Hat Stirner Feuerbach missverstanden? - Am Beispiel der Diskussion des Gottesbegriff

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  • 8/14/2019 Hat Stirner Feuerbach missverstanden? - Am Beispiel der Diskussion des Gottesbegriff

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    Universitt LeipzigInstitut PhilosophieSS 09Modul: SprachphilosophieDozent: Geert-Lueke Lueken

    Hat Stirner Feuerbach

    missverstanden?Am Beispiel der Diskussion des Gottesbegriff

    Autoren: Susann Bonin, Stefanie Tuber & Roger Vogel

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    Inhaltsverzeichnis

    Einleitung: ........................................................................................................... 3

    Gott - transzendent oder real? ............................................................................ 4

    Max Stirner: Das Einzige und sein Eigentum ................................................... 9ber Ludwig Feuerbachs Sprachtheorie .......................................................... 14

    Schluss: ............................................................................................................ 19

    Literaturverzeichnis: ......................................................................................... 21

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    Einleitung:

    Ein Thema das Philosophen seit je her beschftigt hat, ist zweifelsohne der

    Gottesbegriff. Schon Immanuel Kant befasste sich im 18. Jahrhundert mit der

    Gottesfrage und machte darauf aufmerksam, dass die bisherigen

    Gottesbeweise nicht tragfhig sind. 1 In seinen weiteren Betrachtungen

    unterschied er in Praktische Vernunft, die einen Gott durchaus zulsst, nmlich

    als Grundlage der Moral und in die Theoretische Vernunft, die Gott als

    Transzendentalie betrachtet. D.h. es ist nicht mglich darber irgendetwas zu

    sagen, auer das es unseren Erfahrungshorizont bersteigt.

    Mit Ludwig Feuerbach, der zwei Jahre nach dem Tod Kants geboren wurde,

    betritt ein weiterer Kritiker, des zu dieser Zeit Verwendung findenden

    Gottesbegriffs die Bhne. Sein Ansatz geht auf die Beobachtung der Benutzungdes Begriffs zurck. Denn nach seiner Ansicht stellt der Gebrauch des

    Gottesbegriffs nicht mehr eine transzendente Idee dar, sondern eine

    Kombination aus dem bersinnlichen Begriff Gott und angestrebten optimalen

    Eigenschaften des Menschen.

    Um dies zu zeigen bedient sich Feuerbach einer sprachphilosophischen

    Argumentation, die unter anderem von Hegel beeinflusst ist, sich aber spter

    von diesem abhebt. Es soll nun untersucht werden, wie seine Sprachtheorieaussieht und in welcher Form dies durch die Argumentation zum Gottesbegriff

    deutlich wird. Diese Argumentation wird allerdings schon zu Lebzeiten

    Feuerbachs durch Max Stirner in Frage gestellt.

    Im Zusammenhang mit Stirners Kritik, soll diese wiederum an aktuellen

    sprachphilosophischen Erkenntnissen berprft werden. Da es durchaus sein

    kann, dass die Kritik zur Zeit Feuerbachs berechtigt war, aber in heutiger Zeit

    etwas an Biss verloren haben knnte. Zu diesem Zweck wird das Werk vonHans Julius Schneider Pragmatik als Basis von Semantik und Syntax diese

    Untersuchung einrahmen.

    1 Kant, Immanuel: Der einzig mgliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes. Hamburg: Meiner

    Felix Verlag GmbH, 1995, S. 26

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    Gott - transzendent oder real?

    Ludwig Feuerbachs (1804 1872) Schriftsatz Das Wesen des Christentums

    erschien 1841. Darin setzt er sich unter anderem mit der Frage auseinander, ob

    Gott ein transzendentes oder reales Wesen ist. Handelt es sich bei Gott also

    um einen Gegenstand des Denkens, um etwas was weder Eigenschaften hat

    noch innerhalb unserer Wahrnehmung ist (transzendent) oder aber um ein

    menschliches Wesen mit dementsprechenden Eigenschaften (real). Auch

    andere Philosophen, unter anderem Friedrich Nietzsche (1844 1900; Gott ist

    tot), haben sich mit diesem Thema beschftigt. Bei der Ontologie handelt es

    sich um die Lehre vom Sein. Man nimmt etwas als gegeben hin, hinterfragt es

    nicht, sondern akzeptiert es so wie es ist. Die Menschen allerdings schreiben

    Gott verschiedene Eigenschaften zu, welche sie selber nicht besitzen / haben,zum Beispiel die Vollkommenheit und Allmchtigkeit. Sie nehmen Gott nicht als

    gegeben hin, sondern basteln ihn sich nach ihren Vorstellungen und

    Wnschen zusammen. Bereits im Vorwort wird auf die Frage, ob es sich bei

    Gott um ein transzendentes oder reales Wesen handelt, eingegangen, indem

    gesagt wird: Gott ist Mensch der Mensch Gott 2 . Allerdings stammt diese

    Aussage nicht von Feuerbach selbst, sondern aus der Religion. Hier stellt sich

    mir allerdings die Frage, warum die Religion Gott zum Menschen erniedrigt undden Menschen zu Gott erhht. Die Antwort gibt Feuerbach, denn wenn Gott als

    Gott gedacht wrde, bedeutet dies, dass er nicht menschlich, nicht endlich,

    nicht materiell bestimmbar, nicht sinnlich ist, sondern ein Gegenstand des

    Denkens darstellt 3 . Individualitt und Leiblichkeit bedingen einander, beim

    unendlichen Geist handelt es sich allerdings um eine abgesonderte Intelligenz 4.

