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AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ Juli–August 2011 | Heft 7–8 Agroscope | BLW | SHL | AGRIDEA | ETH Zürich Pflanzenbau Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden Seite 304 Gesellschaft Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming Seite 342 Agrarwirtschaft Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung Seite 354

Heft 7+8 Juli-August 2011

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Heft 7+8 Juli-August 2011

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Page 1: Heft 7+8 Juli-August 2011

AgrArforschung schweiz

J u l i – A u g u s t 2 0 1 1 | H e f t 7 – 8

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Pflanzenbau Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden Seite 304

Gesellschaft Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming Seite 342

Agrarwirtschaft Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung Seite 354

Page 2: Heft 7+8 Juli-August 2011

ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös sische Ämter und weitere Fachinteressierte.

HerausgeberinAgroscope

Partnerb Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil

ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux ALP und Schweizerisches Nationalgestüt SNG; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART)

b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bernb Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofenb Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,

Departement Agrar- und Lebensmittelwissenschaften

Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agro-nomique Suisse, Forschungs anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]

Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: [email protected]

Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Sibylle Willi (ACW), Evelyne Fasnacht (ALP und SNG), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (SHL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich).

AbonnementPreiseZeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten),inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–** reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch oder [email protected]

AdresseNicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]

Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch

ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz

© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.

Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

Berner FachhochschuleHaute école spécialisée bernoiseSchweizerische Hochschulefür Landwirtschaft SHLHaute école suisse d’agronomie HESA

Die meisten Acker- und Wiesenpflanzen sind mit einer Vielzahl von Arbuskulären Mykorrhiza-Pilzen vergesell-schaftet. Diese Pilzarten reagieren stark auf Land-nutzungs intensität, Bewirtschaftungsform und/oder Bodenbeschaffenheit und eignen sich deshalb gut als Bioindikatoren, wie eine Studie von ART zeigt. (Foto: Gabriela Brändle, ART)

InhaltJuli – August 2011 | Heft 7 – 8

303 Editorial

Pflanzenbau

304 Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in

Schweizer Landwirtschaftsböden

Fritz Oehl, Jan Jansa , Kurt Ineichen, Paul Mäder

und Marcel van der Heijden

Pflanzenbau

312 Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz

(2005–2010)

Silvia Zanetti und Thomas Hebeisen

Pflanzenbau

320 Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sorten-

versuche mit Rotschwingel und Kammgras

Daniel Suter, Rainer Frick und Hans-Ulrich Hirschi

Pflanzenbau

328 Aktionsforschung: Obstproduzenten

suchen Lösungen

Esther Bravin, Mirjam Blunschi, Markus Leumann,

Ueli Straub, Timo Hirrle, Johannes Hanhart, Richard

Hollenstein und Bea Steinemann

Pflanzenbau

334 Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen-

schutzstrategien im Apfelanbau

Andreas Naef, Patrik Mouron und Heinrich Höhn

Gesellschaft

342 Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming

Sara Widmer und Hans Wydler

Agrarwirtschaft

348 Waldwirtschaft Schweiz:

Was Kooperation erfolgreich macht

Barbara Stöckli und Bernhard Pauli

Agrarwirtschaft

354 Projekt «Weidekuh-Genetik»:

Wirtschaftliche Bewertung

Christian Gazzarin und Valérie Piccand

Nutztiere

360 Feuchtheu mit Konservierungsmitteln

lagerfähig machen

Ueli Wyss

366 Porträt

367 Aktuell

371 Veranstaltungen

Sortenlisten

Beilage Liste der empfohlenen Getreidesorten für

die Ernte 2012

Jürg Hiltbrunner, Martin Anders, Lilia Levy Häner, Jean-François Collaud, Ruedi Schwärzel, Mario Bertossa, Peter Stoll, Thomas Weisflog, Pascal Toffel, Jonas Zürcher et André Chassot

Page 3: Heft 7+8 Juli-August 2011

Editorial

303Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 303, 2011

Willy Kessler, Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

Liebe Leserin, lieber Leser

Die Akteure des landwirtschaftlichen Wissenssystems setzen sich gemeinsam

dafür ein, mit dem vorhandenen Wissen und ihren Infrastrukturen möglichst

viel Nutzen zur Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes

zu schaffen.

Praxisbezug, Exzellenz, weltweite Netze

Die landwirtschaftliche Forschung ist bestrebt, ihren Nutzen zugunsten der

Land- und Ernährungswirtschaft trotz schwindender Mittel weiter zu stei-

gern. Dazu ist es nötig, sich nach fachlichen und strategischen Überlegungen

im Sinne von Interessengemeinschaften optimal zu vernetzen. Moderne For-

schende arbeiten im Team und richten den Forschungsinhalt nach aktuellen

oder künftigen Bedürfnissen. Sie sind bestrebt, anwendbare Erkenntnisse

und messbare Wirkungen zu erlangen. Die Kundschaft erwartet einen star-

ken Praxisbezug und gleichzeitig eine hohe Anerkennung in der internatio-

nalen wissenschaftlichen Gemeinschaft. Die schweizerische landwirtschaft-

liche Forschung ist daran, diese Dualität als ihre Stärke weiter auszubauen.

Keine Forscherin, kein Forscher kann dies alleine schaffen. Entsprechend

zwingend ist es, sich über Grenzen hinweg gezielt und geschickt zu vernet-

zen. Dafür bieten sich Plattformen an.

Vernetzung am Beispiel Futterbau

In der Schweiz gibt es seit 1934 die Vereinigung «Arbeitsgemeinschaft zur

Förderung des Futterbaues» (AGFF). Aufgabe der AGFF ist die Herbeifüh-

rung einer engeren Zusammenarbeit aller an einer nachhaltigen Nutzung

des Graslandes interessierten Vereinigungen, Institutionen, Betriebsinha-

benden und Forschenden. Den Praxisbezug stellt die AGFF mit speziell dafür

vorgesehenen Organen wie den technischen Kommissionen und mit Fach-

ausschüssen sicher.

Die auf der AGFF-Plattform umsetzbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse

entstammen hauptsächlich den Forschungsanstalten von Agroscope, der ETH

Zürich und der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft SHL, welche

sich ihrerseits auch international engagieren, beispielsweise in der European

Grassland Federaton (EGF). Dies begünstigt die eigene Weiterentwicklung

und die Entstehung von Netzwerken für internationale Forschungszusam-

menarbeit. Wenn es die AGFF und die EGF heute nicht gäbe, müssten sie erfunden werden!

Plattform für den Ackerbau

Die Schweiz hat seit 2008 die Plattform «Ackerbau – Grandes cultures»

(PAG-CH). Die PAG-CH ist wie die AGFF eine zeitgemässe und wertvolle Infor-

mationsdrehscheibe für den Austausch von Ackerbauwissen und Anliegen

zwischen Forschungsstellen und Wissens-Multiplikatoren und zudem ein

Fachgremium für die Erarbeitung und Beschaffung von Umsetzungswissen.

Ackerbaurelevantes Umsetzungswissen vermitteln etliche Beiträge der vor-

liegenden Nummer der Agrarforschung Schweiz. Es steht Ihnen, liebe Leserin,

lieber Leser, zur Verfügung.

