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HAUPTBEITRÄGE Zusammenfassung: Bau- und Wohngemeinschaften sind attraktive Wohnformen, die Zulauf fin- den und von der Politik vor allem aufgrund der Notwendigkeit der Versorgung von Familien und älterer und alter Menschen unter dem Focus des generationenübergreifenden Wohnens politisch gefördert werden. Die Realisierung ist jedoch mühsam und vom Scheitern bedroht, wenn nicht auch die gruppendynamischen Prozesse eines solchen Vorhabens berücksichtigt werden. Schlüsselwörter: Baugemeinschaften · Generationenübergreifendes Wohnen · Gruppendynamische Prozesse Group dynamic processes in residential communities Abstract: Residential communities are attractive forms of living, which find acceptance and are political supported by considering the necessity of young families and taking care of old people. The focus lies on projects of generation overarching models of living together. Realization of such projects is difficult and threatened by failure, when group dynamic processes are not taken in consideration. Keywords: Residential communities · Living together with different generations · Group dynamic processes Gruppendyn Organisationsberat (2013) 44:37–52 DOI 10.1007/s11612-012-0198-3 Gruppendynamik in Baugemeinschaften Hella Gephart Online publiziert: 08.12.2012 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 Dr. H. Gephart () University of Applied Social Sciences, Köln, Deutschland E-Mail: [email protected]

Gruppendynamik in Baugemeinschaften

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Page 1: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Hauptbeitraumlge

Zusammenfassungensp Bau-enspundenspWohngemeinschaftenenspsindenspattraktiveenspWohnformenenspdieenspZulaufenspfin-den und von der politik vor allem aufgrund der Notwendigkeit der Versorgung von Familien und aumllterer und alter Menschen unter dem Focus des generationenuumlbergreifenden Wohnens politisch gefoumlrdert werden Die realisierung ist jedoch muumlhsam und vom Scheitern bedroht wenn nicht auch die gruppendynamischen prozesse eines solchen Vorhabens beruumlcksichtigt werden

Schluumlsselwoumlrter baugemeinschaften middot generationenuumlbergreifendes Wohnen middot gruppendynamische prozesse

Group dynamic processes in residential communities

Abstract Residentialenspcommunitiesenspareenspattractiveenspformsenspofensplivingenspwhichenspfindenspacceptanceenspandenspareensppolitical supported by considering the necessity of young families and taking care of old people the focus lies on projects of generation overarching models of living together realization of suchenspprojectsenspisenspdifficultenspandenspthreatenedenspbyenspfailureenspwhenenspgroupenspdynamicenspprocessesenspareenspnotensptakenenspin consideration

Keywords residential communities middot Living together with different generations middot group dynamic processes

gruppendyn Organisationsberat (2013) 4437ndash52DOi 101007s11612-012-0198-3

Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Hella Gephart

Online publiziert 08122012 copy Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

Dr H gephart ()university of applied Social Sciences Koumlln Deutschlande-Mail hgepaolcom

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gemeinschaftliches Wohnen sowie planung und Durchfuumlhrung von entsprechenden Wohnprojekten haben Konjunktur unter dem Vorzeichen von wachsender Mobilitaumlt und den daraus resultierenden erschwernissen als Familie uumlber mehrere generatio-nen raumlumlich nah beieinander zu sein werden Freundesnetzwerke und andere Quellen sozialer Naumlhe und unterstuumltzung immer wichtiger Man erwartet sich unterstuumltzung bei der Kinderversorgung Vorsorge fuumlr das alter und vermeidet damit einsam machende Wohnformen

auch die politik hat reagiert ndash vor allem im Hinblick auf die sich veraumlndernde alters-pyramide und der damit einhergehenden probleme in der Wohnsituation alter Menschen ndash und hat das Foumlrderprogramm bdquoSoziales Wohnen im alterldquo aufgelegt sowie den Wett-bewerb bdquoaltersgerecht bauen und Wohnen ndash barrierefrei quartierbezogen integrativldquo der vom bundesministerium fuumlr Familie Senioren Frauen und Jugend ausgeschrieben wurde ebenso foumlrdert das bundesministerium fuumlr Familie Senioren Frauen und Jugend mit dem programm bdquoWohnen fuumlr (Mehr)generationenldquo 30 innovative gemeinschaftliche Wohnprojekte

Wie stark das interesse an gemeinschaftlichem Wohnen gewachsen ist laumlsst sich an zahlreichen Netzwerken im internet ablesen auf der von der Stiftung trias betriebenen Websiteensp findetensp sichensp zenspBensp eineensp Projektdatenbankenspmitensp zurzeitensp 331ensp realisiertenensp Projektenenspaus ganz Deutschland (wwwwohnprojekte-portalde) in den Newsletters bdquogemein-schaftliches Wohnenldquo werden als Service des bdquoForum gemeinschaftliches Wohnen e V ndash bundesvereinigungldquo jeweils neueste informationen uumlber projekte ausstellungen und informationstage vermittelt (wwwfgw-evde) auch die tageszeitungen nehmen sich des themas immer wieder an (so Heidenreich in der Suumlddeutschen Zeitung in einem bericht uumlber eine geplante Senioren-Wg in privatinitiative (2012 S 34)

Dass baugemeinschaften einen sehr praktischen beitrag zu solidarischem Handeln darstellen wird in der aussage bdquobaugemeinschaften verfuumlgen im allgemeinen neben einer hohen toleranz auch uumlber ein hohes soziales engagementldquo (Zillmann in Lempp und Stadlmayer 2010 S 84) angenommen Das erfolgreiche Handeln der baugemeinschaften setzt ein hohes Maszlig an gemeinsamer Zielsetzung und interessenuumlberschneidung voraus undenspkannenspinenspderensperforderlichenenspKonflikttoleranzenspauchenspeinenspMerkmalenspgelingenderenspSolidaritaumltenspausdruumlcken (vgl Stuumltzle-Hebel in diesem Heft)

Die an baugemeinschaftsprojekte geknuumlpften Hoffnungen koumlnnen aber an vieler-lei Hindernissen scheitern und dieses Scheitern wiegt schwer das Misslingens eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts beschreibt Stefan Klinkenberg berliner architekt als einen gravierenden Fehlschlag fuumlr Finanzen und Lebensplanung1 Dieser Fehlschlag ist im alter umso gravierender da es hier meist um einen Ort fuumlr die letzte Lebensphase geht

Neben der schwierigen oder vergeblichen Suche nach baugrund oder dem Nichtgelin-gen von Finanzierungen sind es in nicht unerheblichen Maszlig gruppendynamische Fakto-renenspdieenspdasenspGelingenenspoderenspFehlschlagenenspvonenspWohnprojektenenspbeeinflussen

architektinnen und beraterinnen die langjaumlhrige erfahrungen mit baugemeinschaf-ten aufweisen koumlnnen wissen um diese prozesse und haben ihre je eigenen Wege gefun-den damit umzugehen Junge architektinnen werden in ihrem Studium aber nicht auf den kommunikativen umgang mit bauherren oder gar baugemeinschaften vorbereitet und neue baugemeinschaften wissen in der regel nicht wo die Fallstricke liegen und lassen sich ndash verstaumlndlicherweise ndash von ihrem Optimismus des gelingens leiten

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Wie stiefmuumltterlich das thema betrachtet wird zeigt sich in den Darstellungen in der einschlaumlgigen Literatur in der den bdquotypischen Huumlrdenldquo (Kroumlger et al 2005) oder denensp bdquoHerausforderungenKonfliktloumlsungenldquoensp beienspBaugemeinschaftenensp (Niederensp2008) nur wenige Seiten gewidmet werden auch das Forum bdquoWoran scheitern soviel gemeinschaft-lich organisierte bauvorhabenldquo auf der Website der Wohnprojekte berlin (wwwwohn-projekte-berlininfo) wurde kaum genutzt (Zugriff am 382009) und war im Juli 2012 geloumlscht

Die externe beratung von baugemeinschaften wird vor diesem Hintergrund von eini-gen autoren dringend angeraten (goumlschel 2012 S 5 Nieder 2008 S 27) goumlschel meint EsenspbdquoempfiehltensphellipenspsichenspfuumlrenspalleenspGruppenenspdieenspselbstenspbauenenspoderenspWohneigentumensperwerbenenspwollen so fruumlh wie moumlglich professionelle beratung hinzuzuziehenldquo (2012 S 3) er plaumldiertensp dafuumlrensp dassensp ModeratorInnenensp mitensp gruppendynamischerensp Zusatzqualifikationensp alsenspberatende unterstuumltzung eingesetzt werden (2012 S 6)

1 Theoretische Grundannahmen

DieenspangewandteenspGruppendynamikenspversuchtenspProzesseenspderenspEinflussnahmeenspRollenfindungenspMinoritaumlts-MajoritaumltsbildungenspAutoritaumltenspNormierungenspLeitungenspundenspFuumlhrungenspderenspRefle-xionensp zugaumlnglichensp zuenspmachenensp undensp zuensp untersuchenenspwelchenenspEinflussensp dieseensp Prozesseensp aufenspMenschen in der gruppe haben bzw wie sie diese gestalten (gephart 2003 S 85)

im Folgenden werden gruppendynamische prozesse in baugemeinschaften daraufhin analysiert welche Maszlignahmen hilfreich sein koumlnnen um gruppendynamisch schwie-rige Situationen zu loumlsen Welche Faktoren fuumlhren zum Scheitern eines projekts welche unterstuumltzen das gelingen

baugemeinschaften sind Zusammenschluumlsse von Menschen Singles Familien alten Juumlngeren die sich gemeinsam ein Haus bauen oder kaufen und umgestalten mit dem Ziel es gemeinschaftlich zu bewohnen2 Sie unterliegen denselben oder aumlhnlichen gesetzmaumlszligigkeiten wie teams Vereinsgruppen und anderen Formen der gemeinschaft-lichen aktionen von Menschen

gruppen durchlaufen dabei prozesse die unter verschiedenen gesichtspunkten beschrieben werden koumlnnen einige gruppendynamische Modelle versuchen die ablau-fenden gruppeninteraktionen in aufeinander folgenden phasen zu ordnen Dazu sind eine Vielzahl von Phasenmodellen formuliert worden3 Der zeitliche ablauf der gruumlndung einer baugemeinschaft bis zum gemeinsamen Leben legt die Heranziehung eines solchen phasenmodells nahe Nach dem Modell von tuckman wuumlrde idealtypisch in der anfangs-phaseenspdieenspFrageenspnachenspderenspZugehoumlrigkeitenspinenspderenspKonfliktphaseenspdieenspAuseinandersetzungenspumenspverschiedene interessen und Zielsetzungen in der Normierungsphase das aushandeln von umgangsweisen und Normen (Hausordnungen z b) und in der Differenzierungs-phase schlieszliglich das zufriedenstellende vertrauensvolle Miteinanderwohnen zu verorten sein

allerdings hat sich die zeitlich-lineare abfolge solcher phasen empirisch nicht nach-weisen lassen Kritik aumluszligert z b ardelt-gattinger (1998) die in empirischen Studien die feste reihenfolge in den interaktionen von gruppen nicht belegen konnte typische problemstellungen treten aber immer wieder auf und stellen durchaus regelmaumlszligig wie-derkehrende zu loumlsende anforderungen an die teilnehmerinnen und teilnehmer von

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gruppen dar Diese anforderungen bestehen aus dem fortwaumlhrenden ausbalancieren der grundbeduumlrfnisse der gruppenmitglieder Daher scheint es mir zum Verstaumlndnis von gruppendynamischen entwicklungsprozessen in baugemeinschaften sinnvoll auf das Modell des gruppendynamischen raums zuruumlckzugreifen das m e elementare beduumlrf-nisse von gruppenteilnehmerinnen abbilden kann die beduumlrfnisse nach Zugehoumlrigkeit EinflussnahmeenspundenspIntimitaumltenspSieenspwerdenensphierenspinenspAnlehnungenspanenspKoumlnigenspundenspSchattenhoferensp(2012) angefuumlhrt0 Die Dimension der Zugehoumlrigkeit

Die Dimension der Zugehoumlrigkeit bestimmt das Zustandekommen einer gruppe die sich durch auszligengrenzen und eine gemeinsame identitaumlt herstellt Zunaumlchst geht es um die Zusammensetzung der gruppe (hier baugemeinschaft) um die regeln des eintritts um Verfahren des ausschlusses von Mitgliederninteressentinnen Diese Fragen werden in der regel am anfang zu klaumlren sein

0 Die Dimension von Macht und EinflussMacht als notwendiges Merkmal in sozialen beziehungsgefuumlgen ist nicht negativ zu konnotierenenspsondernenspdieenspHerausbildungenspundenspAkzeptanzenspvonenspEinflussnahmeenspermoumlg-lichtenspzenspBenspEntscheidungsfindungenenspinenspGruppenenspDieenspFrageenspderenspMachtbalanceenspistenspeineenspinteraktionelle die uumlber Hierarchie oder Normenregeln geklaumlrt wird (vgl Koumlnig und Schattenhofer 2012enspSensp37)enspMachtenspundenspEinflussensp istensp inenspBaugemeinschaftenenspndashenspwieensp inenspanderen gruppen ndash von anfang an wichtig Sie wird z b bei der Wahl von auswahl-kriterien mitverhandelt wird in der anfangsphase einer gruppe aber selten explizit thematisiert

0 Die Dimension von Naumlhe und IntimitaumltDistanz und Naumlhe beduumlrfen der regelung um einerseits ausreichend autonomie und andererseits beruumlhrende beziehungen zu ermoumlglichen Die abklaumlrung von Distanz- und Naumlhewuumlnschen spielt vor allem in der Wohnphase eine entscheidende rolle

ein weiteres Modell das das interaktionelle geschehen in gruppen verdeutlichen kann ist das sog Eisbergmodell (vgl Koumlnig und Schattenhofer 2012 Schattenhofer 2009)

Wieensp schonenspbeiensp derenspDimensionenspvonenspMachtensp undenspEinflussensp erwaumlhntenspwirdenspdieenspThemati-sierung von psychosozialen Fragen emotionen und interessen von gruppenmitgliedern zu beginn vermieden auch wenn genau beobachtet wird wer mit wem wie interagiert findenenspDiskussionenenspeherenspaufenspderenspSachebeneenspstattenspDieserenspSachverhaltenspkannenspmitenspdemenspEis-bergmodell abgebildet werden Die Sachebene ist der sichtbare teil des eisbergs Der nicht besprochene teil der gruppendynamik die Soziodynamik der gruppe ihre art der Beziehungs-enspundenspKonfliktgestaltungenspistenspvonenspallenenspBeteiligtenenspbeobachtbarenspdieenspKommuni-kation daruumlber aber tabu Dies gilt noch mehr fuumlr die sog psychodynamische ebene die emotionale bedeutung des geschehens fuumlr den einzelnen phaumlnomene von Uumlbertragun-gen alter erfahrungen auf aktuelle begebenheiten in der gruppe Diese prozesse sind fuumlr die gruppenmitglieder nicht beobachtbar und den betroffenene selbst z t nicht bewusst habenenspaberenspeinenenspbedeutsamenenspEinflussenspaufenspdasenspGruppengeschehen

Dieensp obenensp aufgefuumlhrtenensp Grundbeduumlrfnisseensp nachensp Zugehoumlrigkeitensp Einflussnahmeensp undenspintimitaumlt sind nicht auf der Sachebene zu besprechen und auch nicht uumlber Sachverhand-lungen zu loumlsen sondern brauchen eine gesonderte auseinandersetzung die sich riskant

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anfuumlhltenspundenspnurenspdurchenspeinenenspVertrauensvorschussensp inenspdieenspArbeits-enspundenspKonfliktfaumlhigkeitenspeiner gruppe anzugehen ist

im Folgenden werden die ablaumlufe in der entwicklung von baugemeinschaften und mit ihnen verbundene beduumlrfnisse als erklaumlrungsdimensionen der gruppendynamik herangezogen und verdeutlicht mit welchen anforderungen und gruppendynamischen bdquoFallstrickenldquo die interessierten zu rechnen haben Der interaktionsprozess im Verlauf der planung und ausfuumlhrung eines gemeinschaftlichen Wohnvorhabens bietet die Moumlg-lichkeit einer destruktiven entgleisung aber auch die einer positiven entwicklung einer baugemeinschaft Diese bdquoSchluumlsselsituationenldquo werden fuumlr die verschiedenen entwick-lungsstadien ausgefuumlhrt

2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten

21 Die Findungsphase

InenspderenspAnfangsphaseenspbeeinflussenenspdieenspunterschiedlichenenspBeduumlrfnisseenspundenspBeweggruumlndeenspder beteiligten den Findungsprozess Die Motive sich auf ein gemeinschaftliches bau-projekt einzulassen reichen von0 sozialen Gruumlnden (sich gegenseitig beim bau und spaumlter im Wohnen unterstuumltzen

Versorgung der Kinder vereinfachen Nachbarschaft als soziale ressource nutzen)0 uumlber oumlkonomische Aspekte (Kostenersparnis gegenuumlber konventionellem bauen Ver-

teilung der allgemeinkosten auf viele)0 bis zu oumlkologisch-politischen Motiven (Schonung der umwelt durch bessere Nutzung

von energieressourcen ausprobieren fortschrittlich-oumlkologischer Konzepte) (vgl die Kommentare im Film bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011 vgl auch Kroumlger et al 2005 S 43)

Nicht zuletzt ist es die Moumlglichkeit der Mitgestaltung des kuumlnftigen Wohnraums durch gemeinsame planung der gemeinschaftlichen raumlume (garten gemeinschaftsraumlume Wirtschaftsraumlume) bei individueller gestaltung des selbst genutzten Wohnteils der interessentinnen und interessenten dazu bewegt in einer baugemeinschaft mitzu-machen bei der planung eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts suchen Menschen gegenseitigkeitserfahrungen individueller und gemeinschaftlicher art subjektive Lebenszufriedenheit und Lebensqualitaumlt die in die interaktionsordnung des sozialen austauschs eingebettet ist (vgl Schulz-Nieswand et al 2012 S 26 und 30)

So benennt z b das projekt bonn-puumltzchen bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo auf seiner Homepage als Ziele0 Nachbarschaftliche gemeinschaft mit gegenseitiger Hilfe und gemeinsamer

Freizeitgestaltung0 Durchmischte alterstruktur0 Kompetenzen der bewohner fuumlr das Wohnprojekt nutzen0 Selbstbestimmung auch im alter erhalten0 Dialogfaumlhigkeit und ndash bereitschaft innerhalb der gemeinschaft

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(httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140ziele Zugriff 2462012)4

Der idealtypische ablauf der Findungsphase fuumlr ein Wohnprojekt beginnt mit dem Kennenlernen der interessentinnen gefolgt von der Suche nach einem geeigneten grund-stuumlck oder Objekt Mit der entscheidung fuumlr eine architektineinen architekten ist der Findungsprozess abgeschlossen (vgl Nieder 2008 S 16) Die notwendigen gespraumlche AbklaumlrungenenspundenspVerhandlungenenspfindenensp inenspderenspRegelenspaufenspderenspSachebeneenspstattenspAufenspderenspsogenannten soziodynamischen oder beziehungsebene geschehen die emotional ent-scheidenden Dinge oft unausgesprochen ndash und koumlnnen so zu belastungen werden die sich auf die gesamte gemeinsame planung und Durchfuumlhrung des projekts auswirken

Die grundfragen in der Findungsphase lauten Wie begruumlndet sich die Zugehoumlrigkeit Was muss ich tun um ein respektiertes Mitglied der baugemeinschaft zu werden Wie geht die gruppe mit interessentinnen um die nicht zu passen scheinen in dem beduumlrfnis nach Zugehoumlrigkeit fragt sich der interessentdie interessentin bin ich es wert mitge-nommen zu werden auf der anderen Seite will ich zu dieser gruppe gehoumlren und wie pruumlfe ich ob ich dazu gehoumlren moumlchte Die baugemeinschaften interessiert Wollen wir diese interessentinnen zulassen unter welchen aspekten Welche rolle werden sie bei uns spielen

richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V berlin betont hier die bedeutung des unterschieds zwischen einer baugemeinschaft und einem Wohnprojekt

Waumlhrend bei der baugemeinschaft seiner einschaumltzung nach das (guumlnstige) bauen im Vordergrund steht und eine gemeinschaft sich dann erst ggf beim Zusammenwohnen begruumlndet steht dazu im unterschied das Motiv des gemeinsamen Wohnens (bdquowir wollen zusammen wohnen und suchen uns unsere gruppe dafuumlrldquo)

Oft tauchen in der Such- und Findungsphase auch lebensgeschichtlich gepraumlgte the-men auf (der ausschluss in der Schulklasse die rolle des fuumlnften rades in einer Fami-lie)enspundenspbeeinflussenenspdasenspHandelnenspeinzelnerenspohneenspdassenspdieenspHerkunftenspderenspempfundenenenspgefuumlhle von Kraumlnkung und Zuruumlcksetzung bewusst waumlren

Welche bdquoFallstrickeldquo koumlnnen nun in der Findungsphase auftauchen

Fallstrick 1 Gruppentouristen erkennen palm berichtet fuumlr die Findungsphase von dem phaumlnomen des gruppentourismus Menschen die in vielen Wohnprojekten auftauchen und wieder verschwinden Wohnprojekte seien auszligerdem ein Magnet fuumlr bdquoseltsameldquo Leuteensp Offensichtlichensp habenensp alsoensp dieensp inenspGruumlndungensp befindlichenensp Projekteensp einenenspAnzie-hungscharakter aber nicht nur fuumlr ernsthafte interessentinnen Dies gilt es moumlglichst bald herauszufindenenspumenspnichtenspzuvielenspKraftenspundenspZeitenspaufenspdieenspAuseinandersetzungenspmitenspPersonenenspzu verwenden die kein ernsthaftes interesse haben

Fallstrick 2 Unterschiedliches Engagement Die initiatoren einer baugemeinschaft sind naturgemaumlszlig diejenigen die viel energie und tatendrang mitbringen Selbst wenn sie keine dominante rolle spielen wollen sind sie doch diejenigen mit Wissensvorsprung (weil von anfang an dabei) und klaren interessen Sie genieszligen damit ndash zumindest zu beginn ndash mehrenspEinflussenspundenspstehenenspauchenspsymbolischenspfuumlrenspdieenspIdeeenspdesenspProjektsenspDeshalbenspwirdenspaufenspsieenspbesonders geschaut kritisch oder hoffnungsvoll im interview mit einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster bestaumltigt sich dies

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bdquoin der gruppe ist eben eine person die von anfang an dabei war die viel Wissen hat und die fuumlr uns auch wichtig ist Die fuumlr den Verein wichtig istldquo

Die Hoffnung besteht darin dass die initiatoren bdquoes richtenldquo sollen dass sie die Wuumlnsche derenspweiterenenspInteressiertenensperfuumlllenenspsollenenspdassenspsieenspinenspKonfliktfaumlllenenspanrufbarenspseinenspmoumlgenenspDieenspkritischeenspSichtenspbeziehtenspsichenspdaraufenspobenspdieenspInitiatorenenspzuenspvielenspEinflussenspnehmenenspobenspsieenspeigeninteressen verfolgen ob sie die neu Hinzukommenden ausreichend mit informatio-nenenspundenspEinflussenspversorgen

Fallstrick 3 Mangelnde und intransparente Kriterien fuumlr die Auswahl Hinzukommen-der Die Leitfragen dafuumlr lauten Wer erstellt die Kriterien fuumlr eine auswahl wie wird entschieden und wie wird die entscheidung kommuniziert gibt es unausgesprochene Kriterien die wirksam aber nicht transparent sind bdquoWenn sich Leute zusammenschlie-szligen oder sich einer gruppe angliedern moumlchten erfolgt ein sozialer auswahlprozess dem sich nicht jeder gewachsen siehtldquo (Kroumlger et al 2005 S 46) Die Chance einer auseinan-dersetzung uumlber diese Kriterien liegt in der entdeckung der Vielfalt in der gemeinschaft und der Notwendigkeit der integration dieser Vielfalt Sind die Kriterien klar benannt faumlllt es leichter neue interessentinnen auszuwaumlhlen und die entscheidungen klar zu kommunizieren

Fallstrick 4 Unterschiedliche Kenntnisse und Vorerfahrungen bei groszliger Diversitaumlt an Kompetenzen besteht die gefahr dass diese konkurrent verarbeitet und nicht als res-source angesehen werden Oft kann erst in einer der spaumlteren phasen die unterschiedlich-keit geschaumltzt und genutzt werden Zu beginn kann sie als eine bedrohung des eigenen Status und der eigenen bedeutung erlebt werden

Fallstrick 5 Vielfalt und Gegensaumltzlichkeit der Motivlagen auch hier gilt die interes-sentinnen bringen ndash wie anfangs beschrieben ndash unterschiedlichste Motivlagen mit die eruiertenspwerdenenspmuumlssenenspumenspherauszufindenenspwoenspInteressenenspgegenlaumlufigenspsindenspBeduumlrfnisseenspnicht erfuumlllt werden koumlnnen erwartungen zu hoch angesetzt sind

unausgesprochene Versorgungswuumlnsche oder Kontaktbeduumlrfnisse z b koumlnnen eine baugemeinschaft uumlberfordern Dass diese interessen nicht aufgedeckt werden gruumlndet auf der besorgnis nicht in die baugemeinschaft aufgenommen zu werden oder in der Scham uumlber die privaten Wuumlnsche

Fallstrick 6 Zeigen der sozialen Maske eine der groszligen gefahren ist dass zu beginn einer gruppe vor allem die vertraumlglich-freundschaftlichen-foumlrmlichen Verhaltensweisen gezeigt werden die bdquoSchokoladenseiteldquo das was als sozial erwuumlnscht in der gruppe ver-mutet wird Diese vermeintlich sozial erwuumlnschten Verhaltensweisen dienen der Verhin-derung des befuumlrchteten ausschlusses bzw der Vermeidung vermeintlich zerstoumlrerischer KonflikteenspInteressenenspvonenspdenenenspdieenspPersonenenspglaubenenspseienspseienenspsozialenspunerwuumlnschtenspwer-denensphaumlufigenspnichtenspgenanntenspAuchenspInteressenenspbdquoverdeckterensp3ldquoenspkoumlnnenenspeineenspRolleenspspielenenspSoenspmeint Stefan Klinkenberg architekt in berlin in einem interview

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bdquointeressentinnen sagen nicht immer was sie meinen sagen ihre sozial nicht erwuumlnschten interessen nicht z b spielt soziale geltung eine groszlige rolle Wenn ElternenspmitfinanzierenenspwollenenspauchenspdieenspElternenspdieenspWohnungenspgutenspfindenldquo

Was ist gruppendynamisch zu beachten es geht nicht darum eine Selbsterfahrungs-gruppe zu installieren architekten oder baugemeinschaften oder beraterinnen sollten aber um moumlgliche erklaumlrungen wissen wenn bdquobizarreldquo oder bdquounangemesseneldquo reaktio-nen erscheinen Die Frage bdquowas brauchen Sieldquo nimmt oft sehr viel energie aus einem KonfliktenspjedenfallsenspmehrenspalsenspweitereenspErlaumluterungenenspoderenspRechtfertigungen

baugemeinschaften brauchen ab einem bestimmten Zeitpunkt Verlaumlsslichkeit in der Zusage Diese laumlsst sich vertraglich oder durch Zahlung von einlagen (als bdquoformelleldquo eintrittskarten) herstellen

grundlegend sind auch genuumlgend gemeinsame interessen die in der anfangssituation eine gemeinsame anfangsidentitaumlt schaffen

Die baugemeinschaft braucht einen rahmen um interessen (auch die moumlglicherweise sozial weniger vertraumlglichen) zur Sprache zu bringen um auch versteckte Motive heraus zuenspfindenenspumensphinderlicheenspBedingungenenspzuenspbenennenenspundenspnotwendigeenspAbgrenzungenenspvor-zunehmen Diese kommunikativen prozesse sind die grundlagen fuumlr gelingende Wohn-projekte Die anfangsphase und erste auseinandersetzungen muumlssen durchgestanden seinenspweilensp sieensp sonstensp alsensp unterschwelligeenspKonflikteensp inensp dieensp naumlchsteenspPhaseenspweitergetragenenspwerden Dazu braucht es Zeit und vor allem geduld Zuhoumlren und kritisches Nachfra-gen was in der anfangsphase oft schwierig ist Hier dominiert der Wunsch es moumlge das gemeinschaftliche projekt schnell in bewegung kommen und es moumlgen schon die richtigen Leute vorhanden sein es braucht Motivationsarbeit und Konfrontation um die notwendigen Klaumlrungen herbeizufuumlhren

Wie kann eine baugemeinschaft in dieser phase gruppendynamisch kompetent unter-stuumltzt werden

um die notwendige geduld energie und Zeit aufzubringen ist m e die unterstuumlt-zung einers externen beraterinberaters und eines geschickten handlings der architektin oder des architekten vonnoumlten Solche unterstuumltzung kann z b in Form einer Zukunfts-werkstattenspoderenspeinerenspModerationSupervisionenspderenspPlanungstreffenenspstattfindenenspAuchenspwennensphier Mehrausgaben in Form von Zeit undoder geld auf gruppen zukommen Sie lohnen sich langfristig gruppen die sich uumlber einen langen Zeitraum gefunden und auseinander-gesetzt haben besitzen eine stabilere grundlage fuumlr das gemeinsame bauen und Wohnen alsenspGruppenenspdieenspsichenspzenspBenspaufgrundenspeinerenspAusschreibungenspeinesenspTraumlgersenspfinden

22 phase der planung

Nachdem sich die baugemeinschaft gefunden hat und entschieden ist wer bei dem pro-jekt mitmacht geht es in die eigentliche planungsphase

Jetzt geht es nicht mehr nur um den abgleich von interessen und Wuumlnschen son-dern es muumlssen zahlreiche entscheidungen getroffen werden die das spaumltere Wohnen die Finanzen den geschmack etc tangieren bedeutsam in dieser phase ist Welche ent-scheidungen muumlssen getroffen werden und wie werden sie getroffen

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geht es in der Findungsphase um die Frage der Zugehoumlrigkeit ruumlckt jetzt die Dimen-sionenspderenspMachtenspdieenspFrageenspderenspEinflussnahmeenspinenspdenenspVordergrundenspDaenspesenspinenspBaugruppenenspkeineenspformelleenspHierarchieenspgibtenspwirdenspEinflussnahmeenspuumlberenspNormenenspundenspRegelnenspinstalliert

Fallstrick 1 Einfluss und Machtverteilung in der Baugemeinschaft Das psychische beduumlrfnis nach gehoumlrt werden und Mitwirkung ist hier entscheidend tangiert (Kann ich mitentscheiden) Oft kommt es zu unterschiedlichen geschwindigkeiten in der Verhand-lungenspundenspinenspderenspEntscheidungsfindungenspMenschenenspdieenspgewohntenspsindenspzuenspentscheidenenspkoumln-nen dies oft schneller und sind durchsetzungsstaumlrker

Da gibt es Charaktere die so bdquoMacherldquo sind und zwar bdquosofortldquo und es gibt andere die erstmal gucken ob man soll oder kann Fuumlr die sind diejenigen die bdquomachenldquo viel zu schnell Daruumlber gibt es ganz maumlchtige Differenzen (interview einer bewoh-nerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Fallstrick 2 Entscheidungen werden nicht getroffen oder verzoumlgert unterschwellige AuseinandersetzungenenspumenspMachtenspundenspEinflussenspkoumlnnenenspdenenspFortgangenspdesenspProjektsenspunnoumltigensperschweren

Was ist gruppendynamisch zu beachten Hilfreich ist die Klaumlrung bdquoWer will in die bdquo1 reiheldquo (oft die initiativgruppe) oder in die bdquo2 reiheldquo die mit weniger arbeit und Ver-antwortungenspverbundenenspistenspdafuumlrenspaberenspauchenspwenigerenspEinflussenspgewaumlhrleistet

es braucht daneben die aktive einbeziehung aller Mitglieder um jeden einzelnen in der baugemeinschaft insgesamt mit dem gefuumlhl bdquodas ist mein projekt und ich wirke daran mitldquo zu versorgen

Zeitlimits und die absprache uumlber entscheidungsablaumlufe und vor allem eine einigung uumlber den abstimmungsmodus sind notwendig

Langfristig erfolgreiche projekte zeichnen sich neben der architektonischen Qualitaumlt der einhaltung von Kostenlimits der Vermeidung von bauschaumlden etc durch die hohe Zufriedenheit der Mitglieder aus Die wird in der regel durch echteenspKompromissfindungenspund nicht durch Mehrheitsentscheidungen geloumlst antons (2011 S 145) schreibt dazu bdquoDas Faumlllen von gruppenentscheidungen ist besonders fuumlr selbststeuernde gruppen (wie BaugemeinschaftenenspdenspA)ensphellipenspeinenspzentralesenspThemaldquoenspErenspbenenntenspalsensptypischeenspVerhaltens-muster bdquoHau-ruck-entscheidungen durch dominante Mitglieder ruumlckzug auf formal-demokratischeenspLoumlsungenensphellipenspKonsensuszwangldquoenspDieenspechteenspKompromissfindungenspdagegenenspberuumlcksichtigt alle interessen und die beteiligten verhandeln solange bis es nur bdquogewin-nerldquo und keine bdquogewinner-Verliererldquo gibt Die erarbeitung beduumlrfnisorientierter und an die jeweilige Situation und ihre bedeutung angepasste Formen der Uumlbereinkunft ist eine diffizileenspGruppenleistungenspIhreenspBewaumlltigungenspbedeutetenspfuumlrenspdieenspWohnphaseenspeinenspModellenspkuumlnf-tigerenspKonfliktmoderation

anna gephart Hamburger architektin berichtet dass die planungsphase oft noch dominiert ist von dem gemeinsamen interesse der Mitglieder am bauprojekt dass treffen fuumlr sinnvoll erachtet werden und von den bauprojektmitgliedern auch Zeit dafuumlr einge-raumlumt wird Dieses interesse besteht aus mehrerengruumlnden das Haus in dem man leben wird nimmt gestalt an die personen die schon sehr lange in der planung dabei sind und dasenspProjektenspgegruumlndetensphabenenspempfindenenspErleichterungenspdassenspbdquoesenspendlichensplosgehtldquoenspMit-

46 H Gephart

glieder die erst kurz dabei sind erleben den Moment als spannenden bdquoanfangldquo Neben den gemeinschaftsbereichen die gestaltet werden wollen kann vor allem in dieser phase EinflussenspaufenspdenenspeigenenenspWohnungsgrundrissenspgenommenenspwerden

DieseenspAnfangsfreudeenspundenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspwirdenspgefoumlrdertenspwennenspposi-tive Oumlffentlichkeitsarbeit betrieben ein mediales echo erzeugt wird oder gemeinsame aktivitaumlten unternommen und die entscheidenden bauphasen durch Feste gewuumlrdigt werden (Spatenstichfest richtfest etc) architekt Klinkenberg beschreibt dass Kohauml-sion z b durch besuchergruppen oder mediale berichterstattung entstehe alle diese AktivitaumltenenspfoumlrdernenspdieenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspundenspstaumlrkenenspdieenspBereitschaftenspauchenspschwierigere Zeiten miteinander zu durchstehen

23 bauphase

in der bauphase wird es fuumlr die baugemeinschaft anstrengend sie wird von architektin-nen und architekten als die schwierigste bezeichnet Die geduld wird durch viele Detail-fragen strapaziert und die Frustrationstoleranz der gruppe ist gefragt wie geht man mit bauverzoumlgerungen auftretenden Maumlngeln etc um einerseits besteht der Wunsch end-lich einziehen zu koumlnnen andererseits ist die Muumlhsal der vielen zu regelnden Details hoch

in der angewandten gruppendynamik ist bekannt dass durch von auszligen auf die gruppe stoszligende belastungen die inzwischen getroffenen regelungen und Spielregeln auszligerenspKraftenspsetzenenspundenspKonflikteenspneuenspausbrechenenspkoumlnnenenspAnenspdieenspBaugemeinschaftenspwirdenspinenspdieserenspZeitenspeineensphoheenspAnforderungenspanenspdieenspKonflikt-enspundenspKompromissfaumlhigkeitenspgestellt

architekt Klinkenberg beschreibt fuumlr diese phase das auftreten objektiver Krisen (bau-verzoumlgerungen etc) und subjektiver Krisen die oft beim Uumlbergang vom rohbau zum innenausbau entstuumlnden weil der rohbau duumlster wirke oder wenn das geld vor der Fer-tigstellung ausgehe er raumlt zur Vorwegnahme von Schwierigkeiten durch die baubegleiter

Fallstrick 1 Alle wollen mitreden aus dem beduumlrfnis nach Mitwirkung heraus (s die Dimension der Macht aus gruppendynamischer Sicht) wollen viele Mitglieder einer bau-gemeinschaftenspmitredenenspundenspinenspvielenenspFragenenspEinflussenspnehmenenspAuftretendeenspbdquoAnfaumllleldquoenspvonenspKontrollbeduumlrfnissen die uumlber ein normales Maszlig des informations- und Mitsprachebe-duumlrfnisses hinausgehen sind indizien fuumlr nicht gelungene beziehungsklaumlrungen in der Zeit der planung

Fallstrick 2 Unterschiedliche Anerkennung der Arbeitsgruppen es kann sein dass die Konkurrenz zwischen den verschiedenen arbeitsgruppen durch abwertung der arbeit der anderen sichtbar wird z b koumlnnen sich die Mitglieder der gruppe bau fuumlr wichtiger hal-tenenspalsenspdieenspderenspGruppeenspGartenenspHierenspistenspauchenspeineenspgenderspezifischeenspTendenzenspzuensperkennenenspMaumlnnerenspsindenspzenspBenspsehrenspseltenenspinenspderenspAGenspFesteenspzuenspfindenenspdensphenspdieenspFrauenenspsorgenenspvorwie-gendenspfuumlrenspOrteenspderenspKommunikationenspundenspdesenspWohlbefindens

Fallstrick 3 Auszligerkraftsetzen vorher getroffener Planungsentscheidungen in der bau-phase werden individuelle Wuumlnsche moumlglicherweise wieder belebt (bdquoin meine Wohnung sollenspdochenspeinenspandererenspFuszligbodenenspeineenspandereenspBeleuchtungenspandereenspBadmoumlbelensphellipldquo)enspundenspdieenspgetroffenen Vereinbarungen auszliger Kraft gesetzt

47Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Fallstrick 4 Zu rigide Durchsetzung von Abmachungen die nicht eingehalten werden koumlnnen im Verlauf der planung und Durchfuumlhrung des projekts kann es zu Veraumlnderungen der Lebensbedingungen kommen (arbeitslosigkeit erkrankung z b) auf die die bau-gemeinschaft reagieren muss

Was ist gruppendynamisch zu beachten Die absicherung von transparenz und Kom-munikation uumlber die zu treffenden entscheidungen und deren Konsequenzen fuumlr bau-dauer und Kosten ist grundlegend allerdings sollte immer die bedeutsamkeit der Fragen abgewogen werden bdquoDiskussionen sind wichtig und notwendig doch nicht jedes Detail mussenspbisenspinenspdieenspHaarwurzelenspdiskutiertenspwerdenensphellipldquoensp(Niederensp2008 S 20)

es hilft in der bauphase sehr wenn ein aktiver Kern der baugemeinschaft installiert wirdenspdessenenspBefugnisseenspklarenspdefiniertenspsindenspDieseenspBaugruppeenspschafftenspeinerseitsenspdieenspVer-bindung zum architekten und ist sich auf der anderen Seite bewusst wie wichtig die kommunikative Verbindung zu den anderen baugemeinschaftsmitgliedern und groumlszligt-moumlgliche transparenz sind auch sollten andere untergruppen die z b den garten pla-nen den Kontakt zu behoumlrden regeln gemeinsame aktivitaumlten und Feste organisieren gebildet werden damit die Last auf viele Schultern gelegt wird Mitglieder von bau-gemeinschaften berichten von der erleichterung durch die teilung von aufgaben von der bereicherung durch das Zusammenkommen vieler ideen und Faumlhigkeiten (vgl Fil-mische Dokumentation bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011) Das wird so auch von der bewohnerin des projekts bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo benannt gerda blaschke bewohnerin im projekt Max-b in Hamburg freut sich daruuml-ber dass es bdquoviele unterschiedliche talenteldquo gibt und bdquojeder einbringt was er gut kannldquo (Stadlmayer in Lempp und Stadlmayer 2010 S 50) architekt Klinkenberg erachtet die einrichtung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche je nach Neigung und Kompetenz fuumlr erfolgversprechend Neben der teilung der belastung und der Verantwortung ergibt sich dass letztlich alle bewohnerinnen am erfolg beteiligt sind und damit die notwen-dige Kohaumlsion (der Zusammenhalt) weiter gestaumlrkt wird auf das Vorkommen unter-schiedlicher anerkennung von arbeitsgruppen sollte geachtet und abhilfe geschaffen werden

gegen das auszligerkraftsetzen von gemeinsamen planungsentscheidungen hilft eine stringente baukoordination durch die architekten und die verantwortliche baugruppe (s o) die moumlglichst an einem Strang ziehen sollten Wenn die baugruppe als Kern der baugemeinschaft nicht mit der genuumlgenden autoritaumlt durch die anderen Mitstreiterinnen ausgestattet wurde bzw sich diese nicht nimmt kann das zu nachhaltigen unzufrieden-heiten bis zu prozessualen auseinandersetzungen fuumlhren

auszligerdem muss die baugemeinschaft klaumlren was bei der Veraumlnderung von Lebensver-haumlltnissen und dem damit moumlglicherweise verbundenen Wunsch nach ausstieg geschieht architekt Klinkenberg betont die Notwendigkeit einer ausstiegsregelung die manchmal finanziellenspaberenspauchensppsychischenspschwierigenspzuenspfindenenspistenspLoumlsungenenspfuumlrenspdieseenspFaumllleenspsolltenenspvorab angedacht und nicht erst in der akuten Situation thematisiert werden wenn es zu Zeit- und interessensdruck kommt

