Upload
nicole-boschung
View
214
Download
2
Embed Size (px)
DESCRIPTION
Heft 3 März 2011
Citation preview
AgrArforschung schweiz
M ä r z 2 0 1 1 | H e f t 3
Ag
rosc
op
e |
BLW
| S
HL
| A
GR
IDE
A |
ETH
Zü
rich
Umwelt Invasive Pflanzen – wie weiter? Seite 108
Pflanzenbau Agroforstwirtschaft in der Schweiz Seite 128
Nutztiere Genetische Vielfalt in der Eringerpopulation Seite 134
ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös sische Ämter und weitere Fachinteressierte.
HerausgeberinAgroscope
Partnerb Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil
ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux ALP und Schweizerisches Nationalgestüt SNG; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART)
b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bernb Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofenb Beratungszentralen AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,
Departement Agrar- und Lebensmittelwissenschaften
Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agro-nomique Suisse, Forschungs anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]
Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: [email protected]
Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Sibylle Willi (ACW), Gerhard Mangold (ALP und SNG), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (SHL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich).
AbonnementPreiseZeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten),inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–** reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch oder [email protected]
AdresseNicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]
Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch
ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz
© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.
Erfasst in: Web of Sience, CAB Abstracts, AGRIS
Berner FachhochschuleHaute école spécialisée bernoiseSchweizerische Hochschulefür Landwirtschaft SHLHaute école suisse d’agronomie HESA
InhaltMärz 2011 | Heft 3
Invasive Neophyten – Ankömmlinge aus anderen Kontinenten – passen sich an ihre neue Umgebung an und können das Gleichgewicht der Biodiversität empfindlich stören. Japanknöterich bevorzugt Ufer-bereiche an Gewässern und kann dort Erosion verursachen. (Foto: Carole Parodi, ACW) 107 Editorial
Umwelt
108 Invasive Pflanzen – wie weiter? Christian Bohren
Umwelt
114 Geruchskonzentration und -emission von Milchviehställen mit LaufhofMargret Keck, Alfons Schmidlin, Kerstin Zeyer,
Lukas Emmenegger und Sabine Schrade
Pflanzenbau
120 Bodenfruchtbarkeit und Produktivität der Kulturen: Auswirkungen von organischen Einträgen und PflugAlexandra Maltas, Raphaël Charles und
Sokrat Sinaj
Pflanzenbau
128 Agroforstwirtschaft in der SchweizAlexandra Kaeser, Firesenai Sereke, Dunja Dux
und Felix Herzog
Nutztiere
134 Genetische Vielfalt in der EringerpopulationChristine Flury und Stefan Rieder
140 Porträt
141 Aktuelles
143 Veranstaltungen
Sortenlisten
Beilage Liste der empfohlenen Maissortenfür die Ernte 2011 J. Hiltbrunner, U. Buchmann, A. Baux,
J.-F. Collaud, L. Deladoey und M. Bertossa
Editorial
107Agrarforschung Schweiz 2 (3): 107, 2011
Valérie Miéville-Ott, Agridea
Liebe Leserin, lieber Leser
Seit gut 15 Jahren wird das Umfeld in dem sich die schweizerische Landwirt-
schaft entwickelt von wichtigen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Ver-
änderungen geprägt: Steigende Konkurrenz auf den Agrarmärkten, Preiszerfall,
Rückgang der Anzahl Betriebe, Zunahme der Arbeitsbelastung, Notwendigkeit
die Einkommensquellen zu diversifizieren, steigende Anforderungen an das Tier-
wohl und den Schutz der Umwelt, etc. In diesem unsicheren und sich stark ver-
ändernden Umfeld, das zu risikoreichem Verhalten führt, hängt das Aufrechter-
halten eines dynamischen landwirtschaftlichen Netzwerks von immer komplexer
werdenden Faktoren ab.
Zusätzlich ist der landwirtschaftliche Betrieb an sich ein komplexes System,
wo sich Arbeits- und Familienbeziehungen, Produktionsmittel und Vermögen,
Handelsbeziehungen und Beziehungen die auf gegenseitiger Rücksichtnahme
beruhen, technisches Können und saisonale Schwankungen vermischen.
Es ist deshalb einleuchtend, dass die deklarierten oder impliziten Ziele eines
jeden Familienmitgliedes von einer Vielfalt von Kriterien bestimmt werden, die
weit über die Gesetzmässigkeiten des «Homo oeconomicus» hinausgehen. Die
technisch-wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kann nicht für sich allein ausschlag-
gebend für die Entwicklungsperspektiven eines Betriebes sein, denn die Anpas-
sungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs hängt stark von den mensch-
lichen Faktoren ab.
Ein gutes Management der Familienverhältnisse und die Fähigkeit, soziale
Netze als Quellen neuen Wissen und gegenseitiger Hilfe zu schaffen, stehen im
Zentrum der Zukunft der Landwirtschaft. Das soziale und menschliche Kapital ist
genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als das technisch-wirtschaftliche
Potenzial. Kein auch noch so ausgefeiltes ökonometrisches Modell wird es jemals
ermöglichen, die Komplexität der Faktoren zu erfassen, die für die globale Leis-
tungsfähigkeit eines Betriebes ausschlaggebend sind und über Anpassungsfähig-
keit oder gar Überlebensfähigkeit entscheiden.
Angesichts dieser zahlreichen Herausforderungen verlangt die Begleitung
der Bauernfamilien nach neuen Kompetenzen und neuen Ansätzen. Es gilt, die
Bauern und Bäuerinnen als vollwertige Partner, als Nutzer vorhandenen Wissens,
aber auch als Produzenten von neuem und anwendungsbezogenem Wissen zu
sehen. Die Suche nach innovativen Lösungen muss deshalb im Sinne eines Dia-
logs und einer Partnerschaft zwischen Forschung, Ausbildung, Beratung und den
Bauernfamilien erfolgen.Aber die Zukunft der Schweizerischen Landwirtschaft spielt sich auf einem starken
politischen Feld ab. Angesichts des steigenden wirtschaftlichen Drucks erreicht die
Anpassungsfähigkeit der Betriebe ihre Grenzen. Auf dem Land entstehen neue
soziale Herausforderungen: unsichere familiäre Nachfolge, physische und mentale
Überforderung, Stress, Zunahme an Scheidungen, Unfällen etc. Diese Rahmenbe-
dingungen führen dazu, dass wir uns fragen, inwieweit die aktuellen Modelle der
wirtschaftlichen Entwicklung für die Landwirtschaft richtig sind.
Die Nachhaltigkeit der Schweizerischen Landwirtschaft darf nicht nur auf
den beiden Achsen Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit beruhen. Sie
muss gleichermassen die soziale Dimension mitberücksichtigen, damit sie nicht
nur wirtschaftlich, sondern auch lebendig, gesellschaftlich anerkannt und lebens-
wert ist. Eine solche Landwirtschaft ist sowohl physisch wie psychisch verträglich,
stiftet Sinn und ist Quelle von Lebensfreude für die Bauernfamilien.
Humanistischer Ansatz für landwirtschaftliche Betriebe
108
Migration von Pflanzen
Pflanzen legen seit jeher bei ihrem Generationenwech-
sel, obwohl sie an den Boden gebunden sind, auf ganz
natürliche Weise mehr oder weniger weite Distanzen
zurück. Der Mensch stört mit diese Migration. Er verteilt
Pflanzen in grösserer Menge und schneller als die Natur
rund um den Erdball. Samen und Pflanzenteile werden
einerseits in Rohprodukten und anderen Gütern unbe-
absichtigt verschleppt; Samen von Gleichblättrigem
Kreuzkraut (Senecio inaequidens) kamen in Baumwoll-
ballen in unser Land. Andererseits werden Pflanzen
wegen ihrer schönen Blätter oder Blüten als Zierpflan-
zen gehandelt, Goldrute (Solidago spp.) ist immer eine
beliebte Zugabe zu Blumensträussen, obwohl die Art
auf der Schwarzen Liste der SKEW (SKEW 2010) aufgelis-
tet ist.
Neophyten
Als Neophyten werden Pflanzen, die aus anderen Konti-
nenten stammen, bezeichnet. Die Entdeckung Amerikas
durch Christoph Kolumbus gilt als Beginn der Epoche der
Neophyten. Pflanzen aus fernen Herkünften können bei
uns ein Klima vorfinden, das ihnen behagt. Wenn sie in
ihrer neuen Umgebung keinen Fressfeinden oder Krank-
heiten ausgesetzt sind, können sie sich ungehindert ver-
mehren. Für Zentraleuropäische Gebiete gilt die
so genannte Zehnerregel: von 1000 importierten oder
eingeschleppten Pflanzenarten werden 100 in der freien
Natur zu wachsen beginnen, zehn von diesen werden
die Winterkälte überleben und sich etablieren, einer der
etablierten Neuankömmlinge kann sich ausserordentlich
stark vermehren. Mit ihrer starken Vermehrung kann die
Pflanze die einheimische Flora und langfristig auch die
Fauna verdrängen. Der Neophyt wird invasiv und gefähr-
det die Biodiversität. Eingeschleppte Pflanzen werden
nicht in jedem Fall mit ihrer Ansiedelung sofort invasiv. Sie können sich lange Zeit ruhig verhalten, bis sie güns-
tigere Bedingungen vorfinden und sich invasiv zu ver-
mehren beginnen. Dieser Artikel möchte aufzeigen,
dass bezüglich der Bekämpfung von invasiven Neophy-
ten keine allgemein gültigen Rezepte angewendet
werden können.
Vom ersten Erscheinen bis zur Invasion
Eine Invasion beginnt immer lokal. Sie beginnt dort wo
die Pflanze hinkommt und sich vermehren kann. Es spielt
keine Rolle, wie lange die Pflanze schon an Ort war und
ob es sich um einen Neophyten handelt. Die unverhält-
nismässig starke Vermehrung steht am Beginn der Inva-
sion. Die Art der Vermehrung beeinflusst die Bekämp-
fungsmethoden: Einfaches Ausreissen vor der Blüte ist
gegen Ambrosia (Ambrosia artemisiifolia) sehr wirksam.
Die grünen Pflanzenteile zu vernichten, reicht zur
Bekämpfung oft nicht aus, denn viele invasive Pflanzen
haben unterirdische Vermehrungsorgane. Unabdingbar
ist die Suche nach der Quelle der Verseuchung. Die
Quelle muss unterbunden werden, wenn sich ein
Bekämpfungserfolg einstellen soll. Eines haben alle
Invasionen gemeinsam: sie versetzen ihre Umgebung
in eine Art Ausnahmezustand.
Christian Bohren, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon 1
Auskünfte: Christian Bohren, E-Mail: [email protected],Tel. + 41 22 363 44 25
Invasive Pflanzen – wie weiter ?
U m w e l t
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 108–113, 2011
Abb. 1 | Erdmandelgras (Cyperus esculentus) wird mit Landmaschi-nen verschleppt und ist auf dem Vormarsch – die Alarmglocken läuten. (Foto: ACW)
Invasive Pflanzen – wie weiter ? | Umwelt
109
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Die Wanderung von Pflanzen um den
Globus ist eine wichtige Basis für unser
Leben. Mit der Globalisierung des Handels
und Tourismus stört der Mensch diese
Migration. Aus anderen Kontinenten
stammende Pflanzen – wie auch andere
Lebewesen – können sich am neuen Ort
anpassen und wegen fehlender Feinde das
bestehende Gleichgewicht der Biodiversität
empfindlich stören. Solche Pflanzen werden
invasive Neophyten genannt. Die intensive
Landnutzung des Menschen beschleunigt in
vielen Fällen die Pflanzeninvasion.
Seit Menschen die Erde bebauen, gibt es
Problempflanzen. Der Bauer muss seine
Bekämpfungsmethoden stetig anpassen.
Ähnlich sollte die Gesellschaft angepasste
Methoden zur Kontrolle von invasiven
Pflanzen akzeptieren. Kleine Gruppen von
Spezialisten sollten nach Anpassung der
bestehenden Konventionen für die Bekämp-
fung Massnahmen durchsetzen können, die
an die Pflanzenart angepasst sind. Gelöste
Probleme (Ambrosia) ermuntern, beste-
hende Probleme (Japanknöterich) und
zukünftige Probleme (Erdmandelgras)
beherzt anzupacken.
Landnutzung als Bauland ist für die bestehende Flora
eine Katastrophe. Mit den Bauten wird der Flora die
natürliche Grundlage entzogen. Während des Baupro-
zesses wird viel Bodenmaterial an andere Orte verfrach-
tet, was dazu führt, dass für Bauten viel mehr Bodenflä-
che gestört wird als das Gebäude selber nachher bedeckt.
Jede durch Bautätigkeit gestörte Fläche bietet wandern-
den Pflanzen, Gelegenheit sich anzusiedeln. Vor allem
invasive Pflanzen finden hier oft gute Voraussetzungen.
Die Folgen sind bekannt: die Invasion wird beschleunigt.
Mit dem steigenden Bedarf an nutzbarem Boden,
steigt auch der Bedarf des Menschen, Ursprüngliches zu
schützen. So müssen immer mehr Naturreservate
geschaffen werden. Diese Naturschutzgebiete sind aber
auch den Pflanzeninvasionen ausgesetzt. Ein Bachlauf
durch ein Naturschutzgebiet kann beste Voraussetzun-
gen für die Ansiedelung von Japanknöterich bieten,
wenn dieser weiter oben im nichtgeschützten Gebiet
nicht wirkungsvoll eliminiert werden kann. Die Rhizome
des Japanknöterichs destabilisieren das Ufer, sie werden
mit der Strömung weggeschwemmt und können sich
weiter unten im Naturschutzgebiet ansiedeln. Dort kön-
nen sie nach heute geltendem Recht überhaupt nicht
mehr effizient bekämpft werden, weil der Herbizidein-
satz allgemein verboten ist. So wird diese Invasion nie
gestoppt.
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 108–113, 2011
Abb. 2 | Goldrute (Solidago canadensis) ist nicht nur schlecht – sie bietet dem Rebhuhn Schutz. (Foto: ACW)
Umwelt | Invasive Pflanzen – wie weiter ?
110
Problempflanzen
Pflanzen, die aus menschlicher Sicht unerwünscht sind
und sich unverhältnismässig vermehren, gibt es überall.
In der Landwirtschaft sind das die schwer bekämpfbaren
Unkräuter, wie Disteln, Blacken oder Winden. Gewöhnli-
che Gräser wie Ackerfuchsschwanz (Agropyron repens)
oder Windhalm (Apera spica venti), die in vielfältigen
Fruchtfolgen unauffällig sind, können sich bei der Ver-
einfachung der Fruchtfolgen – etwa Spezialisierung auf
Getreideproduktion – zu wahren Problemunkräutern
entwickeln (Menne et al. 2008). Im Fall des Ackerfuchs-
schwanz/Windhalms kann das Problem oft nicht besei-
tigt werden, da die wirtschaftlichen Bedingungen eine
einseitige Produktionsform (unausgeglichene Frucht-
folge) begünstigen. Die Landwirtschaft wird immer wie-
der mit neuen Unkräutern konfrontiert, seien dies ein-
heimische welche auf veränderte Anbaumethoden
reagieren oder Neophyten. Beide, Neophyten und ein-
heimische Pflanzen erfordern dieselbe Aufmerksamkeit
betreffend zusätzlichem Bekämpfungsaufwand und
genauem Beobachten der Weitervermehrung. Letztlich
spielt dabei die Herkunft der Pflanzen keine Rolle.
Ein anderes Beispiel ist der Japanknöterich (Reynoutria
spp.) – vor 150 – 200 Jahren als Zierpflanze eingeführt.
Dieser konnte sich in den letzten Jahrzehnten in vielen
Ländern Europas ungehindert ausbreiten. Mittlerweile
hat diese Pflanze die Landnutzungszonen des Menschen
erreicht und wird zum Kostenfaktor. Gemäss Zeitungs-
angaben sollen die Kosten zur Beseitigung von Japan-
knöterich auf den Baustellen von Olympia 2012 in
London etwa 100 000 £ betragen. Die englische Umwelt-
behörde (Environment Agency 2010) spricht von 4 ha
befallener Fläche auf dem zukünftigen Olympiagelände.
Auf eine «spektakuläre Verbreitung in England» weist
auch die Internetseite www.jksl.com hin. Oberirdische
Bekämpfung reicht nicht, die Rhizome sind mit vernünf-
tigem Aufwand nicht vollständig aus dem Boden ent-
fernbar, somit sind mehrere Folgemassnahmen erfor-
derlich. Japanknöterich ist an Gewässern störend, da er
die ohnehin oft knapp berechneten Uferzonen destabi-
lisieren kann. Mit rein mechanischen Methoden kann
man der Pflanze kaum Herr werden und verursacht
zusätzlich hohe Arbeitskosten; eine Kombination von
mechanischen und chemischen Massnahmen bringt den
sichersten Erfolg.
Ambrosia, vor etwa 150 Jahren eingeschleppt, ist bei uns
erst seit wenigen Jahren im Vormarsch (Bohren et al.
2008). Ausreissen vor der Blüte reicht in vielen Fällen als
Bekämpfungsmassnahme, da sich Ambrosia nur mit
Samen vermehrt.
Im Kanton Genf gibt es ein Projekt zur Förderung des
Rebhuhns (Perdrix perdrix) in Gebieten mit intensivem
Anbau. 1996 haben Mayor & Lambelet-Haueter bei
Vegetationsanalysen Kanadisches Berufkraut (Conyza
canadensis) als unerwünschte Pflanze erwähnt. Heute
bieten die ökologischen Ausgleichsflächen der Land-
wirte, vor allem die Buntbrachen, eine exzellente Nische
für die Besiedelung durch den Vogel – nicht zuletzt
wegen der damals noch nicht vorhandenen, hochwach-
senden Goldrute. Die Goldrute kommt heute in dieser
Gegend häufig vor. Wenn sich das Rebhuhn auf einer
solchen Fläche einmal angesiedelt hat, sollte diese mög-
lichst lange unberührt bleiben. Deshalb wird fast jede
langlebige Buntbrache vom invasiven Neophyt Goldrute
befallen. Die Buntbrache verliert einerseits ihren Wert
gemäss den gültigen Richtlinien für den Ökoausgleich,
und müsste folglich aus dem Direktzahlungssystem aus-
geschlossen werden. Andererseits ist sie ein wertvolles
Element im Projekt zur Förderung des Rebhuhns und
wird – auch wenn die Brache voller Goldrute ist – wegen
des Rebhuhns nicht obligatorisch aufgehoben werden
müssen. So ist die per Definition gefährliche, weil inva-
sive Goldrute nützlich für das Rebhuhn. Nach Rekultivie-
rung einer Brache reagiert die Goldrute glücklicherweise
sehr empfindlich auf Bodenbearbeitung. Deshalb ist die-
ser Neophyt in Ackerkulturen keine Problempflanze. Als letztes Beispiel wird das Erdmandelgras (Cyperus
esculentus) erwähnt. Dieser invasive Neophyt breitet
sich mit seinen erbsengrossen Brutknöllchen in der
Erde zunehmend in intensiven Gemüsekulturen aus,
beeinträchtigt die Erntemenge und wird durch Land-
maschinen auf andere Felder verschleppt (Total 2008).
Unter diesen Bedingungen ist es leicht vorhersehbar,
dass uns diese Pflanze zukünftig grosse Probleme
machen wird. Die oderirdische Bekämpfung dämmt die
Invasion nicht ein. Gut wirksame Herbizide können
die Vermehrung des Erdmandelgrases nicht verhin-
dern, wenn sie wegen der nötigen Kulturverträglich-
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 108–113, 2011
Abb. 3 | Japanknöterich (Reynoutria spp.) ist weit verbreitet und nur mit grossem Aufwand bekämpfbar – die Probleme werden mit der Zeit nicht kleiner. (Foto: ACW)
Invasive Pflanzen – wie weiter ? | Umwelt
111
Bekämpfungsmethoden wurden verfeinert: vermehrtes
Hacken in Ackerkulturen, Reduktion der Bodenbearbei-
tungsintensität, Einsatz von Gründünger. Heute orien-
tiert sich die Unkrautbekämpfung am Prinzip der ökono-
mischen Schadensschwellen. Die Kosten der Bekämpfung
sollen nicht höher sein als der monetäre Gegenwert des
Ertragsverlustes wenn nicht bekämpft wird. Mit den
beschriebenen Prinzipien zur Unkrautbekämpfung
kommt die heutige Landwirtschaft im Allgemeinen gut
zurecht. Es ist unbestritten, dass die Herbizide effiziente
Bekämpfungsmethoden bieten, die viele Handarbeits-
stunden ersetzen. Hinsichtlich der Bekämpfung von
invasiven Neophyten kann man sich durchaus die Frage
stellen, ob Schadensschwellen sinnvoll wären. Es ist sinn-
los, den invasiven Neophyten den totalen Krieg – also
die Ausrottung – erklären zu wollen. Aber Pflanzenin-
vasionen könnten sinnvoll zurückgedrängt werden.
Ambrosia schadet nicht, solange die Grenzwerte der all-
ergenen Pollen in der Luft nicht überschritten werden;
Japanknöterich schadet viel weniger, wenn er nicht ent-
lang von Verkehrs- und Wasserwegen vorkommt.
Wir suchen heute die wirksamsten Bekämpfungsmetho-
den gegen all diese Arten – wir wollen keine gepflegten
Bestände von invasiven Pflanzen («pet-invasives») an
Orten wo sie Probleme verursachen. Die Methoden müs-
sen in unsere Umweltgesetzgebung passen. Hier sei die
Frage erlaubt, ob die bestehenden Umweltgesetze eine
Ausnahmesituation wie die invasive Ausbreitung von
Pflanzen beispielsweise entlang von Wasserläufen und
Seeufern genügend würdigen oder nicht.
Aktuelle Situation und Perspektiven
Unser Ziel muss es sein, Situationen, wie wir sie heute
mit dem Japanknöterich haben, in Zukunft zu vermei-
den. Wir müssen die Gefährlichkeit einer beginnenden
Invasion frühzeitig erkennen und die betroffene Pflan-
zenart frühzeitig mit allen zu Verfügung stehenden Mit-
teln bekämpfen können. Nur auf diesem Weg wird es
möglich sein, exorbitante Bekämpfungskosten gegen
eine einzelne invasive Art, zu verhindern. Auf der
«schwarzen Liste» befinden sich gegenwärtig etwa
20 Arten, es werden weitere dazukommen. Invasive
Pflanzen verursachen bei uns eine Gefährdung der Bio-
diversität, hohe Bekämpfungskosten, Risiken für die
menschliche Gesundheit etc. Alle diese Verluste zeigen,
dass wir es noch nicht verstehen, auf eine Pflanzenin-
vasion mit geeigneten Mitteln zu antworten.