Forschung vernetzen

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304 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011

P f l a n z e n b a u

Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer LandwirtschaftsbödenFritz Oehl1, Jan Jansa2 , Kurt Ineichen3, Paul Mäder4 und Marcel van der Heijden1

1Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich2ETH Zürich, Institut für Agrarwissenschaften, 8315 Lindau 3Zürich-Basel Plant Science Center (PSC), Botanisches Institut der Universität Basel, 4056 Basel 4Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), 5070 Frick

Auskünfte: Fritz Oehl, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 377 73 21

Die meisten Acker- und Wiesenpflanzen sind mit einer

Vielzahl von AM-Pilzen vergesellschaftet. AM-Pilze

gehören zu den Glomeromycota (Knäuel- oder Arbus-

kelpilze), benannt nach der in dieser Pilzabteilung erst

entdeckten und häufigsten Gattung Glomus. Eine

andere bekannte Gruppe von Mykorrhizapilzen sind die

Ektomykorrhizapilze (z.  B. Steinpilze, Basidiomycota),

die zum Beispiel mit mitteleuropäischen Waldbäumen in

sehr artspezifischer Symbiose leben.

E i n l e i t u n g

Bereits im 19. Jahrhundert wurden die positiven Wirkun-

gen der sogenannten Arbuskulären Mykorrhizapilze

(AM-Pilze) auf das Pflanzenwachstum erkannt. Heute

betrachtet man sie als die am weitesten verbreitete Sym-

biose: Über 80 Prozent der Landpflanzen können eine

Symbiose mit diesen Pilzen eingehen. Bisher sind welt-

weit etwa 230 AM-Pilzarten bekannt.

Abb. 1 | Arbuskuläre Mykorrhiza-Symbiose führt oft zu besserer Nährstoffaufnahme, erhöhtem Wachstum und früherem Blühen der Pflan-zen. Links: Rotklee ohne AM-Pilze in Wurzeln und Wurzelbereich, rechts: Boden geimpft mit AM-Pilzen zur zeitgleichen Aussaat. (Foto: ART)

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Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden | Pflanzenbau

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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011

Die meisten Nutz- und Wildpflanzen bilden

eine Symbiose mit einer speziellen Gruppe

von Bodenpilzen, den Arbuskulären Mykor-

rhizapilzen (AM-Pilze). AM-Pilze übernehmen

in allen von Pflanzen besiedelten Ökosyste-

men wichtige Funktionen. Sie bilden ein

engmaschiges Pilzfadengeflecht im Boden

und geben lebensnotwendige Nährstoffe aus

dem Boden an die Pflanzen weiter und

schützen diese gegen Stress und Trockenheit.

Sie reduzieren Nährstoffverluste aus dem

Boden und können durch Lebendverbauung

Erosion vermindern und somit die Stabilität

von Ökosystemen erhöhen. AM-Pilze

scheinen als Bioindikatoren besonders

geeignet zu sein, da diese Pilzgruppe mit

bisher bekannten 230 Arten überschaubar

klein ist und sowohl häufige als auch seltene

Arten enthält. In der Schweiz sind bisher

mehr als 100 AM-Pilze nachgewiesen worden.

Viele dieser Pilze reagieren stark auf die

Landnutzungsintensität, die Bewirtschaf-

tungsform und/oder die Bodenbeschaffen-

heit (z. B. Glomus sinuosum und Acaulospora

paulinae). Diese spezialisierten AM-Pilzarten

sind deshalb sehr gut geeignet als Bio-

indikatoren. Andere Arten kommen in fast

allen Böden vor und können als Generalisten

bezeichnet werden (z. B. Gl. fasciculatum und

Archaeospora trappei). Unsere Studien

zeigen, dass sich eine Vielzahl von AM-Pilzen

als Bioindikatoren in landwirtschaftlich

genutzten Böden eignen.

Die AM-Pilze haben vielfältige Funktionen in Ökosyste-

men. Zum einen spielen sie bei der Nährstoffaufnahme

und -weitergabe an die Pflanzen eine zentrale Rolle,

was vor allem für Phosphor (P) (Jansa et al. 2005, Tchabi

et al. 2010), aber für weitere Nährelemente (z. B. N, K,

Zn) gilt. Unter N-Mangel quantifizierten Mäder et al.

(2000) den durch AM-Hyphen aufgenommenen Anteil

auf bis zu 40 Prozent. Bei Phosphor-Mangel können

Pflanzen bis zu 90 Prozent des P über AM-Pilze aufneh-

men. Vor allem Kleearten profitieren von den AM-Pilzen,

da Klee einen hohen P-Bedarf hat (Abb. 1). Weiterhin

kann vor allem der Befall von Pflanzen durch Wurzelpa-

thogene und -schädlinge vermindert werden. Mykorrhi-

zierte Pflanzen haben oft eine bessere Wasserver-

sorgung (vor allem während und nach kurzen

Trockenperioden, z.  B. Neumann und George 2004).

Durch Lebendverbauung fördern sie die Strukturbildung

der Böden, was in der Regel zu einem höheren Erosions-

schutz, besserer Wasserinfiltration und -speicherung

und höheren Pflanzenauflaufraten führt (z. B. Rillig und

Mummey 2006; Schmid et al. 2008). Durch das engma-

schige Pilzfadengeflecht können Nährstoffe auch vor

Auswaschung geschützt werden (van der Heijden 2010).

Die Vielfalt dieser Pilze kann einen wichtigen Beitrag zur

Biodiversität und Produktivität von Wiesengesellschaf-

ten leisten (van der Heijden et al. 1998).

Die ökologisch und agronomisch bedeutsamen Funk-

tionen vieler AM-Pilze in Böden sind noch wenig

erforscht. Es wird erwartet, dass diese Pilze je nach Sym-

biose-Partner, Ökosystem und Standort ein recht unter-

schiedliches Leistungspotenzial haben. Dieser Artikel

hat deshalb zum Ziel, die erst in den letzten zwölf Jahren

durchgeführten AM-Pilz-Biodiversitätsstudien zusam-

men zu fassen und zu prüfen, ob diese Pilze allenfalls

als  Bioindikatoren in Agrarökosystemen geeignet sind.