48 H Gephart

24 Wohnstart

Die erfahrung von gruppendynamikerinnen sagt dass eine gruppendynamisch gelun-gene planungs- und bauphase sehr wichtig fuumlr die Wohnphase ist Dort gab es gelegen-heit sich mit den anderen beteiligten zu erfahren und ein gefuumlhl fuumlr das zukuumlnftige Zusammenleben zu bekommen Die bdquosoziale Organisation der Naumlheldquo in der neuen Nach-barschaft beginnt sich nun zu konkretisieren (Kloumls zitiert in evans und Schahadat 2011 S 18) in der Wohnphase muumlssen Strukturen fuumlr das Zusammenleben geschaffen wer-den Je intensiver die auseinandersetzung um die Wohnidee war je mehr die beteili-gung gewollt und gelungen ist umso besser laumluft das gemeinsame Wohnen Die in der planungs- und bauphase entwickelten entscheidungsmodi der gefundene umgang mit InteressengegensaumltzenenspdasenspGelingenenspvonenspKonfliktmoderationenspbietenenspdenenspErfahrungshin-tergrund der ndash wenn erfolgreich ndash das gegenseitige Vertrauen und die Zuversicht fuumlr das gelingen der Vision staumlrkt

Schulz-Nieswandt etal sprechen vom bdquowohngemeinschaftlichem Sozialkapital das davonensp beeinflusstenspwirdenspwieensp positivensp oderensp stressbeladenensp dieenspBeziehungenensp innerhalbensp derenspWohngruppe sindldquo (2012 S 39)

auch wenn man von einer euphoriephase nach dem einzug sprechen kann (vgl Krouml-ger et al 2005 S 46 goumlschel 2012 S 2) gibt es doch auch hier themen die beachtet werden muumlssen

gruppendynamische Fragestellungen fuumlr die Wohnphase

Wie wird der beginn des Zusammenlebens gestaltet gibt es von beginn an die Moumlglichkeit regelmaumlszligiger Kommunikationsraumlume um Kon-

fliktenenspvorzubeugenenspoderenspsieenspzuensploumlsenenspundenspdenenspZusammenhaltenspzuenspfoumlrdern gibt es Formen und rituale der Wertschaumltzung gibt es gemeinsame projekte

und auch hier bdquolauernldquo Fallstricke auf die bewohnerinnen

Fallstrick 1 Wieviel Autonomie darf sein wieviel Gemeinschaft muss sein Die Frage der autonomie vs intimitaumlt schiebt sich in der Wohnphase in den Vordergrund Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft bestimmt fuumlr sich wieviel bindung Vertrautheit Naumlhe es leben will und wieviel Distanz es braucht Die balance zwischen diesen beiden ele-mentaren beduumlrfnissen birgt viel Sprengkraft denn hier geht es auch um Fragen von Sympathie und ablehnung um Cliquen- oder paarbildungen wie die aussagen einer bewohnerin eines Wohnprojekts zeigen

bdquoDruumlbenenspimenspAltbauenspistenspdieenspsoenspgenannteenspMafiaenspdieenspsehrenspbdquofachfrauischldquoenspzusammenensphandelt Das ist freundlich gemeint Die verreisen zusammen und kochen miteinan-der Mal tauchen sie dann auch im gemeinsamen geschehen auf aber sie sind fuumlr sich und da kommt man auch nicht unbedingt reinldquo (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

auch goumlschel spricht davon dass in einer euphorie des gemeinschaftlichen die privat-heit der Mitglieder zu sehr eingeschraumlnkt werden kann (vgl goumlschel 2012 S 2)

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

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Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 2: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

38 H Gephart

gemeinschaftliches Wohnen sowie planung und Durchfuumlhrung von entsprechenden Wohnprojekten haben Konjunktur unter dem Vorzeichen von wachsender Mobilitaumlt und den daraus resultierenden erschwernissen als Familie uumlber mehrere generatio-nen raumlumlich nah beieinander zu sein werden Freundesnetzwerke und andere Quellen sozialer Naumlhe und unterstuumltzung immer wichtiger Man erwartet sich unterstuumltzung bei der Kinderversorgung Vorsorge fuumlr das alter und vermeidet damit einsam machende Wohnformen

auch die politik hat reagiert ndash vor allem im Hinblick auf die sich veraumlndernde alters-pyramide und der damit einhergehenden probleme in der Wohnsituation alter Menschen ndash und hat das Foumlrderprogramm bdquoSoziales Wohnen im alterldquo aufgelegt sowie den Wett-bewerb bdquoaltersgerecht bauen und Wohnen ndash barrierefrei quartierbezogen integrativldquo der vom bundesministerium fuumlr Familie Senioren Frauen und Jugend ausgeschrieben wurde ebenso foumlrdert das bundesministerium fuumlr Familie Senioren Frauen und Jugend mit dem programm bdquoWohnen fuumlr (Mehr)generationenldquo 30 innovative gemeinschaftliche Wohnprojekte

Wie stark das interesse an gemeinschaftlichem Wohnen gewachsen ist laumlsst sich an zahlreichen Netzwerken im internet ablesen auf der von der Stiftung trias betriebenen Websiteensp findetensp sichensp zenspBensp eineensp Projektdatenbankenspmitensp zurzeitensp 331ensp realisiertenensp Projektenenspaus ganz Deutschland (wwwwohnprojekte-portalde) in den Newsletters bdquogemein-schaftliches Wohnenldquo werden als Service des bdquoForum gemeinschaftliches Wohnen e V ndash bundesvereinigungldquo jeweils neueste informationen uumlber projekte ausstellungen und informationstage vermittelt (wwwfgw-evde) auch die tageszeitungen nehmen sich des themas immer wieder an (so Heidenreich in der Suumlddeutschen Zeitung in einem bericht uumlber eine geplante Senioren-Wg in privatinitiative (2012 S 34)

Dass baugemeinschaften einen sehr praktischen beitrag zu solidarischem Handeln darstellen wird in der aussage bdquobaugemeinschaften verfuumlgen im allgemeinen neben einer hohen toleranz auch uumlber ein hohes soziales engagementldquo (Zillmann in Lempp und Stadlmayer 2010 S 84) angenommen Das erfolgreiche Handeln der baugemeinschaften setzt ein hohes Maszlig an gemeinsamer Zielsetzung und interessenuumlberschneidung voraus undenspkannenspinenspderensperforderlichenenspKonflikttoleranzenspauchenspeinenspMerkmalenspgelingenderenspSolidaritaumltenspausdruumlcken (vgl Stuumltzle-Hebel in diesem Heft)

Die an baugemeinschaftsprojekte geknuumlpften Hoffnungen koumlnnen aber an vieler-lei Hindernissen scheitern und dieses Scheitern wiegt schwer das Misslingens eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts beschreibt Stefan Klinkenberg berliner architekt als einen gravierenden Fehlschlag fuumlr Finanzen und Lebensplanung1 Dieser Fehlschlag ist im alter umso gravierender da es hier meist um einen Ort fuumlr die letzte Lebensphase geht

Neben der schwierigen oder vergeblichen Suche nach baugrund oder dem Nichtgelin-gen von Finanzierungen sind es in nicht unerheblichen Maszlig gruppendynamische Fakto-renenspdieenspdasenspGelingenenspoderenspFehlschlagenenspvonenspWohnprojektenenspbeeinflussen

architektinnen und beraterinnen die langjaumlhrige erfahrungen mit baugemeinschaf-ten aufweisen koumlnnen wissen um diese prozesse und haben ihre je eigenen Wege gefun-den damit umzugehen Junge architektinnen werden in ihrem Studium aber nicht auf den kommunikativen umgang mit bauherren oder gar baugemeinschaften vorbereitet und neue baugemeinschaften wissen in der regel nicht wo die Fallstricke liegen und lassen sich ndash verstaumlndlicherweise ndash von ihrem Optimismus des gelingens leiten

39Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Wie stiefmuumltterlich das thema betrachtet wird zeigt sich in den Darstellungen in der einschlaumlgigen Literatur in der den bdquotypischen Huumlrdenldquo (Kroumlger et al 2005) oder denensp bdquoHerausforderungenKonfliktloumlsungenldquoensp beienspBaugemeinschaftenensp (Niederensp2008) nur wenige Seiten gewidmet werden auch das Forum bdquoWoran scheitern soviel gemeinschaft-lich organisierte bauvorhabenldquo auf der Website der Wohnprojekte berlin (wwwwohn-projekte-berlininfo) wurde kaum genutzt (Zugriff am 382009) und war im Juli 2012 geloumlscht

Die externe beratung von baugemeinschaften wird vor diesem Hintergrund von eini-gen autoren dringend angeraten (goumlschel 2012 S 5 Nieder 2008 S 27) goumlschel meint EsenspbdquoempfiehltensphellipenspsichenspfuumlrenspalleenspGruppenenspdieenspselbstenspbauenenspoderenspWohneigentumensperwerbenenspwollen so fruumlh wie moumlglich professionelle beratung hinzuzuziehenldquo (2012 S 3) er plaumldiertensp dafuumlrensp dassensp ModeratorInnenensp mitensp gruppendynamischerensp Zusatzqualifikationensp alsenspberatende unterstuumltzung eingesetzt werden (2012 S 6)

1 Theoretische Grundannahmen

DieenspangewandteenspGruppendynamikenspversuchtenspProzesseenspderenspEinflussnahmeenspRollenfindungenspMinoritaumlts-MajoritaumltsbildungenspAutoritaumltenspNormierungenspLeitungenspundenspFuumlhrungenspderenspRefle-xionensp zugaumlnglichensp zuenspmachenensp undensp zuensp untersuchenenspwelchenenspEinflussensp dieseensp Prozesseensp aufenspMenschen in der gruppe haben bzw wie sie diese gestalten (gephart 2003 S 85)

im Folgenden werden gruppendynamische prozesse in baugemeinschaften daraufhin analysiert welche Maszlignahmen hilfreich sein koumlnnen um gruppendynamisch schwie-rige Situationen zu loumlsen Welche Faktoren fuumlhren zum Scheitern eines projekts welche unterstuumltzen das gelingen

baugemeinschaften sind Zusammenschluumlsse von Menschen Singles Familien alten Juumlngeren die sich gemeinsam ein Haus bauen oder kaufen und umgestalten mit dem Ziel es gemeinschaftlich zu bewohnen2 Sie unterliegen denselben oder aumlhnlichen gesetzmaumlszligigkeiten wie teams Vereinsgruppen und anderen Formen der gemeinschaft-lichen aktionen von Menschen

gruppen durchlaufen dabei prozesse die unter verschiedenen gesichtspunkten beschrieben werden koumlnnen einige gruppendynamische Modelle versuchen die ablau-fenden gruppeninteraktionen in aufeinander folgenden phasen zu ordnen Dazu sind eine Vielzahl von Phasenmodellen formuliert worden3 Der zeitliche ablauf der gruumlndung einer baugemeinschaft bis zum gemeinsamen Leben legt die Heranziehung eines solchen phasenmodells nahe Nach dem Modell von tuckman wuumlrde idealtypisch in der anfangs-phaseenspdieenspFrageenspnachenspderenspZugehoumlrigkeitenspinenspderenspKonfliktphaseenspdieenspAuseinandersetzungenspumenspverschiedene interessen und Zielsetzungen in der Normierungsphase das aushandeln von umgangsweisen und Normen (Hausordnungen z b) und in der Differenzierungs-phase schlieszliglich das zufriedenstellende vertrauensvolle Miteinanderwohnen zu verorten sein

allerdings hat sich die zeitlich-lineare abfolge solcher phasen empirisch nicht nach-weisen lassen Kritik aumluszligert z b ardelt-gattinger (1998) die in empirischen Studien die feste reihenfolge in den interaktionen von gruppen nicht belegen konnte typische problemstellungen treten aber immer wieder auf und stellen durchaus regelmaumlszligig wie-derkehrende zu loumlsende anforderungen an die teilnehmerinnen und teilnehmer von

40 H Gephart

gruppen dar Diese anforderungen bestehen aus dem fortwaumlhrenden ausbalancieren der grundbeduumlrfnisse der gruppenmitglieder Daher scheint es mir zum Verstaumlndnis von gruppendynamischen entwicklungsprozessen in baugemeinschaften sinnvoll auf das Modell des gruppendynamischen raums zuruumlckzugreifen das m e elementare beduumlrf-nisse von gruppenteilnehmerinnen abbilden kann die beduumlrfnisse nach Zugehoumlrigkeit EinflussnahmeenspundenspIntimitaumltenspSieenspwerdenensphierenspinenspAnlehnungenspanenspKoumlnigenspundenspSchattenhoferensp(2012) angefuumlhrt0 Die Dimension der Zugehoumlrigkeit

Die Dimension der Zugehoumlrigkeit bestimmt das Zustandekommen einer gruppe die sich durch auszligengrenzen und eine gemeinsame identitaumlt herstellt Zunaumlchst geht es um die Zusammensetzung der gruppe (hier baugemeinschaft) um die regeln des eintritts um Verfahren des ausschlusses von Mitgliederninteressentinnen Diese Fragen werden in der regel am anfang zu klaumlren sein

0 Die Dimension von Macht und EinflussMacht als notwendiges Merkmal in sozialen beziehungsgefuumlgen ist nicht negativ zu konnotierenenspsondernenspdieenspHerausbildungenspundenspAkzeptanzenspvonenspEinflussnahmeenspermoumlg-lichtenspzenspBenspEntscheidungsfindungenenspinenspGruppenenspDieenspFrageenspderenspMachtbalanceenspistenspeineenspinteraktionelle die uumlber Hierarchie oder Normenregeln geklaumlrt wird (vgl Koumlnig und Schattenhofer 2012enspSensp37)enspMachtenspundenspEinflussensp istensp inenspBaugemeinschaftenenspndashenspwieensp inenspanderen gruppen ndash von anfang an wichtig Sie wird z b bei der Wahl von auswahl-kriterien mitverhandelt wird in der anfangsphase einer gruppe aber selten explizit thematisiert

0 Die Dimension von Naumlhe und IntimitaumltDistanz und Naumlhe beduumlrfen der regelung um einerseits ausreichend autonomie und andererseits beruumlhrende beziehungen zu ermoumlglichen Die abklaumlrung von Distanz- und Naumlhewuumlnschen spielt vor allem in der Wohnphase eine entscheidende rolle

ein weiteres Modell das das interaktionelle geschehen in gruppen verdeutlichen kann ist das sog Eisbergmodell (vgl Koumlnig und Schattenhofer 2012 Schattenhofer 2009)

Wieensp schonenspbeiensp derenspDimensionenspvonenspMachtensp undenspEinflussensp erwaumlhntenspwirdenspdieenspThemati-sierung von psychosozialen Fragen emotionen und interessen von gruppenmitgliedern zu beginn vermieden auch wenn genau beobachtet wird wer mit wem wie interagiert findenenspDiskussionenenspeherenspaufenspderenspSachebeneenspstattenspDieserenspSachverhaltenspkannenspmitenspdemenspEis-bergmodell abgebildet werden Die Sachebene ist der sichtbare teil des eisbergs Der nicht besprochene teil der gruppendynamik die Soziodynamik der gruppe ihre art der Beziehungs-enspundenspKonfliktgestaltungenspistenspvonenspallenenspBeteiligtenenspbeobachtbarenspdieenspKommuni-kation daruumlber aber tabu Dies gilt noch mehr fuumlr die sog psychodynamische ebene die emotionale bedeutung des geschehens fuumlr den einzelnen phaumlnomene von Uumlbertragun-gen alter erfahrungen auf aktuelle begebenheiten in der gruppe Diese prozesse sind fuumlr die gruppenmitglieder nicht beobachtbar und den betroffenene selbst z t nicht bewusst habenenspaberenspeinenenspbedeutsamenenspEinflussenspaufenspdasenspGruppengeschehen

Dieensp obenensp aufgefuumlhrtenensp Grundbeduumlrfnisseensp nachensp Zugehoumlrigkeitensp Einflussnahmeensp undenspintimitaumlt sind nicht auf der Sachebene zu besprechen und auch nicht uumlber Sachverhand-lungen zu loumlsen sondern brauchen eine gesonderte auseinandersetzung die sich riskant

41Gruppendynamik in Baugemeinschaften

anfuumlhltenspundenspnurenspdurchenspeinenenspVertrauensvorschussensp inenspdieenspArbeits-enspundenspKonfliktfaumlhigkeitenspeiner gruppe anzugehen ist

im Folgenden werden die ablaumlufe in der entwicklung von baugemeinschaften und mit ihnen verbundene beduumlrfnisse als erklaumlrungsdimensionen der gruppendynamik herangezogen und verdeutlicht mit welchen anforderungen und gruppendynamischen bdquoFallstrickenldquo die interessierten zu rechnen haben Der interaktionsprozess im Verlauf der planung und ausfuumlhrung eines gemeinschaftlichen Wohnvorhabens bietet die Moumlg-lichkeit einer destruktiven entgleisung aber auch die einer positiven entwicklung einer baugemeinschaft Diese bdquoSchluumlsselsituationenldquo werden fuumlr die verschiedenen entwick-lungsstadien ausgefuumlhrt

2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten

21 Die Findungsphase

InenspderenspAnfangsphaseenspbeeinflussenenspdieenspunterschiedlichenenspBeduumlrfnisseenspundenspBeweggruumlndeenspder beteiligten den Findungsprozess Die Motive sich auf ein gemeinschaftliches bau-projekt einzulassen reichen von0 sozialen Gruumlnden (sich gegenseitig beim bau und spaumlter im Wohnen unterstuumltzen

Versorgung der Kinder vereinfachen Nachbarschaft als soziale ressource nutzen)0 uumlber oumlkonomische Aspekte (Kostenersparnis gegenuumlber konventionellem bauen Ver-

teilung der allgemeinkosten auf viele)0 bis zu oumlkologisch-politischen Motiven (Schonung der umwelt durch bessere Nutzung

von energieressourcen ausprobieren fortschrittlich-oumlkologischer Konzepte) (vgl die Kommentare im Film bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011 vgl auch Kroumlger et al 2005 S 43)

Nicht zuletzt ist es die Moumlglichkeit der Mitgestaltung des kuumlnftigen Wohnraums durch gemeinsame planung der gemeinschaftlichen raumlume (garten gemeinschaftsraumlume Wirtschaftsraumlume) bei individueller gestaltung des selbst genutzten Wohnteils der interessentinnen und interessenten dazu bewegt in einer baugemeinschaft mitzu-machen bei der planung eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts suchen Menschen gegenseitigkeitserfahrungen individueller und gemeinschaftlicher art subjektive Lebenszufriedenheit und Lebensqualitaumlt die in die interaktionsordnung des sozialen austauschs eingebettet ist (vgl Schulz-Nieswand et al 2012 S 26 und 30)

So benennt z b das projekt bonn-puumltzchen bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo auf seiner Homepage als Ziele0 Nachbarschaftliche gemeinschaft mit gegenseitiger Hilfe und gemeinsamer

Freizeitgestaltung0 Durchmischte alterstruktur0 Kompetenzen der bewohner fuumlr das Wohnprojekt nutzen0 Selbstbestimmung auch im alter erhalten0 Dialogfaumlhigkeit und ndash bereitschaft innerhalb der gemeinschaft

42 H Gephart

(httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140ziele Zugriff 2462012)4

Der idealtypische ablauf der Findungsphase fuumlr ein Wohnprojekt beginnt mit dem Kennenlernen der interessentinnen gefolgt von der Suche nach einem geeigneten grund-stuumlck oder Objekt Mit der entscheidung fuumlr eine architektineinen architekten ist der Findungsprozess abgeschlossen (vgl Nieder 2008 S 16) Die notwendigen gespraumlche AbklaumlrungenenspundenspVerhandlungenenspfindenensp inenspderenspRegelenspaufenspderenspSachebeneenspstattenspAufenspderenspsogenannten soziodynamischen oder beziehungsebene geschehen die emotional ent-scheidenden Dinge oft unausgesprochen ndash und koumlnnen so zu belastungen werden die sich auf die gesamte gemeinsame planung und Durchfuumlhrung des projekts auswirken

Die grundfragen in der Findungsphase lauten Wie begruumlndet sich die Zugehoumlrigkeit Was muss ich tun um ein respektiertes Mitglied der baugemeinschaft zu werden Wie geht die gruppe mit interessentinnen um die nicht zu passen scheinen in dem beduumlrfnis nach Zugehoumlrigkeit fragt sich der interessentdie interessentin bin ich es wert mitge-nommen zu werden auf der anderen Seite will ich zu dieser gruppe gehoumlren und wie pruumlfe ich ob ich dazu gehoumlren moumlchte Die baugemeinschaften interessiert Wollen wir diese interessentinnen zulassen unter welchen aspekten Welche rolle werden sie bei uns spielen

richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V berlin betont hier die bedeutung des unterschieds zwischen einer baugemeinschaft und einem Wohnprojekt

Waumlhrend bei der baugemeinschaft seiner einschaumltzung nach das (guumlnstige) bauen im Vordergrund steht und eine gemeinschaft sich dann erst ggf beim Zusammenwohnen begruumlndet steht dazu im unterschied das Motiv des gemeinsamen Wohnens (bdquowir wollen zusammen wohnen und suchen uns unsere gruppe dafuumlrldquo)

Oft tauchen in der Such- und Findungsphase auch lebensgeschichtlich gepraumlgte the-men auf (der ausschluss in der Schulklasse die rolle des fuumlnften rades in einer Fami-lie)enspundenspbeeinflussenenspdasenspHandelnenspeinzelnerenspohneenspdassenspdieenspHerkunftenspderenspempfundenenenspgefuumlhle von Kraumlnkung und Zuruumlcksetzung bewusst waumlren

Welche bdquoFallstrickeldquo koumlnnen nun in der Findungsphase auftauchen

Fallstrick 1 Gruppentouristen erkennen palm berichtet fuumlr die Findungsphase von dem phaumlnomen des gruppentourismus Menschen die in vielen Wohnprojekten auftauchen und wieder verschwinden Wohnprojekte seien auszligerdem ein Magnet fuumlr bdquoseltsameldquo Leuteensp Offensichtlichensp habenensp alsoensp dieensp inenspGruumlndungensp befindlichenensp Projekteensp einenenspAnzie-hungscharakter aber nicht nur fuumlr ernsthafte interessentinnen Dies gilt es moumlglichst bald herauszufindenenspumenspnichtenspzuvielenspKraftenspundenspZeitenspaufenspdieenspAuseinandersetzungenspmitenspPersonenenspzu verwenden die kein ernsthaftes interesse haben

Fallstrick 2 Unterschiedliches Engagement Die initiatoren einer baugemeinschaft sind naturgemaumlszlig diejenigen die viel energie und tatendrang mitbringen Selbst wenn sie keine dominante rolle spielen wollen sind sie doch diejenigen mit Wissensvorsprung (weil von anfang an dabei) und klaren interessen Sie genieszligen damit ndash zumindest zu beginn ndash mehrenspEinflussenspundenspstehenenspauchenspsymbolischenspfuumlrenspdieenspIdeeenspdesenspProjektsenspDeshalbenspwirdenspaufenspsieenspbesonders geschaut kritisch oder hoffnungsvoll im interview mit einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster bestaumltigt sich dies

43Gruppendynamik in Baugemeinschaften

bdquoin der gruppe ist eben eine person die von anfang an dabei war die viel Wissen hat und die fuumlr uns auch wichtig ist Die fuumlr den Verein wichtig istldquo

Die Hoffnung besteht darin dass die initiatoren bdquoes richtenldquo sollen dass sie die Wuumlnsche derenspweiterenenspInteressiertenensperfuumlllenenspsollenenspdassenspsieenspinenspKonfliktfaumlllenenspanrufbarenspseinenspmoumlgenenspDieenspkritischeenspSichtenspbeziehtenspsichenspdaraufenspobenspdieenspInitiatorenenspzuenspvielenspEinflussenspnehmenenspobenspsieenspeigeninteressen verfolgen ob sie die neu Hinzukommenden ausreichend mit informatio-nenenspundenspEinflussenspversorgen

Fallstrick 3 Mangelnde und intransparente Kriterien fuumlr die Auswahl Hinzukommen-der Die Leitfragen dafuumlr lauten Wer erstellt die Kriterien fuumlr eine auswahl wie wird entschieden und wie wird die entscheidung kommuniziert gibt es unausgesprochene Kriterien die wirksam aber nicht transparent sind bdquoWenn sich Leute zusammenschlie-szligen oder sich einer gruppe angliedern moumlchten erfolgt ein sozialer auswahlprozess dem sich nicht jeder gewachsen siehtldquo (Kroumlger et al 2005 S 46) Die Chance einer auseinan-dersetzung uumlber diese Kriterien liegt in der entdeckung der Vielfalt in der gemeinschaft und der Notwendigkeit der integration dieser Vielfalt Sind die Kriterien klar benannt faumlllt es leichter neue interessentinnen auszuwaumlhlen und die entscheidungen klar zu kommunizieren

Fallstrick 4 Unterschiedliche Kenntnisse und Vorerfahrungen bei groszliger Diversitaumlt an Kompetenzen besteht die gefahr dass diese konkurrent verarbeitet und nicht als res-source angesehen werden Oft kann erst in einer der spaumlteren phasen die unterschiedlich-keit geschaumltzt und genutzt werden Zu beginn kann sie als eine bedrohung des eigenen Status und der eigenen bedeutung erlebt werden

Fallstrick 5 Vielfalt und Gegensaumltzlichkeit der Motivlagen auch hier gilt die interes-sentinnen bringen ndash wie anfangs beschrieben ndash unterschiedlichste Motivlagen mit die eruiertenspwerdenenspmuumlssenenspumenspherauszufindenenspwoenspInteressenenspgegenlaumlufigenspsindenspBeduumlrfnisseenspnicht erfuumlllt werden koumlnnen erwartungen zu hoch angesetzt sind

unausgesprochene Versorgungswuumlnsche oder Kontaktbeduumlrfnisse z b koumlnnen eine baugemeinschaft uumlberfordern Dass diese interessen nicht aufgedeckt werden gruumlndet auf der besorgnis nicht in die baugemeinschaft aufgenommen zu werden oder in der Scham uumlber die privaten Wuumlnsche

Fallstrick 6 Zeigen der sozialen Maske eine der groszligen gefahren ist dass zu beginn einer gruppe vor allem die vertraumlglich-freundschaftlichen-foumlrmlichen Verhaltensweisen gezeigt werden die bdquoSchokoladenseiteldquo das was als sozial erwuumlnscht in der gruppe ver-mutet wird Diese vermeintlich sozial erwuumlnschten Verhaltensweisen dienen der Verhin-derung des befuumlrchteten ausschlusses bzw der Vermeidung vermeintlich zerstoumlrerischer KonflikteenspInteressenenspvonenspdenenenspdieenspPersonenenspglaubenenspseienspseienenspsozialenspunerwuumlnschtenspwer-denensphaumlufigenspnichtenspgenanntenspAuchenspInteressenenspbdquoverdeckterensp3ldquoenspkoumlnnenenspeineenspRolleenspspielenenspSoenspmeint Stefan Klinkenberg architekt in berlin in einem interview

44 H Gephart

bdquointeressentinnen sagen nicht immer was sie meinen sagen ihre sozial nicht erwuumlnschten interessen nicht z b spielt soziale geltung eine groszlige rolle Wenn ElternenspmitfinanzierenenspwollenenspauchenspdieenspElternenspdieenspWohnungenspgutenspfindenldquo

Was ist gruppendynamisch zu beachten es geht nicht darum eine Selbsterfahrungs-gruppe zu installieren architekten oder baugemeinschaften oder beraterinnen sollten aber um moumlgliche erklaumlrungen wissen wenn bdquobizarreldquo oder bdquounangemesseneldquo reaktio-nen erscheinen Die Frage bdquowas brauchen Sieldquo nimmt oft sehr viel energie aus einem KonfliktenspjedenfallsenspmehrenspalsenspweitereenspErlaumluterungenenspoderenspRechtfertigungen

baugemeinschaften brauchen ab einem bestimmten Zeitpunkt Verlaumlsslichkeit in der Zusage Diese laumlsst sich vertraglich oder durch Zahlung von einlagen (als bdquoformelleldquo eintrittskarten) herstellen

grundlegend sind auch genuumlgend gemeinsame interessen die in der anfangssituation eine gemeinsame anfangsidentitaumlt schaffen

Die baugemeinschaft braucht einen rahmen um interessen (auch die moumlglicherweise sozial weniger vertraumlglichen) zur Sprache zu bringen um auch versteckte Motive heraus zuenspfindenenspumensphinderlicheenspBedingungenenspzuenspbenennenenspundenspnotwendigeenspAbgrenzungenenspvor-zunehmen Diese kommunikativen prozesse sind die grundlagen fuumlr gelingende Wohn-projekte Die anfangsphase und erste auseinandersetzungen muumlssen durchgestanden seinenspweilensp sieensp sonstensp alsensp unterschwelligeenspKonflikteensp inensp dieensp naumlchsteenspPhaseenspweitergetragenenspwerden Dazu braucht es Zeit und vor allem geduld Zuhoumlren und kritisches Nachfra-gen was in der anfangsphase oft schwierig ist Hier dominiert der Wunsch es moumlge das gemeinschaftliche projekt schnell in bewegung kommen und es moumlgen schon die richtigen Leute vorhanden sein es braucht Motivationsarbeit und Konfrontation um die notwendigen Klaumlrungen herbeizufuumlhren

Wie kann eine baugemeinschaft in dieser phase gruppendynamisch kompetent unter-stuumltzt werden

um die notwendige geduld energie und Zeit aufzubringen ist m e die unterstuumlt-zung einers externen beraterinberaters und eines geschickten handlings der architektin oder des architekten vonnoumlten Solche unterstuumltzung kann z b in Form einer Zukunfts-werkstattenspoderenspeinerenspModerationSupervisionenspderenspPlanungstreffenenspstattfindenenspAuchenspwennensphier Mehrausgaben in Form von Zeit undoder geld auf gruppen zukommen Sie lohnen sich langfristig gruppen die sich uumlber einen langen Zeitraum gefunden und auseinander-gesetzt haben besitzen eine stabilere grundlage fuumlr das gemeinsame bauen und Wohnen alsenspGruppenenspdieenspsichenspzenspBenspaufgrundenspeinerenspAusschreibungenspeinesenspTraumlgersenspfinden

22 phase der planung

Nachdem sich die baugemeinschaft gefunden hat und entschieden ist wer bei dem pro-jekt mitmacht geht es in die eigentliche planungsphase

Jetzt geht es nicht mehr nur um den abgleich von interessen und Wuumlnschen son-dern es muumlssen zahlreiche entscheidungen getroffen werden die das spaumltere Wohnen die Finanzen den geschmack etc tangieren bedeutsam in dieser phase ist Welche ent-scheidungen muumlssen getroffen werden und wie werden sie getroffen

45Gruppendynamik in Baugemeinschaften

geht es in der Findungsphase um die Frage der Zugehoumlrigkeit ruumlckt jetzt die Dimen-sionenspderenspMachtenspdieenspFrageenspderenspEinflussnahmeenspinenspdenenspVordergrundenspDaenspesenspinenspBaugruppenenspkeineenspformelleenspHierarchieenspgibtenspwirdenspEinflussnahmeenspuumlberenspNormenenspundenspRegelnenspinstalliert

Fallstrick 1 Einfluss und Machtverteilung in der Baugemeinschaft Das psychische beduumlrfnis nach gehoumlrt werden und Mitwirkung ist hier entscheidend tangiert (Kann ich mitentscheiden) Oft kommt es zu unterschiedlichen geschwindigkeiten in der Verhand-lungenspundenspinenspderenspEntscheidungsfindungenspMenschenenspdieenspgewohntenspsindenspzuenspentscheidenenspkoumln-nen dies oft schneller und sind durchsetzungsstaumlrker

Da gibt es Charaktere die so bdquoMacherldquo sind und zwar bdquosofortldquo und es gibt andere die erstmal gucken ob man soll oder kann Fuumlr die sind diejenigen die bdquomachenldquo viel zu schnell Daruumlber gibt es ganz maumlchtige Differenzen (interview einer bewoh-nerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Fallstrick 2 Entscheidungen werden nicht getroffen oder verzoumlgert unterschwellige AuseinandersetzungenenspumenspMachtenspundenspEinflussenspkoumlnnenenspdenenspFortgangenspdesenspProjektsenspunnoumltigensperschweren

Was ist gruppendynamisch zu beachten Hilfreich ist die Klaumlrung bdquoWer will in die bdquo1 reiheldquo (oft die initiativgruppe) oder in die bdquo2 reiheldquo die mit weniger arbeit und Ver-antwortungenspverbundenenspistenspdafuumlrenspaberenspauchenspwenigerenspEinflussenspgewaumlhrleistet

es braucht daneben die aktive einbeziehung aller Mitglieder um jeden einzelnen in der baugemeinschaft insgesamt mit dem gefuumlhl bdquodas ist mein projekt und ich wirke daran mitldquo zu versorgen

Zeitlimits und die absprache uumlber entscheidungsablaumlufe und vor allem eine einigung uumlber den abstimmungsmodus sind notwendig

Langfristig erfolgreiche projekte zeichnen sich neben der architektonischen Qualitaumlt der einhaltung von Kostenlimits der Vermeidung von bauschaumlden etc durch die hohe Zufriedenheit der Mitglieder aus Die wird in der regel durch echteenspKompromissfindungenspund nicht durch Mehrheitsentscheidungen geloumlst antons (2011 S 145) schreibt dazu bdquoDas Faumlllen von gruppenentscheidungen ist besonders fuumlr selbststeuernde gruppen (wie BaugemeinschaftenenspdenspA)ensphellipenspeinenspzentralesenspThemaldquoenspErenspbenenntenspalsensptypischeenspVerhaltens-muster bdquoHau-ruck-entscheidungen durch dominante Mitglieder ruumlckzug auf formal-demokratischeenspLoumlsungenensphellipenspKonsensuszwangldquoenspDieenspechteenspKompromissfindungenspdagegenenspberuumlcksichtigt alle interessen und die beteiligten verhandeln solange bis es nur bdquogewin-nerldquo und keine bdquogewinner-Verliererldquo gibt Die erarbeitung beduumlrfnisorientierter und an die jeweilige Situation und ihre bedeutung angepasste Formen der Uumlbereinkunft ist eine diffizileenspGruppenleistungenspIhreenspBewaumlltigungenspbedeutetenspfuumlrenspdieenspWohnphaseenspeinenspModellenspkuumlnf-tigerenspKonfliktmoderation

anna gephart Hamburger architektin berichtet dass die planungsphase oft noch dominiert ist von dem gemeinsamen interesse der Mitglieder am bauprojekt dass treffen fuumlr sinnvoll erachtet werden und von den bauprojektmitgliedern auch Zeit dafuumlr einge-raumlumt wird Dieses interesse besteht aus mehrerengruumlnden das Haus in dem man leben wird nimmt gestalt an die personen die schon sehr lange in der planung dabei sind und dasenspProjektenspgegruumlndetensphabenenspempfindenenspErleichterungenspdassenspbdquoesenspendlichensplosgehtldquoenspMit-

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glieder die erst kurz dabei sind erleben den Moment als spannenden bdquoanfangldquo Neben den gemeinschaftsbereichen die gestaltet werden wollen kann vor allem in dieser phase EinflussenspaufenspdenenspeigenenenspWohnungsgrundrissenspgenommenenspwerden

DieseenspAnfangsfreudeenspundenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspwirdenspgefoumlrdertenspwennenspposi-tive Oumlffentlichkeitsarbeit betrieben ein mediales echo erzeugt wird oder gemeinsame aktivitaumlten unternommen und die entscheidenden bauphasen durch Feste gewuumlrdigt werden (Spatenstichfest richtfest etc) architekt Klinkenberg beschreibt dass Kohauml-sion z b durch besuchergruppen oder mediale berichterstattung entstehe alle diese AktivitaumltenenspfoumlrdernenspdieenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspundenspstaumlrkenenspdieenspBereitschaftenspauchenspschwierigere Zeiten miteinander zu durchstehen

23 bauphase

in der bauphase wird es fuumlr die baugemeinschaft anstrengend sie wird von architektin-nen und architekten als die schwierigste bezeichnet Die geduld wird durch viele Detail-fragen strapaziert und die Frustrationstoleranz der gruppe ist gefragt wie geht man mit bauverzoumlgerungen auftretenden Maumlngeln etc um einerseits besteht der Wunsch end-lich einziehen zu koumlnnen andererseits ist die Muumlhsal der vielen zu regelnden Details hoch

in der angewandten gruppendynamik ist bekannt dass durch von auszligen auf die gruppe stoszligende belastungen die inzwischen getroffenen regelungen und Spielregeln auszligerenspKraftenspsetzenenspundenspKonflikteenspneuenspausbrechenenspkoumlnnenenspAnenspdieenspBaugemeinschaftenspwirdenspinenspdieserenspZeitenspeineensphoheenspAnforderungenspanenspdieenspKonflikt-enspundenspKompromissfaumlhigkeitenspgestellt

architekt Klinkenberg beschreibt fuumlr diese phase das auftreten objektiver Krisen (bau-verzoumlgerungen etc) und subjektiver Krisen die oft beim Uumlbergang vom rohbau zum innenausbau entstuumlnden weil der rohbau duumlster wirke oder wenn das geld vor der Fer-tigstellung ausgehe er raumlt zur Vorwegnahme von Schwierigkeiten durch die baubegleiter

Fallstrick 1 Alle wollen mitreden aus dem beduumlrfnis nach Mitwirkung heraus (s die Dimension der Macht aus gruppendynamischer Sicht) wollen viele Mitglieder einer bau-gemeinschaftenspmitredenenspundenspinenspvielenenspFragenenspEinflussenspnehmenenspAuftretendeenspbdquoAnfaumllleldquoenspvonenspKontrollbeduumlrfnissen die uumlber ein normales Maszlig des informations- und Mitsprachebe-duumlrfnisses hinausgehen sind indizien fuumlr nicht gelungene beziehungsklaumlrungen in der Zeit der planung

Fallstrick 2 Unterschiedliche Anerkennung der Arbeitsgruppen es kann sein dass die Konkurrenz zwischen den verschiedenen arbeitsgruppen durch abwertung der arbeit der anderen sichtbar wird z b koumlnnen sich die Mitglieder der gruppe bau fuumlr wichtiger hal-tenenspalsenspdieenspderenspGruppeenspGartenenspHierenspistenspauchenspeineenspgenderspezifischeenspTendenzenspzuensperkennenenspMaumlnnerenspsindenspzenspBenspsehrenspseltenenspinenspderenspAGenspFesteenspzuenspfindenenspdensphenspdieenspFrauenenspsorgenenspvorwie-gendenspfuumlrenspOrteenspderenspKommunikationenspundenspdesenspWohlbefindens

Fallstrick 3 Auszligerkraftsetzen vorher getroffener Planungsentscheidungen in der bau-phase werden individuelle Wuumlnsche moumlglicherweise wieder belebt (bdquoin meine Wohnung sollenspdochenspeinenspandererenspFuszligbodenenspeineenspandereenspBeleuchtungenspandereenspBadmoumlbelensphellipldquo)enspundenspdieenspgetroffenen Vereinbarungen auszliger Kraft gesetzt

47Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Fallstrick 4 Zu rigide Durchsetzung von Abmachungen die nicht eingehalten werden koumlnnen im Verlauf der planung und Durchfuumlhrung des projekts kann es zu Veraumlnderungen der Lebensbedingungen kommen (arbeitslosigkeit erkrankung z b) auf die die bau-gemeinschaft reagieren muss

