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Title
Goethes Gestaltung des Faust-Charakters im Eingangs monologNacht im Rahmen einer vergleichenden Betrachtung derEntwicklung des Faust-Stoffes inden literarischen Gestaltungenvor Goethe
Author(s) Von HOFF, Agnes
Citation [] no.[34] p.[297]-[316]
Issue Date 1996-09
Rights
Version Faculty of General Education, Gifu University
URL http://hdl.handle.net/20.500.12099/3998
1.
1. 1
1.2
Der Faust-Stoff
DieEntwicklung desFaust-Stoffes
Die Entwicklung des Fauststoffes bei Goethe: Quellen, Entstehungsgeschichte,
Besonderheiten
2.
2. 1
2.2
Department of
Faculty of Genera1Education
Gifu University
1-1 Y anagido, Gifu, Japan 501-11
(eingerichtam 28. August1996)
Bulletin of theFaculty of Genera1Education, Gifu Univ, V o1. 34 ( 1996) 297
Goethes Gestaltung des Faust-Charakters im
Eingangsmonolog yVach,n m Rahmen einer Vergleichenden
Betrachtung der Entwicklung des Faust-Stoffes in den
literarischen Gestaltungen vor Goethe
Agnes von HOFF
DieVerse354-425 desEingangsmonologs Nacht
K ontext
Analyse
2.2. 1. 1nhalt
2. 2. 2. SprachlicheAnalyse
2.2.3. Sprachlich-stilistische Analyse unter besonderer BerUcksichtigung der
Charaktergestaltung
1. Der Faust-Stoff
11. DieEntwicklung desFaust-Stoffes
Das Volksbuch vQn 1587 (Die istoria uon, D Joh(m; Fau,steTt ) , eine synkre-
tisierende Kompilierung der weitverbreiteten Legenden um die Faustfigur, verschmilzt
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Der Faustcharakter
Der Faustcharakter in den literarischen Gestaltungen vor Goethe
Der Faustcharakter bei Goethe: V ergleichende Betrachtung der drei Entwicklungs-
stufenUaust- Fragmet -Faustl
3
3. 1.
3. 2.
3.3. Goetheund seineFaust-K onzeption
dasmittelalterliche Teufelspaktmotiv mit dem paracelsischen Erkenntnisdrang des 16.
Jahrhunderts und legt mit der Grundfragenach dem Kern der W elt, nach dem Ursprung
aller Dingesowiedem Streben, dieseselbst bewegen und beherrschenzu k6nnen, dasFun-
dament fUr alleFaust-pichtungen. Steht hier nochder hybrideHerrschaftsansprucheiner
Faustfur im negativ-relig16senLicht im Vordergrund (Faust2verst6Bt in seinem
Strebengegen dasErsteGebot) , sowandelt sich die Darstellung Und lnterpretation des
Faustcharakters in der Folge weiterer Bearbeitungen des Stoffes (durch W idmann,
Pfitzer und den sog. Christlich M eynenden) stetig
DieberiihmtestedramatischeGestaltung vor GoethesW erk durch den damals erst
24jahrigen Vorliiufer Shakesp(jares, den Englander Chris
298 A gnes von H off
12. DieEntwicklung desFauststoffesbei Goethe: Quellen, Entstehungsgeschichte
Besonderheiten
Goethelernteden Fauststoff bereitssehr frUh durch dieinDeutschlandverbreitete
Puppenspielfabel kennen, welche auf einer VerstUmmelung der M arlowschen
Dramatisierung in den Volksspielenberuhteund dieFaustfigur im moralisch-negativen,
gar lacherlichen Licht darstellte. Weiterhin war er vertraut mit Motiven der
Volksbuchtradition, vor allem mit der protestantisch-orthodoxenM ahnschrift Nikolaus
Pfitzers(1674) sowiewahrscheinlichmitdemdarananknUpfendenhalbunterhaltsamen,
halb moralisierenden W erk des Christlich M eynenden ( 1725) , das immerhin ein
Jahrhundert lang ein inDeutschlandh6chst beliebter Lesestoff war. ln beiden W erken
findet sich dasM Qtiv einer zur Gelehrtentrag6diegegenlaufigenLiebesgeschichte. Nicht
zulet2t mag auch dieauf der barocken Opernform beruhende Singspieltradition in ihrer
BIUteder Jahre1750-70 der Vermittlung desFaustthemasgedient haben.
1 N ach Geissler verk6rpert M arlowes Faust den titanenhaften M achtwillen des
elisabethanischen Zeitalters .
(Geissler, HorstWolfram. Gest(11tungedesFaust. Hildesheim/N.Y . 1974. 137)
2 ders. 295.
Marlowe (1604) , ist
bereitsgekennzeichnet durch einewesentlich individualistischere Tendenz, wie sie in der
psychologisch aufgearbeiteten inneren Biographie des Fausttypus zu erkennen ist, und
tragt somit neben mittelalterlichen Ztigen auch jeneder Renaissanceund des Barock1
W iederum eineNeuheit stellt Lessings fragmentarischeGestaltung der Faustfigur
dar, da hier der neueGeist der Aufkliirung in den altenStoff ei11eBt. LessingsAnsatz
wird als entscheidendeW endung durch die Umbiegung der Sage in die Richtung des
klassizistischen Humanitatsideals2behandelt
Auch im unmittelbaren zeitlichen Umfeld des jungen Goethe entstanden
Bearbeitungenjener Thematik; alswichtigsteseienhier dasFragment vonM UIler unddas
PrOsawerk Klingerszu nennen, welchebeideunter dem starken EinfluB ihrer Zeit stehen-
und dasM enschenbild jener Epochewiderspiegeln.
Zu GoethesFaust. Um 1TIS entstanden zunachst einzelne Szenen, denen noch die
dramatischeVerknUpfung fehlte, zumal nochkeinHinweisauf denTeufelspakt enthalten
war. Doch ist hier der Charakter des Faust zu erkennen, wie Goethe selbst ihn aus der
Verschmelzung vorgegebener M otive, Eimsseund eigener Erfahrungen geschaffen hat.
Der Ei 1uB der italienischenReise, GoethesErkenntnisder klassischenW erte ( vor allem
der geistig-sinnlichen Einheit des antiken M enschen) und deren Unvereinbarkeit mit
FaustsZwiespaltigkeit lieBen ihn nach der bruchstUckhaften Erweiterung desStoffes im
FragmeM von 1790 erst z6gernd und unsicher um 1797 wieder an die tiberwundene
Genieepocheund den Stoff der frUhen Neuzeit anknUpfen
Hier nun gelahg es Goethe mit Hilfe seiner klassischen Kunstauffassung, das
subjektive Faustbild zu glatten und vor allem eine logische Rechtfertigung und
psychologischeAusarbeitung desPaktesund dessenVoraussetzungenzu liefern. Somag
auch der Eingangsmonolog, welcher sich in Faust l von den Teten des U (lUSt und des
Fragmets lediglich durch orthographische Abweichungen unterscheidet, trotz der
inhaltlichen Uereinstimmung nur im Hinblick auf dieGesamtkonzeption der Faustfigur
in Faust l verstanden werden und laBt dann Differenzierungen gegenUber den
vorangegangenenEntwUrfenzu
W ahrend der sog. U(mst und das Fr(1gmet unmittelbar mit dem Eingangs-
monolog in das dramatische Gescheh einsteigen (wobei damit hicht gesagt ist, daB
Goetheinseiner ursprUnglichenKonzeptiondenGedankenvorbereitender Szenennicht im
Kopf hatte) , 11egt im Faust l einesorgfaltig arrangierteEinfiihrung durch das yorsd
a demTheater sowiedenPrologim Himme1vor, derenVerklammerung klar dieneue
Dimension von Goethes W erk erkennen laBt: Bestand im M ittelalter und Barock der
Anspruch eines dramatischen W erkes v(jrwiegend in der W ahrscheinlichkeit,
Unmittelbarkeit und ldentifikatonsm6911chkeit - stets unter der Voraussetzung eines
festen Rahmens in Form der g6ttlichen Ordnung, wie im Prolog jeweils festgelegt
wurde-, sowird bei Goetheklar der Dichter alsoberstelenkendeundschaffendelnstanz
299GoethesGestaltung desFaust-Charaktersim Eingangsmon010g jyacylf im Rahmen einer vergleichenden
Betrachtung der Entwicklung desFaust-Stoffesin den nterarischen Gestaltungen vor Goethe
findensichdieindividuellenZagedesFaustcharakterskomprimiert.