Bioindikatoren, auch Indikator- oder Zeigerarten ge-

nannt, sind Lebewesen, die auf Einflüsse des Menschen

mit der Veränderung der Lebensfunktionen oder ihres

Vorkommens/Fehlens reagieren (z.  B. Zeigerpflanzen,

oder gewisse Flechtenarten, die als Indikatoren für Luft-

verunreinigungen benutzt werden). AM-Pilze scheinen

besonders geeignet als Bio-, Boden- und Landnutzungs-

indikatoren zu sein, da diese Pilzgruppe überschaubar

klein ist, häufige und seltene Arten enthält und in allen

von Pflanzen besiedelten Ökosystemen wichtige Funkti-

onen übernimmt.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Zwischen 1999 und 2011 wurde in der Schweiz eine

Reihe von Studien zur Erfassung der AM-Pilz-Biodiversi-

tät in landwirtschaftlichen Böden durchgeführt. Alle

drei Grossregionen der Schweiz wurden einbezogen:

Alpen, Mittelland und Jura. Die erste Studie befasste sich

mit den Auswirkungen der Bodenbearbeitung in Acker-

böden auf die Pilzgemeinschaften in einer Parabraun-

erde auf Moräne am Standort Tänikon, Thurgau, der

Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

(Jansa et al. 2002, 2003). Eine zweite Studie zielte auf die

Auswirkungen von biologischem und konventionellem

Anbau auf die Pilz-Gemeinschaften in einer Parabraun-

erde auf Löss im DOK-Versuch in Therwil, Baselland

(Oehl et al. 2004). Gleichzeitig wurden in der Umgebung

des DOK-Versuchs extensiv genutzte Wiesen und inten-

siv genutzte Maisäcker ohne Fruchtfolge in die Studie

mit einbezogen, um bei gleichen Böden einen möglichst

grossen Gradienten in der Landnutzungsintensität abzu-

decken (Oehl et al. 2003, 2009). Zusätzlich wurde die ver-

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Pflanzenbau | Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden

306 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011

tikale Verteilung der AM-Pilze in diesen Böden unter-

sucht (Oehl et al. 2005b), sowie die Studie auf mehrere

Bodentypen und Höhenstufen ausgeweitet (Oehl et al.

2010a), um den Einfluss des Bodens auf die Pilz-Gemein-

schaften besser einschätzen zu können. Die Resultate der

einzelnen Studien werden im Folgenden zusammenfasst.

Den Studien liegen zumeist morphologische Bestim-

mungen der Sporenpopulationen zugrunde (z. B. Oehl et

al. 2003, 2010a), oder es wurden molekularbiologische

Analysen direkt an der aus den Pflanzenwurzeln extrahier-

ten DNA der AM-Pilze vorgenommen (Jansa et al. 2003).

Bisher unbekannte Pilze wurden mit Hilfe von kombinier-

ten Analysen möglichst umfassend charakterisiert (z.  B.

Jansa et al. 2002, Oehl et al. 2005a, 2006, 2010, 2011).

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Verbreitung der AM-Pilze in der Schweiz

Insgesamt wurden mehr als 100 der weltweit etwa 230

publizierten AM-Pilze in Schweizer Landwirtschaftsbö-

den gefunden. Davon gelten mehrere Arten weiterhin

als unbekannt, während mehr als zehn neue Arten in

den letzten zehn Jahren beschrieben wurden (z. B. Oehl

und Sieverding 2004, Gamper et al. 2009, Oehl et al.

2005a, 2006, 2010b, 2011). Für viele der Arten wurden

Daten der biogeographischen Verbreitung in der

Schweiz gesammelt. Sporen einiger ausgewählter AM-

Pilzarten sind in Abbildung 2 gezeigt.

Intensive Landnutzung mindert die AM-Pilz-Diversität

Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Landnut-

zungsintensität und das Anbausystem einen grossen

Einfluss auf die AM-Pilz-Diversität und die AM-Pilz-

Gemeinschaften haben (z. B. Abb. 3, Oehl et al. 2003).

Während in Graslandböden eine hohe Artenvielfalt

nachgewiesen werden kann, enthalten intensiv

genutzte Ackerböden oft deutlich weniger Arten. Am

Standort Tänikon hatten Minimalbodenbearbeitung-

Systeme und besonders pfluglose Systeme eine andere

AM-Pilz-Gemeinschaft als Systeme mit jährlichem

Pflugeinsatz (Jansa et al. 2002, 2003). Vor allem Giga-

spora-, Scutellospora-, Racocetra- und Cetraspora-Arten

scheinen unter häufiger Bodenbearbeitung zu leiden,

weil diese Arten zerschnittene Pilzfäden nur sehr

beschränkt wieder zu verknüpfen vermögen (de la Pro-

videnzia et al. 2005). Unter reduzierter Bodenbearbei-

tung auf einer Kalkrendzina in Baselland wurde hinge-

gen eine ähnlich hohe Artenzahl und ein ebenso hohes

Mykorrhizierungspotential gefunden wie in angren-

zenden Naturwiesen (Oehl et al. 2010a).

Abb. 2 | Sporen einiger ausgewählter Arbusku-lären Mykorrhizapilze: Ac. alpina ist weit ver-breitet auf den hochmontanen bis hochalpinen Rasen bei pH < 7,0. Pa. robigina ist ein typischer Vertreter der nivalen Kalkschuttfluren, während Pa. franciscana bei pH > 6,5 gelegentlich auch in tieferen Lagen bis in den submontanen Bereich gefunden werden kann. Gl. sinuosum ist in Böden mit pH > 6,5 vom Talgebiet bis in die mitt-lere montane Höhenstufe zu finden, während die Verbreitung von Gl. rubiforme bis in die hochal-pine Stufe reicht. Beide genannten Arten sind auch aus warmen Klimaten bekannt. Gl. badium hat in Mitteleuropa ein ähnliches Verbreitungs-muster wie Gl. sinuosum, ist aber auch sehr häu-fig in Äckern mit Minimalbodenbearbeitung zu finden und scheint beschränkt auf kühlere Kli-mazonen. Gl. aureum ist einer der am weitesten verbreiteten Pilze im europäischen Grasland un-terhalb der Waldgrenze. In Äckern wird dieser Pilz erst bei einseitiger Nutzung und häufiger Bodenbearbeitung zurückgedrängt. Gl. mosseae ist ein typischer Vertreter von Ackerstandorten mit pH > 6,0, gilt aber als einer der Generalisten, da er auch in Wiesen zu finden ist und weltweite Verbreitung hat. Allerdings scheint er in der al-

pinen Stufe vollständig zu fehlen. Gi. margarita ist ein Vertreter wärmerer Klimate. Bei uns ist diese Art aber auch heimisch, und zwar vor-zugsweise auf sauren Böden, in Glatthaferwiesen und nachhaltigen Ackerbausystemen mit fast ständiger Bodenbedeckung. Ra. castanea reagiert empfindlich auf intensive Bodenbearbeitung. (Fotos: ART).

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Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden | Pflanzenbau

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Bioackerbau fördert AM-Pilzvielfalt

