätzlichen Anwendung der Grund-sätze von Treu und Glauben nicht.

Soweit in der Gesetzesbegründung bei der Begrenzungs-wirkung des § 4b RVG von Folgen der Formfehler die Redeist, schöpft dies den Gesetzeswortlaut nicht aus. Jedenfalls§ 4a Abs. 1 RVG enthält keine formalen, sondern materielleVoraussetzungen. Die Gesetzesbegründung zu § 4b RVGdifferenziert eingangs auch zwischen den Formerforder-nissen des § 3a RVG und den Anforderungen für Erfolgs-honorare nach § 4a Abs. 1 und 2 RVG. Die Rechtsfolgen sindjedoch in § 4b RVG einheitlich für beide Fälle geregelt. ImUmfang der Regelung kann deshalb für die Rechtsfolgen nichtnach formellen und materiellen Fehlern unterschieden werden;die Ausführungen in der Gesetzesbegründung sind insoweitallgemein und beispielhaft zu verstehen.

d) Soweit in § 4b Satz 2 RVG nF auf das Bereicherungsrechtverwiesen wird, entspricht dies der Regelung in § 3a Abs. 3Satz 2 RVG nF. Wegen dieser Parallele wurde die Vorschriftauf Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestageseingefügt (vgl. Ausschussbericht, BT-Drucks. 16/8916, S. 14zu § 4b).

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Die Verweisung betrifft das Bereicherungsrecht insgesamt,also vor allem die Voraussetzungen der Rückforderung be-reits bezahlter Erfolgshonorare. Aus der in diesem Zusam-menhang möglicherweise anwendbaren Vorschrift des § 814BGB kann nicht rückgeschlossen werden, dass die Vergü-tungsvereinbarung insgesamt nichtig sein sollte (a.A.Schneider/Wolf/Onderka, a.a.O.).

e) Nach § 49b Abs. 1 BRAO dürfen geringere Gebühren undAuslagen, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorsieht,nicht vereinbart werden, soweit dieses nichts anderes be-stimmt. Gemäß § 4 Abs. 1 RVG sind geringere Gebühren inaußergerichtlichen Angelegenheiten zulässig.

Der Zedent und der Beklagte sind allerdings durch mündlicheVereinbarung dahin übereingekommen, dass auch die Ge-bühren für das gerichtliche Verfahren erster Instanz durchdie Erfolgshonorarvereinbarung abgegolten sein sollten. InErfolgshonorarvereinbarungen sind derartige Regelungenunter den Voraussetzungen des § 4a Abs. 1 Satz 2 RVG zu-lässig, die hier nicht eingehalten wurden. Diesen Fall erfasstjedoch § 4b Satz 1 RVG ausdrücklich und in gleicher Weisewie die sonstigen Fälle des § 4a Abs. 1 und 2 sowie die Fälledes § 3a Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG. Ein Rückschluss, dass ausdiesem Grund Erfolgshonorarvereinbarungen generell geradeim Hinblick auf den Fall gerichtlicher Gebühren nichtig seinsollten, kann daraus folglich nicht abgeleitet werden. Auchhier greift, bezogen auf das vereinbarte Gesamthonorar, dieDeckelungsregelung ein.

Die mündlich vereinbarte Honorarabrede verstieß zudemallerdings gegen § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG. Sie war jedochauch aus diesem Grund nicht unwirksam. Vielmehr gilt auchinsoweit § 4b Satz 1 RVG und die dort festgelegte Decke-lung.

f) Das hier angenommene Verständnis von § 4b RVG schafftklare Regelungen für die Folgen von Honorarvereinbarungen,welche die gesetzlichen Voraussetzungen nicht einhalten. Sieführen ohne Rückgriff auf Billigkeitserwägungen nach denBesonderheiten des Einzelfalls zu praktikablen Ergebnissen,zu denen auch die Rechtsprechung zum alten Recht in derRegel über § 242 BGB gelangt ist: Überstieg nach altemRecht eine nichtige Erfolgshonorarvereinbarung die gesetz-lichen Gebühren, konnten ohnehin nur Letztere verlangtwerden. War das vereinbarte Erfolgshonorar selbst bei Erfolggeringer als die gesetzlichen Gebühren, begrenzte im Regel-fall § 242 BGB die Höhe des Honorars auf die vereinbarteHöhe.

Es verstieße, wie das Berufungsgericht zutreffend gesehenhat, gegen Treu und Glauben, wenn der rechtskundige An-walt, dem insbesondere – anders als dem Mandanten – diemateriellen Voraussetzungen und formalen Anforderungenfür Gebührenvereinbarungen bekannt sein müssen, trotz –von ihm zumindest erkennbarer – unwirksamer Honorarver-einbarung, in denen er auf Gebühren in gesetzlicher Höhegerade verzichtet, die deutlich höheren gesetzlichen Gebüh-ren verlangen könnte.

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g) Der Umstand, dass der Beklagte um den Abschluss derGebührenvereinbarung gebeten hatte, ist unerheblich. DerBeklagte wollte seine Ausgaben planbar begrenzen undRechtssicherheit erreichen. Über die Voraussetzungen, unterdenen dies möglich war, hatte ihn der Zedent im Rahmenseiner Beratungspflicht zu unterrichten.

h) Schließlich ist es ohne Belang, dass sich zuerst der Be-klagte durch seinen Rechtsanwalt auf die Unwirksamkeit derVergütungsvereinbarung berufen hat. Die von diesem gel-tend gemachte Nichtigkeit der Erfolgshonorarvereinbarungliegt zwar tatsächlich nicht vor. Dem Beklagten war es aberunbenommen, seine Rechte in Anlehnung an eine verbrei-tete Auffassung in der Literatur und der Rechtsprechungzum früheren Recht geltend zu machen. Er kann sich jeden-falls jetzt noch auf die tatsächlichen Wirkungen des § 4bRVG berufen.

Treuwidrig ist dies jedenfalls so lange nicht, als der Mandantseinen Rechtsanwalt nicht über tatsächliche Umständetäuscht oder solche Umstände in Kenntnis ihrer Bedeutungverschweigt, die für die Wirksamkeit der Honorarverein-barung von Bedeutung sind. Dürfte der Mandant sich nichtauf Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Erfolgshonorar-vereinbarung berufen ohne befürchten zu müssen, sodanneine noch höhere Vergütung zu schulden, würde der Zweckdes § 4a RVG verfehlt.

3. Gegen die danach begründete Klageforderung in Höhevon 11.900 EUR hat das Berufungsgericht zutreffend dieHilfsaufrechnung in Höhe von 976,30 EUR durchgreifenlassen. Die Klägerin ist als Zessionarin in die Rechtstellungdes Zedenten eingetreten. Zwischen ihr und dem Beklagtenbestand eine Sondervereinbarung im Sinne des § 241 BGB.Die Klägerin hat Honoraransprüche in überzogener Höhegeltend gemacht und dadurch ihre vertraglichen Pflichtenzur Rücksichtnahme verletzt (§ 280 Abs. 1 BGB; vgl. BGH,Urt. v. 16.1.2009 – V ZR 133/08, BGHZ 179, 238 Rdnr. 17).

Das erforderliche Verschulden setzt zwar voraus, dass der-jenige, der unberechtigte Ansprüche geltend macht, diesenicht als plausibel ansehen durfte (BGH, Urt. v. 23.1.2008 –VIII ZR 246/06, WM 2008, 561 Rdnr. 12 f; v. 16.1.2009,a.a.O., Rdnr. 20). Von ihrem gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGBzu vermutenden Verschulden hat sie sich jedoch nicht ent-lastet. Von der Klägerin als gewerblicher Zessionarin anwalt-licher Forderungen können zumindest die an einen Rechts-anwalt zu stellenden Sorgfaltspflichten verlangt werden.

Einem Rechtsanwalt musste jedenfalls, auch wenn dieRechtslage zu § 4b RVG bislang ungeklärt war, schon an-hand der Rechtsprechung zum alten Recht klar gewesensein, dass im Ergebnis nach den Grundsätzen von Treu undGlauben nicht ein Vielfaches des vereinbarten Erfolgshono-rars wegen Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarunggefordert werden konnte. Demgemäß musste die Klägerindamit rechnen, dass sich der Beklagte zur Rechtsverteidigunggegen den geltend gemachten unberechtigten Ansprucheines kostenpflichtigen Anwalts in angemessener Weisebedienen würde. •

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Wirtschaftsprüferhaftung• Dritthaftung gegenüber einer Bank• Auskunftsvertrag• Vorsätzlich sittenwidrige Schädigung• Keine Einholung von Saldenbestätigungen(OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.1.2015 – I-23 U 100/09)

Leitsätze (d. Red.):1. Teilt die geprüfte Kapitalgesellschaft dem Prüferwährend der Prüfung mit, für welche Zwecke sie dengeprüften Abschluss verwenden will, führt dies nochnicht zur Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkungzugunsten einer Bank, die aufgrund des geprüftenAbschlusses der Kapitalgesellschaft ein Darlehen gibt.

2. Die direkte Übermittlung des Prüfberichts durch denPrüfer an die Bank mittels eines Boten begründet eben-so noch keinen Vertag mit Schutzwirkung zugunstenDritter. Auf Zufälligkeiten der Übermittlung eines Prüf-berichts kommt es für die Begründung der Haftungnicht an. •

Zum Sachverhalt:Die Klägerin war die Hausbank der A. GmbH (nachfolgend:A.), die Beklagte, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, warmit der Prüfung der Jahresabschlüsse der A. u.a. für dieJahre 2003 und 2004 betraut, die von dem Steuerberater R.erstellt worden waren. Ein Geschäftsfeld der A. war dieDurchführung von Bargeldtransporten. Hierzu holten Mit-arbeiter von A. aus den Filialen der Kunden die Tageseinnah-men ab, die auf zwei Bundesbankkonten eingezahlt wurden.

Aufgrund seit dem Jahr 2001/2002 bestehender Liquiditäts-probleme veruntreuten die Geschäftsführer der A., die Her-ren M., seit Beginn des Jahres 2003 auf dem Bundesbank-konto ... eingezahlte Gelder, indem sie Kundengelder zurBegleichung von gegen die A. gerichteten Forderungenüberwiesen. Um die Überweisungen zu „decken“, fingiertendie Herren M. Rechnungen über tatsächlich nicht bestehendeForderungen. Im Oktober 2006 wurde das Insolvenzverfah-ren über die A. eröffnet.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadenersatz. DiePrüfung des Jahresabschlusses sei in vielfacher Hinsicht feh-lerhaft gewesen. Zudem habe der Jahresabschluss weiter-gehende Prüfungen erwarten lassen, als die Beklagte tat-sächlich durchgeführt habe. Bereits am 11.11.2005 hättenbei ordnungsgemäßer Prüfung der Beklagten die Manipula-tionen der Geschäftsführer aufgedeckt worden sein müssen.Gleichwohl habe die Beklagte der A. mit Schreiben vom14.11.2005 und 24.5.2006 mitgeteilt, dass sich durch diePrüfung keine Änderungen des Jahresergebnisses ergebenwürden.

Zum 28.6.2006 habe sie den Prüfbericht fertiggestellt undden Jahresabschluss bestätigt. Sie, die Klägerin, habe des-halb der A. Kredite bewilligt, mit denen sie überwiegend

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ausgefallen sei. Ihr, der Klägerin, sei ein Schaden in Höhevon 2.135.726,95 EUR entstanden. Die Beklagte habe ge-wusst, dass die Schreiben vom 14.11.2005, 24.5.2006 undder Prüfbericht vom 28.6.2006 ihr, der Klägerin, als Voraus-setzung der Bewilligung von Krediten von A. zugänglichgemacht worden seien.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der tatsäch-lichen Feststellungen verwiesen wird, hat das LG die Klageabgewiesen. Zwischen der Klägerin und der Beklagten seikein Auskunftsvertrag über die Prüfergebnisse geschlossenworden, auch ein echter Vertrag zugunsten der Klägerin seinicht begründet worden. Der Klägerin stehe auch kein Scha-denersatzanspruch nach den Grundsätzen des Vertrages mitSchutzwirkung für Dritte zu. Aufgrund der Regelung des§ 323 Abs. 1 Satz 3 HGB komme eine vertragliche Haftungdes Abschlussprüfers gegenüber Dritten nur unter beson-deren Voraussetzungen in Betracht. Denn der Gesetzgeberhabe die Haftung des Abschlussprüfers auf Ansprüche dergeprüften Kapitalgesellschaft und verbundener Unternehmerbeschränkt. Solche besonderen Voraussetzungen lägen nichtvor, zumal sich die Beklagte, nach ihren Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen die schriftliche Zustimmung zu einerWeitergabe vorbehalten habe, die von ihr – unstreitig – nichterteilt worden sei.

Auf die Schreiben vom 14.11.2005 und 24.5.2006 habe sichdie Klägerin ohnehin nicht verlassen dürfen, da sie nur Aus-kunft über den Stand der Prüfungstätigkeit gegeben hätten.Zudem könne die Beklagte der Klägerin nicht weitergehendhaften, als sie der A. haften würde. Gegenüber der A. könn-te sich aber die Klägerin auf ein überwiegendes Mitverschul-den berufen. Die Regelung des § 334 BGB sei nicht still-schweigend abbedungen worden. Schließlich sei nach demVortrag der Klägerin auch keine Haftung gemäß § 826 BGBbegründet.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrerBerufung. Die Beklagte habe maßgebliche Fehlleistungenvorsätzlich bzw. bewusst begangen. Die Beklagte habe esunterlassen, Saldenbestätigungen einzuholen. Ihr sei aus derPrüfung des Jahresabschlusses 2003 bekannt gewesen, dassForderungen aus 2003 in Höhe von 1.764.000,00 EUR nichtbezahlt worden seien. Auch deshalb hätten Saldenbestäti-gungen eingeholt werden müssen.

Die Beklagte habe das Bundesbankkonto nicht inhaltlichgeprüft, obwohl sie bei ihrer Prüfung eine Differenz in Höhevon 313.000,00 EUR festgestellt habe. Die Beklagte habeeine Belegprüfung unterlassen. Bei Durchführung einerBelegprüfung wären die Manipulationen der Geschäftsführerder A. zwingend aufgefallen. Die Geschäftsführer der A.seien ab dem Geschäftsjahr 2004 dazu übergegangen, nichtnur zur „Deckung“ der Überweisungen von dem Bundes-bankkonto Rechnungen zu fingieren, sondern mit solchenfingierten Rechnungen einen möglichst hohen Debitoren-bestand vorzutäuschen.

Das LG habe einen falschen Prüfungsmaßstab angelegt; eshabe ihren Vortrag dahin missverstanden, sie wolle der

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Beklagten zum Vorwurf machen, keine detektivische Ermitt-lungsarbeit geleistet zu haben. Ein Vertrag mit Schutzwirkungzugunsten Dritter sei zu bejahen. Zwischen den Kurztestatenund dem schriftlichen Prüfungsbericht müsse differenziertwerden. Die Kurztestate seien Zusatzleistungen des Ab-schlussprüfers, auf die § 323 HGB keine Anwendung finde.

Auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagtenkönnten auf die Kurztestate keine Anwendung finden. Dadie Kurztestate zur Weiterleitung an sie, die Klägerin, be-stimmt gewesen seien, habe die Beklagte dieser Weiterlei-tung zugestimmt und sie, die Klägerin, in den Schutzbereichdes zwischen der Beklagten und der A. geschlossenen Ver-trag über die Erstellung des Jahresabschlusses eingeschlossen.

Zudem sei angesichts der Übersendung der Kurztestate voneinem Auskunftsvertrag zwischen der Beklagten und A.auszugehen, in dessen Schutzbereich sie, die Klägerin, ein-geschlossen sei. Die Kurztestate hätten, zumal in Ansehungihres Zwecks, eine verbindliche Auskunft zum Gegenstandgehabt, zumal die Prüfungstätigkeit beendet gewesen sei.Von dem Vorbehalt der Beklagten im Schreiben vom14.11.2005, wonach Rückfragen möglich seien, habe sie,die Klägerin, keine Kenntnis gehabt. Sie habe das Schreibenvom 14.11.2005 erhalten. Auch bezüglich des Prüfungs-berichts vom 28.6.2006 lägen die Voraussetzungen für einenVertrag mit Schutzwirkung zu ihren Gunsten vor.

Das LG habe die von ihm herangezogene Rechtsprechungfalsch interpretiert. Die Weitergabe des Berichts an sie, dieKlägerin, sei von der Beklagten mit A. abgesprochen gewe-sen, die Beklagte habe positive Kenntnis von dem konkretenVerwendungszweck gehabt und sie habe an der Übersen-dung aktiv mitgewirkt. Auch die Allgemeinen Geschäfts-bedingungen der Beklagten stünden ihrer Einbeziehung inden Schutzbereich des Vertrages nicht entgegen. Rechtlichunzutreffend seien die Ausführungen des LG zu § 334 BGB.Zudem könne sich die Beklagte wegen Versäumung ihrerPrüfungspflichten nicht auf ein Verschulden der A. berufen.