2; 1. Kontext
Der Eingangsmonolog erfU11t im Rahmen des Kontets im Faust l eine gEinz
bestimmteFunktion: W ahrendder vorausgehende7)rolog i,m Himmd gewissermaBendas
Thema desDramasskizziert ( = AnkUndigung der Versuchung Fausts dUrch den Teufel
und deren Erlaubnis durch Gott) und die nachfolgenden Szenen dieses allmahlich
konkretisieren(bishinzumAuftretendesTeufels, zumPaktschluB) , bestehtdieAufgabe
dieser allerersten Szenezunachst einmal darin, dieHauptfigur Faust vorzustellen. Hier
definiert. Dieser ironische Vorbehalt hebt eindeutig den Spielcharakter des S ckes-
hervor.
2. DieVerse 354-425 des Eingangsmonologs NacM
und EinfUhlen in die gllnze Natur , wobei zum einen eine aktive Seite ( das Kreative,
Sch6pferische) , zumandereneineaufderreinenEenntnisberuhende, eherpassiveSeite,
hervortreten
Auf welcheArt undW eisegelingt esGoethenun, den historischen Fauststoff, seine
eigeneLebenserfahrung undW eltsicht sowiediephilosophisch-psychologischeTendenzder
Aufkliirung indieser Zweipoligkeit zuverschmelzen? W orin liegt dasUnverwechselbare,
Einmalige ayl diesem neuen Faustcharakter im qegensatz zu den literarischen
Vorgangern?
2.2. Analyse
2.2. 1. 1nhalt
Der zu bearbeitende Textte11 ( V . 354-425) , welcher bereits oben in seinen
dramatischen Kontet eingeordnet wurde, ist schon vom Schauplatz her interessant.
Nachdem Prolog im Himme1, der W eitedesAlls, findenwir unsp16tzlichlaut Anweisung
in einem g gofscyzexl Zfer wieder. Eine Einengung, welche auch den
Protagonisten uruhig a seem Sessd am Pult sitzen laBt. W ie kongruent der
auBereRahmenunddieinnereEnge Faustsgestaltetsind, zeigenFaustsWorte, welche
von UberdruB, Unruhe, Verzweiflung und Wut angesichts der eigenen Begrenztheit
zeugen
lnnerhalb des M onologs lassen sich thematisch und auch atmospharisch bedingte
Schwankungen feststellen, und bei genauerer Betrachtung wird eine geschickte
Gestaltungsmethode nach dem Schema A - B - C - BI - Cl erkennbar4. Nach der
Formulierung desGrundproblems, welchesdieBasis fUr alleweiteren Refleionenbildet
(A = V. 354-359) , folgt eine Erlauterung derselben (BV. 360-375) , und drei
charakteristischeKomponenten werden genannt: Zum einen kommt unmiBverstandlich
dielndividualitat undauch Einsamkeit Faustszum Ausdruck ( 7 & fcgesd der
d dieLaJLfa R irchtemich uXeder uor H6Ueud Teuj el ) , zum anderen
Bevor diesein der anschlieBenden Analyseerarbeitet und zusammengestellt werden
sollen, sei dieGrundidee, an der sich dieCharakterisierung Faustsbei Goetheorientiert,
vorweggenannt, namlichdieauffalligeZweipoligkeit seinesWesens, dieUnausge-
glichenheit und Zerrissenheit.
DasersteParalipomenon3mag alsGesamtdeutung desW erksdurchseinenVerfasser
betrachtet werden: lm Vordergrundstehen demnach das idealeStreben nach Einwirken
300 Agnesvon Hoff
wird neben dem unbefriedi
3
4
Goethe, Johann W olfgang. & imlXicyle We e. M iinchener Ausgabe. Bd. 6. 1053.
Selbstverstandlich darf dabei nicht auBer acht gelassen werden, daB der
Eingangsmonolog nichtunbedingt auseinem GuB entstanden ist.
n,ichtsuXissen, nn,en, ; Bildemir nicht ein, uXa,srechtszu uJisse ) noche weiterer
( 1md sehe, B uW issens- und Erkenn
Punkt angefiihrt, namlich der M angel an Lebenund Lebensfreude ( Dr ist mir auch
d1 Freud eM rissen, ) , und das Fazit angesichts dieger Hauptkomponenten ist ein
wiitend-resigniertes Es m6chte ke. HuTtd so lan,ger lebeR! , ln der Konsequenz, die
Faust darauszieht, ist Bewegung - ein richtungsweisender EntschlufS: C = Drum hab
ichmich der M agieergebeR Hier findenwir den Kern seines Strebens formuliert: Er
m6chte erkeRne71, uXas die Welt Z im lnn,ersten, zus(1mmen,halt , m6chte der Theorie
sch6pferischeKraft entgegensetzen ( dieswird weitergeftihrt in denVersen455f. ) . Nach
diesem Ausbruch in dielllusioneiner ihnbefriedigendenM 6911chkeit folgt ein radikaler
Stimmungswechse1, und dieVerse386-417 ( = B1) , welcheinhaltlich nocheinmal auf die
Verse 360-375 zurUckgreifen und jene noch vertiefen, sind in steigernder Folge
angeordnet5. VermittelndieVerse368-397 unglaublicheM elancholie, W eichheit undLeid,
ausdenenderWunschnachRuhe, FreiheitundEinheitmitderNaturerwiichst, soschlagt
jeneempfindsameStimmungp16tzlichuminWut, VerzweiflungundEkelanderEngeder
Buchgelehrsamkeit ( We V. 380-409) undmUndetschlieBlichindenVersen410-417
1n dietotaleEtkenntnis der Leidensursache, namlich des W iderspruchs zwischen Natur
undW issensdrang ( Uberspitzt ausgedrUckt: LebenundTod) . DiespontaneReaktion- der
Fluchtgedanke Flieh! Auj ! H1(lus ins uXeite Land! , wird gleich im folgenden Vers
aufgefangen in dem bereits angedeuteten L6sungsversuch in Form der magischen
Beschw6rung, gewissermaBeneinem Handlungsersatz6(CI = V. 419-425) , undnunwird
dieM agiekonkret, dieGeisterbeschw6 rung beginnt
22.2. SprachlicheAnalyse
Betrachtet man dieverwandten Zeitformen, so fallt der vorherrschendeGebrauch
des Prasens auf, verknUpft mit dem gegenwartsbezogenen Perfekt ( Habe Run,
Goethes Gestaltung desFaust-Charakters im Eingangsmonolog acM im Rahmen einer vergleichenden
Betrachtung der Entwicklung desFaust-Stoffesin den nterarischen Gestaltungen vor Goethe 301
zum anderen zeichnet sich zum Ende der hier bearbeiteten Passage hin eine deutliche
W ende zum zukunftsbezogenen Prasens ab: )a717xg!! eSeeZexxr r ag/ . So
wird die Basis fiir eine zukunftsweisende Entscheidung Fausts in Goethes W ahl der
5 Dieser aus dem Rahmen fallende Teil wird oft als neuer, in sich entworfener
M onolog angesehen und spricht fUr dieA nnahme, einzelnestinlmungsgebundene
Szenen seien im aas notdiirftig verkntipft worden. (s. Arens, Hans.
TomMeM r a Goe sF aas Heidelberg 1982. 80)
6 Arens83.
Esgeht demnachum FaustskonkreteaugenblicklicheSitugtion. Jetzt undhieT, uRruhig
a/ see& ssd? e, reflektiurterUberdas, wasererreichthatundjetztbesitzt.
DieResignation angesichtsder eigenen Unvollkommenheit, der Unzulanglichkeit deen,
wassichihm bietet, 1aBt ihnzum einen melancholischin (jieVergangenheit zurUckblicken
( Danjn, erschienst du mir! ) und - daran ankniipfend - im irrealen Konditiona1
ausrufen Obm1 nicht m(1nchGeheimnisuJ deh Rd ; Ach! K 6Rnt ichdoch ,
Agnesvon H off302
Zeitform sprachlich adaquat gestaltet.