    Mit seinem Buch untermauert Feuerbach die These, dass Gott ein

    menschliches Wesen ist und bezieht untersttzend die Aussagen der Religionmit ein. Das Ziel der Religion ist es, zu zeigen, das es sich bei Gott um einen

    Menschen handelt. Dieses Ziel erreichte sie auch mit der Menschwerdung

    Gottes, indem Gott seinen Sohn Jesus auf die Welt geschickt hat in der Gestalt

    eines menschlichen Wesens. Auch nach der Himmelfahrt Christus bleibt dieser

    Mensch von Herzen und Gestalt, auch wenn sein Krper nicht mehr unter uns

    2 Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Hrsg. von Werner Schuffenhauer. Berlin: Akademie Verlag, 1984,S.17

    3 Vgl. Feuerbach: A.a.O., S. 794 Vgl. Feuerbach: A.a.O., S. 79, 152

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    weilt5. Weiterhin sagt Feuerbach, dass Gott die als das hchste Wesen sich

    aussprechende, sich bejahende Vernunft6 ist. Die Vernunft bleibt aber nicht bei

    den sinnlichen Wesen und Dingen stehen, sie ist erst befriedigt, wenn sie bis

    auf das hchste, notwendige, nur der Vernunft gegenstndliche Wesen

    zurckgeht7

    . Die in sich selbst befriedigte, die sich als absolutes Wesendenkende Intelligenz ist Gott als metaphysisches Wesen 8. Allerdings kann die

    Vernunft nur an einen mit ihrem Wesen bereinstimmenden Gott glauben, an

    einen Gott, der nicht unter ihrer eignen Wrde ist, der vielmehr nur ihr eignes

    Wesen realisiert9. Dies bedeutet, dass die Vernunft nur an sich selber glaubt.

    Somit ist Gott von der Vernunft abhngig. Was der Verstand als das Hchste

    denkt, ist Gott 10. Der reale Mensch hat seine Schwchen, Gott ist vollkommen:

    Unsre positiven, wesenhaften Eigenschaften, unsre Realitten sind also dieRealitten Gottes, aber in uns sind sie mit, in Gott ohne Schranken 11. Die

    Vollkommenheit Gottes ist von Vorteil fr die Menschen, denn:

    die Vorstellung des moralisch vollkommnen Wesens ist keine nur theoretische,

    friedliche, sondern zugleich praktische, zur Handlung, zur Nacheiferung

    auffordernde, mich in Spannung, Differenz, Zwiespalt mit mir selbst

    versetzende Vorstellung; denn indem sie mir zuruft, was ich sein soll, sagt sie

    mir zugleich ohne alle Schmeichelei ins Gesicht, was ich nicht bin12.

    Gott zeigt uns, wie der perfekte Mensch auszusehen hat. Allerdings gestaltet es

    sich fr normale Menschen als recht schwierig, dies in die Tat umzusetzen, da

    wir nicht unfehlbar sind, zu Fehlern neigen und auch nicht immer ehrlich sind.

    Zum Beispiel wenn man zu spt in die Schule / auf Arbeit kommt, weil man

    verschlafen hat, wendet man eine Notlge an, aus Angst vor den

    Konsequenzen. Anstatt die Wahrheit zu sagen (Ich habe verschlafen) lgt

    man, dass die Bahn einen Unfall hatte. Feuerbach sagt, dass Gott kein

    anatomisches, aber ein psychisches menschliches Herz hat13. Denn:

    5 Vgl. Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Hrsg. von Werner Schuffenhauer. Berlin: Akademie Verlag,1984, S. 2566 Feuerbach: A.a.O., S. 807 Vgl. Feuerbach: A.a.O., S. 808 Feuerbach: A.a.O., S. 819 Feuerbach: A.a.O., S. 81 - 8210 Vgl. Feuerbach: A.a.O., S. 8211 Feuerbach: A.a.O., S. 8212 Feuerbach: A.a.O., S. 9713 Vgl. Feuerbach: A.a.O., S. 112

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    inwiefern Gott den Menschen liebt, Gott an den Menschen denkt, Gott fr den

    Menschen frsorgt, ist er schon Mensch; Gott begibt [sich] schon in sich seiner

    Gottheit, entuert, anthropomorphiert sich, indem er liebt14.

    Bei den Anthropomorphismen handelt es sich um hnlichkeiten, die zwischen

    Gott und dem Menschen bestehen. Die Bestimmungen des gttlichen undmenschlichen Wesens sind nicht dieselben, aber sie hneln sich gegenseitig 15.

    Dieser Unterschied ist auch notwendig, da man sonst nicht zwischen Gott und

    dem Menschen differenzieren kann. Und auch Chrysipp sagte schon:

    Es kann keinen Gegensatz geben, dem nichts entgegengesetzt ist. Wie knnte

    man Tapferkeit erkennen, wenn auf der anderen Seite nicht die Feigheit

    stnde16.

    Nach Feuerbach handelt es sich bei Gott eindeutig um eine Prdikation, da

    man Gott menschliche Eigenschaften zuschreibt. Dies kann man auch als eine

    logische Form einfacher Stze darstellen, welche wie folgt aussieht:

    f(x)

    Gott leidet ist ein einfacher Subjekt- Prdikatsatz, welcher sich aus einem

    Funktionsausdruck f (leidet) und einem bestimmten Argumentausdruck x

    (Gott) zusammensetzt. Dadurch kann man einfache Stze dieser Art alszweigliedrige Ausdrckedarstellen:

    Gott leidet

    Der Subjektausdruck folgt auf den Prdikatausdruck:

    Leidet (Gott).

    Die Menschen knnen nur an etwas glauben, dass ihnen auf eine gewisse Art

    und Weise hnlich ist. An etwas oder jemand, was in der Lage ist zu lieben,

    mitzufhlen und zu leiden:

    14 Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Hrsg. von Werner Schuffenhauer. Berlin: Akademie Verlag, 1984,S. 10615 Feuerbach: A.a.O., S. 37216 Weinkauf, Wolfgang: Die Philosophie der Stoa. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH & Co, 2001, S. 132

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    Der empfindende, gefhlvolle Mensch glaubt an einen empfindenden,

    gefhlvollen Gott. Dem empfindungsvollen Menschen ist ein empfindungsloser

    Gott ein leerer, toter, abstrakter, negativer Gott, weil ihm das fehlt, was dem

    Menschen wert und heilig ist17.