Es braucht einen neuen «Spinnerclub»
Die Eisenbahn hatte oftmals ein starres, ja verstaubtes
Image einer Institution, die sich mit Innovationen
schwertat. Dieses Verhalten war früher vor allem aus
keit hinsichtlich der Knöllchenbildung zur falschen
Zeit eingesetzt werden müssen.
Bei all diesen Beispielen laufen wir in schwer lösbare
und ganz verschiedenartige Probleme. Die werden
schnell grösser, wenn wir nicht früh genug einschreiten
können. Von vielen Pflanzen auf der schwarzen Liste
(SKEW) wissen wir nicht ob und wann sie sich invasiv ver-
breiten werden.
Invasive Neophyten nur dort ausrotten wo sie schaden
Ein wichtiges Element in Land- und Ackerbau ist seit
jeher die richtige Behandlung von Unkräutern oder der
Ackerbegleitflora. Die Unkrautbekämpfung hatte früher
zum Ziel, Unkräuter auszuschalten um damit die Produk-
tion wesentlich zu vereinfachen und zu erleichtern.
Einerseits wurden so Ertragsverluste verhindert, ande-
rerseits konnte die Zunahme der Verunkrautung durch
fehlende Versamung in den folgenden Jahren unterbun-
den werden (Zwerger und Ammon 1999). Mit der Ent-
wicklung von Herbiziden glaubte man, dem unkraut-
freien Ackerbau einen grossen Schritt näher gekommen
zu sein, bis das Auftreten von herbizidresistenten
Unkräutern und Gewässerverunreinigungen durch Her-
bizide diesen Träumen ein Ende setzten. Man begann,
den ökologischen Wert der Unkräuter zu erkennen. Die
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 108–113, 2011
Abb. 4 | Die Invasion durch Ambrosia (Ambrosia artemisiifolia) ist gestoppt – die Überwachung darf nicht einschlafen. (Foto: ACW)
112
Umwelt | Invasive Pflanzen – wie weiter ?
sicherheitstechnischen Überlegungen nützlich, denn es
verhinderte unüberlegte Entscheide, die zu Unfällen
hätten führen können. Die Schweizerischen Bundesbah-
nen überlegten sich schon in den 60er Jahren des letzten
Jahrhunderts, wie sie aus den althergebrachten Struktu-
ren ausbrechen könnten. Sie suchten eine Antwort auf
den boomenden Autobahnbau um letztendlich mehr
Güter und Personen auf die Schiene zu bringen und
diese schneller zu befördern. Die Bahnverwaltung rief
ein kleines Team aus Bahn- und Fahrplaningenieuren ins
Leben, welches die Aufgabe hatte, den Bahnbetrieb
unabhängig von allem Althergebrachten neu zu erfin-
den (Hürlimann 2007). Dieses Team hatte die Freiheit,
die verrücktesten Ideen zu entwickeln, ohne bestehende
Bedingungen als Grenze akzeptieren zu müssen. Die
Gruppe wurde bald einmal als «Spinnerclub» bezeich-
net; einerseits weil man nie so recht wusste, was sie
gerade diskutieren, andererseits weil sie «verrückte»
Ideen entwickelten. Zusammen mit den holländischen
Bahnen entwickelte dieses Team die Verrücktheit eines
Taktfahrplans. 20 Jahre später wurde der Taktfahrplan in
die Praxis umgesetzt. Heute ist er nicht mehr aus dem
Bahnbetrieb wegzudenken.Bezogen auf die einwandernden Pflanzen, könnte ein
«think tank» (= Spinnerclub) sehr wichtige Funktionen
erfüllen, um neue Invasionen früh zu erkennen und fort-
geschrittene Invasionen abzubremsen. Kleine Gruppen
von Spezialisten mit je einem Vertreter von Ökologie,
Medizin, Agronomie, Behörden und Politik, müssten
regelmässig zusammenkommen und die neuesten Ent-
wicklungen auf dem Gebiet der Einwanderung von Pflan-
zen erörtern. Das Beobachtungsgebiet eines solchen
Teams wäre geografisch und Klimatisch – ohne Berück-
sichtigung von Kantons- und Staatsgrenzen – begrenzt
(biogeographische Regionen); somit würde es in unserem
Land mehrere solcher Teams geben. Die Zusammenset-
zung der kleinen Gruppen müsste unter die Prämisse der
Früherkennung von Pflanzeninvasionen und der Vermei-
dung von immensen Bekämpfungs problemen durch
expandierende Invasoren gestellt werden: der Ökologe
erkennt entstehende Fehlentwicklungen (Pflanzeninva-
sion) früh, die Medizinerin beurteilt Problempflanzen auf
ihr gesundheitliches Risiko, der Agronom entwickelt eine
Bekämpfungsstrategie, die Be hördenvertreterin erkennt
die entstehende Aus nahmesituation und kann die Anpas-
sung von Regelungen einleiten, der Politiker kann früh-
zeitig finanzielle Mittel bereitstellen.
Situation heute
Die stetig intensivere Landnutzung bringt uns immer
mehr in Konflikt mit Pflanzen. Gemüsebauflächen in
Stadtnähe werden verbaut, die Gemüsebauern müssen
auf Ackerflächen ausweichen; die Zahl der Austauschfel-
der nimmt zu. In dieser Mischung von intensivem Gemü-
sebau und Ackerbau auf denselben Flächen findet zum
Beispiel Erdmandelgras ideale Voraussetzungen, sich zu
verbreiten. Die Brutknöllchen werden in Gemüsekultu-
ren durch mehrmalige Boden- und Erntearbeiten im Jahr
rasch übers ganze Feld verteilt. Felder im Austausch zwi-
schen Gemüse- und Ackerbau werden von Maschinen
angefahren, die zuvor auf einem verseuchten Feld arbei-
teten und mit der klebenden Erde werden Brutknöll-
chen verfrachtet. Mit Herbiziden ist die Bildung der
Knöllchen nicht zu stoppen. Hier läuten bereits die
Alarmglocken.
Auf Anregung mehrerer Kantone wurde ein grosses
Versuchsnetz gegen Japanknöterich aufgezogen. Die
Versuchsdauer richtet sich nach der für den Nachweis
des wirksamsten Bekämpfungsverfahrens nötigen
Anzahl von Vegetationsperioden (mindestens 4 Jahre).
Ob dereinst die effizienteste Methode überall angewen-
det werden darf, ist noch nicht entschieden.
Die Ambrosia Invasion wurde in der Schweiz frühzeitig
erkannt. Die rasche Aufnahme des Allergieunkrauts in
die Pflanzenschutzverordnung als obligatorisch zu
bekämpfendes Unkraut hat sehr viel dazu beigetragen,
dass wir heute die Situation gut im Griff haben. Ebenso
wichtig ist, dass das Bekämpfungsgebot trotz politischer
Widerstände weiterhin bei der stark betroffenen Land-
wirtschaft verankert ist. Die Gefahr der Invasion ist damit
jedoch nicht gebannt. Deshalb muss die Aufmerksam-
keit gegen Ambrosia bestehen bleiben.
Eine sehr rasche Verbreitung findet derzeit das
Gleichblättrige Kreuzkraut (Senecio inaequidens) vor
allem entlang von Autobahnen. Es ist gut erkennbar, da
es bis zu Beginn der Winterkälte auf den Mittelstreifen
hell gelb blüht. Ob dieses mehrjährige, für Stalltiere gif-
tige Kraut in naher Zukunft anliegende Flächen befallen
wird, wissen wir nicht. Auch hier gilt erhöhte Wachsam-
keit des Menschen.
n
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 108–113, 2011
Hinweis
An einem internationalen Kongress – organi-
siert von der Europäischen Gesellschaft für
Unkrautforschung (EWRS) und Agroscope
Chagins-Wädenswil (ACW) – über invasive
Pflanzen vom 2. – 7. Oktober 2011 in Ascona
soll über die Beziehungen von Unkrautbio-
logie und -bekämpfung in der Landwirtschaft
und Pflanzeninvasionen diskutiert werden
http://invasive.weeds.ascona.ewrs.org
113
Invasive Pflanzen – wie weiter ? | Umwelt
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Piante invasive – come procedere?
La migrazione delle piante in tutto il
mondo è un importante fattore per la
nostra vita. Con la globalizzazione
delle sue attività l’uomo disturba
questa migrazione. Piante ed altre
forme di vita, provenienti da altri
continenti, sono in grado di adattarsi
al loro nuovo ambiente, ma in assenza
di nemici, come p.es. erbivori, malattie,
ecc., perturbano severamente l’attuale
equilibrio della biodiversità. Tali piante
sono chiamate neofite. L’uso intenso
del terreno accelera, in molti casi, la
loro invasione. Da quando l’uomo
coltiva la terra esistono piante proble-
matiche e l’agricoltore deve costante-
mente adattare il suoi metodi di lotta.
Allo stesso modo la società dovrebbe
accettare i metodi adattati al controllo
di piante invasive. Piccoli gruppi di
esperti dovrebbero poter imporre,
indipendentemente da convenzioni
preesistenti, delle misure di lotta
adatte alla specie. Problemi risolti
(Ambrosia) incoraggiano ad affrontare
con vigore problemi esistenti (Poligono
del Giappone) e futuri (Cipero dolce).
Invasive plants – what else?
The migration of plants around the
globe is essential for our life. Globali-
zation of human activities disturbs
normal plant migration. Plants and
other live forms from other continents
do adapt to their new environments.
If they do not find enemies there, they
might become invasive and disturb the
balance of the biodiversity. Plant
invasions often depend on the inten-
sity of land use. Since men cultivate
land, weeds do exist and control
methods must be adapted to them.
The society should accept the introduc-
tion of appropriate methods to control
the weed. Small specialized groups
could develop adapted control strate-
gies after existing restrictions for
control have been adapted. Solved
problems (ragweed) motivate to
courageously tackle existing problems
(Japanese knotweed) and future
problems (yellow nutsedge).
Key words: invasion, control method,
society, invasive plant.
Literatur b Bohren C., Delabays N. & Rometsch S., 2008. Invasive Pflanzen: Heraus-forderung für die Landwirtschaft? Agrarforschung 15 (7): 314 – 319.
b Environment Agency, 2010. Zugang: http://www.environment-agency.gov.uk/research/library/publications/103309.aspx [09.12.2010]
b Hürlimann G., 2007. In: Unternehmerische Netzwerke, Berghoff H. & Sydow J. (Hrsg.), Verlag Kohlhammer, Stuttgart.
b Mayor J.-Ph. & Lambelet-Haueter C. 1996. Evolution comparée de la vé-gétation d’une friche spontanée et d’une jachère florale. Revue Suisse Agric. 28 (6), 337 – 343.
b Menne H.J., Wagner J., Schleich-Saidfar C., Hoppe H.J., Zange B. & Bar-tels M., 2008. Traget-site resistance in black-grass (Alopecurus myosuro-ides Huds.) to ACCase inhibiting herbicides in Northern Germany – Are there correlating factors in the agronomic production systems? Journal of Plant Diseases and Protection, Special Issue XXI, 31 – 36.
b Total R., 2008. Kulturpflanze oder Problemunkraut? G’plus 14, 14 – 15. b SKEW, 2010. Schweizerische Kommission zur Erhaltung von Wildpflan-zen. Zugang: www.cps-skew.ch [06.12.2010].
b Zwerger P. & Ammon H.U., (Hrsg.), 2002. Unkraut – Ökologie und Be-kämpfung. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 108–113, 2011
114
E i n l e i t u n g
In ländlichen Gebieten kommt die heranrückende
Wohnbebauung bestehenden landwirtschaftlichen
Betrieben mit der Zeit näher oder gar zu nahe. Zugleich
verändern sich die Dorfstrukturen. Der Kontakt der
Wohnbevölkerung zur Landwirtschaft nimmt ab und
damit sinkt in hohem Mass das Verständnis und die Tole-
ranz für Tierhaltung und landwirtschaftliche Gerüche.
Kommunen, Behörden und Gerichte müssen sich ver-
mehrt mit Beschwerden und Klagen über Geruchsbeläs-
tigung von Tierhaltungsanlagen befassen. Bei der Stand-
ortwahl von Tierhaltungsanlagen sind raumplanerische
Anforderungen zur Vermeidung der Zersiedelung und
die Voraussetzungen für eine längerfristige Betriebsent-
wicklung hin zu grösseren Tierbeständen oft wider-
sprüchlich. Erst wenn es gelingt, die daraus entstehende
Diskussion auf eine fachliche Basis zu bringen, werden
jene Lösungsansätze reifen, welche der Konfliktvermei-
dung und Betriebsentwicklung im Interesse der Tierhal-
tenden und der Anwohnenden am besten dienen. Erfor-
derlich sind daher aktualisierte, fundierte Planungsdaten
zur Ermittlung von Mindestabständen zwischen Tierhal-
tungsanlagen und Wohnzonen (Richner und Schmidlin
1995) mit Blick auf eine gezielte Standortwahl bei Neu-
und Erweiterungsbauten. Die Geruchsemission pro Tier
Margret Keck1, Alfons Schmidlin1, Kerstin Zeyer2, Lukas Emmenegger2 und Sabine Schrade1
1Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen2Empa Dübendorf, 8600 Dübendorf
Auskünfte: Margret Keck, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 368 31 31
Geruchskonzentration und -emission von Milchviehställen mit Laufhof
U m w e l t
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 114–119, 2011
Abb. 1 | Laufställe für Milchvieh – Flächenquellen für Geruch. (Foto: ART)
Geruchskonzentration und -emission von Milchviehställen mit Laufhof | Umwelt
115
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Gemeinden, Behörden und Gerichte sind
vermehrt mit Beschwerden und Klagen über
Geruchsbelästigung von Tierhaltungsanlagen
konfrontiert. Die Geruchskonzentration und
-emission von fünf frei gelüfteten Milchvieh-
ställen wurde in zwei Jahres- und zwei
Tageszeiten verglichen. Für diese Ställe mit
Liegeboxen, planbefestigten Laufflächen
und angrenzendem Laufhof kam eine neu
entwickelte Tracer-Ratio-Methode zum
Einsatz. Die Geruchskonzentration von den
Flächenquellen am Boden (Liegebox, Lauf-
gang und Laufhof) und in 3 m Höhe wurde
am Olfaktometer mit Testpersonen bestimmt.
Während am Boden die höchsten Geruchs-
konzentrationen vor allem im Laufgang
auftraten, war die Geruchskonzentration in
3 m Höhe über den drei Flächenquellen
vergleichbar. Dies deutet auf eine starke
Durchmischung zwischen diesen Bereichen
bereits in 3 m Höhe hin. Die Geruchsemission
am Nachmittag war an sechs der sieben
Messtage um das zwei- bis vierfache höher
als am Morgen. Auch zwischen den Betrieben
variierte die Geruchsemission stark. Deshalb
bedingt eine vergleichende Bewertung von
Tierhaltungssystemen breit abgestützte
Daten auf mehreren Betrieben, den Einbezug
aller Jahreszeiten und eine hohe tageszeitli-
che Auflösung. Erforderlich sind aktuelle,
fundierte Planungsdaten zur Bestimmung
von Mindestabständen und als Basis für
Ausbreitungsmodellierung sowie die wich-
tigsten Einflussgrössen auf die Geruchsfrei-
setzung, um Lösungen zur Geruchsminde-
rung aufzeigen zu können.
oder Grossvieheinheit (1 GV = 500 kg Lebendmasse) und
Zeiteinheit ist für die vergleichende Bewertung von Tier-
haltungssystemen ein geeignetes Mass sowie eine
unentbehrliche Eingangsgrösse für aussagekräftige Aus-
breitungsmodellierungen.
Während Oldenburg (1989) bereits in den 80er-Jahren
Geruchsemissionen bei 17 Boxenlaufställen mit Milch-
vieh ohne Berücksichtigung der tageszeitlichen Varia-
tion gemessen hat, legt Brose (2000) zeitlich höher auf-
gelöste Daten vor, jedoch nur von einem Einzelbetrieb.
Gemäss der Geruchsimmissionsrichtlinie GIRL (2008) aus
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 114–119, 2011
Abb. 2 | Schematische Darstellung mit Grundriss und Schnitt eines zweireihigen Liegeboxenlaufstalls mit Zudosierung, Probenahme sowie Klimasensoren.
Umwelt | Geruchskonzentration und -emission von Milchviehställen mit Laufhof
116
Deutschland sind Offenställe bei Ausbreitungsrechnun-
gen bisher ein Problemfall, da die Emissionen von den
Wetterbedingungen, zum Beispiel Anströmgeschwindig-
keit und -richtung, abhängen. Daher sind Emissionsfakto-
ren von frei gelüfteten Systemen besonders sorgfältig zu
ermitteln. Erforderlich ist eine breiter abgestützte, aktu-
elle Datengrundlage von relevanten Verfahren und von
einer ausreichenden Zahl von Betrieben. Daten zu Liege-
boxenlaufställen mit Laufhof (Abb.1) als bodennahe, dif-
fuse Emissionsquelle fehlen bisher komplett. Gerade die-
ses Haltungssystem gewinnt jedoch derzeit in der Schweiz
stark an Verbreitung. Dass Daten für frei gelüftete Ställe
fehlen, ist vor allem auf Schwierigkeiten bei der Bestim-
mung der Luftwechselrate zurückzuführen.
Ziel dieser Untersuchung war ein Vergleich der
Geruchskonzentration zwischen verschiedenen Flächen-
quellen sowie die Quantifizierung von Geruchsemissio-
nen aus Liegeboxenlaufställen für Milchvieh mit Lauf-
hof. Die Variation zwischen zwei Tages- und Jahreszeiten
sowie zwischen Betrieben war aufzuzeigen.
M e t h o d e n
Die Messungen erfolgten in fünf Laufställen mit Milch-
vieh (Betriebe 2–6), Liegeboxen, planbefestigten Lauf-
flächen und angrenzendem Laufhof. Die vorliegenden
Geruchserhebungen waren integriert in die Untersu-
chungen von Schrade (2009) «Ammoniak- und PM10-
Emissionen im Laufstall für Milchvieh mit freier Lüftung
und Laufhof anhand einer Tracer-Ratio-Methode» auf
sechs Betrieben. Die Betriebe, Haltungsverfahren und
Tierparameter sind bei Schrade (2009) detailliert
beschrieben. Weiter wurden zur Charakterisierung der
jeweiligen Messsituation, als Bezugsgrössen und zur
Ableitung von wichtigen Einflussgrössen auf die Emissio-
nen auch Klimadaten, der Tieraufenthalt im Laufhof
und die Verschmutzung der Laufflächen erfasst. In Abbil-
dung 2 ist der Grundriss eines Betriebes beispielhaft auf-
gezeigt. Die verschiedenen Stallbereiche Laufgang, Lie-
geboxen und Laufhof wurden differenziert. Der
Vergleich erfolgte in den beiden Jahreszeiten Frühjahr
und Sommer (Tab. 1), jeweils am frühen Morgen (zwi-
schen 4:00 und 5:30 Uhr) und am späten Nachmittag
(zwischen 15:00 und 16:30 Uhr). Betrieb 6 war in beiden
Jahreszeiten vertreten, bei Betrieb 2 erfolgten im Som-
mer Messungen an zwei Tagen.Auf den verschiedenen Flächenquellen am Boden
wurde jeweils aufeinanderfolgend eine Probenahme-
haube (845 mm Durchmesser, Eigenbau) aufgesetzt und
während 20 Sekunden Probenluft mit einem ECOMA-
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 114–119, 2011
Abb. 3 | Verschiedene Flächenquellen im Milchviehstall.
Laufgang am Fressbereich Laufhof
Betrieb 2 3 4 5 6
Fläche gesamt [m²], 575 858 412 529 568
davon Lauffläche 440 624 295 377 388
Tiere, Anzahl GV [n] 58 94 40 77 90/83
Erhebungstermin [Monat] 2 Termine: August März April Juli Mai, Juni
Lufttemperatur [°C] 12,6/22,8 5,5/20,5 9,3/7,4 13,1/19,6 9,6/20,6
Morgen/Nachmittag 14,0/24,1 13,1/25,5
Tab. 1 | Angaben zu den Betrieben mit Stallflächen, Tierbestand sowie Erhebungsterminen und Temperaturdaten
Liegebox
Geruchskonzentration und -emission von Milchviehställen mit Laufhof | Umwelt
117
R e s u l t a t e
Verschiedene Flächenquellen am Boden
Beim Vergleich der Geruchskonzentration der drei Stall-
bereiche waren die Werte von den Laufgängen mit
einem Median von 870 GE/m3 deutlich höher als von den
Liegeboxen mit weniger als 150 GE/m3 oder von den
Laufhöfen bei 70 beziehungsweise 435 GE/m3 (Abb. 3
und Abb. 4a). Dies spiegelt den höheren Tieraufenthalt
und entsprechend den Anfall an Kot und Harn im Lauf-
gang im Vergleich zum Laufhof wider (Schrade 2009).
Allerdings streuten die Einzelwerte in einem weiten
Bereich. Dies wird zum Beispiel dadurch illustriert, dass
die Geruchskonzentration am Boden Werte bis
4000 GE/ m3 erreichte, während 50 % aller Werte unter
400 GE/m3 lagen. Mit Ausnahme von Betrieb 4 waren die
Geruchskonzentrationen meist am Nachmittag höher als
am Morgen. Das abweichende Verhalten des Betriebs 4
ist wahrscheinlich auf Niederschlag am Erhebungstag
(morgens 3 mm, nachmittags 12 mm) zurückzuführen.
Luftsammelproben in drei Meter Höhe
Die Luftsammelproben in 3 m Höhe sind räumlich und
zeitlich viel stärker gemittelt als die Proben mittels einer
Haube am Boden. Während am Boden die höchsten
Geruchskonzentrationen vor allem im Laufgang auftra-
ten, war die Geruchskonzentration in 3 m Höhe zwischen
den beiden Jahreszeiten und den drei Bereichen ähnlich
(Abb. 4b). Der Median über alle Bereiche lag zwischen 25
und 37 GE/m3. Dies lässt auf eine starke Durchmischung
zwischen diesen Bereichen bereits in 3 m Höhe schliessen.