Auffallend ist indiesem Zusammenhang auch der Perspektivenwechse1, welcher die
gedanklicheEntwicklung widerspiegelt. - W ahrend im ersten Te11 ( bis V . 408) 1ediglich
in der L Person Singular gesprochenwird und allesnur um das lch kreist ( diesgenau
ist ja das Problem Fausts: mitsamt seinem W issen und seinen Errungenschaften ist er in
sich selbst und der igenen Unzuliinglichkeit gefangen) , hebt sich Faust im zweiten, nun
nicht langer wehmtitig oder resigniert-wUtend, sondern klardenkend und entsch10ssen
wirkenden Te11 ( V . 409-429) deutlich yon seinem !ch ab, setzt sich ihm quasi gegentiber
und halt dem eigenen Zweifel und der Verbitterung einen ganz konkreten Appell zum
Handeln entgegen: L:)|lslis/ldllellellyW IX| 7Lldalgsl| xxlocyzl, vlalr| !j lelrz /
Sich ba7- -
ein6m neueniiberwundenwerden.
Eine wichtige Rolle spielt die W ortwahl, vor allem im Hinblick auf die noch
folgendegrtindlicheEr6rterungder spezifischenStilmittel im Eingangsmonolog. lm Feld
der Substantive, die den gr6Bten Raum einnehmen, finden wir vorherrschend zwei
Herkunftsbereiche, welchediebeiden inFaust miteinander ringendenW elten verk6rpern:
auf der einen SeitedieW issenschaft, d.h. dieW elt der Gelehrten, deren neutraleTermini
(j)yziZosoyzfe, Jxrfserj , j& z, )oor, ser, aej)er, ? , acyzeryzax/,
GZaser, &d sexx, MsrameMe dc. ) durch erganzende Substantive eindQutig negativ-
emotiv dargestellt werden ( 710r, /:ye71, S j Wissetxs9z, jaerZocyx, err,
Wara, & z&, lzcyz, jo& r, 77erge, 70exx& ) , auf der anderen Seitedie
positiv dargestellte sch6pferische, 1ebendige Natur ( W fs , Setz, ar,
Sedentetc) . GleichermaBenunterstreichendieveryyandtenVerbenundAdjektive
jeneZweipoligkeit: ,
studier , Worten, kr(lme, klemmeR, hemmen
etxxxexx, g , s , de
sctuer, trbsdig, ue cht, dumpJTI, beschrankt, unerklart, trochen
: l i e b g e s u d j e b e n d i g , u J e i t .
Kennzeichnend fUr den Satzbau ist ein Vorherrschen der hypotaktischen Struktur,
wenn Faust reflektiert ( indiesem Zusammenhang sei auf dieder Verstarkung dienenden
W iederholungenj n den Versen 360, 371f. , 380ff. und 392-396 zu achten) . Kgrnaussagen,
dieeinen Stimmungswechsel in sichbergen, sindparataktischgestaltet oder bestehennur
auseiachenlmperativen ( DaEitehichu, icharmerTor! ; Esm6chtehe Hundso
xlger Ze& Wysed f & x71err M)c Z)as fs e WeZ7 ds /
eeWelt! ; Fneh! Au Hin,atts,su)eiteLand! ) .
Auch ist dielnterpunktionvonnicht zuunterschatzender Bedeutung, denndurchdie
zahlreichgn Ausrufungszeichennach denKernaussagen, denenoftmalsein Gedankenstrich
alsAusdruck angestauter Gedankenkettenvorangeht, wirdein1Qbendiger, kraftvoller Stil
erzeugt, w elcher Fausts inneren Kampf in seiner Zwiespaltigkeit unterstreicht ( V . 354 ;
303GoethesGestaltung desFaust-Charakters im Eingangsmonolog y cM im Rahmen einer vergleichenden
Betrachtung der Entwicklung desFaust-Stoffesin den nterarischen Gestaltungen vor Goethe
364; 375; 409; 418)
Dem gleichen Zweck, namlich der angemessenen Ausgestaltung jener
Stimmungsschwankungen, dienen diesprachlichenM ittel der Felder M etrik / Rhythmus
sowieKlang / Reim/ Der ganzeerstePart, in dessen Zentrum Fausts Lebensgeschichte,
seineUnzufriedenheit und auch schon vage Hoffnungen auf eine etwaige L6sung stehen
(V. 354-385) , steht in lebhaften, oft unregelmaBig wirkenden Knittelversen, dieder
UnruheFaustsAusdruckgeben. DieViertakter abV . 386 sind- gemaB dermelancholisch-
weichen Aussage- zunachst ruhiger, flieBender (manbeachtedieBelebung desRhythmus
bei Faustssehn chtigem Phantasieren indenVersen394f. ) , dannharter, bewegter, bis
ein Umschlag desReimschemas vom Paar- zum Kreuzreim (V . 402) - noch einmal von
einem umfassenden Reim als letzte Steigerung durchbrochen (V / 406-409) - auf einen
inhaltlichenUmschwung hindeutet. D er p16tzlicheGleichfluB ab V . 410 entspricht genau
der dort ausgedrUcktenK1rung der GedankenFaustsbishinzur eplizitenEntscheidung.
Die Passage der Geisterbeschw6rung im AnschluB wurde von Goethe ihrem feierlichen
Charakter gemaB inM adrigalversengestaltet, diedanninunmittelbar ansprechendefreie
Rhythmen iibergghen. Besonderes Augenmerk verdient die W ahl des jeweiligen
Endreimgeschlechts: Sosteht denweichen, schwelgendenweiblichenReimender Verse394
-397 p16tzlich ein ganzer Abschnitt harter, kurzer mannlicher Endungen gegenUber, hier
als Ausdruck deTW ut, desEkels, der Verzweinung. j
2. 2. 3. Sprachlich-stilistischeAnalyseunter besonderer BerUcksichtigung der
Charaktergestaltung
Offenbart sich zu Beginn des M onologs zunachst der wortgewandte Gelehrte, der
ausseinem innerenEmpfindenheraus, aberdennochweitgehendbeherrscht, seinemiBliche
Lagezum Ausdruck bringt ( Zeugma: V . 361ff. ; Stableim : V . 374 ; Aufzahlungen V . 362 ;
367) , so tritt allmahlich einetieferemenschlicheBetroffenheit in denlVordergrund,
schwach-empfindsam eingrseits, watend-verzweifelt andererseits. Vor allem die
lnterjektionenindiesemzweitenTeil belegendies(V. 386; 392; 398) . SeineSchwachelund
Das Ergebnis der hier im einzelnen aufgefiihrten sprachlichen M ittel des
Eingangsmonologsin ihrem Zusammenspiel ist eineungemeinlebendig wirkendeSprache,
welchein Klang undRhythmusunmittelbar dieinnerenRegungen desProtagonisten, vor
allem dessen Zwiesp1tigkeit als Kernproblem der gesamten Trag6die, widerzuspiegeln
vermag
AuchwennGoetheseinen U(mst hinsichtlichder SprachedesSturm undDrang als
barbarische Komposition bezeichnete, nahm er doch keineVeranderungen mehr vor.
Somit darf der Eingangsmonolog ungeachtetverschiedener Theorienzu dessen
Entstehng, zur Zusammengeh6rigkeit einzelner Verseund Szenen doch als einheitliches
Ganzesbearbeitet werden.