Bei gleicher siebenjähriger Fruchtfolge wurde unter bio-

logischer Bewirtschaftung im DOK-Langzeitversuch in

Therwil (BL) eine etwas höhere Artenvielfalt gefunden

als im konventionellen Anbau nach IP-Richtlinien (Oehl

et al. 2004). Die Unterschiede in den AM-Pilzgemein-

schaften konnten vor allem auf die geringere Düngung

in den biologischen Verfahren zurückgeführt werden,

können aber auch mit dem höheren Unkrautbesatz und

der höheren Unkrautvielfalt in den Bio-Parzellen zusam-

menhängen (Tab. 1). Dabei reagierten Nicht-Glomus-

Arten deutlich empfindlicher auf die Bewirtschaftung als

die Glomus-Arten (Tab. 1, Abb. 4). Interessanterweise

haben alle biologischen und auch die IP-Verfahren nur

etwas geringere Diversitätszahlen als die umliegenden

Naturwiesen (Oehl et al. 2003, 2004). In der Schweizer

wie in einer niederländischen Studie waren sich die AM-

Pilzgemeinschaften der Wiesen und des biologischen

Anbaus deutlich ähnlicher als die der Wiesen und kon-

ventionell bewirtschafteten Äcker (Oehl et al. 2003, Ver-

bruggen et al. 2010; Abb. 5). Eine hohe AM-Pilzvielfalt

mit vielen im Frühjahr, im Herbst und ganzjährig aktiven

AM-Pilzen (Oehl et al. 2009), interpretieren wir als einen

erhöhten biologischen Puffer und eine höhere biologi-

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FruchtfolgeBIO IP

MonokulturMais

Abb. 3 | Artenreichtum von AM-Pilzen an neun Standorten im Raum Basel. Die AM-Pilz-Artenzahlen nahm in der Reihenfolge extensiv bewirtschaftete Naturwiesen (W, V, G), Bio-Suisse (Bio-land; organisch-biologisches Verfahren des DOK-Versuchs in Ther-wil, BL; 7-jährige Fruchtfolge; O), IP-Suisse (7-jährige Fruchtfolge; L) und Mais-Monokulturen (Standorte F, S, R) deutlich ab (Oehl et al. 2003). Mittelwerte und Standardabweichungen von vier Feldwie-derholungen pro Standort sind gezeigt, sowie die statistischen Unterschiede zwischen den Verfahren nach Varianzanalyse und Fisher’s-LSD-Test (P < 0,05) durch verschiedene Buchstaben über den Säulen.

Tab. 1 | Lineare Regressionen zwischen ausgewählten Bodenparametern und den Sporendichten im DOK-Versuch (Therwil, BL) gefundener AM-Pilzarten (Oehl et al. 2004). * zeigt signifikante Zusammenhänge zwischen dem jeweiligen Bodenparameter und den Sporendichten des jeweiligen Pilzes; den Daten liegen Ergebnisse aus fünf Anbauverfahren und vier Feldwiederholungen pro Verfahren zugrunde).

AMF species pH (H2O) Humus-GehaltVerfügbarer

P-GehaltVerfügbarer

K-GehaltAnzahl

Unkrautarten

Glomus species

Glomus diaphanum –0,26 –0,48* 0,51* 0,42 0,26

G. caledonium –0,36 –0,21 0,56* 0,63* –0,36

G. etunicatum 0,19 0,09 –0,33 –0,36 0,34

G. fasciculatum 0,06 0,09 –0,16 –0,14 0,19

G. mosseae 0,28 0,08 –0,05 –0,1 0,06

Glomus sp. isolate BR9 0,1 0,26 –0,14 –0,09 0,2

G. geosporum 0 0,08 –0,09 0,16 –0,4

G. albidum & P. occultum 0,29 –0,19 –0,27 0,46 –0,25

G. constrictum 0,37 0,31 0,08 0,03 –0,03

G. invermaium 0,19 –0,03 –0,2 –0,3 –0,37

Nicht Glomus species

Pacispora dominikii 0,62* 0,21 –0,51* –0,2 0,61*

Scutellospora calospora 0,1 0,24 –0,48* –0,55* 0,32

Cetraspora pellucida –0,27 –0,28 –0,48* –0,58* 0,48*

Acaulospora paulinae 0,09 –0,14 –0,62* –0,67* 0,4

A. thomii 0,13 –0,24 –0,49* –0,55* 0,43

A. laevis 0,04 –0,15 –0,53* –0,57* 0,38

A. longula 0,23 0,26 –0,70* –0,58* 0,56*

A. scrobiculata 0,21 –0,42 –0,66* –0,57* 0,39

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Pflanzenbau | Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden

308 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011

sche Bodenfruchtbarkeit in diesen Anbausystemen. Dies

ist ganz im Sinne der ureigenen Ziele des ökologischen

Landbaus, mit Hilfe eines belebteren Bodens die Nach-

haltigkeit zu verbessern.

Bodenbeschaffenheit beeinflusst das AM-Pilzarten-

Spektrum

Die Studien aus der Region Basel haben gezeigt, dass

unterschiedliche Böden einer Landschaft zwar jeweils

eine hohe AM-Pilzvielfalt besitzen können, dass sich

aber AM-Pilzgemeinschaften in verschiedenen Böden

deutlich voneinander unterscheiden (Oehl et al. 2010a).

In sauren Wiesenböden gibt es in der Regel eine deutlich

höhere Gattungsdiversität als in kalkreichen (Oehl et al.

2003, 2005b, 2010a; Sýkorová et al. 2007a). Auffällig war

vor allem die Absenz bzw. äusserst schwache Präsenz der

Acaulospora, Scutellospora, Gigaspora und Cetraspora-

Arten in kalkreichen Böden, in denen neben vielen Glo-

mus-Arten zum Beispiel auch Pacispora dominikii deut-

lich präsenter war. Von den 61 in der Region gefundenen

AM-Pilzen wurden nur etwa ein Viertel (14 Arten) als

«Generalisten» eingestuft. Sie waren in allen Böden in

mehr oder weniger gleichen Sporendichten nachgewie-

sen worden. Die Mehrzahl der Arten (32) waren aber

eher «Spezialisten», die als Charakterarten für bestimmte

Abb. 4 | Beispiele für AM-Pilzarten (hier präsentiert mit ihren Dauersporen), die besonders empfindlich auf häufigen Pflugeinsatz (Scutellospora calospora, Cetraspora pellucida und Acaulospora paulinae; Jansa et al. 2002) oder auf ackerbauliche Nutzung mit höherer Düngung im Vergleich zu den organisch-biologisch und biologisch-dynamisch bewirtschafteten Verfah-ren des DOK-Versuchs reagierten (alle dargestellten Arten; Oehl et al. 2004). (Fotos: Fritz Oehl, ART).

Abb. 5 | Eine hierarchische Kluster-Analyse für die Ähnlichkeiten von AM-Pilzgemeinschaften landwirtschaftlich genutzter Löss-böden in der Region Basel ergab eine deutliche Gruppierung nach Nutzungsintensität. Die neun Standorte sind in Abbildung 3 erklärt. An jedem der Standorte wurden vier Teilparzellen (1−4) beprobt und untersucht (Oehl et al. 2003).

W1

W3

W4 0,2Extensives

G1

G4

GraslandW pH  8,0G pH

6,9

V 7,7

O2

V3V4V1O3

Bio-ORG

pH

L3 L4O1

O4

IP-SuisseL pH 6,9

O pH 6,4 

S4F4

L1

L2

Mais -

R3

MonokulturenF pH 5,6S pH 6,8

S2

R2R pH 8,3

V2

F3

S3R1

R4S1F1

G2G3

W2

F2

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Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden | Pflanzenbau

309Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011

Nutzungsintensitäten und/oder Bodenformen bezeich-

net werden können (Oehl et al. 2010a). Je neun Arten

wurden boden- oder bewirtschaftungsspezifisch einge-

stuft, und bei weiteren 14 Arten wurde eine Wechselwir-

kung zwischen Boden und der Landbewirtschaftung

festgestellt. Beispiele für «Spezialisten» sind in der

Abbildung 6 gezeigt. Während Gl. caledonium fast aus-

schliesslich in sauren Äckern zu finden ist und sogar eher

positiv auf eine höhere P-Düngung zu reagieren scheint

(Tab. 1), wurde Gl. sinuosum nur in Wiesen mit höherem

Boden-pH gefunden (Abb. 6). Cetraspora armeniaca ist

dagegen charakteristisch für saure Wiesen. Acaulospora

paulinae schliesslich kommt ebenfalls nur in sauren

Böden vor, wird zum Teil in Ackerböden mit weiten

Fruchtfolgen und reduzierter Düngung gefördert, fehlt

aber gänzlich in vergleichbaren Böden, die unter inten-

siv geführten Mais-Monokulturen ohne ganzjährige

Bodenbedeckung bewirtschaftet wurden.