Probenehmer in Beutel aus Nalophan (9 Liter Volumen)
gesaugt. Die einzelnen Probenahmeorte im Laufgang, in
der Liegebox und im Laufhof waren bereits im Erhebungs-
raster vorgegeben, um eine subjektive, selektive Auswahl
der jeweiligen Probenahmestelle zu vermeiden (Abb. 2).
Die Geruchskonzentration auf Bodenniveau wurde mit
der Geruchskonzentration in etwa 3 m Höhe (Abb. 2) ver-
glichen. Für die Proben in 3 m Höhe kam ein Luftsammel-
system aus Teflonschlauch und kritischen Glaskapillaren
zum Einsatz. Dieses ermöglichte repräsentative Probenah-
men der Tracergase und der Geruchsproben in den weit-
räumigen Ställen. Als Luftsammelprobe wurde jeweils die
Geruchsprobe über ein Zeitintervall von acht Minuten in
den jeweiligen Probenbeutel mit einer Schlauchquetsch-
pumpe gesaugt. Die 81 Probenbeutel wurden innerhalb
von 24 Stunden am Olfaktometer TO8 (ECOMA) von
jeweils vier Testpersonen, in Anlehnung an DIN EN 13725
(2003), bewertet. Die Testpersonen wurden mit n-Butanol
(100 ppm) kontrolliert.Für die Bestimmung der Emissionen bei freier Lüf-
tung und von Flächenquellen entwickelten ART und
Empa eine Tracer-Ratio-Methode mit zwei Tracergasen
(SF6, SF5CF3). Die verdünnten Tracergase wurden über ein
Rohrsystem mit kritischen Kapillaren direkt an den emit-
tierenden Laufflächen kontinuierlich zudosiert und bil-
deten so die Quelle der Geruchsemission ab. Die Analyse
der beiden Tracergase erfolgte simultan mittels Gaschro-
matographie (GC-ECD). Die Geruchsemission lässt sich
aus dem Konzentrationsverhältnis des zudosierten Tra-
cergases am Boden und in 3 m Höhe, multipliziert mit
der Geruchskonzentration ermitteln.
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 114–119, 2011
Ger
uchs
konz
entr
atio
n [G
E/m
³]
0
20
40
60
80
100
LB LG LH LB LG LH
Frühjahr Sommer
Jahreszeit, Bereich
0
1000
2000
3000
4000
5000
LB LG LH LB LG LH
Frühjahr Sommer
Jahreszeit, Bereich
a) Boden b) in 3 m Höhe
Ger
uchs
konz
entr
atio
n [G
E/m
³]
Abb. 4 | Geruchskonzentration a) am Boden und b) in 3 m Höhe, angegeben als Geruchs-einheiten pro Kubikmeter Luft [GE/m3], nach Jahreszeit und Stallbereich (LB Liegebox, LG Laufgang, LH Laufhof), als Median und Einzelwerte.
• Einzelwerte
– Median
118
Umwelt | Geruchskonzentration und -emission von Milchviehställen mit Laufhof
Geruchsemission
In Abbildung 5 ist die Geruchsemission nach den beiden
Zeitpunkten Morgen und Nachmittag aufgeteilt: Die
Geruchsemission am Nachmittag war in sechs der sieben
Messtage um das zwei- bis vierfache höher als am Mor-
gen. Nur bei Betrieb 4 mit Niederschlag während der
Erhebung war dieser Effekt nicht vorhanden.
Auch zwischen den Betrieben war die Variation im
Median mit 11 – 30 GE/GV × s sehr hoch. Betrieb 4 zeigte
am Tag mit Niederschlag die tiefste Geruchsemission.
Die höchsten Werte resultierten auf Betrieb 3 im Früh-
jahr. Die Betriebe 2 und 6 im Sommer mit den höchsten
Lufttemperaturen führten bei der Geruchsemission nicht
zu den höchsten Werten.
D i s k u s s i o n
Die Luftsammelproben zur Geruchskonzentration in 3 m
Höhe ermöglichen eine Aussage über den jeweiligen
Stallbereich, während eine Probenahme mit der Haube
am Boden nur einen sehr punktuellen Ausschnitt wie-
dergibt. Um räumlich heterogen verschmutzte Flächen,
insbesondere den Laufhof, adäquat zu charakterisieren,
wie dies bei Schrade (2009) der Fall war, wäre mit Probe-
nahmehauben eine deutlich grössere Probenanzahl
erforderlich.
Der grosse tageszeitliche Unterschied bei der
Geruchsemission kann einerseits durch Unterschiede in
der Tieraktivität, in der Überströmung der verschmutz-
ten Fläche, aber auch durch Unterschiede in der Tempe-
ratur bedingt sein.
Bei der Geruchsemission war ein ausgeprägt saiso-
naler Effekt im Vergleich mit den Daten zu den Ammo-
niakemissionen bei Schrade (2009) auf denselben
Betrieben nicht ersichtlich (Abb. 5). In der vorliegenden
Untersuchung mit Offenställen, mit grösseren Flächen
und Laufhof war die Geruchsemission höher als in der
Literatur mit eher geschlossenen Ställen und Trauf-
First-Lüftung (Oldenburg 1989, Brose 2000).
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Die neue Tracer-Ratio-Methode kombiniert mit Geruchs-
proben ermöglicht es, Geruchsemissionen in frei belüfte-
ten Ställen zu quantifizieren. Eine verbesserte Daten-
grundlage von Geruchsemissionen aus den fünf frei
belüfteten Ställen mit Laufhof dient zum einen für Pla-
nungshilfsmittel zur Ermittlung von Mindestabständen
zwischen Tierhaltungsanlagen und Wohnzonen und
zum anderen als Basis für die Ausbreitungsmodellierung.
Erst mit breiter abgestützten Daten auf einer ausrei-
chenden Zahl von Betrieben, dem Einbezug aller Jahres-
zeiten und zeitlich höher aufgelösten Erhebungen wird
eine vergleichende Bewertung von Tierhaltungssyste-
men möglich. Denn die dynamischen Prozesse mit Tier-
aktivität, Windanströmung und Austrocknung sind für
die Geruchsemission bei frei gelüfteten Ställen relevant.
Eine bessere Kenntnis der wichtigsten Einflussgrössen
auf die Geruchsfreisetzung hilft auf dem Weg zur
Geruchsminderung. n
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 114–119, 2011
Ger
uchs
emis
sion
[GE/
GV·
s]
0
10
20
30
40
50
60
70
80
3 4 6 Median 2 5 6 Median
Frühjahr Sommer
Jahreszeit, Betrieb
Median Gesamt Einzelwerte Morgen Einzelwerte Nachmittag
Abb. 5 | Geruchsemission, angegeben als Geruchseinheit pro Grossvieheinheit (entspricht 500 kg Lebendmasse) und Sekunde [GE/GV×s] als Einzelwerte am Morgen und Nachmittag, dargestellt pro Jahreszeit und Betrieb sowie als Median der Betriebe und pro Jahreszeit.
119
Geruchskonzentration und -emission von Milchviehställen mit Laufhof | Umwelt
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Literatur b Brose G., 2000. Emissionen von klimarelevanten Gasen, Ammoniak und Geruch aus einem Milchviehstall mit Schwerkraftlüftung. VDI-MEG-Schrift 362, Universität Hohenheim. 136 S.
b DIN EN 13725, 2003. Luftbeschaffenheit – Bestimmung der Geruchsstoff-konzentration mit dynamischer Olfaktometrie. 71 S.
b Geruchsimmissionsrichtlinie GIRL, 2008. Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen. Fassung vom 29.2.2008 und Ergänzung vom 10.9.2008. 57 S.
b Oldenburg J., 1989. Geruchs- und Ammoniak-Emissionen aus der Tierhal-tung. KTBL-Schrift 333, Darmstadt. 158 S.
b Richner B. & Schmidlin A., 1995. Mindestabstände von Tierhaltungs - anlagen – Empfehlungen für neue und bestehende Betriebe. FAT-Berichte Nr. 476, Tänikon. 16S.
b Schrade S., 2009. Ammoniak- und PM10-Emissionen im Laufstall für Milchvieh mit freier Lüftung und Laufhof anhand einer Tracer-Ratio- Methode. VDI-MEG Schrift 483, Universität Kiel. 131 S.
Odour concentration and emission from dairy
cattle housing with an exercise yard
Local authorities, government agencies and
courts are increasingly faced with complaints
and lawsuits relating to odour annoyance from
livestock housing systems. Odour concentra-
tion and emission from five naturally venti-
lated dairy cattle sheds were compared in two
seasons and at two times of day. A newly
developed tracer ratio method was used for
these cowsheds with cubicles, solid floor
surfaces and an adjacent exercise yard. Test
subjects were used to determine on the
olfactometer the odour concentration from
area sources on the ground (cubicle, traffic
alley and exercise yard) and at a height of 3 m.
Whereas at ground level the highest odour
concentrations occurred mainly in the traffic
alley, the odour concentration at a height of
3 m was comparable over the three area
sources. This would indicate that at a height of
3 m there had already been considerable
intermixture between these areas. On six of
the seven measurement days, odour emission
in the afternoon was two to four times higher
than in the morning. The variation in odour
emission between farms was also high. A
comparative assessment of animal housing
systems therefore requires broadly supported
data on several farms, the inclusion of all
seasons and high time-of-day resolution. In
order to provide solutions for odour reduction,
there is a need for well-founded, up-to-date
planning data to determine minimum dis-
tances; these data will be used as a basis for
dispersion modelling and the most important
variables influencing odour release.
Key words: odour concentration, odour
emission, dairy cattle, loose housing, natural
ventilation.
Concentrazioni ed emissioni di odori nelle
stalle di bestiame lattifero con area d'uscitaSempre più spesso comuni, autorità e tribunali
sono confrontati con ricorsi e cause provocate
dai cattivi odori provenienti dalle strutture di
stabulazione. Durante due stagioni e per due
volte al giorno si sono confrontati la concentra-
zione e le emissioni di odori in cinque stalle per
bestiame lattifero ad aerazione naturale. Per
queste strutture dotate di box di riposo,
superfici di movimento con rivestimento e area
d'uscita limitrofa, è stato impiegato il metodo
”Tracer-Ratio”. La concentrazione degli odori
provenienti da fonti al suolo (box di riposo,
superficie di movimento e area d'uscita) è stata
misurata all’altezza di 3 metri attraverso delle
persone munite di olfattometro. Mentre al
suolo le concentrazioni più elevate sono state
rilevate soprattutto sulla superficie di movi-
mento, all’altezza di 3 metri esse erano simili
per tutte i tre settori. Ciò indica che a quell'al-
tezza gli odori di diversa provenienza tendono
fortemente a mescolarsi. 6 giorni su 7 l'emis-
sione di odori nel corso del pomeriggio risultava
da 2 a 4 volte superiore che al mattino. Tra le
aziende coinvolte si sono registrate forti
variazioni di emissioni. Per questo motivo una
valutazione comparativa dei sistemi di stabula-
zione richiede un'estesa base di dati su più
aziende, prendendo in considerazione tutte le
stagioni e una maggiore frequenza di misura-
zione. Per proporre delle soluzioni alla diminu-
zione dei cattivi odori sono necessari dati di
pianificazione consolidati e aggiornati per
determinare le distanze minime; questi dati
serviranno come base per la simulazione della
diffusione e indicheranno i principali parametri,
relativi alla volatilizzazione degli odori.
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 114–119, 2011
120 Agrarforschung Schweiz 2 (3): 120–127, 2011
E i n l e i t u n g
Die intensive Bodenbewirtschaftung bei Betrieben ohne
Viehhaltung führt zu einem Rückgang des organischen
Materials in den Böden, sofern keine Vorkehrungen
getroffen werden. Bei viehhaltenden Betrieben stellt
sich jedoch vermehrt die Frage, wie die grosse Menge an
anfallendem Hofdünger bestmöglich verwertet werden
kann. In der Schweiz liegen diese beiden Betriebstypen
im Allgemeinen in unterschiedlichen, weit voneinander
entfernten Regionen. Die Überführung von überschüssi-
gem Hofdünger an Betriebe ohne Viehhaltung ist dem-
zufolge schwierig, auch wenn die vom BLW entwickelte
Web-Applikation HODUFLU die Hofdüngerflüsse verein-
facht und harmonisiert (BLW 2010).
Die reduzierte Bodenbearbeitung und die Gabe von
Hofdünger sind Techniken, die für ihre positive Wirkung
auf die Speicherung von organischem Material in den
landwirtschaftlichen Böden (Lal 2009) bekannt sind.
Nicht geklärt ist jedoch die Frage nach ihrer Fähigkeit,
die Bodenfruchtbarkeit aufrechtzuerhalten und die Kul-
turen unter Schweizer Bedingungen versorgen zu kön-
nen. In einem Langzeitversuch haben Vullioud et al.
(2006) die Wirkung verschiedener organischer Stickstoff-
und Mineralgaben auf die Bodenfruchtbarkeit, die
Erträge der Kulturen und die Nährstoffbilanz untersucht.
Die Auswirkung der Bodenbearbeitung sowie der Dün-
geeffekt von organischen Düngern je nach Düngungs-
verfahren bleiben jedoch offene Fragen.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Auswirkung
der Bedingungen der Bodenbearbeitung und der Hof-
düngergaben auf die Bodenfruchtbarkeit (i), die Pro-
duktion von Trockenmasse der Kulturen (ii) und das
Ansprechen der Kulturen auf die Stickstoffdüngung (iii)
über die zwölf Jahre zu quantifizieren.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Versuchsbeschreibung
Mit dem Versuch wurde im Jahre 1997 in Changins (VD, 430
m) begonnen. Die wichtigsten physikalisch-che mischen
Eigenschaften des Bodens sind in Tabelle 1 beschrieben.
Oberflächliche Bodenbearbeitung mit dem Schälgrubber. (Foto: P. Vullioud)
P f l a n z e n b a u
Alexandra Maltas, Raphaël Charles und Sokrat Sinaj,
Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon
Auskünfte: Alexandra Maltas, E-Mail : [email protected], Tel. + 41 22 363 47 43
Bodenfruchtbarkeit und Produktivität der Kulturen: Auswirkungen von organischen Einträgen und Pflug
Boden
Mist(kg t-1 Frisch- material)
Gülle verdünnt(kg m-3 Frisch-material)
Bodentyp Parabraunerde N 4,59 (3,74) 1,43 (0,74)
Ton (%) 23 N-NH4 0,25 (0,22) 0,83 (0,34)
Sand (%) 36 P 1,33 (1,38) 0,23 (0,16)
pH-H2O 7,9 K 5,83 (5,75) 1,70 (0,61)
OM (%) 2,05 Ca 4,56 (7,38) 0,63 (0,50)
P-AAE (mg kg-1) 132 Mg 0,89 (0,81) 0,22 (0,16)
K-AAE (mg kg-1) 198
Nutzbare Tiefe (cm)
70–100
Tab. 1 | Wichtigste physikalisch-chemische Eigenschaften des Bodens im Jahre 1992 und der Hofdünger (gesamte, durchschnittli-che Konzentrationen in den Jahren 1997 bis 2008). Die Werte in Klammern entsprechen den Standardabweichungen.
Die untersuchungen wurden gemäss referenzmethoden der forschungsanstalten Agroscope durchgeführt (fAL et al. 2004)
Bodenfruchtbarkeit und Produktivität der Kulturen: Auswirkungen von organischen Einträgen und Pflug | Pflanzenbau
121
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 120–127, 2011
Ein in Changins zwischen 1997 und 2009
durchgeführter Versuch befasste sich mit den
kombinierten Auswirkungen der Dünger
(NPK, Mist + NPK und Gülle + NPK), der
Aufteilung der Mistgaben (jährlich oder
dreijährlich) und der Bodenbearbeitung
(Pflügen oder pflugloser Anbau) verbunden
mit zwei Stickstoffdosen (100 oder 60 % der
optimalen Dosis) auf die Bodenfruchtbarkeit
und die Produktion von Trockensubstanz der
Kulturen. Die nach zwölf Versuchsjahren
untersuchten Bodenfruchtbarkeitskompo-
nenten weichen zwischen den Unterverfah-
ren der Stickstoffdüngung nicht voneinander
ab, und einzig der Gehalt an organischem
Material und an Gesamtstickstoff im Boden
weicht zwischen den Verfahren signifikant
ab. Unter nicht begrenzenden Stickstoffdün-
gungsbedingungen produzieren die Kulturen
der Verfahren mit Hofdünger signifikant
mehr Trockenmasse als die Kulturen der
Verfahren mit auschliesslicher Mineraldün-
gung. Eine Unterversorgung mit Stickstoff-
dünger, die 60 % des Bedarfs abdeckt, führt
je nach Verfahren zu einer Produktions-
senkung um 7 bis 13 %. Bei fehlenden
Hofdüngergaben kann eine reduzierte
Bodenbearbeitung den Vorrat an organi-
schem Material im Boden aufrechterhalten.
Jedoch sollte gleichzeitig die Stickstoffdün-
gung intensiviert werden. Die Aufteilung des
Mists in geringe, jährliche Dosen verbessert
die Wirksamkeit des Mists nicht.
Bei der Fruchtfolge wechseln sich Sommer- und Win-
terkulturen ab. Während fünf bis sechs Jahren setzen sie
sich zu 60 bis 70 % aus Getreide zusammen. Raps steht
am Anfang der Fruchtfolge. Das Getreidestroh wird sys-
tematisch geerntet, während das Maisstroh (im Jahre
2000 und 2005) und Rapsstroh (in den Jahren 1997, 2003
und 2008) dem Boden zurückgeführt werden. Nach der
Ernte der vorangehenden Kultur findet mit dem Schäl-
grubber eine flache Stoppelbearbeitung (10 bis 15 cm)
des Bodens statt. Vor der Aussaat wird der Boden je nach
Verfahren (Tab. 2) ein zweites Mal mit dem Schälgrubber
oder dem Pflug bearbeitet. Schliesslich wird der Boden
für die Aussaat mit der Kreiselegge bearbeitet.
Die Versuchsanordnung besteht aus einer Split-Plot-
Anlage mit fünf Verfahren und zwei Unterverfahren, die
vier Mal wiederholt werden (Tab. 2). Die 40 einheitlichen
Parzellen sind je 63 m² gross. Die direkte Wirkung der
Hofdünger (Ryser et al. 1987) wird abgezogen, um die
mineralische Stickstoffmenge (N) zu bestimmen, die es je
nach der Art der Behandlung (Tab. 3) zuzuführen gilt.
Die gesamten (mineralischen und organischen) Phos-
phor-Kalium-Gaben sind nicht begrenzend. Die minerali-
sche Düngung richtet sich nach den geltenden Normen
und berücksichtigt den Düngewert durch Rückführung
der Ernterückstände, des Mists und der Gülle (Ryser et al.
1987). Die mittleren N-, P- und K-Gaben der verschiede-
nen Behandlungen sind in Tab. 3 ersichtlich.
Messungen und statistische Auswertung
Der gesamte N-, P-, K-, Ca- und Mg-Gehalt von Mist und
Gülle wird jährlich vor seinem Ausbringen bestimmt
(Tab. 1). Im Jahre 2009 wird eine Bodentiefe von 20 Zen-
timentern untersucht (Tab. 4). Die Gesamtmenge der
Verfahren Unterverfahren
Abkürzung BodenbearbeitungArt der ausgebrachten Düngemittel
Dosis und Fraktionie-rung der Hofdünger
Abkürzung Stickstoffdüngung
EminPLPflugloser Anbau: Schälgrubber in 10 – 15 cm Tiefe
Mineraldünger NPK Keine BeigabeN100 Stickstoffbedarf±,
vollständig gedeckt durch organische und/oder minerali-sche Düngung Fu3PL
Pflugloser Anbau: Schälgrubber in 10 – 15 cm Tiefe
Mist† von Rindern im Freilaufstall und Mineraldünger NPK
36 t ha-1 alle 3 Jahre (1997, 2000, 2003 und 2006)
Fu1PLPflugloser Anbau: Schälgrubber in 10 – 15 cm Tiefe
Mist† von Rindern im Freilaufstall und Mineraldünger NPK
12 t ha-1 alle Jahre
Fu1LaKlassisches Pflügen: in 20 – 25 cm Tiefe
Mist† von Rindern im Freilaufstall und Mineraldünger NPK
12 t ha-1 alle Jahre
Li1PLPflugloser Anbau: Schälgrubber in 10 – 15 cm Tiefe
Gülle‡ von Rindern, verdünnt und Mineraldünger NPK
22 m3 ha-1 alle Jahre
N60 Stickstoffbedarf±, zu 60 % gedeckt durch organische und/oder minerali-sche Düngung
Tab. 2 | Beschreibung der Verfahren und Unterverfahren
† Vor der Bestellung der Kultur auf nacktem Boden ausgebracht‡ Auf dem durch die Kultur bedeckten Boden ausgebracht. Die gülle wurde mit waschwasser verdünnt (Verdünnung 1:1).± gemäss Methode der korrigierten normen festgelegt ( ryser et al. 1987)
Pflanzenbau | Bodenfruchtbarkeit und Produktivität der Kulturen: Auswirkungen von organischen Einträgen und Pflug
122 Agrarforschung Schweiz 2 (3): 120–127, 2011
Verfahren UnterverfahrenN P K
Chemisch† Organisch Chemisch Organisch Chemisch Organisch
EminPLN100 132 0 26 0 70 0
N60 78 0 26 0 70 0
Fu3PLNN100 108 51 14 13 27 67
N60 63 51 14 13 27 67
Fu1PLNN100 103 59 10 17 22 70
N60 62 59 10 17 22 70
Fu1LaNN100 103 56 9 18 22 73
N60 62 56 9 18 22 73
Li1PLNN100 112 31 26 5 58 37
N60 70 31 26 5 58 37
Tab. 3 | Durchschnittsmengen (kg ha-1 Jahr-1) an Nährstoffen, die durch die chemischen und/oder organischen Dünger in den Verfahren und Unterverfahren in den Jahren 1997 bis 2008 zugeführt wurden
† Die Bestimmung des gesamten und organischen P wird nach der Methode von saunders und williams (1955) durchgeführt; alle anderen Bestimmungen erfolgen nach den referenzmethoden der forschungsanstalten Agroscope (fAL et al. 2004)
Die verschiedenen grossbuchstaben innerhalb einer gleichen Linie zeigen signifikant unterschiedliche Mittel bei einem schwellenwert von 5 % gemäss fisher-Test. Die verschiedenen Kleinbuchstaben innerhalb einer gleichen Linie zeigen signifikant unterschiedliche Mittel bei einem schwellenwert von 5 % gemäss fisher-Test.