Was ist gruppendynamisch zu beachten Die absicherung von transparenz und Kom-munikation uumlber die zu treffenden entscheidungen und deren Konsequenzen fuumlr bau-dauer und Kosten ist grundlegend allerdings sollte immer die bedeutsamkeit der Fragen abgewogen werden bdquoDiskussionen sind wichtig und notwendig doch nicht jedes Detail mussenspbisenspinenspdieenspHaarwurzelenspdiskutiertenspwerdenensphellipldquoensp(Niederensp2008 S 20)

es hilft in der bauphase sehr wenn ein aktiver Kern der baugemeinschaft installiert wirdenspdessenenspBefugnisseenspklarenspdefiniertenspsindenspDieseenspBaugruppeenspschafftenspeinerseitsenspdieenspVer-bindung zum architekten und ist sich auf der anderen Seite bewusst wie wichtig die kommunikative Verbindung zu den anderen baugemeinschaftsmitgliedern und groumlszligt-moumlgliche transparenz sind auch sollten andere untergruppen die z b den garten pla-nen den Kontakt zu behoumlrden regeln gemeinsame aktivitaumlten und Feste organisieren gebildet werden damit die Last auf viele Schultern gelegt wird Mitglieder von bau-gemeinschaften berichten von der erleichterung durch die teilung von aufgaben von der bereicherung durch das Zusammenkommen vieler ideen und Faumlhigkeiten (vgl Fil-mische Dokumentation bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011) Das wird so auch von der bewohnerin des projekts bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo benannt gerda blaschke bewohnerin im projekt Max-b in Hamburg freut sich daruuml-ber dass es bdquoviele unterschiedliche talenteldquo gibt und bdquojeder einbringt was er gut kannldquo (Stadlmayer in Lempp und Stadlmayer 2010 S 50) architekt Klinkenberg erachtet die einrichtung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche je nach Neigung und Kompetenz fuumlr erfolgversprechend Neben der teilung der belastung und der Verantwortung ergibt sich dass letztlich alle bewohnerinnen am erfolg beteiligt sind und damit die notwen-dige Kohaumlsion (der Zusammenhalt) weiter gestaumlrkt wird auf das Vorkommen unter-schiedlicher anerkennung von arbeitsgruppen sollte geachtet und abhilfe geschaffen werden

gegen das auszligerkraftsetzen von gemeinsamen planungsentscheidungen hilft eine stringente baukoordination durch die architekten und die verantwortliche baugruppe (s o) die moumlglichst an einem Strang ziehen sollten Wenn die baugruppe als Kern der baugemeinschaft nicht mit der genuumlgenden autoritaumlt durch die anderen Mitstreiterinnen ausgestattet wurde bzw sich diese nicht nimmt kann das zu nachhaltigen unzufrieden-heiten bis zu prozessualen auseinandersetzungen fuumlhren

auszligerdem muss die baugemeinschaft klaumlren was bei der Veraumlnderung von Lebensver-haumlltnissen und dem damit moumlglicherweise verbundenen Wunsch nach ausstieg geschieht architekt Klinkenberg betont die Notwendigkeit einer ausstiegsregelung die manchmal finanziellenspaberenspauchensppsychischenspschwierigenspzuenspfindenenspistenspLoumlsungenenspfuumlrenspdieseenspFaumllleenspsolltenenspvorab angedacht und nicht erst in der akuten Situation thematisiert werden wenn es zu Zeit- und interessensdruck kommt

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24 Wohnstart

Die erfahrung von gruppendynamikerinnen sagt dass eine gruppendynamisch gelun-gene planungs- und bauphase sehr wichtig fuumlr die Wohnphase ist Dort gab es gelegen-heit sich mit den anderen beteiligten zu erfahren und ein gefuumlhl fuumlr das zukuumlnftige Zusammenleben zu bekommen Die bdquosoziale Organisation der Naumlheldquo in der neuen Nach-barschaft beginnt sich nun zu konkretisieren (Kloumls zitiert in evans und Schahadat 2011 S 18) in der Wohnphase muumlssen Strukturen fuumlr das Zusammenleben geschaffen wer-den Je intensiver die auseinandersetzung um die Wohnidee war je mehr die beteili-gung gewollt und gelungen ist umso besser laumluft das gemeinsame Wohnen Die in der planungs- und bauphase entwickelten entscheidungsmodi der gefundene umgang mit InteressengegensaumltzenenspdasenspGelingenenspvonenspKonfliktmoderationenspbietenenspdenenspErfahrungshin-tergrund der ndash wenn erfolgreich ndash das gegenseitige Vertrauen und die Zuversicht fuumlr das gelingen der Vision staumlrkt

Schulz-Nieswandt etal sprechen vom bdquowohngemeinschaftlichem Sozialkapital das davonensp beeinflusstenspwirdenspwieensp positivensp oderensp stressbeladenensp dieenspBeziehungenensp innerhalbensp derenspWohngruppe sindldquo (2012 S 39)

auch wenn man von einer euphoriephase nach dem einzug sprechen kann (vgl Krouml-ger et al 2005 S 46 goumlschel 2012 S 2) gibt es doch auch hier themen die beachtet werden muumlssen

gruppendynamische Fragestellungen fuumlr die Wohnphase

Wie wird der beginn des Zusammenlebens gestaltet gibt es von beginn an die Moumlglichkeit regelmaumlszligiger Kommunikationsraumlume um Kon-

fliktenenspvorzubeugenenspoderenspsieenspzuensploumlsenenspundenspdenenspZusammenhaltenspzuenspfoumlrdern gibt es Formen und rituale der Wertschaumltzung gibt es gemeinsame projekte

und auch hier bdquolauernldquo Fallstricke auf die bewohnerinnen

Fallstrick 1 Wieviel Autonomie darf sein wieviel Gemeinschaft muss sein Die Frage der autonomie vs intimitaumlt schiebt sich in der Wohnphase in den Vordergrund Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft bestimmt fuumlr sich wieviel bindung Vertrautheit Naumlhe es leben will und wieviel Distanz es braucht Die balance zwischen diesen beiden ele-mentaren beduumlrfnissen birgt viel Sprengkraft denn hier geht es auch um Fragen von Sympathie und ablehnung um Cliquen- oder paarbildungen wie die aussagen einer bewohnerin eines Wohnprojekts zeigen

bdquoDruumlbenenspimenspAltbauenspistenspdieenspsoenspgenannteenspMafiaenspdieenspsehrenspbdquofachfrauischldquoenspzusammenensphandelt Das ist freundlich gemeint Die verreisen zusammen und kochen miteinan-der Mal tauchen sie dann auch im gemeinsamen geschehen auf aber sie sind fuumlr sich und da kommt man auch nicht unbedingt reinldquo (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

auch goumlschel spricht davon dass in einer euphorie des gemeinschaftlichen die privat-heit der Mitglieder zu sehr eingeschraumlnkt werden kann (vgl goumlschel 2012 S 2)

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

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Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 3: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

39Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Wie stiefmuumltterlich das thema betrachtet wird zeigt sich in den Darstellungen in der einschlaumlgigen Literatur in der den bdquotypischen Huumlrdenldquo (Kroumlger et al 2005) oder denensp bdquoHerausforderungenKonfliktloumlsungenldquoensp beienspBaugemeinschaftenensp (Niederensp2008) nur wenige Seiten gewidmet werden auch das Forum bdquoWoran scheitern soviel gemeinschaft-lich organisierte bauvorhabenldquo auf der Website der Wohnprojekte berlin (wwwwohn-projekte-berlininfo) wurde kaum genutzt (Zugriff am 382009) und war im Juli 2012 geloumlscht

Die externe beratung von baugemeinschaften wird vor diesem Hintergrund von eini-gen autoren dringend angeraten (goumlschel 2012 S 5 Nieder 2008 S 27) goumlschel meint EsenspbdquoempfiehltensphellipenspsichenspfuumlrenspalleenspGruppenenspdieenspselbstenspbauenenspoderenspWohneigentumensperwerbenenspwollen so fruumlh wie moumlglich professionelle beratung hinzuzuziehenldquo (2012 S 3) er plaumldiertensp dafuumlrensp dassensp ModeratorInnenensp mitensp gruppendynamischerensp Zusatzqualifikationensp alsenspberatende unterstuumltzung eingesetzt werden (2012 S 6)

1 Theoretische Grundannahmen

DieenspangewandteenspGruppendynamikenspversuchtenspProzesseenspderenspEinflussnahmeenspRollenfindungenspMinoritaumlts-MajoritaumltsbildungenspAutoritaumltenspNormierungenspLeitungenspundenspFuumlhrungenspderenspRefle-xionensp zugaumlnglichensp zuenspmachenensp undensp zuensp untersuchenenspwelchenenspEinflussensp dieseensp Prozesseensp aufenspMenschen in der gruppe haben bzw wie sie diese gestalten (gephart 2003 S 85)

im Folgenden werden gruppendynamische prozesse in baugemeinschaften daraufhin analysiert welche Maszlignahmen hilfreich sein koumlnnen um gruppendynamisch schwie-rige Situationen zu loumlsen Welche Faktoren fuumlhren zum Scheitern eines projekts welche unterstuumltzen das gelingen

baugemeinschaften sind Zusammenschluumlsse von Menschen Singles Familien alten Juumlngeren die sich gemeinsam ein Haus bauen oder kaufen und umgestalten mit dem Ziel es gemeinschaftlich zu bewohnen2 Sie unterliegen denselben oder aumlhnlichen gesetzmaumlszligigkeiten wie teams Vereinsgruppen und anderen Formen der gemeinschaft-lichen aktionen von Menschen

gruppen durchlaufen dabei prozesse die unter verschiedenen gesichtspunkten beschrieben werden koumlnnen einige gruppendynamische Modelle versuchen die ablau-fenden gruppeninteraktionen in aufeinander folgenden phasen zu ordnen Dazu sind eine Vielzahl von Phasenmodellen formuliert worden3 Der zeitliche ablauf der gruumlndung einer baugemeinschaft bis zum gemeinsamen Leben legt die Heranziehung eines solchen phasenmodells nahe Nach dem Modell von tuckman wuumlrde idealtypisch in der anfangs-phaseenspdieenspFrageenspnachenspderenspZugehoumlrigkeitenspinenspderenspKonfliktphaseenspdieenspAuseinandersetzungenspumenspverschiedene interessen und Zielsetzungen in der Normierungsphase das aushandeln von umgangsweisen und Normen (Hausordnungen z b) und in der Differenzierungs-phase schlieszliglich das zufriedenstellende vertrauensvolle Miteinanderwohnen zu verorten sein

allerdings hat sich die zeitlich-lineare abfolge solcher phasen empirisch nicht nach-weisen lassen Kritik aumluszligert z b ardelt-gattinger (1998) die in empirischen Studien die feste reihenfolge in den interaktionen von gruppen nicht belegen konnte typische problemstellungen treten aber immer wieder auf und stellen durchaus regelmaumlszligig wie-derkehrende zu loumlsende anforderungen an die teilnehmerinnen und teilnehmer von

40 H Gephart

gruppen dar Diese anforderungen bestehen aus dem fortwaumlhrenden ausbalancieren der grundbeduumlrfnisse der gruppenmitglieder Daher scheint es mir zum Verstaumlndnis von gruppendynamischen entwicklungsprozessen in baugemeinschaften sinnvoll auf das Modell des gruppendynamischen raums zuruumlckzugreifen das m e elementare beduumlrf-nisse von gruppenteilnehmerinnen abbilden kann die beduumlrfnisse nach Zugehoumlrigkeit EinflussnahmeenspundenspIntimitaumltenspSieenspwerdenensphierenspinenspAnlehnungenspanenspKoumlnigenspundenspSchattenhoferensp(2012) angefuumlhrt0 Die Dimension der Zugehoumlrigkeit

Die Dimension der Zugehoumlrigkeit bestimmt das Zustandekommen einer gruppe die sich durch auszligengrenzen und eine gemeinsame identitaumlt herstellt Zunaumlchst geht es um die Zusammensetzung der gruppe (hier baugemeinschaft) um die regeln des eintritts um Verfahren des ausschlusses von Mitgliederninteressentinnen Diese Fragen werden in der regel am anfang zu klaumlren sein

0 Die Dimension von Macht und EinflussMacht als notwendiges Merkmal in sozialen beziehungsgefuumlgen ist nicht negativ zu konnotierenenspsondernenspdieenspHerausbildungenspundenspAkzeptanzenspvonenspEinflussnahmeenspermoumlg-lichtenspzenspBenspEntscheidungsfindungenenspinenspGruppenenspDieenspFrageenspderenspMachtbalanceenspistenspeineenspinteraktionelle die uumlber Hierarchie oder Normenregeln geklaumlrt wird (vgl Koumlnig und Schattenhofer 2012enspSensp37)enspMachtenspundenspEinflussensp istensp inenspBaugemeinschaftenenspndashenspwieensp inenspanderen gruppen ndash von anfang an wichtig Sie wird z b bei der Wahl von auswahl-kriterien mitverhandelt wird in der anfangsphase einer gruppe aber selten explizit thematisiert

0 Die Dimension von Naumlhe und IntimitaumltDistanz und Naumlhe beduumlrfen der regelung um einerseits ausreichend autonomie und andererseits beruumlhrende beziehungen zu ermoumlglichen Die abklaumlrung von Distanz- und Naumlhewuumlnschen spielt vor allem in der Wohnphase eine entscheidende rolle

ein weiteres Modell das das interaktionelle geschehen in gruppen verdeutlichen kann ist das sog Eisbergmodell (vgl Koumlnig und Schattenhofer 2012 Schattenhofer 2009)

Wieensp schonenspbeiensp derenspDimensionenspvonenspMachtensp undenspEinflussensp erwaumlhntenspwirdenspdieenspThemati-sierung von psychosozialen Fragen emotionen und interessen von gruppenmitgliedern zu beginn vermieden auch wenn genau beobachtet wird wer mit wem wie interagiert findenenspDiskussionenenspeherenspaufenspderenspSachebeneenspstattenspDieserenspSachverhaltenspkannenspmitenspdemenspEis-bergmodell abgebildet werden Die Sachebene ist der sichtbare teil des eisbergs Der nicht besprochene teil der gruppendynamik die Soziodynamik der gruppe ihre art der Beziehungs-enspundenspKonfliktgestaltungenspistenspvonenspallenenspBeteiligtenenspbeobachtbarenspdieenspKommuni-kation daruumlber aber tabu Dies gilt noch mehr fuumlr die sog psychodynamische ebene die emotionale bedeutung des geschehens fuumlr den einzelnen phaumlnomene von Uumlbertragun-gen alter erfahrungen auf aktuelle begebenheiten in der gruppe Diese prozesse sind fuumlr die gruppenmitglieder nicht beobachtbar und den betroffenene selbst z t nicht bewusst habenenspaberenspeinenenspbedeutsamenenspEinflussenspaufenspdasenspGruppengeschehen

Dieensp obenensp aufgefuumlhrtenensp Grundbeduumlrfnisseensp nachensp Zugehoumlrigkeitensp Einflussnahmeensp undenspintimitaumlt sind nicht auf der Sachebene zu besprechen und auch nicht uumlber Sachverhand-lungen zu loumlsen sondern brauchen eine gesonderte auseinandersetzung die sich riskant

41Gruppendynamik in Baugemeinschaften

anfuumlhltenspundenspnurenspdurchenspeinenenspVertrauensvorschussensp inenspdieenspArbeits-enspundenspKonfliktfaumlhigkeitenspeiner gruppe anzugehen ist

im Folgenden werden die ablaumlufe in der entwicklung von baugemeinschaften und mit ihnen verbundene beduumlrfnisse als erklaumlrungsdimensionen der gruppendynamik herangezogen und verdeutlicht mit welchen anforderungen und gruppendynamischen bdquoFallstrickenldquo die interessierten zu rechnen haben Der interaktionsprozess im Verlauf der planung und ausfuumlhrung eines gemeinschaftlichen Wohnvorhabens bietet die Moumlg-lichkeit einer destruktiven entgleisung aber auch die einer positiven entwicklung einer baugemeinschaft Diese bdquoSchluumlsselsituationenldquo werden fuumlr die verschiedenen entwick-lungsstadien ausgefuumlhrt

2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten

21 Die Findungsphase

InenspderenspAnfangsphaseenspbeeinflussenenspdieenspunterschiedlichenenspBeduumlrfnisseenspundenspBeweggruumlndeenspder beteiligten den Findungsprozess Die Motive sich auf ein gemeinschaftliches bau-projekt einzulassen reichen von0 sozialen Gruumlnden (sich gegenseitig beim bau und spaumlter im Wohnen unterstuumltzen

Versorgung der Kinder vereinfachen Nachbarschaft als soziale ressource nutzen)0 uumlber oumlkonomische Aspekte (Kostenersparnis gegenuumlber konventionellem bauen Ver-

teilung der allgemeinkosten auf viele)0 bis zu oumlkologisch-politischen Motiven (Schonung der umwelt durch bessere Nutzung

von energieressourcen ausprobieren fortschrittlich-oumlkologischer Konzepte) (vgl die Kommentare im Film bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011 vgl auch Kroumlger et al 2005 S 43)

Nicht zuletzt ist es die Moumlglichkeit der Mitgestaltung des kuumlnftigen Wohnraums durch gemeinsame planung der gemeinschaftlichen raumlume (garten gemeinschaftsraumlume Wirtschaftsraumlume) bei individueller gestaltung des selbst genutzten Wohnteils der interessentinnen und interessenten dazu bewegt in einer baugemeinschaft mitzu-machen bei der planung eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts suchen Menschen gegenseitigkeitserfahrungen individueller und gemeinschaftlicher art subjektive Lebenszufriedenheit und Lebensqualitaumlt die in die interaktionsordnung des sozialen austauschs eingebettet ist (vgl Schulz-Nieswand et al 2012 S 26 und 30)

So benennt z b das projekt bonn-puumltzchen bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo auf seiner Homepage als Ziele0 Nachbarschaftliche gemeinschaft mit gegenseitiger Hilfe und gemeinsamer

Freizeitgestaltung0 Durchmischte alterstruktur0 Kompetenzen der bewohner fuumlr das Wohnprojekt nutzen0 Selbstbestimmung auch im alter erhalten0 Dialogfaumlhigkeit und ndash bereitschaft innerhalb der gemeinschaft

42 H Gephart

(httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140ziele Zugriff 2462012)4

Der idealtypische ablauf der Findungsphase fuumlr ein Wohnprojekt beginnt mit dem Kennenlernen der interessentinnen gefolgt von der Suche nach einem geeigneten grund-stuumlck oder Objekt Mit der entscheidung fuumlr eine architektineinen architekten ist der Findungsprozess abgeschlossen (vgl Nieder 2008 S 16) Die notwendigen gespraumlche AbklaumlrungenenspundenspVerhandlungenenspfindenensp inenspderenspRegelenspaufenspderenspSachebeneenspstattenspAufenspderenspsogenannten soziodynamischen oder beziehungsebene geschehen die emotional ent-scheidenden Dinge oft unausgesprochen ndash und koumlnnen so zu belastungen werden die sich auf die gesamte gemeinsame planung und Durchfuumlhrung des projekts auswirken

Die grundfragen in der Findungsphase lauten Wie begruumlndet sich die Zugehoumlrigkeit Was muss ich tun um ein respektiertes Mitglied der baugemeinschaft zu werden Wie geht die gruppe mit interessentinnen um die nicht zu passen scheinen in dem beduumlrfnis nach Zugehoumlrigkeit fragt sich der interessentdie interessentin bin ich es wert mitge-nommen zu werden auf der anderen Seite will ich zu dieser gruppe gehoumlren und wie pruumlfe ich ob ich dazu gehoumlren moumlchte Die baugemeinschaften interessiert Wollen wir diese interessentinnen zulassen unter welchen aspekten Welche rolle werden sie bei uns spielen

richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V berlin betont hier die bedeutung des unterschieds zwischen einer baugemeinschaft und einem Wohnprojekt

Waumlhrend bei der baugemeinschaft seiner einschaumltzung nach das (guumlnstige) bauen im Vordergrund steht und eine gemeinschaft sich dann erst ggf beim Zusammenwohnen begruumlndet steht dazu im unterschied das Motiv des gemeinsamen Wohnens (bdquowir wollen zusammen wohnen und suchen uns unsere gruppe dafuumlrldquo)

Oft tauchen in der Such- und Findungsphase auch lebensgeschichtlich gepraumlgte the-men auf (der ausschluss in der Schulklasse die rolle des fuumlnften rades in einer Fami-lie)enspundenspbeeinflussenenspdasenspHandelnenspeinzelnerenspohneenspdassenspdieenspHerkunftenspderenspempfundenenenspgefuumlhle von Kraumlnkung und Zuruumlcksetzung bewusst waumlren

Welche bdquoFallstrickeldquo koumlnnen nun in der Findungsphase auftauchen

Fallstrick 1 Gruppentouristen erkennen palm berichtet fuumlr die Findungsphase von dem phaumlnomen des gruppentourismus Menschen die in vielen Wohnprojekten auftauchen und wieder verschwinden Wohnprojekte seien auszligerdem ein Magnet fuumlr bdquoseltsameldquo Leuteensp Offensichtlichensp habenensp alsoensp dieensp inenspGruumlndungensp befindlichenensp Projekteensp einenenspAnzie-hungscharakter aber nicht nur fuumlr ernsthafte interessentinnen Dies gilt es moumlglichst bald herauszufindenenspumenspnichtenspzuvielenspKraftenspundenspZeitenspaufenspdieenspAuseinandersetzungenspmitenspPersonenenspzu verwenden die kein ernsthaftes interesse haben

Fallstrick 2 Unterschiedliches Engagement Die initiatoren einer baugemeinschaft sind naturgemaumlszlig diejenigen die viel energie und tatendrang mitbringen Selbst wenn sie keine dominante rolle spielen wollen sind sie doch diejenigen mit Wissensvorsprung (weil von anfang an dabei) und klaren interessen Sie genieszligen damit ndash zumindest zu beginn ndash mehrenspEinflussenspundenspstehenenspauchenspsymbolischenspfuumlrenspdieenspIdeeenspdesenspProjektsenspDeshalbenspwirdenspaufenspsieenspbesonders geschaut kritisch oder hoffnungsvoll im interview mit einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster bestaumltigt sich dies

43Gruppendynamik in Baugemeinschaften

bdquoin der gruppe ist eben eine person die von anfang an dabei war die viel Wissen hat und die fuumlr uns auch wichtig ist Die fuumlr den Verein wichtig istldquo

Die Hoffnung besteht darin dass die initiatoren bdquoes richtenldquo sollen dass sie die Wuumlnsche derenspweiterenenspInteressiertenensperfuumlllenenspsollenenspdassenspsieenspinenspKonfliktfaumlllenenspanrufbarenspseinenspmoumlgenenspDieenspkritischeenspSichtenspbeziehtenspsichenspdaraufenspobenspdieenspInitiatorenenspzuenspvielenspEinflussenspnehmenenspobenspsieenspeigeninteressen verfolgen ob sie die neu Hinzukommenden ausreichend mit informatio-nenenspundenspEinflussenspversorgen

Fallstrick 3 Mangelnde und intransparente Kriterien fuumlr die Auswahl Hinzukommen-der Die Leitfragen dafuumlr lauten Wer erstellt die Kriterien fuumlr eine auswahl wie wird entschieden und wie wird die entscheidung kommuniziert gibt es unausgesprochene Kriterien die wirksam aber nicht transparent sind bdquoWenn sich Leute zusammenschlie-szligen oder sich einer gruppe angliedern moumlchten erfolgt ein sozialer auswahlprozess dem sich nicht jeder gewachsen siehtldquo (Kroumlger et al 2005 S 46) Die Chance einer auseinan-dersetzung uumlber diese Kriterien liegt in der entdeckung der Vielfalt in der gemeinschaft und der Notwendigkeit der integration dieser Vielfalt Sind die Kriterien klar benannt faumlllt es leichter neue interessentinnen auszuwaumlhlen und die entscheidungen klar zu kommunizieren

Fallstrick 4 Unterschiedliche Kenntnisse und Vorerfahrungen bei groszliger Diversitaumlt an Kompetenzen besteht die gefahr dass diese konkurrent verarbeitet und nicht als res-source angesehen werden Oft kann erst in einer der spaumlteren phasen die unterschiedlich-keit geschaumltzt und genutzt werden Zu beginn kann sie als eine bedrohung des eigenen Status und der eigenen bedeutung erlebt werden

Fallstrick 5 Vielfalt und Gegensaumltzlichkeit der Motivlagen auch hier gilt die interes-sentinnen bringen ndash wie anfangs beschrieben ndash unterschiedlichste Motivlagen mit die eruiertenspwerdenenspmuumlssenenspumenspherauszufindenenspwoenspInteressenenspgegenlaumlufigenspsindenspBeduumlrfnisseenspnicht erfuumlllt werden koumlnnen erwartungen zu hoch angesetzt sind

unausgesprochene Versorgungswuumlnsche oder Kontaktbeduumlrfnisse z b koumlnnen eine baugemeinschaft uumlberfordern Dass diese interessen nicht aufgedeckt werden gruumlndet auf der besorgnis nicht in die baugemeinschaft aufgenommen zu werden oder in der Scham uumlber die privaten Wuumlnsche

Fallstrick 6 Zeigen der sozialen Maske eine der groszligen gefahren ist dass zu beginn einer gruppe vor allem die vertraumlglich-freundschaftlichen-foumlrmlichen Verhaltensweisen gezeigt werden die bdquoSchokoladenseiteldquo das was als sozial erwuumlnscht in der gruppe ver-mutet wird Diese vermeintlich sozial erwuumlnschten Verhaltensweisen dienen der Verhin-derung des befuumlrchteten ausschlusses bzw der Vermeidung vermeintlich zerstoumlrerischer KonflikteenspInteressenenspvonenspdenenenspdieenspPersonenenspglaubenenspseienspseienenspsozialenspunerwuumlnschtenspwer-denensphaumlufigenspnichtenspgenanntenspAuchenspInteressenenspbdquoverdeckterensp3ldquoenspkoumlnnenenspeineenspRolleenspspielenenspSoenspmeint Stefan Klinkenberg architekt in berlin in einem interview

44 H Gephart

bdquointeressentinnen sagen nicht immer was sie meinen sagen ihre sozial nicht erwuumlnschten interessen nicht z b spielt soziale geltung eine groszlige rolle Wenn ElternenspmitfinanzierenenspwollenenspauchenspdieenspElternenspdieenspWohnungenspgutenspfindenldquo

Was ist gruppendynamisch zu beachten es geht nicht darum eine Selbsterfahrungs-gruppe zu installieren architekten oder baugemeinschaften oder beraterinnen sollten aber um moumlgliche erklaumlrungen wissen wenn bdquobizarreldquo oder bdquounangemesseneldquo reaktio-nen erscheinen Die Frage bdquowas brauchen Sieldquo nimmt oft sehr viel energie aus einem KonfliktenspjedenfallsenspmehrenspalsenspweitereenspErlaumluterungenenspoderenspRechtfertigungen

baugemeinschaften brauchen ab einem bestimmten Zeitpunkt Verlaumlsslichkeit in der Zusage Diese laumlsst sich vertraglich oder durch Zahlung von einlagen (als bdquoformelleldquo eintrittskarten) herstellen

grundlegend sind auch genuumlgend gemeinsame interessen die in der anfangssituation eine gemeinsame anfangsidentitaumlt schaffen

Die baugemeinschaft braucht einen rahmen um interessen (auch die moumlglicherweise sozial weniger vertraumlglichen) zur Sprache zu bringen um auch versteckte Motive heraus zuenspfindenenspumensphinderlicheenspBedingungenenspzuenspbenennenenspundenspnotwendigeenspAbgrenzungenenspvor-zunehmen Diese kommunikativen prozesse sind die grundlagen fuumlr gelingende Wohn-projekte Die anfangsphase und erste auseinandersetzungen muumlssen durchgestanden seinenspweilensp sieensp sonstensp alsensp unterschwelligeenspKonflikteensp inensp dieensp naumlchsteenspPhaseenspweitergetragenenspwerden Dazu braucht es Zeit und vor allem geduld Zuhoumlren und kritisches Nachfra-gen was in der anfangsphase oft schwierig ist Hier dominiert der Wunsch es moumlge das gemeinschaftliche projekt schnell in bewegung kommen und es moumlgen schon die richtigen Leute vorhanden sein es braucht Motivationsarbeit und Konfrontation um die notwendigen Klaumlrungen herbeizufuumlhren

Wie kann eine baugemeinschaft in dieser phase gruppendynamisch kompetent unter-stuumltzt werden

um die notwendige geduld energie und Zeit aufzubringen ist m e die unterstuumlt-zung einers externen beraterinberaters und eines geschickten handlings der architektin oder des architekten vonnoumlten Solche unterstuumltzung kann z b in Form einer Zukunfts-werkstattenspoderenspeinerenspModerationSupervisionenspderenspPlanungstreffenenspstattfindenenspAuchenspwennensphier Mehrausgaben in Form von Zeit undoder geld auf gruppen zukommen Sie lohnen sich langfristig gruppen die sich uumlber einen langen Zeitraum gefunden und auseinander-gesetzt haben besitzen eine stabilere grundlage fuumlr das gemeinsame bauen und Wohnen alsenspGruppenenspdieenspsichenspzenspBenspaufgrundenspeinerenspAusschreibungenspeinesenspTraumlgersenspfinden

22 phase der planung

Nachdem sich die baugemeinschaft gefunden hat und entschieden ist wer bei dem pro-jekt mitmacht geht es in die eigentliche planungsphase

Jetzt geht es nicht mehr nur um den abgleich von interessen und Wuumlnschen son-dern es muumlssen zahlreiche entscheidungen getroffen werden die das spaumltere Wohnen die Finanzen den geschmack etc tangieren bedeutsam in dieser phase ist Welche ent-scheidungen muumlssen getroffen werden und wie werden sie getroffen

45Gruppendynamik in Baugemeinschaften

geht es in der Findungsphase um die Frage der Zugehoumlrigkeit ruumlckt jetzt die Dimen-sionenspderenspMachtenspdieenspFrageenspderenspEinflussnahmeenspinenspdenenspVordergrundenspDaenspesenspinenspBaugruppenenspkeineenspformelleenspHierarchieenspgibtenspwirdenspEinflussnahmeenspuumlberenspNormenenspundenspRegelnenspinstalliert

Fallstrick 1 Einfluss und Machtverteilung in der Baugemeinschaft Das psychische beduumlrfnis nach gehoumlrt werden und Mitwirkung ist hier entscheidend tangiert (Kann ich mitentscheiden) Oft kommt es zu unterschiedlichen geschwindigkeiten in der Verhand-lungenspundenspinenspderenspEntscheidungsfindungenspMenschenenspdieenspgewohntenspsindenspzuenspentscheidenenspkoumln-nen dies oft schneller und sind durchsetzungsstaumlrker

Da gibt es Charaktere die so bdquoMacherldquo sind und zwar bdquosofortldquo und es gibt andere die erstmal gucken ob man soll oder kann Fuumlr die sind diejenigen die bdquomachenldquo viel zu schnell Daruumlber gibt es ganz maumlchtige Differenzen (interview einer bewoh-nerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Fallstrick 2 Entscheidungen werden nicht getroffen oder verzoumlgert unterschwellige AuseinandersetzungenenspumenspMachtenspundenspEinflussenspkoumlnnenenspdenenspFortgangenspdesenspProjektsenspunnoumltigensperschweren

Was ist gruppendynamisch zu beachten Hilfreich ist die Klaumlrung bdquoWer will in die bdquo1 reiheldquo (oft die initiativgruppe) oder in die bdquo2 reiheldquo die mit weniger arbeit und Ver-antwortungenspverbundenenspistenspdafuumlrenspaberenspauchenspwenigerenspEinflussenspgewaumlhrleistet

es braucht daneben die aktive einbeziehung aller Mitglieder um jeden einzelnen in der baugemeinschaft insgesamt mit dem gefuumlhl bdquodas ist mein projekt und ich wirke daran mitldquo zu versorgen

Zeitlimits und die absprache uumlber entscheidungsablaumlufe und vor allem eine einigung uumlber den abstimmungsmodus sind notwendig

Langfristig erfolgreiche projekte zeichnen sich neben der architektonischen Qualitaumlt der einhaltung von Kostenlimits der Vermeidung von bauschaumlden etc durch die hohe Zufriedenheit der Mitglieder aus Die wird in der regel durch echteenspKompromissfindungenspund nicht durch Mehrheitsentscheidungen geloumlst antons (2011 S 145) schreibt dazu bdquoDas Faumlllen von gruppenentscheidungen ist besonders fuumlr selbststeuernde gruppen (wie BaugemeinschaftenenspdenspA)ensphellipenspeinenspzentralesenspThemaldquoenspErenspbenenntenspalsensptypischeenspVerhaltens-muster bdquoHau-ruck-entscheidungen durch dominante Mitglieder ruumlckzug auf formal-demokratischeenspLoumlsungenensphellipenspKonsensuszwangldquoenspDieenspechteenspKompromissfindungenspdagegenenspberuumlcksichtigt alle interessen und die beteiligten verhandeln solange bis es nur bdquogewin-nerldquo und keine bdquogewinner-Verliererldquo gibt Die erarbeitung beduumlrfnisorientierter und an die jeweilige Situation und ihre bedeutung angepasste Formen der Uumlbereinkunft ist eine diffizileenspGruppenleistungenspIhreenspBewaumlltigungenspbedeutetenspfuumlrenspdieenspWohnphaseenspeinenspModellenspkuumlnf-tigerenspKonfliktmoderation

anna gephart Hamburger architektin berichtet dass die planungsphase oft noch dominiert ist von dem gemeinsamen interesse der Mitglieder am bauprojekt dass treffen fuumlr sinnvoll erachtet werden und von den bauprojektmitgliedern auch Zeit dafuumlr einge-raumlumt wird Dieses interesse besteht aus mehrerengruumlnden das Haus in dem man leben wird nimmt gestalt an die personen die schon sehr lange in der planung dabei sind und dasenspProjektenspgegruumlndetensphabenenspempfindenenspErleichterungenspdassenspbdquoesenspendlichensplosgehtldquoenspMit-

46 H Gephart

glieder die erst kurz dabei sind erleben den Moment als spannenden bdquoanfangldquo Neben den gemeinschaftsbereichen die gestaltet werden wollen kann vor allem in dieser phase EinflussenspaufenspdenenspeigenenenspWohnungsgrundrissenspgenommenenspwerden

DieseenspAnfangsfreudeenspundenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspwirdenspgefoumlrdertenspwennenspposi-tive Oumlffentlichkeitsarbeit betrieben ein mediales echo erzeugt wird oder gemeinsame aktivitaumlten unternommen und die entscheidenden bauphasen durch Feste gewuumlrdigt werden (Spatenstichfest richtfest etc) architekt Klinkenberg beschreibt dass Kohauml-sion z b durch besuchergruppen oder mediale berichterstattung entstehe alle diese AktivitaumltenenspfoumlrdernenspdieenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspundenspstaumlrkenenspdieenspBereitschaftenspauchenspschwierigere Zeiten miteinander zu durchstehen

23 bauphase

in der bauphase wird es fuumlr die baugemeinschaft anstrengend sie wird von architektin-nen und architekten als die schwierigste bezeichnet Die geduld wird durch viele Detail-fragen strapaziert und die Frustrationstoleranz der gruppe ist gefragt wie geht man mit bauverzoumlgerungen auftretenden Maumlngeln etc um einerseits besteht der Wunsch end-lich einziehen zu koumlnnen andererseits ist die Muumlhsal der vielen zu regelnden Details hoch

in der angewandten gruppendynamik ist bekannt dass durch von auszligen auf die gruppe stoszligende belastungen die inzwischen getroffenen regelungen und Spielregeln auszligerenspKraftenspsetzenenspundenspKonflikteenspneuenspausbrechenenspkoumlnnenenspAnenspdieenspBaugemeinschaftenspwirdenspinenspdieserenspZeitenspeineensphoheenspAnforderungenspanenspdieenspKonflikt-enspundenspKompromissfaumlhigkeitenspgestellt

architekt Klinkenberg beschreibt fuumlr diese phase das auftreten objektiver Krisen (bau-verzoumlgerungen etc) und subjektiver Krisen die oft beim Uumlbergang vom rohbau zum innenausbau entstuumlnden weil der rohbau duumlster wirke oder wenn das geld vor der Fer-tigstellung ausgehe er raumlt zur Vorwegnahme von Schwierigkeiten durch die baubegleiter

Fallstrick 1 Alle wollen mitreden aus dem beduumlrfnis nach Mitwirkung heraus (s die Dimension der Macht aus gruppendynamischer Sicht) wollen viele Mitglieder einer bau-gemeinschaftenspmitredenenspundenspinenspvielenenspFragenenspEinflussenspnehmenenspAuftretendeenspbdquoAnfaumllleldquoenspvonenspKontrollbeduumlrfnissen die uumlber ein normales Maszlig des informations- und Mitsprachebe-duumlrfnisses hinausgehen sind indizien fuumlr nicht gelungene beziehungsklaumlrungen in der Zeit der planung

Fallstrick 2 Unterschiedliche Anerkennung der Arbeitsgruppen es kann sein dass die Konkurrenz zwischen den verschiedenen arbeitsgruppen durch abwertung der arbeit der anderen sichtbar wird z b koumlnnen sich die Mitglieder der gruppe bau fuumlr wichtiger hal-tenenspalsenspdieenspderenspGruppeenspGartenenspHierenspistenspauchenspeineenspgenderspezifischeenspTendenzenspzuensperkennenenspMaumlnnerenspsindenspzenspBenspsehrenspseltenenspinenspderenspAGenspFesteenspzuenspfindenenspdensphenspdieenspFrauenenspsorgenenspvorwie-gendenspfuumlrenspOrteenspderenspKommunikationenspundenspdesenspWohlbefindens

Fallstrick 3 Auszligerkraftsetzen vorher getroffener Planungsentscheidungen in der bau-phase werden individuelle Wuumlnsche moumlglicherweise wieder belebt (bdquoin meine Wohnung sollenspdochenspeinenspandererenspFuszligbodenenspeineenspandereenspBeleuchtungenspandereenspBadmoumlbelensphellipldquo)enspundenspdieenspgetroffenen Vereinbarungen auszliger Kraft gesetzt

47Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Fallstrick 4 Zu rigide Durchsetzung von Abmachungen die nicht eingehalten werden koumlnnen im Verlauf der planung und Durchfuumlhrung des projekts kann es zu Veraumlnderungen der Lebensbedingungen kommen (arbeitslosigkeit erkrankung z b) auf die die bau-gemeinschaft reagieren muss

Was ist gruppendynamisch zu beachten Die absicherung von transparenz und Kom-munikation uumlber die zu treffenden entscheidungen und deren Konsequenzen fuumlr bau-dauer und Kosten ist grundlegend allerdings sollte immer die bedeutsamkeit der Fragen abgewogen werden bdquoDiskussionen sind wichtig und notwendig doch nicht jedes Detail mussenspbisenspinenspdieenspHaarwurzelenspdiskutiertenspwerdenensphellipldquoensp(Niederensp2008 S 20)

es hilft in der bauphase sehr wenn ein aktiver Kern der baugemeinschaft installiert wirdenspdessenenspBefugnisseenspklarenspdefiniertenspsindenspDieseenspBaugruppeenspschafftenspeinerseitsenspdieenspVer-bindung zum architekten und ist sich auf der anderen Seite bewusst wie wichtig die kommunikative Verbindung zu den anderen baugemeinschaftsmitgliedern und groumlszligt-moumlgliche transparenz sind auch sollten andere untergruppen die z b den garten pla-nen den Kontakt zu behoumlrden regeln gemeinsame aktivitaumlten und Feste organisieren gebildet werden damit die Last auf viele Schultern gelegt wird Mitglieder von bau-gemeinschaften berichten von der erleichterung durch die teilung von aufgaben von der bereicherung durch das Zusammenkommen vieler ideen und Faumlhigkeiten (vgl Fil-mische Dokumentation bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011) Das wird so auch von der bewohnerin des projekts bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo benannt gerda blaschke bewohnerin im projekt Max-b in Hamburg freut sich daruuml-ber dass es bdquoviele unterschiedliche talenteldquo gibt und bdquojeder einbringt was er gut kannldquo (Stadlmayer in Lempp und Stadlmayer 2010 S 50) architekt Klinkenberg erachtet die einrichtung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche je nach Neigung und Kompetenz fuumlr erfolgversprechend Neben der teilung der belastung und der Verantwortung ergibt sich dass letztlich alle bewohnerinnen am erfolg beteiligt sind und damit die notwen-dige Kohaumlsion (der Zusammenhalt) weiter gestaumlrkt wird auf das Vorkommen unter-schiedlicher anerkennung von arbeitsgruppen sollte geachtet und abhilfe geschaffen werden

gegen das auszligerkraftsetzen von gemeinsamen planungsentscheidungen hilft eine stringente baukoordination durch die architekten und die verantwortliche baugruppe (s o) die moumlglichst an einem Strang ziehen sollten Wenn die baugruppe als Kern der baugemeinschaft nicht mit der genuumlgenden autoritaumlt durch die anderen Mitstreiterinnen ausgestattet wurde bzw sich diese nicht nimmt kann das zu nachhaltigen unzufrieden-heiten bis zu prozessualen auseinandersetzungen fuumlhren

auszligerdem muss die baugemeinschaft klaumlren was bei der Veraumlnderung von Lebensver-haumlltnissen und dem damit moumlglicherweise verbundenen Wunsch nach ausstieg geschieht architekt Klinkenberg betont die Notwendigkeit einer ausstiegsregelung die manchmal finanziellenspaberenspauchensppsychischenspschwierigenspzuenspfindenenspistenspLoumlsungenenspfuumlrenspdieseenspFaumllleenspsolltenenspvorab angedacht und nicht erst in der akuten Situation thematisiert werden wenn es zu Zeit- und interessensdruck kommt