Zu Unrecht habe das LG einen Schadenersatzanspruchgemäß § 826 BGB verneint.

1. Die Beklagte habe die Prüfung des Bundesbankkontos ...unterlassen. Die Annahme des LG, die Beklagte habe esstichprobenartig untersucht, sei unzutreffend. Die Prüfungdes Kontos wäre zwingend gewesen, da bereits bei Prüfungdes Jahresabschlusses 2003 eine Vermischung von Fremd-und Eigenmitteln festgestellt worden sei, beim Jahresab-schluss 2004 ein nicht aufgeklärter Saldo von 313.280,32EUR festgestellt worden sei und sich A. in Liquiditätsschwie-rigkeiten befunden habe.

Die Tätigkeit des Sachverständigen L. entlaste die Beklagtenicht, da er keine inhaltliche Überprüfung des Kontos vor-genommen habe. Zudem sei das LG unzutreffend davonausgegangen, dass ein Treuhandkonto nicht in die Bilanzaufgenommen und geprüft werden müsse. Die Beklagtehätte auch die Zahlungseingänge von dem Bundesbank-konto auf Konten der A. pflichtwidrig nicht geprüft.

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2. Die Beklagte habe pflichtwidrig auf Saldenbestätigungenverzichtet. Dass die Beklagte alternative Prüfungsmethodenangewandt habe, werde bestritten.

3. Die Beklagte habe über die von ihr entfalteten Prüfungenim Abschlussbericht getäuscht. Sie, die Klägerin, habe davonausgehen müssen, dass der Prüfung der Beklagten Salden-bestätigungen zu Grunde gelegen hätten.

4. Die Beklagte habe einen nicht geklärten Forderungsausfallin Höhe von 1.764.000,00 EUR ignoriert.

(Anträge: ...)

Die Beklagte tritt der Berufung entgegen. Ein Vertrag zwi-schen der Klägerin und ihr sei nicht zustande gekommen. Eingesonderter Auskunftsvertrag zwischen ihr und A. sei nichtbegründet worden. Mitteilungen über die Beendigung derPrüfungstätigkeit und deren Ergebnis seien für einen Ab-schlussprüfer üblich und ließen daher nicht auf den Abschlusseines gesonderten Vertrages schließen. Ohnehin habe dieKlägerin ihre Kreditentscheidungen aufgrund von Angabendes Steuerberaters R. geschlossen, nicht wegen ihrer, derBeklagten, Angaben.

Bei den Kreditentscheidungen habe die Klägerin gegen § 18KWG verstoßen, weshalb sie sich ein Mitverschulden ent-gegenhalten lassen müsse. Die Klägerin werfe ihr zu UnrechtPflichtverletzungen vor. Das Absehen von Saldenbestätigun-gen sei nicht pflichtwidrig gewesen, zumal nicht feststehe,dass bereits 2003 und 2004 fingierte Forderungen aktiviertgewesen seien, die durch Saldenbestätigungen hätten auf-gedeckt werden können. Die Einzelwertberichtigung seinicht auffällig gewesen. Eine Belegeinzelprüfung entsprechenicht den Standards, sie sei auch nicht wegen der Abstim-mung des Buchhaltungskontos ... erforderlich gewesen. Zu-dem wäre eine Aufdeckung der Manipulationen angesichtshunderttausender Buchungseinträge unwahrscheinlich ge-wesen. Anhaltspunkte für die Veruntreuung habe es nichtgegeben. (...) •

Aus den Gründen:Die zulässige Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Zu Recht hat das LG es abgelehnt, der Klägerin einenSchadenersatzanspruch nach den Grundsätzen des Vertragesmit Schutzwirkung für Dritte zuzugestehen. Denn die Klä-gerin ist in den Schutzbereich des Abschlussprüfervertrageszwischen A. und der Beklagten nicht einbezogen worden.Allerdings kommt auch bei einem Abschlussprüfer, der mitder (Pflicht-) Prüfung einer Kapitalgesellschaft betraut ist,eine Haftung gegenüber einem Dritten in Betracht. § 323Abs. 1 Satz 3 HGB schließt eine solche Haftung nicht aus. Andie Annahme einer (stillschweigenden) vertraglichen Einbe-ziehung des Dritten in den Schutzbereich sind aber strengeAnforderungen zu stellen.

Dem Abschlussprüfer muss erkennbar sein, dass von ihm imDrittinteresse eine besondere Leistung erwartet wird, dieüber die Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht-

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prüfung hinausgeht (BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11,NJW 2012, 3165; Urt. v. 7.5.2009 – III ZR 277/08, DStRE2010, 193; Urt. v. 6.4.2006 – III ZR 256/04, NJW 2006,1975). So liegt der Fall hier nicht.

Die Beklagte ist lediglich im Rahmen der Abschlussprüfungtätig geworden. Sie hat keine besondere Leistung erbracht,die über die Abschlussprüfung hinausgeht. Der Umstand,dass die Beklagte – nach der Behauptung der Klägerin –wusste und mit ihr abgesprochen war, dass der Prüfberichtund die Schreiben vom 14.11.2005 und 24.5.2006 derKlägerin vorgelegt wurden, begründet keine besondereLeistung in dem vorgenannten Sinne.

Es ist üblich, dass sich eine Bank – so auch die Klägerin –Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften vorlegen lässt,wenn sie über einen Kredit entscheidet. Von dem Jahres-abschluss ist damit in einer Art und Weise Gebrauch gemachtworden, mit der von der Beklagten ohnehin zu rechnen war.Sie mag demnach zwar Kenntnis von einer konkreten Ver-wendung des Ergebnisses ihrer Prüfung erlangt haben, dieswar jedoch für die von ihr entfaltete Tätigkeit ohne Belang.Unstreitig war die Beklagte an den Finanzierungsverhand-lungen nicht beteiligt und ist es nicht zu Kontakt zwischender Klägerin und der Beklagten gekommen. Eine „Sonder-stellung“ der Klägerin bezüglich der Haftung wäre danachnicht gerechtfertigt.

So hätte die A. die testierten Jahresabschlüsse und dieSchreiben vom 14.11.2005 und 24.5.2006 auch anderenpotentiellen Kreditgebern vorlegen können. Warum sichallein aus der Kenntnis der Beklagten, dass sich die A. bei derKlägerin um einen Kredit bemühen wollte, eine Haftunggegenüber der Klägerin ergeben sollte, erschließt sich da-nach nicht. Die Anerkennung einer solchen Haftungsbegrün-dung würde auch zu einer erheblichen Ausweitung der Haf-tung führen, wenn die geprüfte Kapitalgesellschaft demPrüfer während der Prüfung mitteilt, für welche Zwecke sieden geprüften Abschluss verwenden wolle.

So könnte der Prüfer erfahren, dass der Jahresabschluss fürKreditverhandlungen mit einer Vielzahl von Kreditgebernbenötigt werde. Nach der Rechtsauffassung der Klägerinwürden in diesem Fall sämtliche Kreditgeber in den Schutz-bereich einbezogen, was mit § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB undden strengen Anforderungen der Rechtsprechung des BGHnicht in Einklang zu bringen ist. Auch ist es nicht erheblich,dass die Beklagte den Prüfbericht einem Boten (von A.) aus-gehändigt hat, der den Prüfbericht zur Klägerin gebrachthat. Auf Zufälligkeiten der Übermittlung eines Prüfberichtskann es für die Begründung der Haftung nicht ankommen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin gelten die vorstehen-den Erwägungen auch für die Schreiben vom 14.11.2005und 24.5.2006. Durch diese Schreiben hat die Beklagtevorab über das Ergebnis ihrer Prüfung unterrichtet. Es wäredanach nicht angemessen, für die Haftung der Beklagtenzwischen dem geprüften Jahresabschluss und den „Voran-kündigungen“ zu unterscheiden. In beiden Fällen geht es umdie Frage, inwieweit die Klägerin durch den Vertrag über die

Abschlussprüfung geschützt ist. Hierfür kommt es aber aufdie Form der Mitteilung des Ergebnisses nicht an.

So geht auch der Vorwurf der Klägerin an die Beklagtedahin, sie habe pflichtwidrig bei der Prüfung die Manipula-tionen der Geschäftsführer der A. nicht aufgedeckt. Siestützt ihren Anspruch also sowohl bezüglich des geprüftenJahresabschlusses als auch bezüglich der Mitteilungen vom14.11.2005 und 24.5.2006 auf eine unzureichende Ab-schlussprüfung. Auch dies belegt, dass die Voraussetzungeneines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte für die Schreibenvom 14.11.2005 und 24.5.2006 nicht anders beurteiltwerden können.

Nicht zu folgen vermag der Senat der Rechtsansicht der Klä-gerin, es sei zusätzlich zu dem Vertrag über die Abschluss-prüfung ein gesonderter Auskunftsvertrag zwischen Beklag-ter und A. zur Erstellung der Schreiben vom 14.11.2005 und24.5.2006 begründet worden. Die Beklagte hat die Klägerinvorab über das Ergebnis ihrer Abschlussprüfung informiert.Hierfür bedurfte es keines gesonderten Vertrages. Zudemwürden auch insoweit die Voraussetzungen eines Vertragesmit Schutzwirkung für Dritte nicht vorliegen, da die BeklagteAuskunft über das Ergebnis ihrer Prüfungstätigkeit erteilte.Die Anforderungen an eine Einbeziehung Dritter in denSchutzbereich eines etwaigen Auskunftsvertrages über dasErgebnis der Abschlussprüfung können nicht weniger strengausgestaltet sein.

Danach besteht keine quasivertragliche Haftung der Beklag-ten. Auf den Berufungsangriff gegen die Argumentationdes LG zu Ziffer 7 AAB kommt es danach nicht an, ebensonicht darauf, welcher Aussagegehalt den Schreiben vom14.11.2005 und 24.5.2006 zukam. Dahingestellt bleibenkann auch, ob sich die Klägerin ein Mitverschulden derGeschäftsführer der A. zurechnen lassen müsste (vgl. hierzuJagmann, in: Staudinger, BGB, 2009, § 328 Rdnr. 111).

2. Im Ergebnis zu Recht hat das LG auch eine Haftung derBeklagten gemäß § 826 BGB verneint.

Ein Wirtschaftsprüfer haftet gemäß § 826 BGB für fehler-hafte Testate oder sonstige im Rahmen der Prüfung abgege-bene Erklärungen, wenn er ein leichtfertiges oder gewissen-loses Verhalten an den Tag gelegt hat, das als sittenwidrigerscheint.

Das kann der Fall sein, wenn der Wirtschaftsprüfer seinemTestat nachlässige Ermittlungen oder gar Angaben „ins Blauehinein“ zu Grunde legt, er durch unzutreffende Angaben denAnschein erweckt, er habe die Grundlagen seiner Expertisegeprüft, er durch fehlerhafte Äußerungen den eigenen Vorteilohne Rücksicht auf die Belange Dritter sucht oder aus sonsti-gen Gründen gleichgültig gegenüber den Folgen seines Ver-haltens ist und damit eine Rücksichtslosigkeit gegenüber demAdressaten seiner Expertise und den in seinem Informations-bereich stehenden Dritten zeigt, die wegen der Bedeutungseiner Äußerung für deren Entschließungen und wegen dervon ihm in Anspruch genommenen Fachkunde als gewissenlosbezeichnet werden muss.

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Zudem muss der Wirtschaftsprüfer mit zumindest bedingtemVorsatz handeln, der allerdings durch die Art und Weise desSittenverstoßes bewiesen werden kann (vgl. D. Fischer, in:Zugehör u.a., Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rdnr.2057 f m. zahlreichen Nachw. d. Rechtsprechung).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze lässt sich eine Haftung derBeklagten gemäß §§ 826, 31 BGB wegen einer sittenwidri-gen Schädigung des mit Prüfung befassten Geschäftsführersnicht begründen. Nach den Ausführungen des Gutachters L.ist die Annahme, der Geschäftsführer der Beklagten habeleichtfertig geprüft und hätte bei gewissenhafter Prüfung dieManipulation der Geschäftsführer der A. aufdecken müssen,nicht gerechtfertigt.

Zwar hat der Sachverständige L. festgestellt, dass die Be-klagte bei der Prüfung des Bundesbankkontos ... es unter-lassen habe, die Ausbuchung in Höhe von ca. 313.000,00EUR zu analysieren. Die Beklagte habe aber keine eindeutigerkennbaren Anhaltspunkte für Manipulationen gehabt undes steht nach den Feststellungen des Sachverständigen nichteinmal fest, ob eine vertiefte Prüfung des Bundesbankkontosund des Finanzbuchhaltungskontos ... zur Aufdeckung derVeruntreuung der Kundengelder geführt hätte.

Hierzu hat der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörungergänzend ausgeführt, dass sich zur Analyse der Ausbu-chung primär eine Rückfrage bei A. angeboten hätte, derenGeschäftsführer, deren Betrügereien geschickt gewesenseien, vermutlich eine plausible Erklärung hätten liefern kön-nen. Dem von der Klägerin hervorgehobenen Aspekt, dasses sich bei dem Bundesbankkonto nicht um ein „echtesTreuhandkonto“ gehandelt habe, hat der Sachverständige L.nach den Ausführungen in seiner Anhörung keine Bedeu-tung beigemessen.

Er sei unabhängig von der rechtlichen Qualifikation desKontos davon ausgegangen, dass die das Konto betreffen-den Zahlungsvorgänge – wie auch die Ausbuchung in Höhevon ca. 313.000,00 EUR – hätten geprüft werden müssen,zumal der Begriff der „Treuhand“ nicht eindeutig sei. Ver-neint hat der Sachverständige die von der Klägerin in denRaum gestellte Möglichkeit, die Beiziehung von das Bundes-bankkonto ... betreffenden Kontounterlagen könnte weiter-gehende Erkenntnisse erbringen. Hinzu kommt nach den Aus-führungen des Sachverständigen, dass zur Abschlussprüfungnicht die Prüfung sämtlicher Kontounterlagen gehört, wes-halb eine Pflichtverletzung der Beklagten unter diesem,Aspekt ausscheide.

Der rechtlichen Bewertung der Klägerin, nach den Feststel-lungen des Sachverständigen sei von einer vorsätzlichen oderzumindest besonders groben Pflichtverletzung der Beklagtenauszugehen, vermag der Senat nicht zu folgen. Bereits derAusgangspunkt der rechtlichen Beurteilung der Klägerin, dieBeklagte habe das Bundesbankkonto ... wegen der Quali-fikation als Treuhandkonto nicht in die Prüfung einbezogen,ist nicht richtig. Der Sachverständige L. hat in seinem Gut-achten die von der Beklagten in Bezug auf das Bundesbank-konto entfaltete Prüfung dargestellt.

Auf Seite 16 des Gutachtens fasst er die Prüfung der Be-klagten nochmals zusammen und zieht den Schluss, dass diePrüfung der Beklagten nur schwachen Prüfungsmaßstäbengenügte und daher lediglich von einer oberflächlichen Ver-plausibilisierung der Stichtagsbestände der Bundesbank-konten und der ausstehenden Poolgelder ausgegangenwerden kann. Die Beklagte habe es allerdings unterlassen,die Ausbuchung in Höhe von ca. 313.000,00 EUR zu ana-lysieren, was angesichts der für die Risikoeinschätzung maß-geblichen Faktoren aber zwingend gewesen sei, auch wenndie Prüfungshandlungen des Sachverständigen L. in gewis-sem Umfang risikomindernd zu berücksichtigen waren.

Danach liegt zwar ein Fehler der Beklagten vor, dieser über-steigt jedoch nicht die (hohe) Schwelle des § 826 BGB.Auch der Sachverständige hat keine Anhaltspunkte dafürgesehen, dass sich die Beklagte leichtfertig und gewissenlosüber ihr bekannte Bedenken hinweggesetzt hätte oder be-wusst auf Prüfungshandlungen verzichtet hätte, die sie selbstfür unerlässlich hielt und gleichwohl die Abschlussprüfungtestierte. Soweit die Klägerin darauf verweist, der Sachver-ständige sei von grober Fahrlässigkeit ausgegangen, trifftdies nicht zu. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass dieGrenze der groben Fahrlässigkeit möglicherweise erreicht,allerdings gerade noch nicht überschritten sein könnte.