Untersuchungen† Unterverfah-ren N60
Unterverfahren N100
Mittel EminPL Fu3PL Fu1PL Fu1La Li1PL
Organische Eigenschaften
OM (%) 2,11 A 2,11 A 2,03 ab 2,28 a 2,13 ab 1,98 b 2,15 ab
N total (%) 0,158 A 0,160 A 0,158 ab 0,170 a 0,160 ab 0,148 b 0,163 ab
Verhältnis C/N 7,7 A 7,7 A 7,5 a 7,8 a 7,7 a 7,8 a 7,7a
Chemische Eigenschaften
pH-H2O 7,9 A 7,9 A 8,0 a 8,0 a 7,8 a 7,9 a 7,9 a
CaCO3 total1 (%) 4,7 A 4,7 A 6,0 a 3,5 a 4,3 a 6,3 a 3,5 a
CEC (cmol+ kg-1) 11,2 A 11,3 A 11,1 a 11,4 a 11,3 a 11,0 a 11,7 a
Sättigungsgrad (%) 94,0 A 94,5 A 96,0 a 94,3 a 91,7 a 95,7 a 94,8 a
Bodenphosphor (mg kg-1)
P total† 955 A 943 A 957 a 979 a 911 a 909 a 960 a
P organisch† 286 A 287 A 264 a 285 a 321 a 269 a 299 a
P-AAE 126 A 123 A 120 a 140 a 119 a 105 a 132 a
P-H2O 3,0 A 2,8 A 2,9 a 3,2 a 3,1a 2,1 a 2,7 a
Bodenkationen (mg kg-1)
K-AAE 168 A 168 A 160 a 177 a 174 a 155 a 173 a
K-H2O 30 A 29 A 28 a 29 a 31 a 26 a 29 a
Mg-AAE 192 A 196 A 213 a 176 a 185 a 224 a 179 a
Mg-CaCl2 59 A 58 A 64 a 55 a 66 a 51 a 55 a
Ca-AAE 19493 A 19723 A 24659 a 16864 a 15707 a 23986 a 17398 a
Spurenmetalle (mg kg-1)
Cu+Fe+Mn+Zn-AAE2 754 A 763 A 773 a 763 a 785 a 779 a 713 a
Tab. 4 | Durchschnittsmengen (kg ha-1 Jahr-1) an Nährstoffen, die durch die chemischen und/oder organischen Dünger in den Verfahren und Unterverfahren in den Jahren 1997 bis 2008 zugeführt wurden
† Ammoniaksalpeter, in zwei oder drei gaben auf der Kultur ausgebracht ‡ superphosphat und Kalirohsalz, in einer gabe vor der Aussaat der sommerkultur und bei den anderen Kulturen unmittelbar vor der ersten stickstoffgabe ausgebracht
Bodenfruchtbarkeit und Produktivität der Kulturen: Auswirkungen von organischen Einträgen und Pflug | Pflanzenbau
123Agrarforschung Schweiz 2 (3): 120–127, 2011
Li1PL und Fu1PL (Tab. 5). Die Varianzanalyse weist keine
signifikante Interaktion zwischen Verfahren und Unter-
verfahren nach (Tab. 5). Das Ansprechen auf die N-Dün-
gung ist jedoch gemäss Fisher-Test zwischen Fu1La und
Fu1PL signifikant verschieden.
Stickstoffgehalt der Kulturen
Wie bei der STM ist die Interaktion zwischen Verfahren
und Jahren beim N-Gehalt der Kulturen signifikant
(Tab. 5). Bei nicht begrenzenden N-Bedingungen ist der
N-Gehalt bei Li1PL signifikant höher als bei jenen von
Fu1La und Fu3PL (P<0,05; Tab. 5).
Die Reduktion der N-Düngung (Unterschied zwi-
schen N100 und N60) senkt den N-Gehalt der Kulturen in
den fünf Verfahren signifikant (Tab. 5).
D i s k u s s i o n
Auswirkungen der Hofdünger auf die Bodenfruchtbar-
keit und die Produktion der Kulturen
Während unserer Versuchsdauer beeinflusst die Ausbrin-
gung von Hofdünger die Bodenfruchtbarkeit nur wenig.
Nur der OM- und gesamte N-Gehalt schwanken je nach
ausgebrachter Düngerart. Wir konnten keine Wirkung
der Düngerart auf den pH-Gehalt im Boden feststellen.
Die durch Beigabe von Hofdünger zugeführten, nicht
vernachlässigbaren Mengen an austauschbaren Basen
vermögen die durch die Nitrifikation des N in diesen
Düngern verursachte Säure zu neutralisieren und kön-
nen somit dazu beitragen, den pH-Gehalt im Boden auf-
rechtzuerhalten (Trans et al. 1996). Der Gehalt an gespei-
chertem und an löslichem P und K wird durch die Art der
Spross-Trockenmasse (STM) der Kulturen (Korn und Stroh)
wird jedes Jahr bei der Ernte gemessen. Der N-Gehalt der
STM wird in den Jahren 1998 bis 2008 jährlich ausgewertet.
Die statistischen Auswertungen erfolgen mit der
Software XLSTAT 2010, Copyright Addinsoft 1995 – 2009.
Aufgrund der Versuchsanordnung und der möglichen
Zeitverschiebung der Wirkung der organischen Gaben
werden die Daten gesamthaft über alle Kulturen in Pro-
zent der Kontrollsorte ausgewertet (EminPL N100).
R e s u l t a t e
Bodenfruchtbarkeit
Der gesamte OM- und N-Gehalt in den Verfahren Fu1La
und EminPL ist tiefer als bei den anderen Verfahren (Tab. 4).
Die anderen Bodenfruchtbarkeitskomponenten sind durch
die Verfahren nicht signifikant betroffen (Tab. 4).
Die N-Düngung verändert die chemischen und organi-
schen Bodeneigenschaften unseres Versuchs nicht signi-
fikant (P>0,05) (Tab. 4).
Gesamtmenge an Spross-Trockenmasse
Die Verfahren und Unterverfahren haben eine signifi-
kante Auswirkung (P<0,001) auf die Produktion von
STM, es besteht jedoch eine signifikante Interaktion zwi-
schen Jahr und Verfahren (Tab. 5, Abb. 1a). Bei nicht
begrenzenden N-Bedingungen (Unterverfahren N100)
produzieren die Kulturen bei EminPL signifikant weni-
ger STM als in den anderen Verfahren (Tab. 5). Die
Reduktion der N-Düngung (Unterschied zwischen N100
und N60) führt zu einer Abnahme der STM-Produktion
um jeweils 7, 9, 11, 12 und 13 % bei Fu1La, EminPL, Fu3PL,
Ges
amte
Spr
oss-
Troc
kenm
asse
(% K
ontro
llver
fahr
en)
60
80
100
120
140
Jahre
Gesa
mte
r N-G
ehal
t der
Spr
oss-
Troc
kenm
asse
(% K
ontro
llsve
rfahr
en)
60
80
100
120
140
EminPL Fu3PL Fu1PL Fu1La Li1PL
a)
b)
1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008
Ges
amte
Spr
oss-
Troc
kenm
asse
(% K
ontro
llver
fahr
en)
60
80
100
120
140
Jahre
Gesa
mte
r N-G
ehal
t der
Spr
oss-
Troc
kenm
asse
(% K
ontro
llsve
rfahr
en)
60
80
100
120
140
EminPL Fu3PL Fu1PL Fu1La Li1PL
a)
b)
1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008
Ges
amte
Spr
oss-
Troc
kenm
asse
(% K
ontro
llver
fahr
en)
60
80
100
120
140
Jahre
Gesa
mte
r N-G
ehal
t der
Spr
oss-
Troc
kenm
asse
(% K
ontro
llsve
rfahr
en)
60
80
100
120
140
EminPL Fu3PL Fu1PL Fu1La Li1PL
a)
b)
1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008
Abb. 1 | Auswirkung der Verfahren auf die Entwicklung a) der gesamten Spross-Trockenmasse und b) den gesamten N-Gehalt der Pflanzen. Die Ergebnisse sind in Prozent der Kontrollsorte EminPL N100 ausgedrückt. Die vertikalen Balken stellen die geringeren signifikanten Abweichungen bei einem Schwellenwert von 5 % dar (PPDS).
Pflanzenbau | Bodenfruchtbarkeit und Produktivität der Kulturen: Auswirkungen von organischen Einträgen und Pflug
124 Agrarforschung Schweiz 2 (3): 120–127, 2011
Dünger auch nicht beeinträchtigt. Der Düngewert an P
und K von Mist und Gülle scheint also in den «Grundla-
gen für die Düngung» (Sinaj et al. 2009) korrekt berück-
sichtigt zu sein.
Hofdünger führen auch nicht vernachlässigbare
Mengen Ca und Mg (17 – 85 kg Ca ha-1 Jahr-1 und 5 – 12
kg Mg ha-1 Jahr-1, Tab. 2) zu. Diese wiederholten Gaben
wirken sich jedoch im Jahre 2009 weder auf die Ca- und
Mg-Reserven des Bodens, noch auf die Spurenelemente
(Cu Fe, Mn und Zn) aus. Die durch Hofdünger zugeführ-
ten Mengen an Ca, Mg und Spurenelementen werden
vermutlich in Parzellen, denen Mist oder Gülle zugeführt
wird, durch höhere Ausfuhren mit den Ernteprodukten
kompensiert (Tab. 5).
Die Beigabe von frischem OM in den Verfahren mit
Hofdünger hingegen führt zu höheren Gesamtmengen
an N und OM im Boden als im EminPL-Verfahren. Es muss
jedoch festgestellt werden, dass bei fehlendem Einsatz
von Hofdünger der pfluglose Anbau (EminPL) erlaubt,
den ursprünglichen Gehalt an OM im Boden aufrechtzu-
erhalten (2,03 % im Jahre 2009 gegenüber 2,05 % im
Jahre 1997).
Der schwankende Gehalt an OM im Boden je nach
angewandtem Düngertyp scheint sich positiv auf das
Produktionspotenzial von Spross-Trockenmasse auszu-
wirken. Ladha et al. (2003) haben ausserdem festgestellt,
dass der ausschliessliche, kontinuierliche Einsatz von
Mineraldünger zu einem Rückgang der Erträge führt,
während eine kombinierte Düngung von Hofdünger
und angemessenem NPK-Mineraldünger aufgrund der
verbesserten Speicherung von organischem C und der
physikalischen Bodeneigenschaften die Erträge auf-
rechterhält. Die vielseitigeren Mineralbeigaben von Hof-
dünger (N, P, K, Ca, Mg, Spurenelemente) konnten das
Produktionspotenzial ebenfalls positiv beeinflussen.
Auswirkungen von Mist und Gülle im Vergleich
Im Gegensatz zu Mist wirkt sich die leicht abbaubare
Gülle weniger stark auf die Speicherung von OM im
Boden aus (Triberti et al. 2008). In unserem Versuch ist
der Gehalt an OM und Gesamt-N des Bodens im Li1PL
und Fu1PL vergleichbar. Dies ist umso erstaunlicher, als
dass die Parzellen mit Gülle weniger organischen N
erhielten als jene mit Mist (Tab. 3). Die geringste Humifi-
zierung der Gülle kann durch (i) erhöhte Rückfuhr durch
Kulturrückstände im Li1PL, aufgrund einer erhöhten
Produktion von STM und/oder (ii) eine langsamere Mine-
ralisierung der OM im Boden kompensiert werden. Im
Endeffekt hat die Beigabe von 12 t ha-1 Jahr-1 Mist oder
22 m3 ha-1 Jahr-1 Gülle die gleiche Auswirkung auf die
Speicherung von OM im Boden.
Vorteil des jährlich ausgebrachten Düngers in reduzier-
ten Dosen
Die reduzierten, aber in kurzen Intervallen ausgebrach-
ten Dünger erhöhen die mit dem Ausbringen (Zeit und
Treibstoff) verbundenen Kosten, könnten sich jedoch
durch eine bessere Nutzung durch die Pflanzen (Sinaj et
al. 2009) rechtfertigen. Unsere Ergebnisse weisen keine
positive Wirkung der reduzierten Dosen auf die Produk-
tion von STM nach. Somit beeinflusst die dreijährliche
Ausbringung von 36 t ha-1 Jahr-1 Mist die Düngereffizienz
nicht und ist also rentabler als die Aufteilung der glei-
chen Dosis in jährlichen Gaben. Die reduzierten, jährlich
ausgebrachten Gaben haben auch keine Auswirkung auf
die Bodeneigenschaften.
Unterverfahren VerfahrenGesamte Spross-
Trockenmasse
Gesamter N-Gehalt
der Spross-Trockenmasse
N100
EminPL 100 b 100 ab
Fu3PL 107 a 97 b
Fu1PL 107 a 99 ab
Fu1La 107 a 98 b
Li1PL 110 a 102 a
N60
EminPL 91 e 89 c
Fu3PL 95 cde 89 c
Fu1PL 93 de 85 d
Fu1La 99 bc 87 cd
Li1PL 97 bcd 88 cd
Ergebnisse der Varianzanalyse gemäss
Verfahren *** ns
Verfahren*Unterverfahren
ns *
Verfahren*Jahre
*** ***
Verfahren*Unterverfahren
procédés*années ns ns
Unterverfahren *** ***
Jahre *** ***
Unterverfahren*Jahre
*** ***
Tab. 5 | Auswirkung der Verfahren und Unterverfahren auf die gesamte Spross-Trockenmasse und den N-, P-, K-, Mg- und Ca- Gehalt der Pflanzen. Die Werte entsprechen den Mittelwerten über die angegebene Periode und sind in Prozent der Kontrollsorte EminPL N100 ausgedrückt
* signifikante Auswirkung bei einem schwellenwert von 5 %;** signifikante Auswirkung bei einem schwellenwert von 1 % ; *** signifikante Auswirkung bei einem schwellenwert von 0,1 %;ns: nicht signifikant.unterschiedliche Kleinbuchstaben innerhalb der gleichen spalte weisen auf signifikant unterschiedliche Mittelwerte bei einem schwellenwert von 5 % gemäss fisher-Test hin.
Bodenfruchtbarkeit und Produktivität der Kulturen: Auswirkungen von organischen Einträgen und Pflug | Pflanzenbau
125Agrarforschung Schweiz 2 (3): 120–127, 2011
nachgewiesen. Es wird allgemein eingeräumt, dass die
Stickstoffdüngung dazu beiträgt, C im Boden zu binden,
indem die Biomasse der Kulturrückstände erhöht wird
(Khan et al. 2007 ; Vullioud et al. 2006). In diesem Ver-
such haben wir keine signifikante Wirkung der Stick-
stoffdüngung auf den Gehalt an OM festgestellt. Die
Unterverfahren der Stickstoffdüngung waren jedoch in
unserem Versuch weniger kontrastiert als in jenem von
Vullioud et al (2006). Zahlreiche in den USA durchge-
führte und von Khan et al. aufgeführte Studien weisen
ebenfalls eine schwache Wirkung der Stickstoffdüngung
auf die Lagerung von C im Boden nach. Dieses Ergebnis
kann mit der erhöhten Aktivität der Mikroorganismen
(Khan et al. 2007) und/oder einer Häufung von labileren
organischen Formen erklärt werden (Stevens et al. 2005).
Nicht vernachlässigbare Interaktion zwischen Verfah-
ren und Jahren
Die Auswirkungen des Pflügens auf die Produktion von
OM variieren je nach Klima oder Anbauart (Abb. 1a). Im
Jahre 2000 wirkte sich das Pflügen negativ auf die STM
aus, während in den Jahren 2003 und 2008 das Gegen-
teil beobachtet wurde. Das Pflügen bei zu feuchten
Bedingungen im Jahre 2000 scheint für den signifikan-
ten, im Fu1La-Verfahren (Abb. 1a) festgestellten Produk-
tionsrückgang verantwortlich zu sein. Ein feineres Saat-
bett nach dem Pflügen könnte hingegen die besseren
Ergebnisse dieser Technik beim Raps in den Jahren 2003
und 2008 erklären.
Vorteil des pfluglosen Anbaus
Der pfluglose Anbau senkt den Verlust an OM durch
Mineralisierung und Erosion (Lal 2009). Zwölf Versuchs-
jahre haben erlaubt, die positive Wirkung des pfluglo-
sen Anbaus (Vergleich der Verfahren Fu1La und Fu1PL)
auf die Speicherung des OM und des Gesamt-N im Boden
zu bestätigen. Parallel dazu beobachten wir, dass die
Kulturen in den gepflügten Parzellen signifikant schwä-
cher auf die N-Düngung ansprechen. Dieses Ergebnis
weist beim Pflug-Verfahren vermutlich auf ein höheres
N-Angebot im Boden hin. In der Tat ist das OM beim
pfluglosen Anbau in den Bodenaggregaten besser
geschützt, was zu einer Senkung des Prozentsatzes des
mineralisierten Gesamtstickstoffes führt (Balesdent et al.
2000). Wird der Boden nicht mehr gepflügt, wird somit
häufig geraten, die Stickstoffdüngung in den ersten
Übergangsjahren zu verstärken (Thomas 2007). Im Ver-
such von Oberacker (BE) in der Schweiz raten Chervet et
al. (2007), die Stickstoffdüngung bei der Direktsaat in
den ersten fünf bis sieben Übergangsjahren zu verstär-
ken. Unsere Ergebnisse scheinen zu zeigen, dass die
Stickstoffdüngung mindestens in den ersten zwölf Über-
gangsjahren intensiviert werden muss, wenn der Schäl-
grubber den Pflug ersetzt.
Wirkung der N-Düngung auf den Gehalt an OM im Boden
Vullioud et al. (2006) haben in einer Studie auf einer
Nachbarparzelle dieses Versuchs die positive Wirkung
der Stickstoffdüngung auf den Gehalt an OM des Bodens
UnterverfahrenAnzahl Jahre seit der letz-
ten Gabe bei Fu3PLVerfahren
Gesamte Spross-Trockenmasse
Gesamter N-Gehalt der Spross-Trockenmasse
N100
0Fu3PL 106 ab 86 de
Fu1PL 112 a 95 abc
1Fu3PL 107 ab 99 ab
Fu1PL 106 ab 100 ab
2Fu3PL 107 ab 103 a
Fu1PL 101 b 101 ab
N60
0Fu3PL 92 cd 80 e
Fu1PL 98 bcd 82 e
1Fu3PL 92 cd 91 cd
Fu1PL 90 d 88 cd
2Fu3PL 101 bcd 94 bc
Fu1PL 91 d 85 de
unterschiedliche Kleinbuchstaben innerhalb der gleichen spalte weisen auf signifikant unterschiedliche Mittel bei einem schwellenwert von 5 % gemäss fisher-Test hin.
Tab. 6 | Auswirkung der Fraktionierung des Mists auf die gesamte Spross-Trockenmasse und den N-Gehalt nach Anzahl der verflossenen Jahre seit der letzten Gabe bei Fu3PL. Die Ergebnisse sind in Prozent der Kontrollsorte EminPL N100 ausgedrückt
126
Pflanzenbau | Bodenfruchtbarkeit und Produktivität der Kulturen: Auswirkungen von organischen Einträgen und Pflug
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 120–127, 2011
Die Auswirkungen der Fraktionierung des Mists
(Fu1PL und Fu3PL) auf das N-Angebot im Boden variie-
ren je nach Anzahl Jahren, die seit der letzten Dünger-
beigabe bei Fu2PL (Abb. 1a, b) verstrichen sind. Das Jahr
der Beigabe, der N-Gehalt der Pflanzen bei nicht begren-
zenden N-Bedingungen (Unterverfahren N100) ist im
Fu1PL höher als im Fu3PL (Tab. 6). Dies ist wahrscheinlich
auf ein besseres N-Angebot im Boden im Fu1PL zurück-
zuführen, da die Produktion von STM in beiden Verfah-
ren identisch ist (Tab. 6). Zwei Jahre nach der Beigabe
scheint das N-Angebot im Boden hingegen im Fu3PL
höher zu sein. In der Tat spricht die STM weniger auf
die N-Düngung an (+ 6 % gegenüber + 10 % im Fu1PL,
Tab. 6) während die Produktion von STM bei nicht
begrenzenden Bedingungen nicht betroffen ist. Diese
Ergebnisse legen nahe, dass die direkten Auswirkungen
des Mists überbewertet und die Nachwirkungen unter-
bewertet werden. Obwohl die Nachlieferungen zwei
Jahre nach der Hofdüngung bekannt sind (Vullioud et al.
2006), werden sie aus Gründen der Vereinfachung in den
N-Düngungsempfehlungen nicht mit berücksichtigt
(Ryser et al. 1987). Unsere Ergebnisse scheinen zu zeigen,
dass sie in die Berechnungen des N-Düngebedarfs mit
einfliessen sollten.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Die Auswertung der Versuchsergebnisse führt zu folgen-
den Schlussfolgerungen:
•• In einem gepflügten Boden reicht die Beigabe von
12 t ha-1 Jahr-1 Mist nicht dazu aus, den Gehalt an OM
im Boden aufrechtzuerhalten, wenn das Getreidestroh
entzogen wird.
•• Durch die Reduktion der Bodenbearbeitung (der Pflug
wird durch einen Schälgrubber ersetzt) kann in
Systemen ohne Hofdünger der Gehalt an OM im
Boden aufrechterhalten werden.
•• Beim pfluglosen Anbau sollte die Düngung gegenüber
dem Anbau mit Pflug sowohl kurz- wie mittelfristig
(12 Jahre) verstärkt werden.
•• Düngergaben in kleinen jährlichen Gaben wirken sich
im Vergleich zu einer entsprechenden, dreijährlich
ausgebrachten Dosis kaum auf die Bodenfruchtbarkeit
und die Produktion von STM der Kulturen aus, und
scheinen also nicht rentabel zu sein.
•• Eine 40 %-ige Reduktion der N-Düngung hat keine
Auswirkung auf die Bodenfruchtbarkeit.