48 H Gephart

24 Wohnstart

Die erfahrung von gruppendynamikerinnen sagt dass eine gruppendynamisch gelun-gene planungs- und bauphase sehr wichtig fuumlr die Wohnphase ist Dort gab es gelegen-heit sich mit den anderen beteiligten zu erfahren und ein gefuumlhl fuumlr das zukuumlnftige Zusammenleben zu bekommen Die bdquosoziale Organisation der Naumlheldquo in der neuen Nach-barschaft beginnt sich nun zu konkretisieren (Kloumls zitiert in evans und Schahadat 2011 S 18) in der Wohnphase muumlssen Strukturen fuumlr das Zusammenleben geschaffen wer-den Je intensiver die auseinandersetzung um die Wohnidee war je mehr die beteili-gung gewollt und gelungen ist umso besser laumluft das gemeinsame Wohnen Die in der planungs- und bauphase entwickelten entscheidungsmodi der gefundene umgang mit InteressengegensaumltzenenspdasenspGelingenenspvonenspKonfliktmoderationenspbietenenspdenenspErfahrungshin-tergrund der ndash wenn erfolgreich ndash das gegenseitige Vertrauen und die Zuversicht fuumlr das gelingen der Vision staumlrkt

Schulz-Nieswandt etal sprechen vom bdquowohngemeinschaftlichem Sozialkapital das davonensp beeinflusstenspwirdenspwieensp positivensp oderensp stressbeladenensp dieenspBeziehungenensp innerhalbensp derenspWohngruppe sindldquo (2012 S 39)

auch wenn man von einer euphoriephase nach dem einzug sprechen kann (vgl Krouml-ger et al 2005 S 46 goumlschel 2012 S 2) gibt es doch auch hier themen die beachtet werden muumlssen

gruppendynamische Fragestellungen fuumlr die Wohnphase

Wie wird der beginn des Zusammenlebens gestaltet gibt es von beginn an die Moumlglichkeit regelmaumlszligiger Kommunikationsraumlume um Kon-

fliktenenspvorzubeugenenspoderenspsieenspzuensploumlsenenspundenspdenenspZusammenhaltenspzuenspfoumlrdern gibt es Formen und rituale der Wertschaumltzung gibt es gemeinsame projekte

und auch hier bdquolauernldquo Fallstricke auf die bewohnerinnen

Fallstrick 1 Wieviel Autonomie darf sein wieviel Gemeinschaft muss sein Die Frage der autonomie vs intimitaumlt schiebt sich in der Wohnphase in den Vordergrund Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft bestimmt fuumlr sich wieviel bindung Vertrautheit Naumlhe es leben will und wieviel Distanz es braucht Die balance zwischen diesen beiden ele-mentaren beduumlrfnissen birgt viel Sprengkraft denn hier geht es auch um Fragen von Sympathie und ablehnung um Cliquen- oder paarbildungen wie die aussagen einer bewohnerin eines Wohnprojekts zeigen

bdquoDruumlbenenspimenspAltbauenspistenspdieenspsoenspgenannteenspMafiaenspdieenspsehrenspbdquofachfrauischldquoenspzusammenensphandelt Das ist freundlich gemeint Die verreisen zusammen und kochen miteinan-der Mal tauchen sie dann auch im gemeinsamen geschehen auf aber sie sind fuumlr sich und da kommt man auch nicht unbedingt reinldquo (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

auch goumlschel spricht davon dass in einer euphorie des gemeinschaftlichen die privat-heit der Mitglieder zu sehr eingeschraumlnkt werden kann (vgl goumlschel 2012 S 2)

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

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Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
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40 H Gephart

gruppen dar Diese anforderungen bestehen aus dem fortwaumlhrenden ausbalancieren der grundbeduumlrfnisse der gruppenmitglieder Daher scheint es mir zum Verstaumlndnis von gruppendynamischen entwicklungsprozessen in baugemeinschaften sinnvoll auf das Modell des gruppendynamischen raums zuruumlckzugreifen das m e elementare beduumlrf-nisse von gruppenteilnehmerinnen abbilden kann die beduumlrfnisse nach Zugehoumlrigkeit EinflussnahmeenspundenspIntimitaumltenspSieenspwerdenensphierenspinenspAnlehnungenspanenspKoumlnigenspundenspSchattenhoferensp(2012) angefuumlhrt0 Die Dimension der Zugehoumlrigkeit

Die Dimension der Zugehoumlrigkeit bestimmt das Zustandekommen einer gruppe die sich durch auszligengrenzen und eine gemeinsame identitaumlt herstellt Zunaumlchst geht es um die Zusammensetzung der gruppe (hier baugemeinschaft) um die regeln des eintritts um Verfahren des ausschlusses von Mitgliederninteressentinnen Diese Fragen werden in der regel am anfang zu klaumlren sein

0 Die Dimension von Macht und EinflussMacht als notwendiges Merkmal in sozialen beziehungsgefuumlgen ist nicht negativ zu konnotierenenspsondernenspdieenspHerausbildungenspundenspAkzeptanzenspvonenspEinflussnahmeenspermoumlg-lichtenspzenspBenspEntscheidungsfindungenenspinenspGruppenenspDieenspFrageenspderenspMachtbalanceenspistenspeineenspinteraktionelle die uumlber Hierarchie oder Normenregeln geklaumlrt wird (vgl Koumlnig und Schattenhofer 2012enspSensp37)enspMachtenspundenspEinflussensp istensp inenspBaugemeinschaftenenspndashenspwieensp inenspanderen gruppen ndash von anfang an wichtig Sie wird z b bei der Wahl von auswahl-kriterien mitverhandelt wird in der anfangsphase einer gruppe aber selten explizit thematisiert

0 Die Dimension von Naumlhe und IntimitaumltDistanz und Naumlhe beduumlrfen der regelung um einerseits ausreichend autonomie und andererseits beruumlhrende beziehungen zu ermoumlglichen Die abklaumlrung von Distanz- und Naumlhewuumlnschen spielt vor allem in der Wohnphase eine entscheidende rolle

ein weiteres Modell das das interaktionelle geschehen in gruppen verdeutlichen kann ist das sog Eisbergmodell (vgl Koumlnig und Schattenhofer 2012 Schattenhofer 2009)

Wieensp schonenspbeiensp derenspDimensionenspvonenspMachtensp undenspEinflussensp erwaumlhntenspwirdenspdieenspThemati-sierung von psychosozialen Fragen emotionen und interessen von gruppenmitgliedern zu beginn vermieden auch wenn genau beobachtet wird wer mit wem wie interagiert findenenspDiskussionenenspeherenspaufenspderenspSachebeneenspstattenspDieserenspSachverhaltenspkannenspmitenspdemenspEis-bergmodell abgebildet werden Die Sachebene ist der sichtbare teil des eisbergs Der nicht besprochene teil der gruppendynamik die Soziodynamik der gruppe ihre art der Beziehungs-enspundenspKonfliktgestaltungenspistenspvonenspallenenspBeteiligtenenspbeobachtbarenspdieenspKommuni-kation daruumlber aber tabu Dies gilt noch mehr fuumlr die sog psychodynamische ebene die emotionale bedeutung des geschehens fuumlr den einzelnen phaumlnomene von Uumlbertragun-gen alter erfahrungen auf aktuelle begebenheiten in der gruppe Diese prozesse sind fuumlr die gruppenmitglieder nicht beobachtbar und den betroffenene selbst z t nicht bewusst habenenspaberenspeinenenspbedeutsamenenspEinflussenspaufenspdasenspGruppengeschehen

Dieensp obenensp aufgefuumlhrtenensp Grundbeduumlrfnisseensp nachensp Zugehoumlrigkeitensp Einflussnahmeensp undenspintimitaumlt sind nicht auf der Sachebene zu besprechen und auch nicht uumlber Sachverhand-lungen zu loumlsen sondern brauchen eine gesonderte auseinandersetzung die sich riskant

41Gruppendynamik in Baugemeinschaften

anfuumlhltenspundenspnurenspdurchenspeinenenspVertrauensvorschussensp inenspdieenspArbeits-enspundenspKonfliktfaumlhigkeitenspeiner gruppe anzugehen ist

im Folgenden werden die ablaumlufe in der entwicklung von baugemeinschaften und mit ihnen verbundene beduumlrfnisse als erklaumlrungsdimensionen der gruppendynamik herangezogen und verdeutlicht mit welchen anforderungen und gruppendynamischen bdquoFallstrickenldquo die interessierten zu rechnen haben Der interaktionsprozess im Verlauf der planung und ausfuumlhrung eines gemeinschaftlichen Wohnvorhabens bietet die Moumlg-lichkeit einer destruktiven entgleisung aber auch die einer positiven entwicklung einer baugemeinschaft Diese bdquoSchluumlsselsituationenldquo werden fuumlr die verschiedenen entwick-lungsstadien ausgefuumlhrt

2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten

21 Die Findungsphase

InenspderenspAnfangsphaseenspbeeinflussenenspdieenspunterschiedlichenenspBeduumlrfnisseenspundenspBeweggruumlndeenspder beteiligten den Findungsprozess Die Motive sich auf ein gemeinschaftliches bau-projekt einzulassen reichen von0 sozialen Gruumlnden (sich gegenseitig beim bau und spaumlter im Wohnen unterstuumltzen

Versorgung der Kinder vereinfachen Nachbarschaft als soziale ressource nutzen)0 uumlber oumlkonomische Aspekte (Kostenersparnis gegenuumlber konventionellem bauen Ver-

teilung der allgemeinkosten auf viele)0 bis zu oumlkologisch-politischen Motiven (Schonung der umwelt durch bessere Nutzung

von energieressourcen ausprobieren fortschrittlich-oumlkologischer Konzepte) (vgl die Kommentare im Film bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011 vgl auch Kroumlger et al 2005 S 43)

Nicht zuletzt ist es die Moumlglichkeit der Mitgestaltung des kuumlnftigen Wohnraums durch gemeinsame planung der gemeinschaftlichen raumlume (garten gemeinschaftsraumlume Wirtschaftsraumlume) bei individueller gestaltung des selbst genutzten Wohnteils der interessentinnen und interessenten dazu bewegt in einer baugemeinschaft mitzu-machen bei der planung eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts suchen Menschen gegenseitigkeitserfahrungen individueller und gemeinschaftlicher art subjektive Lebenszufriedenheit und Lebensqualitaumlt die in die interaktionsordnung des sozialen austauschs eingebettet ist (vgl Schulz-Nieswand et al 2012 S 26 und 30)

So benennt z b das projekt bonn-puumltzchen bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo auf seiner Homepage als Ziele0 Nachbarschaftliche gemeinschaft mit gegenseitiger Hilfe und gemeinsamer

Freizeitgestaltung0 Durchmischte alterstruktur0 Kompetenzen der bewohner fuumlr das Wohnprojekt nutzen0 Selbstbestimmung auch im alter erhalten0 Dialogfaumlhigkeit und ndash bereitschaft innerhalb der gemeinschaft

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(httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140ziele Zugriff 2462012)4

Der idealtypische ablauf der Findungsphase fuumlr ein Wohnprojekt beginnt mit dem Kennenlernen der interessentinnen gefolgt von der Suche nach einem geeigneten grund-stuumlck oder Objekt Mit der entscheidung fuumlr eine architektineinen architekten ist der Findungsprozess abgeschlossen (vgl Nieder 2008 S 16) Die notwendigen gespraumlche AbklaumlrungenenspundenspVerhandlungenenspfindenensp inenspderenspRegelenspaufenspderenspSachebeneenspstattenspAufenspderenspsogenannten soziodynamischen oder beziehungsebene geschehen die emotional ent-scheidenden Dinge oft unausgesprochen ndash und koumlnnen so zu belastungen werden die sich auf die gesamte gemeinsame planung und Durchfuumlhrung des projekts auswirken

Die grundfragen in der Findungsphase lauten Wie begruumlndet sich die Zugehoumlrigkeit Was muss ich tun um ein respektiertes Mitglied der baugemeinschaft zu werden Wie geht die gruppe mit interessentinnen um die nicht zu passen scheinen in dem beduumlrfnis nach Zugehoumlrigkeit fragt sich der interessentdie interessentin bin ich es wert mitge-nommen zu werden auf der anderen Seite will ich zu dieser gruppe gehoumlren und wie pruumlfe ich ob ich dazu gehoumlren moumlchte Die baugemeinschaften interessiert Wollen wir diese interessentinnen zulassen unter welchen aspekten Welche rolle werden sie bei uns spielen

richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V berlin betont hier die bedeutung des unterschieds zwischen einer baugemeinschaft und einem Wohnprojekt

Waumlhrend bei der baugemeinschaft seiner einschaumltzung nach das (guumlnstige) bauen im Vordergrund steht und eine gemeinschaft sich dann erst ggf beim Zusammenwohnen begruumlndet steht dazu im unterschied das Motiv des gemeinsamen Wohnens (bdquowir wollen zusammen wohnen und suchen uns unsere gruppe dafuumlrldquo)

Oft tauchen in der Such- und Findungsphase auch lebensgeschichtlich gepraumlgte the-men auf (der ausschluss in der Schulklasse die rolle des fuumlnften rades in einer Fami-lie)enspundenspbeeinflussenenspdasenspHandelnenspeinzelnerenspohneenspdassenspdieenspHerkunftenspderenspempfundenenenspgefuumlhle von Kraumlnkung und Zuruumlcksetzung bewusst waumlren

Welche bdquoFallstrickeldquo koumlnnen nun in der Findungsphase auftauchen

Fallstrick 1 Gruppentouristen erkennen palm berichtet fuumlr die Findungsphase von dem phaumlnomen des gruppentourismus Menschen die in vielen Wohnprojekten auftauchen und wieder verschwinden Wohnprojekte seien auszligerdem ein Magnet fuumlr bdquoseltsameldquo Leuteensp Offensichtlichensp habenensp alsoensp dieensp inenspGruumlndungensp befindlichenensp Projekteensp einenenspAnzie-hungscharakter aber nicht nur fuumlr ernsthafte interessentinnen Dies gilt es moumlglichst bald herauszufindenenspumenspnichtenspzuvielenspKraftenspundenspZeitenspaufenspdieenspAuseinandersetzungenspmitenspPersonenenspzu verwenden die kein ernsthaftes interesse haben

Fallstrick 2 Unterschiedliches Engagement Die initiatoren einer baugemeinschaft sind naturgemaumlszlig diejenigen die viel energie und tatendrang mitbringen Selbst wenn sie keine dominante rolle spielen wollen sind sie doch diejenigen mit Wissensvorsprung (weil von anfang an dabei) und klaren interessen Sie genieszligen damit ndash zumindest zu beginn ndash mehrenspEinflussenspundenspstehenenspauchenspsymbolischenspfuumlrenspdieenspIdeeenspdesenspProjektsenspDeshalbenspwirdenspaufenspsieenspbesonders geschaut kritisch oder hoffnungsvoll im interview mit einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster bestaumltigt sich dies

43Gruppendynamik in Baugemeinschaften

bdquoin der gruppe ist eben eine person die von anfang an dabei war die viel Wissen hat und die fuumlr uns auch wichtig ist Die fuumlr den Verein wichtig istldquo

Die Hoffnung besteht darin dass die initiatoren bdquoes richtenldquo sollen dass sie die Wuumlnsche derenspweiterenenspInteressiertenensperfuumlllenenspsollenenspdassenspsieenspinenspKonfliktfaumlllenenspanrufbarenspseinenspmoumlgenenspDieenspkritischeenspSichtenspbeziehtenspsichenspdaraufenspobenspdieenspInitiatorenenspzuenspvielenspEinflussenspnehmenenspobenspsieenspeigeninteressen verfolgen ob sie die neu Hinzukommenden ausreichend mit informatio-nenenspundenspEinflussenspversorgen

Fallstrick 3 Mangelnde und intransparente Kriterien fuumlr die Auswahl Hinzukommen-der Die Leitfragen dafuumlr lauten Wer erstellt die Kriterien fuumlr eine auswahl wie wird entschieden und wie wird die entscheidung kommuniziert gibt es unausgesprochene Kriterien die wirksam aber nicht transparent sind bdquoWenn sich Leute zusammenschlie-szligen oder sich einer gruppe angliedern moumlchten erfolgt ein sozialer auswahlprozess dem sich nicht jeder gewachsen siehtldquo (Kroumlger et al 2005 S 46) Die Chance einer auseinan-dersetzung uumlber diese Kriterien liegt in der entdeckung der Vielfalt in der gemeinschaft und der Notwendigkeit der integration dieser Vielfalt Sind die Kriterien klar benannt faumlllt es leichter neue interessentinnen auszuwaumlhlen und die entscheidungen klar zu kommunizieren

Fallstrick 4 Unterschiedliche Kenntnisse und Vorerfahrungen bei groszliger Diversitaumlt an Kompetenzen besteht die gefahr dass diese konkurrent verarbeitet und nicht als res-source angesehen werden Oft kann erst in einer der spaumlteren phasen die unterschiedlich-keit geschaumltzt und genutzt werden Zu beginn kann sie als eine bedrohung des eigenen Status und der eigenen bedeutung erlebt werden

Fallstrick 5 Vielfalt und Gegensaumltzlichkeit der Motivlagen auch hier gilt die interes-sentinnen bringen ndash wie anfangs beschrieben ndash unterschiedlichste Motivlagen mit die eruiertenspwerdenenspmuumlssenenspumenspherauszufindenenspwoenspInteressenenspgegenlaumlufigenspsindenspBeduumlrfnisseenspnicht erfuumlllt werden koumlnnen erwartungen zu hoch angesetzt sind

unausgesprochene Versorgungswuumlnsche oder Kontaktbeduumlrfnisse z b koumlnnen eine baugemeinschaft uumlberfordern Dass diese interessen nicht aufgedeckt werden gruumlndet auf der besorgnis nicht in die baugemeinschaft aufgenommen zu werden oder in der Scham uumlber die privaten Wuumlnsche

Fallstrick 6 Zeigen der sozialen Maske eine der groszligen gefahren ist dass zu beginn einer gruppe vor allem die vertraumlglich-freundschaftlichen-foumlrmlichen Verhaltensweisen gezeigt werden die bdquoSchokoladenseiteldquo das was als sozial erwuumlnscht in der gruppe ver-mutet wird Diese vermeintlich sozial erwuumlnschten Verhaltensweisen dienen der Verhin-derung des befuumlrchteten ausschlusses bzw der Vermeidung vermeintlich zerstoumlrerischer KonflikteenspInteressenenspvonenspdenenenspdieenspPersonenenspglaubenenspseienspseienenspsozialenspunerwuumlnschtenspwer-denensphaumlufigenspnichtenspgenanntenspAuchenspInteressenenspbdquoverdeckterensp3ldquoenspkoumlnnenenspeineenspRolleenspspielenenspSoenspmeint Stefan Klinkenberg architekt in berlin in einem interview

44 H Gephart

bdquointeressentinnen sagen nicht immer was sie meinen sagen ihre sozial nicht erwuumlnschten interessen nicht z b spielt soziale geltung eine groszlige rolle Wenn ElternenspmitfinanzierenenspwollenenspauchenspdieenspElternenspdieenspWohnungenspgutenspfindenldquo

Was ist gruppendynamisch zu beachten es geht nicht darum eine Selbsterfahrungs-gruppe zu installieren architekten oder baugemeinschaften oder beraterinnen sollten aber um moumlgliche erklaumlrungen wissen wenn bdquobizarreldquo oder bdquounangemesseneldquo reaktio-nen erscheinen Die Frage bdquowas brauchen Sieldquo nimmt oft sehr viel energie aus einem KonfliktenspjedenfallsenspmehrenspalsenspweitereenspErlaumluterungenenspoderenspRechtfertigungen

baugemeinschaften brauchen ab einem bestimmten Zeitpunkt Verlaumlsslichkeit in der Zusage Diese laumlsst sich vertraglich oder durch Zahlung von einlagen (als bdquoformelleldquo eintrittskarten) herstellen

grundlegend sind auch genuumlgend gemeinsame interessen die in der anfangssituation eine gemeinsame anfangsidentitaumlt schaffen

Die baugemeinschaft braucht einen rahmen um interessen (auch die moumlglicherweise sozial weniger vertraumlglichen) zur Sprache zu bringen um auch versteckte Motive heraus zuenspfindenenspumensphinderlicheenspBedingungenenspzuenspbenennenenspundenspnotwendigeenspAbgrenzungenenspvor-zunehmen Diese kommunikativen prozesse sind die grundlagen fuumlr gelingende Wohn-projekte Die anfangsphase und erste auseinandersetzungen muumlssen durchgestanden seinenspweilensp sieensp sonstensp alsensp unterschwelligeenspKonflikteensp inensp dieensp naumlchsteenspPhaseenspweitergetragenenspwerden Dazu braucht es Zeit und vor allem geduld Zuhoumlren und kritisches Nachfra-gen was in der anfangsphase oft schwierig ist Hier dominiert der Wunsch es moumlge das gemeinschaftliche projekt schnell in bewegung kommen und es moumlgen schon die richtigen Leute vorhanden sein es braucht Motivationsarbeit und Konfrontation um die notwendigen Klaumlrungen herbeizufuumlhren

Wie kann eine baugemeinschaft in dieser phase gruppendynamisch kompetent unter-stuumltzt werden

um die notwendige geduld energie und Zeit aufzubringen ist m e die unterstuumlt-zung einers externen beraterinberaters und eines geschickten handlings der architektin oder des architekten vonnoumlten Solche unterstuumltzung kann z b in Form einer Zukunfts-werkstattenspoderenspeinerenspModerationSupervisionenspderenspPlanungstreffenenspstattfindenenspAuchenspwennensphier Mehrausgaben in Form von Zeit undoder geld auf gruppen zukommen Sie lohnen sich langfristig gruppen die sich uumlber einen langen Zeitraum gefunden und auseinander-gesetzt haben besitzen eine stabilere grundlage fuumlr das gemeinsame bauen und Wohnen alsenspGruppenenspdieenspsichenspzenspBenspaufgrundenspeinerenspAusschreibungenspeinesenspTraumlgersenspfinden

22 phase der planung

Nachdem sich die baugemeinschaft gefunden hat und entschieden ist wer bei dem pro-jekt mitmacht geht es in die eigentliche planungsphase

Jetzt geht es nicht mehr nur um den abgleich von interessen und Wuumlnschen son-dern es muumlssen zahlreiche entscheidungen getroffen werden die das spaumltere Wohnen die Finanzen den geschmack etc tangieren bedeutsam in dieser phase ist Welche ent-scheidungen muumlssen getroffen werden und wie werden sie getroffen

45Gruppendynamik in Baugemeinschaften

geht es in der Findungsphase um die Frage der Zugehoumlrigkeit ruumlckt jetzt die Dimen-sionenspderenspMachtenspdieenspFrageenspderenspEinflussnahmeenspinenspdenenspVordergrundenspDaenspesenspinenspBaugruppenenspkeineenspformelleenspHierarchieenspgibtenspwirdenspEinflussnahmeenspuumlberenspNormenenspundenspRegelnenspinstalliert

Fallstrick 1 Einfluss und Machtverteilung in der Baugemeinschaft Das psychische beduumlrfnis nach gehoumlrt werden und Mitwirkung ist hier entscheidend tangiert (Kann ich mitentscheiden) Oft kommt es zu unterschiedlichen geschwindigkeiten in der Verhand-lungenspundenspinenspderenspEntscheidungsfindungenspMenschenenspdieenspgewohntenspsindenspzuenspentscheidenenspkoumln-nen dies oft schneller und sind durchsetzungsstaumlrker

Da gibt es Charaktere die so bdquoMacherldquo sind und zwar bdquosofortldquo und es gibt andere die erstmal gucken ob man soll oder kann Fuumlr die sind diejenigen die bdquomachenldquo viel zu schnell Daruumlber gibt es ganz maumlchtige Differenzen (interview einer bewoh-nerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Fallstrick 2 Entscheidungen werden nicht getroffen oder verzoumlgert unterschwellige AuseinandersetzungenenspumenspMachtenspundenspEinflussenspkoumlnnenenspdenenspFortgangenspdesenspProjektsenspunnoumltigensperschweren

Was ist gruppendynamisch zu beachten Hilfreich ist die Klaumlrung bdquoWer will in die bdquo1 reiheldquo (oft die initiativgruppe) oder in die bdquo2 reiheldquo die mit weniger arbeit und Ver-antwortungenspverbundenenspistenspdafuumlrenspaberenspauchenspwenigerenspEinflussenspgewaumlhrleistet

es braucht daneben die aktive einbeziehung aller Mitglieder um jeden einzelnen in der baugemeinschaft insgesamt mit dem gefuumlhl bdquodas ist mein projekt und ich wirke daran mitldquo zu versorgen

Zeitlimits und die absprache uumlber entscheidungsablaumlufe und vor allem eine einigung uumlber den abstimmungsmodus sind notwendig

Langfristig erfolgreiche projekte zeichnen sich neben der architektonischen Qualitaumlt der einhaltung von Kostenlimits der Vermeidung von bauschaumlden etc durch die hohe Zufriedenheit der Mitglieder aus Die wird in der regel durch echteenspKompromissfindungenspund nicht durch Mehrheitsentscheidungen geloumlst antons (2011 S 145) schreibt dazu bdquoDas Faumlllen von gruppenentscheidungen ist besonders fuumlr selbststeuernde gruppen (wie BaugemeinschaftenenspdenspA)ensphellipenspeinenspzentralesenspThemaldquoenspErenspbenenntenspalsensptypischeenspVerhaltens-muster bdquoHau-ruck-entscheidungen durch dominante Mitglieder ruumlckzug auf formal-demokratischeenspLoumlsungenensphellipenspKonsensuszwangldquoenspDieenspechteenspKompromissfindungenspdagegenenspberuumlcksichtigt alle interessen und die beteiligten verhandeln solange bis es nur bdquogewin-nerldquo und keine bdquogewinner-Verliererldquo gibt Die erarbeitung beduumlrfnisorientierter und an die jeweilige Situation und ihre bedeutung angepasste Formen der Uumlbereinkunft ist eine diffizileenspGruppenleistungenspIhreenspBewaumlltigungenspbedeutetenspfuumlrenspdieenspWohnphaseenspeinenspModellenspkuumlnf-tigerenspKonfliktmoderation

anna gephart Hamburger architektin berichtet dass die planungsphase oft noch dominiert ist von dem gemeinsamen interesse der Mitglieder am bauprojekt dass treffen fuumlr sinnvoll erachtet werden und von den bauprojektmitgliedern auch Zeit dafuumlr einge-raumlumt wird Dieses interesse besteht aus mehrerengruumlnden das Haus in dem man leben wird nimmt gestalt an die personen die schon sehr lange in der planung dabei sind und dasenspProjektenspgegruumlndetensphabenenspempfindenenspErleichterungenspdassenspbdquoesenspendlichensplosgehtldquoenspMit-

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glieder die erst kurz dabei sind erleben den Moment als spannenden bdquoanfangldquo Neben den gemeinschaftsbereichen die gestaltet werden wollen kann vor allem in dieser phase EinflussenspaufenspdenenspeigenenenspWohnungsgrundrissenspgenommenenspwerden

DieseenspAnfangsfreudeenspundenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspwirdenspgefoumlrdertenspwennenspposi-tive Oumlffentlichkeitsarbeit betrieben ein mediales echo erzeugt wird oder gemeinsame aktivitaumlten unternommen und die entscheidenden bauphasen durch Feste gewuumlrdigt werden (Spatenstichfest richtfest etc) architekt Klinkenberg beschreibt dass Kohauml-sion z b durch besuchergruppen oder mediale berichterstattung entstehe alle diese AktivitaumltenenspfoumlrdernenspdieenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspundenspstaumlrkenenspdieenspBereitschaftenspauchenspschwierigere Zeiten miteinander zu durchstehen

23 bauphase

in der bauphase wird es fuumlr die baugemeinschaft anstrengend sie wird von architektin-nen und architekten als die schwierigste bezeichnet Die geduld wird durch viele Detail-fragen strapaziert und die Frustrationstoleranz der gruppe ist gefragt wie geht man mit bauverzoumlgerungen auftretenden Maumlngeln etc um einerseits besteht der Wunsch end-lich einziehen zu koumlnnen andererseits ist die Muumlhsal der vielen zu regelnden Details hoch

in der angewandten gruppendynamik ist bekannt dass durch von auszligen auf die gruppe stoszligende belastungen die inzwischen getroffenen regelungen und Spielregeln auszligerenspKraftenspsetzenenspundenspKonflikteenspneuenspausbrechenenspkoumlnnenenspAnenspdieenspBaugemeinschaftenspwirdenspinenspdieserenspZeitenspeineensphoheenspAnforderungenspanenspdieenspKonflikt-enspundenspKompromissfaumlhigkeitenspgestellt

architekt Klinkenberg beschreibt fuumlr diese phase das auftreten objektiver Krisen (bau-verzoumlgerungen etc) und subjektiver Krisen die oft beim Uumlbergang vom rohbau zum innenausbau entstuumlnden weil der rohbau duumlster wirke oder wenn das geld vor der Fer-tigstellung ausgehe er raumlt zur Vorwegnahme von Schwierigkeiten durch die baubegleiter

Fallstrick 1 Alle wollen mitreden aus dem beduumlrfnis nach Mitwirkung heraus (s die Dimension der Macht aus gruppendynamischer Sicht) wollen viele Mitglieder einer bau-gemeinschaftenspmitredenenspundenspinenspvielenenspFragenenspEinflussenspnehmenenspAuftretendeenspbdquoAnfaumllleldquoenspvonenspKontrollbeduumlrfnissen die uumlber ein normales Maszlig des informations- und Mitsprachebe-duumlrfnisses hinausgehen sind indizien fuumlr nicht gelungene beziehungsklaumlrungen in der Zeit der planung

Fallstrick 2 Unterschiedliche Anerkennung der Arbeitsgruppen es kann sein dass die Konkurrenz zwischen den verschiedenen arbeitsgruppen durch abwertung der arbeit der anderen sichtbar wird z b koumlnnen sich die Mitglieder der gruppe bau fuumlr wichtiger hal-tenenspalsenspdieenspderenspGruppeenspGartenenspHierenspistenspauchenspeineenspgenderspezifischeenspTendenzenspzuensperkennenenspMaumlnnerenspsindenspzenspBenspsehrenspseltenenspinenspderenspAGenspFesteenspzuenspfindenenspdensphenspdieenspFrauenenspsorgenenspvorwie-gendenspfuumlrenspOrteenspderenspKommunikationenspundenspdesenspWohlbefindens

Fallstrick 3 Auszligerkraftsetzen vorher getroffener Planungsentscheidungen in der bau-phase werden individuelle Wuumlnsche moumlglicherweise wieder belebt (bdquoin meine Wohnung sollenspdochenspeinenspandererenspFuszligbodenenspeineenspandereenspBeleuchtungenspandereenspBadmoumlbelensphellipldquo)enspundenspdieenspgetroffenen Vereinbarungen auszliger Kraft gesetzt

47Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Fallstrick 4 Zu rigide Durchsetzung von Abmachungen die nicht eingehalten werden koumlnnen im Verlauf der planung und Durchfuumlhrung des projekts kann es zu Veraumlnderungen der Lebensbedingungen kommen (arbeitslosigkeit erkrankung z b) auf die die bau-gemeinschaft reagieren muss

Was ist gruppendynamisch zu beachten Die absicherung von transparenz und Kom-munikation uumlber die zu treffenden entscheidungen und deren Konsequenzen fuumlr bau-dauer und Kosten ist grundlegend allerdings sollte immer die bedeutsamkeit der Fragen abgewogen werden bdquoDiskussionen sind wichtig und notwendig doch nicht jedes Detail mussenspbisenspinenspdieenspHaarwurzelenspdiskutiertenspwerdenensphellipldquoensp(Niederensp2008 S 20)

es hilft in der bauphase sehr wenn ein aktiver Kern der baugemeinschaft installiert wirdenspdessenenspBefugnisseenspklarenspdefiniertenspsindenspDieseenspBaugruppeenspschafftenspeinerseitsenspdieenspVer-bindung zum architekten und ist sich auf der anderen Seite bewusst wie wichtig die kommunikative Verbindung zu den anderen baugemeinschaftsmitgliedern und groumlszligt-moumlgliche transparenz sind auch sollten andere untergruppen die z b den garten pla-nen den Kontakt zu behoumlrden regeln gemeinsame aktivitaumlten und Feste organisieren gebildet werden damit die Last auf viele Schultern gelegt wird Mitglieder von bau-gemeinschaften berichten von der erleichterung durch die teilung von aufgaben von der bereicherung durch das Zusammenkommen vieler ideen und Faumlhigkeiten (vgl Fil-mische Dokumentation bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011) Das wird so auch von der bewohnerin des projekts bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo benannt gerda blaschke bewohnerin im projekt Max-b in Hamburg freut sich daruuml-ber dass es bdquoviele unterschiedliche talenteldquo gibt und bdquojeder einbringt was er gut kannldquo (Stadlmayer in Lempp und Stadlmayer 2010 S 50) architekt Klinkenberg erachtet die einrichtung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche je nach Neigung und Kompetenz fuumlr erfolgversprechend Neben der teilung der belastung und der Verantwortung ergibt sich dass letztlich alle bewohnerinnen am erfolg beteiligt sind und damit die notwen-dige Kohaumlsion (der Zusammenhalt) weiter gestaumlrkt wird auf das Vorkommen unter-schiedlicher anerkennung von arbeitsgruppen sollte geachtet und abhilfe geschaffen werden

gegen das auszligerkraftsetzen von gemeinsamen planungsentscheidungen hilft eine stringente baukoordination durch die architekten und die verantwortliche baugruppe (s o) die moumlglichst an einem Strang ziehen sollten Wenn die baugruppe als Kern der baugemeinschaft nicht mit der genuumlgenden autoritaumlt durch die anderen Mitstreiterinnen ausgestattet wurde bzw sich diese nicht nimmt kann das zu nachhaltigen unzufrieden-heiten bis zu prozessualen auseinandersetzungen fuumlhren

auszligerdem muss die baugemeinschaft klaumlren was bei der Veraumlnderung von Lebensver-haumlltnissen und dem damit moumlglicherweise verbundenen Wunsch nach ausstieg geschieht architekt Klinkenberg betont die Notwendigkeit einer ausstiegsregelung die manchmal finanziellenspaberenspauchensppsychischenspschwierigenspzuenspfindenenspistenspLoumlsungenenspfuumlrenspdieseenspFaumllleenspsolltenenspvorab angedacht und nicht erst in der akuten Situation thematisiert werden wenn es zu Zeit- und interessensdruck kommt

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24 Wohnstart

Die erfahrung von gruppendynamikerinnen sagt dass eine gruppendynamisch gelun-gene planungs- und bauphase sehr wichtig fuumlr die Wohnphase ist Dort gab es gelegen-heit sich mit den anderen beteiligten zu erfahren und ein gefuumlhl fuumlr das zukuumlnftige Zusammenleben zu bekommen Die bdquosoziale Organisation der Naumlheldquo in der neuen Nach-barschaft beginnt sich nun zu konkretisieren (Kloumls zitiert in evans und Schahadat 2011 S 18) in der Wohnphase muumlssen Strukturen fuumlr das Zusammenleben geschaffen wer-den Je intensiver die auseinandersetzung um die Wohnidee war je mehr die beteili-gung gewollt und gelungen ist umso besser laumluft das gemeinsame Wohnen Die in der planungs- und bauphase entwickelten entscheidungsmodi der gefundene umgang mit InteressengegensaumltzenenspdasenspGelingenenspvonenspKonfliktmoderationenspbietenenspdenenspErfahrungshin-tergrund der ndash wenn erfolgreich ndash das gegenseitige Vertrauen und die Zuversicht fuumlr das gelingen der Vision staumlrkt

Schulz-Nieswandt etal sprechen vom bdquowohngemeinschaftlichem Sozialkapital das davonensp beeinflusstenspwirdenspwieensp positivensp oderensp stressbeladenensp dieenspBeziehungenensp innerhalbensp derenspWohngruppe sindldquo (2012 S 39)

auch wenn man von einer euphoriephase nach dem einzug sprechen kann (vgl Krouml-ger et al 2005 S 46 goumlschel 2012 S 2) gibt es doch auch hier themen die beachtet werden muumlssen

gruppendynamische Fragestellungen fuumlr die Wohnphase

Wie wird der beginn des Zusammenlebens gestaltet gibt es von beginn an die Moumlglichkeit regelmaumlszligiger Kommunikationsraumlume um Kon-

fliktenenspvorzubeugenenspoderenspsieenspzuensploumlsenenspundenspdenenspZusammenhaltenspzuenspfoumlrdern gibt es Formen und rituale der Wertschaumltzung gibt es gemeinsame projekte

und auch hier bdquolauernldquo Fallstricke auf die bewohnerinnen

Fallstrick 1 Wieviel Autonomie darf sein wieviel Gemeinschaft muss sein Die Frage der autonomie vs intimitaumlt schiebt sich in der Wohnphase in den Vordergrund Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft bestimmt fuumlr sich wieviel bindung Vertrautheit Naumlhe es leben will und wieviel Distanz es braucht Die balance zwischen diesen beiden ele-mentaren beduumlrfnissen birgt viel Sprengkraft denn hier geht es auch um Fragen von Sympathie und ablehnung um Cliquen- oder paarbildungen wie die aussagen einer bewohnerin eines Wohnprojekts zeigen

bdquoDruumlbenenspimenspAltbauenspistenspdieenspsoenspgenannteenspMafiaenspdieenspsehrenspbdquofachfrauischldquoenspzusammenensphandelt Das ist freundlich gemeint Die verreisen zusammen und kochen miteinan-der Mal tauchen sie dann auch im gemeinsamen geschehen auf aber sie sind fuumlr sich und da kommt man auch nicht unbedingt reinldquo (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

auch goumlschel spricht davon dass in einer euphorie des gemeinschaftlichen die privat-heit der Mitglieder zu sehr eingeschraumlnkt werden kann (vgl goumlschel 2012 S 2)

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

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scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

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Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 5: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

41Gruppendynamik in Baugemeinschaften

anfuumlhltenspundenspnurenspdurchenspeinenenspVertrauensvorschussensp inenspdieenspArbeits-enspundenspKonfliktfaumlhigkeitenspeiner gruppe anzugehen ist

im Folgenden werden die ablaumlufe in der entwicklung von baugemeinschaften und mit ihnen verbundene beduumlrfnisse als erklaumlrungsdimensionen der gruppendynamik herangezogen und verdeutlicht mit welchen anforderungen und gruppendynamischen bdquoFallstrickenldquo die interessierten zu rechnen haben Der interaktionsprozess im Verlauf der planung und ausfuumlhrung eines gemeinschaftlichen Wohnvorhabens bietet die Moumlg-lichkeit einer destruktiven entgleisung aber auch die einer positiven entwicklung einer baugemeinschaft Diese bdquoSchluumlsselsituationenldquo werden fuumlr die verschiedenen entwick-lungsstadien ausgefuumlhrt

2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten

21 Die Findungsphase

InenspderenspAnfangsphaseenspbeeinflussenenspdieenspunterschiedlichenenspBeduumlrfnisseenspundenspBeweggruumlndeenspder beteiligten den Findungsprozess Die Motive sich auf ein gemeinschaftliches bau-projekt einzulassen reichen von0 sozialen Gruumlnden (sich gegenseitig beim bau und spaumlter im Wohnen unterstuumltzen

Versorgung der Kinder vereinfachen Nachbarschaft als soziale ressource nutzen)0 uumlber oumlkonomische Aspekte (Kostenersparnis gegenuumlber konventionellem bauen Ver-

teilung der allgemeinkosten auf viele)0 bis zu oumlkologisch-politischen Motiven (Schonung der umwelt durch bessere Nutzung

von energieressourcen ausprobieren fortschrittlich-oumlkologischer Konzepte) (vgl die Kommentare im Film bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011 vgl auch Kroumlger et al 2005 S 43)

Nicht zuletzt ist es die Moumlglichkeit der Mitgestaltung des kuumlnftigen Wohnraums durch gemeinsame planung der gemeinschaftlichen raumlume (garten gemeinschaftsraumlume Wirtschaftsraumlume) bei individueller gestaltung des selbst genutzten Wohnteils der interessentinnen und interessenten dazu bewegt in einer baugemeinschaft mitzu-machen bei der planung eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts suchen Menschen gegenseitigkeitserfahrungen individueller und gemeinschaftlicher art subjektive Lebenszufriedenheit und Lebensqualitaumlt die in die interaktionsordnung des sozialen austauschs eingebettet ist (vgl Schulz-Nieswand et al 2012 S 26 und 30)

So benennt z b das projekt bonn-puumltzchen bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo auf seiner Homepage als Ziele0 Nachbarschaftliche gemeinschaft mit gegenseitiger Hilfe und gemeinsamer

Freizeitgestaltung0 Durchmischte alterstruktur0 Kompetenzen der bewohner fuumlr das Wohnprojekt nutzen0 Selbstbestimmung auch im alter erhalten0 Dialogfaumlhigkeit und ndash bereitschaft innerhalb der gemeinschaft

42 H Gephart

(httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140ziele Zugriff 2462012)4