Keine Rolle spielt es nach den Ausführungen des Sachver-ständigen für die Beurteilung der Abschlussprüfung, ob dieBuchführung von Mitarbeitern der A. oder deren Steuer-berater geführt wurde. Die Übernahme der Buchführungdurch einen Steuerberater bedeute nicht notwendig, dass ereine Kontrollfunktion übernehme. Im Gegenteil könne aucheine vom (externen) Steuerberater erstellte Buchführungfehlerhaft sein, dies sei erfahrungsgemäß auch oft der Fall.

Der von der Klägerin angesprochene Aspekt, die Beklagtesei bei der Prüfungsplanung von einer Buchführung durchden Steuerberater R. ausgegangen, belegt danach keinerelevante Pflichtverletzung der Beklagten. Ergänzend weistder Senat darauf hin, dass die Beklagte bei der Prüfungselbst davon ausgegangen ist, dass A. die Buchführung in-tern erledigte und nicht durch den Steuerberater R. erledigenließ. So heißt es in dem Prüfungsbericht zum 31.12.2004:„Die Verlagerung der Buchhaltung in die Gesellschaft hat imBerichtsjahr noch nicht zur Realisierung der angestrebtenzeitnahen Auswertungen des Rechnungswesens geführt“.Danach liegt eine Pflichtverletzung bei der Prüfung selbstfern, auch wenn die Beklagte bei der Prüfungsplanung nochdavon ausgegangen sein sollte, der Steuerberater R. erledigedie Buchführung.

Bezüglich der nicht eingeholten Saldenbestätigungen hat derSachverständige ausgeführt, dass die Beklagte die von ihrdurchgeführte alternative Prüfung der Forderungen der A.sehr umfänglich und mit großem Arbeitsaufwand ausgeführthat. Auch hat der Sachverständige trotz der zwischenzeitlichvorliegenden Erkenntnisse keine Anhaltspunkte für Manipu-lationen bei den von der Beklagten geprüften Rechnungenfeststellen können.

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Zwar wertet der Sachverständige den Verzicht auf die Ein-holung von Saldenbestätigungen als Berufspflichtverletzung,gleichwohl habe die Beklagte aber alternative Prüfungs-handlungen von sehr hohem Umfang entfaltet. Von einemleichtfertigen Verhalten der Beklagten kann daher nicht dieRede sein. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nachden Feststellungen des Sachverständigen eine vorsätzlicheoder besonders grobe Pflichtverletzung nicht belegt. DerSachverständige hat dargestellt, dass die Erforderlichkeit derEinholung von Saldenbestätigungen von mehreren Wertun-gen abhängig ist und der Prüfer eine Ermessensentscheidungzu treffen hat, ob er Saldenbestätigungen einholt oder einealternative Prüfungsmethode anwendet.

Danach besteht kein Anhaltspunkt für eine vorsätzlichePflichtverletzung. Allein aus dem festgestellten Umstand,dass eine Ermessensentscheidung fehlerhaft getroffen wor-den ist, kann nicht ohne weiteres eine bewusste Pflichtver-letzung abgeleitet werden. Für die Wertung der Klägerin, derBeklagten sei ihre Pflichtverletzung bekannt gewesen, gibt esdaher keine ausreichende Grundlage. Gerade bei Ermessens-entscheidungen sind fahrlässige Fehler häufig.

Der Sachverständige hat des Weiteren dargelegt, dass dievon der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung, keineSaldenbestätigungen einzuholen, zwar fehlerhaft war, je-doch aus seiner sachverständigen Sicht als Wirtschaftsprüfernicht als besondere schwere Pflichtverletzung zu werten ist,auch seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass sichdie Beklagte leichtfertig über erkannte Bedenken hinweg-gesetzt hätte. Diese Wertung erachtet der Senat als zutref-fend, insbesondere die Entfaltung einer umfangreichen,alternativen Prüfung spricht gegen eine Leichtfertigkeit derBeklagten. An dieser Bewertung ändert nichts, dass die alter-native Prüfung nach den Feststellungen des Sachverständi-gen selbst Mängel aufwies.

Wenn der Sachverständige feststellt, dass die alternativePrüfung der Beklagten durch Zahlungsausgleichsprüfung (beibezahlten Rechnungen) und durch stichprobenartige Ein-sichtnahme in Auftragsbestätigungen und Stundenzettel (beinicht bezahlten Rechnungen) Schwächen aufgewiesen habe,weil Zahlungsausgleiche keinen vollständigen Nachweis derBerechtigung einer Forderung erbringen würden und sich dieStichproben nur auf Eigenbelege bezogen hätten, so gehtes im Kern abermals um die Frage, ob der Verzicht auf Sal-denbestätigungen der Kunden oder andere Fremdbelegeangemessen war. So resümiert der Sachverständige, dass dievon alternativen Prüfungshandlungen geforderte Prüfungs-sicherheit nicht erreicht wurde.

So hat der Sachverständige auch in seiner Anhörung noch-mals klargestellt, dass durch die alternative Prüfung der Be-klagten nicht sicher habe festgestellt werden können, ob For-derungen tatsächlich bestehen. Gerade deshalb hätte die Klä-gerin Saldenbestätigungen einholen müssen, es belegt abernicht eine pflichtwidrige oder besonders schwere Pflichtver-letzung, dass die (aufwändige) alternative Prüfung der Beklag-ten letztlich zu unzutreffenden Ergebnissen führte, weil dieZahlungsausgleiche und andere Unterlagen fingiert waren.

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Eine Täuschung über den Prüfungsumfang ist nicht erkennbar.Der Sachverständige L. hat ausgeführt, dass die Klägerinnicht davon habe ausgehen können, dass Saldenbestätigun-gen eingeholt worden seien. Dies hat er im Rahmen seinerAnhörung nochmals bekräftigt. Er hat ausgeführt, dass einentsprechender Hinweis in dem Prüfungsbericht zwar sinn-voll gewesen wäre, gleichwohl aber ein Leser des Prüfungs-berichts auch nicht davon hätte ausgehen können, dassSaldenbestätigungen eingeholt worden seien. Die Argumen-tation ist auch nicht „logisch unzulänglich“. Richtig ist zwar,dass eine nicht bestehende Forderung nicht werthaltig ist.Gleichwohl sind Verität und Bonität einer Forderung zu ent-scheiden, wie der Sachverständige in der Anhörung aus-geführt hat.

Danach ist es möglich, unabhängig von dem Bestehen einerForderung die Werthaltigkeit zu untersuchen, zum Beispielindem die Zahlungsfähigkeit des Schuldners der Forderungbewertet wird. Dementsprechend kann der Schwerpunkteiner Prüfung getrennt auf das Bestehen von Forderungenoder deren Werthaltigkeit gelegt werden. Eine Prüfung derWerthaltigkeit von Forderungen umfasst daher nicht stetseine Prüfung ihres Bestehens. Eine bewusste Täuschungdurch die Beklagte lässt sich danach nicht feststellen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass aus dem Prüfberichtersichtlich war, dass Saldenbestätigungen nicht eingeholtworden sind.

Eine Täuschung kann auch nicht darin erkannt werden, dassin dem Prüfungsbericht ein „IKS“ (internes Kontrollsystem)erwähnt wird. Der Sachverständige hat erklärt, dass es sichbei der von der Klägerin angesprochenen Passage des Prü-fungsberichtes um eine standardisierte Formulierung handelt,eine Bewertung der Qualität des internen Kontrollsystemsaber nicht erfolgt sei und so ein Leser des Prüfungsberichtshieraus keine Schlüsse habe ziehen können.

Schließlich ist auch eine bewusste oder besonders grobePflichtverletzung wegen des Unterlassens der Aufklärung derBilanzierung eines Forderungsausfalls bzw. einer Einzelwert-berichtigung nicht belegt. Vorab ist klarzustellen, dass dervon der Klägerin behauptete „Forderungsausfall“ in Höhevon 1.764.000,00 EUR nicht den streitgegenständlichenJahresabschluss zum 31.12.2004 betrifft. Zu den ausgebuch-ten Forderungen hat der Sachverständige L. festgestellt, dassdie Ausbuchung Anlass gegeben habe, die gebuchten Forde-rungen bezüglich ihrer Werthaltigkeit zu hinterfragen. Demsei die Beklagte durch ausgeweitete Prüfungshandlungenim Bereich der Prüfung des Forderungsbestandes und derUmsatzrealisierung begegnet. Offenkundige Anzeichen fürUnrichtigkeiten oder Manipulationen seien nicht erkennbargewesen und es könne – wenn überhaupt – eine leichtePflichtverletzung deshalb vorliegen, weil ein weiterer Wert-berichtigungsbedarf nicht geprüft worden sei.

Auch in der Gesamtschau ist danach festzustellen, dass diePrüfungstätigkeit der Beklagten zwar fehlerhaft war, dieFehler jedoch nicht die (hohe) Schwelle überschreiten, dieVoraussetzung einer Haftung gemäß § 826 BGB ist. (...) •

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Anwaltshaftung• Darlegungslast(OLG Koblenz, Beschl. v. 25.11.2014 – 5 U 904/14)

Leitsätze:1. Lastet der Mandant seinem Rechtsanwalt an, ineinem Vorprozess mit Klage und Widerklage pflichtwid-rig zu einem Abfindungsvergleich geraten zu haben,nach dem keinerlei wechselseitige Ansprüche bestehen,muss im Haftpflichtprozess auch dargelegt werden, wiedas Gericht im Ausgangsverfahren über die gegen denMandant gerichteten Ansprüche des dortigen Prozess-gegners streitig entschieden hätte.

2. Konkreter Sachvortrag zu den materiellrechtlichenVoraussetzungen des Vergütungsanspruchs einesAußendienstmitarbeiters kann auch im Regressprozessnicht durch Vorlage von Rechnungen ersetzt werden,deren Tatsachengrundlagen streitig sind. Auch eineSchadenschätzung nach § 287 ZPO ist in einem der-artigen Fall nicht möglich. •

Zum Sachverhalt:1. Der Kläger nimmt vier in einer Sozietät verbundeneRechtsanwälte auf Zahlung von 29.254,20 EUR Schaden-ersatz nebst Zinsen sowie Erstattung vorgerichtlicherAnwaltskosten von 1.358,86 EUR in Anspruch. Er wirft ihnenvor, den Anwaltsvertrag zu seiner gerichtlichen Vertretungin dem Rechtsstreit 7 Ca 3908/11 ArbG Koblenz dadurchschlecht erfüllt zu haben, dass sie ihm nicht von einem dortam 13.12.2012 geschlossenen Vergleich abrieten. Dem liegtim Einzelnen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Klägerin in jenem Rechtsstreit war ein bundesweit tätigesUnternehmen, das sich mit der Erstellung von Heiz- undNebenkostenabrechnungen befasst (künftig: Arbeitgeberin).Beklagter und Widerkläger war der Kläger des hiesigenRechtsstreits.

Er hatte sich 2001 vertraglich verpflichtet, für seine Arbeit-geberin firmenspezifische Arbeiten durchzuführen.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses 2008 verlangtedie Arbeitgeberin zunächst diverse Gegenstände zurück, diesie dem Beklagten zur Durchführung der Arbeiten überlassenhatte. In dem Anfang 2010 eingeleiteten Rechtsstreit 7 Ca3908/11 ArbG Koblenz begehrte sie dann Schadenersatzvon 11.406,58 EUR nebst Zinsen wegen Nichterfüllung derRückgabepflicht.

Der Kläger behauptete erhebliche Gegenforderungen.

Die Arbeitgeberin replizierte, sie bestreite sämtliche vomKläger nicht ansatzweise substanziierten Gegenforderungennach Grund und Höhe. Soweit die behaupteten Ansprüchebis Ende 2007 entstanden seien, greife zudem die von ihrerhobene Verjährungseinrede.

Für den Kläger bestellten sich die im vorliegenden Rechts-streit beklagten Anwälte als Prozessvertreter und baten umKlageabweisung. Am 28. Februar 2012 erhoben sie für denKläger Widerklage auf Zahlung von 29,254,20 EUR.

Das ArbG wies mehrfach darauf hin, dass es die Gegen-ansprüche des Klägers als nicht hinreichend substanziiertansehe.

In der mündlichen Verhandlung am 13.12.2012 verhandel-ten die Parteien zunächst streitig. Mit Blick auf die Verjäh-rungseinrede behauptete Rechtsanwalt A., der gemeinsammit dem Kläger zur Sitzung erschienen war, ein Mitarbeiterder Arbeitgeberin, Herr M. L., habe auf die Verjährungs-einrede verzichtet.

Sodann schlossen die Parteien des Arbeitsrechtsstreits einenVergleich, wonach wechselseitig keinerlei Ansprüche mehrbestehen. Der anwesende Kläger akzeptierte diese Verein-barung.

Im vorliegenden Rechtsstreit lastet er den Beklagten an, ihnim Arbeitsgerichtsprozess schlecht beraten und vertreten zuhaben. Ohne den von Rechtsanwalt A. nachdrücklich be-fürworteten Vergleich hätte er die Widerklageforderungumfassend durchsetzen und bei der Arbeitgeberin realisierenkönnen. Den insoweit entstandenen Schaden müssten dieBeklagten wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertragesersetzen.

Die Beklagten haben erwidert, im Vorprozess habe der Klä-ger sie nur unzureichend mit Informationen versorgt. Nurdaran sei die vom ArbG zu Recht vermisste Substanziierungder Widerklageforderung gescheitert. Auch fehle es amSchaden, weil die Arbeitgeberin des Klägers im Vorprozessohne den Vergleich mit ihrer Klage umfassend Erfolg gehabthätte. Der erstmals in der mündlichen Verhandlung des ArbGam 13.12.2012 erhobenen Verjährungseinrede hätten sievorher nicht durch verjährungsunterbrechende Maßnahmenbegegnen können.

2. Das LG, auf dessen Entscheidung zur weiteren Darstellungdes erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genom-men wird, hat die Klage abgewiesen. Ein Schadenersatz-anspruch wegen Schlechterfüllung des Geschäftsbesor-gungsvertrages (§§ 675, 276, 280 BGB) stehe dem Klägernicht zu. Die Mängel des Sachvortrags im Arbeitsgerichts-prozess seien dem Kläger selbst anzulasten, der seine dama-ligen Bevollmächtigten nur unzulänglich informiert habe.

3. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Erwiederholt, vertieft und ergänzt sein erstinstanzliches Vor-bringen nach Maßgabe der Berufungsbegründung vom1.10.2014, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.

Die Beklagten verteidigen die Entscheidung des LG. Insoweitnimmt der Senat auf die Berufungserwiderung vom13.11.2014 und den Schriftsatz vom 17.11.2014 Bezug. •

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zahlen) weiterhin zu akzeptieren, jedoch den ungünstigenTeil isoliert zu bekämpfen, indem man nur ihn zum Gegen-stand einer Haftungsklage gegen den Rechtsanwalt macht,der den Vergleich empfohlen hat.

b. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass bei umfassenderBerechtigung der Forderung der Arbeitgeberin und der danndurchgreifenden Hilfsaufrechnung des Klägers noch ein (be-haupteter) Restanspruch von 17.847,62 EUR verblieben wäre.

Insoweit ist jedoch – wie im Ausgangsrechtsstreit – zu be-rücksichtigen, dass der Kläger sich im vorliegenden Verfah-ren zur Darlegung des behaupteten Anspruchs gegen seineArbeitgeberin und damit auch der Regressforderung gegendie Beklagten auf das Anlagenkonvolut 2 und später auf einZahlenwerk stützt, bei dem es sich durchweg um eine Auf-listung angeblich offener Rechnungen handelt, die bestimm-ten Liegenschaften zugeordnet sind.

Vor dem Hintergrund des zulässigen Bestreitens der Arbeit-geberin im Erstprozess sind diese Auflistungen nicht geeignet,einen Entgeltanspruch des Klägers darzulegen oder gar zubeweisen. Dazu hätte vielmehr vorgetragen und unter Beweisgestellt werden müssen, welche konkreten Arbeiten in jedemEinzelfall durchgeführt worden sein sollen.

Die Berufung sieht das anders und meint, im Vorprozess seidie Arbeitgeberin darlegungs- und beweispflichtig gewesen.Das ist nicht richtig. Die Darlegungs- und Beweislast für diebehaupteten Arbeitsleistungen lag beim Kläger als Anspruch-steller. Vor diesem Hintergrund hätte auch der von der Be-rufung vermisste Hinweis der Beklagten an das ArbG, dieBeweislast liege bei der Arbeitgeberin, nichts bewirkt.

Die weitere Behauptung der Berufung, die jeweiligenArbeitsleistungen des Klägers seien im Vorprozess von derArbeitgeberin nicht bestritten worden und daher auch nichtbeweisbedürftig gewesen, trifft nicht zu.