Auch die Höhenlage prägt die AM-Pilzgemeinschaften

Eine über fünf Regionen der Schweizer Alpen angelegte

Studie zeigte, dass sich die AM-Pilzgemeinschaften auch

mit der Höhenstufe ändern. Während Pacispora-Arten

vor allem auf den alpinen und nivalen Kalkschuttfluren

zu finden sind (Oehl und Sieverding 2004), wurden

Ambispora-Arten vor allem in hochmontanen Rasen

nachgewiesen (Spain et al. 2006). Auch das Auftreten

von Acaulospora und Diversispora-Arten nimmt relativ

mit der Höhe zu (Oehl et al. 2006, Sýkorová et al. 2007b).

AM-Pilze als geeignete Boden- und Bioindikatoren

Eine wichtige Erkenntnis unserer Studien ist, dass land-

wirtschaftlich genutzte Böden durch ihre AM-Pilzge-

meinschaften charakterisiert werden können. Durch die

Präsenz oder Absenz von Charakterarten können die

AM-Pilzgemeinschaften als Boden- und Bioindikatoren

genutzt werden (Oehl et al. 2010a). Das gilt für Ökosys-

teme der gemässigten und kälteren (z. B. Palenzuela et

al. 2010), aber auch für wärmere Klimazonen (z. B. Tch-

abi et al. 2008, 2009; Goto et al. 2011). Wir nehmen an,

dass Ackerstandorte mit intensiver und einseitiger Nut-

zung, und ganz besonders gemüsebaulich genutzte Flä-

chen mit mehreren Kulturen pro Jahr defizitär hinsicht-

lich AM-Pilzvielfalt und Mykorrhizabildung sind. An

solchen Standorten können ökologische AM-Pilzgrup-

pen verloren gehen, wie wir es in Mais und auch Rebs-

chulen beobachtet haben (z. B. Oehl et al. 2003, 2005b,

2009). Um standortstypische Arten wieder zurückzufüh-

ren, sind Massnahmen wie Reduktion der Bodenbearbei-

tungsintensität, Umstellung zum ökologischen Landbau

und Anbausysteme mit limitiertem Düngereinsatz und

vielfältiger Fruchtfolge angezeigt.

Abb. 6 | Spezialisten: Glomus caledonium, Gl. sinuosum, Cetraspora armeniaca und Acaulospora paulinae mit Potenial als Bio-, Boden- und/oder Landnutzungsindikatoren. Je nach Landnutzungssystem (permanentes Grasland G, Äcker mit weiten Fruchtfolgen F, und Mais-Monokulturen M) und Boden wurden sie zahlreich, selten oder überhaupt nicht nachgewiesen (aus Oehl et al. 2010a). Sporendich-ten sind als Mittelwerte mit Standardfehler von vier Feldwieder-holungen pro Standort dargestellt.

Spor

endi

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(100

g-¹)

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g-¹)

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35

Glomus caledonium

Acaulospora paulinae

Cetraspora armeniaca

Glomus sinuosum

GG G MG F G M FF G F G FGGBraunerde Fluvisol Rendzina

Sandstein Granit/Gneiss Kalkstein

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310

Pflanzenbau | Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Mit etwa 230 AM-Pilzarten weltweit und mehr als 100 in

der Schweiz sind die AM-Pilze eine überschaubare

Gruppe von Bodenpilzen. Viele dieser Pilze sind weltweit

verbreitet, andere sind ökosystem- und bodenspezifisch

oder reagieren stark auf die Art der Landnutzung und

die Bewirtschaftungsintensität. Die spezifischen Pilze

eignen sich als Indikatoren für die Bodenbeschaffenheit

oder die Bewirtschaftungsintensität. Durch gezielte

Massnahmen könnte man standortstypische bzw. beson-

ders effektive Pilze besonders fördern. Biologisch und

integriert ausgerichteter Landbau mit weiter Frucht-

folge und schonender Bodenbearbeitung fördert die

Vielfalt der AM-Pilze. Allerdings braucht es mehr Detail-

kenntnisse, um das ökologische Leistungspotential die-

ser Pilze zum Beispiel für die Pflanzenernährung und die

Bodenstrukturbildung besser auszuschöpfen. n

Literatur b De la Providencia I.E., de Souza F.A., Fernández F., Delmas N.S. & Dec-lerck S., 2005. Arbuscular mycorrhizal fungi reveal distinct patterns of anastomosis and hyphal healing mechanisms between different phyloge-nic groups. New Phytologist 165, 261–271.

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Page 11: Heft 7+8 Juli-August 2011

311

Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden | Pflanzenbau

Ria

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Sum

mar

y

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011

Funghi micorrizici arbuscolari quali indicatori

biologici nei terreni agricoli svizzeri

La maggior parte delle piante coltivate e

selvatiche cresce in simbiosi con un gruppo

speciale di funghi, i funghi micorrizici

arbuscolari (funghi MA). I funghi MA svol-

gono funzioni importanti in tutti gli ecosi-

stemi popolati da vegetali. Per mezzo delle

ife miceliali si estendono nel terreno e

trasferiscono alle piante i nutrienti vitali ivi

presenti, proteggendole da stress e siccità.

Riducono le perdite di sostanze nutritive dal

terreno e possono limitare l'erosione attra-

verso l'inverdimento, accrescendo la stabilità

degli ecosistemi. I funghi MA sembrano

particolarmente adatti anche come bioindica-

tori dato che questo gruppo di funghi, che

conta attualmente 230 specie, è relativa-

mente piccolo e contiene specie sia comuni

che rare. In Svizzera ne sono state finora

rilevate oltre 100 specie. Molti di questi

funghi reagiscono in maniera considerevole

all'intensità della lavorazione del terreno, alla

forma di coltivazione e/o alle proprietà del

suolo (p.es. Glomus sinuosum e Acaulospora

paulinae). Queste specie di funghi MA

specializzate sono quindi molto adatte per

essere impiegate come indicatori biologici.

Altre specie sono presenti in quasi tutti i

terreni e possono essere indicate come specie

generiche (p.es. Gl. fasciculatum e Archaeo-

spora trappei). Dai nostri studi è emerso che

una moltitudine di funghi MA si addicono a

essere utilizzate quali indicatori biologici nei

terreni usufruiti a scopo agricolo.

nas of Benin, West Africa, as affected by agricultural land use intensity and ecological zone. Mycorrhiza 18, 181–195.