    Wie bereits zu Beginn meiner Hausarbeit erwhnt, nehmen die Menschen Gottnicht als gegeben hin. Bei den Sakramenten sieht das aber ganz anders aus.

    Sie werden so hingenommen wie sie sind, was unter anderem auch mit der

    Tradition erklrt werden kann. Dies betrifft zum Beispiel das Taufwasser bei der

    Taufe. Hierbei handelt es sich um ganz natrliches Wasser, allerdings hat

    dieses eine hyperphysische Kraft und Bedeutung: Es ist das lavacrum

    regenerationis [Bad der Wiedergeburt], reinigt den Menschen vom Schmutze

    der Erbsnde, treibt den angebornen Teufel aus, vershnt mit Gott 18. Der

    Glaube an die Religion und an Gott hat in den letzten Jahren stark an

    Mitgliedern verloren. Grund ist unsere verstrkt materialistische Gesellschaft,

    die unser Streben mehr und mehr auf weltliche Dinge lenkt, auf Besitz und /

    oder Ansehen. Aber auch die Industrialisierung mit der Entwicklung von

    Wissenschaft und Technik haben dazu beigetragen. Denn die Menschen

    wissen um die Grnde von Naturereignissen. Diese knnen sie sich nun mithilfe

    der Wissenschaft erklren und schreiben diese Ereignisse nicht mehr Gott zu.

    In Unglckssituationen allerdings wenden sich Menschen verstrkt wieder an

    Gott zurck und bitten um seine Mithilfe, um Verbesserung der unglcklichen

    Situation. Der Mensch sehnt sich dann nach Vertrauten, Gott bietet ihnen den

    Halt, den sie suchen. In diesen Momenten hofft man ganz stark, dass Gott doch

    eine Art bernatrliche Wirkung hat, indem er den geuerten Wunsch erfllt.

    Im Werk Das Wesen des Christentums von Ludwig Feuerbach handelt es sich

    um eine Kritik an der Religion bzw. genauer um eine Kritik am Menschen, wie

    dieser die Religion versteht und ausfhrt. Die Menschen haben Gott durch die

    Zuschreibung von verschiedenen Wnschen zu einem berwesen gemacht.

    Der Mensch ist unvollkommen und endlich. Unvollkommen, weil er immer mal

    zur Snde neigt. Und endlich, weil es irgendwann mal mit dem Leben eines

    Menschen zu Ende geht, aufgrund der gesundheitlichen Situation verbunden

    mit einem hohen Alter oder verursacht durch einen Unfall. Aus diesem Grund

    sehnt er sich nach einem Wesen, das vollkommen und allmchtig ist sowie frei

    17 Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Hrsg. von Werner Schuffenhauer. Berlin: Akademie Verlag, 1984,S. 12818 Feuerbach: A.a.O., S. 394

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    von Fehlern und Snde. Ein Wesen, welches fr immer lebt, mit dem es nie zu

    Ende geht. Und bei diesem Wesen handelt es sich um Gott. Dadurch erweckt

    Gott im Menschen das Bild von Unsterblichkeit. Allerdings bezieht sich die

    Unsterblichkeit auf die Seele, denn der Krper geht nach dem Tod, wie bei

    jedem anderen Menschen auch, verloren. Was bleibt ist einzig und alleine dieSeele. Auch sind die Menschen teilweise mit der gegebenen Situation auf

    Erden nicht zufrieden, da Krieg und Ungerechtigkeit herrschen und sie hoffen

    nun, dass Gott ihnen in dieser schweren Situation untersttzend zur Seite steht.

    Sie haben sich dadurch ein Wesen geschaffen, welches sie um Hilfe bitten und

    bei welchem sie sich fr ihre Snden entschuldigen knnen. Dies erweckt den

    Eindruck, dass nicht Gott die Menschen erschaffen hat, sondern umgekehrt der

    Mensch den Gott. Feuerbach hat gezeigt, dass es sich bei Gott um einmenschliches Wesen handelt, da er menschliche Eigenschaften hat. Denn

    wenn Gott etwas bernatrliches wre, wrden die Menschen nicht an ihn

    glauben, da ihnen der Bezug dazu fehlt. Etwas, was bernatrlich ist, erscheint

    ihnen suspekt. Menschen glauben in aller Regel auch nicht an Geister und

    Gespenster. Dies ist auch der Grund, weshalb die Religion Gott als Mensch

    erklrt. Denn ansonsten wrde niemand mehr an das Bestehen von Gott als

    Gott (etwas bernatrliches) glauben. Allerdings will Feuerbach die Religion

    entmythologisieren. Die Menschen haben Gott zu einem berwesen gemacht,

    was die Religion nie angestrebt hat. Fr Feuerbach und die Religion ist Gott ein

    menschliches, vollkommenes Wesen. Aber Gott war vor dem Menschen da, die

    Menschen existieren nur, weil Gott sie erschaffen hat. Die Menschen schreiben

    aber Gott verschiedene Eigenschaften zu, stellen ihn so dar, als htten sie ihn

    erschaffen. Auch denken viele Menschen, dass sie einen persnlichen Gott

    haben, welcher sie beschtzt. Aber es gibt nur einen Gott, welcher sich um alle

    glubigen Menschen kmmert. Das Christentum soll nicht mehr einen so

    groen Stellenwert im Leben der Menschen einnehmen, die Menschen sollen

    wieder anfangen selbst zu denken und sich nicht auf das verlassen, was ihnen

    andere sagen und empfehlen. Letztendlich fhrt Ludwig Feuerbach das Werk

    von Immanuel Kant (1724 1804) fort. Die Menschen sollen eben ihren

    eigenen Verstand benutzen.