304 Agnesvon H off
Unkontrolliertheit Uberwindend lenkt Faust seine Aufmerksamkeit dann auf ein
konkretes Zie1: dieM agie
Eineder wichtigstenRollenspielendieBilder undSymbolein ihrer Bedeutungstiefe,
denn hier offenbart sich das Neueder Goetheschen Faustgestaltung im Gegensatz zum
Urstoff und den Vorlaufern inder dramatischen Dichtung. W ar bisher die Fausthand-
1ung in einen festen Rahmen innerhalb d6r g6ttlichen Ordnung eingebettet und Fausts
Verhalten, wenn auch in unterschiedlicher Auspragung, so doch stets unter der
Voraussetzung eines Ubergeordneten GotteS gedeutet, so bringt der Fzs 7 1n der
bewuBten inhaltlichenVerknUpfungdes Vorspiels mit dem Prolog im Himme1 eine
neuePerspektive, indem namlichalsoberstelstanznichtmehrGott, sondernderDichter
gesehen und das W eltgeschehen klar als Schauspiel definiert wird, so daB
gleichermaBen eine nbertragung .der bisher konkreten Welt auf die symbolische und
mehrperspektivischeEbeneerfolgt
Betrachtet mandenEingangsmonolog unter diesem Blickwinke1, sovermag manden
hier noch ganz konkret anmutenden, durch den substantivischen Stil verstarkten
Beschreibungen etlicheHinweiseauf eineabstraktepsychologischeEbeneentnehmen
Das mit lnstrumenten, Btichern etc. vollgestopfte kleine Zimmer wird eplizit als
Kerker bezeichnet. Und so muB man auch die innere Gefangenheit Fausts in seiner
dumpfen, erkalteten Gelehrsamkeit, in diedas nebeHimmdslicht ( die Sonne ist hier
als Symbo1 r warme, 1ebendige Kraft und Lebensgliick zu sehen) kaum mehr
durchzudringen vermag. Sein Herz , d.h. sein wahres, echtes Gefiih.und die
sch6pferische Kraft, Zex?1 in seinem Busen, da es ihm eben an der Zd
Natur , der urspriinglichen Sch6pfung als dem ihm gemaBen Lebensraum mangelt
Stattdessen droht jene Kraft zu ersticken: Staub, M oder, Tiergeripp, Totebe et(
stehen ftir dielebensfeindlichen, verkopften Theorien der W issenschaft, fUr roes,
fruchtloses SiylneR. Einer inneren Unendlichkeit steht hier die beschrankte und
beschrankendeAuBenwelt gegeniiber bzw. im W ege
Als sehr symbolbeladen erweisen sich denn auch dieW unschvorstellungenundSehn-
sUchte, diQFaust so leidenschaftlich artikuliert. Der lyoZXe jozxxxse mit seinem
neben Lichte verk6rpert dieruine, freieNatur und einen Genhalt fUr den irrenden
Nylenschen7. DasM otiv des SchuJebeRs , verknUpft mit der 6rtlichen Bestimmung altJ
Bergesh6hn bringt die Sehnsucht nach Losge16stheit, Freiheit von menschlichen
Zwangenzum Ausdruck, ebensowieder Dax71er ( im Blick auf das Dunst undNebe1-
M otiv in der Zueignung als sch6pferischer HalbbewuBtseinszustand zuverstehen)
sowie der Vergleich von einem Bad im Ta dem W unsch nach Ruhe und innerem
Frieden, nach Reinheit undnachHarmoniezwischenM enschundNatur entsprechen
Das geheiisuoUe Buch uon Nostr(ld(lm eigner Had j edoch steht ste11-
7 R equardt, Paul. GoelesF aasl eilmoii axxdylrcylile/xr. M anchen 1972. 65.
GoethesGestaltung desFaust-Charakters im Eingangsmonolog y & n m Rahmen einer vergleichenden
Betrachtung der Entwicklung des Faust-Stoffesin den nterarischen Gestaltungen vor Goethe 305
vertretend ftir dieHerrschaft der M agie, der sich Faust hingebenwiII , und siegeradeist
es, dieihn an einer Riickkehr in diefreieNatur letzlichhindert. Nunwidmet er sich der
Sphare, in der ein Gs zMx71 axlrexxGds sprfc . - Es genUgt ihm nicht mehr das
reine Aff7xGdsex7x-SchuJebe , sonderner will erkennen, ergrUnden. Zwar bezeichnet
er dieNatur alsPersonifizierung der allumfassenden Wisheit ( siekann xMeraydse
V . 423) , dochbegibter sichgleichzeitig wieder ineinenihrer Teilbereiche; er schautsomit
niedieNatur selbst, sondern immer nur Zeichen von ihr. 8
Bis es letztendlich zum PaktschluB kommt, unternimmt Faust nEich dem erst
MonologunterschiedlicheVersuche, zueiner L6sung seinesDilemmaszugelangen, d.h
eineM 6911chkeit zu finden, diebeiden t ed , meer rMs ( dieirdischeund die
transzendente) zu vers6hnen, sei esdurch diereineVernunft, dieEntgrenzung (den
Selbstmordversuch) , die relig16se Suche nach dem Einheitspunkt, die magische
Beschw6rung der Geister. Doch erst in dem M oment, als Faust einer C)ffnung zur
Transzendenz, namlich zur LiebeGottes, ganz nahe ist (V . 1178f : Es reget sich die
Men,scheiebe, Z DieLiebeGottes regt sich Ru ) , wasMephisto in seinem genau
gegenteiligeh Bestreben der W ette, Faust namlich auf die irdischen, tierischen Triebe
herabzuwtirdigen, anstachelt, bahnt sich in diesem Kampf der beiden Seiten der
Gipfelpunkt an, welcher dann in der zweiten Studierzimmerszene durch den radikalen
Umschlag erreicht wird: DurchM ephisto geschickt verunsichert und geschwacht, flucht
Faust dietranszendierende Seele und sogar die christlichen Kardinaltugenden, und hier
nun vermag Mephistoanzusetzen.
Doch zurUck zum Eingangsmonolog, der diese Entwicklung zwar nicht in ihrer
Komplexitat implizierenkann, jedoch dieentsprechendeDispositionin FaustsCharakter
offenbart. Die kontrastierenden Bildmotive dienen der Vorbereitung von Fausts
Ausbruch aus der Enge; die bildhafte Beschreibung in ihren unterschiedlichen
Auspragungen vermittelt eindrucksvoll die jeweilige W ertung jener Bereiche, deren
W idersprUchlichkeit Faust in eineetremeSpannung setzt
lnnerhalb der groBenZweipoligkeit von Tr(lnszen,denz Erden.1eben, 1assensichnoch
Abstufungen vornehmen. V6111g negativ wird das trockene W issenschaftsdenken
gezeichnet, dem esan Leben, W armeund Tiefemangelt. DieseslieBesich notfalls noch
ertragen, wenn eswenigstenskonkrete irdischeVorteileerm6glichte: F aust ist sich jener
irdischen GenUssesehr wohl bewuBt und beklagt nicht vorrangig seine Unzulanglichkeit
der Erkenntnis transzendenter Zusamenhange bzw. des produktiven Einwirkens in die
allumfassendeOrdnung, sondern zunachst einmal ganzobanal den M angel an Geld und
Besitz, weiterhin anAnerkennung (V . 374f Erst nachdem ihm dieirdisch-mensch! ichen
Freuden verwehrt sind, geht seine Fragestellung tiefer, und seine anfangs konkret
8 Hamm , Heinz. Goethes Faust WerkgeschichteundTetand yse. Berlin 1978. 28.
verstandeneFeststellung Da r ist mir ch (IUeFreud eM rissen hrt im weiteren
Verlauf zum Grundproblem hin, imlich dem M angel an Freude im Sinne von echtem,
tiefempfundenen Leben, Seelenkraft im BewuBtsein deT lebendigelTatur Die Liebe
Gottes und die Liebezu den Menschen als lnbegriff dieser ersehnten Kraft kommt in
diesem Zusammenhang noch nicht zur Sprache, sondern Faust laviert noch vagezwischen
passivem NaturerZ und dem eingeschrankten Bereich aktiver EinwirkUng durch
magischeBeschw6rung
306 Agnes von H off
9 )sFaxs161cyxdes Cyxrislicyzj?y4ende . Hrsg. vonGUnther Mahal. K nittlingen
1983 4.
3. Der Faustcharakter
3.1. Der Faustcharakter in den literarischenGestaltungen vor Goethe
Vergleicht man nun den Faustcharakter, wieur sich dem Zuschauer / Leser in dem
hier bearbeitetenM onolog darstellt, mit seinen literarischen Vorgangern, so lassen sich
einerseits BeispielefUr eine motivische Anlehnung Goethes ausmachen, andererseits ist
aber auch einegrundsatzlicheAndersartigkeit desGoetheschen Faust klar erkennbar.