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Arbuscular mycorrhizal fungi as bio-indicators

in Swiss agricultural soils

The majority of agricultural crops as well as

wild plants form a symbiotic relationship with a

special group of soil fungi, the arbuscular

mycorrhizal fungi (AM fungi). AM fungi

perform important functions in all ecological

systems colonised by plants. They form a dense

network of fungal hyphal mycelia in the soil

and transmit vital nutrients from the soil to the

plants and protect them against stress and

drought. AM fungi have the ability to reduce

nutrient loss from the soil and they can,

through biological stabilisation of the soil

structure, reduce erosion and thus contribute to

ecosystem stability. AM fungi would appear to

be particular suitable as bioindicators because

this group of fungi is small enough to be

manageable and includes both common and

rare species. To date more than 100 AM fungi

have been identified in Switzerland. Many of

these fungi respond specifically to land use

intensity, cultivation practices and/or soil type

(e.g. Glomus sinuosum and Acaulospora

paulinae). These specialised AM fungi are

therefore highly suitable as bioindicators. Other

species occur in almost every kind of soil and

may be described as generalists (e.g. Gl.

fasciculatum and Archaeospora trappei). Our

studies show that a large number of AM fungi

are suitable as bioindicators in agricultural soils.

Key words: arbuscular mycorrhizal fungi,

biodiversity, bioindicators, sustainable agricul-

ture, organic farming, conservation tillage.

Page 12: Heft 7+8 Juli-August 2011

312 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011

E i n l e i t u n g

Gemäss den Angaben des Bundesamtes für Statistik BFS

gaben 2009 die Landwirtinnen und Landwirte 238 Milli-

onen Franken für die Deckung ihres Saatgutbedarfes

aus. Diese Aufwendungen sind leicht unter denjenigen

für Düngemittel und fast doppelt so hoch wie jene für

den Pflanzenschutz. Dank der hohen Inlandversorgung

beim Saatgetreide und den Pflanzkartoffeln generiert

somit die inländische Saatgutbranche einen wesentli-

chen Teil dieses Umsatzes.

Der schweizerischen Landwirtschaft sollen für hie-

sige klimatische und anbautechnische Verhältnisse sowie

für die nachgelagerte Verarbeitung geeignete Kultur-

pflanzensorten zur Verfügung stehen. Für die empfohle-

nen Sorten, die von der Branchenvertretung aufgrund

der Ergebnisse der Sortenprüfung ausgewählt werden,

muss gewährleistet sein, dass genügend qualitativ ein-

wandfreies Saatgut verfügbar ist. swisssem, der Verband

der schweizerischen Saat- und Pflanzgutproduzenten,

übernimmt mit elf Vermehrungsorganisationen (VO) die

Planung und die Organisation des Vertragsanbaues mit

Silvia Zanetti und Thomas Hebeisen, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich

Auskünfte: Thomas Hebeisen, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 377 71 11

Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010)

P f l a n z e n b a u

Auszählen von normal entwickelten Raigras-Keimlingen. (Foto: ART)

Page 13: Heft 7+8 Juli-August 2011

Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010) | Pflanzenbau

313

Zusa

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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011

In der Schweiz wurden von 2005 bis 2010

durchschnittlich über 50 000 Tonnen Saatgut

und Pflanzgut pro Jahr produziert. Die

Saatgutzertifizierung und das Saatgutprüf-

labor der Forschungsanstalt Agroscope

Reckenholz-Tänikon ART tragen dazu bei,

dass das in der Schweiz produzierte Saatgut

qualitativ einwandfrei ist und die sortenspe-

zifischen Eigenschaften über die Vermeh-

rungsschritte bis hin zum Saatguteinsatz

erhalten bleiben. Im Durchschnitt der

Kampagnen 2005 bis 2010 wurden 7620

Hektaren für die Saatgutproduktion (ohne

Pflanzkartoffeln) feldanerkannt. Professiona-

lität und Zuverlässigkeit der Produzenten

widerspiegeln sich in der hohen Feldanerken-

nungsrate von 95 % bei Getreide. Die

Analysen des Saatgutprüflabors zeigen, dass

die Qualität des Erntegutes ebenfalls hoch ist

– insbesondere beim Getreide mit einer

Anerkennungsquote von 95,6 %. Eine auf

Fachkompetenz und Eigenverantwortung

basierende Zusammenarbeit aller Akteure

sowie transparente und effiziente Prozesse

bilden die Voraussetzung, dass die Saat-

guterneuerungsrate hoch bleibt. So bleibt

die inländische Saatgutproduktion auch in

Zukunft hochwertig.

den Produzentinnen und Produzenten. Die Rahmenbe-

dingungen für die Saatgutproduktion sind in der Saat-

und Pflanzgutverordnung (SR 916.151.1) des Eidgenössi-

schen Volkswirtschaftsdepartements EVD festgelegt.

Von den in der Verordnung erwähnten Kulturpflanzen

darf nur zertifiziertes Saatgut von offiziell zugelassenen

Sorten in den Handel gebracht werden. Mindestanfor-

derungen an die Pflanzenbestände und an das Erntegut

sind für jede Kulturart in der Verordnung definiert. Das

Bundesamt für Landwirtschaft BLW hat der Forschungs-

anstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART die Feder-

führung für den Vollzug im Bereich Saatgut übertragen.

Somit nimmt ART eine zentrale Stellung in der Überwa-

chung der inländischen Saatgutproduktion ein. Pflanz-

gut wird von der Forschungsanstalt Agroscope Chan-

gins-Wädenswil ACW bearbeitet und in diesem Artikel

nicht berücksichtigt.

Ziel dieses Artikels ist es, die Entwicklung und die

Qualität der inländischen Saatgutproduktion in den letz-

ten fünf Kampagnen (2005–2010) darzustellen.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e

Beurteilung von Pflanzenbeständen, die der Saatgut-

produktion dienen

In der Saatgutproduktion involvierte Akteure (Tab. 1)

müssen gemäss der Saat- und Pflanzgutverordnung

zugelassen sein und über administrative, fachliche und

technische Kenntnisse verfügen. Darum wird das spezifi-

sche Wissen der Produzenten, der Feldbesichtiger sowie

der Probenehmer regelmässig in Ausbildungskursen

geschult.

Die VO schliessen mit ihren Produzenten einen Ver-

mehrungsvertrag ab. Die Vermehrungen werden mit den

geforderten Angaben (z.B. Sorte, Ausgangsposten, Vor-

früchte) in einer zentralen Datenbank erfasst. Pflanzen-

bestände, die der Saatgutproduktion dienen sollen, wer-

den von Feldbesichtungsexpertinnen und -experten

besichtigt und müssen die Mindestanforderungen der

Verordnung erfüllen. Vorbasis- und Basissaatgutbestände

werden von Mitarbeitenden der Forschungsanstalten

besichtigt. Bestände zur Produktion von Vermehrungs-

saatgut (VS) werden hingegen von zugelassenen Exper-

tinnen und Experten besichtigt. Beim VS wird zwischen

erster und zweiter Stufe unterschieden. Nur die erste

Stufe darf noch einmal vermehrt werden, die zweite

Stufe muss als zertifiziertes Saatgut in den Handel gelan-

gen. Bei der Feldbesichtigung wird aufgrund sortenspe-

zifischer morphologischer Merkmale geprüft, ob es sich

um die angemeldete Sorte handelt. Als Kriterien werden

zum Beispiel bei Weizen die Schulterform, -breite und

die Zahnlänge der Hüllspelzen begutachtet. Diese Krite-

rien wurden in der DHS-Registerprüfung (Unterscheid-

barkeit, Homogenität, Stabilität) anhand der UPOV-

Richtlinien (Internationaler Verband zum Schutz von

Pflanzenzüchtungen, geistiges Eigentum) beschrieben.