•• Die Nachwirkungen der Hofdünger zwei Jahre nach
Beigabe sollten in die Berechnung des N-Düngebe-
darfs mit einbezogen werden. n
Literatur b Balesdent J., Chenu C. & Balabane M., 2000. Relationship of soil organic matter dynamics to physical protection and tillage. Soil and Tillage Re-search 53, 215–230.
b Chervet A., Gubler L., Hofer P., Maurer-Troxler C., Müller M., Ramseier L., Streit B., Sturny W.G., Weisskopf P. & Zihlmann U., 2007. Semis direct: de l'essai à la pratique. Expériences acquises dans un système de semis di-rect en continu. Revue suisse d'agriculture 39 (5), 1–6.
b FAL, RAC et FAW, eds., 2004. Méthodes de référence des stations fédéra-les de recherches agronomiques.Herausgegeben von Agroscope ed. Auflage Band 2 FAL, Zurich-Reckenholz.
b Khan S. A., Mulvaney R. L., Ellsworth T. R. & Boast C. W., 2007. The myth of nitrogen fer-tilization for soil carbon sequestration. J. Environ. Qual. 36, 1821–1832.
b Ladha J. K., Dawe D., Pathak H., Padre A.T., Yadav R.L., Bijay-SinghYad-vinder-SinghSingh Y., Singh P., Kundu A. L., Sakal R., Ram N., Regmi A. P., Gami S. K., Bhandari A. L., Amin R., Yadav C. R., Bhattarai E. M., Das S., Aggarwal H. P., Gupta R. K. & Hobbs P. R., 2003. How extensive are yield declines in long-term rice wheat experiments in Asia? Field Crops Res. 81, 159–180.
b Lal R., 2009. Challenges and opportunities in soil organic matter research. European Journal of Soil Sciences 60, 158–169.
b BLW, 2010. HODUFLU. http://www.blw.admin.ch/themen/00006/index.html
b Ryser J. P., Charles J. P., Chauvin B., Degailler J., Dougoud P., Felber R., Maillard A.N., Rossier D., Thöni E. & Vullioud P., 1987. Directives de fu-mure pour les grandes cultures et les herbages en Suisse romande. Editi-on 1987. Revue suisse d'agriculture 19 (6), 297–314.
b Saunders W. M. H. & Williams E. G., 1955. Observations on the determi-nation of total organic phosphorus in soils. J. Soil Sci. 6, 254–267.
b Sinaj S., Richner W., Flisch R. & Charles R., 2009. Données de base pour la fumure des grandes cultures et des herbages (DBF-GCH). Revue suisse d'agriculture 41 (1), 1–98.
b Stevens W. B., Hoeft R. G. & Mulvaney R. L., 2005. Fate of Nitrogen-15 in a long-term nitro-gen rate study: I. Interactions with soil nitrogen. Agro-nomy Journal 97, 1037–1045.
b Thomas F., 2007. L'azote en TCS et SD. Beaucoup de bénéfices mais une gestion à adapter. Techniques culturales simplifiées 44,12–23.
b Trans T. S., Côté D. & N'Dayegamiye A., 1996. Effets des apports prolon-gés de fumier et de lisier sur l'évolution des teneurs du sol en éléments nutritifs majeurs et mineurs. Agrosol IX (1), 21 – 30.
b Triberti L., Nastri A., Giordani G., Comellini F., Baldoni G. & Toderi G., 2008. Can mineral and organic fertilization help sequestrate carbon di-oxide in cropland? Europ. J. Agronomy 29, 13–20.
b Vullioud P., Neyroud J. A. & Mercier E., 2006. Efficacité de différents ap-ports organiques et d'un engrais minéral azoté à Changins (1976 – 2004). Revue suisse d'agriculture 38 (4), 173–183.
127
Bodenfruchtbarkeit und Produktivität der Kulturen: Auswirkungen von organischen Einträgen und Pflug | Pflanzenbau
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 120–127, 2011
Soil fertility and crop productivity:
medium-term effect of organic inputs
and simplified cultivation techniques
The combined effects of the nature of
fertilizers (NPK, manure + NPK and
liquid manure + NPK), fractionation of
the manure inputs (every year or every
three years) and tillage (plowing and
reduced-tillage) associated with two
nitrogen rates (100 or 60 % of the
optimal dose) on soil fertility and dry
matter production of different crops
have been studied from 1997 to 2009 in
Changins. After twelve years of trial,
different soil analyses show that
nitrogen fertilization had no effect on
soil fertility, only the soil organic matter
and total nitrogen contents differed
significantly between treatments. In
terms of non-limiting nitrogen fertiliza-
tion, crops treated with manure
produced significantly more dry matter
than those treated with only inorganic
fertilizer. A sub-fertilization with only
60 % of the nitrogen fertilizer needs
causes a decrease in production of
7–13 % according to the treatments. In
the absence of the manure input,
reducing tillage keeps the stock of soil
organic matter, but should be accompa-
nied by a strengthening of nitrogen
fertilization. Split manure in annually
low inputs doesn’t increase the manure
efficiency.
Key words: manure, liquid manure,
nitrogen fertilization, tillage, soil
organic matter, dry matter production.
Fertilità del suolo e produttività delle
colture: effetti a medio termine degli
apporti organici e delle tecniche
colturali semplificate
Gli effetti combinati dei vari tipi di
fertilizzanti (NPK, letame più NPK e
liquame più NPK), del frazionamento
dell’apporto di letame (annuale o ogni
terzo anno) e la lavorazione del terreno
(aratura o pseudo-aratura), associate a
due differenti dosaggi di azoto (100 %
oppure 60 % della dose ottimale) sulla
fertilità del suolo e la produzione di
sostanza secca delle colture, sono stati
messi a confronto in una prova a
Changins dal 1997 al 2009. Dopo 12 anni
di prove, le analisi del suolo hanno
evidenziato che la concimazione azotata
non ha avuto effetti sulla fertilità del
suolo, per contro i contenuti di materia
organica e l’azoto totale nel suolo hanno
riscontrato differenze significative tra i
procedimenti. Nella variante di apporto
azotato non limitante, le culture hanno
prodotto un maggiore quantitativo
significativo di sostanza secca, se
accompagnate da fertilizzanti aziendali
rispetto alle varianti con soli fertilizzanti
minerali. Una concimazione di azoto
limitata al 60 % dei bisogni ha provocato
una minore produzione dal 7 al 13 % a
dipendenza della procedura applicata. In
assenza di apporti di fertilizzanti
aziendali, la riduzione della lavorazione
del suolo ha permesso di mantenere il
livello di materia organica del suolo
inalterata, però dovrebbe essere
accompagnata da un incremento della
concimazione azotata. Dividere letame in
basse dosi annuali non ha migliorato
l’efficienza del letame.
128 Agrarforschung Schweiz 2 (3): 128–133, 2011
E i n l e i t u n g
Bäume gehören zu unserer traditionellen Kulturland-
schaft. Sie liefern Holz und Früchte und erbringen als
Wasserfilter, Erosionsschutz, Kohlenstoffspeicher und
Lebensraum vieler Tiere wichtige Leistungen für die
Umwelt. Unter dem Begriff «Agroforstwirtschaft» ver-
steht man die Kombination von Bäumen mit landwirt-
schaftlichen Unterkulturen acker- oder futterbaulicher
Art (Krummenacher et al. 2008).
Eine traditionelle Form der Agroforstwirtschaft
ist die Fruchtproduktion in Hochstamm-Obstgärten.
Arbeitstechnische und wirtschaftliche Gründe sowie
grosse Rodungsaktionen anfangs der 1960er-Jahre
führten zu einem massiven Rückgang der Hochstamm-
Obstbäume von rund 15 Millionen im Jahr 1905 auf 2,9
Millionen im Jahr 2001 (Walter et al. 2010). Trotz Direkt-
zahlungen seit Anfang der 1990er-Jahre nimmt die
Anzahl der Hochstamm-Obstbäume im Kulturland wei-
ter ab. Damit gehen die oben genannten Umweltleistun-
gen verloren und das Landschaftsbild verändert sich
merklich.
Um weiterhin von den Umweltleistungen der Bäume in
der Agrarlandschaft profitieren zu können, sucht ART
nach Möglichkeiten, um die Kombination von Bäumen
mit Unterkulturen wieder wirtschaftlich und damit für
die Landwirte attraktiv zu gestalten. Dabei haben wir
auf Ergebnissen aus europäischen Nachbarländern und
Initiativen von innovativen Landwirtinnen und Landwir-
ten in der Schweiz aufgebaut. In modernen Systemen
können Bäume nicht nur zur Frucht- sondern auch zur
Wertholzproduktion dienen und sowohl mit Ackerkultu-
ren wie Futtergräsern kombiniert werden (Abb. 1).
M e t h o d e n
Die Produktivität und Wirtschaftlichkeit von modernen
agroforstlichen Systemen wurde für einen Zeitraum von
60 Jahren mithilfe der Computermodelle YieldSAFE und
FarmSAFE abgeschätzt (van der Werf et al. 2007; Graves et
al. 2007). Als Grundlage dienten Erfahrungen aus Deutsch-
land und Frankreich, ein Inventar innovativer Agroforst-
systeme in der Schweiz sowie Daten zur Wirtschaftlichkeit
der Unterkulturen und der Früchte für die Schweiz. In den
Modellberechnungen wurde bei 70 Bäumen pro Hektare
von einer ackerbaulichen Nutzung nur in den ersten zehn
bis 20 Jahren ausgegangen. Bei 40 Bäumen pro Hektare
wurde mit Ackerbau während den gesamten 60 Jahren
gerechnet. Detaillierte Angaben zur Vollkostenkalkula-
tion finden sich in Kaeser et al. (2010).
Die Umweltleistungen von Agroforstsystemen wurden
von Palma et al. (2006) in 42 zufällig (statistisch reprä-
sentativ) ausgewählten Landschaftseinheiten in Holland,
Frankreich und Spanien untersucht. Die Erosion wurde
mit der Revised Universal Soil Loss Equation (RUSLE)
geschätzt. Die Auswaschung von Stickstoff wurde als
Produkt der Stickstoffbilanz und der Austauschhäufig-
keit des Bodenwassers berechnet, unter Annahme einer
bedarfsgerechten Stickstoffdüngung. Die Kohlenstoff-
bindung wurde gemäss Gifford (2000) ermittelt, wobei
nur der oberirdische Pflanzenteil berücksichtigt wurde.
Die Akzeptanz von Agroforstwirtschaft bei Landwirtin-
nen und Landwirten wurde in einer Befragung ermittelt.
Diese erfolgte mündlich anhand eines strukturierten
Fragebogens (Atteslander et al. 1995). Aus der Deutsch-
Alexandra Kaeser, Firesenai Sereke, Dunja Dux und Felix Herzog,
Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich
Auskünfte: Felix Herzog, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 377 74 45
Agroforstwirtschaft in der Schweiz
P f l a n z e n b a u
Abb. 1 | Vogelkirschen zur Wertholzproduktion in Frankreich. (Foto: ART)
Agroforstwirtschaft in der Schweiz | Pflanzenbau
129
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 128–133, 2011
und Westschweiz wurden 50 Landwirtinnen und Land-
wirte zufällig ausgewählt und zur Produktivität, Wirt-
schaftlichkeit und zu den Umweltleistungen von
Agroforstwirtschaft befragt. Die Beliebtheit der Systeme,
die Wertschätzung der Bäume und ihrer Produkte sowie
die Gründe für das Pflanzen von Hochstamm-Bäumen
wurden eruiert.
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
In modernen Agroforstsystemen werden die Bäume in
Reihen gepflanzt, um die maschinelle Bearbeitung
dazwischen möglichst wenig zu behindern. Die Produk-
tivität und Wirtschaftlichkeit solcher Systeme wurde für
40 beziehungsweise 70 Vogelkirsch- und Walnussbäume
pro Hektare (Frucht- und Wertholzproduktion) auf Grün-
und Ackerland berechnet.
Höhere Flächenproduktivität als Monokultur
Bäume und Unterkulturen konkurrieren im Agroforstsys-
tem um Licht, Wasser und Nährstoffe. Das Kräfteverhältnis
verschiebt sich mit der Zeit von den Kulturen hin zu den
Bäumen. Dies zeigt auch der Ertrag der Unterkultur, der
mit dem Wachstum der Bäume stets zurückgeht (Abb. 2).
Die Modellberechnungen ergaben, dass Agroforst-
systeme eine bis zu 30 Prozent höhere Flächenprodukti-
vität aufweisen als der räumlich getrennte Anbau von
zum Beispiel Getreide in Monokultur und Holz aus dem
Wald. Dass im Agroforstsystem mehr Biomasse pro Flä-
che produziert wird, beruht auf der effizienteren Nut-
zung der Ressourcen im Vergleich zur Monokultur. Denn
Bäume wachsen in die Höhe und nützen somit den Raum
stärker aus als Ackerkulturen. Auch erschliessen die
Bäume erbringen in der Agrarlandschaft
wichtige Umweltleistungen. Trotzdem
verschwinden sie aus wirtschaftlichen und
betriebstechnischen Gründen aus dem Kultur-
land. Hier setzt moderne Agroforstwirtschaft
an. Dabei werden Bäume auf landwirtschaft-
lich genutzten Flächen in Reihen gepflanzt,
um die maschinelle Bearbeitung weniger zu
behindern. ART hat das ökonomische und
ökologische Potenzial moderner Agroforst-
systeme für die Schweiz untersucht. Die
Flächenproduktivität, Wirtschaftlichkeit und
Umweltleistungen wurden anhand computer-
gestützter Modelle berechnet. Es zeigte sich,
dass Agroforstsysteme eine bis zu 30 Prozent
höhere Flächen produktivität als Monokulturen
erreichen und langfristig gesehen wirtschaft-
lich konkurrenzfähig werden können. Auf
fruchtbaren Ackerstandorten können Agro-
forstsysteme Boden verluste um bis zu 78 %
und Stick stoff auswaschung um bis zu 46 %
reduzieren, sowie bis zu 133 Tonnen Kohlen-
stoff in 60 Jahren binden. In Interviews
wurden Landwirte zu den Vor- und Nachteilen
von Agroforstwirtschaft befragt. Die befragten
Landwirte schätzen Agroforstsysteme als
unproduktiv und nicht rentabel ein, sehen aber
einen Nutzen für die Artenvielfalt und die
Kulturlandschaft. Ausgehend von Pionierland-
wirten müssten die vielfältigen Gestaltungs-
möglichkeiten und wirtschaftlichen Optionen
von Agroforstsystemen besser bekannt
gemacht werden.
0
10
20
30
40
50
60
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
0 10 20 30 40 50 60
Baum
volu
men
Wer
thol
z (m
³ /ha
)
Rela
tiver
Ert
rag
von
Acke
rkul
tur
Zeit [Jahre] Zeit [Jahre]
Ertrag Ackerkultur bei W 40 Vogelkirschen/ha Ertrag Wertholz bei W 40 Vogelkirschen/ha
Abb. 2 | Die Entwicklung des relativen Ertrags von Ackerkultur und des Baumvolumens bei 40 Vogelkirschbäumen pro Hektare zur Wertholzproduktion. Der relative Ertrag der Ackerkultur bezieht sich auf den Ertrag, welcher ohne Bäume möglich wäre. Mit dem Wachstum der Bäume nimmt der Ertrag der Ackerkultur ab. Die Fruchtfolge im Acker ist Raps, Weizen, Kunstwiese, Weizen.
Pflanzenbau | Agroforstwirtschaft in der Schweiz
130 Agrarforschung Schweiz 2 (3): 128–133, 2011
Baumwurzeln tiefere Bodenschichten und profitieren
von Wasser und Nährstoffen ausserhalb des Wurzel-
raums der Kulturen (siehe auch Dupraz & Liagre 2008;
Reeg et al. 2009).
Wirtschaftlich konkurrenzfähig mit Beiträgen
Die Wirtschaftlichkeit eines Agroforstsystems hängt in
erster Linie von den Produktpreisen, den Direktzahlun-
gen und von den jährlichen Kosten ab. Hinzu kommen
die Investitionskosten respektive der Diskontierungssatz,
mit welchem der Tatsache Rechnung getragen wird, dass
der investierte Betrag auch auf dem Kapitalmarkt ange-
legt werden könnte. Anlage- und Pflegekosten liegen
bei Bäumen zur Fruchtproduktion aufgrund des Auf-
wands für Pflege und Ernte höher als bei Wertholzbäu-
men. Denn Wertholzbäume müssen nur in den ersten
15 Jahren hochgeastet werden, um drei bis sechs Meter
lange Stämme ohne Astlöcher zu erhalten. Sie brauchen
später wenig Pflege.
Mithilfe von Modellen wurde die Wirtschaftlichkeit ver-
schiedener an Schweizer Verhältnisse angepasster Sys-
teme mit den Baumarten Vogelkirsche und Walnuss
berechnet (Tab. 1). Systeme mit höherer Baumdichte
(70 Bäume pro Hektare) sind tendenziell rentabler. Wal-
nuss zur Frucht- oder Wertholzproduktion scheint sich
besonders für die Kombination mit Ackerbau zu eignen.
Auf Grasland können bereits geringere Pflanzdichten
(40 Bäume pro Hektare) einen wirtschaftlichen Mehr-
wert bringen, wobei Vogelkirsche vorteilhafter als Wal-
nuss erscheint.
Die ökologischen Direktzahlungen für Hochstamm-
Obstbäume sind unabhängig vom Alter der Bäume und
auch davon, ob die Hochstamm-Obstbäume der Frucht-
oder Wertholzproduktion dienen. Für den ökologischen
Ausgleich werden jährlich pro Baum 15 Franken bezahlt
und eine Are kann als ökologische Ausgleichsfläche
angerechnet werden. In Kombination mit Beiträgen für
biologische Qualität und Vernetzung werden bis zu 50
Franken pro Baum und Jahr erreicht.
Gemäss den Modellberechnungen können gute
Marktpreise für die Baumprodukte und Beiträge von
15 Franken moderne Agroforstsysteme langfristig gese-
hen ökonomisch konkurrenzfähig machen (Tab. 1). Bei
höheren Beiträgen wird die Gewinnschwelle früher
erreicht und das Agroforstsystem wirtschaftlich konkur-
renzfähiger. Ein Risiko stellen die oftmals tiefen Preise
für Baumprodukte bzw. die fehlenden Absatzmärkte für
Hochstamm-Obst dar. Agroforstsysteme sind jedoch
weniger stark von marktbedingten Erlösschwankungen
der Ackerkultur betroffen als landwirtschaftliche Mono-
kulturen. Der Grund hierfür liegt in der Produktdiversifi-
zierung. Auch ist der Erntezeitpunkt von Holz relativ
flexibel und kann auf Jahre mit guten Marktpreisen
gelegt werden.
Für Boden-, Grundwasser- und KlimaschutzBäume erbringen wichtige Umweltleistungen im Boden-,
Grundwasser- und Klimaschutz (Kaeser, Palma et al. 2010).
Erosions- und Nitratprobleme bestehen in der Schweiz
vor allem in den intensiv ackerbaulich genutzten Regio-
nen des Mittellands (Prasuhn et al. 2007; Muralt u. Cor-
naz 2005). Dabei sind vor allem Flächen in Hanglagen
erosionsgefährdet und die Tallagen wiederum eher von
Nitratauswaschung ins Grundwasser betroffen.
In Reihen entlang der Höhenlinien gepflanzte Bäume
mindern Bodenerosion, indem ihre Wurzeln die Erde an
Ort und Stelle verankern und das Einsickern des Regen-
wassers in den Boden verbessern. Bäume können gemäss
SystemeW = Wertholz, F = Frucht40 bzw. 70 Bäume/ha
Kapitalwert (CHF/ha) nach … Jahren Gewinn-
schwelle10 30 60
Ackerbau bzw. ackerbauliche Unternutzung
Acker-Monokultur 13 533 29 510 41 008 1. Jahr
W 40 Vogelkirschen/ha 10 182 24 579 35 763 3. Jahr
W 70 Vogelkirschen/ha 11 001 27 328 40 019 3. Jahr
W 40 Walnuss/ha 11 352 21 298 38 751 2. Jahr
W 70 Walnuss/ha 13 113 23 487 46 920 2. Jahr
F 40 Walnuss/ha -1661 23 442 38 049 12. Jahr
F 70 Walnuss/ha -7089 27 909 48 280 14. Jahr
Grünland bzw. futterbauliche Unternutzung
Grünland-Monokultur 10 542 23 554 32 469 1. Jahr
W 40 Vogelkirschen/ha 7903 23 106 36 629 3. Jahr
W 70 Vogelkirschen/ha 8642 26 618 43 435 3. Jahr
W 40 Walnuss/ha 8051 11 561 26 264 2. Jahr
W 70 Walnuss/ha 8978 17 271 40 525 3. Jahr
F 40 Vogelkirschen/ha -5338 18 914 37 829 17. Jahr
F 70 Vogelkirschen/ha -12 242 19 894 46 674 20. Jahr
F 40 Walnuss/ha -4439 16 322 29 361 15. Jahr
F 70 Walnuss/ha -10 826 20 941 41 158 16. Jahr
Tab. 1 | Kapitalwert der Wertholzproduktion von Vogelkirschen und der Wertholz- und Fruchtproduktion von Walnuss bei 40 oder 70 Bäumen pro Hektare auf Acker- oder Grünland unter Annahme jährlicher Beiträge von 15 Franken pro Baum.
Die werte stammen aus Modellberechnungen mit einem Diskontierungssatz von 3,5 %. in den Anfangsjahren beschränken sich die einnahmen auf die unterkultur. zudem fallen in den ersten Jahren die Pflanzkosten ins gewicht. Dieser Verlust wird langfristig mit dem zusatzeinkommen durch den fruchtertrag bzw. das sparkapital an holz kompensiert. Die gewinnschwelle gibt den zeitpunkt an, ab welchem das system kostendeckend ist. Die fruchtfolge im Acker ist raps, weizen, Kunstwiese, weizen. für detaillierte Angaben zur Vollkosten berechnung wird auf Kaeser, sereke et al. (2010) verwiesen.