Der idealtypische ablauf der Findungsphase fuumlr ein Wohnprojekt beginnt mit dem Kennenlernen der interessentinnen gefolgt von der Suche nach einem geeigneten grund-stuumlck oder Objekt Mit der entscheidung fuumlr eine architektineinen architekten ist der Findungsprozess abgeschlossen (vgl Nieder 2008 S 16) Die notwendigen gespraumlche AbklaumlrungenenspundenspVerhandlungenenspfindenensp inenspderenspRegelenspaufenspderenspSachebeneenspstattenspAufenspderenspsogenannten soziodynamischen oder beziehungsebene geschehen die emotional ent-scheidenden Dinge oft unausgesprochen ndash und koumlnnen so zu belastungen werden die sich auf die gesamte gemeinsame planung und Durchfuumlhrung des projekts auswirken

Die grundfragen in der Findungsphase lauten Wie begruumlndet sich die Zugehoumlrigkeit Was muss ich tun um ein respektiertes Mitglied der baugemeinschaft zu werden Wie geht die gruppe mit interessentinnen um die nicht zu passen scheinen in dem beduumlrfnis nach Zugehoumlrigkeit fragt sich der interessentdie interessentin bin ich es wert mitge-nommen zu werden auf der anderen Seite will ich zu dieser gruppe gehoumlren und wie pruumlfe ich ob ich dazu gehoumlren moumlchte Die baugemeinschaften interessiert Wollen wir diese interessentinnen zulassen unter welchen aspekten Welche rolle werden sie bei uns spielen

richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V berlin betont hier die bedeutung des unterschieds zwischen einer baugemeinschaft und einem Wohnprojekt

Waumlhrend bei der baugemeinschaft seiner einschaumltzung nach das (guumlnstige) bauen im Vordergrund steht und eine gemeinschaft sich dann erst ggf beim Zusammenwohnen begruumlndet steht dazu im unterschied das Motiv des gemeinsamen Wohnens (bdquowir wollen zusammen wohnen und suchen uns unsere gruppe dafuumlrldquo)

Oft tauchen in der Such- und Findungsphase auch lebensgeschichtlich gepraumlgte the-men auf (der ausschluss in der Schulklasse die rolle des fuumlnften rades in einer Fami-lie)enspundenspbeeinflussenenspdasenspHandelnenspeinzelnerenspohneenspdassenspdieenspHerkunftenspderenspempfundenenenspgefuumlhle von Kraumlnkung und Zuruumlcksetzung bewusst waumlren

Welche bdquoFallstrickeldquo koumlnnen nun in der Findungsphase auftauchen

Fallstrick 1 Gruppentouristen erkennen palm berichtet fuumlr die Findungsphase von dem phaumlnomen des gruppentourismus Menschen die in vielen Wohnprojekten auftauchen und wieder verschwinden Wohnprojekte seien auszligerdem ein Magnet fuumlr bdquoseltsameldquo Leuteensp Offensichtlichensp habenensp alsoensp dieensp inenspGruumlndungensp befindlichenensp Projekteensp einenenspAnzie-hungscharakter aber nicht nur fuumlr ernsthafte interessentinnen Dies gilt es moumlglichst bald herauszufindenenspumenspnichtenspzuvielenspKraftenspundenspZeitenspaufenspdieenspAuseinandersetzungenspmitenspPersonenenspzu verwenden die kein ernsthaftes interesse haben

Fallstrick 2 Unterschiedliches Engagement Die initiatoren einer baugemeinschaft sind naturgemaumlszlig diejenigen die viel energie und tatendrang mitbringen Selbst wenn sie keine dominante rolle spielen wollen sind sie doch diejenigen mit Wissensvorsprung (weil von anfang an dabei) und klaren interessen Sie genieszligen damit ndash zumindest zu beginn ndash mehrenspEinflussenspundenspstehenenspauchenspsymbolischenspfuumlrenspdieenspIdeeenspdesenspProjektsenspDeshalbenspwirdenspaufenspsieenspbesonders geschaut kritisch oder hoffnungsvoll im interview mit einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster bestaumltigt sich dies

43Gruppendynamik in Baugemeinschaften

bdquoin der gruppe ist eben eine person die von anfang an dabei war die viel Wissen hat und die fuumlr uns auch wichtig ist Die fuumlr den Verein wichtig istldquo

Die Hoffnung besteht darin dass die initiatoren bdquoes richtenldquo sollen dass sie die Wuumlnsche derenspweiterenenspInteressiertenensperfuumlllenenspsollenenspdassenspsieenspinenspKonfliktfaumlllenenspanrufbarenspseinenspmoumlgenenspDieenspkritischeenspSichtenspbeziehtenspsichenspdaraufenspobenspdieenspInitiatorenenspzuenspvielenspEinflussenspnehmenenspobenspsieenspeigeninteressen verfolgen ob sie die neu Hinzukommenden ausreichend mit informatio-nenenspundenspEinflussenspversorgen

Fallstrick 3 Mangelnde und intransparente Kriterien fuumlr die Auswahl Hinzukommen-der Die Leitfragen dafuumlr lauten Wer erstellt die Kriterien fuumlr eine auswahl wie wird entschieden und wie wird die entscheidung kommuniziert gibt es unausgesprochene Kriterien die wirksam aber nicht transparent sind bdquoWenn sich Leute zusammenschlie-szligen oder sich einer gruppe angliedern moumlchten erfolgt ein sozialer auswahlprozess dem sich nicht jeder gewachsen siehtldquo (Kroumlger et al 2005 S 46) Die Chance einer auseinan-dersetzung uumlber diese Kriterien liegt in der entdeckung der Vielfalt in der gemeinschaft und der Notwendigkeit der integration dieser Vielfalt Sind die Kriterien klar benannt faumlllt es leichter neue interessentinnen auszuwaumlhlen und die entscheidungen klar zu kommunizieren

Fallstrick 4 Unterschiedliche Kenntnisse und Vorerfahrungen bei groszliger Diversitaumlt an Kompetenzen besteht die gefahr dass diese konkurrent verarbeitet und nicht als res-source angesehen werden Oft kann erst in einer der spaumlteren phasen die unterschiedlich-keit geschaumltzt und genutzt werden Zu beginn kann sie als eine bedrohung des eigenen Status und der eigenen bedeutung erlebt werden

Fallstrick 5 Vielfalt und Gegensaumltzlichkeit der Motivlagen auch hier gilt die interes-sentinnen bringen ndash wie anfangs beschrieben ndash unterschiedlichste Motivlagen mit die eruiertenspwerdenenspmuumlssenenspumenspherauszufindenenspwoenspInteressenenspgegenlaumlufigenspsindenspBeduumlrfnisseenspnicht erfuumlllt werden koumlnnen erwartungen zu hoch angesetzt sind

unausgesprochene Versorgungswuumlnsche oder Kontaktbeduumlrfnisse z b koumlnnen eine baugemeinschaft uumlberfordern Dass diese interessen nicht aufgedeckt werden gruumlndet auf der besorgnis nicht in die baugemeinschaft aufgenommen zu werden oder in der Scham uumlber die privaten Wuumlnsche

Fallstrick 6 Zeigen der sozialen Maske eine der groszligen gefahren ist dass zu beginn einer gruppe vor allem die vertraumlglich-freundschaftlichen-foumlrmlichen Verhaltensweisen gezeigt werden die bdquoSchokoladenseiteldquo das was als sozial erwuumlnscht in der gruppe ver-mutet wird Diese vermeintlich sozial erwuumlnschten Verhaltensweisen dienen der Verhin-derung des befuumlrchteten ausschlusses bzw der Vermeidung vermeintlich zerstoumlrerischer KonflikteenspInteressenenspvonenspdenenenspdieenspPersonenenspglaubenenspseienspseienenspsozialenspunerwuumlnschtenspwer-denensphaumlufigenspnichtenspgenanntenspAuchenspInteressenenspbdquoverdeckterensp3ldquoenspkoumlnnenenspeineenspRolleenspspielenenspSoenspmeint Stefan Klinkenberg architekt in berlin in einem interview

44 H Gephart

bdquointeressentinnen sagen nicht immer was sie meinen sagen ihre sozial nicht erwuumlnschten interessen nicht z b spielt soziale geltung eine groszlige rolle Wenn ElternenspmitfinanzierenenspwollenenspauchenspdieenspElternenspdieenspWohnungenspgutenspfindenldquo

Was ist gruppendynamisch zu beachten es geht nicht darum eine Selbsterfahrungs-gruppe zu installieren architekten oder baugemeinschaften oder beraterinnen sollten aber um moumlgliche erklaumlrungen wissen wenn bdquobizarreldquo oder bdquounangemesseneldquo reaktio-nen erscheinen Die Frage bdquowas brauchen Sieldquo nimmt oft sehr viel energie aus einem KonfliktenspjedenfallsenspmehrenspalsenspweitereenspErlaumluterungenenspoderenspRechtfertigungen

baugemeinschaften brauchen ab einem bestimmten Zeitpunkt Verlaumlsslichkeit in der Zusage Diese laumlsst sich vertraglich oder durch Zahlung von einlagen (als bdquoformelleldquo eintrittskarten) herstellen

grundlegend sind auch genuumlgend gemeinsame interessen die in der anfangssituation eine gemeinsame anfangsidentitaumlt schaffen

Die baugemeinschaft braucht einen rahmen um interessen (auch die moumlglicherweise sozial weniger vertraumlglichen) zur Sprache zu bringen um auch versteckte Motive heraus zuenspfindenenspumensphinderlicheenspBedingungenenspzuenspbenennenenspundenspnotwendigeenspAbgrenzungenenspvor-zunehmen Diese kommunikativen prozesse sind die grundlagen fuumlr gelingende Wohn-projekte Die anfangsphase und erste auseinandersetzungen muumlssen durchgestanden seinenspweilensp sieensp sonstensp alsensp unterschwelligeenspKonflikteensp inensp dieensp naumlchsteenspPhaseenspweitergetragenenspwerden Dazu braucht es Zeit und vor allem geduld Zuhoumlren und kritisches Nachfra-gen was in der anfangsphase oft schwierig ist Hier dominiert der Wunsch es moumlge das gemeinschaftliche projekt schnell in bewegung kommen und es moumlgen schon die richtigen Leute vorhanden sein es braucht Motivationsarbeit und Konfrontation um die notwendigen Klaumlrungen herbeizufuumlhren

Wie kann eine baugemeinschaft in dieser phase gruppendynamisch kompetent unter-stuumltzt werden

um die notwendige geduld energie und Zeit aufzubringen ist m e die unterstuumlt-zung einers externen beraterinberaters und eines geschickten handlings der architektin oder des architekten vonnoumlten Solche unterstuumltzung kann z b in Form einer Zukunfts-werkstattenspoderenspeinerenspModerationSupervisionenspderenspPlanungstreffenenspstattfindenenspAuchenspwennensphier Mehrausgaben in Form von Zeit undoder geld auf gruppen zukommen Sie lohnen sich langfristig gruppen die sich uumlber einen langen Zeitraum gefunden und auseinander-gesetzt haben besitzen eine stabilere grundlage fuumlr das gemeinsame bauen und Wohnen alsenspGruppenenspdieenspsichenspzenspBenspaufgrundenspeinerenspAusschreibungenspeinesenspTraumlgersenspfinden

22 phase der planung

Nachdem sich die baugemeinschaft gefunden hat und entschieden ist wer bei dem pro-jekt mitmacht geht es in die eigentliche planungsphase

Jetzt geht es nicht mehr nur um den abgleich von interessen und Wuumlnschen son-dern es muumlssen zahlreiche entscheidungen getroffen werden die das spaumltere Wohnen die Finanzen den geschmack etc tangieren bedeutsam in dieser phase ist Welche ent-scheidungen muumlssen getroffen werden und wie werden sie getroffen

45Gruppendynamik in Baugemeinschaften

geht es in der Findungsphase um die Frage der Zugehoumlrigkeit ruumlckt jetzt die Dimen-sionenspderenspMachtenspdieenspFrageenspderenspEinflussnahmeenspinenspdenenspVordergrundenspDaenspesenspinenspBaugruppenenspkeineenspformelleenspHierarchieenspgibtenspwirdenspEinflussnahmeenspuumlberenspNormenenspundenspRegelnenspinstalliert

Fallstrick 1 Einfluss und Machtverteilung in der Baugemeinschaft Das psychische beduumlrfnis nach gehoumlrt werden und Mitwirkung ist hier entscheidend tangiert (Kann ich mitentscheiden) Oft kommt es zu unterschiedlichen geschwindigkeiten in der Verhand-lungenspundenspinenspderenspEntscheidungsfindungenspMenschenenspdieenspgewohntenspsindenspzuenspentscheidenenspkoumln-nen dies oft schneller und sind durchsetzungsstaumlrker

Da gibt es Charaktere die so bdquoMacherldquo sind und zwar bdquosofortldquo und es gibt andere die erstmal gucken ob man soll oder kann Fuumlr die sind diejenigen die bdquomachenldquo viel zu schnell Daruumlber gibt es ganz maumlchtige Differenzen (interview einer bewoh-nerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Fallstrick 2 Entscheidungen werden nicht getroffen oder verzoumlgert unterschwellige AuseinandersetzungenenspumenspMachtenspundenspEinflussenspkoumlnnenenspdenenspFortgangenspdesenspProjektsenspunnoumltigensperschweren

Was ist gruppendynamisch zu beachten Hilfreich ist die Klaumlrung bdquoWer will in die bdquo1 reiheldquo (oft die initiativgruppe) oder in die bdquo2 reiheldquo die mit weniger arbeit und Ver-antwortungenspverbundenenspistenspdafuumlrenspaberenspauchenspwenigerenspEinflussenspgewaumlhrleistet

es braucht daneben die aktive einbeziehung aller Mitglieder um jeden einzelnen in der baugemeinschaft insgesamt mit dem gefuumlhl bdquodas ist mein projekt und ich wirke daran mitldquo zu versorgen

Zeitlimits und die absprache uumlber entscheidungsablaumlufe und vor allem eine einigung uumlber den abstimmungsmodus sind notwendig

Langfristig erfolgreiche projekte zeichnen sich neben der architektonischen Qualitaumlt der einhaltung von Kostenlimits der Vermeidung von bauschaumlden etc durch die hohe Zufriedenheit der Mitglieder aus Die wird in der regel durch echteenspKompromissfindungenspund nicht durch Mehrheitsentscheidungen geloumlst antons (2011 S 145) schreibt dazu bdquoDas Faumlllen von gruppenentscheidungen ist besonders fuumlr selbststeuernde gruppen (wie BaugemeinschaftenenspdenspA)ensphellipenspeinenspzentralesenspThemaldquoenspErenspbenenntenspalsensptypischeenspVerhaltens-muster bdquoHau-ruck-entscheidungen durch dominante Mitglieder ruumlckzug auf formal-demokratischeenspLoumlsungenensphellipenspKonsensuszwangldquoenspDieenspechteenspKompromissfindungenspdagegenenspberuumlcksichtigt alle interessen und die beteiligten verhandeln solange bis es nur bdquogewin-nerldquo und keine bdquogewinner-Verliererldquo gibt Die erarbeitung beduumlrfnisorientierter und an die jeweilige Situation und ihre bedeutung angepasste Formen der Uumlbereinkunft ist eine diffizileenspGruppenleistungenspIhreenspBewaumlltigungenspbedeutetenspfuumlrenspdieenspWohnphaseenspeinenspModellenspkuumlnf-tigerenspKonfliktmoderation

anna gephart Hamburger architektin berichtet dass die planungsphase oft noch dominiert ist von dem gemeinsamen interesse der Mitglieder am bauprojekt dass treffen fuumlr sinnvoll erachtet werden und von den bauprojektmitgliedern auch Zeit dafuumlr einge-raumlumt wird Dieses interesse besteht aus mehrerengruumlnden das Haus in dem man leben wird nimmt gestalt an die personen die schon sehr lange in der planung dabei sind und dasenspProjektenspgegruumlndetensphabenenspempfindenenspErleichterungenspdassenspbdquoesenspendlichensplosgehtldquoenspMit-

46 H Gephart

glieder die erst kurz dabei sind erleben den Moment als spannenden bdquoanfangldquo Neben den gemeinschaftsbereichen die gestaltet werden wollen kann vor allem in dieser phase EinflussenspaufenspdenenspeigenenenspWohnungsgrundrissenspgenommenenspwerden

DieseenspAnfangsfreudeenspundenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspwirdenspgefoumlrdertenspwennenspposi-tive Oumlffentlichkeitsarbeit betrieben ein mediales echo erzeugt wird oder gemeinsame aktivitaumlten unternommen und die entscheidenden bauphasen durch Feste gewuumlrdigt werden (Spatenstichfest richtfest etc) architekt Klinkenberg beschreibt dass Kohauml-sion z b durch besuchergruppen oder mediale berichterstattung entstehe alle diese AktivitaumltenenspfoumlrdernenspdieenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspundenspstaumlrkenenspdieenspBereitschaftenspauchenspschwierigere Zeiten miteinander zu durchstehen

23 bauphase

in der bauphase wird es fuumlr die baugemeinschaft anstrengend sie wird von architektin-nen und architekten als die schwierigste bezeichnet Die geduld wird durch viele Detail-fragen strapaziert und die Frustrationstoleranz der gruppe ist gefragt wie geht man mit bauverzoumlgerungen auftretenden Maumlngeln etc um einerseits besteht der Wunsch end-lich einziehen zu koumlnnen andererseits ist die Muumlhsal der vielen zu regelnden Details hoch

in der angewandten gruppendynamik ist bekannt dass durch von auszligen auf die gruppe stoszligende belastungen die inzwischen getroffenen regelungen und Spielregeln auszligerenspKraftenspsetzenenspundenspKonflikteenspneuenspausbrechenenspkoumlnnenenspAnenspdieenspBaugemeinschaftenspwirdenspinenspdieserenspZeitenspeineensphoheenspAnforderungenspanenspdieenspKonflikt-enspundenspKompromissfaumlhigkeitenspgestellt

architekt Klinkenberg beschreibt fuumlr diese phase das auftreten objektiver Krisen (bau-verzoumlgerungen etc) und subjektiver Krisen die oft beim Uumlbergang vom rohbau zum innenausbau entstuumlnden weil der rohbau duumlster wirke oder wenn das geld vor der Fer-tigstellung ausgehe er raumlt zur Vorwegnahme von Schwierigkeiten durch die baubegleiter

Fallstrick 1 Alle wollen mitreden aus dem beduumlrfnis nach Mitwirkung heraus (s die Dimension der Macht aus gruppendynamischer Sicht) wollen viele Mitglieder einer bau-gemeinschaftenspmitredenenspundenspinenspvielenenspFragenenspEinflussenspnehmenenspAuftretendeenspbdquoAnfaumllleldquoenspvonenspKontrollbeduumlrfnissen die uumlber ein normales Maszlig des informations- und Mitsprachebe-duumlrfnisses hinausgehen sind indizien fuumlr nicht gelungene beziehungsklaumlrungen in der Zeit der planung

Fallstrick 2 Unterschiedliche Anerkennung der Arbeitsgruppen es kann sein dass die Konkurrenz zwischen den verschiedenen arbeitsgruppen durch abwertung der arbeit der anderen sichtbar wird z b koumlnnen sich die Mitglieder der gruppe bau fuumlr wichtiger hal-tenenspalsenspdieenspderenspGruppeenspGartenenspHierenspistenspauchenspeineenspgenderspezifischeenspTendenzenspzuensperkennenenspMaumlnnerenspsindenspzenspBenspsehrenspseltenenspinenspderenspAGenspFesteenspzuenspfindenenspdensphenspdieenspFrauenenspsorgenenspvorwie-gendenspfuumlrenspOrteenspderenspKommunikationenspundenspdesenspWohlbefindens

Fallstrick 3 Auszligerkraftsetzen vorher getroffener Planungsentscheidungen in der bau-phase werden individuelle Wuumlnsche moumlglicherweise wieder belebt (bdquoin meine Wohnung sollenspdochenspeinenspandererenspFuszligbodenenspeineenspandereenspBeleuchtungenspandereenspBadmoumlbelensphellipldquo)enspundenspdieenspgetroffenen Vereinbarungen auszliger Kraft gesetzt

47Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Fallstrick 4 Zu rigide Durchsetzung von Abmachungen die nicht eingehalten werden koumlnnen im Verlauf der planung und Durchfuumlhrung des projekts kann es zu Veraumlnderungen der Lebensbedingungen kommen (arbeitslosigkeit erkrankung z b) auf die die bau-gemeinschaft reagieren muss

Was ist gruppendynamisch zu beachten Die absicherung von transparenz und Kom-munikation uumlber die zu treffenden entscheidungen und deren Konsequenzen fuumlr bau-dauer und Kosten ist grundlegend allerdings sollte immer die bedeutsamkeit der Fragen abgewogen werden bdquoDiskussionen sind wichtig und notwendig doch nicht jedes Detail mussenspbisenspinenspdieenspHaarwurzelenspdiskutiertenspwerdenensphellipldquoensp(Niederensp2008 S 20)

es hilft in der bauphase sehr wenn ein aktiver Kern der baugemeinschaft installiert wirdenspdessenenspBefugnisseenspklarenspdefiniertenspsindenspDieseenspBaugruppeenspschafftenspeinerseitsenspdieenspVer-bindung zum architekten und ist sich auf der anderen Seite bewusst wie wichtig die kommunikative Verbindung zu den anderen baugemeinschaftsmitgliedern und groumlszligt-moumlgliche transparenz sind auch sollten andere untergruppen die z b den garten pla-nen den Kontakt zu behoumlrden regeln gemeinsame aktivitaumlten und Feste organisieren gebildet werden damit die Last auf viele Schultern gelegt wird Mitglieder von bau-gemeinschaften berichten von der erleichterung durch die teilung von aufgaben von der bereicherung durch das Zusammenkommen vieler ideen und Faumlhigkeiten (vgl Fil-mische Dokumentation bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011) Das wird so auch von der bewohnerin des projekts bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo benannt gerda blaschke bewohnerin im projekt Max-b in Hamburg freut sich daruuml-ber dass es bdquoviele unterschiedliche talenteldquo gibt und bdquojeder einbringt was er gut kannldquo (Stadlmayer in Lempp und Stadlmayer 2010 S 50) architekt Klinkenberg erachtet die einrichtung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche je nach Neigung und Kompetenz fuumlr erfolgversprechend Neben der teilung der belastung und der Verantwortung ergibt sich dass letztlich alle bewohnerinnen am erfolg beteiligt sind und damit die notwen-dige Kohaumlsion (der Zusammenhalt) weiter gestaumlrkt wird auf das Vorkommen unter-schiedlicher anerkennung von arbeitsgruppen sollte geachtet und abhilfe geschaffen werden

gegen das auszligerkraftsetzen von gemeinsamen planungsentscheidungen hilft eine stringente baukoordination durch die architekten und die verantwortliche baugruppe (s o) die moumlglichst an einem Strang ziehen sollten Wenn die baugruppe als Kern der baugemeinschaft nicht mit der genuumlgenden autoritaumlt durch die anderen Mitstreiterinnen ausgestattet wurde bzw sich diese nicht nimmt kann das zu nachhaltigen unzufrieden-heiten bis zu prozessualen auseinandersetzungen fuumlhren

auszligerdem muss die baugemeinschaft klaumlren was bei der Veraumlnderung von Lebensver-haumlltnissen und dem damit moumlglicherweise verbundenen Wunsch nach ausstieg geschieht architekt Klinkenberg betont die Notwendigkeit einer ausstiegsregelung die manchmal finanziellenspaberenspauchensppsychischenspschwierigenspzuenspfindenenspistenspLoumlsungenenspfuumlrenspdieseenspFaumllleenspsolltenenspvorab angedacht und nicht erst in der akuten Situation thematisiert werden wenn es zu Zeit- und interessensdruck kommt

48 H Gephart

24 Wohnstart

Die erfahrung von gruppendynamikerinnen sagt dass eine gruppendynamisch gelun-gene planungs- und bauphase sehr wichtig fuumlr die Wohnphase ist Dort gab es gelegen-heit sich mit den anderen beteiligten zu erfahren und ein gefuumlhl fuumlr das zukuumlnftige Zusammenleben zu bekommen Die bdquosoziale Organisation der Naumlheldquo in der neuen Nach-barschaft beginnt sich nun zu konkretisieren (Kloumls zitiert in evans und Schahadat 2011 S 18) in der Wohnphase muumlssen Strukturen fuumlr das Zusammenleben geschaffen wer-den Je intensiver die auseinandersetzung um die Wohnidee war je mehr die beteili-gung gewollt und gelungen ist umso besser laumluft das gemeinsame Wohnen Die in der planungs- und bauphase entwickelten entscheidungsmodi der gefundene umgang mit InteressengegensaumltzenenspdasenspGelingenenspvonenspKonfliktmoderationenspbietenenspdenenspErfahrungshin-tergrund der ndash wenn erfolgreich ndash das gegenseitige Vertrauen und die Zuversicht fuumlr das gelingen der Vision staumlrkt

Schulz-Nieswandt etal sprechen vom bdquowohngemeinschaftlichem Sozialkapital das davonensp beeinflusstenspwirdenspwieensp positivensp oderensp stressbeladenensp dieenspBeziehungenensp innerhalbensp derenspWohngruppe sindldquo (2012 S 39)

auch wenn man von einer euphoriephase nach dem einzug sprechen kann (vgl Krouml-ger et al 2005 S 46 goumlschel 2012 S 2) gibt es doch auch hier themen die beachtet werden muumlssen

gruppendynamische Fragestellungen fuumlr die Wohnphase

Wie wird der beginn des Zusammenlebens gestaltet gibt es von beginn an die Moumlglichkeit regelmaumlszligiger Kommunikationsraumlume um Kon-

fliktenenspvorzubeugenenspoderenspsieenspzuensploumlsenenspundenspdenenspZusammenhaltenspzuenspfoumlrdern gibt es Formen und rituale der Wertschaumltzung gibt es gemeinsame projekte

und auch hier bdquolauernldquo Fallstricke auf die bewohnerinnen

Fallstrick 1 Wieviel Autonomie darf sein wieviel Gemeinschaft muss sein Die Frage der autonomie vs intimitaumlt schiebt sich in der Wohnphase in den Vordergrund Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft bestimmt fuumlr sich wieviel bindung Vertrautheit Naumlhe es leben will und wieviel Distanz es braucht Die balance zwischen diesen beiden ele-mentaren beduumlrfnissen birgt viel Sprengkraft denn hier geht es auch um Fragen von Sympathie und ablehnung um Cliquen- oder paarbildungen wie die aussagen einer bewohnerin eines Wohnprojekts zeigen

bdquoDruumlbenenspimenspAltbauenspistenspdieenspsoenspgenannteenspMafiaenspdieenspsehrenspbdquofachfrauischldquoenspzusammenensphandelt Das ist freundlich gemeint Die verreisen zusammen und kochen miteinan-der Mal tauchen sie dann auch im gemeinsamen geschehen auf aber sie sind fuumlr sich und da kommt man auch nicht unbedingt reinldquo (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

auch goumlschel spricht davon dass in einer euphorie des gemeinschaftlichen die privat-heit der Mitglieder zu sehr eingeschraumlnkt werden kann (vgl goumlschel 2012 S 2)

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

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Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 6: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

42 H Gephart

(httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140ziele Zugriff 2462012)4

Der idealtypische ablauf der Findungsphase fuumlr ein Wohnprojekt beginnt mit dem Kennenlernen der interessentinnen gefolgt von der Suche nach einem geeigneten grund-stuumlck oder Objekt Mit der entscheidung fuumlr eine architektineinen architekten ist der Findungsprozess abgeschlossen (vgl Nieder 2008 S 16) Die notwendigen gespraumlche AbklaumlrungenenspundenspVerhandlungenenspfindenensp inenspderenspRegelenspaufenspderenspSachebeneenspstattenspAufenspderenspsogenannten soziodynamischen oder beziehungsebene geschehen die emotional ent-scheidenden Dinge oft unausgesprochen ndash und koumlnnen so zu belastungen werden die sich auf die gesamte gemeinsame planung und Durchfuumlhrung des projekts auswirken

Die grundfragen in der Findungsphase lauten Wie begruumlndet sich die Zugehoumlrigkeit Was muss ich tun um ein respektiertes Mitglied der baugemeinschaft zu werden Wie geht die gruppe mit interessentinnen um die nicht zu passen scheinen in dem beduumlrfnis nach Zugehoumlrigkeit fragt sich der interessentdie interessentin bin ich es wert mitge-nommen zu werden auf der anderen Seite will ich zu dieser gruppe gehoumlren und wie pruumlfe ich ob ich dazu gehoumlren moumlchte Die baugemeinschaften interessiert Wollen wir diese interessentinnen zulassen unter welchen aspekten Welche rolle werden sie bei uns spielen

richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V berlin betont hier die bedeutung des unterschieds zwischen einer baugemeinschaft und einem Wohnprojekt

Waumlhrend bei der baugemeinschaft seiner einschaumltzung nach das (guumlnstige) bauen im Vordergrund steht und eine gemeinschaft sich dann erst ggf beim Zusammenwohnen begruumlndet steht dazu im unterschied das Motiv des gemeinsamen Wohnens (bdquowir wollen zusammen wohnen und suchen uns unsere gruppe dafuumlrldquo)

Oft tauchen in der Such- und Findungsphase auch lebensgeschichtlich gepraumlgte the-men auf (der ausschluss in der Schulklasse die rolle des fuumlnften rades in einer Fami-lie)enspundenspbeeinflussenenspdasenspHandelnenspeinzelnerenspohneenspdassenspdieenspHerkunftenspderenspempfundenenenspgefuumlhle von Kraumlnkung und Zuruumlcksetzung bewusst waumlren

Welche bdquoFallstrickeldquo koumlnnen nun in der Findungsphase auftauchen

Fallstrick 1 Gruppentouristen erkennen palm berichtet fuumlr die Findungsphase von dem phaumlnomen des gruppentourismus Menschen die in vielen Wohnprojekten auftauchen und wieder verschwinden Wohnprojekte seien auszligerdem ein Magnet fuumlr bdquoseltsameldquo Leuteensp Offensichtlichensp habenensp alsoensp dieensp inenspGruumlndungensp befindlichenensp Projekteensp einenenspAnzie-hungscharakter aber nicht nur fuumlr ernsthafte interessentinnen Dies gilt es moumlglichst bald herauszufindenenspumenspnichtenspzuvielenspKraftenspundenspZeitenspaufenspdieenspAuseinandersetzungenspmitenspPersonenenspzu verwenden die kein ernsthaftes interesse haben

Fallstrick 2 Unterschiedliches Engagement Die initiatoren einer baugemeinschaft sind naturgemaumlszlig diejenigen die viel energie und tatendrang mitbringen Selbst wenn sie keine dominante rolle spielen wollen sind sie doch diejenigen mit Wissensvorsprung (weil von anfang an dabei) und klaren interessen Sie genieszligen damit ndash zumindest zu beginn ndash mehrenspEinflussenspundenspstehenenspauchenspsymbolischenspfuumlrenspdieenspIdeeenspdesenspProjektsenspDeshalbenspwirdenspaufenspsieenspbesonders geschaut kritisch oder hoffnungsvoll im interview mit einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster bestaumltigt sich dies

43Gruppendynamik in Baugemeinschaften

bdquoin der gruppe ist eben eine person die von anfang an dabei war die viel Wissen hat und die fuumlr uns auch wichtig ist Die fuumlr den Verein wichtig istldquo

Die Hoffnung besteht darin dass die initiatoren bdquoes richtenldquo sollen dass sie die Wuumlnsche derenspweiterenenspInteressiertenensperfuumlllenenspsollenenspdassenspsieenspinenspKonfliktfaumlllenenspanrufbarenspseinenspmoumlgenenspDieenspkritischeenspSichtenspbeziehtenspsichenspdaraufenspobenspdieenspInitiatorenenspzuenspvielenspEinflussenspnehmenenspobenspsieenspeigeninteressen verfolgen ob sie die neu Hinzukommenden ausreichend mit informatio-nenenspundenspEinflussenspversorgen

Fallstrick 3 Mangelnde und intransparente Kriterien fuumlr die Auswahl Hinzukommen-der Die Leitfragen dafuumlr lauten Wer erstellt die Kriterien fuumlr eine auswahl wie wird entschieden und wie wird die entscheidung kommuniziert gibt es unausgesprochene Kriterien die wirksam aber nicht transparent sind bdquoWenn sich Leute zusammenschlie-szligen oder sich einer gruppe angliedern moumlchten erfolgt ein sozialer auswahlprozess dem sich nicht jeder gewachsen siehtldquo (Kroumlger et al 2005 S 46) Die Chance einer auseinan-dersetzung uumlber diese Kriterien liegt in der entdeckung der Vielfalt in der gemeinschaft und der Notwendigkeit der integration dieser Vielfalt Sind die Kriterien klar benannt faumlllt es leichter neue interessentinnen auszuwaumlhlen und die entscheidungen klar zu kommunizieren

Fallstrick 4 Unterschiedliche Kenntnisse und Vorerfahrungen bei groszliger Diversitaumlt an Kompetenzen besteht die gefahr dass diese konkurrent verarbeitet und nicht als res-source angesehen werden Oft kann erst in einer der spaumlteren phasen die unterschiedlich-keit geschaumltzt und genutzt werden Zu beginn kann sie als eine bedrohung des eigenen Status und der eigenen bedeutung erlebt werden

Fallstrick 5 Vielfalt und Gegensaumltzlichkeit der Motivlagen auch hier gilt die interes-sentinnen bringen ndash wie anfangs beschrieben ndash unterschiedlichste Motivlagen mit die eruiertenspwerdenenspmuumlssenenspumenspherauszufindenenspwoenspInteressenenspgegenlaumlufigenspsindenspBeduumlrfnisseenspnicht erfuumlllt werden koumlnnen erwartungen zu hoch angesetzt sind

unausgesprochene Versorgungswuumlnsche oder Kontaktbeduumlrfnisse z b koumlnnen eine baugemeinschaft uumlberfordern Dass diese interessen nicht aufgedeckt werden gruumlndet auf der besorgnis nicht in die baugemeinschaft aufgenommen zu werden oder in der Scham uumlber die privaten Wuumlnsche

Fallstrick 6 Zeigen der sozialen Maske eine der groszligen gefahren ist dass zu beginn einer gruppe vor allem die vertraumlglich-freundschaftlichen-foumlrmlichen Verhaltensweisen gezeigt werden die bdquoSchokoladenseiteldquo das was als sozial erwuumlnscht in der gruppe ver-mutet wird Diese vermeintlich sozial erwuumlnschten Verhaltensweisen dienen der Verhin-derung des befuumlrchteten ausschlusses bzw der Vermeidung vermeintlich zerstoumlrerischer KonflikteenspInteressenenspvonenspdenenenspdieenspPersonenenspglaubenenspseienspseienenspsozialenspunerwuumlnschtenspwer-denensphaumlufigenspnichtenspgenanntenspAuchenspInteressenenspbdquoverdeckterensp3ldquoenspkoumlnnenenspeineenspRolleenspspielenenspSoenspmeint Stefan Klinkenberg architekt in berlin in einem interview

44 H Gephart

bdquointeressentinnen sagen nicht immer was sie meinen sagen ihre sozial nicht erwuumlnschten interessen nicht z b spielt soziale geltung eine groszlige rolle Wenn ElternenspmitfinanzierenenspwollenenspauchenspdieenspElternenspdieenspWohnungenspgutenspfindenldquo

Was ist gruppendynamisch zu beachten es geht nicht darum eine Selbsterfahrungs-gruppe zu installieren architekten oder baugemeinschaften oder beraterinnen sollten aber um moumlgliche erklaumlrungen wissen wenn bdquobizarreldquo oder bdquounangemesseneldquo reaktio-nen erscheinen Die Frage bdquowas brauchen Sieldquo nimmt oft sehr viel energie aus einem KonfliktenspjedenfallsenspmehrenspalsenspweitereenspErlaumluterungenenspoderenspRechtfertigungen

baugemeinschaften brauchen ab einem bestimmten Zeitpunkt Verlaumlsslichkeit in der Zusage Diese laumlsst sich vertraglich oder durch Zahlung von einlagen (als bdquoformelleldquo eintrittskarten) herstellen

grundlegend sind auch genuumlgend gemeinsame interessen die in der anfangssituation eine gemeinsame anfangsidentitaumlt schaffen

Die baugemeinschaft braucht einen rahmen um interessen (auch die moumlglicherweise sozial weniger vertraumlglichen) zur Sprache zu bringen um auch versteckte Motive heraus zuenspfindenenspumensphinderlicheenspBedingungenenspzuenspbenennenenspundenspnotwendigeenspAbgrenzungenenspvor-zunehmen Diese kommunikativen prozesse sind die grundlagen fuumlr gelingende Wohn-projekte Die anfangsphase und erste auseinandersetzungen muumlssen durchgestanden seinenspweilensp sieensp sonstensp alsensp unterschwelligeenspKonflikteensp inensp dieensp naumlchsteenspPhaseenspweitergetragenenspwerden Dazu braucht es Zeit und vor allem geduld Zuhoumlren und kritisches Nachfra-gen was in der anfangsphase oft schwierig ist Hier dominiert der Wunsch es moumlge das gemeinschaftliche projekt schnell in bewegung kommen und es moumlgen schon die richtigen Leute vorhanden sein es braucht Motivationsarbeit und Konfrontation um die notwendigen Klaumlrungen herbeizufuumlhren

Wie kann eine baugemeinschaft in dieser phase gruppendynamisch kompetent unter-stuumltzt werden

um die notwendige geduld energie und Zeit aufzubringen ist m e die unterstuumlt-zung einers externen beraterinberaters und eines geschickten handlings der architektin oder des architekten vonnoumlten Solche unterstuumltzung kann z b in Form einer Zukunfts-werkstattenspoderenspeinerenspModerationSupervisionenspderenspPlanungstreffenenspstattfindenenspAuchenspwennensphier Mehrausgaben in Form von Zeit undoder geld auf gruppen zukommen Sie lohnen sich langfristig gruppen die sich uumlber einen langen Zeitraum gefunden und auseinander-gesetzt haben besitzen eine stabilere grundlage fuumlr das gemeinsame bauen und Wohnen alsenspGruppenenspdieenspsichenspzenspBenspaufgrundenspeinerenspAusschreibungenspeinesenspTraumlgersenspfinden

22 phase der planung

Nachdem sich die baugemeinschaft gefunden hat und entschieden ist wer bei dem pro-jekt mitmacht geht es in die eigentliche planungsphase

Jetzt geht es nicht mehr nur um den abgleich von interessen und Wuumlnschen son-dern es muumlssen zahlreiche entscheidungen getroffen werden die das spaumltere Wohnen die Finanzen den geschmack etc tangieren bedeutsam in dieser phase ist Welche ent-scheidungen muumlssen getroffen werden und wie werden sie getroffen

45Gruppendynamik in Baugemeinschaften

geht es in der Findungsphase um die Frage der Zugehoumlrigkeit ruumlckt jetzt die Dimen-sionenspderenspMachtenspdieenspFrageenspderenspEinflussnahmeenspinenspdenenspVordergrundenspDaenspesenspinenspBaugruppenenspkeineenspformelleenspHierarchieenspgibtenspwirdenspEinflussnahmeenspuumlberenspNormenenspundenspRegelnenspinstalliert

Fallstrick 1 Einfluss und Machtverteilung in der Baugemeinschaft Das psychische beduumlrfnis nach gehoumlrt werden und Mitwirkung ist hier entscheidend tangiert (Kann ich mitentscheiden) Oft kommt es zu unterschiedlichen geschwindigkeiten in der Verhand-lungenspundenspinenspderenspEntscheidungsfindungenspMenschenenspdieenspgewohntenspsindenspzuenspentscheidenenspkoumln-nen dies oft schneller und sind durchsetzungsstaumlrker

Da gibt es Charaktere die so bdquoMacherldquo sind und zwar bdquosofortldquo und es gibt andere die erstmal gucken ob man soll oder kann Fuumlr die sind diejenigen die bdquomachenldquo viel zu schnell Daruumlber gibt es ganz maumlchtige Differenzen (interview einer bewoh-nerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Fallstrick 2 Entscheidungen werden nicht getroffen oder verzoumlgert unterschwellige AuseinandersetzungenenspumenspMachtenspundenspEinflussenspkoumlnnenenspdenenspFortgangenspdesenspProjektsenspunnoumltigensperschweren

Was ist gruppendynamisch zu beachten Hilfreich ist die Klaumlrung bdquoWer will in die bdquo1 reiheldquo (oft die initiativgruppe) oder in die bdquo2 reiheldquo die mit weniger arbeit und Ver-antwortungenspverbundenenspistenspdafuumlrenspaberenspauchenspwenigerenspEinflussenspgewaumlhrleistet

es braucht daneben die aktive einbeziehung aller Mitglieder um jeden einzelnen in der baugemeinschaft insgesamt mit dem gefuumlhl bdquodas ist mein projekt und ich wirke daran mitldquo zu versorgen

Zeitlimits und die absprache uumlber entscheidungsablaumlufe und vor allem eine einigung uumlber den abstimmungsmodus sind notwendig