Diese Prüfung wird ausschliesslich im Ausland durchge-

führt. Weiter wird bei der Feldbesichtigung die Bestan-

desentwicklung beurteilt. Für eine Bestnote muss der

VO RS PR FB PN

Anzahl 11 25 1064 91 40

Tab. 1 | Anzahl Vermehrungsorganisationen (VO) und Reinigungsstellen (RS) sowie Anzahl Saatgutproduzenten (PR), Feldbesichtiger (FB) und Probenehmer (PN) in der Schweiz (gemäss CertiPRO, Stand April 2011).

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Pflanzenbau | Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010)

314 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011

Bestand ausgeglichen und unkrautfrei sein, darf nicht

lagern und nur einen geringen Schädlings- und Krank-

heitsbefall aufweisen. Zudem ermittelt der Experte das

Auftreten von vom Sortentyp abweichenden Pflanzen

und das Auftreten anderer Pflanzenarten und Krankhei-

ten pro Flächeneinheit. Die Parzelle muss zudem genü-

gend isoliert sein, um Fremdbefruchtung und Verunreini-

gung durch Nachbarparzellen zu verhindern. Diese

Parameter werden auf einem Feldbesichtigungsrapport

festgehalten und der Experte entscheidet, ob das Feld

die Mindestanforderungen der Verordnung erfüllt und

somit zur Saatgutproduktion anerkannt ist. Die Feldaner-

kennung ist die Grundlage für die Auszahlung von Flä-

chenbeiträgen für die Vermehrung von Futterpflanzen

und Mais. Bei den übrigen Kulturen werden keine Bun-

desbeiträge für die Saatgutproduktion ausgeschüttet.

Beurteilung von Saatgutqualität

Eine Stichprobe des Erntegutes von im Feld anerkannten

Beständen muss vom Saatgutprüflabor (SPL) von ART auf

seine Qualität überprüft werden. Diese Untersuchungen

werden gemäss den Vorschriften der internationalen

Vereinigung für Saatgutprüfung (ISTA) vorgenommen.

Abweichungen in der Untersuchungsmethodik wurden

für Getreide im Einvernehmen mit der vorgesetzten

Stelle (BLW) und den Kunden festgelegt und beschrän-

ken sich auf die in der Tabelle 2 gelisteten Punkte. Bei

Poaceae (Gräsern) ist die Vermehrungseinheit eine

nackte oder bespelzte Karyopse. Der Einfachheit halber

wird in diesem Artikel für Karyopsen ebenfalls den

Begriff «Samen» verwendet.

Die maximalen Postengewichte, die Minimalge-

wichte für die Einsendeprobe und Untersuchungen sind

in der Verordnung definiert. Nach der Registrierung der

Einsendeprobe durch die Anerkennungsstelle von ART

(AKST) wird der Probeninhalt im SPL mit dem Riffelpro-

benteiler homogenisiert. Mit dem Riffelprobenteiler

werden anschliessend auch die Untersuchungsproben

gezogen. Die Beurteilung der reinen Samen zur Bestim-

mung der technischen Reinheit und des Fremdbesatzes

wird gemäss der Kriterien der ISTA-Vorschriften (ISTA

2011) und des ISTA-Handbuches «Definition reiner

Samen» (ISTA 2010) vorgenommen. Bei Weizen, Triticale

und Roggen gelten ganze Samen (also Karyopsen) sowie

Samenstücke, die grösser als die Hälfte der ursprüngli-

chen Grösse sind, als reine Samen (ISTA 2011). Wird ein

Samen einer anderen Pflanzenart in der Stichprobe

gefunden, wird dieser nur als Fremdbesatz erfasst, wenn

er der Definition eines reinen Samens seiner Gattung

entspricht. Ist dies nicht der Fall, wird er zur Fraktion der

unschädlichen Verunreinigung gerechnet. Für die Keim-

fähigkeitsprüfung werden reine Samen verwendet und

unter kontrollierten, optimalen Bedingungen (Wasser,

Temperatur, Licht) geprüft. Stichproben von unbespelz-

ten Getreidearten, die nicht aus einer Bioproduktion

stammen, werden nach einer Laborbeizung für die

Keimfähigkeitsprüfung angesetzt. Biologisch produzier-

tes Saatgut wird bei ungenügender Keimfähigkeit oder

auf Kundenwunsch nach einer Beizung mit Cerall (Bak-

terien-Präparat Pseudomonas chlorophoris) geprüft.

Nach einer fünftägigen Vorkühlung bei 10 °C und einer

dreitägigen Periode bei 20 °C werden die Keimlinge und

die ungekeimten Samen gemäss den Kriterien der ISTA-

Vorschriften (ISTA 2011) und des ISTA-Handbuches für

die Keimlingsbeurteilung (ISTA 2009) beurteilt. Keim-

linge werden in normale beziehungsweise anomal ent-

wickelte Keimlinge und ungekeimte Samen in tote,

harte oder frische Samen eingeteilt. Im Gegensatz zu

den anomal entwickelten Keimlingen haben die normal

entwickelten das Potential, sich unter Feldbedingungen

zu einer triebkräftigen Pflanze zu entwickeln. Bei nor-

malen Keimlingen sind die Organe einwandfrei und pro-

Untersuchungsgewicht für Keimfähigkeitsmethode

technische Reinheit Besatz mit fremden

Samen Anzahl geprüfter

Samen Vorkühlung Prüfdauer (20°C) Laborbeizung

ISTA 120 g 1000 g 400 (4 × 100) empfohlen 8d nein

ZertUntersuchungen werden an einem

Muster (500 g) durchgeführt200 (2 × 100) 10°C, 5d 3d

N: jaB: nein

Tab. 2 | Prüfmethodik der ISTA (ISTA) verglichen mit derjenigen im Rahmen der Saatgutzertifizierung (Zert) bei nackten (N) (Weizen, Roggen, Triticale) und bespelzten (B) (Gerste, Hafer, Dinkel) Getreidearten.

Page 15: Heft 7+8 Juli-August 2011

Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010) | Pflanzenbau

315Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011

Agroscope und T&P entwickelt wurde. CertiPRO kam in

der letzten Kampagne erstmals zum Einsatz und löst die

Vorgängerdatenbank Info-EM ab. Ausser Mais sind alle

Kulturarten, von denen Saatgut in der Schweiz zertifi-

ziert wird, seit 2010 im System CertiPRO abgebildet. Die

Produktion wird von der Anmeldung bis zur Anerken-

nung über CertiPRO abgewickelt. Die administrativen

Arbeiten sind auf VO und Anerkennungsstelle (AKST)

von ART aufgeteilt, da die Produktion relevanten Daten

von der VO erfasst und der AKST zur Verfügung gestellt

werden.