Agroforstwirtschaft in der Schweiz | Pflanzenbau
131Agrarforschung Schweiz 2 (3): 128–133, 2011
Für den Klimaschutz leisten Bäume einen Beitrag,
indem sie Kohlenstoff binden. Dieser kann in Holz möbeln
während mehrerer Jahrzehnte gespeichert werden. Auch
Brennholz trägt als Ersatz fossiler Brennstoffe zum Schutz
des Klimas bei (Briner et al. 2011). Bei 113 Bäumen pro
Hektare wird insgesamt mehr Kohlenstoff gebunden als
bei 50 Bäumen pro Hektare. Pro Baum wird im Modell
mit 50 Bäumen aber mehr Kohlenstoff gebunden, weil
die Bäume vergleichsweise stärker wachsen (Tab. 2).
Akzeptanz bei befragten Landwirten
Die Befragung von 50 zufällig ausgewählten Landwirten
in der Deutsch- und Westschweiz zu den Vor-und Nach-
teilen von agroforstlichen Systemen ergab, dass diese
mit modernen Agroforstsystemen nicht vertraut sind
und sie als unproduktiv und nicht rentabel einschätzen.
Sie sehen in den Bäumen aber einen Nutzen für die
Artenvielfalt und die Kulturlandschaft. Den Landwirten
gefallen Agroforstsysteme mit Fruchtproduktion auf
Grünland am besten. Bäume auf Ackerland hingegen
werden stark negativ bewertet. Von den Baumprodukten
interessieren sich die Landwirte weder für Wertholz noch
Energieholz im Kurzumtrieb sondern nur für die Früchte.
Aber auch das Interesse an den Früchten ist nicht gross.
Den Landwirten zufolge hat es eher zu wenige Hoch-
stamm-Bäume im Kulturland ihrer Gemeinde und der
Schweiz. Von den befragten Landwirten würden 52 Pro-
zent heute wieder Hochstamm-Bäume pflanzen, um
Teile ihrer landwirtschaftlichen Fläche doppelt zu nutzen.
Wenn Landwirte Bäume pflanzen, dann einerseits
aus ideellen Gründen wie zur Förderung der Artenviel-
falt und Erhaltung der Kulturlandschaft, andererseits als
Schattenspender für das Vieh und zur Selbstversorgung
(Abb. 3). Auch Erscheinungsbild des Betriebs und Schutz
vor Erosion spielen eine Rolle.
Kein Grund, um Bäume zu pflanzen, sind für 52 Pro-
zent der befragten Landwirte die Beiträge. Von den
befragten Landwirten erhalten 72 Prozent jährliche
Beiträge für Hochstamm-Bäume, bei 48 Prozent sind es
jährlich 15 Franken pro Baum. Die Beiträge für Hoch-
stamm-Bäume reichen aus Sicht der befragten Land-
wirte nicht aus, um den Arbeitsaufwand zu decken.
Den maximal möglichen Beitrag für Hochstamm-Bäume
in ihrem Kanton kennen nach eigenen Angaben nur
26 Prozent der Landwirte.
Die eher skeptische Einstellung der zufällig ausge-
wählten Landwirte kontrastiert mit der Einschätzung
der Teilnehmenden an einem Agridea-Kurs zu Agro-
forstwirtschaft (2010). Diese hatten sich grösstenteils
bereits aus eigenem Antrieb mit dem Thema befasst.
Einige von ihnen planten die Anlage von innovativen
Agroforstsystemen oder hatten solche bereits angelegt.
den Modellberechnungen von Palma et al. (2006) auf
fruchtbaren, intensiv genutzten Standorten die Boden-
verluste um rund 80 Prozent reduzieren (Tab. 2). Die
Anzahl der Bäume (50 und 113 pro Hektare) hat keinen
wesentlichen Einfluss auf die Bodenverluste.
Bäume schützen das Grundwasser vor Verunreini-
gungen durch Nitrat. Einerseits nehmen im Acker
gepflanzte Bäume das vom Oberboden ausgewaschene
Nitrat auf, indem sie unter den Kulturen wurzeln. Ande-
rerseits wird durch die Anlage von Baumstreifen dieser
Teil der landwirtschaftlichen Fläche der Düngung entzo-
gen. Die Reduktion der Nitratauswaschung ist gemäss
Palma et al. (2006) auf fruchtbarem, intensiv genutztem
Land und bei hoher Baumdichte am grössten (Tab. 2).
Bei hoher Baumdichte wird die Unterkultur stärker
beeinträchtigt und ihr Anbau somit früher eingestellt.
Dadurch werden weniger Stickstoffdünger ausgebracht.
Das Potenzial der Baumwurzeln, Stickstoff unterhalb der
Kulturen aufzufangen, wurde in den Modellberechnun-
gen nicht berücksichtigt.
System Ertragsarmer Standort
Fruchtbarer Standort
Durchschnittlicher jährlicher Bodenverlust [t/ha] auf stark erosions-gefährdeten Standorten (> 3 t/ha Erosion pro Jahr); Bewirtschaftung entlang der Höhenlinien (Prozentuale Verringerung der Bodenverluste in Klammern)
Acker ohne Bäume 3,8 (100 %) 4,5 (100 %)
Acker mit 50 Bäumen/ha 1,4 (-63 %) 1,1 (-76 %)
Acker mit 113 Bäumen/ha 1,3 (-66 %) 1,0 (-78 %)
Durchschnittliche jährliche Stickstoffauswaschung [kgN/ha] während 60 Jahren auf intensiv genutztem Ackerland (Düngung > 100 kgN/ha) (Prozentuale Verringerung der Stickstoffauswaschung in Klammern)
Acker ohne Bäume 142 (100 %) 182 (100 %)
Acker mit 50 Bäumen/ha 117 (-18 %) 171 (-6 %)
Acker mit 113 Bäumen/ha 105 (-26 %) 99 (-46 %)
Kohlenstoffbindung in den Bäumen des Agroforstsystems nach 60 Jahren [t/ha]
Acker ohne Bäume 0 0
Acker mit 50 Bäumen/ha 81 106
Acker mit 113 Bäumen/ha 112 133
Tab. 2 | Einfluss von Bäumen auf Bodenverluste, Stickstoffauswa-schung und Kohlenstoffbindung nach Palma et al. (2006).
Die werte stammen aus Modellberechnungen für 42 zufällig ausgewählte Land-schaften in holland, frankreich und spanien.
132
Pflanzenbau | Agroforstwirtschaft in der Schweiz
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 128–133, 2011
S c h l u s s f o l g e r u n g e n u n d A u s b l i c k
Die Landwirtschaft steht vor der Herausforderung, in
Zukunft mehr zu produzieren, um die Bedürfnisse der
steigenden Weltbevölkerung zu decken. Gleichzeitig
sollen die natürlichen Ressourcen geschont und der
Zustand der Umwelt verbessert werden. Moderne Agro-
forstsysteme sind produktiver als landwirtschaftliche
Monokulturen und erbringen wichtige Umweltleistun-
gen. Dadurch können sie Teil der Lösung sein, um diese
widersprüchlichen Anliegen zu befriedigen. Die Modell-
berechnungen zeigen, dass moderne Agroforstsysteme
bereits unter den jetzigen Rahmenbedingungen wirt-
schaftlich sein können.
Allerdings stehen viele Landwirtinnen und Landwirte
der Idee, wieder vermehrt Bäume im Kulturland zu
pflanzen, skeptisch gegenüber. Zu wenig bekannt sind
die vielen Gestaltungsmöglichkeiten von Agroforstsyste-
men und die Tatsache, dass diese produktiv und langfris-
tig gesehen rentabel sein können. So muss beispielsweise
das Interesse an der Wertholzproduktion – trotz guter
Marktpreise für Edelholz in Furnierqualität – erst geweckt
werden. Dabei ist die Wertholzproduktion unkompli-
ziert, benötigt keine Spezialmaschinen und kann auf
Acker- und Grünland erfolgen. Auch sind Kombinatio-
nen von Frucht- und Wertholzproduktion möglich.
In der Schweiz müsste die landwirtschaftliche Praxis
einerseits bezüglich der Möglichkeiten, welche die
Agroforstwirtschaft ihr bietet, besser informiert werden.
Andererseits fehlen bisher Feldversuche mit Agroforst-
systemen. Diesbezüglich wäre ein Monitoring von
bereits bestehenden innovativen Agroforstsystemen in
Zusammenarbeit mit Pionierbetrieben sinnvoll.
Schwierige Absatzbedingungen für Hochstamm-Obst
machen Agroforstsysteme mit Fruchtproduktion zurzeit
eher für den Nischenmarkt attraktiv. Agroforstsysteme
sind wirtschaftlich insbesondere im Zusammenhang mit
Beiträgen für die biologische Qualität zu empfehlen.
Das Pflanzen von Bäumen bedeutet eine namhafte
Anfangsinvestition. Obstbäume kommen erst nach Jah-
ren in den Vollertrag und Wertholz kann erst nach Jahr-
zehnten geerntet werden. Innovative Landwirte, die
trotzdem Agroforstsysteme anlegen, zeichnen sich
dadurch aus, dass sie etwas Neues ausprobieren wollen
und Freude daran haben, mit Bäumen zu arbeiten. n
2,6 ± 1,3
3,4 ± 1,3
4,2 ± 1,4
3,1 ± 1,4
4,8 ± 1,2
3,0 ± 1,6
4,3 ± 1,2 4,8 ± 1,0
3,6 ± 1,3
3,3 ± 1,2
3,9 ± 1,2
1
2
3
4
5
6
Wirtsch
aftlich
keit
Beiträg
e
Selbs
tverso
rgung
Windsch
utz
Schatt
en fü
r Tier
e Hob
by
Kultu
rland
schaft
Artenv
ielfal
t
Schutz
vor E
rosion
Grundw
assers
chutz
Anseh
en de
s Betr
iebs
Bew
ertu
ngss
kala
(1 –
6)
Abb. 3 | Gründe weshalb Landwirte Hochstamm-Bäume pflanzen. Es wurden 50 Landwirte in der Deutsch- und Westschweiz befragt, Mittelwerte gebildet und die Standardabweichungen berechnet. Die Bewertungsskala geht von 1 bis 6. Werte über 3,5 gelten als Motivation für das Pflanzen von Hochstamm-Bäumen.
133
Agroforstwirtschaft in der Schweiz | Pflanzenbau
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 128–133, 2011
Agroforestry in Switzerland
Trees in agricultural landscapes provide important
benefits for the environment. Nevertheless, they are
disappearing from cultivated land due to economic
and operational reasons. In modern agroforestry
systems, trees are planted in rows on agricultural
land in order to facilitate mechanical operations.
The economic and ecological potential of modern
agroforestry systems in Switzerland was examined.
Productivity per hectare, profitability and environ-
mental benefits were estimated using computer-
aided models. The results show an up to 30 % higher
productivity (per unit area) of agroforestry systems
compared to monocultures. In the long term, agro-
forestry systems can become profitable. On fertile
arable land, they may reduce soil erosion by 78 %
and nitrate leaching by 46 % as well as sequester up
to 133 tons of carbon in 60 years.
In interviews, farmers were questioned about their
perception of benefits and disadvantages of agro-
forestry. Farmers rate agroforestry systems as
non-productive and unprofitable. However, they
admit a benefit for biodiversity and cultural land-
scape. Farmers need to be made aware of the many
agroforestry designs and their economic potential,
based on the experience of pioneer farmers.
Key words: alley cropping, timber and fruit produc-
tion, Prunus avium, Juglans regia, erosion, nitrogen
leaching, carbon sequestration, profitability.
Literatur b Atteslander P., Cromm J., Grabow B., Maurer A., Siegert G. & Zipp G., 1995. Methoden der empirischen Sozialforschung (8. bearb. Aufl.). Berlin; New York: de Gruyter.
b Briner S., Hartmann M. & Lehmann B., 2011. Sind Agroforstsysteme eine ökonomische Möglichkeit zur CO2-neutralen Tierproduktion? Agrarfor-schung Schweiz 2 (1), 12–19.
b Dupraz C. & Liagre F., 2008. Agroforesterie: Des arbres et des cultures. Paris: La France Agricole.
b Gifford R., 2000. Carbon Content of Woody Roots: Revised Analysis and a Comparison with Woody Shoot Components. National Carbon Accoun-ting System Technical Report No. 7 (Revision 1). Canberra: Australian Greenhouse Office.
b Graves A.R., Burgess P.J., Palma J.H.N., Herzog F., Moreno G. et al., 2007. Development and application of bioeconomic modelling to compare sil-voarable, arable, and forestry systems in three European countries. E cological Engineering 29 (4), 434–449.
b Kaeser A., Palma J., Sereke F. & Herzog F., 2010. Umweltleistungen von Agroforstwirtschaft. Die Bedeutung von Bäumen in der Landwirtschaft für Gewässer- und Bodenschutz, Klima, Biodiversität und Landschafts-bild. ART-Berichte 736, 1–12.
b Kaeser A., Sereke F., Dux D. & Herzog F., 2010. Moderne Agroforstwirt-schaft in der Schweiz. Innovative Baumgärten: Produktivität und Wirt-schaftlichkeit. ART-Berichte 725, 1–12.
b Krummenacher J., Maier B., Huber F. & Weibel F., 2008. Ökonomisches und ökologisches Potenzial der Agroforstwirtschaft. Agrarforschung 15(3), 132–137.
b Muralt R. & Cornaz S. (2005). Nitratgehalte im Grundwasser der Schweiz. In: Herzog, F., Richner, W. (Hrsg.). Evaluation der Ökomassnahmen: Bereich Stickstoff und Phosphor. Schriftenreihe der FAL 57, 32–40.
b Palma J.H.N., Graves A.R., Bunce R.G.H., Burgess P.J., de Filippi R. et al., 2006. Modeling environmental benefits of silvoarable agroforestry in Eu-rope. Agriculture, Ecosystems and Environment 119, 320–334.
b Prasuhn V., Liniger H.P., Hurni H. & Friedli S., 2007. Bodenerosions- Gefährdungskarte der Schweiz. Agrarforschung 14 (3), 120 – 127.
b Reeg T., Bemmann A., Konold W., Murach D. & Spiecker H., 2009. Anbau und Nutzung von Bäumen auf landwirtschaftlichen Flächen. Weinheim: Wiley-Vch.
b van der Werf W., Keesman K., Burgess P., Graves A., Pilbeam D. et al., 2007. Yield-SAFE: A parametersparse process-based dynamic model for predicting resource capture, growth and production in agroforestry sys-tems. Ecological Engineering 29, 419–433.
b Walter T., Klaus G., Altermatt F., Ammann P., Birrer S. et al., 2010. Land-wirtschaft. In: Lachat T., Pauli D., Gonseth Y., Klaus G., Scheidegger C., Vittoz P., Walter T. (Red.) (2010). Wandel der Biodiversität in der Schweiz seit 1900: Ist die Talsohle erreicht? Zürich: Bristol-Stiftung; Bern, Stutt-gart, Wien: Haupt. 64–123.
Agrosilvicoltura in Svizzera
Gli alberi nel paesaggio agricolo forniscono
importanti prestazioni ecologiche. Ciò nonostante,
per ragioni di natura economica e tecnico-aziendali,
essi scompaiono dal paesaggio rurale. Questo è il
punto d’inizio di una moderna agrosilvicoltura. Di
norma gli alberi sono piantati su terreni ad uso
agricolo a filare, in modo da non intralciare le
lavorazioni meccaniche. ART ha analizzato il
potenziale economico ed ecologico dei moderni
sistemi di agrosilvicoltura in Svizzera. Attraverso
modelli computerizzati sono stati calcolati la
produttività delle superfici, la redditività e i benefici
ambientali. Dai risultati è emerso che i sistemi di
agrosilvicoltura consentono di accrescere fino al
30 % la produttività delle superfici rispetto alle
monocolture e che a lungo termine possono
diventare economicamente competitivi. Sulle terre
aperte fertili possono ridurre l'erosione del suolo
fino al 78 % e il dilavamento dell'azoto fino al 46 %,
nonché contribuire al sequestro di 133 tonnellate di
carbonio nell'arco di 60 anni. Nell’ambito di
sondaggi svolti gli agricoltori sono stati interpellati
sui vantaggi e gli svantaggi dell'agrosilvicoltura. Da
quanto emerso i sistemi di agrosilvicoltura sono
ritenuti improduttivi e non redditizi, ma gli si
attribuisce una certa utilità per la biodiversità ed il
paesaggio rurale. Partendo dalle esperienze degli
agricoltori pionieri in agrosilvicoltura, sarebbe utile
far meglio conoscere le sfaccettature multiple ed il
potenziale economico dei sistemi di agrosilvicoltura.
134 Agrarforschung Schweiz 2 (3): 134–139, 2011
E i n l e i t u n g
Das Jahr 2010 wurde von den Vereinten Nationen als
internationales Jahr der Biodiversität deklariert. Spätes-
tens seit der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro im
Jahre 1992 ist klar, dass auch die Landwirtschaft einen
wichtigen Beitrag zur globalen Biodiversität leistet.
Im Bereich der Nutztiere findet sich Vielfalt einerseits
zwischen Spezies als auch zwischen und innerhalb Ras-
sen. Die Produkte tierischer Herkunft wie auch andere
Nutzen und Werte der landwirtschaftlichen Nutztiere
sind sehr vielfältig und oft an regionale Gegebenheiten
angepasst. Der Erhalt von Rassen mit unterschiedlichen
Charakteristiken ermöglicht eine angepasste Reaktion
auf Veränderungen in den Umweltbedingungen und
Veränderungen auf den Absatzmärkten. Innerhalb der
Rassen kann eine massive Einschränkung der geneti-
schen Vielfalt zu einem gehäuften Auftreten von Erb-
fehlern sowie einer abnehmenden Fitness und Frucht-
barkeit der Tiere führen.
In der Schweiz sind mehr als 90 Rinder-, Pferde-,
Schaf-, Ziegen- und Schweinerassen registriert (BLW
2007), davon sind jedoch nur 25 ursprüngliche Schweizer
Rassen. Die Erringerrasse gehört zu dieser Gruppe und
besitzt den Gefährdungsstatus «zu beobachten» (BLW
2002). Damit eine unkontrollierte Abnahme der geneti-
schen Vielfalt verhindert werden kann, wird für solche
Populationen die Überwachung der aktuellen, geneti-
schen Vielfalt empfohlen. Falls Abstammungsinformatio-
nen vorhanden sind, bietet PopReport (Groeneveld et al.
2009) eine relativ einfache, internetbasierte Möglichkeit
für ein periodisches Monitoring der genetischen Vielfalt.
Christine Flury und Stefan Rieder, Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft, 3052 Zollikofen
Auskünfte: Christine Flury, E-Mail: [email protected], Tel. +41 31 910 22 64
Genetische Vielfalt in der Eringerpopulation
N u t z t i e r e
Die Eringerrasse ist eine einzigartige Rinderrasse der Schweiz. Eine möglichst breite genetische Vielfalt bildet die Voraussetzung für ihren langfristigen Erhalt. (Eva Moors, Universität Göttingen, Göttingen, Deutschland)
Genetische Vielfalt in der Eringerpopulation | Nutztiere
135
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 134–139, 2011
Sved (1971) und Hill (1981) haben theoretisch gezeigt,
dass eine Beziehung zwischen dem Kopplungsphasen-
ungleichgewicht («linkage disequilibrium» – LD) zwi-
schen zwei Genloci, deren Distanz und der effektiven
Populationsgrösse – einem wichtigen Mass zur Bestim-
mung der genetischen Vielfalt – besteht. Diese Bezie-
hung wurde von verschiedenen Autoren (z.B. Hayes et al.
2003; Tenesa et al. 2003) für die markergestützte Schät-
zung der effektiven Populationsgrösse herangezogen.
Seit Ende 2007 ist für das Rind der 50k Illumina Beadchip
für kommerzielle Genotypisierungen verfügbar. Diese
weitreichende genetische Information erlaubt seither
eine noch genauere Schätzung des LD beziehungsweise
der effektiven Populationsgrösse.
In der vorliegenden Arbeit wurde die genetische
Vielfalt für die Eringerpopulation in der Schweiz analy-
siert. Dies einerseits basierend auf der Abstammungs-
information für 15 Referenzjahrgänge (alle Tiere mit
den Jahrgängen 1993 bis 2007). Andererseits wurden
zusätzlich 128 Tiere für den 50k Illumina Beadchip geno-
typisiert und diese Genotypen wurden für die genomi-
sche Schätzung der effektiven Populationsgrösse heran-
gezogen. Die verschiedenen Schätzwerte erlauben eine
Aussage zu der aktuellen genetischen Vielfalt in der
Eringerpopulation, deren Entwicklung als auch einen
Vergleich zwischen markerbasierten und pedigree-
basierten Schätzungen.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Für die vorliegende Studie wurden 120 Tiere die zwi-
schen 2000 und 2003 geboren worden waren ausge-
wählt und für den 50k Illumina Beadchip genotypisiert.
Aus einer anderen Studie (Timm et al. 2010) standen die
Genotypen von acht weiteren Tieren, geboren zwischen
1998 und 1999, zur Verfügung.
Nach dem Filtern der Genotypisierungsergebnisse
standen insgesamt 128 Eringertiere mit je 33 849 infor-
mativen, sogenannten Single Nucleotid Polymorphisms
(SNPs) für die weitergehende Analyse zur Verfügung.
Im Zentrum der Auswertungen standen die Parameter
Inzuchtkoeffizient (F), Inzuchtrate (ΔF) und effektive
Populationsgrösse (Ne). Diese Grössen dienen als Masse
zur Beurteilung der genetischen Vielfalt in Nutztierpo-
pulationen. Ne verhält sich umgekehrt proportional zu
ΔF (Ne = 1/2 ΔF).
Für die markerbasierte Schätzung der effektiven
Populationsgrösse ist das LD zwischen zwei Markern
von Bedeutung. Dieses wurde für die Stichprobe der
128 Genotypen mit dem Paket Haploview (Barrett et al.
2005) geschätzt. Für die markerbasierte Schätzung der
effektiven Populationsgrösse wurde die untenstehende
Bei der Rasse Eringer handelt es sich um eine
ursprüngliche Rinderrasse der Schweiz. Ziel
der vorliegenden Studie war es, die Ent-
wicklung der genetischen Vielfalt von 1993
bis 2007 basierend auf Abstammungsinfor-
mation zu untersuchen. Weiter wurden
128 Eringerkühe für den Illumina 50k Bead-
chip genotypsiert und die genetische Vielfalt
basierend auf dieser genomweiten Markerin-
formation bestimmt. Die Schätzungen für die
aktuelle effektive Populationsgrösse liegen
zwischen 53 und 321. Die markerbasierten
Schätzungen liegen für alle Methoden bei
Werten unter 100, während die pedigree-
basierten Schätzungen alle Werte > 100
ergaben. Ein möglicher Grund für diese
Differenzen liegt in der unterschiedlichen
Vollständigkeit der Pedigreeinformation, die
im Jahre 2001 für die erste bis zur sechsten
Ahnengeneration unter 90 % gefallen ist. In
der vorliegenden Arbeit werden Strategien
zum langfristigen Erhalt der genetischen
Vielfalt in dieser einzigartigen Schweizer
Rasse dargestellt und diskutiert.