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    Max Stirner: Das Einzige und sein Eigentum

    Johann Caspar Schmidt, hufiger bekannt unter dem Pseudonym Max Stirner,

    lebte von 1806 bis 1856, fungierte als deutscher Philosoph und Journalist und

    war ein erbarmungsloser Religionskritiker und Nihilist. Er wurde in Bayreuth

    geboren und lebte grten teils in Berlin. Seine Philosophie war sehr

    praxisgebunden. Im Jahre 1845 verffentlichte er dann sein Hauptwerk Das

    Einzige und sein Eigentum, welches eine Gelegenheitsarbeit von ihm darstellte

    und somit nur schlecht von ihm strukturiert worden ist, da die Kapitelteilung

    nicht ganz gnstig und logisch gewhlt wurde. Es stellt eine Kritik an Bruno

    Bauer und Ludwig Feuerbach dar und richtet sich gegen deren Philosophie der

    Tat und deren atheistischen Aufklrung. Aufgebaut ist dieses Werk aus einem

    kurzen Prolog und zwei gleichgroen Abteilungen. Es beginnt mit der schwerverstndlichen Vorbemerkung Ich hab Mein Sach auf Nichts gestellt, welche

    an Goethes Gedicht Vanita gelehnt ist und was als ironischer Untertitel an

    seine zweite Ehefrau Marie Dhnhardt zu verstehen ist. Die beiden heirateten

    1843, aber deren Eheschlieung hielt nur drei Jahre, da sich seine Frau der

    Welle der Emanzipation anschloss, um ein den Mnnern ebenbrtiges Leben

    zu fhren. Nach ihrer Trennung ging sie nach England um dort einer

    katholischen Kirche beizutreten. Daher vermuten viele Wissenschaftler undTheologen eine bitter-sarkastische Anspielung der Widmung an Marie im

    Prolog. Es enthlt viele rhetorische Mittel, ist sehr umschweifend geschrieben

    und wird daher zu Recht als rhetorisches Feuerwerk bezeichnet. Doch spielen

    gerade diese zwei Seiten fr unsere sprachphilosophische Herangehensweise

    und die Problematik des Gottesbegriffs eine enorme Rolle, da sie sich mit dem

    Sinn des Lebens und der Religionskritik befassen. So sagt Stirner, dass die

    Gesellschaft, und damit auch Feuerbach, vom Einzelnen nur ihre Sacheabverlangen und das Individuum sich nicht seiner Sache zuwenden darf, ohne

    egoistisch zu handeln.

    Nur Meine Sache soll niemals Meine Sache sein. >Pfui ber den Egoisten, der nur an

    sich denkt!

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    Dabei schreibt er demonstrativ die Personalpronomen gro, um auszudrcken,

    dass er sich doch eigentlich wie alle Anderen auch - um seine

    Angelegenheiten kmmern msse. Nur Gott drfe egoistisch handeln, da er,

    nicht wie die Menschen, keiner hheren Sache dienen muss. 20 Die Menschen

    sind der Sache Gottes berufen, da sie nicht alles in allem darstellen undGottes Sache ist Wahrheit und Liebe, was er gleichzeitig auch verkrpert. Er ist

    nur auf sich bedacht und die Menschen mssen es ihm Recht machen, um

    niemals Gott zu missfallen.

    Gott und die Menschheit haben ihre Sache auf Nichts gestellt, auf nichts als auf Sich.21

    Stirner kommt fr sich zu dem Entschluss, dass jeder Mensch doch nur

    egozentrisch handelt und handeln sollte und dass jeder sich um seine Sache

    kmmern sollte.

    Das Gttliche ist Gottes Sache, das Menschliche Sache >des Menschen

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    Hauptschlich thematisiert Stirner Feuerbachs Schpfungsbegriff, aus dem sein

    Judentum- und Gottesverstndnis abgelesen werden kann. Im Gegensatz zum

    christlichen Schpfungsbegriff ist der jdische Schpfungsbegriff mit dem

    Prinzip der Ntzlichkeit verbunden, und nicht mit dem der Subjektivitt. 24

    Entgegengesetzt der christlichen anthropologischen Einsichten hebt dasJudentum die uerlichkeit und Verkrperung Gottes hervor.

    Die Schpfungslehre dient als Grundlage fr die anthropologische Wiederaneignung der

    Religion.25

    In Ludwig Feuerbachs Werk Das Wesen des Christentums von 1841 besagt

    er, dass alle religisen Inhalte samt Gott psychologische Projektionen sind,

    verbunden mit Phantasie. Auch geht daraus hervor, dass Feuerbach mitteilen

    will dass wir unser eigenes Wesen nur verkannt htten und darum es im

    Jenseits gesucht htten. Doch da die Menschen jetzt einshen, dass Gott nur

    unser menschliches Wesen sei, msse man es aus dem Jenseits in Diesseits

    zurck holen.26 Denn bei Feuerbach entspricht Gott unser Wesen und genau

    das kritisiert Stirner, da wir mit dieser Annahme uns mit unserem Wesen in

    einen Gegensatz und nicht in einem Einklang bringen wrden. Mit der Kraft der

    Verzweiflung, so Stirner weiter, greift Feuerbach nach dem gesamten Inhalt

    des Christentums, um es und das Jenseits an sich zu reien. Stirner wirft

    Feuerbach nur Argumentationen unter Verzweiflung vor und kritisiert diese.

    Dann fasst Stirner noch einmal den entscheidenden Unterschied zu Feuerbach

    zusammen:

    Das Wesen des Menschen ist des Menschen hchstes Wesen; das hchste Wesen wird

    nun zwar von der Religion als Gott genannt und als ein gegenstndliches Wesen

    betrachtet, in Wahrheit aber ist es nur des Menschen eignes Wesen, und deshalb ist der

    Wendepunkt der Weltgeschichte der, da fortan dem Menschen nicht mehr Gott als Gott,sondern der Mensch als Gott erscheinen soll.27

    24 Internationale Gesellschaft der Feuerbach-Forscher, Ursula Reitemeyer, Societas ad studia de hominis condicionecolenda, Mnster, 2008, S. 1125 Internationale Gesellschaft der Feuerbach-Forscher: A.a.O., S. 1126 Stirner, Max: Das Einzige und sein Eigentum, 1. Digitalauflage Berlin, 2002, S. 1627 Stirner: A.a.O., S. 17

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    Stirner streitet hierbei nicht komplett ab und erwidert, dass es egal sei, ob wir

    Gott beziehungsweise das hchste Wesen, also das Wesen des Menschen, als

    ein ueres oder ein in uns Wohnendes ansehen, denn es sei ja nur das

    Wesen des Menschen und nicht der Mensch selbst.