Die Charakterzeichnung der Faustfigur in denVolksbUchern steht, wie bereits
erwahnt, unter dem Einf1uB einer tibergeordneten moralischen lntention. Faust - als
abschreckendesEempel fUr den verhangnisvollen Abfall von Gott, dieSiindeder Hybris
-weist kaum pers6nlicheZiigeauf. DasVolksbuchdesChristlichM eynenden, mehr oder
minder einEzerpt desW erkesvonPfitzer ( Goethehat w(jhl beidegekannt) , erganzt die
faktischen M otive, die in den spateren Dichtungen aufgenommen wrden, durch
moralische Kommentare: Ein Unterschied laBt sich z.B. feststellen, betrachtet man
dessen trockenenBerichtston mit GoethesBearbeitung desStoffes:
Er ch(mgirteauchgar seiStudium Theologicum mit dem StudioM edico, ud
u ter diesem Vorand beeinj leiBigte er si& den H im m L u j ` zu
eorscheT19
Habe nun, (lch! I ) osophie y Juristerei urld M edizinZ Un,d leidef u ch,
Theologiet Durchausstudiert mit hei& m Bem n. (V . 354ff. )
Bemerkenswert ist hier auch die von vornherein negative W ertung der Tatigkeit
Die von Goethegewahlte sprachliche Form, die vom Sturm und Drang gepragte
Unstetigkeit und lnkonsequenz in der Vielfalt der sprachlichen M itte1 (vor allem der
formalen M ittel wie Reim und M etrum) bringen die Grundstimmung Fausts zum
Ausdruck, und gerade die Verse des Eingangsmonologes miissen die Basis fiir jeden
Charakterisierungsversuch der Faustfigur bilden. Hier wird das W esen Fausts in seiner
Komplexitat und Zwiespiiltigkeit vorgestellt und somit der Grundstein fiir die
dramatischeEntwicklung in F(lUSt l gelegt. /
Fausts als der eines W ahrsagers im Faustbuch, des ( :lhrisUich M eyn,enden, ( & z
guter Progn,osticaM , |& xtl| e sel|lelgo|IZose |ht uerbergen. mu,Bte j lo) im
Kontrast zu dem BewuBtsein der Unzuliinglichkeit in bezug auf W issen und
W issensvermittlu , wiesiedem Faust bei Goethe schlieBlich unertraglich wird: URd
sehe, daBur nichtsussen ,en! Bildemnichte, uasRechtsm ussen
Weiterhin laBt sichsehr gut der Ei1uB desZeitgeistesin beidenW erkenerkennen,
betrachtet mandieW ertung objektiv wahrnehmbarer Verhaltensweisen. Sindbei Goethe
der W issensdrang und auch die denkerischen Prozesse in dem Streben nach Erkenntnis
grundsatzlichgut, daauf dem aufklarerischenGeistbasierend, sowertendieVolksbUcher
FaustsTuyl als schad lichen, M gg g , der ihn eZsf laBt, sfcyx
durch e. tejelisches Bandnii,B o f der Wdt gcklich zu mache ! - Ein tiefes
MiBtrauen als6 gegeniiber jeglichem Versuch, in irgendeiner Weise den Machtbereich
Gottes anzutasten.
Noch unmittelbarer alsder mahnendeCharakter jenesVolksbuchesvon 1725 1st der
desUrstoffesvon 1587, einer Zeit, inder dieEistenzder H611eunddieFurcht davor noch
unmittelbareRealitat waren. Sehr hart wirdhieTber dieFigur Faust geschrieben und
geurteilt, seine Verdammnis als gerechte Strafe betrachtet - fUr Gottlosigkeit,
Verstockung und die bewuBte Abkehr von Gott in dem Versprechen, Gott und allen
M enschen Feind zu sein Zwischen den Zeilen kristallisiert sich ein Faustcharakter
heraus, welcher wohl kaum als eigens ndig-individuell gewertet werden kann, sondern
eine zielgerichtete Verkopplung auBerer historischer Fakten und einer didaktisch-
appellativgn lntentiondesSchreibersverk6rpert. Ankeiner StellewirdEinblick inFausts
Inneres gewahrt, und selbst die vielsagendsten Passagen, welche wom6911ch
Verstandnisoder garM itleidweckenk6nnten, werdennUchternundkaltkommentiert, so
etwa jene, in denen Faust am TiefpUnkt seiner V erlorenheit und Zweifel ist und trotz
ErkenntnisundReuenicht denSchritt zur BuBeundzum echtenGlaubenschafft: njun,
h,(lb ichmich selbst gef ge ; . ( er) erzagd e7x& r Gzl Goes - Kommentar
des Verfassers: Jeh6her er steigt, desto tiefer muB er Ue .
W asden 1604 vonChristopher M arlowegeschaffenenFaust betrifft, sobegegnenwir
hier (schonalleindurchdiedramatischeVerarbeitungdesStoffes) zwareinemMenschen
ausFleischundBlut, indessenGedankenundZweifel wir Einblick erhalten, 91eichzeitig
aber auch einem Reprasentanten des damaligen Zeitgeistes zwischen M ittelalter und
Neuzeit. .
Neu ist die diskursive, skeptische W eltsicht der Renaissance, neuzeitlich auch die
psychologische innere Biographie des Protagonisten, wenn auch jene ldeen noch im
mittelalterlichen Gewand erscheinen ( so etwa Elemente Wie - modern ausgedrUckt -
307GoethesGestaltung desFaust-Charakters im EingangsmonoIog jVcM im Rahmen einer vergleichenden
Betrachtung der Entwicklung desFaust-Stoffesin den nterarischen Gestaltungen vor Goethe
ders
ders
5
6
10
11
Agnesvon Hoff308
12 7 0r, ZXi lo a de i exercise, / A nd al xlo d lear s golda
gs, ZHesueitsuponcursednecronlancy; ZNothin,gsosuJeetasmagicisto
m, / p soreMscyxi s ss. (Christoher Marlowe. The
tragical history of thelifeand death of Doctor Faustus. H rsg. von. W . Greg. 0 -
ford 1950. V . 23-27)
UnterbewuBtin/ Gewissenetc. inGestalt des guten/b6sen Engels, die H611e als
seelischer Zustand statt alsobjektivelnstanz) . Vorauszuschicken sei, daB bei M arlowe
diezur V erdammung fUhrendeFehlhaltung nicht in der hybriden AnmaBung, in Gottes
M achtbereich einwirken zu wollen, besteht, sondern Faust vielmehr an mangelndem
Glauben scheitert; angesichts der Eitelkeit der W elt erkennt er nicht seine
Eigenverantwortlichkeit, den Aufruf zu Uerwindung und Gottvertiauen, sondern bleibt
noch im mittelalterlichen Pradestinationsgedanken und alsreiner Empiriker der Renais-
sancQ in Skepsis, D esorientierung und Gottesferne gefangen. D er Schritt zur BuBe im
Sinneder Reformation, welchealleindaspers6nlicheVertrauenauf dieGnadeGottesins
B.11ckfeld stellt, ist ihm fern. Und ahnlich wie im Volksbuch muB dieses Verhalten
vergolten werden, wie schon der Prolog ankUndigt: Aus dem SpieZ Iyotx Fgse71s
SccaZ, otx see z/` gxld A & soll dem Zuschauer ein abschreckendesEempel
begegnen; er soll sich htiten, sich wie Fausts tyoxx & 7xgoZ& ?xM?71 Ga r Wd
ersattigt (` des Teds K.ste zu uXerfeT1 , sich schier mit Nekroman,tik zu
berRehme und ichtssosehruXiedieM agiezu, 11eben, , um dieer seZ&sds6cyzsej
rexxezxSedeSeZi, eracyxd12
W ieandersistdieser Faust im Vergleichmit dem vonGoethegeschaffenen, wiesehr
hat dasenaissance-Denkenhier seineSpurenhinterlassen. - Schonder Eingangsmonolog
charakterisiert ihn treffend: DiekraftvolleSprache, oft knappundeindeutig, mit vielen
lmperativen, verk6rpert in ihrer Forschheit ein selbstbewuBtes, sogar tiberhebliches
Denken, welches nicht im mindesten mit den tiefen Selbstzweifeln, der Schwache und
Zerrissenheit des Goetheschen Faust vergleichbar ist. M arlowes Faust ist noch
vollkommen verwurzelt in weltlichem Streben, seine Hinwendung zur M agie bedeutet
keineSuchenach dem Lebenssinn, sondern steht im Rahmen unbandigen ssensdrangs,
einer Faszination durch dieAussch6pfung aller verftigbarer, konkreter M ethoden. W ie
begrenzt erschginen von auBen gesehen seine verlneintlich 1yeetzseMee, reicht
doch dievonihm erstrebte Gottgleichheitt nuT souXeit desM enschen, Denken schuXeij ty
Nur vorstellbareDinge, gar j retxzeose WoZZzs sind es, wonach er strebt, und noch
lange nicht das, was die W dt im ln,n,ersten, zusammen,halt ; dieses Fehlen der
GoetheschenDimension, namlichder Zwiespaltigkeit einesFaust inseiner Suchenachder
ldentitat und dem Ursprung aller Dinge, bezeichnet den Hauptunterschied zwischen den
beidenVerken.