Die Mängel des Klägervortrags sind im vorliegenden Regress-prozess mit der Klageerwiderung vom 28.1.2014 gerügt,aber auch hiernach nicht behoben worden.

Wegen des umfassenden Bestreitens der Arbeitgeberin wares unerlässlich, die jeweiligen Kunden als Zeugen oder an-dere geeignete Beweismittel für die behaupteten Arbeits-leistungen zu benennen. An alledem fehlte es, weshalb auchnach Auffassung des Senats die Widerklage im Arbeits-gerichtsprozess scheitern musste.

Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass diese Lücken undUnzulänglichkeiten im Widerklagevortrag nicht gleichwohlden Beklagten anzulasten sind.

Das kann der Senat aber deshalb ausschließen, weil die dar-gestellten Mängel im Sachvortrag und die fehlenden Beweis-angebote auch den vorliegenden Regressprozess kennzeich-nen, in dem der Anspruchsteller behauptet, seine jetzigenBevollmächtigten umfassend und sachgemäß informiert zuhaben.

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Aus den Gründen:4. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. Das LG hatdie Klage mit zutreffenden Erwägungen zu Recht abgewie-sen. Der Senat nimmt statt Wiederholung auf die Gründedes angefochtenen Urteils Bezug. Ergänzend ist zu bemer-ken:

a. Der Senat hält die vorliegende Regressklage schon deshalbfür teilweise nicht schlüssig, weil es an einer ausreichendenDarlegung des Schadenumfangs fehlt.

Im Vorprozess bestand die besondere Verfahrenssituation,dass der Kläger seinerseits mit einer Schadenersatzforderungder Arbeitgeberin konfrontiert war. Indem er die Berech-tigung dieser Forderung insgesamt bestritt und mit seinembehaupteten Zahlungsanspruch von 29.254,20 EUR einer-seits aufrechnete und ihn andererseits zum Gegenstand einerWiderklage machte, war klargestellt, dass es sich nur umeine Hilfsaufrechnung handelte, die nach eigener Einschät-zung des Klägers aber nicht zum Tragen kam, weil er dieForderung der Arbeitgeberin als umfassend unbegründetansah.

Zur Darlegung des Schadenumfangs im vorliegenden Regress-prozess war es daher erforderlich, darzulegen und in geeig-neter Form unter Beweis zu stellen, dass die Hypothese zu-trifft, wonach die Schadenersatzklage der Arbeitgeberin beistreitiger Durchführung jenes Verfahrens umfassend geschei-tert wäre. Dazu fehlt jeder Sachvortrag des Klägers, so dassnicht zu ersehen ist, was in jenem Rechtsstreit im EinzelnenGegenstand der Klage war und wie das ArbG darüber hätteentscheiden müssen.

Da der Kläger im vorliegenden Regressprozess zugesteht,„noch bei ihm gelagertes Material“ der Arbeitgeberin zu-rückbehalten zu haben, ist nach seinem eigenen Vortrag aus-geschlossen, dass das ArbG die darauf gestützte Zahlungs-klage der Arbeitgeberin als insgesamt unbegründet abgewie-sen hätte.

Es ist nicht Aufgabe des Senats, sich den entscheidungs-erheblichen Prozessstoff der Klage in jenem Rechtsstreit ausden Akten des ArbG zusammenzusuchen. Denn im Zivilprozessgilt der Beibringungsgrundsatz; das Gericht hat daher denmaßgeblichen Sachverhalt nicht von Amts wegen zu ermit-teln.

Da nach alledem die Schadenersatzklage der Arbeitgeberinim Vorprozess ganz oder teilweise Erfolg gehabt hätte, wäresie insoweit wegen der nunmehr greifenden Hilfsaufrech-nung des Klägers im Ergebnis gleichwohl gescheitert. Darauserschließt sich, dass der Schaden des Klägers gegebenenfallsnicht (mehr) den im vorliegenden Regressprozess behaupte-ten Umfang von 29.254,20 EUR haben kann.

Die Regressklage berücksichtigt das nicht und geht damitdaran vorbei, dass es nach einem Vergleich, der wechselsei-tige Forderungen umfassend erledigt, nicht statthaft ist, dengünstigen Teil der Parteivereinbarung (der Kläger mussteseiner Arbeitgeberin nicht 11.406,58 EUR Schadenersatz

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Soweit der Kläger demgegenüber in Schriftsätzen vom4.4.2014 und 28.5.2014 sowie durch Bezugnahme in derBerufungsbegründung darauf hinweist, seine Arbeiten seienunmittelbar nach ihrer Ausführung von der Arbeitgeberin niebemängelt oder gar insgesamt in Frage gestellt worden, hilftdas nicht weiter. Denn das allein maßgebliche Prozessvor-bringen der Arbeitgeberin war anders, indem sie den Sach-vortrag des Klägers insgesamt bestritt.

Der Hinweis auf die Unterlagen im Schnellhefter, der demSchriftsatz vom 4.4.2014 beigefügt war, ist ebenfalls nichtgeeignet, einen Restzahlungsanspruch gegen die Arbeitge-berin darzutun. Zum Einen ist es nicht Aufgabe des Gerichts,an Stelle des erforderlichen umfassenden und geordnetenParteivortrags seinerseits in einem Konvolut von Unterlagennach möglicherweise entscheidungserheblichem Tatsachen-stoff zu forschen. Zum Anderen ist das Erstellen von Rech-nungen mit der Behauptung, sie seien gleichermaßen be-rechtigt wie unbezahlt, nicht geeignet, die allein entgelt-pflichtigen konkreten Arbeitsleistungen darzutun, die denjeweiligen Einzelrechnungen zugrunde liegen sollen.

Ist nach alledem auch im vorliegenden Regressprozess einRestzahlungsanspruch gegen die Arbeitgeberin nicht hin-reichend dargetan, geschweige denn in geeigneter Formunter Beweis gestellt, spricht das nachdrücklich dafür, dassdas Verteidigungsvorbringen der Beklagten zutrifft, wonachder Kläger auch sie im Arbeitsgerichtsprozess nicht hinrei-chend mit anspruchsbegründenden Sachinformationen ver-sorgte. Derartiges kann nicht mit Erfolg dem Rechtsanwaltals Pflichtverletzung angelastet werden.

c. Auf die Verjährungsproblematik kommt es daneben nichtmehr entscheidend an, wenn auch vieles dafür spricht,dass die Ansprüche, die Gegenstand der Widerklage waren,(auch) zumindest teilweise verjährt waren.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Widerklage erst am28.2.2012 und damit mehr als 4 Jahre nach der Beendigungdes Arbeitsverhältnisses erhoben wurde.

Ob den Beklagten insoweit ein Versäumnis anzulasten ist,kann dahinstehen, weil die Klage aus anderen Gründen(vorstehend a. und b.) scheitert.

Nur der Vollständigkeit halber bemerkt der Senat, dass dieBehauptung der Beklagten, sie seien in der mündlichenVerhandlung des ArbG von der dort erstmals erhobenenVerjährungseinrede überrascht worden, allerdings nicht zu-trifft. Die Einrede war bereits lange vorher erhoben worden(7 Ca 3908/11 ArbG Koblenz). Die demgegenüber vonRechtsanwalt A. in der mündlichen Verhandlung des ArbGaufgestellte Behauptung, ein Mitarbeiter der Arbeitgeberinhabe auf die Verjährungseinrede verzichtet, war gleicher-maßen unsubstanziiert (wann, wo, Vertretungsbefugnis?)wie verspätet.

d. Nach Auffassung des Senats ist ein Schadenersatz-anspruch wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages nurwegen der für die Widerklage im Vorprozess angefallenen

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(anteiligen) Kosten denkbar, weil Manches dafür spricht,dass die Beklagten von der Erhebung der (unschlüssigen)Widerklage abraten mussten.

Der insoweit dem Kläger entstandene Schaden (Gerichts-und Anwaltskosten) ist aber nicht Streitgegenstand im vor-liegenden Verfahren, so dass der Senat auch darüber nichtzu entscheiden hat.

5. Der Kläger sollte erwägen, das nach alledem aussichtsloseRechtsmittel kostensparend zurückzunehmen. •

Anwaltshaftung• Treuhandkonto• Schuldverhältnis eigener Art• Ingerenz• Mitverschulden(OLG München, Urt. v. 8.10.2014 – 7 U 850/14)

Leitsatz:Ein Rechtsanwalt, der Anlagebeträge für ein auswärti-ges Unternehmen als Treuhänder annimmt und weiter-leitet, ohne das Geschäftsmodell zu hinterfragen, istunter Berücksichtigung eines Mitverschuldenanteils desAnlegers in Höhe von 50% bei Verlust des Einzahlungs-betrags zu einer entsprechenden Rückzahlung ver-pflichtet. •

Zum Sachverhalt:Die Parteien streiten um Schadenersatzansprüche im Zusam-menhang mit dem Verlust von Anlagegeldern des Klägers.

Der Kläger zeichnete mehrere finanzielle Anlagen bei der inder Schweiz ansässigen P.A. M. GmbH (im folgenden: P.A.).Die Einzahlung der Anlagebeträge sollte über ein Konto desbeklagten Rechtsanwalts erfolgen. Dabei hatte der G. (imfolgenden: G.), ein alter Mandant des Beklagten, mit diesemvereinbart, dass er sein Konto hierfür zur Verfügung stellt.Der Kläger zahlte unter anderem die streitgegenständlichen21.000 EUR auf dieses Konto ein. Der Betrag wurde vomBeklagten an die P.A. weitergeleitet. Diese ist mittlerweileinsolvent und der Anlagebetrag für den Kläger verloren.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an denKläger 21.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunk-ten über den jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem9.8.2011 zu zahlen. Der Beklagte hat Klagabweisung bean-tragt. Das LG hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger10.500 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunktenüber dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 18.7.2013 zubezahlen, und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf Tat-bestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteilswird Bezug genommen.

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Page 24: GI aktuell - HDI DE · v. 8.12.2010 –IVZR2 11/07, VersR 2011, 203 unter II 1b;v.2 4.1.2007–IVZ R2 08/03, VersR2 007,6 41 unter II 1). Danachb esteht die vom Kläger verletzte

reell sein konnte, zumal eine jährliche Rendite von 36 Pro-zent versprochen wurde. In diesem Fall hätte er die An-nahme und Weiterleitung der Anlagegelder ablehnen müs-sen, so dass dem Kläger kein Schaden entstanden wäre.

II. Dem Kläger fällt jedoch ein erhebliches Mitverschuldenim Sinne von § 254 BGB zur Last. Auch ihm hätte sich – wiedem Beklagten – aufdrängen müssen, dass das Anlage-modell nicht reell sein konnte. Auf die insoweit zutreffendenAusführungen des LG, gegen die substanzhaltige Einwen-dungen nicht erhoben werden, wird Bezug genommen.Auch ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass dasLG dieses Mitverschulden mit 50 Prozent bemessen hat.

III. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das LG nur Rechts-hängigkeitszinsen zuerkannt hat. Ein früherer Verzugseintrittist nicht ersichtlich. Auch konnten keine Zinsen nach § 849BGB zuerkannt werden, weil sich ein Anspruch aus uner-laubter Handlung dem Klagevortrag nicht mit hinreichenderDeutlichkeit entnehmen lässt. (...) •

Pflichtverletzung des Finanzamts• Schadenersatz• Kosten des Steuerberaters• „Waffengleichheit“• Unberechtigter Vorauszahlungsbescheid(OLG Celle, Urt. v. 23.8.2012 – 16 U 8/12)

Leitsätze:1. Grundsätzlich gilt, dass ein Steuerpflichtiger es für er-forderlich halten darf, sich unter dem Gesichtspunkt derWaffengleichheit gegen Maßnahmen der Steuerbehördeals einer mit vielfältigen Vollstreckungsbefugnissen aus-gestatteten Fachbehörde mit Hilfe eines fachlich vorge-bildeten Steuerberaters zu bedienen (Anschluss OLGBrandenburg, Urt. v. 23.2.2006 – 2 U 1/05, GI 2006,82).

2. Dem Steuerpflichtigen steht deshalb grundsätzlichein Schadenersatzanspruch zu für Steuerberaterkosten,die er für einen Einspruch gegen einen später aufgeho-benen Vorauszahlungsbescheid aufgewendet hat. •

Aus den Gründen:I. Der Kläger verlangt von dem beklagten Land Schaden-ersatz in Höhe von 250.705,39 EUR für Steuerberaterkosten,die er für den Einspruch gegen einen später aufgehobenenVorauszahlungsbescheid aufgewendet hat.

Am 1.9.2008 teilten die Steuerberater des Klägers demFinanzamt des beklagten Landes auf Anfrage Veräuße-rungserlöse aus Aktien vom 1.2.2008 in Höhe von139.100.490,00 EUR mit. Das Finanzamt erließ daraufhinam 20.10.2008 einen Vorauszahlungsbescheid für 2009über insgesamt 30.772.489,00 EUR. Die für den Kläger

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Mit seiner zulässigen, insbesondere form- und fristgerechteingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Klägersein ursprüngliches Begehren weiter, soweit ihm nicht ent-sprochen wurde. Mit seiner zulässigen, insbesondere form-und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungbegehrt der Beklagte die Abweisung der Klage insgesamt. •

Aus den Gründen:Im Ergebnis zu Recht hat das LG dem klägerischen Schaden-ersatzbegehren zur Hälfte stattgegeben. Damit waren dieBerufungen beider Seiten ais unbegründet zurückzuweisen.

I. Der Beklagte haftet dem Kläger dem Grunde nach gemäߧ§ 311 Abs. 3, 280 Abs. 1 BGB.

Zwar lässt sich dieses Ergebnis nicht mit der Erwägung desLG begründen, dass der Kläger in den Schutzbereich desVertrages zwischen der P.A. bzw. dem G. und dem Beklag-ten einbezogen gewesen sei. Diese Annahme verbietet sichrechtslogisch, weil man dann aus ein und demselben Schuld-verhältnis eine Pflicht des Beklagten (gegenüber seinem Ver-tragspartner), eingehende Gelder weiterzuleiten, und gleich-zeitig die gegenläufige Pflicht (gegenüber dem Kläger), dieszu unterlassen, herleiten müsste.

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten kam jedoch eindavon unabhängiges Schuldverhältnis eigener Art gemäߧ 311 Abs. 3 BGB mit Fürsorge- und Rücksichtnahmepflich-ten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB zustande. Denn der Be-klagte nahm gegenüber dem Kläger besonderes Vertrauenfür sich in Anspruch und beförderte dadurch den Abschlussdes Klägers mit der P.A. Dies folgt schon daraus, dass er sichin seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt als „Inkassostelle“ fürdie Anlagegelder gegen Entgelt (Hebegebühren) zur Verfü-gung gestellt hat und dadurch dem Geschäftsgebahren derP.A. bzw. des G. den Anschein von Seriosität vermittelte,ohne die näheren Umstände der beabsichtigten Geschäfte zuprüfen.

Nach eigenen Angaben vor dem Senat hatte der Beklagtekeine schriftlichen Unterlagen hinsichtlich der beabsichtigtenGeschäfte, sondern nur mündliche Erläuterungen des G. zurVerfügung, dem er habe helfen wollen, in Deutschland wie-der Fuß zu fassen. – Verstärkt wurde dieses besondere Ver-trauen noch dadurch, dass der Beklagte in den Werbeunter-lagen, als Treuhänder bezeichnet wird. Zwar mag der Be-klagte sie nicht gekannt haben; er muss sie sich aber nachden Grundsätzen der Ingerenz zurechnen lassen, nachdemer ungeprüft seinen guten Namen und sein Renommee alsRechtsanwalt zur Verfügung gestellt hat.

Aus diesem Schuldverhältnis wäre der Beklagte verpflichtetgewesen, das Geschäftsmodell der P.A. bzw. des G. zu hin-terfragen, zumal ihm die einschlägige kriminelle Vergangen-heit des G. bekannt war. Hätte er dies getan – etwa durchNachfrage beim Kläger, mit dem ihn wie dargestellt einSchuldverhältnis verband – und dadurch Kenntnis von denniederlegten Anpreisungen erlangt, hätte es sich ihm alsgeschäftserfahrenem Rechtsanwalt aufgedrängt oder zu-mindest aufdrängen müssen, dass das Anlagemodell nicht

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zweckmäßigerweise vom Steuerpflichtigen zu stellen, derdie tatsächlichen oder rechtlichen Angaben machen könne.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger unter Wiederholungund Vertiefung seines Vorbringens. Er rügt die Entscheidungdes LG als überraschend. Im Termin zur mündlichen Ver-handlung seien andere Punkte erörtert worden als im Urteilzugrunde gelegt. Die Anfrage des Finanzamtes vom23.7.2009 und die Antwort der Steuerberater des Klägersbezogen sich lediglich auf die Vorauszahlung für das Jahr2008. Eine Amtsaufklärung nach § 88 AO oder Anhörungnach § 91 AO hinsichtlich einer Vorauszahlung für das Jahr2009 seien damit nicht verbunden gewesen. Die Tatbe-standsvoraussetzungen des § 37 Abs. 3 EStG haben nichtvorgelegen. Daher sei das Finanzamt schon gar nicht berech-tigt gewesen, eine Heraufsetzung der Vorauszahlungen fürdas Jahr 2009 vorzunehmen.