    Ich bin weder Gott, noch der Mensch, weder das hchste Wesen, noch mein Wesen,

    und darum ists in der Hauptsache einerlei, ob ich das Wesen in mir oder auer mir

    denke.28

    Im Spteren legt er Feuerbachs Definition von der umgekehrten, spekulativen

    Philosophie dar, nmlich dass wenn man immer das Prdikat zum Subjekt, und

    so das Subjekt zum Objekt und Prinzip mache, man die unverhllte []

    Wahrheit bekme.29 Das wrde laut Stirner jedoch wieder bedeuten, dass Gott

    am religisen Standpunkt verliere, da aus dem Subjekt Gott nur ein Prdikat

    gttlich werden wrde. Feuerbach stellt also lediglich Subjekt und Prdikat um

    und zweifelt damit an, dass Gott nicht die Hauptsache ist, sondern das

    Gttliche.30 Feuerbach meint, wenn er das Gttliche vermenschliche, so habe

    er die Wahrheit.31 Doch Stirner ist der Auffassung dass nur die Eigenschaften

    und der Eigentum der Menschen gelten, nicht deren Geist.

    In der zweiten Abteilung geht es einzig und allein um das Ich. Stirner versucht

    sich in diesem Abschnitt von der atheistischen Frmmigkeit Feuerbachs zu

    differenzieren und bringt in diesem sehr theoretischen Teil viele Argumente zum

    Eigen der Menschen, was sich nicht leicht durchschauen lsst, da Stirner

    oftmals die Begriffe Eigner, Einziger, Einzelner und Egoist hnlich

    beziehungsweise gleich an den Leser verkauft.

    28 Stirner, Max: Das Einzige und sein Eigentum, 1. Digitalauflage Berlin, 2002, S. 1729 Stirner: A.a.O., S. 2530 Stirner: A.a.O., S. 3031 Stirner: A.a.O., S. 90

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    Feuerbach sieht unter dem Begriff Mensch nur eine Gattung, nicht aber das

    einzelne Ich. Laut ihm knne sich das Individuum nur ber Gesetze, aber

    niemals ber eine Gattung erheben und knne sich somit nicht mit der

    Menschheit vereinen, da er nur als Einzelner handelt.32 Man kann sagen dass

    Feuerbach Gott beziehungsweise die Religion als das aus dem Menschengezogene Menschliche im Jenseits beschreibt und somit als Gott sein eigenes

    Dasein fhre. 33

    32 Stirner, Max: Das Einzige und sein Eigentum, 1. Digitalauflage Berlin, 2002, S. 9533 Stirner: A.a.O., S. 128

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    ber Ludwig Feuerbachs Sprachtheorie

    Wie sich bei der Recherche gezeigt hat, ist es schwierig, uerungen von

    Feuerbach zu finden, die sich direkt auf eine Sprachtheorie beziehen. Aus

    diesem Grund werden indirekte Beweise und sekundr Literatur unumgnglich

    sein.

    Ein erster Verweis auf seine Einstellung zur Sprache lsst sich in seiner

    Dissertation ber die eine, allgemeine, unendliche Vernunft. finden. Eine erste

    Unterscheidung von Denken und Sprache wird wie folgt deutlich: Sofern ich

    denke, hre ich auf, Individuum zu sein. Denken ist daher dasselbe wie

    Allgemeinsein.34, dies setzt er fort: Natrlich drckt das Wort immer etwas

    Allgemeines aus. Der Sinneseindruck indes ist jeweils ein einzelner. 35. Daraus

    ergibt sich, dass zwar eine uerung ber einen Sinneseindruck bermitteltwerden kann, der jeweilige Sinneseindruck hingegen verbleibt bei dem Sender.

    Dies lsst den Schluss zu, es handle sich hier um eine Abbildtheorie. Diese

    umschreibt Schneider wie folgt:

    Die Welt bildet sich im Bewutsein ab, und dieses wiederum in der Sprache. So

    aufgefat, ermglicht erst dieser Abbildungszusammenhang die Verwendung der

    Sprache zur Organisation nichtsprachlicher Handlungen.36

    Da es nur eine Bemerkung ist und sich hieraus noch nicht darauf schlieen

    lsst, ob dies schon der vollstndige Inhalt ist, bedarf es noch einiger weiterer

    Textstellen. In seiner Kritik an der Hegelschen Philosophie wird er noch direkter

    wenn er sagt:

    Denken ist eine unmittelbare Ttigkeit, inwiefern es Selbstttigkeit ist. Kein anderer kann

    fr mich denken; ich berzeuge mich von der Wahrheit eines Gedankens nur durch mich

    selbst. [] Die Demonstration ist nichts anderes als das Zeigen, da das wahr ist, was

    ich sage []37

    Damit ist klar, dass aller Anfang der Sprache im Denken liegt. Es leitet sich

    quasi aus ihm ab, aber eine Umkehrung dieser kausalen Beziehung ist nicht

    mglich, sonst mte der grte Schwtzer der grte Denker sein.38

    34Feuerbach, Ludwig: ber die eine, allgemeine, unendliche Vernunft. In: Gesammelte Werke. Hrsg. v. Werner

    Schuffenhauer. Berlin: Akademie-Verlag 1981, Bd. 1, S. 935 Feuerbach: A.a.O., S. 1136 Schneider, Hans Julius: Pragmatik als Basis von Semantik und Syntax. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1975, S.1237 Feuerbach, Ludwig: Zur Kritik der Hegelschen Philosophie. In: Gesammelte Werke. Hrsg. v. Werner Schuffenhauer.Berlin: Akademie-Verlag 1981, Bd. 9, S. 2738 Feuerbach: A.a.O., S. 30

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    Ob die Aussage von Schneider Sprechen ist Handeln 39 auch mit Feuerbach

    vereinbar ist und damit eine Pragmatik an den Anfang der Sprache gestellt

    werden kann, muss sich noch zeigen.