Die W issenschaftengenUgen dem unersiittlichen unddoch in seiner Beschranktheit
fast lacherlich wirkenden, trotzig auftretenden Faust nicht mehr; er hlt sich eiRer
rezzSacyzexxjUrd als der Analytik, erhebt an dieMedizin dun Anspruch auf die
Fahigkeit, den Tod zu Uberwinden ( und damit auf dieGott allein vorbehaltene M acht) ,
begegnet der aberholten Verdammungstheologie mit anmaBender und sp6ttischer
Verachtung. T
Z:i isbasest of thethree, y U leascmt, harsh, contemptible, (lnd
uildj S)eRdiumpeccatimorsestHd SUpedmThereuJ(lrdtoj is
de(1t: thatsh(1rd 14 Wyzd dod recZjyoMyxfst Cyzeser& ser& / W
beshaU bet Dk, e 15
W iefasziniert ist er hingegenvon denmagischenSymbolender M etaphysik. M acht,
EhreundA11gewalt erhofft er sich, undnicht die ZdeSeeZex1r , dieErkenntnis
der alleswirkendenNatur. GoethesFaust ist Uber einsolchesDenkenweit hinaus, bereits
auf einem Standpunkt, wo er W erte wie Gut, Gdd, Ehr ud Herrlichheit der Welt
bereitsabgeschrieben hat. Kennzeichen fUr diese Unreife des M arloweschen Faust ist
dieTatsache, daB er erst dieFakultatenmustert unddann verwirft, wahrendbei Goethe
dieser ProzeB langst abgeschlossen ist, wiedasresignierende ach! erkennen1 t.
Ahnlich sind sich diebeiden Faustcharaktere von 1604 und 1775/ 1808, was ihre
Ungeduld, dieUberschaumendeKraft und individuelleSelbstbehauptung angeht:
309GoethesGestaltung desFaust-Charaktersim Eingangsmonolog jVcM irn Rahmen einer vergleichenden
Betrachtung der Entwicklung desFaust-Stoffesin den literarischen Gestaltungen vor Goethe
13
14
15
16
17
ders. V . 107f,
ders. V . 39f.
ders. V . 45f.
ders. V . 34f
Soweit geht Marlowe auqh, doch eben nicht weitef : Ganz neu ist bei Goethe
geradedieelementareErkenntnis, ihm sei dai1cd XeF relxdeM risse71.
(Marlowe) n issaxsamercaa & lxe/ yzosM xzo a-
ex7x , / 700 seriZe
(Goethe) Mich,plageederSkrupdn,ochZuXed, ZFrchtemich, uXederuor
H6Ue Roch Teuj e ( R . ) Es m6chte ke Hud so la er leben, !
( F. XZ) .
Vor allem der nach GenuB und Tat strebende Faust des Sturm und Drang, dem
Sinnlichkeit noch tiber Seelenheil geht, weist noch am ehesten Parallelen zu M arlowes
Gestaltung auf, wenn auch sein Streben eben durch dieneueDimension Geftihlssubjek-
tivitat wesentlich tiefer zielt alsdasdesM arloweschen Faust. Bleibt in dem englischen
Drama der e unerschrocken diesseitig, so 6ffnet sich spatestens im Faust l eine
Symbolwelt fUr Faust alsdensuchendenMenschender Neuzeit.
Das inDeutschlandverbreitetePuppenspiel vom Doktor Joh(ulTI Faust ( erst 1872
von Kar1 Simrock kompiliert) entstand auf der Grundlage der StUcke englischer
W anderbtihnen und deutscher Volksschauspiele, welche wiederum an M arlowes W erk
anknapften. Das Puppenspiul weist eine starke Vereinfachung der dramatischen Tiefe
Agnesvon Hoff310
diesesW erksauf; eineBetrachtung desEingangsmonologs (wieer Goetheganzsicher als
Anhaltspunkt fUr dieeeneBearbeitung des Stoffes diente) , wirft ein bezeichnendes
Licht auf den Status des Faustcharakters in den Augen des Volks, wie er lange Zeit
erhalten bleiben sollte. - Charakteristisch fUr die Puppenspieldramaturgie ist die der
unmittelbarenjZuganglichkeit dienende Einfachheit und Klarheit der Sprache sowie der
Aussage. lm Vordergrund steht das irdische Elend des Faust, welchet den Ste der
Wdse in der ErgrUndung ?orger 71/etxder tVr zu finden hofft, und die
pers6nliheProblematik wirdoftmalsauf eineganzeinfachezwischenmenschlicheEbene
verlagert: SouJeit habichsmm mit Gelehrsamheit gebracht, 7 DaB ichd erorteuJerd
(U lngenausovereia(;hter Form werdendieim Zwiestreit stehendenStimmen
desUnterbewuBtseins (bei MarlowQzumindesteinb6ser bzw. guter Enge1) recht und
linksvonFaust im BaB undDiskantplaziert
Noch eindrUcklicher wirkt der etrem schnelleEntschluB Fausts, dessen praktisch-
forscheBerechnungen in ihrer Oberflachlichkeit in keinem Verhaltniszu den kompliziert
strukturierten VerkniipfungendesFaust bei Goethestehen, wo ja genau diesePhasen des
ZweifelsunddesSchwankensbishin zunl endgtiltigenPaktschluB denGrundtenor bilden.
(BeispieLausdemPuppenspie1-Faustangesichtsdes AbgesandtenvonPlutosReich:
VieUeichtdesTeelsAn,ueru dter. ZDoch, machstdu michgmc ch, u duoUkommen, .
yDasist meiWunsch, dasmuBmirrommel Stimmezur Rechta J aB (lb uortmir;
Stimmer Li e, ich j olgedir; M achemichgmclich d oh eFehle. )
18 s. A nhang zuHamm , Heinz. Goeyxes Fxxslj Wergesccyzelxnd ntxla71se
Berlin 1978, . und Hende1, Gerhard. V on der ldeutschen Votkssage zu Goethes
Fau,st Weimar 1972.
theologischen Negativgestalt, fast schon einer Karikatur dargestellt, so wandelt sich
diese seit Goethes Bearbeitung des Themas in der Tradition der Gelehrtendarstellung
Rembrandtszu einer positiven ldealfigur18
Eine verstandnisvollereundpositivereEinschatzung der Person Fausts und dessen
Streben findet sich erstmalsangleleglt bei Lessing, dessen Fauslt-Fraglment von 1759 vom
nQuen aufkla rerischen G eist zeugt und gew isserm aBen eine B riicke bildet zw ischen der
Volksbuchtrag6diebzw. derenGestaltung durchM arloweauf der einen und dem W erk
Goethesauf der anderenSeite. Hier gilt der W issensdrang desM enschen sogar sdessen
edelster, 96ttlicher Trieb. Verhangnisvoll wirdesnur dann, wenn der M enschsich ni(jht
mit der ihm erlaubten reinenAnnaherung andieErkenntnisder W ahrheit begniigenw111,
sondern nach deren Besitzundsomit nachHerrschaft undM acht strebt. DieVerfUgung
311Goethes Gestaltung des Faust-Charakters im Eingangsmon010g jVaa t im Rahmen einer vergleichenden
Betrachtung der Entwicklung des Faust, Stoffesin den nterarischen Gestaltungen vor Goethe
Uber das lnstrument des W issens(dursts) liegt in der Freiheit des M enschen, und da
prinzipiell das Suchen und Streben gottgewollt ist, kann im Sinne Le6sings eine
VerdammungFaustsgar ni(jht mehr inFragekommen. Hier liegt somit erstmalsder
Hinweisauf dieM 6911chkeit einet Rettung / Er16sung Faustsvor. FUr einenTeufelspakt
und somit eine dramatische Entwicklung existiert im Fragment Lessings kein
AnknUpfungspunkt, und m6911cherweise wurde aus diesem Grund das W erk nie
fortgefiihrt und vollendQt.