Der Grund für die Heraufsetzung sei nicht – wie das LG aus-geführt hat – nachträglich entfallen, er habe von vornehereinnicht bestanden. Die Regelung des § 839 Abs. 3 BGB habedas LG nicht heranziehen dürfen. Der Primärschaden desKlägers habe nämlich aufgrund des rechtswidrigen Voraus-zahlungsbescheides in der Belastung mit einer Verbindlichkeitin Höhe von ca. 32 Millionen Euro bestanden. Zur Abwen-dung habe er das in dem Bescheid genannte und erfolgver-sprechende Rechtsmittel, nämlich den Einspruch eingelegt.Damit habe er der Verpflichtung nach § 839 Abs. 3 BGBgenügt. Klaggegenständlich seien nunmehr die zur Abwehrdes Schadens entstandenen Kosten.

In der Unterlassung eines Herabsetzungsantrages liege auchkein Mitverschulden des Klägers nach § 254 BGB. Der Ein-spruch sei alternativlos gewesen, weil nur er die Möglichkeitbot, einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen.Bei einem bloßen Änderungsantrag wäre der Vorauszah-lungsbescheid wirksam geblieben und rechtskräftig gewor-den. Die Einspruchsfrist betrage nur einen Monat. Innerhalbdieses Zeitraumes wäre keine positive Entscheidung desFinanzamtes über einen Antrag auf Herabsetzung erfolgt,wie bereits aus dem Zeitraum ersichtlich wird, der zwischenEinspruchsbegründung am 12.1.2009 und Abhilfebescheidam 13.3.2009 vergangen sei.

Im Übrigen habe der Kläger das beklagte Land zeitnah nachVeräußerung der letzten Anteile am 4.11.2008 darüber in-formiert, dass er für das Jahr 2009 keine weiteren Veräuße-rungen mehr plane. Seine Steuerberater haben den Entwurfeines Einspruchs an diesem Tag an das Finanzministeriumgesandt. In einem Vermerk habe der Ministerialrat denAntrag des Klägers unter Berücksichtigung der Einspruchs-begründung als offensichtlich unbegründet bezeichnet.

(Anträge: ...)

II. Die Berufung ist nur hinsichtlich eines Schadenersatz-anspruchs in Höhe von 60.450,33 EUR erfolgreich. Im Übri-gen ist sie wegen Verletzung der Schadenminderungspflichtunbegründet.

tätige Steuerberatergesellschaft E. verfasste daraufhin am4.11.2008 den Entwurf eines Einspruchsschreibens und legteam 21.11.2008 fristwahrend Einspruch zunächst ohne Be-gründung ein. Am 12.1.2009 begründete die P. Steuerbera-tungsgesellschaft den Einspruch und wies darauf hin, dasssie diese Angelegenheit bearbeiten würde. Auf den Einspruch,in dem der Steuerberater mitteilte, dass für das Jahr 2009keine weiteren Aktienverkäufe geplant seien, änderte dasFinanzamt den Vorauszahlungsbescheid am 13.3.2009 aufNull Euro.

Für die Tätigkeit im Einspruchsverfahren gegen den Voraus-zahlungsbescheid für 2009 rechnete die P. Steuerberatungs-gesellschaft gegenüber dem Kläger am 12.10.2009 gemäߧ 40 Abs. 1 StBGebV eine 13/10-Gebühr in Höhe von122.259,80 EUR zzgl. Umsatzsteuer ab. Mit weiterer Rech-nung vom 1.3.2011 rechnete sie zusätzlich eine Erledigungs-gebühr nach § 40 Abs. 8 StBGebV in Höhe von 94.046 EURzzgl. Umsatzsteuer ab. Das beklagte Land zahlte – ohne An-erkennung einer Rechtspflicht – eine 1/10-Gebühr in Höhevon 6.698,51 EUR an den Kläger.

Der Kläger ist der Auffassung, der Vorauszahlungsbescheidvom 20.10.2008 sei rechtwidrig, weil das Finanzamt ihnunter Verstoß gegen die Festsetzungsvorschriften des § 37Abs. 3 EStG erlassen habe sowie unter Verletzung des Amts-ermittlungsgrundsatzes nach § 88 AO und des rechtlichenGehörs des Klägers nach § 91 AO. Der Kläger habe sichunter Beauftragung seines Steuerberaters mit dem Rechts-mittel des Einspruchs gegen den Bescheid wehren dürfen.

Ein Mitverschulden sei ihm nicht anzulasten, weil ein Herab-setzungsantrag nicht erfolgversprechend gewesen sei. Um-fang und Bedeutung der Angelegenheit seien überdurch-schnittlich, daher sei die Abrechnung einer 13/10-Gebührjedenfalls angemessen. Es sei auch eine Erledigungsgebührnach § 40 Abs. 8 StBGebV entstanden. Über die Begrün-dung des Einspruchs hinaus habe der Steuerberater mehrereGespräche mit Beamten des Finanzamtes geführt.

Wegen des weiteren Sachverhalts nimmt der Senat gem.§ 540 ZPO Bezug auf das angefochtene Urteil. Das LG hatdie Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eskönne dahingestellt bleiben, ob die Festsetzung der Voraus-zahlungen für 2009 auf der Verletzung von Amtspflichtenberuhe. Eine Ersatzpflicht aus Amtshaftung scheide nach§ 839 Abs. 3 BGB schon deshalb aus, weil der Kläger bzw.seine Steuerberater es fahrlässig unterlassen haben, recht-zeitig einen Anpassungsantrag zu stellen. Zum Zeitpunkt desErlasses des Vorauszahlungsbescheides sei für das Finanzamtnicht ersichtlich gewesen, dass im Jahr 2009 keine Aktien-verkäufe mehr haben stattfinden sollen.

Aus der Mitteilung des Steuerberaters vom 26.11.2008 folgevielmehr, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch im Besitzerheblicher Anteile gewesen sei. Nachdem er nach Erlass desVorauszahlungsbescheides für 2009 die restlichen Aktiennoch im Jahre 2008 verkauft habe, habe ein Fall vorgelegen,in dem typischer- und üblicherweise eine Anpassung derVorauszahlung vorzunehmen sei. Der Anpassungsantrag sei

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1. Es liegt weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs desKlägers noch eine Überraschungsentscheidung des LG vor.Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom18.10.2011, insbesondere Seite 2, Abs. 2 und 3 des Proto-kolls, sind die Argumente angesprochen worden, die derUrteilsbegründung im Wesentlichen zugrunde liegen.

2. Dem Kläger steht dem Grunde nach ein Schadenersatz-anspruch in Folge einer Amtspflichtverletzung nach § 839BGB i.V.m. Art. 34 GG gegen das beklagte Land zu.

a) Mit dem Erlass des Vorauszahlungsbescheides für 2009vom 20.10.2008 hat das beklagte Land eine Amtspflicht-verletzung begangen. Der Bescheid war unstreitig fehlerhaftund wurde im Rahmen der Abhilfe mit Bescheid vom13.3.2009 auf eine Vorauszahlung von Null Euro korrigiert.Der Erlass des fehlerhaften Bescheides stellt vorliegend eineschuldhafte Verletzung der Pflicht zur fehlerfreien Festset-zung von Steuerbescheiden dar.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Finanzamt grund-sätzlich nach § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG zum Erlass einesVorauszahlungsbescheids für 2009 berechtigt war, weil esaufgrund der Mitteilung der Steuerberater des KlägersKenntnis von Einkünften aus Anteilsveräußerungen erhielt.Jedenfalls durfte das Finanzamt zu diesem Zeitpunkt nichtohne weiteres davon ausgehen, dass weitere Anteilsverkäufein ähnlicher Höhe im Jahr 2009 anfallen würden und eineentsprechende Vorauszahlung festzusetzen war.

Damit haben die Beamten des Finanzamtes gegen den Unter-suchungsgrundsatz nach § 88 AO und die Pflicht zur AnhörungBeteiligter nach § 91 AO verstoßen. Beide Bestimmungenlegen der Finanzbehörde Amtspflichten im Interesse desSteuerpflichtigen auf, bei deren Verletzung diesem An-sprüche nach § 839 BGB zustehen (OLG München v.28.9.1995 – 1 U 2954/95, juris, Rdnr. 13; OLG Brandenburgv. 23.3.2009, juris, Rdnr. 15).

Von der Pflicht zur Ermittlung des Sachverhaltes und Anhö-rung der Beteiligten war das Finanzamt vorliegend nichtaufgrund der Auskunft der Steuerberater des Klägers vom1.9.2008 entbunden, denn diese Mitteilung betraf aus-schließlich Veräußerungserlöse im Jahr 2008 und enthieltkeine Angaben dazu, wann und in welcher Höhe weitereVeräußerungen geplant waren. Zwar musste den Beamtendes Finanzamtes am 20.10.2008 nicht bewusst sein, dassnoch im Jahr 2008 alle Anteile veräußert werden würden.Tatsächlich war zu diesem Zeitpunkt ein erheblicher Anteilnoch nicht veräußert. Es lagen jedoch ebenfalls keineAnhaltspunkte dafür vor, dass ein Veräußerungserlös in ähn-licher Höhe sich im Jahr 2009 wiederholen würde. Dass einsolcher im Jahr 2008 angefallen war, genügt angesichts derUmstände nicht.

Der Kläger beabsichtigte, wie den Beamten des Finanzamtesaus der Medienberichterstattung bekannt gewesen seindürfte, seine gesamten Anteile zu veräußern. In den zuvorergangenen Bescheiden hatte das Finanzamt keine Einkünftein dieser Höhe zugrunde gelegt. Dieser Umstand gebietet

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eher die Vermutung, dass ein solcher Erlös sich zumindestder Höhe nach nicht wiederholen würde. Auch der der Be-richterstattung entnommene Hinweis, die Veräußerung habein mehreren Tranchen erfolgen sollen, ändert daran nichts.

Die Beamten des Finanzamtes konnten nicht wissen, in wel-cher Höhe der Kläger am 20.10.2008 noch Aktien hielt undwann deren Veräußerung beabsichtigt war. Vor diesemHintergrund bestand gem. §§ 88, 91 AO die Pflicht, beimKläger nachzufragen, wenn der Erlass des Vorauszahlungs-bescheids für 2009 beabsichtigt war, wie es das Finanzamtin dieser Form auch bezogen auf das Jahr 2008 mit Schrei-ben vom 23.7.2008 getan hat.

Vorliegend ist auch nicht ersichtlich, dass Pflichten desFinanzamtes nach §§ 88 und 91 AO aufgrund der Umständeoder weil es sich lediglich um einen Vorauszahlungsbescheidhandelte, entfallen sind. Zwar sind die Finanzbehörden nach§ 88 AO nicht verpflichtet, den Sachverhalt auf alle möglichenFallgestaltungen zu erforschen (OLG Karlsruhe v. 7.12.2006 –12 U 122/06, juris, Rdnr. 24).

Diese Feststellung rechtfertigt sich daraus, dass eine solcheumfassende Sachverhaltsaufklärung im Massengeschäft derSteuerfestsetzung nicht praktikabel ist. Für den Regelfallkann die Finanzbehörde davon ausgehen, dass die Angabendes Steuerpflichtigen in der Steuererklärung richtig und voll-ständig sind, weil der Steuerpflichtige zur Mitwirkung nach§ 90 Abs. 1 AO verpflichtet ist. Das ist auf den hier zu beur-teilenden Sachverhalt nicht ohne Weiteres übertragbar.

Bei dem vorliegenden Festsetzungsbescheid handelt es sichschon aufgrund der Höhe der Vorauszahlungen nicht um einenFall aus dem Massengeschäft. Hinzu kommt, dass tatsächlichnoch keine Angaben des Klägers zu seinen Einkünften imJahr 2009 vorlagen oder vom Finanzamt erfragt waren.Angesichts der Höhe der beabsichtigten Festsetzung hätteeine Nachfrage/Anhörung erfolgen müssen.

b) Ein vollständiger Ausschluss des Anspruchs des Klägersnach § 839 Abs. 3 BGB bzw. § 254 BGB wegen Unterlassenseines zeitnahen Herabsetzungsantrages kommt nicht inBetracht.

Der Kläger war berechtigt, sich unter Zuhilfenahme einesSteuerberaters mit dem Rechtsmittel des Einspruchs gegenden rechtwidrigen Vorauszahlungsbescheid zur Wehr zusetzen. Dem Steuerpflichtigen ist grundsätzlich kein Vorwurfzu machen, wenn er den gesetzlich vorgesehenen Weg derBeanstandung des Bescheids durch Einspruch statt einesBerichtigungsantrages wählt (OLG Celle v. 19.2.2002 – 16 U185/01, juris, Rdnr. 11; OLG Brandenburg v. 23.2.2006 –2 U 1/05, juris, Rdnr. 18; OLG Düsseldorf v. 10.11.2010 – 18U 56/10, juris, Rdnr. 22 f, 24 f).

Der Einspruch bietet dem Steuerpflichtigen die größtmöglicheRechtssicherheit und zudem den Vorteil, dass der Einspruchanders als ein bloßer Änderungsantrag mit einem Antrag aufAussetzung der Vollziehung verbunden werden kann (OLGDüsseldorf v. 10.11.2010 – 18 U 56/10, juris, Rdnr. 25

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m.w.N.). Vorliegend dürfte der Vorauszahlungsbescheid sichzwar angesichts der Vermögensverhältnisse des Klägers nichtexistenzbedrohend ausgewirkt haben, dennoch handelt essich um erhebliche Summen.

Hinzu kommt, dass vorliegend bereits zweifelhaft ist, ob einformloser Herabsetzungsantrag vor Ablauf der Einspruchsfristvom Finanzamt bearbeitet worden wäre und zu einer Herab-setzung der Vorauszahlungen geführt hätte. Ein solcherAntrag hätte frühestens Anfang November 2008 gestelltwerden können, nachdem die restlichen Anteile veräußertwaren. Bis zum Ablauf der Einspruchsfrist wären dann nochknapp drei Wochen verblieben. Angesichts des Umstandes,dass der Zeitraum von der tatsächlichen Begründung desEinspruchs gegenüber dem Finanzamt am 12.1.2009 bis zurAusfertigung des Abhilfebescheides am 13.3.2009 überzwei Monate betrug, ist eine Bearbeitung und Fertigung desBescheids binnen drei Wochen unwahrscheinlich.

Zumindest genügt angesichts dieser Zeitspanne der pauschaleVortrag des beklagten Landes, über einen Herabsetzungs-antrag wäre bis zum 21.11.2008 entschieden worden, nicht.Der Einspruch hätte dann auf jeden Fall eingelegt werdenmüssen, um den Vorauszahlungsbescheid für 2009 nichtbestandskräftig werden zu lassen und sich bei eventuellentstehenden Schäden nicht einem späteren Vorwurf, denGebrauch des richtigen Rechtsmittels nach § 839 Abs. 3 BGBunterlassen zu haben, auszusetzen.

Der Kläger durfte sich auch eines Steuerberaters bedienen.Grundsätzlich gilt, dass ein Steuerpflichtiger es für erforder-lich halten darf, sich unter dem Gesichtspunkt der Waffen-gleichheit gegen Maßnahmen der Steuerbehörde als einer mitvielfältigen Vollstreckungsbefugnissen ausgestatteten Fach-behörde der Hilfe eines fachlich vorgebildeten Steuerberaterszu bedienen (OLG Brandenburg v. 23.2.2006 – 2 U 1/05,juris, Rdnr. 17).

In besonders gelagerten Einzelfällen mag es sein, dass es derSteuerberater ausnahmsweise aufgrund der Gesamtumstän-de nicht ohne weiteres für erforderlich halten durfte, selbstim Einspruchsverfahren tätig zu werden, weil ein offensicht-licher Irrtum aufgrund einer Falscheingabe zu einer nichtnachvollziehbaren Höhe des Steuerbetrages geführt hatteund dies mit einer Bezugnahme auf die Steuererklärung imEinspruchsschreiben erledigt werden konnte.