    Im nachfolgenden Zitat spricht Feuerbach von Darstellung. Aus diesem Text

    geht nicht hervor, dass es sich um eine schriftlich fixierte Form handeln muss.Daher liegt es nahe, diese Begrifflichkeit auch auf die sprachliche Darstellung

    im Konkreten anzuwenden.

    Die Darstellung abstrahiert von dem vor der Darstellung Gewuten; sie soll einen

    absoluten Anfang machen. Aber eben hierin offenbart sich nun sogleich die Grenze der

    Darstellung. Das Denken ist frher als das Darstellen des Denkens. Der Anfang in der

    Darstellung ist nur fr sie, aber nicht fr das Denken da erste.40

    Es ist nun schon kaum mehr zu bersehen, dass einer Pragmatik als Basis derEntwicklung der Sprache wohl nicht in Frage kommt. Dies wird sptestens hier

    deutlich:

    Die Sprache ist abgesehen hier von dem Bedrfnis, welches ohnedem wohl berall

    der erste Ausgangspunkt, aber nicht der wahre und letzte Grund ist nichts anderes als

    die Realisation der Gattung, die Vermittlung des Ich mit dem Du, um durch die

    Aufhebung ihrer individuellen Getrenntheit die Einheit der Gattung darzustellen. [] Die

    Demonstration hat nun nur in der Vermittlungsttigkeit des Gedankens fr andere ihren

    Grund. Wenn ich etwas beweisen will, so beweise ich es fr andere.41

    Daraus kann zweifelsohne geschlossen werden, dass Sprache fr Feuerbach

    lediglich ein Mittel zu einer Sache ist, der Demonstration des Gedachten.

    Wenngleich er es nicht als ontologisches Problem betrachtet, so wie es

    Schneider beschreibt.

    Die Unterscheidung von Eigennamen und Prdikatoren z. B. mte verstndlich

    gemacht werden knnen als Ausdruck des ontologischen Unterschieds zwischenIndividuum und (realistisch gedachtem) >Begriff

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    Ein sich daraus als Schwierigkeit ergebender Punkt besteht darin, dass

    Feuerbach sich mit der tieferen Struktur der Sprache nicht in dem Mae

    auseinander setzt wie es von Schneider getan wird. Dies wrde den Schluss

    nahe legen, dass zwar andere Ansichten ber die Herkunft der Sprache

    vorherrschen aber keine fachliche Nhe vorhanden ist, was die Tiefgrndigkeitder Problemuntersuchung angeht. Folglich wren beide Autoren nur grob

    vergleichbar. Im Unterschied zu Schneider sieht es sogar so aus, dass

    Feuerbach eine Ontologie gerade fr notwendig erachtet.

    Das Wort ist ein abstraktes Bild, die imaginre Sache oder, inwiefern jede Sache immer

    zuletzt auch ein Objekt der Denkkraft ist, der eingebildete Gedanke, daher die Menschen,

    wenn sie das Wort, den Namen einer Sache kennen, sich einbilden, auch die Sache

    selbst zu kennen. [] Der Gedanke uert sich nur bildlich; die uerungskraft des

    Gedankens ist die Einbildungskraft, die sich uernde Einbildungskraft aber die

    Sprache.43

    Auch wenn an dieser Stelle nicht explizit erwhnt ist, dass es um ontologische

    Annahmen geht, so ist es doch mglich, dies aus der Darstellung zu erkennen,

    wie sehr ein Wort eine Kenntnis des Gemeinten erzeugt. An dieser Stelle ist

    das Wort Gottes gemeint, dass obwohl es nicht gehrt werden kann, sondern

    nur in den Evangelien nachgelesen, eine Suggestion dessen hinterlsst, was

    den eigentlich gemeint sei. Dies wird besonders dort deutlich, wo mehrere

    Menschen unabhngig von einander zu den gleichen Erkenntnissen kommen.

    Dennoch beschftigen sich neben der Sprachphilosophie auch noch andere

    Wissenschaften mit dem Verhltnis von Denken und Sprache, wie die

    Psychologie. Dabei werden einige Theorien unterschieden, die von folgenden

    Zusammenhngen ausgehen:

    1. Die Sprache determiniert das Denken

    2. Das Denken determiniert die Sprache

    3. Denken und Sprache sind zwei unabhngige Systeme

    John Broadus Watson, ein US-amerikanischer Psychologe, der zwischen 1878

    und 1958 lebte vertrat die erste These. Seiner Ansicht nach gibt es keine

    inneren geistigen Aktivitten, also muss das Denken sprachdeterminiert sein.

    Dies grndete sich auf Versuchen die er mit Affen unternahm, bei denen

    diejenigen, die vorher einem Sprachtraining beigewohnt hatten, bessere

    43 Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. In: Gesammelte Werke. Hrsg. v. Werner Schuffenhauer. Berlin:Akademie-Verlag 1981, Bd. 5, S. 158

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    Denkergebnisse erzielten. Um zu beweisen, dass dies auch auf den Menschen

    zutrifft, fhrten Smith, Brown, Toman und Goodman 1947 ein Experiment durch.

    Smith der sich mittels eines Curare-Prparates vollstndig lhmen lies, stellte

    keine Beeintrchtigung in der Denkleistung fest. 44 Damit galt die Theorie als

    wiederlegt.Ein weiterer Vertreter der ersten Hypothese ist Benjamin Lee Whorf(1897-

    1941), ein ausgebildeter Chemieingenieur (MIT), der zwar nie hauptberuflich

    Linguist war, sich aber mit amerikanischen Eingeborenensprachen auseinander

    setzte. Seiner Meinung nach beeinflussen die unterschiedlichen grammatischen

    und semantischen Strukturen der verschiedenen (Mutter-)sprachen die

    Wahrnehmung. Die mit amerikanischen Ureinwohnern durchgefhrten Tests

    konnten allerdings seine Hypothese nicht besttigen.