Langfristig erfolgreiche projekte zeichnen sich neben der architektonischen Qualitaumlt der einhaltung von Kostenlimits der Vermeidung von bauschaumlden etc durch die hohe Zufriedenheit der Mitglieder aus Die wird in der regel durch echteenspKompromissfindungenspund nicht durch Mehrheitsentscheidungen geloumlst antons (2011 S 145) schreibt dazu bdquoDas Faumlllen von gruppenentscheidungen ist besonders fuumlr selbststeuernde gruppen (wie BaugemeinschaftenenspdenspA)ensphellipenspeinenspzentralesenspThemaldquoenspErenspbenenntenspalsensptypischeenspVerhaltens-muster bdquoHau-ruck-entscheidungen durch dominante Mitglieder ruumlckzug auf formal-demokratischeenspLoumlsungenensphellipenspKonsensuszwangldquoenspDieenspechteenspKompromissfindungenspdagegenenspberuumlcksichtigt alle interessen und die beteiligten verhandeln solange bis es nur bdquogewin-nerldquo und keine bdquogewinner-Verliererldquo gibt Die erarbeitung beduumlrfnisorientierter und an die jeweilige Situation und ihre bedeutung angepasste Formen der Uumlbereinkunft ist eine diffizileenspGruppenleistungenspIhreenspBewaumlltigungenspbedeutetenspfuumlrenspdieenspWohnphaseenspeinenspModellenspkuumlnf-tigerenspKonfliktmoderation

anna gephart Hamburger architektin berichtet dass die planungsphase oft noch dominiert ist von dem gemeinsamen interesse der Mitglieder am bauprojekt dass treffen fuumlr sinnvoll erachtet werden und von den bauprojektmitgliedern auch Zeit dafuumlr einge-raumlumt wird Dieses interesse besteht aus mehrerengruumlnden das Haus in dem man leben wird nimmt gestalt an die personen die schon sehr lange in der planung dabei sind und dasenspProjektenspgegruumlndetensphabenenspempfindenenspErleichterungenspdassenspbdquoesenspendlichensplosgehtldquoenspMit-

46 H Gephart

glieder die erst kurz dabei sind erleben den Moment als spannenden bdquoanfangldquo Neben den gemeinschaftsbereichen die gestaltet werden wollen kann vor allem in dieser phase EinflussenspaufenspdenenspeigenenenspWohnungsgrundrissenspgenommenenspwerden

DieseenspAnfangsfreudeenspundenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspwirdenspgefoumlrdertenspwennenspposi-tive Oumlffentlichkeitsarbeit betrieben ein mediales echo erzeugt wird oder gemeinsame aktivitaumlten unternommen und die entscheidenden bauphasen durch Feste gewuumlrdigt werden (Spatenstichfest richtfest etc) architekt Klinkenberg beschreibt dass Kohauml-sion z b durch besuchergruppen oder mediale berichterstattung entstehe alle diese AktivitaumltenenspfoumlrdernenspdieenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspundenspstaumlrkenenspdieenspBereitschaftenspauchenspschwierigere Zeiten miteinander zu durchstehen

23 bauphase

in der bauphase wird es fuumlr die baugemeinschaft anstrengend sie wird von architektin-nen und architekten als die schwierigste bezeichnet Die geduld wird durch viele Detail-fragen strapaziert und die Frustrationstoleranz der gruppe ist gefragt wie geht man mit bauverzoumlgerungen auftretenden Maumlngeln etc um einerseits besteht der Wunsch end-lich einziehen zu koumlnnen andererseits ist die Muumlhsal der vielen zu regelnden Details hoch

in der angewandten gruppendynamik ist bekannt dass durch von auszligen auf die gruppe stoszligende belastungen die inzwischen getroffenen regelungen und Spielregeln auszligerenspKraftenspsetzenenspundenspKonflikteenspneuenspausbrechenenspkoumlnnenenspAnenspdieenspBaugemeinschaftenspwirdenspinenspdieserenspZeitenspeineensphoheenspAnforderungenspanenspdieenspKonflikt-enspundenspKompromissfaumlhigkeitenspgestellt

architekt Klinkenberg beschreibt fuumlr diese phase das auftreten objektiver Krisen (bau-verzoumlgerungen etc) und subjektiver Krisen die oft beim Uumlbergang vom rohbau zum innenausbau entstuumlnden weil der rohbau duumlster wirke oder wenn das geld vor der Fer-tigstellung ausgehe er raumlt zur Vorwegnahme von Schwierigkeiten durch die baubegleiter

Fallstrick 1 Alle wollen mitreden aus dem beduumlrfnis nach Mitwirkung heraus (s die Dimension der Macht aus gruppendynamischer Sicht) wollen viele Mitglieder einer bau-gemeinschaftenspmitredenenspundenspinenspvielenenspFragenenspEinflussenspnehmenenspAuftretendeenspbdquoAnfaumllleldquoenspvonenspKontrollbeduumlrfnissen die uumlber ein normales Maszlig des informations- und Mitsprachebe-duumlrfnisses hinausgehen sind indizien fuumlr nicht gelungene beziehungsklaumlrungen in der Zeit der planung

Fallstrick 2 Unterschiedliche Anerkennung der Arbeitsgruppen es kann sein dass die Konkurrenz zwischen den verschiedenen arbeitsgruppen durch abwertung der arbeit der anderen sichtbar wird z b koumlnnen sich die Mitglieder der gruppe bau fuumlr wichtiger hal-tenenspalsenspdieenspderenspGruppeenspGartenenspHierenspistenspauchenspeineenspgenderspezifischeenspTendenzenspzuensperkennenenspMaumlnnerenspsindenspzenspBenspsehrenspseltenenspinenspderenspAGenspFesteenspzuenspfindenenspdensphenspdieenspFrauenenspsorgenenspvorwie-gendenspfuumlrenspOrteenspderenspKommunikationenspundenspdesenspWohlbefindens

Fallstrick 3 Auszligerkraftsetzen vorher getroffener Planungsentscheidungen in der bau-phase werden individuelle Wuumlnsche moumlglicherweise wieder belebt (bdquoin meine Wohnung sollenspdochenspeinenspandererenspFuszligbodenenspeineenspandereenspBeleuchtungenspandereenspBadmoumlbelensphellipldquo)enspundenspdieenspgetroffenen Vereinbarungen auszliger Kraft gesetzt

47Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Fallstrick 4 Zu rigide Durchsetzung von Abmachungen die nicht eingehalten werden koumlnnen im Verlauf der planung und Durchfuumlhrung des projekts kann es zu Veraumlnderungen der Lebensbedingungen kommen (arbeitslosigkeit erkrankung z b) auf die die bau-gemeinschaft reagieren muss

Was ist gruppendynamisch zu beachten Die absicherung von transparenz und Kom-munikation uumlber die zu treffenden entscheidungen und deren Konsequenzen fuumlr bau-dauer und Kosten ist grundlegend allerdings sollte immer die bedeutsamkeit der Fragen abgewogen werden bdquoDiskussionen sind wichtig und notwendig doch nicht jedes Detail mussenspbisenspinenspdieenspHaarwurzelenspdiskutiertenspwerdenensphellipldquoensp(Niederensp2008 S 20)

es hilft in der bauphase sehr wenn ein aktiver Kern der baugemeinschaft installiert wirdenspdessenenspBefugnisseenspklarenspdefiniertenspsindenspDieseenspBaugruppeenspschafftenspeinerseitsenspdieenspVer-bindung zum architekten und ist sich auf der anderen Seite bewusst wie wichtig die kommunikative Verbindung zu den anderen baugemeinschaftsmitgliedern und groumlszligt-moumlgliche transparenz sind auch sollten andere untergruppen die z b den garten pla-nen den Kontakt zu behoumlrden regeln gemeinsame aktivitaumlten und Feste organisieren gebildet werden damit die Last auf viele Schultern gelegt wird Mitglieder von bau-gemeinschaften berichten von der erleichterung durch die teilung von aufgaben von der bereicherung durch das Zusammenkommen vieler ideen und Faumlhigkeiten (vgl Fil-mische Dokumentation bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011) Das wird so auch von der bewohnerin des projekts bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo benannt gerda blaschke bewohnerin im projekt Max-b in Hamburg freut sich daruuml-ber dass es bdquoviele unterschiedliche talenteldquo gibt und bdquojeder einbringt was er gut kannldquo (Stadlmayer in Lempp und Stadlmayer 2010 S 50) architekt Klinkenberg erachtet die einrichtung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche je nach Neigung und Kompetenz fuumlr erfolgversprechend Neben der teilung der belastung und der Verantwortung ergibt sich dass letztlich alle bewohnerinnen am erfolg beteiligt sind und damit die notwen-dige Kohaumlsion (der Zusammenhalt) weiter gestaumlrkt wird auf das Vorkommen unter-schiedlicher anerkennung von arbeitsgruppen sollte geachtet und abhilfe geschaffen werden

gegen das auszligerkraftsetzen von gemeinsamen planungsentscheidungen hilft eine stringente baukoordination durch die architekten und die verantwortliche baugruppe (s o) die moumlglichst an einem Strang ziehen sollten Wenn die baugruppe als Kern der baugemeinschaft nicht mit der genuumlgenden autoritaumlt durch die anderen Mitstreiterinnen ausgestattet wurde bzw sich diese nicht nimmt kann das zu nachhaltigen unzufrieden-heiten bis zu prozessualen auseinandersetzungen fuumlhren

auszligerdem muss die baugemeinschaft klaumlren was bei der Veraumlnderung von Lebensver-haumlltnissen und dem damit moumlglicherweise verbundenen Wunsch nach ausstieg geschieht architekt Klinkenberg betont die Notwendigkeit einer ausstiegsregelung die manchmal finanziellenspaberenspauchensppsychischenspschwierigenspzuenspfindenenspistenspLoumlsungenenspfuumlrenspdieseenspFaumllleenspsolltenenspvorab angedacht und nicht erst in der akuten Situation thematisiert werden wenn es zu Zeit- und interessensdruck kommt

48 H Gephart

24 Wohnstart

Die erfahrung von gruppendynamikerinnen sagt dass eine gruppendynamisch gelun-gene planungs- und bauphase sehr wichtig fuumlr die Wohnphase ist Dort gab es gelegen-heit sich mit den anderen beteiligten zu erfahren und ein gefuumlhl fuumlr das zukuumlnftige Zusammenleben zu bekommen Die bdquosoziale Organisation der Naumlheldquo in der neuen Nach-barschaft beginnt sich nun zu konkretisieren (Kloumls zitiert in evans und Schahadat 2011 S 18) in der Wohnphase muumlssen Strukturen fuumlr das Zusammenleben geschaffen wer-den Je intensiver die auseinandersetzung um die Wohnidee war je mehr die beteili-gung gewollt und gelungen ist umso besser laumluft das gemeinsame Wohnen Die in der planungs- und bauphase entwickelten entscheidungsmodi der gefundene umgang mit InteressengegensaumltzenenspdasenspGelingenenspvonenspKonfliktmoderationenspbietenenspdenenspErfahrungshin-tergrund der ndash wenn erfolgreich ndash das gegenseitige Vertrauen und die Zuversicht fuumlr das gelingen der Vision staumlrkt

Schulz-Nieswandt etal sprechen vom bdquowohngemeinschaftlichem Sozialkapital das davonensp beeinflusstenspwirdenspwieensp positivensp oderensp stressbeladenensp dieenspBeziehungenensp innerhalbensp derenspWohngruppe sindldquo (2012 S 39)

auch wenn man von einer euphoriephase nach dem einzug sprechen kann (vgl Krouml-ger et al 2005 S 46 goumlschel 2012 S 2) gibt es doch auch hier themen die beachtet werden muumlssen

gruppendynamische Fragestellungen fuumlr die Wohnphase

Wie wird der beginn des Zusammenlebens gestaltet gibt es von beginn an die Moumlglichkeit regelmaumlszligiger Kommunikationsraumlume um Kon-

fliktenenspvorzubeugenenspoderenspsieenspzuensploumlsenenspundenspdenenspZusammenhaltenspzuenspfoumlrdern gibt es Formen und rituale der Wertschaumltzung gibt es gemeinsame projekte

und auch hier bdquolauernldquo Fallstricke auf die bewohnerinnen

Fallstrick 1 Wieviel Autonomie darf sein wieviel Gemeinschaft muss sein Die Frage der autonomie vs intimitaumlt schiebt sich in der Wohnphase in den Vordergrund Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft bestimmt fuumlr sich wieviel bindung Vertrautheit Naumlhe es leben will und wieviel Distanz es braucht Die balance zwischen diesen beiden ele-mentaren beduumlrfnissen birgt viel Sprengkraft denn hier geht es auch um Fragen von Sympathie und ablehnung um Cliquen- oder paarbildungen wie die aussagen einer bewohnerin eines Wohnprojekts zeigen

bdquoDruumlbenenspimenspAltbauenspistenspdieenspsoenspgenannteenspMafiaenspdieenspsehrenspbdquofachfrauischldquoenspzusammenensphandelt Das ist freundlich gemeint Die verreisen zusammen und kochen miteinan-der Mal tauchen sie dann auch im gemeinsamen geschehen auf aber sie sind fuumlr sich und da kommt man auch nicht unbedingt reinldquo (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

auch goumlschel spricht davon dass in einer euphorie des gemeinschaftlichen die privat-heit der Mitglieder zu sehr eingeschraumlnkt werden kann (vgl goumlschel 2012 S 2)

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

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Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 7: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

43Gruppendynamik in Baugemeinschaften

bdquoin der gruppe ist eben eine person die von anfang an dabei war die viel Wissen hat und die fuumlr uns auch wichtig ist Die fuumlr den Verein wichtig istldquo

Die Hoffnung besteht darin dass die initiatoren bdquoes richtenldquo sollen dass sie die Wuumlnsche derenspweiterenenspInteressiertenensperfuumlllenenspsollenenspdassenspsieenspinenspKonfliktfaumlllenenspanrufbarenspseinenspmoumlgenenspDieenspkritischeenspSichtenspbeziehtenspsichenspdaraufenspobenspdieenspInitiatorenenspzuenspvielenspEinflussenspnehmenenspobenspsieenspeigeninteressen verfolgen ob sie die neu Hinzukommenden ausreichend mit informatio-nenenspundenspEinflussenspversorgen

Fallstrick 3 Mangelnde und intransparente Kriterien fuumlr die Auswahl Hinzukommen-der Die Leitfragen dafuumlr lauten Wer erstellt die Kriterien fuumlr eine auswahl wie wird entschieden und wie wird die entscheidung kommuniziert gibt es unausgesprochene Kriterien die wirksam aber nicht transparent sind bdquoWenn sich Leute zusammenschlie-szligen oder sich einer gruppe angliedern moumlchten erfolgt ein sozialer auswahlprozess dem sich nicht jeder gewachsen siehtldquo (Kroumlger et al 2005 S 46) Die Chance einer auseinan-dersetzung uumlber diese Kriterien liegt in der entdeckung der Vielfalt in der gemeinschaft und der Notwendigkeit der integration dieser Vielfalt Sind die Kriterien klar benannt faumlllt es leichter neue interessentinnen auszuwaumlhlen und die entscheidungen klar zu kommunizieren

Fallstrick 4 Unterschiedliche Kenntnisse und Vorerfahrungen bei groszliger Diversitaumlt an Kompetenzen besteht die gefahr dass diese konkurrent verarbeitet und nicht als res-source angesehen werden Oft kann erst in einer der spaumlteren phasen die unterschiedlich-keit geschaumltzt und genutzt werden Zu beginn kann sie als eine bedrohung des eigenen Status und der eigenen bedeutung erlebt werden

Fallstrick 5 Vielfalt und Gegensaumltzlichkeit der Motivlagen auch hier gilt die interes-sentinnen bringen ndash wie anfangs beschrieben ndash unterschiedlichste Motivlagen mit die eruiertenspwerdenenspmuumlssenenspumenspherauszufindenenspwoenspInteressenenspgegenlaumlufigenspsindenspBeduumlrfnisseenspnicht erfuumlllt werden koumlnnen erwartungen zu hoch angesetzt sind

unausgesprochene Versorgungswuumlnsche oder Kontaktbeduumlrfnisse z b koumlnnen eine baugemeinschaft uumlberfordern Dass diese interessen nicht aufgedeckt werden gruumlndet auf der besorgnis nicht in die baugemeinschaft aufgenommen zu werden oder in der Scham uumlber die privaten Wuumlnsche

Fallstrick 6 Zeigen der sozialen Maske eine der groszligen gefahren ist dass zu beginn einer gruppe vor allem die vertraumlglich-freundschaftlichen-foumlrmlichen Verhaltensweisen gezeigt werden die bdquoSchokoladenseiteldquo das was als sozial erwuumlnscht in der gruppe ver-mutet wird Diese vermeintlich sozial erwuumlnschten Verhaltensweisen dienen der Verhin-derung des befuumlrchteten ausschlusses bzw der Vermeidung vermeintlich zerstoumlrerischer KonflikteenspInteressenenspvonenspdenenenspdieenspPersonenenspglaubenenspseienspseienenspsozialenspunerwuumlnschtenspwer-denensphaumlufigenspnichtenspgenanntenspAuchenspInteressenenspbdquoverdeckterensp3ldquoenspkoumlnnenenspeineenspRolleenspspielenenspSoenspmeint Stefan Klinkenberg architekt in berlin in einem interview

44 H Gephart

bdquointeressentinnen sagen nicht immer was sie meinen sagen ihre sozial nicht erwuumlnschten interessen nicht z b spielt soziale geltung eine groszlige rolle Wenn ElternenspmitfinanzierenenspwollenenspauchenspdieenspElternenspdieenspWohnungenspgutenspfindenldquo

Was ist gruppendynamisch zu beachten es geht nicht darum eine Selbsterfahrungs-gruppe zu installieren architekten oder baugemeinschaften oder beraterinnen sollten aber um moumlgliche erklaumlrungen wissen wenn bdquobizarreldquo oder bdquounangemesseneldquo reaktio-nen erscheinen Die Frage bdquowas brauchen Sieldquo nimmt oft sehr viel energie aus einem KonfliktenspjedenfallsenspmehrenspalsenspweitereenspErlaumluterungenenspoderenspRechtfertigungen

baugemeinschaften brauchen ab einem bestimmten Zeitpunkt Verlaumlsslichkeit in der Zusage Diese laumlsst sich vertraglich oder durch Zahlung von einlagen (als bdquoformelleldquo eintrittskarten) herstellen

grundlegend sind auch genuumlgend gemeinsame interessen die in der anfangssituation eine gemeinsame anfangsidentitaumlt schaffen

Die baugemeinschaft braucht einen rahmen um interessen (auch die moumlglicherweise sozial weniger vertraumlglichen) zur Sprache zu bringen um auch versteckte Motive heraus zuenspfindenenspumensphinderlicheenspBedingungenenspzuenspbenennenenspundenspnotwendigeenspAbgrenzungenenspvor-zunehmen Diese kommunikativen prozesse sind die grundlagen fuumlr gelingende Wohn-projekte Die anfangsphase und erste auseinandersetzungen muumlssen durchgestanden seinenspweilensp sieensp sonstensp alsensp unterschwelligeenspKonflikteensp inensp dieensp naumlchsteenspPhaseenspweitergetragenenspwerden Dazu braucht es Zeit und vor allem geduld Zuhoumlren und kritisches Nachfra-gen was in der anfangsphase oft schwierig ist Hier dominiert der Wunsch es moumlge das gemeinschaftliche projekt schnell in bewegung kommen und es moumlgen schon die richtigen Leute vorhanden sein es braucht Motivationsarbeit und Konfrontation um die notwendigen Klaumlrungen herbeizufuumlhren

Wie kann eine baugemeinschaft in dieser phase gruppendynamisch kompetent unter-stuumltzt werden

um die notwendige geduld energie und Zeit aufzubringen ist m e die unterstuumlt-zung einers externen beraterinberaters und eines geschickten handlings der architektin oder des architekten vonnoumlten Solche unterstuumltzung kann z b in Form einer Zukunfts-werkstattenspoderenspeinerenspModerationSupervisionenspderenspPlanungstreffenenspstattfindenenspAuchenspwennensphier Mehrausgaben in Form von Zeit undoder geld auf gruppen zukommen Sie lohnen sich langfristig gruppen die sich uumlber einen langen Zeitraum gefunden und auseinander-gesetzt haben besitzen eine stabilere grundlage fuumlr das gemeinsame bauen und Wohnen alsenspGruppenenspdieenspsichenspzenspBenspaufgrundenspeinerenspAusschreibungenspeinesenspTraumlgersenspfinden

22 phase der planung

Nachdem sich die baugemeinschaft gefunden hat und entschieden ist wer bei dem pro-jekt mitmacht geht es in die eigentliche planungsphase

Jetzt geht es nicht mehr nur um den abgleich von interessen und Wuumlnschen son-dern es muumlssen zahlreiche entscheidungen getroffen werden die das spaumltere Wohnen die Finanzen den geschmack etc tangieren bedeutsam in dieser phase ist Welche ent-scheidungen muumlssen getroffen werden und wie werden sie getroffen

45Gruppendynamik in Baugemeinschaften

geht es in der Findungsphase um die Frage der Zugehoumlrigkeit ruumlckt jetzt die Dimen-sionenspderenspMachtenspdieenspFrageenspderenspEinflussnahmeenspinenspdenenspVordergrundenspDaenspesenspinenspBaugruppenenspkeineenspformelleenspHierarchieenspgibtenspwirdenspEinflussnahmeenspuumlberenspNormenenspundenspRegelnenspinstalliert

Fallstrick 1 Einfluss und Machtverteilung in der Baugemeinschaft Das psychische beduumlrfnis nach gehoumlrt werden und Mitwirkung ist hier entscheidend tangiert (Kann ich mitentscheiden) Oft kommt es zu unterschiedlichen geschwindigkeiten in der Verhand-lungenspundenspinenspderenspEntscheidungsfindungenspMenschenenspdieenspgewohntenspsindenspzuenspentscheidenenspkoumln-nen dies oft schneller und sind durchsetzungsstaumlrker

Da gibt es Charaktere die so bdquoMacherldquo sind und zwar bdquosofortldquo und es gibt andere die erstmal gucken ob man soll oder kann Fuumlr die sind diejenigen die bdquomachenldquo viel zu schnell Daruumlber gibt es ganz maumlchtige Differenzen (interview einer bewoh-nerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Fallstrick 2 Entscheidungen werden nicht getroffen oder verzoumlgert unterschwellige AuseinandersetzungenenspumenspMachtenspundenspEinflussenspkoumlnnenenspdenenspFortgangenspdesenspProjektsenspunnoumltigensperschweren

Was ist gruppendynamisch zu beachten Hilfreich ist die Klaumlrung bdquoWer will in die bdquo1 reiheldquo (oft die initiativgruppe) oder in die bdquo2 reiheldquo die mit weniger arbeit und Ver-antwortungenspverbundenenspistenspdafuumlrenspaberenspauchenspwenigerenspEinflussenspgewaumlhrleistet

es braucht daneben die aktive einbeziehung aller Mitglieder um jeden einzelnen in der baugemeinschaft insgesamt mit dem gefuumlhl bdquodas ist mein projekt und ich wirke daran mitldquo zu versorgen

Zeitlimits und die absprache uumlber entscheidungsablaumlufe und vor allem eine einigung uumlber den abstimmungsmodus sind notwendig

Langfristig erfolgreiche projekte zeichnen sich neben der architektonischen Qualitaumlt der einhaltung von Kostenlimits der Vermeidung von bauschaumlden etc durch die hohe Zufriedenheit der Mitglieder aus Die wird in der regel durch echteenspKompromissfindungenspund nicht durch Mehrheitsentscheidungen geloumlst antons (2011 S 145) schreibt dazu bdquoDas Faumlllen von gruppenentscheidungen ist besonders fuumlr selbststeuernde gruppen (wie BaugemeinschaftenenspdenspA)ensphellipenspeinenspzentralesenspThemaldquoenspErenspbenenntenspalsensptypischeenspVerhaltens-muster bdquoHau-ruck-entscheidungen durch dominante Mitglieder ruumlckzug auf formal-demokratischeenspLoumlsungenensphellipenspKonsensuszwangldquoenspDieenspechteenspKompromissfindungenspdagegenenspberuumlcksichtigt alle interessen und die beteiligten verhandeln solange bis es nur bdquogewin-nerldquo und keine bdquogewinner-Verliererldquo gibt Die erarbeitung beduumlrfnisorientierter und an die jeweilige Situation und ihre bedeutung angepasste Formen der Uumlbereinkunft ist eine diffizileenspGruppenleistungenspIhreenspBewaumlltigungenspbedeutetenspfuumlrenspdieenspWohnphaseenspeinenspModellenspkuumlnf-tigerenspKonfliktmoderation

anna gephart Hamburger architektin berichtet dass die planungsphase oft noch dominiert ist von dem gemeinsamen interesse der Mitglieder am bauprojekt dass treffen fuumlr sinnvoll erachtet werden und von den bauprojektmitgliedern auch Zeit dafuumlr einge-raumlumt wird Dieses interesse besteht aus mehrerengruumlnden das Haus in dem man leben wird nimmt gestalt an die personen die schon sehr lange in der planung dabei sind und dasenspProjektenspgegruumlndetensphabenenspempfindenenspErleichterungenspdassenspbdquoesenspendlichensplosgehtldquoenspMit-

46 H Gephart

glieder die erst kurz dabei sind erleben den Moment als spannenden bdquoanfangldquo Neben den gemeinschaftsbereichen die gestaltet werden wollen kann vor allem in dieser phase EinflussenspaufenspdenenspeigenenenspWohnungsgrundrissenspgenommenenspwerden

DieseenspAnfangsfreudeenspundenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspwirdenspgefoumlrdertenspwennenspposi-tive Oumlffentlichkeitsarbeit betrieben ein mediales echo erzeugt wird oder gemeinsame aktivitaumlten unternommen und die entscheidenden bauphasen durch Feste gewuumlrdigt werden (Spatenstichfest richtfest etc) architekt Klinkenberg beschreibt dass Kohauml-sion z b durch besuchergruppen oder mediale berichterstattung entstehe alle diese AktivitaumltenenspfoumlrdernenspdieenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspundenspstaumlrkenenspdieenspBereitschaftenspauchenspschwierigere Zeiten miteinander zu durchstehen

23 bauphase

in der bauphase wird es fuumlr die baugemeinschaft anstrengend sie wird von architektin-nen und architekten als die schwierigste bezeichnet Die geduld wird durch viele Detail-fragen strapaziert und die Frustrationstoleranz der gruppe ist gefragt wie geht man mit bauverzoumlgerungen auftretenden Maumlngeln etc um einerseits besteht der Wunsch end-lich einziehen zu koumlnnen andererseits ist die Muumlhsal der vielen zu regelnden Details hoch

in der angewandten gruppendynamik ist bekannt dass durch von auszligen auf die gruppe stoszligende belastungen die inzwischen getroffenen regelungen und Spielregeln auszligerenspKraftenspsetzenenspundenspKonflikteenspneuenspausbrechenenspkoumlnnenenspAnenspdieenspBaugemeinschaftenspwirdenspinenspdieserenspZeitenspeineensphoheenspAnforderungenspanenspdieenspKonflikt-enspundenspKompromissfaumlhigkeitenspgestellt

architekt Klinkenberg beschreibt fuumlr diese phase das auftreten objektiver Krisen (bau-verzoumlgerungen etc) und subjektiver Krisen die oft beim Uumlbergang vom rohbau zum innenausbau entstuumlnden weil der rohbau duumlster wirke oder wenn das geld vor der Fer-tigstellung ausgehe er raumlt zur Vorwegnahme von Schwierigkeiten durch die baubegleiter

Fallstrick 1 Alle wollen mitreden aus dem beduumlrfnis nach Mitwirkung heraus (s die Dimension der Macht aus gruppendynamischer Sicht) wollen viele Mitglieder einer bau-gemeinschaftenspmitredenenspundenspinenspvielenenspFragenenspEinflussenspnehmenenspAuftretendeenspbdquoAnfaumllleldquoenspvonenspKontrollbeduumlrfnissen die uumlber ein normales Maszlig des informations- und Mitsprachebe-duumlrfnisses hinausgehen sind indizien fuumlr nicht gelungene beziehungsklaumlrungen in der Zeit der planung

Fallstrick 2 Unterschiedliche Anerkennung der Arbeitsgruppen es kann sein dass die Konkurrenz zwischen den verschiedenen arbeitsgruppen durch abwertung der arbeit der anderen sichtbar wird z b koumlnnen sich die Mitglieder der gruppe bau fuumlr wichtiger hal-tenenspalsenspdieenspderenspGruppeenspGartenenspHierenspistenspauchenspeineenspgenderspezifischeenspTendenzenspzuensperkennenenspMaumlnnerenspsindenspzenspBenspsehrenspseltenenspinenspderenspAGenspFesteenspzuenspfindenenspdensphenspdieenspFrauenenspsorgenenspvorwie-gendenspfuumlrenspOrteenspderenspKommunikationenspundenspdesenspWohlbefindens

Fallstrick 3 Auszligerkraftsetzen vorher getroffener Planungsentscheidungen in der bau-phase werden individuelle Wuumlnsche moumlglicherweise wieder belebt (bdquoin meine Wohnung sollenspdochenspeinenspandererenspFuszligbodenenspeineenspandereenspBeleuchtungenspandereenspBadmoumlbelensphellipldquo)enspundenspdieenspgetroffenen Vereinbarungen auszliger Kraft gesetzt

47Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Fallstrick 4 Zu rigide Durchsetzung von Abmachungen die nicht eingehalten werden koumlnnen im Verlauf der planung und Durchfuumlhrung des projekts kann es zu Veraumlnderungen der Lebensbedingungen kommen (arbeitslosigkeit erkrankung z b) auf die die bau-gemeinschaft reagieren muss

Was ist gruppendynamisch zu beachten Die absicherung von transparenz und Kom-munikation uumlber die zu treffenden entscheidungen und deren Konsequenzen fuumlr bau-dauer und Kosten ist grundlegend allerdings sollte immer die bedeutsamkeit der Fragen abgewogen werden bdquoDiskussionen sind wichtig und notwendig doch nicht jedes Detail mussenspbisenspinenspdieenspHaarwurzelenspdiskutiertenspwerdenensphellipldquoensp(Niederensp2008 S 20)

es hilft in der bauphase sehr wenn ein aktiver Kern der baugemeinschaft installiert wirdenspdessenenspBefugnisseenspklarenspdefiniertenspsindenspDieseenspBaugruppeenspschafftenspeinerseitsenspdieenspVer-bindung zum architekten und ist sich auf der anderen Seite bewusst wie wichtig die kommunikative Verbindung zu den anderen baugemeinschaftsmitgliedern und groumlszligt-moumlgliche transparenz sind auch sollten andere untergruppen die z b den garten pla-nen den Kontakt zu behoumlrden regeln gemeinsame aktivitaumlten und Feste organisieren gebildet werden damit die Last auf viele Schultern gelegt wird Mitglieder von bau-gemeinschaften berichten von der erleichterung durch die teilung von aufgaben von der bereicherung durch das Zusammenkommen vieler ideen und Faumlhigkeiten (vgl Fil-mische Dokumentation bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011) Das wird so auch von der bewohnerin des projekts bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo benannt gerda blaschke bewohnerin im projekt Max-b in Hamburg freut sich daruuml-ber dass es bdquoviele unterschiedliche talenteldquo gibt und bdquojeder einbringt was er gut kannldquo (Stadlmayer in Lempp und Stadlmayer 2010 S 50) architekt Klinkenberg erachtet die einrichtung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche je nach Neigung und Kompetenz fuumlr erfolgversprechend Neben der teilung der belastung und der Verantwortung ergibt sich dass letztlich alle bewohnerinnen am erfolg beteiligt sind und damit die notwen-dige Kohaumlsion (der Zusammenhalt) weiter gestaumlrkt wird auf das Vorkommen unter-schiedlicher anerkennung von arbeitsgruppen sollte geachtet und abhilfe geschaffen werden

gegen das auszligerkraftsetzen von gemeinsamen planungsentscheidungen hilft eine stringente baukoordination durch die architekten und die verantwortliche baugruppe (s o) die moumlglichst an einem Strang ziehen sollten Wenn die baugruppe als Kern der baugemeinschaft nicht mit der genuumlgenden autoritaumlt durch die anderen Mitstreiterinnen ausgestattet wurde bzw sich diese nicht nimmt kann das zu nachhaltigen unzufrieden-heiten bis zu prozessualen auseinandersetzungen fuumlhren

auszligerdem muss die baugemeinschaft klaumlren was bei der Veraumlnderung von Lebensver-haumlltnissen und dem damit moumlglicherweise verbundenen Wunsch nach ausstieg geschieht architekt Klinkenberg betont die Notwendigkeit einer ausstiegsregelung die manchmal finanziellenspaberenspauchensppsychischenspschwierigenspzuenspfindenenspistenspLoumlsungenenspfuumlrenspdieseenspFaumllleenspsolltenenspvorab angedacht und nicht erst in der akuten Situation thematisiert werden wenn es zu Zeit- und interessensdruck kommt

48 H Gephart

24 Wohnstart

Die erfahrung von gruppendynamikerinnen sagt dass eine gruppendynamisch gelun-gene planungs- und bauphase sehr wichtig fuumlr die Wohnphase ist Dort gab es gelegen-heit sich mit den anderen beteiligten zu erfahren und ein gefuumlhl fuumlr das zukuumlnftige Zusammenleben zu bekommen Die bdquosoziale Organisation der Naumlheldquo in der neuen Nach-barschaft beginnt sich nun zu konkretisieren (Kloumls zitiert in evans und Schahadat 2011 S 18) in der Wohnphase muumlssen Strukturen fuumlr das Zusammenleben geschaffen wer-den Je intensiver die auseinandersetzung um die Wohnidee war je mehr die beteili-gung gewollt und gelungen ist umso besser laumluft das gemeinsame Wohnen Die in der planungs- und bauphase entwickelten entscheidungsmodi der gefundene umgang mit InteressengegensaumltzenenspdasenspGelingenenspvonenspKonfliktmoderationenspbietenenspdenenspErfahrungshin-tergrund der ndash wenn erfolgreich ndash das gegenseitige Vertrauen und die Zuversicht fuumlr das gelingen der Vision staumlrkt

Schulz-Nieswandt etal sprechen vom bdquowohngemeinschaftlichem Sozialkapital das davonensp beeinflusstenspwirdenspwieensp positivensp oderensp stressbeladenensp dieenspBeziehungenensp innerhalbensp derenspWohngruppe sindldquo (2012 S 39)

auch wenn man von einer euphoriephase nach dem einzug sprechen kann (vgl Krouml-ger et al 2005 S 46 goumlschel 2012 S 2) gibt es doch auch hier themen die beachtet werden muumlssen

gruppendynamische Fragestellungen fuumlr die Wohnphase

Wie wird der beginn des Zusammenlebens gestaltet gibt es von beginn an die Moumlglichkeit regelmaumlszligiger Kommunikationsraumlume um Kon-

fliktenenspvorzubeugenenspoderenspsieenspzuensploumlsenenspundenspdenenspZusammenhaltenspzuenspfoumlrdern gibt es Formen und rituale der Wertschaumltzung gibt es gemeinsame projekte

und auch hier bdquolauernldquo Fallstricke auf die bewohnerinnen

Fallstrick 1 Wieviel Autonomie darf sein wieviel Gemeinschaft muss sein Die Frage der autonomie vs intimitaumlt schiebt sich in der Wohnphase in den Vordergrund Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft bestimmt fuumlr sich wieviel bindung Vertrautheit Naumlhe es leben will und wieviel Distanz es braucht Die balance zwischen diesen beiden ele-mentaren beduumlrfnissen birgt viel Sprengkraft denn hier geht es auch um Fragen von Sympathie und ablehnung um Cliquen- oder paarbildungen wie die aussagen einer bewohnerin eines Wohnprojekts zeigen

bdquoDruumlbenenspimenspAltbauenspistenspdieenspsoenspgenannteenspMafiaenspdieenspsehrenspbdquofachfrauischldquoenspzusammenensphandelt Das ist freundlich gemeint Die verreisen zusammen und kochen miteinan-der Mal tauchen sie dann auch im gemeinsamen geschehen auf aber sie sind fuumlr sich und da kommt man auch nicht unbedingt reinldquo (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

auch goumlschel spricht davon dass in einer euphorie des gemeinschaftlichen die privat-heit der Mitglieder zu sehr eingeschraumlnkt werden kann (vgl goumlschel 2012 S 2)

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

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52 H Gephart

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Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 8: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

44 H Gephart

bdquointeressentinnen sagen nicht immer was sie meinen sagen ihre sozial nicht erwuumlnschten interessen nicht z b spielt soziale geltung eine groszlige rolle Wenn ElternenspmitfinanzierenenspwollenenspauchenspdieenspElternenspdieenspWohnungenspgutenspfindenldquo

Was ist gruppendynamisch zu beachten es geht nicht darum eine Selbsterfahrungs-gruppe zu installieren architekten oder baugemeinschaften oder beraterinnen sollten aber um moumlgliche erklaumlrungen wissen wenn bdquobizarreldquo oder bdquounangemesseneldquo reaktio-nen erscheinen Die Frage bdquowas brauchen Sieldquo nimmt oft sehr viel energie aus einem KonfliktenspjedenfallsenspmehrenspalsenspweitereenspErlaumluterungenenspoderenspRechtfertigungen

baugemeinschaften brauchen ab einem bestimmten Zeitpunkt Verlaumlsslichkeit in der Zusage Diese laumlsst sich vertraglich oder durch Zahlung von einlagen (als bdquoformelleldquo eintrittskarten) herstellen

grundlegend sind auch genuumlgend gemeinsame interessen die in der anfangssituation eine gemeinsame anfangsidentitaumlt schaffen

Die baugemeinschaft braucht einen rahmen um interessen (auch die moumlglicherweise sozial weniger vertraumlglichen) zur Sprache zu bringen um auch versteckte Motive heraus zuenspfindenenspumensphinderlicheenspBedingungenenspzuenspbenennenenspundenspnotwendigeenspAbgrenzungenenspvor-zunehmen Diese kommunikativen prozesse sind die grundlagen fuumlr gelingende Wohn-projekte Die anfangsphase und erste auseinandersetzungen muumlssen durchgestanden seinenspweilensp sieensp sonstensp alsensp unterschwelligeenspKonflikteensp inensp dieensp naumlchsteenspPhaseenspweitergetragenenspwerden Dazu braucht es Zeit und vor allem geduld Zuhoumlren und kritisches Nachfra-gen was in der anfangsphase oft schwierig ist Hier dominiert der Wunsch es moumlge das gemeinschaftliche projekt schnell in bewegung kommen und es moumlgen schon die richtigen Leute vorhanden sein es braucht Motivationsarbeit und Konfrontation um die notwendigen Klaumlrungen herbeizufuumlhren

Wie kann eine baugemeinschaft in dieser phase gruppendynamisch kompetent unter-stuumltzt werden

um die notwendige geduld energie und Zeit aufzubringen ist m e die unterstuumlt-zung einers externen beraterinberaters und eines geschickten handlings der architektin oder des architekten vonnoumlten Solche unterstuumltzung kann z b in Form einer Zukunfts-werkstattenspoderenspeinerenspModerationSupervisionenspderenspPlanungstreffenenspstattfindenenspAuchenspwennensphier Mehrausgaben in Form von Zeit undoder geld auf gruppen zukommen Sie lohnen sich langfristig gruppen die sich uumlber einen langen Zeitraum gefunden und auseinander-gesetzt haben besitzen eine stabilere grundlage fuumlr das gemeinsame bauen und Wohnen alsenspGruppenenspdieenspsichenspzenspBenspaufgrundenspeinerenspAusschreibungenspeinesenspTraumlgersenspfinden

22 phase der planung

Nachdem sich die baugemeinschaft gefunden hat und entschieden ist wer bei dem pro-jekt mitmacht geht es in die eigentliche planungsphase

Jetzt geht es nicht mehr nur um den abgleich von interessen und Wuumlnschen son-dern es muumlssen zahlreiche entscheidungen getroffen werden die das spaumltere Wohnen die Finanzen den geschmack etc tangieren bedeutsam in dieser phase ist Welche ent-scheidungen muumlssen getroffen werden und wie werden sie getroffen

45Gruppendynamik in Baugemeinschaften

geht es in der Findungsphase um die Frage der Zugehoumlrigkeit ruumlckt jetzt die Dimen-sionenspderenspMachtenspdieenspFrageenspderenspEinflussnahmeenspinenspdenenspVordergrundenspDaenspesenspinenspBaugruppenenspkeineenspformelleenspHierarchieenspgibtenspwirdenspEinflussnahmeenspuumlberenspNormenenspundenspRegelnenspinstalliert

Fallstrick 1 Einfluss und Machtverteilung in der Baugemeinschaft Das psychische beduumlrfnis nach gehoumlrt werden und Mitwirkung ist hier entscheidend tangiert (Kann ich mitentscheiden) Oft kommt es zu unterschiedlichen geschwindigkeiten in der Verhand-lungenspundenspinenspderenspEntscheidungsfindungenspMenschenenspdieenspgewohntenspsindenspzuenspentscheidenenspkoumln-nen dies oft schneller und sind durchsetzungsstaumlrker