Eine derartige Ausnahmesituation liegt nicht vor, auch wennbereits die einfache Angabe, dass Anteilsveräußerungen imJahr 2009 nicht geplant seien, genügt hätte, um eine Herab-setzung auf Null Euro zu erreichen. Vorliegend geht es nichtlediglich um einen Eingabefehler des Finanzamtes, sondernzumindest auch um eine rechtliche Würdigung und Ausein-andersetzung mit der Einkommenssituation des Klägers.Danach war der Kläger hier nicht gehalten, sich lediglichberaten zu lassen und dann selbst Einspruch einzulegen.

3. Der Kläger kann Schadenersatz jedoch nicht in Höhe dermit den Rechnungen des Steuerberaters H. vom 12.10.2009und 1.3.2011 abgerechneten Beträge geltend machen.

Teilweise sind die abgerechneten Gebühren überhöht oderzu Unrecht geltend gemacht. Teilweise hat der Kläger gegenseine Schadenminderungspflicht verstoßen.

a) Eine Erledigungsgebühr nach § 40 Abs. 8 StBGebV kann derKläger nicht ersetzt verlangen. Eine solche hat der vom Klä-ger beauftragte Steuerberater nicht verdient. Voraussetzungfür das Verdienen der Erledigungsgebühr ist eine Mitwirkungdes Beraters an der Erledigung. Er soll die Gebühr nur dannerhalten, wenn er eine besondere, nicht nur unwesentlicheund gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichteteTätigkeit entfaltet hat (Charlier/Berners, PraxiskommentarStBGebV, 3. Aufl. 2011, § 40 Rdnr. 51).

Die Begründung eines Rechtsbehelfs reicht für das Entstehender Erledigungsgebühr nicht aus, auch wenn diese noch sogut ist und aufgrund dieser Begründung die beklagte Finanz-behörde einen abgeänderten Bescheid erlässt und sich damitdie Sache erledigt (Eckert, StBGebV, 4. Aufl. 2003, § 40StBGebV Rdnr. 12). Vorliegend hat ausschließlich die Angabein der Einspruchsbegründung, dass weitere Veräußerungenim Jahr 2009 nicht geplant seien, zu einer Abhilfeentschei-dung des Finanzamtes geführt. Inwieweit darüber hinaus dievon dem Kläger referierten Telefonate des Steuerberatersmit Mitarbeitern des Finanzamtes zu einer Erledigung bei-getragen haben, ist nicht ersichtlich.

Nach dem berichteten Inhalt der Telefonate haben diese,soweit sie den Vorauszahlungsbescheid 2009 betrafen, denVortrag aus der Einspruchsbegründung wiederholt und denZweck gehabt, eine möglichst zeitnahe Entscheidung derFinanzbehörde zu erreichen, weil der erste Abschlagsterminnäher rückte. Die bloße Begründung oder auch ihre Wieder-holung genügt nicht. Sie ist mit der Geschäftsgebühr nach§ 40 Abs. 1 bis 3 StBGebV abgegolten (so auch: OLGBrandenburg, Urt. v. 23.3.2009 – 1 U 28/08, juris, Rdnr. 21zu § 24 BRAGO).

Dass es aufgrund des näher rückenden Zahlungstermins ausSicht des Steuerberaters erforderlich war, auf eine Entschei-dung der Behörde zu drängen, hat nichts mit der Erledigungzu tun. Im Übrigen war dieses Erfordernis in der Sphäre desKlägers begründet und nicht dem beklagten Land anzulasten.Ausweislich des jetzt vorgelegten Entwurfs der Einspruchs-begründung vom 4.11.2008, wäre dem Kläger bereits mehrals zwei Monate früher die Einlegung des Einspruchs nebstBegründung möglich gewesen. Mehrerer Telefonate hätte esdann angesichts des zweimonatigen Zeitraumes, den dasFinanzamt bis zur Fertigung des Abhilfebescheides benötigthat, nicht bedurft.

Die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 25.10.2006(8 OA 119/06, juris, Rdnr. 3) rechtfertigt demgegenüberkeine andere Beurteilung. Welcher Sachverhalt der Entschei-dung zugrunde lag, lässt sich den Gründen nicht entneh-men. Es bleibt offen, ob in dem dort geführten Gesprächneue Argumente oder Rechtsansichten ausgetauscht odereine gewisse Vergleichsbereitschaft signalisiert wurden, dieletztlich zu einer Erledigung der Rechtssache geführt haben.

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3. Aufl. 2011, § 40 Rdnr. 23). Dabei ist unerheblich, ob derSteuerberater den Anspruch geltend gemacht hat.

„Erhalten“ ist mit der Verwirklichung des Gebührentatbe-standes gleichzusetzen (Jost in: Meyer/Goez/Schwamberger,StBGebV, 6. Aufl., § 40 Rdnr. 16). Den Gebührentatbestandnach § 28 StBGebV haben die Steuerberater E. jedoch ver-wirklicht, wie sich aus dem nunmehr vorgelegten Entwurfder Einspruchsbegründungsschrift vom 4.11.2008 ergibt.

Macht der Kläger von seinem Recht Gebrauch, mit der tat-sächlichen Einlegung des Einspruchs einen anderen Steuer-berater zu beauftragen, der sich erst in die Materie einarbei-ten muss, gehen die aufgrund dessen entstandenen zusätz-lichen Kosten zu seinen Lasten, weil insoweit ein Verstoßgegen die Schadenminderungspflicht vorliegt.

Es ist nicht ersichtlich, dass das Finanzamt auf die nur im Ent-wurf eingereichte Einspruchsbegründung der SteuerberaterE. nicht in gleicher Weise reagiert hätte. Den Versuch einerEinspruchsbegründung durch die Steuerberater E. hat derKläger nicht unternommen. Zudem deckt sich die Begrün-dung des Entwurfs in wesentlichen Teilen mit der Begrün-dung durch die P. Steuerberatungsgesellschaft, hinsichtlichder Einwände gegen den Vorauszahlungsbescheid für 2009vollständig.

Der Ansatz von 13/10 im Rahmen des § 40 Abs. 2 StBGebVwäre überhöht. Es ist lediglich eine 6/10-Gebühr als ange-messen zu erachten. Zwar bestimmt gemäß § 11 StBGebVder Steuerberater die Gebühr grundsätzlich nach billigemErmessen, soweit ein Rahmen vorgesehen ist. Er berücksich-tigt dabei alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere dieBedeutung der Angelegenheit, den Umfang und die Schwie-rigkeit der beruflichen Tätigkeit. Ist jedoch die Gebühr voneinem Dritten zu ersetzen, so ist die vom Steuerberatergetroffene Bestimmung dann nicht verbindlich, wenn sieunbillig ist.

Die Feststellungen zur Angemessenheit der Gebührennotekann der Senat dabei aus eigener Sachkunde treffen, ohnedass es deshalb der Einholung eines diesbezüglichen Gut-achtens der Steuerberaterkammer bedarf. Anders als bei § 14Abs. 2 RVG sieht die StBGebV die zwingende Einschaltung derBerufskammer bei Rechtsstreitigkeiten über Gebühren nichtvor (OLG Celle v. 19.2.2002 – 16 U 185/01, juris, Rdnr. 15,16 m.w.N.; OLG Düsseldorf v. 10.11.2010 – 18 U 56/10,juris, Rdnr. 31).

Bei der Festlegung der angemessenen Gebühr war zu be-rücksichtigen, dass der Bescheid im Wesentlichen deshalbunrichtig war bzw. auf Null Euro herabgesetzt werdenmusste, weil der Veräußerungsgewinn bei der Bemessungder Vorauszahlungen für das Folgejahr nicht zu berück-sichtigen war. Die wesentliche Begründung des Einspruchs,die zu einer Herabsetzung auf Null Euro geführt hat, diefehlende Absicht weiterer Veräußerungen, lag auf der Handund erforderte weder umfängliche noch schwierige Ausfüh-rungen. Daher war eine Gebühr im unteren Bereich desGebührenrahmens von 3/10 bis 20/10 angemessen.

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Behauptete weitere Gespräche mit dem Mandanten warennach dem Vortrag des Klägers nicht auf eine Erledigung ge-richtet, sondern auf eine Beratung über das Für und Widerweiterer freiwilliger Zahlungen bei näher rückendem Zah-lungstermin.

b) Aber auch die nach § 40 Abs. 1 StBGebV abgerechneteGebühr kann der Kläger nicht in voller Höhe verlangen. DieEntstehung von Gebühren in dieser Höhe beruht auf einemVerstoß des Klägers gegen seine Schadenminderungspflicht.

aa) Den Einwand des Mitverschuldens aufgrund eines Ver-stoßes gegen die Schadenminderungspflicht muss der Klägergrundsätzlich gegen sich gelten lassen. Der Verstoß ergibtsich dem Grunde nach bereits aufgrund des unstreitigenSachverhalts und ist von Amts wegen zu beachten. Ein aus-drückliches Berufen des beklagten Landes oder weitergehen-der Vortrag dazu war nicht erforderlich. Die vom Klägerzitierte Entscheidung des BGH vom 20.1.2011 (V ZB 216/10,juris, Rdnr. 9 ff) ist hier nicht einschlägig.

Vorliegend hat das beklagte Land Einwendungen gegen dieHöhe der geltend gemachten Gebühren erhoben, und zwarbereits mit Schriftsatz vom 6.4.2011. Es hat die Höhe dergeltend gemachten 13/10 Gebühr vor dem Hintergrund ge-rügt, dass es im Hinblick auf den beanstandeten Vorauszah-lungsbescheid für 2009 lediglich eines einfachen Schreibensdes Steuerberaters bedurft hätte. Damit ist es der Bestim-mung der Gebührenhöhe durch den Steuerberater desKlägers entgegengetreten.

Auch soweit der Kläger rügt, ihm sei aufgrund der unstreiti-gen Zahlung der Gebühren seines Steuerberaters ein konkre-ter Schaden entstanden, ihm könne nicht zugemutet wer-den, sich von seinem Steuerberater verklagen zu lassen, umdie Gebührenhöhe gerichtlich zu klären, ergibt sich darausnicht, dass die Höhe der abgerechneten Gebühren vorlie-gend nicht mehr überprüft werden kann. Die Vorschrift des§ 254 BGB stellt einen Ausfluss des Grundsatzes von Treuund Glauben dar.

Folgt man dem Einwand des Klägers, würde aus der Bezah-lung von Kosten eines Dritten durch einen Geschädigtenimmer ein der Höhe nach nicht zu überprüfender Schaden-ersatzanspruch erwachsen, sofern ein Schädiger dem Grundenach für die Erstattung haftet, unabhängig davon, ob dieKosten zu Recht erhoben worden sind. Das ist mit dem§ 254 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken, dass der-jenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage derSache erforderlich erscheint, um sich selber vor Schaden zubewahren, den Verlust oder die Kürzung seines Schaden-ersatzanspruches hinnehmen muss, nicht vereinbar.

bb) Bereits die Zugrundelegung des Gebührenrahmens des§ 40 Abs. 1 StBGebV verstößt gegen die Schadenminde-rungspflicht. Ein Berater, der Gebühren nach § 28 StBGebVerhält, also bereits vorher den Steuerbescheid geprüft hat,kann nach § 40 Abs. 2 StBGebV lediglich eine Geschäfts-gebühr von 3/10 bis 20/10 einer vollen Gebühr nach TabelleE abrechnen (Charlier/Berners, Praxiskommentar StBGebV,

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prüfung entzogen ist, ist nicht einschlägig. Aus den vor-stehenden Erörterungen ergibt sich, dass die von demSteuerberater vorliegend mit 13/10 festgesetzte Gebühr sichnicht mehr im Rahmen der sogenannten Toleranz, also einesSpielraumes von 20% in Bezug auf die tatsächlichangemessene Gebühr, hält. (...) •

(Hinweis: OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.11.2010 – 18 U 56/10,juris)

Anwaltshaftung• Sorgfaltsmaßstab• Rechtskenntnis• Ausländisches Recht(LG München I, Urt. v. 14.1.2015 – 30 O 27783/13)

Leitsatz (d. Red.):Zum erforderlichen Wissensstand eines Rechtsanwaltesgehört die für die Mandatsbearbeitung notwendigeKenntnis internationaler Rechtsregeln bzw. die Kenntnisder Rechtsprechung eines ausländischen Staates. DemRechtsanwalt kann indes keine Pflichtverletzung vor-geworfen werden, wenn eine schwierige ausländischeRechtsfrage nur durch ausländische Kommentarliteraturgeklärt werden kann. •

Zum Sachverhalt:Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadenersatzwegen behaupteter Schlechterfüllung eines Rechtsanwalts-vertrags in Zusammenhang mit einer Prozessführung vordem LG Ulm (3 O 6/09).

Die Beklagten sind eine Societät von Rechtsanwälten. Kanzlei-inhaber und alleiniger Sachbearbeiter des gegenständlichenVorgangs war der Beklagte zu 1.

Am 18.3.2000 verstarb der Vater der Klägerin, Herr C. Die-ser war italienischer Staatsangehöriger. Der Erblasser warAlleineigentümer von Immobilien, darunter ein Mehrfami-lienhaus in S., einer Eigentumswohnung in L. sowie einesHauses in L. und Immobilien in Österreich. Gemäß einemgegenständlich beschränkten Erbschein des Notariats L. vom22.10.2002 wurde der Erblasser zu 1/3 von seiner zweitenFrau, Frau C., geborene H., und zu je 2/9 von der Klägerinsowie dem Sohn R.C. und der Enkelin D. beerbt. Dieser Erb-schein des Notariats Laichingen wurde nach italienischemRecht erteilt und war auf den in der Bundesrepublik Deutsch-land befindlichen Nachlass gegenständlich beschränkt.

Der Erblasser hatte am 16.1.1989 ein handschriftlichesTestament errichtet, welches folgenden Inhalt hat: „Sämtlichemeine Immobilien sind bis zum Tod von H. (meine Lebens-gefährtin) unverkäuflich. Die daraus resultierenden Einkünftesind für die Abzahlung der noch vorhandenen Schulden zuverwenden, der verbleibende Betrag ausschließlich an Frau

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Zu berücksichtigen sind noch die weiteren Einwände gegenden Vorauszahlungsbescheid nach Ziffern 1. und 4. derBegründung des Einspruchs. Auch diese Einwände, nämlichVeräußerung der Beteiligung an der H. GmbH & Co. KGsowie Unterfallen der Kapitaleinkünfte unter die Abgeltungs-steuer, waren einfach gelagert und erforderten keinenhohen Begründungsaufwand. Letztlich war deshalb nur dieMindestgebühr nach § 40 Abs. 2 StBGebV zu verdoppeln,mithin eine Geschäftsgebühr von 6/10 angemessen.Weitere Umstände, die eine Erhöhung darüber hinaus recht-fertigen würden, sind nicht ersichtlich. Weder der Umfangnoch die Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit lagen überdem Durchschnitt. Wäre – unter Schadenminderungs-gesichtspunkten – der bisher mit der Angelegenheit befassteSteuerberater beauftragt worden, wäre kein aufwändigesDurcharbeiten umfangreicher Akten und Steuererklärungerforderlich geworden, weil der Steuerberater aufgrund derbis dahin ausgeübten Tätigkeit entsprechende Kenntnissegehabt hätte.

Auch der zeitliche Umfang der Bearbeitung im Hinblick aufdie telefonischen Rücksprachen mit dem Finanzamt und demKläger wegen des näher rückenden Zahlungstermins sindunter Schadenminderungsgesichtspunkten nicht zu berück-sichtigen.

Wie bereits erläutert, wäre der zeitliche Rahmen bei der be-reits am 4.11.2008 möglichen Einlegung und Begründungdes Einspruchs nicht eng gewesen. Der berichteten Ge-spräche hätte es nicht bedurft. Bei Beurteilung der Bedeu-tung der Angelegenheit kommt nur die Bedeutung für denAuftraggeber in Betracht (Charlier/Berners, a.a.O., § 11Rdnr. 21). Diese ist allenfalls durchschnittlich gewesen.

Der Kläger ist vermögend. Einen existenzbedrohenden Cha-rakter des Bescheides behauptet er selbst nicht. Weil es sichum einen Vorauszahlungsbescheid handelte, der nach § 164AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, ist bei derBedeutung auch nicht die Summe von über 30.000.000 Euroanzusetzen, sondern lediglich der Zinsschaden, der dadurchentstanden wäre, dass die Vorauszahlungen unberechtigtgeleistet worden wären.