    45

    Dennoch lsst sichfesthalten, dass uns die Sprache beeinflusst aber ihre Wirkung liegt darin,

    Ideen mitzuteilen, und nicht darin, die Art der Vorstellungen, die wir gedanklich

    erfassen knnen, zu determinieren.46

    Ein Indiz, dass die zweite Hypothese zutreffen knnte, lsst sich durch eine

    Untersuchung der am hufigsten vorkommenden Konstellationen von

    Satzobjekten zeigen:

    SOP 44%, SPO 35%, PSO 19%, POS 2%, OPS 0% & OSP 0%47

    Es liegt die Schlussfolgerung nahe, dass es einen bestimmten Grund geben

    muss, warum das Subjekt fast immer vor dem Objekt genannt wird. Denn die

    Information wer etwas mit welchem Ding tut, scheint eine denklogische Abfolge

    zu sein, die sich auf den Gebrauch der Sprache auswirkt.

    Ob es sich allerdings um zwei von einander unabhngige Teilsysteme handelt,

    Denken und Sprache, kann momentan nicht geklrt werden. Der

    Modularittsansatz uert die Annahme, dass sich der Erwerb und die

    Verarbeitung der Sprache unabhngig von anderen kognitiven Systemen

    einstellen.48

    44 Vgl. Anderson J. R.: Kognitive Psychologie. Berlin: Spektrum 2001, S. 367-36845 Vgl. Anderson: A.a.O., S. 37046 Anderson J. R.: Kognitive Psychologie. Berlin: Spektrum 2001, S. 37147 Anderson: A.a.O., S. 37248 Vgl. Anderson: A.a.O., S. 373

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    Wie an dem Exkurs in die Psychologie gezeigt werden konnte, besteht auch

    dort Uneinigkeit ber eine Theorie. Da aber nur die absoluten Positionen der

    strengen Determination als wiederlegt angesehen werden knnen, bleibt immer

    noch gengend Spielraum fr eine Theorie, die eher in die Richtung Sprache

    bestimmt das Denken oder umgekehrt strebt. Dennoch ergeben sich fr dieeinzelnen Wissenschaften handfeste Probleme, da zum einen keine

    Untersuchung der Sprache ohne Sprache stattfinden kann und zum anderen

    eine Bestandsaufnahme aller sprachlichen Konventionen (auch wenn es sich

    nur um eine Sprache handeln sollte) nicht mglich ist.

    Mit eben diesem Problem hat auch Schneider zu kmpfen, denn eine rein

    plausible Darstellung seiner Ansichten ist ihm zweifelsohne gelungen, doch

    wre ein echter Beweis nur auerhalb des sprachlichen Systems durchfhrbar.Der Grund hierfr liegt darin, dass sich ein System nicht durch seine

    Selbstwahrnehmung als existentbeweisen kann. D.h. fr eine zweifelsfreie

    Bestimmung, in welchem Verhltnis die Sprache zum Denken oder die Sprache

    selbst funktioniert, wre ein unbeteiligter Dritternotwendig. Da aber ein Mangel

    an so einem Dingzu bestehen scheint, muss der plausibelsten Argumentation

    auf diesem Gebiet stattgegeben werden.

    Bei dem Vergleich der Positionen von Feuerbach und Schneider lsst sich

    zusammenfassend festhalten, dass beide Denker einen anderen Weg

    beschreiten. Whrende sich Schneider hauptschlich mit der Struktur und dem

    logischen Aufbau der Sprache auseinander setzt, so sind durch die Aussagen

    von Feuerbach eher andere Bereiche interessant. Ihm wiederum geht es in

    erster Linie um das Verhltnis von Denken und Sprache. Die dabei gemachten

    Festlegungen wiederstreben denen, die Schneider versucht auszurumen, wie

    z. B. die der Ontologie. Dennoch muss nicht zwingend angenommen werden,

    dass die Position von Schneider in keinster Weise zu der von Feuerbach passt,

    denn Textstellen in denen sich Feuerbach gegen eine Pragmatik als

    Leitgedanke der Sprache ausspricht, waren nicht auffindbar.

    Es kann lediglich festgehalten werden, dass unterschiedliche Wege

    eingeschlagen wurden, die sich nicht zwingend ausschlieen, wohl aber bei

    genauerer Betrachtung gewisse Reibungspunkte aufweisen.

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    Schluss:

    Es ist geradezu ein Glck, dass es von Feuerbach eine Antwort auf Stirners

    Kritik gibt. Denn dadurch muss nicht erst zwischen den Positionen vermittelt

    oder gar eine mgliche Antwort des Opponenten gedacht werden. Sie existierte

    bereits ein Jahr nach Stirners Schrift Der Einzige und sein Eigentum (1844).

    Leider ist nicht bekannt, ob diese Erwiderung ebenfalls gekontert wurde, so

    dass diese den Ausgang dieser Arbeit darstellen wird.

    Nachfolgend sollen einige Kritikpunkte exemplarisch dargestellt werden.

    Warum sollten das Subjekt(Gott) entfernt werden die Prdikate aber nicht?

    Prdikate mssen erhalten bleiben, da sonst Alles nicht existiert. Nichts als ein

    Prdikat? Gott ist nichts. Prdikate bestehen nicht als gttliche Prdikate,sondern als natrliche Prdikate. Je hher ein Wesen, desto eindrucksvoller

    seine Prdikate, doch auf der Ebene des Menschen verliert das Prdikat die

    Gttlichkeit. 49

    Aus dem Grund muss der Mensch erkennen, dass seine Schranke, das Subjekt

    Gott ist. Diese Illusion muss vom Subjekt berwunden werden.50

    Mit dem Ausspruch Der Mensch ist der Gott des Menschen macht Feuerbach

    darauf aufmerksam, wonach der Mensch strebt, nmlich nach der eigenenAnerkennung und Besttigung durch sich selbst und nicht durch einen