Da gibt es Charaktere die so bdquoMacherldquo sind und zwar bdquosofortldquo und es gibt andere die erstmal gucken ob man soll oder kann Fuumlr die sind diejenigen die bdquomachenldquo viel zu schnell Daruumlber gibt es ganz maumlchtige Differenzen (interview einer bewoh-nerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Fallstrick 2 Entscheidungen werden nicht getroffen oder verzoumlgert unterschwellige AuseinandersetzungenenspumenspMachtenspundenspEinflussenspkoumlnnenenspdenenspFortgangenspdesenspProjektsenspunnoumltigensperschweren

Was ist gruppendynamisch zu beachten Hilfreich ist die Klaumlrung bdquoWer will in die bdquo1 reiheldquo (oft die initiativgruppe) oder in die bdquo2 reiheldquo die mit weniger arbeit und Ver-antwortungenspverbundenenspistenspdafuumlrenspaberenspauchenspwenigerenspEinflussenspgewaumlhrleistet

es braucht daneben die aktive einbeziehung aller Mitglieder um jeden einzelnen in der baugemeinschaft insgesamt mit dem gefuumlhl bdquodas ist mein projekt und ich wirke daran mitldquo zu versorgen

Zeitlimits und die absprache uumlber entscheidungsablaumlufe und vor allem eine einigung uumlber den abstimmungsmodus sind notwendig

Langfristig erfolgreiche projekte zeichnen sich neben der architektonischen Qualitaumlt der einhaltung von Kostenlimits der Vermeidung von bauschaumlden etc durch die hohe Zufriedenheit der Mitglieder aus Die wird in der regel durch echteenspKompromissfindungenspund nicht durch Mehrheitsentscheidungen geloumlst antons (2011 S 145) schreibt dazu bdquoDas Faumlllen von gruppenentscheidungen ist besonders fuumlr selbststeuernde gruppen (wie BaugemeinschaftenenspdenspA)ensphellipenspeinenspzentralesenspThemaldquoenspErenspbenenntenspalsensptypischeenspVerhaltens-muster bdquoHau-ruck-entscheidungen durch dominante Mitglieder ruumlckzug auf formal-demokratischeenspLoumlsungenensphellipenspKonsensuszwangldquoenspDieenspechteenspKompromissfindungenspdagegenenspberuumlcksichtigt alle interessen und die beteiligten verhandeln solange bis es nur bdquogewin-nerldquo und keine bdquogewinner-Verliererldquo gibt Die erarbeitung beduumlrfnisorientierter und an die jeweilige Situation und ihre bedeutung angepasste Formen der Uumlbereinkunft ist eine diffizileenspGruppenleistungenspIhreenspBewaumlltigungenspbedeutetenspfuumlrenspdieenspWohnphaseenspeinenspModellenspkuumlnf-tigerenspKonfliktmoderation

anna gephart Hamburger architektin berichtet dass die planungsphase oft noch dominiert ist von dem gemeinsamen interesse der Mitglieder am bauprojekt dass treffen fuumlr sinnvoll erachtet werden und von den bauprojektmitgliedern auch Zeit dafuumlr einge-raumlumt wird Dieses interesse besteht aus mehrerengruumlnden das Haus in dem man leben wird nimmt gestalt an die personen die schon sehr lange in der planung dabei sind und dasenspProjektenspgegruumlndetensphabenenspempfindenenspErleichterungenspdassenspbdquoesenspendlichensplosgehtldquoenspMit-

46 H Gephart

glieder die erst kurz dabei sind erleben den Moment als spannenden bdquoanfangldquo Neben den gemeinschaftsbereichen die gestaltet werden wollen kann vor allem in dieser phase EinflussenspaufenspdenenspeigenenenspWohnungsgrundrissenspgenommenenspwerden

DieseenspAnfangsfreudeenspundenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspwirdenspgefoumlrdertenspwennenspposi-tive Oumlffentlichkeitsarbeit betrieben ein mediales echo erzeugt wird oder gemeinsame aktivitaumlten unternommen und die entscheidenden bauphasen durch Feste gewuumlrdigt werden (Spatenstichfest richtfest etc) architekt Klinkenberg beschreibt dass Kohauml-sion z b durch besuchergruppen oder mediale berichterstattung entstehe alle diese AktivitaumltenenspfoumlrdernenspdieenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspundenspstaumlrkenenspdieenspBereitschaftenspauchenspschwierigere Zeiten miteinander zu durchstehen

23 bauphase

in der bauphase wird es fuumlr die baugemeinschaft anstrengend sie wird von architektin-nen und architekten als die schwierigste bezeichnet Die geduld wird durch viele Detail-fragen strapaziert und die Frustrationstoleranz der gruppe ist gefragt wie geht man mit bauverzoumlgerungen auftretenden Maumlngeln etc um einerseits besteht der Wunsch end-lich einziehen zu koumlnnen andererseits ist die Muumlhsal der vielen zu regelnden Details hoch

in der angewandten gruppendynamik ist bekannt dass durch von auszligen auf die gruppe stoszligende belastungen die inzwischen getroffenen regelungen und Spielregeln auszligerenspKraftenspsetzenenspundenspKonflikteenspneuenspausbrechenenspkoumlnnenenspAnenspdieenspBaugemeinschaftenspwirdenspinenspdieserenspZeitenspeineensphoheenspAnforderungenspanenspdieenspKonflikt-enspundenspKompromissfaumlhigkeitenspgestellt

architekt Klinkenberg beschreibt fuumlr diese phase das auftreten objektiver Krisen (bau-verzoumlgerungen etc) und subjektiver Krisen die oft beim Uumlbergang vom rohbau zum innenausbau entstuumlnden weil der rohbau duumlster wirke oder wenn das geld vor der Fer-tigstellung ausgehe er raumlt zur Vorwegnahme von Schwierigkeiten durch die baubegleiter

Fallstrick 1 Alle wollen mitreden aus dem beduumlrfnis nach Mitwirkung heraus (s die Dimension der Macht aus gruppendynamischer Sicht) wollen viele Mitglieder einer bau-gemeinschaftenspmitredenenspundenspinenspvielenenspFragenenspEinflussenspnehmenenspAuftretendeenspbdquoAnfaumllleldquoenspvonenspKontrollbeduumlrfnissen die uumlber ein normales Maszlig des informations- und Mitsprachebe-duumlrfnisses hinausgehen sind indizien fuumlr nicht gelungene beziehungsklaumlrungen in der Zeit der planung

Fallstrick 2 Unterschiedliche Anerkennung der Arbeitsgruppen es kann sein dass die Konkurrenz zwischen den verschiedenen arbeitsgruppen durch abwertung der arbeit der anderen sichtbar wird z b koumlnnen sich die Mitglieder der gruppe bau fuumlr wichtiger hal-tenenspalsenspdieenspderenspGruppeenspGartenenspHierenspistenspauchenspeineenspgenderspezifischeenspTendenzenspzuensperkennenenspMaumlnnerenspsindenspzenspBenspsehrenspseltenenspinenspderenspAGenspFesteenspzuenspfindenenspdensphenspdieenspFrauenenspsorgenenspvorwie-gendenspfuumlrenspOrteenspderenspKommunikationenspundenspdesenspWohlbefindens

Fallstrick 3 Auszligerkraftsetzen vorher getroffener Planungsentscheidungen in der bau-phase werden individuelle Wuumlnsche moumlglicherweise wieder belebt (bdquoin meine Wohnung sollenspdochenspeinenspandererenspFuszligbodenenspeineenspandereenspBeleuchtungenspandereenspBadmoumlbelensphellipldquo)enspundenspdieenspgetroffenen Vereinbarungen auszliger Kraft gesetzt

47Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Fallstrick 4 Zu rigide Durchsetzung von Abmachungen die nicht eingehalten werden koumlnnen im Verlauf der planung und Durchfuumlhrung des projekts kann es zu Veraumlnderungen der Lebensbedingungen kommen (arbeitslosigkeit erkrankung z b) auf die die bau-gemeinschaft reagieren muss

Was ist gruppendynamisch zu beachten Die absicherung von transparenz und Kom-munikation uumlber die zu treffenden entscheidungen und deren Konsequenzen fuumlr bau-dauer und Kosten ist grundlegend allerdings sollte immer die bedeutsamkeit der Fragen abgewogen werden bdquoDiskussionen sind wichtig und notwendig doch nicht jedes Detail mussenspbisenspinenspdieenspHaarwurzelenspdiskutiertenspwerdenensphellipldquoensp(Niederensp2008 S 20)

es hilft in der bauphase sehr wenn ein aktiver Kern der baugemeinschaft installiert wirdenspdessenenspBefugnisseenspklarenspdefiniertenspsindenspDieseenspBaugruppeenspschafftenspeinerseitsenspdieenspVer-bindung zum architekten und ist sich auf der anderen Seite bewusst wie wichtig die kommunikative Verbindung zu den anderen baugemeinschaftsmitgliedern und groumlszligt-moumlgliche transparenz sind auch sollten andere untergruppen die z b den garten pla-nen den Kontakt zu behoumlrden regeln gemeinsame aktivitaumlten und Feste organisieren gebildet werden damit die Last auf viele Schultern gelegt wird Mitglieder von bau-gemeinschaften berichten von der erleichterung durch die teilung von aufgaben von der bereicherung durch das Zusammenkommen vieler ideen und Faumlhigkeiten (vgl Fil-mische Dokumentation bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011) Das wird so auch von der bewohnerin des projekts bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo benannt gerda blaschke bewohnerin im projekt Max-b in Hamburg freut sich daruuml-ber dass es bdquoviele unterschiedliche talenteldquo gibt und bdquojeder einbringt was er gut kannldquo (Stadlmayer in Lempp und Stadlmayer 2010 S 50) architekt Klinkenberg erachtet die einrichtung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche je nach Neigung und Kompetenz fuumlr erfolgversprechend Neben der teilung der belastung und der Verantwortung ergibt sich dass letztlich alle bewohnerinnen am erfolg beteiligt sind und damit die notwen-dige Kohaumlsion (der Zusammenhalt) weiter gestaumlrkt wird auf das Vorkommen unter-schiedlicher anerkennung von arbeitsgruppen sollte geachtet und abhilfe geschaffen werden

gegen das auszligerkraftsetzen von gemeinsamen planungsentscheidungen hilft eine stringente baukoordination durch die architekten und die verantwortliche baugruppe (s o) die moumlglichst an einem Strang ziehen sollten Wenn die baugruppe als Kern der baugemeinschaft nicht mit der genuumlgenden autoritaumlt durch die anderen Mitstreiterinnen ausgestattet wurde bzw sich diese nicht nimmt kann das zu nachhaltigen unzufrieden-heiten bis zu prozessualen auseinandersetzungen fuumlhren

auszligerdem muss die baugemeinschaft klaumlren was bei der Veraumlnderung von Lebensver-haumlltnissen und dem damit moumlglicherweise verbundenen Wunsch nach ausstieg geschieht architekt Klinkenberg betont die Notwendigkeit einer ausstiegsregelung die manchmal finanziellenspaberenspauchensppsychischenspschwierigenspzuenspfindenenspistenspLoumlsungenenspfuumlrenspdieseenspFaumllleenspsolltenenspvorab angedacht und nicht erst in der akuten Situation thematisiert werden wenn es zu Zeit- und interessensdruck kommt

48 H Gephart

24 Wohnstart

Die erfahrung von gruppendynamikerinnen sagt dass eine gruppendynamisch gelun-gene planungs- und bauphase sehr wichtig fuumlr die Wohnphase ist Dort gab es gelegen-heit sich mit den anderen beteiligten zu erfahren und ein gefuumlhl fuumlr das zukuumlnftige Zusammenleben zu bekommen Die bdquosoziale Organisation der Naumlheldquo in der neuen Nach-barschaft beginnt sich nun zu konkretisieren (Kloumls zitiert in evans und Schahadat 2011 S 18) in der Wohnphase muumlssen Strukturen fuumlr das Zusammenleben geschaffen wer-den Je intensiver die auseinandersetzung um die Wohnidee war je mehr die beteili-gung gewollt und gelungen ist umso besser laumluft das gemeinsame Wohnen Die in der planungs- und bauphase entwickelten entscheidungsmodi der gefundene umgang mit InteressengegensaumltzenenspdasenspGelingenenspvonenspKonfliktmoderationenspbietenenspdenenspErfahrungshin-tergrund der ndash wenn erfolgreich ndash das gegenseitige Vertrauen und die Zuversicht fuumlr das gelingen der Vision staumlrkt

Schulz-Nieswandt etal sprechen vom bdquowohngemeinschaftlichem Sozialkapital das davonensp beeinflusstenspwirdenspwieensp positivensp oderensp stressbeladenensp dieenspBeziehungenensp innerhalbensp derenspWohngruppe sindldquo (2012 S 39)

auch wenn man von einer euphoriephase nach dem einzug sprechen kann (vgl Krouml-ger et al 2005 S 46 goumlschel 2012 S 2) gibt es doch auch hier themen die beachtet werden muumlssen

gruppendynamische Fragestellungen fuumlr die Wohnphase

Wie wird der beginn des Zusammenlebens gestaltet gibt es von beginn an die Moumlglichkeit regelmaumlszligiger Kommunikationsraumlume um Kon-

fliktenenspvorzubeugenenspoderenspsieenspzuensploumlsenenspundenspdenenspZusammenhaltenspzuenspfoumlrdern gibt es Formen und rituale der Wertschaumltzung gibt es gemeinsame projekte

und auch hier bdquolauernldquo Fallstricke auf die bewohnerinnen

Fallstrick 1 Wieviel Autonomie darf sein wieviel Gemeinschaft muss sein Die Frage der autonomie vs intimitaumlt schiebt sich in der Wohnphase in den Vordergrund Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft bestimmt fuumlr sich wieviel bindung Vertrautheit Naumlhe es leben will und wieviel Distanz es braucht Die balance zwischen diesen beiden ele-mentaren beduumlrfnissen birgt viel Sprengkraft denn hier geht es auch um Fragen von Sympathie und ablehnung um Cliquen- oder paarbildungen wie die aussagen einer bewohnerin eines Wohnprojekts zeigen

bdquoDruumlbenenspimenspAltbauenspistenspdieenspsoenspgenannteenspMafiaenspdieenspsehrenspbdquofachfrauischldquoenspzusammenensphandelt Das ist freundlich gemeint Die verreisen zusammen und kochen miteinan-der Mal tauchen sie dann auch im gemeinsamen geschehen auf aber sie sind fuumlr sich und da kommt man auch nicht unbedingt reinldquo (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

auch goumlschel spricht davon dass in einer euphorie des gemeinschaftlichen die privat-heit der Mitglieder zu sehr eingeschraumlnkt werden kann (vgl goumlschel 2012 S 2)

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

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52 H Gephart

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Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 9: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

45Gruppendynamik in Baugemeinschaften

geht es in der Findungsphase um die Frage der Zugehoumlrigkeit ruumlckt jetzt die Dimen-sionenspderenspMachtenspdieenspFrageenspderenspEinflussnahmeenspinenspdenenspVordergrundenspDaenspesenspinenspBaugruppenenspkeineenspformelleenspHierarchieenspgibtenspwirdenspEinflussnahmeenspuumlberenspNormenenspundenspRegelnenspinstalliert

Fallstrick 1 Einfluss und Machtverteilung in der Baugemeinschaft Das psychische beduumlrfnis nach gehoumlrt werden und Mitwirkung ist hier entscheidend tangiert (Kann ich mitentscheiden) Oft kommt es zu unterschiedlichen geschwindigkeiten in der Verhand-lungenspundenspinenspderenspEntscheidungsfindungenspMenschenenspdieenspgewohntenspsindenspzuenspentscheidenenspkoumln-nen dies oft schneller und sind durchsetzungsstaumlrker

Da gibt es Charaktere die so bdquoMacherldquo sind und zwar bdquosofortldquo und es gibt andere die erstmal gucken ob man soll oder kann Fuumlr die sind diejenigen die bdquomachenldquo viel zu schnell Daruumlber gibt es ganz maumlchtige Differenzen (interview einer bewoh-nerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Fallstrick 2 Entscheidungen werden nicht getroffen oder verzoumlgert unterschwellige AuseinandersetzungenenspumenspMachtenspundenspEinflussenspkoumlnnenenspdenenspFortgangenspdesenspProjektsenspunnoumltigensperschweren

Was ist gruppendynamisch zu beachten Hilfreich ist die Klaumlrung bdquoWer will in die bdquo1 reiheldquo (oft die initiativgruppe) oder in die bdquo2 reiheldquo die mit weniger arbeit und Ver-antwortungenspverbundenenspistenspdafuumlrenspaberenspauchenspwenigerenspEinflussenspgewaumlhrleistet

es braucht daneben die aktive einbeziehung aller Mitglieder um jeden einzelnen in der baugemeinschaft insgesamt mit dem gefuumlhl bdquodas ist mein projekt und ich wirke daran mitldquo zu versorgen

Zeitlimits und die absprache uumlber entscheidungsablaumlufe und vor allem eine einigung uumlber den abstimmungsmodus sind notwendig

Langfristig erfolgreiche projekte zeichnen sich neben der architektonischen Qualitaumlt der einhaltung von Kostenlimits der Vermeidung von bauschaumlden etc durch die hohe Zufriedenheit der Mitglieder aus Die wird in der regel durch echteenspKompromissfindungenspund nicht durch Mehrheitsentscheidungen geloumlst antons (2011 S 145) schreibt dazu bdquoDas Faumlllen von gruppenentscheidungen ist besonders fuumlr selbststeuernde gruppen (wie BaugemeinschaftenenspdenspA)ensphellipenspeinenspzentralesenspThemaldquoenspErenspbenenntenspalsensptypischeenspVerhaltens-muster bdquoHau-ruck-entscheidungen durch dominante Mitglieder ruumlckzug auf formal-demokratischeenspLoumlsungenensphellipenspKonsensuszwangldquoenspDieenspechteenspKompromissfindungenspdagegenenspberuumlcksichtigt alle interessen und die beteiligten verhandeln solange bis es nur bdquogewin-nerldquo und keine bdquogewinner-Verliererldquo gibt Die erarbeitung beduumlrfnisorientierter und an die jeweilige Situation und ihre bedeutung angepasste Formen der Uumlbereinkunft ist eine diffizileenspGruppenleistungenspIhreenspBewaumlltigungenspbedeutetenspfuumlrenspdieenspWohnphaseenspeinenspModellenspkuumlnf-tigerenspKonfliktmoderation

anna gephart Hamburger architektin berichtet dass die planungsphase oft noch dominiert ist von dem gemeinsamen interesse der Mitglieder am bauprojekt dass treffen fuumlr sinnvoll erachtet werden und von den bauprojektmitgliedern auch Zeit dafuumlr einge-raumlumt wird Dieses interesse besteht aus mehrerengruumlnden das Haus in dem man leben wird nimmt gestalt an die personen die schon sehr lange in der planung dabei sind und dasenspProjektenspgegruumlndetensphabenenspempfindenenspErleichterungenspdassenspbdquoesenspendlichensplosgehtldquoenspMit-

46 H Gephart

glieder die erst kurz dabei sind erleben den Moment als spannenden bdquoanfangldquo Neben den gemeinschaftsbereichen die gestaltet werden wollen kann vor allem in dieser phase EinflussenspaufenspdenenspeigenenenspWohnungsgrundrissenspgenommenenspwerden

DieseenspAnfangsfreudeenspundenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspwirdenspgefoumlrdertenspwennenspposi-tive Oumlffentlichkeitsarbeit betrieben ein mediales echo erzeugt wird oder gemeinsame aktivitaumlten unternommen und die entscheidenden bauphasen durch Feste gewuumlrdigt werden (Spatenstichfest richtfest etc) architekt Klinkenberg beschreibt dass Kohauml-sion z b durch besuchergruppen oder mediale berichterstattung entstehe alle diese AktivitaumltenenspfoumlrdernenspdieenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspundenspstaumlrkenenspdieenspBereitschaftenspauchenspschwierigere Zeiten miteinander zu durchstehen

23 bauphase

in der bauphase wird es fuumlr die baugemeinschaft anstrengend sie wird von architektin-nen und architekten als die schwierigste bezeichnet Die geduld wird durch viele Detail-fragen strapaziert und die Frustrationstoleranz der gruppe ist gefragt wie geht man mit bauverzoumlgerungen auftretenden Maumlngeln etc um einerseits besteht der Wunsch end-lich einziehen zu koumlnnen andererseits ist die Muumlhsal der vielen zu regelnden Details hoch

in der angewandten gruppendynamik ist bekannt dass durch von auszligen auf die gruppe stoszligende belastungen die inzwischen getroffenen regelungen und Spielregeln auszligerenspKraftenspsetzenenspundenspKonflikteenspneuenspausbrechenenspkoumlnnenenspAnenspdieenspBaugemeinschaftenspwirdenspinenspdieserenspZeitenspeineensphoheenspAnforderungenspanenspdieenspKonflikt-enspundenspKompromissfaumlhigkeitenspgestellt

architekt Klinkenberg beschreibt fuumlr diese phase das auftreten objektiver Krisen (bau-verzoumlgerungen etc) und subjektiver Krisen die oft beim Uumlbergang vom rohbau zum innenausbau entstuumlnden weil der rohbau duumlster wirke oder wenn das geld vor der Fer-tigstellung ausgehe er raumlt zur Vorwegnahme von Schwierigkeiten durch die baubegleiter

Fallstrick 1 Alle wollen mitreden aus dem beduumlrfnis nach Mitwirkung heraus (s die Dimension der Macht aus gruppendynamischer Sicht) wollen viele Mitglieder einer bau-gemeinschaftenspmitredenenspundenspinenspvielenenspFragenenspEinflussenspnehmenenspAuftretendeenspbdquoAnfaumllleldquoenspvonenspKontrollbeduumlrfnissen die uumlber ein normales Maszlig des informations- und Mitsprachebe-duumlrfnisses hinausgehen sind indizien fuumlr nicht gelungene beziehungsklaumlrungen in der Zeit der planung

Fallstrick 2 Unterschiedliche Anerkennung der Arbeitsgruppen es kann sein dass die Konkurrenz zwischen den verschiedenen arbeitsgruppen durch abwertung der arbeit der anderen sichtbar wird z b koumlnnen sich die Mitglieder der gruppe bau fuumlr wichtiger hal-tenenspalsenspdieenspderenspGruppeenspGartenenspHierenspistenspauchenspeineenspgenderspezifischeenspTendenzenspzuensperkennenenspMaumlnnerenspsindenspzenspBenspsehrenspseltenenspinenspderenspAGenspFesteenspzuenspfindenenspdensphenspdieenspFrauenenspsorgenenspvorwie-gendenspfuumlrenspOrteenspderenspKommunikationenspundenspdesenspWohlbefindens

Fallstrick 3 Auszligerkraftsetzen vorher getroffener Planungsentscheidungen in der bau-phase werden individuelle Wuumlnsche moumlglicherweise wieder belebt (bdquoin meine Wohnung sollenspdochenspeinenspandererenspFuszligbodenenspeineenspandereenspBeleuchtungenspandereenspBadmoumlbelensphellipldquo)enspundenspdieenspgetroffenen Vereinbarungen auszliger Kraft gesetzt

47Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Fallstrick 4 Zu rigide Durchsetzung von Abmachungen die nicht eingehalten werden koumlnnen im Verlauf der planung und Durchfuumlhrung des projekts kann es zu Veraumlnderungen der Lebensbedingungen kommen (arbeitslosigkeit erkrankung z b) auf die die bau-gemeinschaft reagieren muss

Was ist gruppendynamisch zu beachten Die absicherung von transparenz und Kom-munikation uumlber die zu treffenden entscheidungen und deren Konsequenzen fuumlr bau-dauer und Kosten ist grundlegend allerdings sollte immer die bedeutsamkeit der Fragen abgewogen werden bdquoDiskussionen sind wichtig und notwendig doch nicht jedes Detail mussenspbisenspinenspdieenspHaarwurzelenspdiskutiertenspwerdenensphellipldquoensp(Niederensp2008 S 20)

es hilft in der bauphase sehr wenn ein aktiver Kern der baugemeinschaft installiert wirdenspdessenenspBefugnisseenspklarenspdefiniertenspsindenspDieseenspBaugruppeenspschafftenspeinerseitsenspdieenspVer-bindung zum architekten und ist sich auf der anderen Seite bewusst wie wichtig die kommunikative Verbindung zu den anderen baugemeinschaftsmitgliedern und groumlszligt-moumlgliche transparenz sind auch sollten andere untergruppen die z b den garten pla-nen den Kontakt zu behoumlrden regeln gemeinsame aktivitaumlten und Feste organisieren gebildet werden damit die Last auf viele Schultern gelegt wird Mitglieder von bau-gemeinschaften berichten von der erleichterung durch die teilung von aufgaben von der bereicherung durch das Zusammenkommen vieler ideen und Faumlhigkeiten (vgl Fil-mische Dokumentation bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011) Das wird so auch von der bewohnerin des projekts bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo benannt gerda blaschke bewohnerin im projekt Max-b in Hamburg freut sich daruuml-ber dass es bdquoviele unterschiedliche talenteldquo gibt und bdquojeder einbringt was er gut kannldquo (Stadlmayer in Lempp und Stadlmayer 2010 S 50) architekt Klinkenberg erachtet die einrichtung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche je nach Neigung und Kompetenz fuumlr erfolgversprechend Neben der teilung der belastung und der Verantwortung ergibt sich dass letztlich alle bewohnerinnen am erfolg beteiligt sind und damit die notwen-dige Kohaumlsion (der Zusammenhalt) weiter gestaumlrkt wird auf das Vorkommen unter-schiedlicher anerkennung von arbeitsgruppen sollte geachtet und abhilfe geschaffen werden

gegen das auszligerkraftsetzen von gemeinsamen planungsentscheidungen hilft eine stringente baukoordination durch die architekten und die verantwortliche baugruppe (s o) die moumlglichst an einem Strang ziehen sollten Wenn die baugruppe als Kern der baugemeinschaft nicht mit der genuumlgenden autoritaumlt durch die anderen Mitstreiterinnen ausgestattet wurde bzw sich diese nicht nimmt kann das zu nachhaltigen unzufrieden-heiten bis zu prozessualen auseinandersetzungen fuumlhren

auszligerdem muss die baugemeinschaft klaumlren was bei der Veraumlnderung von Lebensver-haumlltnissen und dem damit moumlglicherweise verbundenen Wunsch nach ausstieg geschieht architekt Klinkenberg betont die Notwendigkeit einer ausstiegsregelung die manchmal finanziellenspaberenspauchensppsychischenspschwierigenspzuenspfindenenspistenspLoumlsungenenspfuumlrenspdieseenspFaumllleenspsolltenenspvorab angedacht und nicht erst in der akuten Situation thematisiert werden wenn es zu Zeit- und interessensdruck kommt

48 H Gephart

24 Wohnstart

Die erfahrung von gruppendynamikerinnen sagt dass eine gruppendynamisch gelun-gene planungs- und bauphase sehr wichtig fuumlr die Wohnphase ist Dort gab es gelegen-heit sich mit den anderen beteiligten zu erfahren und ein gefuumlhl fuumlr das zukuumlnftige Zusammenleben zu bekommen Die bdquosoziale Organisation der Naumlheldquo in der neuen Nach-barschaft beginnt sich nun zu konkretisieren (Kloumls zitiert in evans und Schahadat 2011 S 18) in der Wohnphase muumlssen Strukturen fuumlr das Zusammenleben geschaffen wer-den Je intensiver die auseinandersetzung um die Wohnidee war je mehr die beteili-gung gewollt und gelungen ist umso besser laumluft das gemeinsame Wohnen Die in der planungs- und bauphase entwickelten entscheidungsmodi der gefundene umgang mit InteressengegensaumltzenenspdasenspGelingenenspvonenspKonfliktmoderationenspbietenenspdenenspErfahrungshin-tergrund der ndash wenn erfolgreich ndash das gegenseitige Vertrauen und die Zuversicht fuumlr das gelingen der Vision staumlrkt

Schulz-Nieswandt etal sprechen vom bdquowohngemeinschaftlichem Sozialkapital das davonensp beeinflusstenspwirdenspwieensp positivensp oderensp stressbeladenensp dieenspBeziehungenensp innerhalbensp derenspWohngruppe sindldquo (2012 S 39)

auch wenn man von einer euphoriephase nach dem einzug sprechen kann (vgl Krouml-ger et al 2005 S 46 goumlschel 2012 S 2) gibt es doch auch hier themen die beachtet werden muumlssen

gruppendynamische Fragestellungen fuumlr die Wohnphase

Wie wird der beginn des Zusammenlebens gestaltet gibt es von beginn an die Moumlglichkeit regelmaumlszligiger Kommunikationsraumlume um Kon-

fliktenenspvorzubeugenenspoderenspsieenspzuensploumlsenenspundenspdenenspZusammenhaltenspzuenspfoumlrdern gibt es Formen und rituale der Wertschaumltzung gibt es gemeinsame projekte

und auch hier bdquolauernldquo Fallstricke auf die bewohnerinnen

Fallstrick 1 Wieviel Autonomie darf sein wieviel Gemeinschaft muss sein Die Frage der autonomie vs intimitaumlt schiebt sich in der Wohnphase in den Vordergrund Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft bestimmt fuumlr sich wieviel bindung Vertrautheit Naumlhe es leben will und wieviel Distanz es braucht Die balance zwischen diesen beiden ele-mentaren beduumlrfnissen birgt viel Sprengkraft denn hier geht es auch um Fragen von Sympathie und ablehnung um Cliquen- oder paarbildungen wie die aussagen einer bewohnerin eines Wohnprojekts zeigen

bdquoDruumlbenenspimenspAltbauenspistenspdieenspsoenspgenannteenspMafiaenspdieenspsehrenspbdquofachfrauischldquoenspzusammenensphandelt Das ist freundlich gemeint Die verreisen zusammen und kochen miteinan-der Mal tauchen sie dann auch im gemeinsamen geschehen auf aber sie sind fuumlr sich und da kommt man auch nicht unbedingt reinldquo (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

auch goumlschel spricht davon dass in einer euphorie des gemeinschaftlichen die privat-heit der Mitglieder zu sehr eingeschraumlnkt werden kann (vgl goumlschel 2012 S 2)

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

antons K (2011) Praxis der Gruppendynamikensp(9enspdurchgeseheneenspundenspergaumlnzteenspAufl)enspGoumlttingenenspHogrefe

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52 H Gephart

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Nieder M (2008) Baugemeinschaften Kosten sparen Spielraumlume nutzen Marburg tectum-VerlagSchattenhofer K (2009) Was ist eine gruppe Verschiedene Sichtweisen und unterscheidungen

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Stiftung trias projektdatenbank httpwwwwohnprojekte-portalde Zugegriffen 15 Mai 2012tippe a (2008) Stabilisierung als Fuumlhrungsaufgabe in Organisationsentwicklungsprozessen

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Zukunft gestalten FilmDVDWerkstatt-Stadt ndash innovative projekte im Staumldtebau Wohnprojekt bonn-puumltzchen bdquogemeinsames

Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 10: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

46 H Gephart

glieder die erst kurz dabei sind erleben den Moment als spannenden bdquoanfangldquo Neben den gemeinschaftsbereichen die gestaltet werden wollen kann vor allem in dieser phase EinflussenspaufenspdenenspeigenenenspWohnungsgrundrissenspgenommenenspwerden

DieseenspAnfangsfreudeenspundenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspwirdenspgefoumlrdertenspwennenspposi-tive Oumlffentlichkeitsarbeit betrieben ein mediales echo erzeugt wird oder gemeinsame aktivitaumlten unternommen und die entscheidenden bauphasen durch Feste gewuumlrdigt werden (Spatenstichfest richtfest etc) architekt Klinkenberg beschreibt dass Kohauml-sion z b durch besuchergruppen oder mediale berichterstattung entstehe alle diese AktivitaumltenenspfoumlrdernenspdieenspIdentifikationenspmitenspdemenspProjektenspundenspstaumlrkenenspdieenspBereitschaftenspauchenspschwierigere Zeiten miteinander zu durchstehen

23 bauphase

in der bauphase wird es fuumlr die baugemeinschaft anstrengend sie wird von architektin-nen und architekten als die schwierigste bezeichnet Die geduld wird durch viele Detail-fragen strapaziert und die Frustrationstoleranz der gruppe ist gefragt wie geht man mit bauverzoumlgerungen auftretenden Maumlngeln etc um einerseits besteht der Wunsch end-lich einziehen zu koumlnnen andererseits ist die Muumlhsal der vielen zu regelnden Details hoch

in der angewandten gruppendynamik ist bekannt dass durch von auszligen auf die gruppe stoszligende belastungen die inzwischen getroffenen regelungen und Spielregeln auszligerenspKraftenspsetzenenspundenspKonflikteenspneuenspausbrechenenspkoumlnnenenspAnenspdieenspBaugemeinschaftenspwirdenspinenspdieserenspZeitenspeineensphoheenspAnforderungenspanenspdieenspKonflikt-enspundenspKompromissfaumlhigkeitenspgestellt

architekt Klinkenberg beschreibt fuumlr diese phase das auftreten objektiver Krisen (bau-verzoumlgerungen etc) und subjektiver Krisen die oft beim Uumlbergang vom rohbau zum innenausbau entstuumlnden weil der rohbau duumlster wirke oder wenn das geld vor der Fer-tigstellung ausgehe er raumlt zur Vorwegnahme von Schwierigkeiten durch die baubegleiter

Fallstrick 1 Alle wollen mitreden aus dem beduumlrfnis nach Mitwirkung heraus (s die Dimension der Macht aus gruppendynamischer Sicht) wollen viele Mitglieder einer bau-gemeinschaftenspmitredenenspundenspinenspvielenenspFragenenspEinflussenspnehmenenspAuftretendeenspbdquoAnfaumllleldquoenspvonenspKontrollbeduumlrfnissen die uumlber ein normales Maszlig des informations- und Mitsprachebe-duumlrfnisses hinausgehen sind indizien fuumlr nicht gelungene beziehungsklaumlrungen in der Zeit der planung

Fallstrick 2 Unterschiedliche Anerkennung der Arbeitsgruppen es kann sein dass die Konkurrenz zwischen den verschiedenen arbeitsgruppen durch abwertung der arbeit der anderen sichtbar wird z b koumlnnen sich die Mitglieder der gruppe bau fuumlr wichtiger hal-tenenspalsenspdieenspderenspGruppeenspGartenenspHierenspistenspauchenspeineenspgenderspezifischeenspTendenzenspzuensperkennenenspMaumlnnerenspsindenspzenspBenspsehrenspseltenenspinenspderenspAGenspFesteenspzuenspfindenenspdensphenspdieenspFrauenenspsorgenenspvorwie-gendenspfuumlrenspOrteenspderenspKommunikationenspundenspdesenspWohlbefindens

Fallstrick 3 Auszligerkraftsetzen vorher getroffener Planungsentscheidungen in der bau-phase werden individuelle Wuumlnsche moumlglicherweise wieder belebt (bdquoin meine Wohnung sollenspdochenspeinenspandererenspFuszligbodenenspeineenspandereenspBeleuchtungenspandereenspBadmoumlbelensphellipldquo)enspundenspdieenspgetroffenen Vereinbarungen auszliger Kraft gesetzt

47Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Fallstrick 4 Zu rigide Durchsetzung von Abmachungen die nicht eingehalten werden koumlnnen im Verlauf der planung und Durchfuumlhrung des projekts kann es zu Veraumlnderungen der Lebensbedingungen kommen (arbeitslosigkeit erkrankung z b) auf die die bau-gemeinschaft reagieren muss

Was ist gruppendynamisch zu beachten Die absicherung von transparenz und Kom-munikation uumlber die zu treffenden entscheidungen und deren Konsequenzen fuumlr bau-dauer und Kosten ist grundlegend allerdings sollte immer die bedeutsamkeit der Fragen abgewogen werden bdquoDiskussionen sind wichtig und notwendig doch nicht jedes Detail mussenspbisenspinenspdieenspHaarwurzelenspdiskutiertenspwerdenensphellipldquoensp(Niederensp2008 S 20)

es hilft in der bauphase sehr wenn ein aktiver Kern der baugemeinschaft installiert wirdenspdessenenspBefugnisseenspklarenspdefiniertenspsindenspDieseenspBaugruppeenspschafftenspeinerseitsenspdieenspVer-bindung zum architekten und ist sich auf der anderen Seite bewusst wie wichtig die kommunikative Verbindung zu den anderen baugemeinschaftsmitgliedern und groumlszligt-moumlgliche transparenz sind auch sollten andere untergruppen die z b den garten pla-nen den Kontakt zu behoumlrden regeln gemeinsame aktivitaumlten und Feste organisieren gebildet werden damit die Last auf viele Schultern gelegt wird Mitglieder von bau-gemeinschaften berichten von der erleichterung durch die teilung von aufgaben von der bereicherung durch das Zusammenkommen vieler ideen und Faumlhigkeiten (vgl Fil-mische Dokumentation bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011) Das wird so auch von der bewohnerin des projekts bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo benannt gerda blaschke bewohnerin im projekt Max-b in Hamburg freut sich daruuml-ber dass es bdquoviele unterschiedliche talenteldquo gibt und bdquojeder einbringt was er gut kannldquo (Stadlmayer in Lempp und Stadlmayer 2010 S 50) architekt Klinkenberg erachtet die einrichtung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche je nach Neigung und Kompetenz fuumlr erfolgversprechend Neben der teilung der belastung und der Verantwortung ergibt sich dass letztlich alle bewohnerinnen am erfolg beteiligt sind und damit die notwen-dige Kohaumlsion (der Zusammenhalt) weiter gestaumlrkt wird auf das Vorkommen unter-schiedlicher anerkennung von arbeitsgruppen sollte geachtet und abhilfe geschaffen werden

gegen das auszligerkraftsetzen von gemeinsamen planungsentscheidungen hilft eine stringente baukoordination durch die architekten und die verantwortliche baugruppe (s o) die moumlglichst an einem Strang ziehen sollten Wenn die baugruppe als Kern der baugemeinschaft nicht mit der genuumlgenden autoritaumlt durch die anderen Mitstreiterinnen ausgestattet wurde bzw sich diese nicht nimmt kann das zu nachhaltigen unzufrieden-heiten bis zu prozessualen auseinandersetzungen fuumlhren

auszligerdem muss die baugemeinschaft klaumlren was bei der Veraumlnderung von Lebensver-haumlltnissen und dem damit moumlglicherweise verbundenen Wunsch nach ausstieg geschieht architekt Klinkenberg betont die Notwendigkeit einer ausstiegsregelung die manchmal finanziellenspaberenspauchensppsychischenspschwierigenspzuenspfindenenspistenspLoumlsungenenspfuumlrenspdieseenspFaumllleenspsolltenenspvorab angedacht und nicht erst in der akuten Situation thematisiert werden wenn es zu Zeit- und interessensdruck kommt

48 H Gephart

24 Wohnstart

Die erfahrung von gruppendynamikerinnen sagt dass eine gruppendynamisch gelun-gene planungs- und bauphase sehr wichtig fuumlr die Wohnphase ist Dort gab es gelegen-heit sich mit den anderen beteiligten zu erfahren und ein gefuumlhl fuumlr das zukuumlnftige Zusammenleben zu bekommen Die bdquosoziale Organisation der Naumlheldquo in der neuen Nach-barschaft beginnt sich nun zu konkretisieren (Kloumls zitiert in evans und Schahadat 2011 S 18) in der Wohnphase muumlssen Strukturen fuumlr das Zusammenleben geschaffen wer-den Je intensiver die auseinandersetzung um die Wohnidee war je mehr die beteili-gung gewollt und gelungen ist umso besser laumluft das gemeinsame Wohnen Die in der planungs- und bauphase entwickelten entscheidungsmodi der gefundene umgang mit InteressengegensaumltzenenspdasenspGelingenenspvonenspKonfliktmoderationenspbietenenspdenenspErfahrungshin-tergrund der ndash wenn erfolgreich ndash das gegenseitige Vertrauen und die Zuversicht fuumlr das gelingen der Vision staumlrkt