Nutztiere | Genetische Vielfalt in der Eringerpopulation
136 Agrarforschung Schweiz 2 (3): 134–139, 2011
Formel nach Sved (1971), sowie deren Erweiterung um
den Faktor (1/n) von Hill (1981) verwendet:
Bei r2 handelt es sich um ein weitverbreitetes Mass für
die Beschreibung von LD, E(r2) steht für den Erwartungs-
wert von r2, n steht für die Stichprobengrösse und c für
die genetische Distanz zwischen zwei Markern. Zur Schät-
zung der markerbasierten effektiven Populationsgrösse
wurden sowohl die Annahmen zur genetischen Distanz
(Annäherung der genetischen Distanz über die physikali-
sche Distanz oder durch die geschätzten genetischen Dis-
tanzen in Morgan) als auch die Annahmen zur Korrektur
für die Stichprobengrösse n (ohne Korrektur für die Stich-
probengrösse oder mit Korrektur für die Stichproben-
grösse) variiert, somit konnten vier verschiedene Metho-
den verglichen werden. Die kleinste Distanz zwischen
zwei Genloci die berücksichtigt wurde, entspricht 25 kb.
Zur Ermittlung der Anzahl Generationen, für welche die
Schätzung gilt, wurde die Formel 1/(2×c) herangezogen
(Hayes et al. 2003). Weitere Angaben zu der markerba-
sierten Schätzung der effektiven Populationsgrösse kön-
nen Flury et al. (2010a) entnommen werden.
Die gesamte Abstammungsinformation der Rasse
Eringer von 1926 bis 2007 wurde freundlicherweise vom
Eringerzuchtverband zur Verfügung gestellt. Für die
pedigreebasierte Analyse wurden neben dem gesamten
Pedigree für die Referenzjahrgänge aller geborener
Tiere von 1993 bis 2007 auch die Abstammungsinforma-
tion für die Stichprobe der 128 SNP genotypisierten
Tiere ausgewertet. Die Abstammungsinformation für
die Referenzjahrgänge umfasste total 72 232 Tiere,
demgegenüber fanden sich total 4798 Ahnen im Pedi-
gree der Stichprobe der 128 genotypisierten Tiere.
Die Abstammungsinformation wurde mit gängiger
Software wie CFC (Sargolzaei et al. 2006), Endog (Gutiér-
rez und Goyache 2005) und PopReport (Groeneveld et al.
2009) analysiert.
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Entwicklung der genetischen Vielfalt in den Referenz-
jahren (1993 bis 2007)
Für die Bestimmung der genetischen Vielfalt basierend
auf Abstammungsinformationen ist deren Vollständig-
keit wichtig. Je vollständiger die Abstammungsinforma-
tionen sind desto genauer können Verwandtschafts-
beziehungen zwischen den Tieren und somit auch die
Parameter der genetischen Vielfalt geschätzt werden. In
Abbildung 1 ist die Entwicklung der Vollständigkeit der
Abstammungsinformation für die 15 Referenzjahrgänge
beim Eringerrind dargestellt.
Für 1993 geborene Tiere fanden sich noch 90 % und
mehr der Abstammungsinformation der ersten sechs
Ahnengenerationen. Danach hat die Vollständigkeit der
Abstammungsinformation kontinuierlich abgenommen
und ist im Jahre 2001 für alle untersuchten Ahnengene-
rationen unter 90 % gefallen. Gründe für diese Abnahme
sind die teilweise Öffnung des Herdebuchs für Tiere der
Rasse Evolèner, sowie die vergleichsweise schlechtere
Meldungsrate der Abstammung von Natursprungkäl-
bern seitens der Tierhalter (persönliche Kommunikation
E. Fellay). Ab 2002 hat die Vollständigkeit der Informa-
tion wieder zugenommen.
Die Entwicklung der Anzahl dokumentierter Gebur-
ten pro Jahr und die durchschnittliche Anzahl Nachkom-
men pro Stier ist Bestandteil von Abbildung 2. Haupt-
sächlich durch die Einführung der Tierverkehrsdatenbank
beziehungsweise der Meldepflicht weiblicher wie auch
männlicher Kälber haben sich die dokumentierten
Geburten ab 2002 bis heute fast verdoppelt. Der gleiche
Effekt ist auch für andere Rassen bekannt (z.B. Flury und
0
20
40
60
80
100
1958 1962 1966 1970 1974 1978 1982 1986 1990 1994 1998 2002 2006
Volls
tänd
igke
it Pe
digr
ee %
Jahr1. Gen 2. Gen 3. Gen 4. Gen 5. Gen 6. Gen
Abb. 1 | Vollständigkeit der Abstammungsinformation für jeweils sechs Generationen, bezogen auf die Referenzjahrgänge zwischen 1958 bis 2007.
2805 2671 2581 2638 2644 2489 2557 2764
3087
4501
5219 5518 5507
5697 5721
0
5
10
15
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007
ø N
achk
omm
en p
ro S
tier
Geb
urte
n
JahrAnzahl Geburten Anzahl Nachkommen pro Stier
Abb. 2 | Entwicklung der Anzahl Geburten pro Jahr und der durch-schnittlichen Anzahl Nachkommen pro Stier.
E(r²)= +1(1+4Nec)
1n
Genetische Vielfalt in der Eringerpopulation | Nutztiere
137Agrarforschung Schweiz 2 (3): 134–139, 2011
Der durchschnittliche Inzuchtkoeffizient für alle Tiere
hat von 1993 bis 2007 von 1,76% auf 2,10% zugenom-
men. Wobei für die Spanne von zwischen 1999 bis 2004
im Mittel keine Veränderung verzeichnet werden kann.
Die durchschnittlichen Inzuchtkoeffizienten der Väter zei-
gen für diese Spanne sogar einen abnehmenden Trend an.
Die geschätzten effektiven Populationsgrössen und
die zugehörigen Inzuchtraten sind Bestandteil von
Abbildung 4. Die Inzuchtraten (ΔF) beschreiben die Ver-
änderung der durchschnittlichen Inzuchtkoeffizienten
pro Zeiteinheit (hier pro Jahr) und lassen sich somit aus
den Ergebnissen in Abbildung 3 ableiten.
Seit 1996 hat die Inzuchtrate stetig abgenommen bis
zu einem Tiefpunkt im Jahr 2001. Es wird angenommen,
dass diese Abnahme primär durch die abnehmende Voll-
ständigkeit der Abstammungsinformation bedingt ist und
die «wahren» Inzuchtraten hier somit unterschätzt wer-
den. Die Öffnung des Herdebuches für Tiere der Evolèner-
rasse und damit die Migration von teilweise Eringer-frem-
den Genen trägt ebenfalls zur Abnahme der beobachteten
Inzuchtrate bei. Von 2002 bis 2007 zeigt die Inzuchtrate
wieder einen zunehmenden Trend. Die Abnahme der
Inzuchtrate zwischen 1996 bis 2001 widerspiegelt sich auf-
grund der umgekehrten Proportionalität von Ne und ΔF
direkt in den Schätzwerten für die effektive Populations-
grösse dieser Zeitspanne. Dabei ist der extreme Schätz-
wert für das Jahr 2001 auffällig. Die aktuelle effektive
Populationsgrösse (d.h. Jahr 2007) liegt bei 147.
Markergestützte Schätzung der genetischen Vielfalt
Die historische Entwicklung der markergestützten
effektiven Populationsgrösse der Eringerpopulation
aus den vier verschiedenen Schätzmethoden ist
Bestandteil von Abbildung 5. Die kleinste Distanz zwi-
schen zwei Genloci die berücksichtigt wurde entspricht
25 kb was aufgrund der Beziehung 1/(2×c) 2000 Gene-
rationen entspricht. Für welche Rinderpopulation die
Schätzer weiter als 100 Jahre (d.h. 20 Generationen)
zurück gelten ist nicht klar. Es wird angenommen, dass
die Schätzer eher z.B. für die Rinderpopulationen der
Alpenregion gelten, als spezifisch für die Eringerrasse
(Flury et al. 2010a).
Bapst 2010). Es ist davon auszugehen, dass die dokumen-
tierte Information heute ungefähr der tatsächlichen
Anzahl geborener Kälber von Herdebuchtieren ent-
spricht. Im Jahr 2007 wurden 5721 Geburten erfasst.
Diese Kälber gehen auf 453 Stiere und 5392 Kühe zurück.
Die durchschnittliche Anzahl Nachkommen pro Stier
belief sich im selben Jahr auf 12,3 Tiere. Die vergleichs-
weise tiefe durchschnittliche Anzahl Nachkommen pro
Stier ist nicht weiter erstaunlich, da in der Eringerrasse
nach wie vor ein sehr hoher Anteil der Bedeckungen
(66 %) über den Natursprung erfolgt (Eringerzuchtver-
band 2009).
Beim Inzuchtkoeffizienten, der Inzuchtrate und der
effektiven Populationsgrösse handelt es sich um wichtige
Parameter zur Beschreibung der genetischen Vielfalt in
einer Population. In Abbildung 3 ist die Entwicklung der
durchschnittlichen Inzuchtkoeffizienten für alle Tiere der
15 Referenzjahrgänge, sowie auch für deren Väter und
Mütter dargestellt.
0,000
0,005
0,010
0,015
0,020
0,025
1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007
durc
hsch
nitt
l. In
zuch
tkoe
ffizi
ent
Jahr
alle Tiere Väter der Tiere Mütter der Tiere
Abb. 3 | Entwicklung der durchschnittlichen Inzuchtkoeffizienten für alle Tiere geboren zwischen 1993 und 2007, sowie deren Väter und Mütter.
122 102 125 116 152 185 250
714
1667
278
625
333 179
250 147
0,0000
0,0010
0,0020
0,0030
0,0040
0,0050
0,0060
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007
delta
F
effe
ktiv
e Po
pula
tions
grös
se
Jahr
effektive Populationsgrösse delta_F
Abb. 4 | Effektive Populationsgrösse (vertikale Achse links) und zu-gehörige Inzuchtrate (vertikale Achse rechts) für die 15 Referenz-jahrgänge.
Effektive Populationsgrösse _.__ Generationen zurück
Methode 1,00 2,00 3,34 5,01
Ne_1_approx 53 88 114 134
Ne_1_Morgan 53 93 120 144
Ne_2_approx 92 134 157 171
Ne_2_Morgan 92 147 169 187
Tab. 1 | Markerbasierte Schätzungen für die aktuelle effektive Po-pulationsgrösse (1 bis 5 Generationen zurück; Flury et al. 2010b).
138
Nutztiere | Genetische Vielfalt in der Eringerpopulation
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 134–139, 2011
Aus Abbildung 5 wird ersichtlich, dass die Schätzungen
der aktuellen effektiven Populationsgrösse (d.h.
100 Generationen und weniger) für alle vier Methoden
ungefähr gleich sind.
Die markerbasierten Schätzungen der aktuellen,
effektiven Populationsgrösse für die vier Schätzmetho-
den sind Bestandteil von Tabelle 1.
Aus Abbildung 5 sowie aus Tabelle 1 wird deutlich, dass
sowohl die historische als auch die aktuelle effektive
Populationsgrösse für die Eringerpopulation abgenom-
men hat. Dieser Trend ist auch aus Untersuchungen für
andere Rassen bekannt (Hayes et al. 2003; The Bovine
Hapmap Consortium 2009; Flury und Bapst 2010; Flury
et al. 2010b).
Die Schätzungen für die heutige effektive Populati-
onsgrösse schwanken zwischen 53 und 92, d.h. liegen
unter 100. Die pedigreebasierten Schätzungen für die
Abstammungsinformation der 128 typisierten Tiere lie-
gen im Bereich von 110 - 321 (Flury et al. 2010a). Diese
Unterschiede werden hauptsächlich durch die historisch
beschränkte Natur der Abstammungsinformation wie
auch die Abnahme der Vollständigkeit des Pedigrees von
1994 bis 2001 begründet. Das älteste Tier im berücksich-
tigten Pedigree wurde im Jahr 1926 geboren. Allfällige
gemeinsame Ahnen vor diesem Zeitpunkt sind in der
Analyse basierend auf Abstammungsinformation nicht
berücksichtigt. Es muss aber davon ausgegangen wer-
den, dass es auch vor 1926 verwandtschaftliche Bezie-
hungen in der Eringerrasse gab. Die genomische Infor-
mation trägt diesem Umstand Rechnung. Dem zweiten
Grund, der kürzlichen Abnahme der Pedigreevollstän-
digkeit (Meldedisziplin), wird jedoch noch der grössere
Einfluss auf die gefundenen Unterschiede zugeschrie-
ben. Es ist davon auszugehen, dass alle hier vorgestell-
ten pedigreebasierten Schätzungen die wahren Parame-
ter überschätzen. Eine Verzerrung der markerbasierten
Schätzung durch die Auswahl der Tiere für die Stich-
probe ist grundsätzlich möglich (z.B. zufällige Auswahl
von nah verwandten Tieren). Bei der Auswahl der 128
Tiere für die Typisierung wurde jedoch versucht dem
soweit wie möglich entgegenzuwirken, indem Halb-
und Vollgeschwister ausgeschlossen wurden.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Die genetische Vielfalt in der Eringerrasse hat in den ver-
gangenen Jahren abgenommen. Im direkten Vergleich
ist die Abnahme etwas weniger ausgeprägt als für
andere geschlossene Rinderpopulationen.
Es wird angenommen, dass die hier präsentierten
Ergebnisse für die pedigreebasierten Schätzungen über-
schätzt sind, dies aufgrund der erst vor kurzem aufgetre-
tenen abnehmenden Pedigreevollständigkeit. Sowohl
für Selektionsentscheide als auch für das Monitoring der
genetischen Vielfalt ist das Vorhandensein möglichst
kompletter Abstammungsinformation eine wichtige
Grundlage.
Bei der Eringerrasse handelt es sich um eine relativ
kleine, geschlossene Population mit einem hohen
Anteil an Natursprung-Bedeckungen. Insgesamt ist das
Zuchtprogramm weniger selektiv als in anderen Nutz-
tierrassen. Somit sollte auch die genetische Vielfalt
unter geringerem Druck stehen als in anderen Popula-
tionen.
Um eine möglichst grosse genetische Vielfalt dieser ein-
zigartigen Rasse zu erhalten wird den Züchtern als ein-
fache Regel geraten die Verwandtschaftsverhältnisse
zwischen potenziellen Paarungspartnern bis mindes-
tens zur dritten Ahnengeneration zurück in der Paa-
rungsplanung mit zu berücksichtigen und Abstammun-
gen vollständig dem Herdebuch zu melden. Von einem
Einsatz von überdurchschnittlich stark mit der weibli-
chen Zuchtpopulation verwandten Stieren, sowie der
direkten Verpaarung von Eltern mit einem Verwandt-
schaftsgrad von mehr als 12% wird abgeraten. Ein ein-
faches Instrument für Anpaarungsentscheidungen
unter Berücksichtigung der genetischen Vielfalt wie
auch den Zuchtwerten wurde für die Schweizer Freiber-
gerrasse von Hasler et al. (in press) vorgeschlagen. Die
Anwendung dieses Instruments ist auch für lokale Rin-
derrassen – wie die Eringer – denkbar. n
Abb. 5 | Entwicklung der effektiven Populationsgrösse basierend auf genomischer Information für die vier verschiedenen Methoden. Ne_1_ steht für die Methode ohne Korrektur für die Stichproben-grösse n und Ne_2_ für die Methode mit der Korrektur für die Stich-probengrösse. Weiter stehen die Endungen _approx für die Annä-herung der genetischen Distanz über die physikalische Distanz und
_Morgan für die Berücksichtigung der geschätzten genetischen Dis-tanzen in Morgan (Flury et al. 2010a).
0
250
500
750
1000
1250
1500
1750
2000
2250
0 500 1000 1500 2000
effe
ktiv
e Po
pula
tions
grös
se (N
e)
Generationen zurück
Ne_1_approx Ne_2_approx Ne_1_Morgan Ne_2_Morgan
139
Genetische Vielfalt in der Eringerpopulation | Nutztiere
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 134–139, 2011
Literatur b Barrett J.C., Fry B., Maller J. & Daly M.J., 2005. Haploview: analysis and vi-sualization of LD and haplotype maps. Bioinformatics 21, 263–265.
b BLW, 2007. Tiergenetische Ressourcen der Schweiz. Broschüre im Auftrag des Bundesamts für Landwirtschaft im Zusammenhang mit der ersten technischen Konferenz für Tiergenetische Ressourcen, Interlaken, Schweiz. Zugang: http://www.blw.admin.ch/themen/00013/00082/00087/index html?lang=en.
b BLW, 2002. Die Rassenvielfalt der landwirtschaftlichen Nutztieren der Schweiz. Bericht der Schweiz zuhanden der FAO, Rom. http://www.blw.admin.ch/themen/00013/00082/00087/index.html?lang=de
b Eringerzuchtverband, 2009. Geschäftsbericht 2009. http://www.racehe-rens.ch/D/pv.php. Abgerufen am 27.10.2010.
b Flury C., Tapio M., Sonstegard T., Drögemüller C., Leeb T., Simianer H., Hanotte O. & Rieder S., 2010a. Effective population size of an indigenous Swiss cattle breed estimated from linkage disequilibrium. Journal of Ani-mal Breeding and Genetics 127, 339–347.
b Flury C., Tapio M., Sonstegard T., Drögemüller C., Leeb T., Simianer H., Hanotte O. & Rieder S., 2010b. The use of SNP data for the estimation of effective population size in cattle breeds. Proceedings of the 9th World Congress on Genetics Applied to Livestock Production, August 1–6, Leip-zig, Germany.
b Flury C. & Bapst B., 2010. Genetic diversity in the Swiss Original Brown cattle population. Proceedings of the European Brown Swiss Conference, October 14–16, Novo Mesto, Slovenia.
b Groeneveld E., Westhuizen B.v.d., Maiwashe A., Voordewind F., Ferraz J.B.S. (2009) POPREP: a generic report for population management. Gene-tics and Molecular Research 8, 1158 – 1178.
b Gutiérrez J.P., Goyache F. (2005) A note on ENDOG: a computer program for analysing pedigree information. Journal of Animal Breeding and Gene-tics 122, 172–176.
b Hasler H., Flury C., Menet S., Haase B., Leeb T., Simianer H., Poncet P-A. & Rieder S., in press. Genetic diversity in an indigenous horse breed – impli-cations for mating strategies and the control of future inbreeding. Journal of Animal Breeding and Genetics.
b Hayes B.J., Visscher P.M., McPartlan H.C. & Goddard M.E., 2003. Novel multilocus measure of linkage disequilibrium to estimate past effective po-pulation size. Genome Research 13(4), 635–643.
b Hill W.G., 1981. Estimation of effective population size from data on linka-ge disequilibrium. Genetical Research 38, 209–216.
b Sargolzaei M., Iwaisaki H., Colleau J.J. (2006) CFC: A tool for monitoring genetic diversity. Proc. 8th World Congr. Genet. Appl. Livest. Prod., CD-ROM Communication no 27–28. Belo Horizonte, Brazil, Aug. 13–18, 2006.
b Sved J.A., 1971. Linkage disequilibrium and homozygosity of chromosome segments in finite populations. Theoretical Population Biology 2(2), 125–141.
b Tenesa A., Knott S.A., Ward D., Smith D., Williams J.L. & Visscher P.M., 2003. Estimation of linkage disequilibrium in a sample of the United King-dom dairy cattle population using unphased genotypes. Journal of Animal Science 81, 617–623.
b The Bovine HapMap Consortium, 2009. Genome-wide survey of SNP varia-tion uncovers the genetic structure of cattle breeds. Science 324 (5926), 528–532.
b Timm K., Rüfenacht S., von Tscharner C., Bornand V.F., Doherr M.G., Oevermann A., Flury C., Rieder S., Hirsbrunner G., Drögemüller C. & Roosje P.J., 2010. Alopecia areata in Eringer cows. Veterinary Dermatology 21, 545–553.
Genetic diversity of the Eringer breed
The Eringer cattle breed is a local breed of Swiss
origin. The objective of this study was to analyse
the development of genetic diversity from 1993
to 2007 using pedigree information. In addition,
128 Eringer cows were genotyped for the
Illumina 50k beadchip and, using this genome-
wide marker information, the genetic diversity
within the population was assessed. The current
effective population size is estimated to be
between 53 and 321. For all methods applied,
the marker-based estimates were below 100,
whereas the pedigree-based estimates were
above 100. One possible reason for this differ-
ence is the degree of pedigree completeness: for
animals born before 2001, the completeness over
six generations of ancestors was found to be
below 90 %, whereas for all other animals the
completeness was found at nearly 100%. In this
study, strategies to maintain the genetic diver-
sity of this unique cattle breed of Switzerland
are presented and discussed.
Key words: local cattle breed, inbreeding,
effective population size, SNPs.
Diversità genetica della razza Hérens
La razza di Hérens è una razza bovina di
origine svizzera. Lo scopo di questo studio era
quello di verificare l’evoluzione della sua
diversità genetica dal 1993 al 2007 basandosi
su informazioni genealogiche. Inoltre, 128 ani-
mali sono stati genotipizzati con l’ausilio della
tecnologia Illumina 50k Beadchip, e la diversità
genetica di questa popolazione è stata
determinata partendo dai marcatori genomici
ottenuti. I valori stimati per la misura effettiva
della popolazione varia tra i 53 ed i 321.
Le stime basate sui marcatori genomici sono
sempre inferiori a 100, mentre le stime basate
sul pedigree sono sempre superiori a 100.