Im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 2008 – wahr-scheinlich früher – wäre dies korrigiert worden. Weiter kannim Rahmen des § 11 StBGebV nur ein besonderes Haftungs-risiko des Steuerberaters berücksichtigt werden. Das bedeu-tet mehr als das „normale“ Haftungsrisiko. Es kann sich nurum solche Fälle handeln, in denen sich das erhöhte Haftungs-risiko des Steuerberaters nicht im Gegenstandswert nieder-schlägt (Charlier/Berners, a.a.O., § 11 Rdnr. 26). Vorliegendträgt aber bereits der hohe Gegenstandswert dem Haftungs-risiko Rechnung. Ein darüber hinausgehendes besonderesHaftungsrisiko ist nicht gegeben. Allein das überdurch-schnittliche Einkommen und Vermögen des Klägers recht-fertigt demgegenüber keine weitere Erhöhung der Gebührüber 6/10 hinaus.

cc) Die Rechtsprechung des BGH, wonach eine Erhöhung derRegelgebühr im Rahmen von 20% einer gerichtlichen Über-

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teren Ergänzungsgutachten vom 5.5.2010 führte der Sach-verständige aus, dass sich die für den vorliegenden Sachver-halt in Betracht kommende Herabsetzungsklage bezüglichder Vermächtnisse und der Schenkungen nach der VorschriftArt. 564 Abs. 1 Satz 1 Codice Civile bestimme.

Nach herrschender Auffassung verjähre das Recht aufHerabsetzung in zehn Jahren nach Annahme der Erbschaft.In der mündlichen Verhandlung im Bezugsverfahren vom22.6.2010 erhob die dortige Beklagte, Frau C., bezüglich derHerabsetzungsklage die Einrede der Verjährung. Auf beider-seitigen Antrag der Parteien wurde in diesem Termin gemäߧ 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens angeordnet. MitSchriftsatz vom 29.6.2010 behauptete der Beklagte zu 1)als seinerzeitiger Klägervertreter, dass der Herabsetzungs-anspruch des Vermächtnisses nicht verjährt sei.

Unter dem 21.10.2010 erhob er sodann im Wege der Kla-geerweiterung eine Herabsetzungsklage. Im folgendenTermin vom 10.12.2010 stellte der Beklagte zu 1) unstreitig,dass die dortige Beklagte, Frau C., die Erbschaft mit Eintrittdes Todes des Erblassers angenommen habe. Weiter führteer aus, dass für die Dauer der Verjährung italienisches Rechtanzuwenden, für die Unterbrechung bzw. Hemmung derVerjährung jedoch deutsches Recht maßgeblich sei. Maßgeb-lich für den Beginn der Verjährung sei nach italienischemRecht auch die Annahme der Erbschaft durch die Klagepar-teien des seinerzeitigen Rechtsstreits.

In einem weiteren Sachverständigengutachten zur Anwen-dung italienischem Rechts vom 24.6.2011 führte der Sach-verständige Prof. Dr. Dr. J. sodann aus, dass die Verjährungs-frist für die Herabsetzungsklage mit der Annahme der Erb-schaft durch den Berufenen zu laufen beginne und es aufdie Annahme durch die Kläger im seinerzeitigen Rechtsstreitnicht ankomme. Die Unkenntnis des Rechtsinstituts derHerabsetzungsklage hindere nicht den Beginn der Verjäh-rungsfrist. In einer weiteren Stellungnahme vom 18.8.2011führte der Sachverständige Prof. Dr. Dr. J. aus, dass (die ur-sprünglich erhobene) Auskunftsklage keine Herabsetzungs-klage sei. Es hätte der Herabsetzungsanspruch geltend ge-macht werden müssen.

Dies belegt der Sachverständige mit der Kommentierung vonCian-Trabucchi, 2004, S. 3298 Anm. V Rdnr. 1 zu Artikel2943 Abs. 2 des Codice Civile, wonach die Wirkung derUnterbrechung der Verjährung nicht aus jedem Klageantragfolgt, sondern nur durch jenen, mit welchen der Kläger dieAnerkennung und den gerichtlichen Schutz desjenigenRechts begehrt, dem gegenüber man später die Verjährungeinwendet.

Mit Urteil vom 22.12.2011 wies sodann das LG Ulm dieKlagen auf Herabsetzung und Auskunft ab. Zur Begründungführte es aus, dass der Anspruch verjährt sei, insbesonderekönne der zunächst erhobenen Auskunftsklage keine ver-jährungsunterbrechende Wirkung beigemessen werden. Einedagegen gerichtete Berufung wurde mit Beschluss des OLGStuttgart vom 9.12.2012 gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurück-gewiesen.

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H. monatlich – oder wie von ihr gewünscht – auszuzahlen.Frau H. steht das unentgeltliche Wohnrecht zu ...“.

Unter dem Geschäftszeichen 3 O 279/07 erhob die Klägerinsowie weitere Miterben Klage gegen Frau C. vor dem LG Ulmmit der Zielrichtung der Vorlage eines vollständigen Nach-lassverzeichnisses des in der Bundesrepublik Deutschland be-findlich gewesen Nachlasses des Erblassers. Nach Erstellungeines Nachlassverzeichnisses und beiderseitiger Erledigungder Hauptsache erlegte insoweit das LG Ulm mit Beschlussvom 20.2.2008 die Kosten des Rechtsstreits Frau C. auf.

Zur Begründung führte es aus, dass diese aller Voraussichtnach im Rechtsstreit unterlegen wäre. Die Auskunftspflichtbestimme sich gemäß Artikel 25 EGBGB nach italienischemRecht, dort wiederum sei in Artikel 723 Codice Civile be-stimmt, dass eine Rechnungslegung durch den „Teilenden“zu erfolgen habe, vorliegendenfalls ausschließlich durch dieBeklagte, welche Überblick über die gesamten Vermögens-verhältnisse des Erblassers gehabt habe, da diese sich inihrem Besitz befanden bzw. noch immer befänden.

Unter dem 9.1.2009 erhob die Klägerin sowie Miterben ver-treten durch den Beklagten zu 1)erneut Klage gegen Frau C.mit der Zielrichtung, diese zu verurteilen, Auskunft zu ertei-len und Rechnung zu legen über sämtliche Einnahmen undAusgaben im Zusammenhang mit dem Mehrfamilienhausund der Eigentumswohnung für die Jahre 2006 bis 2008durch Vorlage einer geordneten Zusammenstellung undBeifügung von Belegen.

Zur Begründung führte der Beklagte zu 1) als anwaltlicherVertreter der Klagepartei aus, dass nach dem Erbgang italie-nisches Recht anzuwenden sei und die fraglichen Immobiliennicht in die gemeinschaftliche Masse einer ungeteilten Mit-erbengemeinschaft fielen, sondern vielmehr nach italie-nischem Recht ein Miterbe im Umfang seiner Erbquote Mit-eigentümer jedes einzelnen Nachlassgegenstandes werde.Insbesondere führte der Beklagte zu 1) weiter aus, dass dietestamentarische Anordnung des Erblassers gegen Artikel537 f Codice Civile verstoße. Nach italienischem Recht habengewisse, dem Erblasser nahestehende Personen ein echtes,dinglich wirkendes Noterbrecht, auch gegen den Willen desErblassers.

Wenn ein Erblasser Pflichterben in seinem Testament über-gangen hat, äußert jedoch das Noterbrecht seine Wirkungennicht kraft Gesetzes, sondern setzt eine Herabsetzungsklagedes Berechtigten voraus (Artikel 553 ff Codice Civile). DiesesNoterbrecht bedeutete, dass Verfügungen und Schenkungendes Erblassers, die über ein Viertel (quota di riserva) hinaus-gehen, der Kürzung mit Hilfe der Herabsetzungsklage unter-liegen können. Daher werden Pflichterben nicht in Höheihrer Quote Miteigentümer eines Einzelnachlassgegenstan-des, sondern es bedarf hierzu einer Herabsetzungsklage.

Insofern führte der im Vorprozess bestellte Gutachter Prof.Dr. Dr. J. in seinem Gutachten vom 8.9.2009 aus, dass dasNoterbrecht nicht kraft Gesetzes eintritt, sondern durchHerabsetzungsklage geltend zu machen ist. In einem wei-

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Aus Sicht der Klägerin hätte der Beklagte zu 1) rechtzeitigHerabsetzungsklage erheben müssen. Er hätte sich vor-liegend mit diesem Rechtsinstitut nach italienischem Rechtbefassen müssen. Bereits im Gutachten des Prof. Dr. Dr. J.vom 8.9.2009 sei diese Frage hervorgehoben worden. Hättesich der Beklagte zu 1) damit befasst, wäre er auf die zehn-jährige Verjährungsfrist gestoßen. Im Übrigen sei vorliegenditalienisches Recht anwendbar gewesen, die Pflichtverletzungdes Beklagten zu 1) bestehe darin, dass er den nach italieni-schem Recht erforderlichen Herabsetzungsantrag klageweisenicht rechtzeitig geltend gemacht habe. Der Beklagte zu 1)als anwaltlicher Vertreter der Klägerin hätte sich die erforder-liche Kenntnis des ausländischen Rechts verschaffen müssen.

Ihren Schaden beziffert die Klägerin auf 143.032,15 EUR.Am Nachlass seien der Klägerin entsprechend ihrer Erbquote123.278,48 EUR zugestanden. Im Rahmen der Prozessfüh-rung beziffert sie einen Kostenschaden in Höhe von19.753,67 EUR. Hilfsweise beantragt die Klägerin neben denKosten Schaden in Höhe von 19.753,67 EUR, den Beklagtenzur Zahlung von 61.284,64 EUR zu verurteilen (Anteil derjährlich behaupteten entgangenen Mieteinnahmen). (...)

(Anträge: ...)

Die Beklagten lassen vortragen, dass sich die Rechtsnach-folge nach für in Deutschland belegene Immobilien nachdem Erblasser sich nach deutschem Recht beurteile. ImÜbrigen sei die Annahme des LG Ulm, die Annahme derErbschaft sei bereits am 18.3.2000 erfolgt, rechtlich nichthaltbar. Die Annahme der Erbschaft sei am Todestag keines-falls vollzogen gewesen. Im Übrigen sei es fraglich, wie weitdie Beklagten dafür haften würden, dass ein Herabsetzungs-antrag nicht bereits vor dem 18.3.2010 gestellt worden ist.

Die Beklagten bestreiten im Übrigen das Noterbenrecht nachitalienischem Recht. Insbesondere wird bestritten, dass beiAnwendung des italienischen Erbrechts der Erblasser durchdie Zuwendungen der Erträge an den drei Immobilien inDeutschland die ihm vorbehaltene „quota di riserva“ über-schritten hat. (...) •

Aus den Gründen:Die zulässige Klage erweist sich im Haupt- und Hilfsantragals unbegründet.

I. Keine zureichende haftungsbegründende Verletzungrechtsanwaltlicher Sorgfaltspflichten.

Zunächst hatten die Beklagten für den Bezugsrechtsstreitvon der Anwendung italienischen Erbrechts auszugehen. DerErblasser war italienischer Staatsangehöriger (Art. 25 Abs. 1EGBGB). Von einer konkludenten Wahl deutschen Rechts fürdas im Inland belegene Vermögen ist vorliegend nicht aus-zugehen (Art. 25 Abs. 2 EGBGB). Zwar muss die Rechtswahlnicht ausdrücklich erfolgen (vgl. Palandt, EGBGB, 2014,Art. 25 Rdnr. 8). Vorliegend ist anhand des Testamentsjedoch nicht erkennbar, dass der Erblasser eine Nachlass-spaltung wollte. So spricht der Erblasser im Testament vom16.1.1989 von „sämtliche“ seiner Immobilien.

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Zudem hatte die Beklagtenseite insoweit zunächst von derRichtigkeit des Erbscheins des Notariats L. vom 22.10.2002ausgehen können. Der Erbschein selbst vermerkt die Ertei-lung nach italienischem Recht. Ausgehen konnte er auch vonder Richtigkeit der Entscheidung des LG Ulm im Rechtsstreit3 O 279/07 vom 20.2.2008, wonach sich die Auskunfts-pflicht nach italienischem Recht bestimmte.

Die Beklagten wären schadenersatzpflichtig gemäß § 280Abs. 1 BGB, wenn sie schuldhaft eine Pflicht aus demAnwaltsvertrag verletzt hätten. Die zum Anwaltsmandatgehörende Prüfung des einschlägigen anwendbaren Rechtsbezieht sich in der Regel auf geltende Gesetze, anwendbareRechtsprechung und an letzter Stelle einschlägige Literatur(vgl. Borgmann, Die Rechtsprechung des BGH zum Anwalts-haftungsrecht, NJW, 2013, 3343 ff, hier: 3345). Hierbei ge-hört zum erforderlichen Wissensstand eines Rechtsanwalts beider Beratung und zur Prozessführung grundsätzlich auch dienotwendige Kenntnis internationaler Rechtsregeln bzw. dieKenntnis der Rechtsprechung eines ausländischen Staates (soauch OLG Koblenz, NJW 89, 2699).

Dies bedeutet auf den vorliegenden Fall der Anwendungausländischen – italienischem – Rechts bei einem Inlandsfall,dass der Rechtsanwalt verpflichtet ist, sich entsprechendeRechtserkenntnisquellen im Rahmen des Zumutbaren zu be-schaffen, wobei sich für die Zumutbarkeit ein objektiver Maß-stab ergibt. Es ist zu beachten, dass sich der Zugriff aufLiteratur und Rechtsprechung zu auslandsrechtlichen Themenin der Regel schwieriger gestaltet als der Zugriff auf entspre-chende Rechtsquellen zum deutschen Recht (vgl. z.B. Gruber,Anwaltshaftung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten,MDR 1989, 1399, 1401).

In dem Bezugsrechtsstreit wurde soweit ersichtlich die Frageeiner Herabsetzungsklage erstmals vom Gutachter Prof. Dr.Dr. J. im Gutachten vom 8.9.2009 angesprochen. Die Frageder zehnjährigen Verjährung für eine derartige Herabset-zungsklage wurde dann erstmals vom Sachverständigen imErgänzungsgutachten vom 5.5.2010 thematisiert, wobei derGutachter ausführte, dass „nach herrschender Auffassung“das Recht auf Herabsetzung in zehn Jahren ab Annahme derErbschaft verjährt. Diese Aussage begründete der Sachver-ständige mit einer Kommentierung.

Dies bedeutet, dass die Frage des Rechts der Herabsetzungs-klage sowie des Beginns und der Hemmung der Verjährungoffensichtlich komplex, rechtlich strittig und schwierig zubeurteilen ist. So hatte der Beklagte zu 1) im Bezugsrechts-streit weiter erklärt, dass für den Beginn der Verjährung nachitalienischem Recht maßgeblich auch die Annahme der Erb-schaft durch die dortigen Kläger (auch hiesige Klägerin) sei.Hierzu hatte der Sachverständige Prof. Dr. Dr. J. dann mitGutachten vom 24.6.2011 dargestellt, dass es auf die An-nahme durch die seinerzeitige Klagepartei nicht ankomme.

Mit gleichem Gutachten führte der Sachverständige aberauch aus, dass dem Gutachter kein italienisches Formular-buch zur Verfügung stünde, das eine genaue Formulierungeines Klageantrags auf Herabsetzung eines Nießbrauchs-

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vermächtnisses an Immobilien enthielte. Vor diesem Hinter-grund musste der Beklagte zu 1) mit Vorlage des zu diesemZeitpunkt weiter unerörterten Sachverständigengutachtensvom 8.9.2009 noch nicht eine offensichtlich ohnehin schwerzu formulierende Herabsetzungsklage erheben. Erst mitweiterem Gutachten vom 18.8.2011 erklärte der Sachver-ständige unter Hinweis auf eine Kommentarstelle, dass dieursprünglich allein gegenständliche Auskunftsklage dieVerjährung nicht unterbreche.

Dies bedeutet, dass selbst ein renomierter Sachverständigerfür die Anwendung italienischen Rechts vorliegend seineMeinung ausschließlich aus Literatur herleiten kann. Weiterblieben seinerzeit Übersetzungs- und nachfolgende Deu-tungsfragen strittig. Der Beklagte zu 1) vertrat im seiner-zeitigen Bezugsverfahren als anwaltlicher Vertreter derKlägerin die Auffassung, dass „domanda“ mit „erhobenerAnspruch“ zu übersetzen ist. Der Gutachter Prof. Dr. Dr. J.übersetzte dagegen mit dem Wort „Antrag“ oder „Klage-antrag“. Die Folgerung für den Vorprozess war, dass dieUnterbrechung der Verjährung nicht aus jedem Klageantragfolgt, sondern, dass die prozesseinleitend erhobene Aus-kunftsklage insoweit nicht verjährungshemmend für diespäter erweiternd erhobene Herabsetzungsklage wirkte.