    abstrakten Gott. Weiterhin macht er darauf aufmerksam, dass die Geste des

    Speisens nichts Gttliches inne wohnt, da es sich lediglich um eine poetische

    Umschreibung handelt. Es folgt daraus, dass Der Mensch ist der Gott, das

    hchste Wesen des Menschen und Es ist kein Gott, kein hchstes Wesen

    den gleichen Terminus ausdrcken, wobei der erste eher positiv aufzufassen ist

    der letztere eher negativ.51

    Die Frage die sich Eingangs stellte, ob es ein Missverstndnis gegeben haben

    knnte, beantwortet Feuerbach mit einem klaren JA, in dem er ausfhrt, dass

    sein Ziel darin bestand die Spaltung des Ich in ein wesentliches und ein

    unwesentliches aufzuheben. D.h. die Anschauung des Menschen, soll dem

    ganzen Menschen gelten und nicht nur spezifischen Attributen.52

    49 Vgl. Feuerbach, Ludwig: ber das Wesen des Christentums in Beziehung auf Stirners Das Einzige und seinEigentum. In: Gesammelte Werke. Hrsg. V. Werner Schuffenhauer. Berlin: Akademie Verlag 1982, Bd. 9, S. 42850 Vgl. Feuerbach: A.a.O., S. 42951 Vgl. Feuerbach: A.a.O., S. 429-43052 Vgl. Feuerbach: A.a.O., S. 430

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    Durch die Negation Gottes kann erst ein Individuum entstehen das sich seiner

    Sinnlichkeit bedient, denn wenn alle Zuschreibungen die an Gott gemacht

    werden, nur ihm allein gelten, ist nichts mehr brig fr den Menschen.53

    Auch ist es Feuerbach wichtig eine Fehldeutung seiner Einleitung zum Wesen

    des Christentums auszurumen, denn in ihr werden zwar die Mchte imMenschen ber den Menschen hervorgehoben, aber diese Hinfhrung soll

    nicht eine ganze philosophische Abhandlung einleiten sondern lediglich das

    eigentliche Werk.54

    Im Weiteren geht es um die berwindung der Religion im Sinne der

    Zerschlagung ihrer, fr heilig befundene Dinge. Die wenn ein Einzelner nur

    gelassen wrde, ohne weiteres zerstrbar wre und ihnen nichts gttliches

    mehr inne wohnt.

    55

    Darber hinaus setzt er den Materialismus an die erste Stelle der

    Erkenntnisgewinnung, in dem er sagt Folge den Sinnen! Wo der Sinn anfngt,

    hrt die Religion und hrt die Philosophie auf, aber du hast dafr die schlichte,

    blanke Wahrheit.56

    Auch wenn die Ergnzungen noch weiter gehen, so ist ja nicht die

    Inhaltsanagabe das Ziel, sonder die Tatsache, dass sich Feuerbach

    missverstanden whnt. Alle noch nachfolgenden Beispiele sollen im Endeffektauf eines hinweisen, mit der Abwendung vom Glauben an etwas

    berweltliches, hin zu einem sinnlichen Erfahren der Welt, muss jede Form von

    Gottesfurcht berwunden werden knnen.

    Feuerbach wehrt sich sogar gegen eine Verortung ein absoluter Materialist zu

    sein, wenn er schreibt: F. bekleidet seinen Materialismus mit dem Eigentum

    des Idealismus. Oh, wie aus der Luft gegriffen ist diese Behauptung! F.,

    Einziger, ist weder Idealist noch ein Materialist. Dem F. sind Gott, Geist, Seele,

    Ich bloe Abstraktionen, aber ebensogut sind ihm der Leib, die Materien, der

    Krper bloe Abstraktionen. Das einzige was Feuerbach von sich behauptet,

    dass er sein will ist ein Mensch, mehr noch ein Gemeinmensch, nichts

    weiter.57

    53 Vgl. Feuerbach, Ludwig: ber das Wesen des Christentums in Beziehung auf Stirners Das Einzige und seinEigentum. In: Gesammelte Werke. Hrsg. V. Werner Schuffenhauer. Berlin: Akademie Verlag 1982, Bd. 9, S. 43054 Vgl. Feuerbach: A.a.O., S. 431-43255 Vgl. Feuerbach: A.a.O., S. 43156 Vgl. Feuerbach: A.a.O., S. 43357Vgl. Feuerbach: A.a.O., S. 441

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    Literaturverzeichnis:

    Anderson J. R.: Kognitive Psychologie. Berlin: Spektrum 2001

    Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Hrsg. von Werner

    Schuffenhauer. Berlin: Akademie Verlag, 1984

    Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums, Band 1, Berlin, 1956

    Feuerbach, Ludwig: ber die eine, allgemeine, unendliche Vernunft. In:

    Gesammelte Werke. Hrsg. v. Werner Schuffenhauer. Berlin: Akademie-Verlag

    1981, Bd. 1

    Feuerbach, Ludwig: Zur Kritik der Hegelschen Philosophie. In: Gesammelte

    Werke. Hrsg. v. Werner Schuffenhauer. Berlin: Akademie-Verlag 1981, Bd. 9

    Feuerbach, Ludwig: ber das Wesen des Christentums in Beziehung auf

    Stirners Das Einzige und sein Eigentum. In: Gesammelte Werke. Hrsg. V.

    Werner Schuffenhauer. Berlin: Akademie Verlag 1982, Bd. 9

    Internationale Gesellschaft der Feuerbach-Forscher, Ursula Reitemeyer:

    Societas ad studia de hominis condicione colenda, Mnster, 2008

    Kant, Immanuel: Der einzig mgliche Beweisgrund zu einer Demonstration des

    Daseins Gottes. Hamburg: Meiner Felix Verlag GmbH, 1995

    Korfmacher, Wolfgang: Stirner Denken: Max Stirner - Leben und Werk,

    Karolinger Verlag 2001

    Schneider, Hans Julius: Pragmatik als Basis von Semantik und Syntax.

    Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1975

    Stirner, Max: Das Einzige und sein Eigentum, 1. Digitalauflage Berlin, 2002

    Weinkauf, Wolfgang: Die Philosophie der Stoa. Stuttgart: Philipp Reclam jun.

    GmbH & Co, 2001