Queste differenze potrebbero essere spiegate
da variazioni nella completezza dell’ informa-
zione sul pedigree che nell’anno 2001 risultava
inferiore al 90 % per le prime sei generazioni di
ascendenti. Questo studio propone misure per
preservare a lungo termine la diversità
genetica di questa razza Svizzera unica.
140
Martin Lobsiger ist Geschäftsführer von Profi-Lait. Seit
2003 arbeitet er für das Netzwerk von Forschung, Bera-
tung, Lehre, Verbänden und Interessengruppen zur Unter-
stützung der Schweizer Milchbauern. «Kampagnen wie
‹Kostenoptimierung der Milchproduktion› oder die ‹Dürr-
futtermeisterschaften› bringen die richtigen Leute zusam-
men und den Milchbauern schlussendlich das Knowhow,
ihre Produktion und Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Es
ist der Zweck von Profi-Lait, den Milchbauern einen Nut-
zen zu bieten und den Wissenstransfer von der Forschung
in die Praxis zu unterstützen», erklärt Martin Lobsiger
seine Aufgabe an der Forschungsanstalt Agroscope Liebe-
feld-Posieux ALP.
Land, Stadt und Landwirtschaft
Aufgewachsen auf dem Land, auf einem Milchvieh betrieb
im Bernischen Uettligen, interessierte sich Lobsiger Zeit
seines Lebens für die Landwirtschaft und die Nahrungs-
mittelproduktion im Allgemeinen. Nachdem klar wurde,
dass sein Bruder den elterlichen Hof weiterführen würde,
entschied sich Lobsiger für das Gymnasium und das Stu-
dium der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich.
Das Agronomiestudium war ihm zu dieser Zeit zu konser-
vativ orientiert. «Systemdenken und der Nachhaltigkeits-
gedanke waren mir damals schon sehr wichtig. Das Stu-
dium der Umweltnaturwissenschaften bot damals in
dieser Hinsicht mehr.» Im Anschluss ans Studium blieb
Martin Lobsiger in Zürich und der Stadt, arbeitete an der
ETH an der Professur für Natur- und Landschaftsschutz,
leitete zwei Saisons lang Milchviehalpen im Wallis und im
Berner Oberland und bildete sich am Strickhof zum Bio-
landbauexperte weiter. Weitere Praxiserfahrung sam-
melte er während mehrerer Aufenthalte auf einer gros-
sen Farm im US-Bundesstaat Süddakota. Umwelttheorie
und landwirtschaftliche Praxis, zwei ihm wichtige The-
men, hatte er sich nun umfassend zu eigen gemacht.
Zeit für Freunde und Ideen
Heute wohnt Martin Lobsiger mit seiner Frau und den drei
kleinen Kindern in Thun. Die Freizeit widmet er momentan
ganz der Familie und der Weiterbildung. Die Stunden, die
er mit den Kindern draussen in der Natur verbringt, erset-
zen ihm weitgehend das Bedürfnis, Sport zu treiben. «Lei-
der kann ich wegen chronischer Verletzungen nur noch
wenig Sport betreiben. Viel Zeit verbringe ich daher, meine
mir wichtigen Freundschaften zu pflegen,» antwortet er
auf die Frage nach seinen Hobbys. Sein freundliches Auf-
treten und kommunikatives Wesen prädestinieren ihn für
die Arbeit mit Leuten und für den Wissenstransfer. Zusätz-
lich zu seiner Aufgabe als Geschäftsführer von Profi-Lait
arbeitet er zu 30 Prozent für ALP. Hier verfasst er Artikel für
die Beratung und Praxis und organisiert Tagungen und Ver-
anstaltungen.
Aktuell beschäftigt ihn die Planung von Nutri 11 (siehe
Kasten), wo er im Organisationskomitee ALP vertritt.
Manchmal ist es seine Rolle, Missverständnisse aus dem
Weg zu räumen und Wogen zu glätten. Werkzeuge für
diese Aufgabe holt er sich nicht zuletzt bei seiner aktuellen
Weiterbilung zum Excecutive Master of Business Administ-
ration EMBA in Bern. «Bei Nutri 11, der grossen Veranstaltung zur Ernäh-
rung von Pflanze, Tier und Mensch, kann ich mich voll
einbringen.» Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit in der
Nahrungsmittelproduktion, Qualität der Produkte und
langfristiges Denken sind und bleiben für Martin Lobsi-
ger wichtige Anliegen.
Andrea Leuenberger-Minger, Redaktion Agrarforschung Schweiz,
1725 Posieux
Martin Lobsiger leitet die Plattform Profi-Lait
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 140, 2011
Nutri 11 – Ernährung verbindetVier Partner – das landwirtschaftliche Institut in Grangeneuve IAG,
die Vetsuisse Fakultät der Universität Bern, die Schweizerische
Hochschule für Landwirtschaft SHL und die Forschungsanstalt
Agroscope Liebefeld-Posieux ALP – organisieren vom 17. – 19. Juni
2011 die Nutri 11, eine grosse Veranstaltung auf dem Gelände des
IAG und der ALP in Posieux. Unter dem Thema «Ernährung verbindet
und geht uns alle etwas an» werden gemeinsame Forschungs-
projekte einem breiten Publikum auf attraktive Weise vorgestellt.
P o r t r ä t
Aktuell
141
Nicht nur in der Schweiz wird über die Reform der
Direktzahlungen diskutiert, auch Europa will die
Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) weiterentwickeln. Das
Deutsche Bundesamt für Naturschutz führte in diesem
Zusammenhang in Berlin einen Workshop zum Thema
«Erhalt der Biodiversität in der Agrarlandschaft − Erfah-
rungen und Weiterentwicklung» durch, in dem es
schwerpunktmässig um die Biodiversität ging. Der Ver-
treter der EU-Kommission (GD Agriculture) legte dar,
dass die Umweltziele der EU und der Mitgliedstaaten,
insbesondere im Bereich der Biodiversität, nicht erreicht
wurden und dass deshalb die Reform so ausgerichtet
werden sollte, dass unter anderem die Agrobiodiversität
besser erhalten werden kann. Urs Niggli (FiBL) stellte
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 141–143, 2011
N e u e P u b l i k a t i o n e n
ALP aktuell
Schotteverwertung durch das Schwein Merkblatt für die Praxis
Nr. 38 | 2010
Autor
Peter StollForschungsanstaltAgroscope Liebefeld-Posieux ALPTioleyre 4, Postfach 64CH-1725 [email protected]
Die Verfütterung von Schotte (oder Molke) an Schweine hat eine lange Tradition und ist sehr verbreitet. Nicht nur weil es ein kostengünstiges Produkt ist und es von den Tieren gut gefressen wird, sondern auch weil Schotte fettarm ist und dadurch die Fettqualität der Schlachtkörper günstig beeinfl usst.
Milchnebenprodukte sind wertvolle Fut-termittel, die jedoch auch ihre Tücken haben. Sowohl der hohe Laktose- und Natriumgehalt als auch die grosse Variabi-lität der Nährstoffgehalte zwischen den verschiedenen Milchnebenprodukten oder die Anfälligkeit für mikrobiellen Verderb
erfordern einen gezielten Einsatz beim Schwein. Um diesbezüglich Hilfestellung zu geben, behandelt dieses Merkblatt fol-gende Punkte:
• Vermarktete Schottemenge• Verschiedenartigkeit von Milchneben- produkten• Schotte und Mikrobiologie• Grundsätze der Schottestabilisierung• Fütterungsgrundsätze beim Schotte- einsatz• Kosten der Schotte
EidgenössischesVolkswirtschaftsdepartement EVDForschungsanstaltAgroscope Liebefeld-Posieux ALP
ALP gehört zur Einheit ALP-Haras
Schweizerische EidgenossenschaftConfédération suisseConfederazione SvizzeraConfederaziun svizra
ALP
Impressum
Herausgeber: ForschungsanstaltAgroscope Liebefeld-Posieux ALPwww.agroscope.ch
Redaktion:Gerhard Mangold, ALP
Gestaltung:RMG Design, Fribourg
Druck:Tanner Druck AG,Langnau im Emmental
Copyright:Nachdruck, auch auszugsweise, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Herausgeberin gestattet.
ISSN 1660-7570
alp actuel 38_all.indd 1 17.12.10 09:17
Schotteverwertung durch das Schwein
ALP aktuell
Die Verfütterung von Schotte (oder Molke) an Schweine
hat eine lange Tradition und ist sehr verbreitet. Nicht nur
weil es ein kostengünstiges Produkt ist und es von den
Tieren gut gefressen wird, sondern auch weil Schotte fett-
arm ist und dadurch die Fettqualität der Schlachtkörper
günstig beeinflusst. Milchnebenprodukte sind wertvolle
Futtermittel, die jedoch auch ihre Tücken haben. Sowohl
der hohe Laktose- und Natriumgehalt als auch die grosse
Variabilität der Nährstoffgehalte zwischen den verschie-
denen Milchnebenprodukten oder die Anfälligkeit für
mikrobiellen Verderb erfordern einen gezielten Einsatz
beim Schwein. Um diesbezüglich Hilfestellung zu geben,
behandelt dieses Merkblatt folgende Punkte:
•• Vermarktete Schottemenge
•• Verschiedenartigkeit von Milchneben- produkten
•• Schotte und Mikrobiologie
•• Grundsätze der Schottestabilisierung
•• Fütterungsgrundsätze beim Schotte- einsatz
•• Kosten der Schotte
Peter Stoll, ALP
den Ökologischen Leistungsnachweis ÖLN in der Schweiz
vor. In der Diskussion wurde wiederholt auf das «Schwei-
zer Modell» verwiesen und eine Mehrheit plädierte für
die Einführung von zirka 10 Prozent «Ressourcenschutz-
flächen» (im Sinn von ökologischen Ausgleichsflächen)
auf jedem Landwirtschaftsbetrieb. Der EU-Vertreter will
prüfen, welche Elemente des ÖLN in die Reform der GAP
einfliessen könnten.
Felix Herzog, Agrarlandschaft und Biodiversität,
Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Zürich
Erhalt der Biodiversität in der Agrarlandschaft − Erfahrungen und Weiterentwicklung
Aktuell
A k t u e l l
142
M e d i e n m i t t e i l u n g e n
22.09.2010 / ART Im Netz der Pilze Zürich ist zur Pilzhauptstadt der Schweiz avanciert. Heute
wurde am Stadtrand die erste nationale Sammlung
unterirdischer Knäuelpilze eröffnet. Pilzfäden halten das
Leben auf der Erde zusammen. Denn sie liefern Bäumen,
Gräsern und Nutzpflanzen überlebenswichtige Nähr-
stoffe. Wegen ihrer enormen Bedeutung für das Ökosys-
tem eröffnete heute die landwirtschaftliche Forschungs-
anstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART die erste
nationale Sammlung der so genannten Knäuelpilze, eine
Gruppe der Mykorrhizapilze.
19.09.2010 / SNG Equus helveticus – Ein weiterer Grosserfolg für das Schweizer Pferd Die zweite Ausführung des neuen Pferdefestivals Equus
helveticus zog während vier Tagen (16. – 19. September
2010) 20 000 Personen an und war ein Grosserfolg. Familien,
Reiter und Züchter aus der ganzen Schweiz und dem Aus-
land bewunderten über 1000 Pferde in sämtlichen existie-
renden Pferdesport- und Pferdezuchtdisziplinen. Das Pfer-
defestival Equus helveticus bescherte Avenches ein
einmaliges Wochenende.
16.09.2010 / ART Ammoniak aus Ställen auf der Spur Laufställe sind bedeutende Quellen von Ammoniak. Jetzt
zeigen Messungen, dass Ammoniakemissionen im Sommer
besonders hoch sind. Kühe produzieren eine Menge Kot
und Harn, die oft mehrere Stunden auf den Laufflächen
liegen. Dabei entweicht Ammoniak. Das Problem: Der
Landwirtschaft geht viel wertvoller Stickstoffdünger verlo-
ren, weil er sich buchstäblich in die Luft verflüchtigt.
Ammoniak in der Atmosphäre kommt schliesslich mit dem
Regen auf die Erdoberfläche und belastet dort als
Stickstoff¬dünger empfindliche Ökosysteme.
13.09.2010 / ACWAgroscope ACW bewertet 120 Aprikosensorten, die zwischen Juni und September geerntet wurden Das Aprikosenfest vom 6 bis 8. August 2010 in Saxon hat
viele tausend Menschen angelockt. In diesem Rahmen hat
das kantonale Amt für Obstbau im Wallis in Zusammenar-
beit mit der Forschungsanstalt Agroscope Changins-
Wädenswil ACW einen gemeinsamen Informationstag
organisiert. Anlässlich dieser Veranstaltungen konnten
neben vielen angesprochenen aktuellen Themen auch
zahlreiche Aprikosensorten vorgestellt werden. Agroscope
ACW bewertet an ihrem Standort in Conthey derzeit
120 Aprikosensorten, die in der Zeit von Mitte Juni bis Ende
September geerntet werden können.
09.09.2010 / ART Identitäts-Chip am Ohr
Das Leben eines Schweins könnte in Zukunft von der
Geburt bis zur Schlachtung mittels elektronischen Ohrmar-
ken rückverfolgt werden. Die Technologie dazu muss noch
entwickelt werden.
31.08.2010 / ART Landwirtschaftliche Einkommen sinken 2009 Die wirtschaftliche Situation der landwirtschaftlichen
Betriebe ist 2009 weniger gut als 2008. Sowohl das land-
wirtschaftliche Einkommen je Betrieb als auch der Arbeits-
verdienst je Familienarbeitskraft gehen zurück. Dies zeigen
die definitiven Ergebnisse der Zentralen Auswertung von
Buchhaltungsdaten der Forschungsanstalt Agroscope
Reckenholz-Tänikon ART. 2009 beträgt das landwirtschaft-
liche Einkommen je Betrieb 60 300 Franken gegenüber
64 100 Franken im Vorjahr (-6,0 %). Der durchschnittliche
Arbeitsverdienst je Familienarbeitskraft sinkt im Vergleich
zu 2008 um 1,3 % (von 41 700 Franken auf 41 200 Franken).
www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen
Aktuell
M e d i e n m i t t e i l u n g e n
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 141–143, 2011
08.02.2011 / ALP Risikobasierte Futtermittelkontrolle führt zu mehr Beanstandungen Die Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP
hat den Auftrag, alle in den Handel gebrachten Futter-
mittel für Nutz- und Heimtiere zu kontrollieren. Damit
stellt sie die erste Kontrollinstanz entlang der Lebensmit-
telkette dar. Im vergangenen Jahr wurden 1430 Proben
erhoben und analysiert. Bei den Futtermitteln für Nutz-
tiere hat sich der Anteil der beanstandeten Proben
gegenüber dem Vorjahr erhöht. Im Gegensatz dazu hat
sich die Situation beim Petfood deutlich verbessert.
www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen
Aktuelle Forschungsergebnisse
für Beratung und Praxis:
Agrarforschung Schweiz publiziert 10-mal
im Jahr Forschungsergebnisse über
Pflanzenbau, Nutztiere, Agrarwirtschaft,
Landtechnik, Lebensmittel, Umwelt und
Gesellschaft.
Agrarforschung ist auch online verfügbar
unter: www.agrarforschungschweiz.ch
Bestellen Sie jetzt Ihre Gratisausgabe!
AGrArForSchUNG Schweiz
rechercheAGroNomiqUeSUiSSe
Talon einsenden an:Redaktion Agrarforschung Schweiz, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 PosieuxTel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00E-Mail: [email protected] | www.agrarforschungschweiz.ch
NEU
Name/Firma
Vorname
Strasse/Nr
PLZ/Ort
Beruf
Datum
Unterschrift
Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die zeitschrift
der landwirtschaft lichen Forschung von
Agroscope und ihren Partnern. Partner der
zeitschrift sind das Bundesamt für Landwirt-
schaft, die Schweizerische hochschule für
Landwirtschaft ShL, die Beratungszentralen
AGriDeA, die eidgenössische Technische
hochschule eTh zürich, Departement Agrar-
und Lebensmittelwissenschaften und Agro-
scope, die gleichzeitig herausgeberin der
zeitschrift ist.
Die zeitschrift erscheint auf Deutsch und
Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen
aus Forschung, industrie, Lehre, Beratung
und Politik, an kantonale und eidgenössische
Ämter und an weitere Fachinteressierte.
Aktuell
143
Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen
Agrarforschung Schweiz 2 (3): 141–143, 2011
V e r a n s t a l t u n g e n
März 2011
23. – 24.03.20113. Tänikoner MelktechniktagungAgroscope Reckenholz-Tänikon ARTTänikon
April 2011
02.04.2011Tag der Pferdezucht 2011Schweizerisches Nationalgestüt SNGAvenches
05.04.20116. BioforschungstagungAgroscope und FiBLWädenswil
07.04.2011AGFF-FrühlingstagungART, Inforama, Profi-LaitZollikofen
Mai 2011
05.05.2011Fachtagung: Zukunftsträchtige Futtermittel und Zusatzstoffe Gemeinsame Veranstaltung der ETH Zürich, der Vetsuissefakultäten Universität Zürich und Bern und Agroscope Liebefeld-Posieux ALPETH Zentrum
11.05.20112nd Swiss FoodTech DaySwiss Food ResearchSisseln
Juni 2011
15. – 16.06.2011Agrartechniktage Tänikon Agroscope Reckenholz-Tänikon ARTTänikon
17. – 19.06.2011Nutri11Gemeinsame Veranstaltung des Landwirtschaftlichen Instituts Grangeneuve (LIG), der Agroscope Liebe-feld-Posieux ALP, Vetsuisse Bern und der Schweiz. Hochschule für Landwirtschaft (SHL)Posieux
I n t e r n e t l i n k s
Die Revue suisse de viticulture, arboricul-ture, horticulture
www.revuevitiarbohorti.ch
Die Revue suisse de Viticulture, Arboriculture, Horticul-
ture richtet sich in erster Linie an ein Fachpublikum, das
sich mit der Produktion und Verarbeitung von Spezial-
kulturen befasst. Sie richtet sich aber auch an eine breite
Leserschaft, die sich mit Fragen der Qualität und der
Sicherheit von Lebensmitteln auseinandersetzt. Die
Revue suisse de Viticulture, Arboriculture, Horticulture ist
die einzige französischsprachige Zeitschrift in der Schweiz,
die sich der Spezialkulturenforschung widmet.
In einer attraktiven Aufmachung veröffentlicht sie die
Ergebnisse von Agroscope (www.agroscope.ch), dem
Kompetenzzentrum der Schweizer Agrarforschung, sowie
von anderen Partnerinstitutionen. Sie vermittelt Aktuelles
aus dem Bildungsbereich (www.eichangins.ch) und der
landwirtschaftlichen Beratung (www.agridea.ch).
April 2011 / Heft 4
•• Erosionsrisikokarte im 2 × 2-Meter-Raster (ERK2),
S. Gisler et al. Universität Bern und ART
•• Identifizierung von Flächen, die überproportional
zur Gewässerbelastung beitragen, Martin Frey et al.
Eawag und ART
•• Veränderung der Haltungssysteme und Messkonzept für
Ammoniakemissionen bei freier Lüftung, S. Schrade et al.
ART und EMPA
•• Entwicklung der landwirtschaftlichen Stickstoff-
Emissionen bis im Jahr 2020, S. Peter ETH Zürich
•• Die Referenzverdunstung und ihre Anwendung in der
Agrarmeteorologie, P. Calanca et al. ART
•• Weiterbildung Betreuungsleistungen: Kompetenzen
stärken für soziale Leistungen in der Landwirtschaft,
E. Bolliger AGRIDEA
Bodenerosion führt zum Verlust von wertvollem Oberboden und kann Ge-wässer mit Sediment oder Nähr- und Schadstoffen verunreinigen. Neu ent-wickelte Erosionsrisiko karten der landwirtschaft lichen Nutzfläche der Schweiz zeigen das potenzielle Erosi-onsrisiko je nach Standortfaktoren wie Relief, Boden und Niederschlag.
V o r s c h a u
Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen
*Anmeldungen und Infos: / * Inscriptions et renseignements :Tel. 026 676 63 00 Fax: 026 676 63 04
Sechste Jahrestagung NetzwerkPferdeforschung Schweiz
15. April 20119 - 17 Uhr, Théâtre du Château, Avenches
- Öffentliche Tagung mit Vorträgen und Ausstellung- Wissenschaftlicher Austausch und Wissenstransfer zu den
Haltern, Reitern, Fahrern und Züchtern- Themen: Prävention und Krankheiten; Zucht und Genetik;
Wohlbefinden und Haltung; Definition der Bedürfnisse- Tagungsgebühren (inkl. Verpflegung):
Teilnehmer CHF 120.- (90 €)Equigarde®-Teilnehmer CHF 100.- (75 €)Studenten und Doktoranden CHF 40.- (30 €)
- Anmeldung* obligatorisch
6ème réunion annuelle du Réseaude recherche équine en Suisse
15 avril 20119 h - 17 h, Théâtre du Château, Avenches
- Journée ouverte à tout public avec exposés et posters- Echange et transmission d’un savoir scientifique aux dé-
tenteurs, cavaliers, meneurs et éleveurs- Thèmes : Prévention et maladies ; Elevage et génétique ;
Bien-être et détention; Définition des besoins- Prix (y. c. les repas) :
Participants CHF 120.- (90 €)Participants au cycle Equigarde® CHF 100.- (75 €)Etudiants et doctorants CHF 40.- (30 €)
- Inscription* obligatoire
harasnational.ch
Renseignements : / Infos:Tel. 026 676 61 11
Sechster Tag der Pferdezucht2. April 201110 - 17 Uhr, Schweiz. Nationalgestüt, Avenches
- Die Pferdezucht entdecken :25 verschiedene Pferde-Pony-Eselrassen
- Pferdepräsentationen- Das Gestüt im Dienst der Pferdezucht:
Beratung, Ausbildung und Forschung- Vorträge und Podiumsdiskussionen zu brennenden
Themen wie Pferderegistrierung, Raumplanung,Tierschutz, usw.
Eintritt frei, Festwirtschaft
6ème Journée d’élevage2 avril 201110 h - 17 h, Haras national suisse, Avenches
- Découvrez l'élevage :25 races de chevaux, poneys et ânes
- Présentations de chevaux- Le haras au service de l'élevage :
conseils, formation et recherche- Conférences et table-ronde sur les thématiques les plus
actuelles : enregistrement des chevaux, aménagement duterritoire, protection des animaux, etc.
Entrée libre, Cantine