Maßstab für die zumutbare Sorgfalt der Beklagtenseite war,dass diese hinreichende Kenntnisse der ausländischenGesetze sowie Rechtsprechung hatte. Vorliegend jedochergibt sich die erfolgreiche Erhebung der Einrede der Ver-jährung im Bezugsverfahren aus sehr spezieller Auslegungvon Kommentarliteratur und einem italienischen Rechts-wörterbuch. Durch Rechtsprechungsfundstellen konntendiese selbst vom Gerichtsgutachter nicht betont werden.Daher geht das Gericht in diesem Fall davon aus, dass derBeklagte zu 1) im Vorprozess nicht sorgfaltswidrig gehandelthat. Hinzu kommt, dass insoweit im Bezugsverfahren auchkeine richterlichen Hinweise (§139 ZPO) erteilt wordenwaren.

Soweit ersichtlich wurden Verjährungsfragen erst in deröffentlichen Sitzung vom 22.6.2010 durch die dortige Be-klagtenseite thematisiert. Da die Parteien sodann überein-stimmend geäußert hatten, dass sie den Nachlass insgesamtaußergerichtlich auseinandersetzen wollten und daraufhinübereinstimmend das Ruhen des Verfahrens beantragten,geht hiesiges Gericht davon aus, dass die Frage der Verjäh-rung selbst zu diesem Zeitpunkt von allen anwesendenBeteiligten mit großer Unsicherheit gesehen wurde.

Vorliegend sieht das Gericht damit keine hinreichende Sorg-faltspflichtwidrigkeit, insbesondere handelt es sich offen-kundig um eine sehr strittige und komplexe Rechtsmaterie,wobei die Quellen des ausländischen Rechts sich durch Sach-verständigengutachten betreffend der Unterbrechung oderHemmung der Verjährung ausschließlich auf Literaturquellenstützen müssten.

Daher war vorliegend die Klage in Haupt- und Hilfsantragabzuweisen. (...) •

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Versicherungsschutz• Treuhandkommanditist• Geschäftsführende Treuhand• Unternehmerisches Risiko• Entscheidungsspielräume(LG Köln, Urt. v. 3.7.2013 – 20 O 431/12)

Leitsatz (d. Red.):Eine geschäftsführende, nicht unter den Versicherungs-schutz der Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherungfür Steuerberater fallende Treuhand liegt vor, wenndem Treuhänder Entscheidungsspielräume eingeräumtwurden. •

Zum Sachverhalt:Die Kläger begehren Zahlung aus einer Berufshaftpflichtver-sicherung für Steuerberater, die zwischen der Beklagtenund der S. Beratungs- und Treuhandgesellschaft mbH abge-schlossen worden war.

Die Q. AG finanzierte Prozesse durch Vorleistung vonGerichts- und Anwaltskosten, die von hierfür gegründetenFondsgesellschaften aufgebracht wurden. Die S. Beratungs-und Treuhandgesellschaft mbH war die Treuhandkomman-ditistin für verschiedene, in Form von Kommanditgesell-schaften konstruierten Prozesskostenfonds, insbesondere fürden Prozesskostenfonds Q. GmbH & Co. ProzesskostenfondsKG. Ihre Einbindung erfolgte auf Anraten des für die Q. AGtätigen Wirtschaftsprüfers, der wiederum auch für die S.Beratungs- und Treuhandgesellschaft mbH als Wirtschafts-prüfer tätig war. An den Prozesskostenfonds konnten sichprivate und institutionelle Kapitalanleger mit einer Mindest-zeichnungssumme von 5.000 EUR beteiligen. Die Anlegerwurden von der S. Beratungs- und TreuhandgesellschaftmbH nicht auf die wesentlichen Risiken der Anlage hinge-wiesen.

Nach § 6 des Gesellschaftsvertrages der Q. GmbH & Co. Pro-zesskostenfonds KG sollte die Beteiligung durch Abschlusseines Treuhandvertrages mit der S. Beratungs- und Treu-handgesellschaft mbH erfolgen, die dann den Kommandit-anteil im eigenen Namen für Rechnung der Anleger hielt.Der Treuhandkommanditist sollte seine Gesellschaftsrechteim Interesse der Treugeber ausüben; den Treugebern wurdedas Recht eingeräumt, an den Gesellschaftsversammlungenteilzunehmen und bei Beschlussfassungen das auf ihreBeteiligung entfallende Stimmrecht auszuüben. Nach § 10des Gesellschaftsvertrages sollte allein die Komplementärinzur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet sein.

In § 4 des Treuhandvertrages war geregelt, dass der Treu-händer den ihm erteilten Auftrag durch Erwerb eines Kom-manditanteils bzw. Einräumung einer Treugeberstellung aneinem bereits erworbenen Kommanditanteil erfüllt. Nach § 8Ziffer 3 des Treuhandvertrages sollte der Treugeber seineRechte unmittelbar ausüben, was insbesondere für dasStimmrecht in der Gesellschafterversammlung gelten sollte.

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Nach § 12 des Treuhandvertrages sollte der Treuhänderweder für den Eintritt der vom Treugeber verfolgten wirt-schaftlichen und steuerlichen Ziele haften noch für die Boni-tät der Vertragspartner.

Die S. Beratungs- und Treuhandgesellschaft mbH war alsSteuerberatungsgesellschaft bei der Beklagten seit dem1.1.1995 berufshaftpflichtversichert; es handelte sich umeine Pflichtversicherung i.S.v. §§ 67, 158 Nr. 6 StBerG i.V.m.§ 52 DVStB. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemei-nen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Angehörige der steuerberatendenBerufe (AVB-S 2002) zugrunde.

Mit Urteil des LG Berlin vom 22.12.2011 – 14 O 160/11 –wurde die S. Beratungs- und Treuhandgesellschaft mbHverurteilt, an die Kläger 19.800 EUR zuzüglich Zinsen, Frei-stellungsansprüche und sonstige Nebenforderungen zu zah-len. Die Kläger hatten Ende 2006/Anfang 2007 Treuhand-verträge mit der S. Beratungs- und TreuhandgesellschaftmbH abgeschlossen.

Mit Beschluss des AG Hannover vom 8.3.2012 wurde dasInsolvenzverfahren über das Vermögen der S. Beratungs-und Treuhandgesellschaft mbH eröffnet. Der Insolvenzver-walter gab den Deckungsanspruch der S. Beratungs- undTreuhandgesellschaft mbH gegenüber der Beklagten ausdem Insolvenzbeschlag frei.

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AGHannover vom 24.7.2012 wurden Ansprüche aus dem Ver-sicherungsvertrag zwischen der Beklagten und der S. Bera-tungs- und Treuhandgesellschaft mbH zugunsten der Klägerin Höhe von 21.145 EUR zuzüglich Tageszinsen in Höhe von2.816 EUR seit dem 21.6.2012 gepfändet und überwiesen.Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde der Be-klagten am 2.8.2012 mit der Aufforderung zugestellt, dieDrittschuldnererklärung abzugeben. Mit Schreiben vom6.8.2012 erklärte die Beklagte, dass sie die Forderung nichtanerkenne und begründete dies damit, dass der Abschlussvon Treuhandverträgen zwischen der Schuldnerin und denGläubigern über einen Beteiligungserwerb der Gläubigernicht vom Versicherungsschutz der Berufshaftpflichtversiche-rung umfasst sei.

Die Kläger sind der Auffassung, dass der Abschluss von Treu-handverträgen vom Versicherungsvertrag erfasst sei. Die S.Beratungs- und Treuhandgesellschaft mbH sei ausschließlichaufsichtsführend tätig geworden, und zwar als bloße Ab-wicklungs- und Beteiligungstreuhänderin. (...)

(Anträge: ...) •

Aus den Gründen:Die Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung aus dengepfändeten und überwiesenen Versicherungsansprüchender S. Beratungs- und Treuhandgesellschaft mbH gegen dieBeklagte aus dem Berufshaftpflichtversicherungsvertrag.

GIaktuell Nr. 2/April 2015 63

Versichert sind gemäß § 1 Ziffer 1 AVB-S nur diejenigen ge-setzlichen Haftpflichtansprüche privatrechtlichen Inhalts, dieaus Verstößen in Ausübung der beruflichen Tätigkeiten derVersicherungsnehmerin herrühren. Die versicherten Tätig-keiten sind in der Risikobeschreibung für die Vermögens-schaden-Haftpflichtversicherung für Angehörige der steuer-beratenden Berufe näher definiert.

Nach Ziffer 1.1 der Risikobeschreibung ist die Tätigkeit alsnicht geschäftsführender Treuhänder versichert. Nicht ver-sichert sind nach § 4 Ziffer 6 AVB-S Haftpflichtansprüche,die dadurch entstehen, dass der Versicherungsnehmer imBereich eines unternehmerischen Risikos einen Verstoß be-geht, z.B. als geschäftsführender Treuhänder. Die unterneh-merische Tätigkeit eines Steuerberaters als geschäftsführen-der Treuhänder ist nach der Risikobeschreibung wirksamvom Versicherungsschutz ausgeschlossen, vgl. OLGMünchen, Urt. vom 28.11.1995, VersR 1997, 961.

Bei der versicherten aufsichtsführenden Treuhandtätigkeitgeht es ausschließlich um die kontrollierende bzw. beratendeWahrnehmung fremder wirtschaftlicher Interessen ohne Ent-scheidungsspielraum. Jedes Mitbestimmungsrecht des Treu-handkommanditisten macht eine ansonsten rein aufsichts-führende zur geschäftsführenden Treuhand.

Nach Auffassung der Kammer enthält Tätigkeit der S. Bera-tungs- und Treuhandgesellschaft mbH durchaus Elementeder geschäftsführenden Treuhandtätigkeit. Von einer solchengeschäftsführenden Tätigkeit ist trotz der in § 10 des Gesell-schaftsvertrages vorgenommen Zuweisung der Geschäfts-führerstellung auf die Komplementärin auszugehen. Dabeikann offen bleiben, ob sich die in § 1 des Treuhandvertragesgeregelte Bevollmächtigung der S. Beratungs- und Treuhand-gesellschaft mbH tatsächlich nur auf den Erwerb des Kom-manditanteils bezieht oder entgegen des Wortlauts darüberhinausgeht. Da der Erwerb des Anteils ohnehin im eigenenNamen erfolgen soll, war eine Bevollmächtigung hierzu nichtnotwendig.

Der Treuhandvertrag räumt dem Treuhänder entgegen derAuffassung der Kläger durchaus Entscheidungsspielraum ein,auch wenn grundsätzlich vorgesehen war, dass der Treugeberseine Rechte unmittelbar ausüben sollte, auch das Stimmrechtin der Gesellschafterversammlung. Nach § 4 des Treuhandver-trages stand es dem Treuhänder frei, den Erwerbsauftragentweder durch Erhöhung seines Kommanditanteils und an-schließendes Halten dieses Anteils treuhänderisch für denjeweiligen Treugeber zu erfüllen oder aber durch Begründungeines Treuhandverhältnisses über einen bereits von ihm imeigenen Namen für eigene Rechnung erworbenen Teil desKommanditanteils zu erfüllen. Hierdurch wurde der TreuhandBeratungs- und Treuhandgesellschaft mbH ein unternehme-rischer Entscheidungsspielraum eingeräumt.

Weitere Entscheidungsspielräume wurden der TreuhandBeratungs- und Treuhandgesellschaft mbH in Bezug auf dieAusübung des ordentlichen Kündigungsrechts und der Liqui-dation eingeräumt. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigungoblag es ihr, zu entscheiden, ob und wann sie Mehrheitsent-scheidungen herbeiführte. Im Fall der Liquidation sollte nach

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Rückrufkosten-Haftpflichtversicherung für Hersteller- undHandelsbetriebe (ProdRückRM) – Rückrufkosten-Haftpflicht-versicherung für Kfz-Teile-Zulieferer (KfzRückRM) – Umwelt-haftpflicht- und Umweltschadensversicherung (UHV/USV) –Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (AVB-Vermögen)

Das Werk wendet sich an Rechtsanwälte.

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GI Literatur-Ecke

Beyer-Petz: Sozialversicherungsrechtliche Vertretungs-befugnis von Steuerberatern nach der jüngsten BSG-Rechtsprechung, DStR 2015, 605

Bräuer/Chab: Großkanzleien: Lücken zwischendeutschem und internationalem Schutz, AnwBl 2015, 88

Erdbrügger/Jehke: Die Erleichterungen bei der strafbe-freienden Selbstanzeige im Bereich der Umsatz- undLohnsteuer zum 1.1.2015 (§ 371 Abs. 2a AO), DStR2015, 385

Esskandari/Schmitt: Steuerberaterhaftung: Eigenmäch-tige Rücknahme eines Einspruchs, StBW 2014, 925

Gladys: Die Berufshaftpflichtversicherung zu demZweck, die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen derPartnerschaft zu begrenzen, DStR 2014, 2596

Harsch: Verjährung von Regressansprüchen gegen denRechtsanwalt, MDR 2014, 1368

Henssler/Markworth: Anforderungen an eine Frei-berufler-GmbH & Co. KG, NZG 2015, 1

Kilian: Anwaltsgeschichte: Der Schutz vor beruflichenHaftungsrisiken, AnwBl 2014, 991

Kilian: Anwaltshaftung, AnwBl 2015, 61

Krause-Allenstein: Darlegungs- und Beweislast desAusschlusstatbestandes der bewussten Pflichtwidrigkeit,JurisPR-VersR 2/2015 Anm. 1

Krösch: Steuerberaterhaftung bei konkretenErörterungen zur Insolvenzreife, GWR 2014, 156

Peters: Beginn der Verjährung des Schadensersatz-anspruchs gegen Rechtsanwalt, JR 2015, 68

Skamel: Zur Notarhaftung bei pflichtwidrig unterlasse-ner Belehrung, NotBZ 2015, 16

§ 9 des Treuhandvertrages das Gesellschaftsvermögen unterWahrung der Interessen aller Treugeber mit wirtschaftlichvertretbarer Beschleunigung verwertet werden. Hinzu kommt,dass die Treuhand Beratungs- und Treuhandgesellschaft mbHberechtigt war, Kommanditanteile am Fonds für eigene Rech-nung zu halten, wodurch es ihr ermöglich wurde, unterneh-merisch tätig zu werden, ohne Weisungen der Treugeber zuunterliegen.

Nach dem Gesellschaftsvertrag ist der Treuhandkommandi-tist im eigenen Namen an der Gesellschaft beteiligt; die ihmzustehenden Gesellschaftsrechte hat er im Interesse derTreugeber auszuüben. Hinzu kommt, dass den Treuhänder,der die Beteiligung des Anlegers aufgrund des mit ihm ge-schlossenen Treuhandvertrages treuhänderisch für ihn hält,nach der zutreffenden Auffassung des LG Berlin im Urteil vom22.12.2011 – 14 O 160/11 die Verpflichtung trifft, diesen überalle wesentlichen Umstände der Anlage aufzuklären, die ihmbekannt waren oder sein mussten, und unrichtige Angabenvon sich aus richtig zu stellen.

Dies geht nach Auffassung der Kammer über eine sog. auf-sichtsführende Treuhandtätigkeit hinaus und stellt eine ge-schäftsführende Tätigkeit des Treuhänders dar. Aus dem vordem LG Berlin geführten Verfahren ergibt sich, dass die S.Beratungs- und Treuhandgesellschaft mbH als Treuhänderinden Treugeber teilweise in der Gesellschafterversammlungvertreten hat.

Nach dem Sinn und Zweck der Pflichtversicherung für Steuer-berater geht es darum, Mandanten und Dritte vor Schädenaus beruflichen Fehlleistungen zu schützen. Die streitgegen-ständliche Tätigkeit der S. Beratungs- und Treuhandgesell-schaft mbH gehört nicht zu den mit dem Berufsbild desSteuerberaters zu vereinbarenden Tätigkeiten. (...) •

GI Literaturhinweis

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ImpressumGI Informationen für wirtschaftsprüfende,rechts- und steuerberatende Berufe · ISSN 2199-5478

HerausgeberHDI Versicherung AG, Nicole Gustiné, Produktmarketing SachHDI-Platz 1, 30659 Hannover, Fax: (0511) 645 111 3661E-Mail: [email protected]

RedaktionDr. Jürgen Gräfe, Rechtsanwalt, Fachanwalt für SteuerrechtFachanwalt für VersicherungsrechtRafael Meixner, Rechtsanwalt, HDI-Gerling (verantwortlich für den Inhalt)

Erscheinungsweise6-mal im Jahr, jeweils am 10. des Monats

VerlagVerlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln

AbonnementserviceFax: (0511) 645 111 3661

Layout und SatzType Connection, Lechenicher Str. 29, 50374 Erftstadt

Druckrewi druckhaus, Reiner Winters GmbH, Wiesenstr. 11, 57537 Wissen

Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Postfach 511026, 50946 KölnPostvertriebsstück G 31191, Entgelt bezahlt

GI_02-15.qxp:GI_02-15 31.03.2015 8:06 Uhr Seite 66

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