DieFaustfigur selbst erscheint bei Lessing in einem positiven Licht. Das beweist
nicht nur dieTatsache, daB in dem Arrangement desVorspielsFaust einePosition ber
dem Heiligen erhalt, sondern vor allem der Hinweis, daB Faust nicht von Anfang an
sUndig ist, sondern erst mit etremem Aufwand ver hrt werden muB. Leider ist in
Lessings Fragment ein direkter Ansatzpunkt fiir einen Vergleich mit dem
Eingangsmonolog bei Goethenichtgegeben, undsokannesandieser Stellenur bei diesem
als Erganzung der Zusammenschauverschiedener Fausttypendienenden knappenHinweis
bleiben.
Der Vollstandigkeit dieser Zusamm6nschau halber sei noch die Auspragung des
Faustcharakters im Sturm und Drang erwahnt, denn wieder offenbart sich hier, wie ein
19 Slxxrm lyldl )ran& )ic/11xxngetl lnd lyxeoreliscllet ele. Hrsg. von HeinzNicolai.
Bd. II . M IUnchen 1971. 1300f.
20 Zit. nach Geissler, HorstW olfram . GeM,lga des Faas. H ildesheim/New
York. 1974. 438.
21 ders. 445.
bestimmter Stoff niemalsnur arXyi rwird, sondernstetssrlxxtleM im Diensteganz
konkreter Str6mungen desjeweiligen Zeitgeistes ist. So wirkt im Vergleich zu Goethes
Faust die von Friedrich M U11er 1778 1n seinem Fragment skizzierte Figur fast
erschreckend kraftvo11 ( Stichwort ist der Begriff vom staen, gro& R Ker1 ) :
e Ker1, der d leseeK raj t gefaMt, ge Mt deZage1, deR Gmck uRd
Schicksal ihm anhielt, dener gern zerbrecheuJoUt, un,dM ittd und Wegesucht
-M ut geTlug h(1t (IUesederzuuJee(1s Weg trat un,d ihn, ue dem u)
- DasEmporschuJgeRsohochd sm6gnchist esliegt dochsogan,z der
7Tatur Esgibt M omeRteim Leben. . u)o dasHerzsich, sdbst bersprgt,
uXo der her r li chste, beste K er l , t r ot z G erechtig hei t u Ttd G gsetz , ab so t a ber
s i c h s e l b s t h i n a u s b e g e h r t .
M oralisch wertend und somit stark intentional bestimmt ist der ? in
FriedrichM aimilianKlingersProsawerk von 1791. DieAnsatzesind zwar ahnlich wie
bei M tiller ( Frahj (mder dieGreRzen, der M enschheit zue d sti mit d lder Kr(t
dagege71 anoum sieaber die Wchkeit htiberzuriicken, ) , doch die Starke Fausts
wird ihm hier als Hochmut und Kursichtigkeit ausgelegt, sein 7 )r g 71 Wissexl,
Dra nach Gen;uS un.d Freiheit hrt ihn in. ein auswegloses Labyrinth, da er
3.2. De17Faustcharakter bei Goethe: VergleichendeBetrachtung der drei
Entwicklungsstufen Urfau8t - Fragment - Fau8t l
Um nundenBogenzurUck zur TQxtanalysezuschlagen, soll der Charakter desFaust,
wie Goethe in konzipiert hat( klar von den anderen abgegrenzt und seine besonderen
Merkmalehervorgehobenwerden
Zunchst einmal mUssen die verschiedenen Auspragungen des Faustcharakters im
sog. ags, im Faust- Fragmet und im Faust l klar getrennt betrachtet werden,
denn ein jedes dieser W erke tragt in sich jeweils eine Stufe der /im stetigen W andel
begriffengn Entwicklung des Autors. Nach Arens ist die rkliche E heit der
Fausigur nichtdieeinesnormalenDramenhelden, sondern eesichsgesamtaber60
Jd reerstreckendeSelbstaussagedesDichters.
lmUaustbegegnetunseinmittelalterlicherGelehrter, dernacheinerSynthesevon
W issen und GIUckserfahrung strebt, deT der Vergangeheit see wissenschaJUiche
Arbeit nachden LeitorsteUungeeirter dieN (ltur uerletzenden Theologiedes Theismus
sgerichtet hat und n , deren Falschheit & 1sehen muB 4 Die Zwiespaltigkeit und
Zerrissenheit desCharaktersin dieseT krisenhaeUmbruchsituatio , wie sie in der
extrem vielfaltig gestalteten und entsprechend unruhig, unausgeglichen wirkenden
Sprach6 kraftvoll zum Ausdruck kommt, ist in ebendieser Form bisin denFaust l hinein
erhalten
DiefUnfzehnJahrespater entstandenenneuenSzenendes FragmeM s spiegelnzum
Teil die Einfmsse, der ltalienischen Reise Goethes wider, von welcher er kritischer und
analytisch denkender zurtickgekehrt war. Der gealterte Stubengelehrte Faust des
16. Jahrhundertsbedarf einer VerjUngung, um seinem Strebengerecht werdenzuk6nnen.
Doch steht er seinem Vorganger nochganznahe, nur wird hier dieEins(jhrankung auf das
lrdischestarker akzentuiert. ln seinem Drang dieWdt he , d.h. in dem W unsch,
alle menschlichen Lebensm6911chkeiten auszukosten, zu greifen, zu genieBen liegt
gewissermaBeneineRelativierungdesUberanspruchsseinesVorgangers, der gleich zum
nbermenschen, zur Gott-Naturwerdenwollte, gleichzeitigsomitaucheineGeringschat-
zungdesmenschlichenGeistes. -BesondersdieV. 224ffund289-294desFragmentsbelegen
312 Agnesvon Hoff
a rnchseiJlem eigeneSdbsG uXelchesder gr6BteGeistmitdem achsta Schaskopf
gemehat) , & 7xF 7MZr,71e&dZej 22
KlingersEpilOgUS laBt ganzklarwerden, daB eseben Gss gibt, die der
Geist desM en,scheR n,icht eM h1ek n,n, un,d soU , und in der strengen Ermahnung zu
Demut, Geduld und Unterwerfung bleibt esbei dieser restriktiven Haltung.
ders. 439.
A rens 75.
H amm 26.
ders. 24.
22
23
24
25
dieseneueTendenz:
Und uJ(1sder ganzen M eschheit zugeteilt ist y WiU ich 1Tt meinem inTtern SeU)st
gene& 71, ZMitmeemGeistdasH6chstu ,dTit
aUeSchatze y Des M enschengeists a mich herbeigeraj , 7 lch b n,icht um e
H rb t h6her, yB dem Uned lichennicht n,aher.s
Die Subjektivitat des in sich zwiespaltigen Uaust widerspricht der durch die
Antikegepragten Anschauung Goethes vom geistig-sinnlich einheitlichen M enschen und
wird von ihm - ahnlichwieim Fall des jungenW erther - im nachhinein kritisiert. Doch
erst im F u s H iegt gewissermaBen eine einheitliche ZuJiespaltigkeit vor, und zwar in
dem idealeRStrebeRn(1ch, EiJheRuRdE h,1en, dieg(IRzeNattwieesbereitsim- -
Ersten Paralipomenon ange hrt wird. K lar erkennt Faust die Verschlossenheit des
UberirdischenUnddieeinzigeM6911chkeit, nur inder irdischenWeltsch6pferischseinzu
k6nnen. Er geht - im versuchten Selbstmord - bis an seine Grenzen, um endlich die
Eistenzeiner umfassendenOrdnung zu begreifen.
W ichtig zu erwahnen ist in diesem Zusammenhanlt die neue Dimension des
Goetheschen Faust, welcher namlich Volksfabel und eine komplee philosophische
Deutung verschmilzt Zu der Forderung nach dichterischer IRdiuidualitat tTitt nach
Schillers Aussage jene an eine syz71&oZfsd e es 27. 1m Kontrast zu den
literarischen Vorgangern steht Goethes Faust der Tradition Shakespeares nahe und
erm6911cht eineldentifikation durch dieindividuelleCharakterzeichnung
W ie aus dem Vorspid (1 dem Theater ersichtlich wird, !:)edarf dieser Faust in
seinem innerenW iderspruch einer Verjtingung, welchegleichsam den Bezug zum wahren
Lebenwiederherstellenso11. W eiterhin verk6rpert Faust zugleichH6hepunM und Krise
desSubjehtiuismus28, insofernalsGlauben und W issen nun keineEinheit mehr bilden.