Schulz-Nieswandt etal sprechen vom bdquowohngemeinschaftlichem Sozialkapital das davonensp beeinflusstenspwirdenspwieensp positivensp oderensp stressbeladenensp dieenspBeziehungenensp innerhalbensp derenspWohngruppe sindldquo (2012 S 39)

auch wenn man von einer euphoriephase nach dem einzug sprechen kann (vgl Krouml-ger et al 2005 S 46 goumlschel 2012 S 2) gibt es doch auch hier themen die beachtet werden muumlssen

gruppendynamische Fragestellungen fuumlr die Wohnphase

Wie wird der beginn des Zusammenlebens gestaltet gibt es von beginn an die Moumlglichkeit regelmaumlszligiger Kommunikationsraumlume um Kon-

fliktenenspvorzubeugenenspoderenspsieenspzuensploumlsenenspundenspdenenspZusammenhaltenspzuenspfoumlrdern gibt es Formen und rituale der Wertschaumltzung gibt es gemeinsame projekte

und auch hier bdquolauernldquo Fallstricke auf die bewohnerinnen

Fallstrick 1 Wieviel Autonomie darf sein wieviel Gemeinschaft muss sein Die Frage der autonomie vs intimitaumlt schiebt sich in der Wohnphase in den Vordergrund Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft bestimmt fuumlr sich wieviel bindung Vertrautheit Naumlhe es leben will und wieviel Distanz es braucht Die balance zwischen diesen beiden ele-mentaren beduumlrfnissen birgt viel Sprengkraft denn hier geht es auch um Fragen von Sympathie und ablehnung um Cliquen- oder paarbildungen wie die aussagen einer bewohnerin eines Wohnprojekts zeigen

bdquoDruumlbenenspimenspAltbauenspistenspdieenspsoenspgenannteenspMafiaenspdieenspsehrenspbdquofachfrauischldquoenspzusammenensphandelt Das ist freundlich gemeint Die verreisen zusammen und kochen miteinan-der Mal tauchen sie dann auch im gemeinsamen geschehen auf aber sie sind fuumlr sich und da kommt man auch nicht unbedingt reinldquo (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

auch goumlschel spricht davon dass in einer euphorie des gemeinschaftlichen die privat-heit der Mitglieder zu sehr eingeschraumlnkt werden kann (vgl goumlschel 2012 S 2)

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

antons K (2011) Praxis der Gruppendynamikensp(9enspdurchgeseheneenspundenspergaumlnzteenspAufl)enspGoumlttingenenspHogrefe

ardelt-gattinger e Lechner H amp Schloumlgl W (Hrsg) (1998) Gruppendynamik Anspruch und Wirklichkeit der Arbeit in Gruppen goumlttingen Hogrefe

evans S amp Schahadat S (Hrsg) (2011) Nachbarschaft Raumlume Emotionen bielefeld transcript

Forum gemeinschaftliches Wohnen e V ndash bundesvereinigung httpwwwfgw-evde Zugegrif-fen 17 Juli 2012

gephart H (2003) gruppendynamik im Dialog in Ch Seidler H benkenstein St Heyne (Hrsg) Die Intendierte Dynamische Gruppenpsychotherapie im Dialog (S 9285ndash9292) ber-lin edition bodoni

goumlschel a (2012) Gemeinschaftliches Wohnenensphttpwwwfgw-evdefileadminPDFBeitraege_Vorstand_etcVortrag20Dr20A20Goeschel20-20Wohnen20hoch20dreipdfenspZugegriffen 11 Juli 2012

Heidenreich u (2012 2 Januar) Die neuen alten Suumlddeutsche Zeitung S 34Koumlnig O amp Schattenhofer K (2012) Einfuumlhrung in die Gruppendynamikensp(6enspAufl) Heidelberg

Carl-auer-SystemeKroumlger S Otterbach F Schoumlnfeld a amp Widdess St (2005) Selbst gebaute Nachbarschaft

Kassel Druck universitaumlt Kassel

52 H Gephart

Lempp i amp Stadlmayer t (2010) Max-B Ein auszligergewoumlhnliches Wohnbauprojekt in Hamburg Hamburg Junius-Verlag

Nieder M (2008) Baugemeinschaften Kosten sparen Spielraumlume nutzen Marburg tectum-VerlagSchattenhofer K (2009) Was ist eine gruppe Verschiedene Sichtweisen und unterscheidungen

in C edding K Schattenhofer (Hrsg) Handbuch Alles uumlber Gruppen (S 16ndash46) Weinheim beltz

Schulz-Nieswand F Koumlstler u Langenhorst F amp Marks H (2012) Neue Wohnformen im Alter Stuttgart Kohlhammer

Stiftung trias projektdatenbank httpwwwwohnprojekte-portalde Zugegriffen 15 Mai 2012tippe a (2008) Stabilisierung als Fuumlhrungsaufgabe in Organisationsentwicklungsprozessen

Gruppendynamik und Organisationsberatung 3 268ndash291tuckman bW (1965) Developmental sequence in small groups Psychological Bulletin 63(6)

384ndash399Wagner H amp prigge r (2011) Wohnen im Vauban Wie Baugemeinschaften einen Stadtteil der

Zukunft gestalten FilmDVDWerkstatt-Stadt ndash innovative projekte im Staumldtebau Wohnprojekt bonn-puumltzchen bdquogemeinsames

Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 11: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

47Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Fallstrick 4 Zu rigide Durchsetzung von Abmachungen die nicht eingehalten werden koumlnnen im Verlauf der planung und Durchfuumlhrung des projekts kann es zu Veraumlnderungen der Lebensbedingungen kommen (arbeitslosigkeit erkrankung z b) auf die die bau-gemeinschaft reagieren muss

Was ist gruppendynamisch zu beachten Die absicherung von transparenz und Kom-munikation uumlber die zu treffenden entscheidungen und deren Konsequenzen fuumlr bau-dauer und Kosten ist grundlegend allerdings sollte immer die bedeutsamkeit der Fragen abgewogen werden bdquoDiskussionen sind wichtig und notwendig doch nicht jedes Detail mussenspbisenspinenspdieenspHaarwurzelenspdiskutiertenspwerdenensphellipldquoensp(Niederensp2008 S 20)

es hilft in der bauphase sehr wenn ein aktiver Kern der baugemeinschaft installiert wirdenspdessenenspBefugnisseenspklarenspdefiniertenspsindenspDieseenspBaugruppeenspschafftenspeinerseitsenspdieenspVer-bindung zum architekten und ist sich auf der anderen Seite bewusst wie wichtig die kommunikative Verbindung zu den anderen baugemeinschaftsmitgliedern und groumlszligt-moumlgliche transparenz sind auch sollten andere untergruppen die z b den garten pla-nen den Kontakt zu behoumlrden regeln gemeinsame aktivitaumlten und Feste organisieren gebildet werden damit die Last auf viele Schultern gelegt wird Mitglieder von bau-gemeinschaften berichten von der erleichterung durch die teilung von aufgaben von der bereicherung durch das Zusammenkommen vieler ideen und Faumlhigkeiten (vgl Fil-mische Dokumentation bdquoWohnen im Vaubanldquo von Wagner und prigge 2011) Das wird so auch von der bewohnerin des projekts bdquogemeinsames Wohnen im Karmelklosterldquo benannt gerda blaschke bewohnerin im projekt Max-b in Hamburg freut sich daruuml-ber dass es bdquoviele unterschiedliche talenteldquo gibt und bdquojeder einbringt was er gut kannldquo (Stadlmayer in Lempp und Stadlmayer 2010 S 50) architekt Klinkenberg erachtet die einrichtung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche je nach Neigung und Kompetenz fuumlr erfolgversprechend Neben der teilung der belastung und der Verantwortung ergibt sich dass letztlich alle bewohnerinnen am erfolg beteiligt sind und damit die notwen-dige Kohaumlsion (der Zusammenhalt) weiter gestaumlrkt wird auf das Vorkommen unter-schiedlicher anerkennung von arbeitsgruppen sollte geachtet und abhilfe geschaffen werden

gegen das auszligerkraftsetzen von gemeinsamen planungsentscheidungen hilft eine stringente baukoordination durch die architekten und die verantwortliche baugruppe (s o) die moumlglichst an einem Strang ziehen sollten Wenn die baugruppe als Kern der baugemeinschaft nicht mit der genuumlgenden autoritaumlt durch die anderen Mitstreiterinnen ausgestattet wurde bzw sich diese nicht nimmt kann das zu nachhaltigen unzufrieden-heiten bis zu prozessualen auseinandersetzungen fuumlhren

auszligerdem muss die baugemeinschaft klaumlren was bei der Veraumlnderung von Lebensver-haumlltnissen und dem damit moumlglicherweise verbundenen Wunsch nach ausstieg geschieht architekt Klinkenberg betont die Notwendigkeit einer ausstiegsregelung die manchmal finanziellenspaberenspauchensppsychischenspschwierigenspzuenspfindenenspistenspLoumlsungenenspfuumlrenspdieseenspFaumllleenspsolltenenspvorab angedacht und nicht erst in der akuten Situation thematisiert werden wenn es zu Zeit- und interessensdruck kommt

48 H Gephart

24 Wohnstart

Die erfahrung von gruppendynamikerinnen sagt dass eine gruppendynamisch gelun-gene planungs- und bauphase sehr wichtig fuumlr die Wohnphase ist Dort gab es gelegen-heit sich mit den anderen beteiligten zu erfahren und ein gefuumlhl fuumlr das zukuumlnftige Zusammenleben zu bekommen Die bdquosoziale Organisation der Naumlheldquo in der neuen Nach-barschaft beginnt sich nun zu konkretisieren (Kloumls zitiert in evans und Schahadat 2011 S 18) in der Wohnphase muumlssen Strukturen fuumlr das Zusammenleben geschaffen wer-den Je intensiver die auseinandersetzung um die Wohnidee war je mehr die beteili-gung gewollt und gelungen ist umso besser laumluft das gemeinsame Wohnen Die in der planungs- und bauphase entwickelten entscheidungsmodi der gefundene umgang mit InteressengegensaumltzenenspdasenspGelingenenspvonenspKonfliktmoderationenspbietenenspdenenspErfahrungshin-tergrund der ndash wenn erfolgreich ndash das gegenseitige Vertrauen und die Zuversicht fuumlr das gelingen der Vision staumlrkt

Schulz-Nieswandt etal sprechen vom bdquowohngemeinschaftlichem Sozialkapital das davonensp beeinflusstenspwirdenspwieensp positivensp oderensp stressbeladenensp dieenspBeziehungenensp innerhalbensp derenspWohngruppe sindldquo (2012 S 39)

auch wenn man von einer euphoriephase nach dem einzug sprechen kann (vgl Krouml-ger et al 2005 S 46 goumlschel 2012 S 2) gibt es doch auch hier themen die beachtet werden muumlssen

gruppendynamische Fragestellungen fuumlr die Wohnphase

Wie wird der beginn des Zusammenlebens gestaltet gibt es von beginn an die Moumlglichkeit regelmaumlszligiger Kommunikationsraumlume um Kon-

fliktenenspvorzubeugenenspoderenspsieenspzuensploumlsenenspundenspdenenspZusammenhaltenspzuenspfoumlrdern gibt es Formen und rituale der Wertschaumltzung gibt es gemeinsame projekte

und auch hier bdquolauernldquo Fallstricke auf die bewohnerinnen

Fallstrick 1 Wieviel Autonomie darf sein wieviel Gemeinschaft muss sein Die Frage der autonomie vs intimitaumlt schiebt sich in der Wohnphase in den Vordergrund Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft bestimmt fuumlr sich wieviel bindung Vertrautheit Naumlhe es leben will und wieviel Distanz es braucht Die balance zwischen diesen beiden ele-mentaren beduumlrfnissen birgt viel Sprengkraft denn hier geht es auch um Fragen von Sympathie und ablehnung um Cliquen- oder paarbildungen wie die aussagen einer bewohnerin eines Wohnprojekts zeigen

bdquoDruumlbenenspimenspAltbauenspistenspdieenspsoenspgenannteenspMafiaenspdieenspsehrenspbdquofachfrauischldquoenspzusammenensphandelt Das ist freundlich gemeint Die verreisen zusammen und kochen miteinan-der Mal tauchen sie dann auch im gemeinsamen geschehen auf aber sie sind fuumlr sich und da kommt man auch nicht unbedingt reinldquo (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

auch goumlschel spricht davon dass in einer euphorie des gemeinschaftlichen die privat-heit der Mitglieder zu sehr eingeschraumlnkt werden kann (vgl goumlschel 2012 S 2)

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

antons K (2011) Praxis der Gruppendynamikensp(9enspdurchgeseheneenspundenspergaumlnzteenspAufl)enspGoumlttingenenspHogrefe

ardelt-gattinger e Lechner H amp Schloumlgl W (Hrsg) (1998) Gruppendynamik Anspruch und Wirklichkeit der Arbeit in Gruppen goumlttingen Hogrefe

evans S amp Schahadat S (Hrsg) (2011) Nachbarschaft Raumlume Emotionen bielefeld transcript

Forum gemeinschaftliches Wohnen e V ndash bundesvereinigung httpwwwfgw-evde Zugegrif-fen 17 Juli 2012

gephart H (2003) gruppendynamik im Dialog in Ch Seidler H benkenstein St Heyne (Hrsg) Die Intendierte Dynamische Gruppenpsychotherapie im Dialog (S 9285ndash9292) ber-lin edition bodoni

goumlschel a (2012) Gemeinschaftliches Wohnenensphttpwwwfgw-evdefileadminPDFBeitraege_Vorstand_etcVortrag20Dr20A20Goeschel20-20Wohnen20hoch20dreipdfenspZugegriffen 11 Juli 2012

Heidenreich u (2012 2 Januar) Die neuen alten Suumlddeutsche Zeitung S 34Koumlnig O amp Schattenhofer K (2012) Einfuumlhrung in die Gruppendynamikensp(6enspAufl) Heidelberg

Carl-auer-SystemeKroumlger S Otterbach F Schoumlnfeld a amp Widdess St (2005) Selbst gebaute Nachbarschaft

Kassel Druck universitaumlt Kassel

52 H Gephart

Lempp i amp Stadlmayer t (2010) Max-B Ein auszligergewoumlhnliches Wohnbauprojekt in Hamburg Hamburg Junius-Verlag

Nieder M (2008) Baugemeinschaften Kosten sparen Spielraumlume nutzen Marburg tectum-VerlagSchattenhofer K (2009) Was ist eine gruppe Verschiedene Sichtweisen und unterscheidungen

in C edding K Schattenhofer (Hrsg) Handbuch Alles uumlber Gruppen (S 16ndash46) Weinheim beltz

Schulz-Nieswand F Koumlstler u Langenhorst F amp Marks H (2012) Neue Wohnformen im Alter Stuttgart Kohlhammer

Stiftung trias projektdatenbank httpwwwwohnprojekte-portalde Zugegriffen 15 Mai 2012tippe a (2008) Stabilisierung als Fuumlhrungsaufgabe in Organisationsentwicklungsprozessen

Gruppendynamik und Organisationsberatung 3 268ndash291tuckman bW (1965) Developmental sequence in small groups Psychological Bulletin 63(6)

384ndash399Wagner H amp prigge r (2011) Wohnen im Vauban Wie Baugemeinschaften einen Stadtteil der

Zukunft gestalten FilmDVDWerkstatt-Stadt ndash innovative projekte im Staumldtebau Wohnprojekt bonn-puumltzchen bdquogemeinsames

Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 12: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

48 H Gephart

24 Wohnstart

Die erfahrung von gruppendynamikerinnen sagt dass eine gruppendynamisch gelun-gene planungs- und bauphase sehr wichtig fuumlr die Wohnphase ist Dort gab es gelegen-heit sich mit den anderen beteiligten zu erfahren und ein gefuumlhl fuumlr das zukuumlnftige Zusammenleben zu bekommen Die bdquosoziale Organisation der Naumlheldquo in der neuen Nach-barschaft beginnt sich nun zu konkretisieren (Kloumls zitiert in evans und Schahadat 2011 S 18) in der Wohnphase muumlssen Strukturen fuumlr das Zusammenleben geschaffen wer-den Je intensiver die auseinandersetzung um die Wohnidee war je mehr die beteili-gung gewollt und gelungen ist umso besser laumluft das gemeinsame Wohnen Die in der planungs- und bauphase entwickelten entscheidungsmodi der gefundene umgang mit InteressengegensaumltzenenspdasenspGelingenenspvonenspKonfliktmoderationenspbietenenspdenenspErfahrungshin-tergrund der ndash wenn erfolgreich ndash das gegenseitige Vertrauen und die Zuversicht fuumlr das gelingen der Vision staumlrkt

Schulz-Nieswandt etal sprechen vom bdquowohngemeinschaftlichem Sozialkapital das davonensp beeinflusstenspwirdenspwieensp positivensp oderensp stressbeladenensp dieenspBeziehungenensp innerhalbensp derenspWohngruppe sindldquo (2012 S 39)

auch wenn man von einer euphoriephase nach dem einzug sprechen kann (vgl Krouml-ger et al 2005 S 46 goumlschel 2012 S 2) gibt es doch auch hier themen die beachtet werden muumlssen

gruppendynamische Fragestellungen fuumlr die Wohnphase

Wie wird der beginn des Zusammenlebens gestaltet gibt es von beginn an die Moumlglichkeit regelmaumlszligiger Kommunikationsraumlume um Kon-

fliktenenspvorzubeugenenspoderenspsieenspzuensploumlsenenspundenspdenenspZusammenhaltenspzuenspfoumlrdern gibt es Formen und rituale der Wertschaumltzung gibt es gemeinsame projekte

und auch hier bdquolauernldquo Fallstricke auf die bewohnerinnen

Fallstrick 1 Wieviel Autonomie darf sein wieviel Gemeinschaft muss sein Die Frage der autonomie vs intimitaumlt schiebt sich in der Wohnphase in den Vordergrund Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft bestimmt fuumlr sich wieviel bindung Vertrautheit Naumlhe es leben will und wieviel Distanz es braucht Die balance zwischen diesen beiden ele-mentaren beduumlrfnissen birgt viel Sprengkraft denn hier geht es auch um Fragen von Sympathie und ablehnung um Cliquen- oder paarbildungen wie die aussagen einer bewohnerin eines Wohnprojekts zeigen

bdquoDruumlbenenspimenspAltbauenspistenspdieenspsoenspgenannteenspMafiaenspdieenspsehrenspbdquofachfrauischldquoenspzusammenensphandelt Das ist freundlich gemeint Die verreisen zusammen und kochen miteinan-der Mal tauchen sie dann auch im gemeinsamen geschehen auf aber sie sind fuumlr sich und da kommt man auch nicht unbedingt reinldquo (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

auch goumlschel spricht davon dass in einer euphorie des gemeinschaftlichen die privat-heit der Mitglieder zu sehr eingeschraumlnkt werden kann (vgl goumlschel 2012 S 2)

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

antons K (2011) Praxis der Gruppendynamikensp(9enspdurchgeseheneenspundenspergaumlnzteenspAufl)enspGoumlttingenenspHogrefe

ardelt-gattinger e Lechner H amp Schloumlgl W (Hrsg) (1998) Gruppendynamik Anspruch und Wirklichkeit der Arbeit in Gruppen goumlttingen Hogrefe

evans S amp Schahadat S (Hrsg) (2011) Nachbarschaft Raumlume Emotionen bielefeld transcript

Forum gemeinschaftliches Wohnen e V ndash bundesvereinigung httpwwwfgw-evde Zugegrif-fen 17 Juli 2012

gephart H (2003) gruppendynamik im Dialog in Ch Seidler H benkenstein St Heyne (Hrsg) Die Intendierte Dynamische Gruppenpsychotherapie im Dialog (S 9285ndash9292) ber-lin edition bodoni

goumlschel a (2012) Gemeinschaftliches Wohnenensphttpwwwfgw-evdefileadminPDFBeitraege_Vorstand_etcVortrag20Dr20A20Goeschel20-20Wohnen20hoch20dreipdfenspZugegriffen 11 Juli 2012

Heidenreich u (2012 2 Januar) Die neuen alten Suumlddeutsche Zeitung S 34Koumlnig O amp Schattenhofer K (2012) Einfuumlhrung in die Gruppendynamikensp(6enspAufl) Heidelberg

Carl-auer-SystemeKroumlger S Otterbach F Schoumlnfeld a amp Widdess St (2005) Selbst gebaute Nachbarschaft

Kassel Druck universitaumlt Kassel

52 H Gephart

Lempp i amp Stadlmayer t (2010) Max-B Ein auszligergewoumlhnliches Wohnbauprojekt in Hamburg Hamburg Junius-Verlag

Nieder M (2008) Baugemeinschaften Kosten sparen Spielraumlume nutzen Marburg tectum-VerlagSchattenhofer K (2009) Was ist eine gruppe Verschiedene Sichtweisen und unterscheidungen

in C edding K Schattenhofer (Hrsg) Handbuch Alles uumlber Gruppen (S 16ndash46) Weinheim beltz

Schulz-Nieswand F Koumlstler u Langenhorst F amp Marks H (2012) Neue Wohnformen im Alter Stuttgart Kohlhammer

Stiftung trias projektdatenbank httpwwwwohnprojekte-portalde Zugegriffen 15 Mai 2012tippe a (2008) Stabilisierung als Fuumlhrungsaufgabe in Organisationsentwicklungsprozessen

Gruppendynamik und Organisationsberatung 3 268ndash291tuckman bW (1965) Developmental sequence in small groups Psychological Bulletin 63(6)

384ndash399Wagner H amp prigge r (2011) Wohnen im Vauban Wie Baugemeinschaften einen Stadtteil der

Zukunft gestalten FilmDVDWerkstatt-Stadt ndash innovative projekte im Staumldtebau Wohnprojekt bonn-puumltzchen bdquogemeinsames

Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 13: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

49Gruppendynamik in Baugemeinschaften

angenehm wird zwar empfunden dass der gemeinsame austausch leicht ist dass man an den aktivitaumlten anderer partizipieren dass Hilfe schnell organisiert werden kann andererseits kann das gemeinsam Moumlgliche als Druck erlebt werden (Darf ich mich zuruumlckziehen wenn ich gemeinsame aktivitaumlten nicht teilen mag)

eine bewohnerin des Karmel-Klosters beschreibt die Moumlglichkeiten von Distanz und Naumlhe und die damit verbundenen probleme so

bdquoWir sind 110 bewohner da sind die Kinder einberechnet Die Haumllfte davon ist im Verein (der die gemeinschaftsraumlume verwaltet d a) und das ist der Vorteil bei dieserenspgroszligenenspGruppeenspEsenspverteiltenspsichenspganzenspgutenspWennenspmalenspKonflikteenspsindenspmussenspmanenspnichtenspmitenspdenenenspzuensptunensphabenenspmanenspkannenspgutenspausweichenenspDasenspfindeenspichenspganzenspange-nehm aber mittlerweile lerne ich auch das sind die anforderungen die ich selbst an mich stelle es hat eigentlich gar nichts mit der gemeinschaft zu tun ich selbst hab mir da irgendwelche Vorschriften gesetzt wie Du musst mit denen befreundet sein und du musst so viele Kontakte haben Da muss ich noch ein bisschen lernenldquo

Fallstrick Nr 2 Zu unterschiedliche und neue Beduumlrfnisseensp DasenspKonfliktpotentialenspeinerenspbaugemeinschaft aufgrund unterschiedlicher beduumlrfnisse wird in dem folgenden Zitat der bewohnerin deutlich

Das auseinanderleben der Jungen und alten im altbau Die Jungen moumlch-ten keine blumentoumlpfe da haben oder wollen nicht dass im innenhof gesungen wird (interview einer bewohnerin des Wohnprojekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

im Verlauf des gemeinsamen Wohnens kristallisieren sich auch neue beduumlrfnisse heraus

bdquoaufgrund dieser begebenheit uumlberlegen wir jetzt neu wie es denn ist wenn wir in groumlszligerer Zahl aumllter werden Dies ist ja nun der Lauf der Dinge Wir uumlberlegen wie man dann trotzdem solange wie moumlglich in seiner Wohnung bleiben kann Wir haben uns also zusammengeschlossen zu der gruppe bdquoWohnen mit Hilfeldquo und uumlber-legen wie man das organisieren kannldquo (interview einer bewohnerin des Wohnpro-jekts gemeinsames Wohnen im Karmel-Kloster)

Die Wuumlnsche an ein selbstbestimmtes Leben oder an der teilhabe an der gemeinschaft zeigen sich in ihrer psychosozialen bedeutung erst im Zusammenleben

Klinkenberg beschreibt den Uumlbergang zur Normalitaumlt des Miteinander Wohnens als schwierigenspKonflikteenspbraumlchenenspaufensporganisierteenspKommunikationensphoumlreenspaufenspweilenspdasenspProjektenspfertig ist Jetzt werde die privatheit wichtiger (Kinder und beruf) auch die entschei-dungsfindungenspwerdeenspschwierigerenspweilenspderenspexistentielleenspDruckenspfehle

Was ist gruppendynamisch zu beachten Meistens werden wiederkehrende alltagsver-pflichtungenenspschonenspvorenspderenspWohnphaseenspinenspHausordnungenenspgeregeltenspZurenspNormalisierungenspdesenspAlltagsensp inensp derenspWohnphaseensp gehoumlrenensp Konflikteensp selbstverstaumlndlichensp dazuensp Konfliktlouml-sungsinstrumenteenspwieenspregelmaumlszligigeenspBesprechungenenspoderenspdieenspEinrichtungenspeinerenspKonflikt-moderation wie z b eines bewohnerausschusses sind wichtige Hilfsmittel und sie sind einzusetzen bevor es zu massiven auseinandersetzungen kommt ed Schein amerikani-

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

antons K (2011) Praxis der Gruppendynamikensp(9enspdurchgeseheneenspundenspergaumlnzteenspAufl)enspGoumlttingenenspHogrefe

ardelt-gattinger e Lechner H amp Schloumlgl W (Hrsg) (1998) Gruppendynamik Anspruch und Wirklichkeit der Arbeit in Gruppen goumlttingen Hogrefe

evans S amp Schahadat S (Hrsg) (2011) Nachbarschaft Raumlume Emotionen bielefeld transcript

Forum gemeinschaftliches Wohnen e V ndash bundesvereinigung httpwwwfgw-evde Zugegrif-fen 17 Juli 2012

gephart H (2003) gruppendynamik im Dialog in Ch Seidler H benkenstein St Heyne (Hrsg) Die Intendierte Dynamische Gruppenpsychotherapie im Dialog (S 9285ndash9292) ber-lin edition bodoni

goumlschel a (2012) Gemeinschaftliches Wohnenensphttpwwwfgw-evdefileadminPDFBeitraege_Vorstand_etcVortrag20Dr20A20Goeschel20-20Wohnen20hoch20dreipdfenspZugegriffen 11 Juli 2012

Heidenreich u (2012 2 Januar) Die neuen alten Suumlddeutsche Zeitung S 34Koumlnig O amp Schattenhofer K (2012) Einfuumlhrung in die Gruppendynamikensp(6enspAufl) Heidelberg

Carl-auer-SystemeKroumlger S Otterbach F Schoumlnfeld a amp Widdess St (2005) Selbst gebaute Nachbarschaft

Kassel Druck universitaumlt Kassel

52 H Gephart

Lempp i amp Stadlmayer t (2010) Max-B Ein auszligergewoumlhnliches Wohnbauprojekt in Hamburg Hamburg Junius-Verlag

Nieder M (2008) Baugemeinschaften Kosten sparen Spielraumlume nutzen Marburg tectum-VerlagSchattenhofer K (2009) Was ist eine gruppe Verschiedene Sichtweisen und unterscheidungen

in C edding K Schattenhofer (Hrsg) Handbuch Alles uumlber Gruppen (S 16ndash46) Weinheim beltz

Schulz-Nieswand F Koumlstler u Langenhorst F amp Marks H (2012) Neue Wohnformen im Alter Stuttgart Kohlhammer

Stiftung trias projektdatenbank httpwwwwohnprojekte-portalde Zugegriffen 15 Mai 2012tippe a (2008) Stabilisierung als Fuumlhrungsaufgabe in Organisationsentwicklungsprozessen

Gruppendynamik und Organisationsberatung 3 268ndash291tuckman bW (1965) Developmental sequence in small groups Psychological Bulletin 63(6)

384ndash399Wagner H amp prigge r (2011) Wohnen im Vauban Wie Baugemeinschaften einen Stadtteil der

Zukunft gestalten FilmDVDWerkstatt-Stadt ndash innovative projekte im Staumldtebau Wohnprojekt bonn-puumltzchen bdquogemeinsames

Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 14: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

50 H Gephart

scherenspOrganisationspsychologeensphebtensphervorenspbdquoJedeenspGruppeensphellipenspmussenspstabileenspsichenspwieder-holendeenspProzesseenspentwickelnenspwillenspsieenspihreenspinternenenspAngelegenheitenenspregelnensphellipldquoensp(Scheinenspzitiert in tippe 2008 S 279) Je selbstverstaumlndlicher der regelhafte austausch uumlber den alltag wird umso leichter faumlllt das ansprechen von unbehaglichen Situationen

Die inanspruchnahme von externer gruppenmoderation ist eine Moumlglichkeit diese prozesse zu unterstuumltzen

3 Fazit und Ausblick

Wohngruppen und baugemeinschaften sind entwuumlrfe einer Vision von solidarischen Wohnformen Sie sind einerseits ausdruck der Neigung und Uumlberzeugung von Men-schen die in solidarischer gemeinschaft leben wollen andererseits auch u a der Not-wendigkeit im umgang mit der alternden bevoumllkerung geschuldet goumlschel geht soweit sie als bdquoalternative Sozialpolitikldquo zu bezeichnen (2012 S 1) Das potential gelingender baugemeinschaften ist unbestritten gesellschaftlicher Vereinsamung mit den bekannten krankmachenden Faktoren wird entgegengewirkt die inklusion von psychisch oder geis-tig erkrankten ermoumlglicht das bdquoempowermentldquo gefoumlrdert generationenuumlbergreifendes Wohnen als gesellschaftlicher ersatz fuumlr familiales Zusammenleben unterstuumltzt Voraus-setzungen sind neben der staumldteplanerischen ermoumlglichung solcher projekte das psy-chosoziale Knowhow um die Dynamik des entstehens von und des Zusammenlebens in geplanten Nachbarschaften

Das setzt bei Wohninteressierten und architekten die bereitschaft voraus sich mit gruppendynamischen annahmen zu beschaumlftigen oder professionelle beratung und Schu-lung in anspruch zu nehmen wie von goumlschel und Nieder angeraten (goumlschel 2012 Nieder 2008) Die Vorteile einer professionellen begleitung solcher projekte sind durch das aufzeigen moumlglicher gruumlnde fuumlr ein Scheitern von baugemeinschaften und Wohn-projekten deutlich geworden

Neben der Notwendigkeit einer professionellen Begleitung von Wohn- und baupro-jekten ist die Beforschung dieser neuen Wohnformen zu foumlrdern Die erfahrungen mit solchen projekten sind noch nicht zahlreich genug und sie umfassen einen noch zu gerin-gen Zeitraum um belastbare aussagen uumlber bedingungen des gelingens oder Scheiterns treffen zu koumlnnen bdquo Ob bdquoder Charakter des gemeinschaftlichen Wohnens nachhaltig also auch bei bewohnerwechsel in den projekten erhalten bleibtldquo ist bislang schwer zu beantworten (vgl Kroumlger et al 2005) S 48) empirische untersuchungen uumlber die Motive von interessenten fehlen bislang ebenso wie die erforschung der interaktionen EntscheidungsfindungenenspdesenspKrisenmanagementsenspetcenspeinenspErkenntnisgewinnenspkoumlnnteenspvorenspallem aus Laumlngsschnittuntersuchungen von baugemeinschaften gezogen werden

Der ertrag einer gelingenden gemeinschaft fuumlr den einzelnen und seiner bedeutung fuumlr die Loumlsung gesellschaftlich draumlngender Fragen ist unbestritten

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

antons K (2011) Praxis der Gruppendynamikensp(9enspdurchgeseheneenspundenspergaumlnzteenspAufl)enspGoumlttingenenspHogrefe

ardelt-gattinger e Lechner H amp Schloumlgl W (Hrsg) (1998) Gruppendynamik Anspruch und Wirklichkeit der Arbeit in Gruppen goumlttingen Hogrefe

evans S amp Schahadat S (Hrsg) (2011) Nachbarschaft Raumlume Emotionen bielefeld transcript

Forum gemeinschaftliches Wohnen e V ndash bundesvereinigung httpwwwfgw-evde Zugegrif-fen 17 Juli 2012

gephart H (2003) gruppendynamik im Dialog in Ch Seidler H benkenstein St Heyne (Hrsg) Die Intendierte Dynamische Gruppenpsychotherapie im Dialog (S 9285ndash9292) ber-lin edition bodoni

goumlschel a (2012) Gemeinschaftliches Wohnenensphttpwwwfgw-evdefileadminPDFBeitraege_Vorstand_etcVortrag20Dr20A20Goeschel20-20Wohnen20hoch20dreipdfenspZugegriffen 11 Juli 2012

Heidenreich u (2012 2 Januar) Die neuen alten Suumlddeutsche Zeitung S 34Koumlnig O amp Schattenhofer K (2012) Einfuumlhrung in die Gruppendynamikensp(6enspAufl) Heidelberg

Carl-auer-SystemeKroumlger S Otterbach F Schoumlnfeld a amp Widdess St (2005) Selbst gebaute Nachbarschaft

Kassel Druck universitaumlt Kassel

52 H Gephart

Lempp i amp Stadlmayer t (2010) Max-B Ein auszligergewoumlhnliches Wohnbauprojekt in Hamburg Hamburg Junius-Verlag

Nieder M (2008) Baugemeinschaften Kosten sparen Spielraumlume nutzen Marburg tectum-VerlagSchattenhofer K (2009) Was ist eine gruppe Verschiedene Sichtweisen und unterscheidungen

in C edding K Schattenhofer (Hrsg) Handbuch Alles uumlber Gruppen (S 16ndash46) Weinheim beltz

Schulz-Nieswand F Koumlstler u Langenhorst F amp Marks H (2012) Neue Wohnformen im Alter Stuttgart Kohlhammer

Stiftung trias projektdatenbank httpwwwwohnprojekte-portalde Zugegriffen 15 Mai 2012tippe a (2008) Stabilisierung als Fuumlhrungsaufgabe in Organisationsentwicklungsprozessen

Gruppendynamik und Organisationsberatung 3 268ndash291tuckman bW (1965) Developmental sequence in small groups Psychological Bulletin 63(6)

384ndash399Wagner H amp prigge r (2011) Wohnen im Vauban Wie Baugemeinschaften einen Stadtteil der

Zukunft gestalten FilmDVDWerkstatt-Stadt ndash innovative projekte im Staumldtebau Wohnprojekt bonn-puumltzchen bdquogemeinsames

Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 15: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

51Gruppendynamik in Baugemeinschaften

Anmerkungen

1 Die folgenden Uumlberlegungen basieren auf interviews mit einer bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn mit dem architekten und projektentwickler Stefan Klinkenberg berlin mit richard palm vom Forum gemeinschaftliches Wohnen e V regionalgruppe berlin und dem regen austausch mit der architektin und begleiterin von pro-jekten gemeinschaftlichen bauens anna gephart Hamburg ebenso wie auf der langjaumlhrigen erfahrung der autorin in der beratung von teams und projektgruppen und der eigenen Zuge-houmlrigkeit zu einer Wohngemeinschaft seit uumlber 30 Jahren

2 baugemeinschaften entstehen entweder als projekte von traumlgern oder durch personeninitia-tive Die unterschiedlichkeit der Motive fuumlr baugemeinschaften ist allerdings groszlig bdquoNicht alle teilnehmer sind Selbstnutzer Wer eine Wohnung zur Vermietung temporaumlren Nutzung Zweitwohnsitz baut hat z b eine ganz andere perspektiveldquo (interview Klinkenberg) bdquoStar-tergruppenldquoenspmitensp uumlberwiegendemensp Interesseensp anensp gemeinschaftlichemenspWohnenensp findenensp sichensp ausenspFreundesnetzwerken und sie begeben sich auf die Suche nach weiteren interessentinnen Hier soll vor allem auf die 2 Variante eingegangen werden Weitere unterscheidungen vergl Nie-der (2008 S 16 ff)

3 eines der oft zitierten und fruumlhesten Modelle ist das von tuckmann mit den phasen forming ndash storming ndash norming ndash performing (tuckman 1965 gephart 2003 Schattenhofer 2009) Koumlnig und Schattenhofer bennen ein Modell mit fuumlnf prozessphasen (Orientierung positions- und rollenklaumlrung Vertrautheit und Konsolidierung Differenzierung abschluss) als einen heuristischen Versuch die komplexen interaktionen in einer gruppe abzubilden (Koumlnig amp Schattenhofer 2012 S 62ndash63)

4 Diese aufstellung beinhaltet eigentlich eine Mischung aus Zielen und anspruumlchen (Kompe-tenzen nutzen Dialogfaumlhigkeit) und zeigt dass die gruppendynamische Herausforderung sol-cher projekte nicht erkannt ist

Literatur

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ardelt-gattinger e Lechner H amp Schloumlgl W (Hrsg) (1998) Gruppendynamik Anspruch und Wirklichkeit der Arbeit in Gruppen goumlttingen Hogrefe

evans S amp Schahadat S (Hrsg) (2011) Nachbarschaft Raumlume Emotionen bielefeld transcript

Forum gemeinschaftliches Wohnen e V ndash bundesvereinigung httpwwwfgw-evde Zugegrif-fen 17 Juli 2012

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Heidenreich u (2012 2 Januar) Die neuen alten Suumlddeutsche Zeitung S 34Koumlnig O amp Schattenhofer K (2012) Einfuumlhrung in die Gruppendynamikensp(6enspAufl) Heidelberg

Carl-auer-SystemeKroumlger S Otterbach F Schoumlnfeld a amp Widdess St (2005) Selbst gebaute Nachbarschaft

Kassel Druck universitaumlt Kassel

52 H Gephart

Lempp i amp Stadlmayer t (2010) Max-B Ein auszligergewoumlhnliches Wohnbauprojekt in Hamburg Hamburg Junius-Verlag

Nieder M (2008) Baugemeinschaften Kosten sparen Spielraumlume nutzen Marburg tectum-VerlagSchattenhofer K (2009) Was ist eine gruppe Verschiedene Sichtweisen und unterscheidungen

in C edding K Schattenhofer (Hrsg) Handbuch Alles uumlber Gruppen (S 16ndash46) Weinheim beltz

Schulz-Nieswand F Koumlstler u Langenhorst F amp Marks H (2012) Neue Wohnformen im Alter Stuttgart Kohlhammer

Stiftung trias projektdatenbank httpwwwwohnprojekte-portalde Zugegriffen 15 Mai 2012tippe a (2008) Stabilisierung als Fuumlhrungsaufgabe in Organisationsentwicklungsprozessen

Gruppendynamik und Organisationsberatung 3 268ndash291tuckman bW (1965) Developmental sequence in small groups Psychological Bulletin 63(6)

384ndash399Wagner H amp prigge r (2011) Wohnen im Vauban Wie Baugemeinschaften einen Stadtteil der

Zukunft gestalten FilmDVDWerkstatt-Stadt ndash innovative projekte im Staumldtebau Wohnprojekt bonn-puumltzchen bdquogemeinsames

Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

august 2011Klinkenberg Stefan architekt und projektentwickler fuumlr gemeinsames Wohnen und arbeiten ber-

lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

sitzender Forum gemeinschaftliches Wohnen am 4 Mai 2010

Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
  • Abstract
  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur
Page 16: Gruppendynamik in Baugemeinschaften

52 H Gephart

Lempp i amp Stadlmayer t (2010) Max-B Ein auszligergewoumlhnliches Wohnbauprojekt in Hamburg Hamburg Junius-Verlag

Nieder M (2008) Baugemeinschaften Kosten sparen Spielraumlume nutzen Marburg tectum-VerlagSchattenhofer K (2009) Was ist eine gruppe Verschiedene Sichtweisen und unterscheidungen

in C edding K Schattenhofer (Hrsg) Handbuch Alles uumlber Gruppen (S 16ndash46) Weinheim beltz

Schulz-Nieswand F Koumlstler u Langenhorst F amp Marks H (2012) Neue Wohnformen im Alter Stuttgart Kohlhammer

Stiftung trias projektdatenbank httpwwwwohnprojekte-portalde Zugegriffen 15 Mai 2012tippe a (2008) Stabilisierung als Fuumlhrungsaufgabe in Organisationsentwicklungsprozessen

Gruppendynamik und Organisationsberatung 3 268ndash291tuckman bW (1965) Developmental sequence in small groups Psychological Bulletin 63(6)

384ndash399Wagner H amp prigge r (2011) Wohnen im Vauban Wie Baugemeinschaften einen Stadtteil der

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Wohnen im Karmelklosterldquo httpwwwwerkstatt-stadtdedeprojekte140 Zugegriffen 24 Juni 2012

Interviews

bewohnerin des projekts bdquogemeinsam Wohnen im Karmelklosterldquo in bonn am 12 april 2010gephart anna architektin und begleiterin von projekten gemeinschaftlichen bauens Hamburg im

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lin am 3 Mai 2010palm richard Leiter Stadtteilzentrum reinickendorf bei freiem traumlger und stellvertetender Vor-

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Dr Hella Gephart Diplom-psychologin professorenvertreterin an der Fachhochschule Koumlln Fakultaumlt fuumlr angewandte Sozialwissenschaften Leiterin des dortigen instituts fuumlr geschlechterstu-dien trainerin fuumlr gruppendynamik (DaggDggO) und gestalttherapeutin (DVg) langjaumlhrige therapeutische und supervisorische praxis

  • Group dynamic processes in residential communities
  • Zusammenfassung
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  • 1 Theoretische Grundannahmen
  • 2 Entwicklungsphasen von Bauprojekten
    • 21 Die Findungsphase
    • 22 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 23 Phase der Planung
    • 24 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 25 Bauphase
    • 26 Was ist gruppendynamisch zu beachten
    • 27 Wohnstart
    • 28 Was ist gruppendynamisch zu beachten
      • 3 Fazit und Ausblick
      • Literatur