Diesetiefenpsychologischen Ansatzein der Gestaltung desFaustcharakterskennzeichnen
GoethesW erk in besonderem M aBe
313GoethesGestaltung desFaust-Charakters im Eingangsmon010g jVacM im Rahmen einer vergleichenden
Betrachtung der Entwicklung desFaust-Stoffesin den nterarischen Gestaltungen vor Goethe
33. GoetheundseineFaust-Konzeption
Goetheselbstnunskizziertseinen Faustcharakter als (mJder H6he, ujohin, dieneue
Ausbildung (ulsdem (11ten, roherVolsmarcherl den,sdbeR heruorgehobehat. Er stelle
een. M aTln. dar, uXdcher deR aUgemeineR Erde71schran.ke sich ugedd dig uTld
behaglichMe , den,Besitzdesh,6chstenWissas, denGenuBdersch6nsten, Gterr
un,zd aTtglich achtet, seeSehTtsucht auch nur im m destenzu bej riedigeT1, e e Geist,
uXelcher deshalbnach aUeSeiteR h171 sichuXeTtdend immer ungcklicher zu c ehre.
29 M Unchener AusgabeBd. 18. 989 .
Vgl. digseVerseim KontextdesFs17V . 1770ff; 1810f; 1814f. !
3r/ecrlzsc4 & r xx71dGod. Bd. I . Stuttgart1981. S. 263
Zit. nach Hinderer, W alter ( H rsg. ) . Goees D ramenj ee ler7)rellfo4e4.
Stuttgart 1980.
26
27
28
A gnesvon H off314
M 6glicherweiseder wichtigsteUnterschied zu den literarischen Vorgangern ist die
ausgesprochene lndividualitat des js Faust, war doch vorher die Charakteri-
sierung stets Uberdeckt von relig16s-moralischen / weltanschaulichen lntentionen der
Verfasser. Bei Goethe ist Faust ein eigenstandiger Charakter geworden, dessen
Eigendynamik Goethe selb nicht gewachsen zu sein schien, wie sein langer innerer
Kampf wahrendder gesamtenArbeit am Fausstoff sowieAussagen im Briefwechsel mit
Schiller belegen, welcher gleichfalls die so hoch (1 queUende M aterie des Faust in
dessen Anspruch auf eine 710fader yd er skeptisch betrachtete, wasjedoch vor
allem mit dem Problem derpoetischenGestaltung zusammenhing. FUr Goetheselbstwar
Faust e so sdses dzx, dj xxlxr etxe jsetzsee 7xerexxZasatlde
n,achempdek6nn,te` , unddochsollteerumgekehrtzumReprasentanten, zumSym-
bol der Xlenschheit werden, in dem ueru ckte Bgstreben, d(ls G6ttliche uRd d(is
sfscyzejM jsczxxlyere 31.
Eing solche Faustkonzeption in ihrem sowohl h6chst individualistisch als auch
symbolischenGepragehat esvorher nicht gegeben, ganzzuschweigen vonder neuartigen
Form, welche vom herk6mmlichen Gattungsmodus abwich, da sie sowohl eine
Dramatisierung der Biographie als auch die Entfaltung eines vielperspektivischen
W eltbildes vereinte.
30 Eckermann, Johann-Peter. Gespracyzemil Goelyxe. W iesbaden 1975. Bd. 19. 121
31 r ecsd z sd a & yJ Zer ,m d God 263.
Zusammenfassung
lm V ergleich zu den vorangegangenen Faustgestalten ( sei es das Rohmaterial im
Volksbuch und dessen moralisch-intentionaleAufbereitung, sei es der zwar dramatische,
aber stets noch titanenhaft und menschlich fremd bleibende Antiheld bei M arlowe oder
dessensp6 ttischverlachteKarikatur indendeutschenVolks-undPuppenspielen, sei esder
tiberschaumende, subjektive Geist des Sturm und Drang) kann nun zusammenfassend
festgehalten werden, daB Goethes Faust zum einen seine eigene Stufe des Zeitgeistes
verk6rperte(undsomitErfahrungenundErkenntnisseder vergangenenEpochen- vom
M ittelalter tiber die Renaissance bis hin zur Aufklarung - und dem daraus flieBenden
neuenM enschenbildzerschmolz) , zum andereninseiner neuartigenpsychologischenTiefe
und dem intensiven Kontakt zwischen W erk und Autor Zeugnis Uber die Pers6nlichkeit
Goethes ablegte, unverschleiert von ideologischen Vorwanden oder relig16s-1ehrhaften
Prlnzlplen
Nur hier begegnenwir einer soprinzipiell positiven, verstandnisvollen Einschatzung
jenesMenscheninsQinentiefsten, nurallzumenschlichenZweifeln. Wurdebisherstetsvon
obenherab tiberheblichundmiterhobenem Zeigefinger ar Faustgeurteilt, sospricht die
Tiefeder menschlichen Empfindungen in GoethesFaust den M enschen selbst an, der sich
somit identifizieren kann. Faust wird hier nicht als vermessener, hybrider Starrkopf
abschatzig betrachtet, sondern in seiner Verlorenheit als Oper menschlicher Verstrik-
kungenundVerwirrungen. lnsbesonderedieKomponentedesgnadigen, er16sendenGottes
im Kontrast zudem unantastbaren, strafendenGott voriger Epochentritt hier neuhinzu.
Trotz seiner Fehlschlage, seinesUnglaubens und seiner menschlichen Schuld bleibt Faust
doch stets in einer gnadigen g6ttlichen Ordnung geborgeil ; sein Streben wird nicht
verdammt, sondernimmer nochnachsichtig alsvortibergehendePhasemit einem letzlich
guten Zie.1 betrachtet
WenTl er mir jetzt (luch ueruJorre dieM , y So uJerd ich ihn, ba14 1 die
KlarheithreR (Faustl V. 308f
So lautet dasUrte11, wieGott esinGoethesProlog klar und eindeutig ablegt und
weiterhin feststellt, daB & r M a s e, soZ er sr ( V . 317) und e gu,ter
M en,sch selbst in seinem duRMeR Dr(m,g ch des rechten W eges letztlich doch wohl
bewuBt sei (V. 327f Ander Eistenzdiesesgrundsatzlich positiven und hoffnungs-
vollen, da bis in diemenschlichenTiefen vordringenden g6ttlichen Prinzips andert auch
die Tatsache nichts, daB die zu Anfang erlauterte Verschrankung. von Vorspiel und
Prolog dieangeblich g6ttnch,e Ordnung in den menschlichen Kompetenzbereich selbst zu
verlagern scheint, denn trotzdieser Relativierung in der HervOrhebung des Dichters als
oberste schaffende lnstanz gibt es an keiner Stelle Anhaltspunkte, die auf eine
grundsatzlicheGottesverneinung hinweisen
Zwar eistieren innerhalb dieser elementaren Faustkonzeption Goethes gewisse
durchpers6nlicheEntwicklungsprozesseundgeistigeStr6mungenbedingteSchwankungen
(so vor allem der Wandel der Faustfigur von der unverwechselbaren genialen
Pers6nlichkeit der Urfassung zum Sinnbild desstrebenden und sich h6her entwickelnden
M enschen nach der Franz6sischen Revolution) , doqh bleibt die harmonische Basis des
Ganzen stets erhalten, dessen Horizont ein menschlich-g6ttlich universaler ist. lm
Gegensatz zu den Vorgangern in der Bearbeitung des Stoffes kann Goethes Faust sein
UrqueU, den ihm M ephistodurchdieHerabwiirdigung auf dieEbenestumpfer, tierischer
Triebbefriedigung raubenw111, niemalsverlorengehen. ln diesem Licht muB somit auch
der hier behandelte Eingangsmonolog gesehen werden, der trotz dieser positiven
Einbettung nichts von seiner unmittelbaren Dramatik einbiiBt, welche drastisch das
menschlicheGrundproblem ausmenschlicher Perspektiveveranschaulicht.
315GoethesGestaltung desFaust-Charaktersim Eingangsmonolog jVcM im Rahmen einer vergleichenden
Betrachtung der Entwlcklung des Faust-Stoffesin den Hterarischen Gestaltungen vor Goethe
*
LiteratUrVerZeiChniS
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