Für diesen Artikel wurden die letzten fünf Saatgut-

kampagnen analysiert. Eine Saatgutkampagne startet

jeweils am ersten Juli und endet am dreissigsten Juni des

folgenden Jahres. Die einzelnen Kampagnen werden mit

05/06, 06/07, 07/08, 08/09 und 09/10 bezeichnet. Die erste

Zahl bezieht sich auf das Kalenderjahr des Kampagnen-

beginns, die zweite auf dasjenige des -endes. In der

Regel werden die Saatgutposten in ihrem Produktions-

jahr zur Qualitätsuntersuchung eingereicht.

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Inländische Saatgutproduktionsfläche

Die von den Feldbesichtigungsexpertinnen und -exper-

ten anerkannte Fläche liegt im Durchschnitt bei 7620 ha

(Abb. 1), was zum Beispiel beim Saatgetreide 95 % der

angemeldeten Fläche entspricht. Die hohe Feldanerken-

nungsrate zeigt, dass die Produzenten die Saatbettvor-

bereitung dieser Parzellen besonders sorgfältig und den

notwendigen Aufwand für die Bestandesbereinigung

betreiben. Eine hohe Feldanerkennungsrate ist wichtig,

um die Produktionsplanung möglichst bedarfsgerecht

zu organisieren.

In der Kampagne 09/10 war die Saatgutproduktions-

fläche verglichen mit 05/06 um 4,5 % zurückgegangen.

Grund ist der Flächenrückgang um 6,3 % beim Getreide,

das im Schnitt mit über 92 % den grössten Anteil an der

Gesamtsaatgutproduktionsfläche verzeichnet. Vergli-

chen mit der anerkannten Fläche von 99/00 (Daten nicht

gezeigt) ging die Fläche von 09/10 beim Getreide um

19 % zurück. Der Bedarf an Getreidesaatgut konnte vor-

wiegend durch die inländische Produktion abgedeckt

werden, da die Flächen des Getreide- und insbesondere

des Futtergetreideanbaus ebenfalls rückläufig waren.

Die Getreideanbaufläche nahm in den letzten fünf

Anbaujahren um 9,5 % ab und diejenige von Futter-

getreide sogar um 24,7 % auf 46 650 ha. Infolge dessen

reduzierte sich auch der Bedarf an Getreidesaatgut und

widerspiegelt sich in der Abnahme der Saatgutproduk-

tionsfläche von Getreide. Diesem Trend wird mit dem

neuen Direktzahlungssystem des Bundes entgegen

portioniert zueinander oder nur minim mangelhaft aus-

gebildet. Bei verzögertem Wachstum kann die

Versuchsdauer um die Hälfte der vorgeschriebenen Prüf-

dauer verlängert werden. Grundsätzlich werden Keim-

linge, die zurückgeblieben sind und keinen Mangel auf-

weisen, als normal beurteilt (ISTA 2011). Als frische

Samen werden solche bezeichnet, die gequollen sind,

aber kein Anzeichen eines Keimlingswachstums aufwei-

sen. Frische Samen sind in der Keimruhe. Beträgt der

Anteil an frischen Samen mehr als 5 %, so werden diese

auf ihre Lebensfähigkeit mittels des Tetrazoliumtests

geprüft. Sind sie lebensfähig, werden sie als frische und

sonst als tote Samen beurteilt. Harte Samen haben unter

den angewendeten Bedingungen kein Wasser aufge-

nommen. Diese Kategorie wird insbesondere bei Legu-

minosenarten beobachtet. Ein maximaler Anteil an har-

ten Samen ist in der Verordnung festgelegt und kann zu

den normalen Keimlingen addiert werden (z. B. 20 % bei

Rotklee).

Datenbasis und Datenbank

Die Saatgutproduktionsflächen werden den Datenban-

ken Info-EM und CertiPRO entnommen, die für die

Abwicklung der Saatgutzertifizierung genutzt werden.

Probenspezifische Qualitätsergebnisse sind dem Labor-

informationsmanagementsystem (LIMS) entnommen.

Das LIMS beruht auf der Standardsoftware LISA (Triest-

ram und Partner, T&P) und dient der administrativen

Abwicklung von der Probenerfassung bis zur Erstellung

des Anerkennungsberichts. ART hat die Software auf die

Bedürfnisse des Saatgutprüflabors (SPL) angepasst und

entsprechend weiterentwickelt. CertiPRO ist ein inter-

netbasiertes Zusatzmodul innerhalb von LISA, das unter

der Projektleitung von swisssem in Zusammenarbeit mit

05/0606/07

07/0808/09

09/10

Aner

kann

te S

aatg

utflä

che

(ha)

100

200

300

6500

7000

7500

Getreide Mais Rotklee Gräserarten Proteinpflanzen

Abb. 1 | Anerkannte Saatgutproduktionsflächen von der Kampag-ne 05/06 bis 09/10 von Getreide, Mais, Rotklee, Gräserarten und Proteinpflanzen.

Page 16: Heft 7+8 Juli-August 2011

Pflanzenbau | Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010)

316 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011

gewirkt, da es gezielt den Ackerbau stärken soll. Dies

würde sich unter den aktuellen Rahmenbedingungen

indirekt positiv auf die Saatgutproduktion auswirken.

Erfreulicherweise konnten die Saatgutproduktions-

flächen von Futterpflanzenarten von 05/06 bis 09/10 auf

385 ha (+29 %) ausgedehnt werden. Diese positive Ent-

wicklung kann unter anderem durch die geänderten

Rahmenbedingungen erklärt werden. Seit der Ernte

2009 wird die Produktion von Saatgut von Futterpflan-

zen mit tausend Franken pro Hektar durch den Bund

gestützt. Somit wurde dieser Betriebszweig konkurrenz-

fähiger. Trotz der starken Ertragsschwankungen (v.  a.

beim Rotklee), die von den Produzenten eine erhöhte

Risikobereitschaft fordert, bleibt dies eine interessante

Nischenproduktion, die momentan 8 % des inländischen

Bedarfs (beim Rotklee beinahe 100 %) abdeckt. Zusätz-

lich konnte das Spektrum der Arten, von denen in der

Schweiz Saatgut produziert wird, auf 27 (Kampagne

09/10) erhöht werden. Seit kurzem wird – im sehr

beschränkten Ausmass – zum Beispiel auch Saatgut von

Phazelia, Bio-Raps, Knaulgras und Hornschotenklee pro-

duziert.

Entwicklung der Anzahl von Zertifizierungsproben

Die Anzahl Zertifizierungsproben gereinigter und unge-

reinigter Saatgutposten betrug im Durchschnitt über die

letzten fünf Kampagnen 47 % des totalen Probenanfalls

(6250) im ART-Saatgutprüflabor (SPL). Pro Kampagne

wurden im Durchschnitt knapp 2700 gereinigte Zertifi-

zierungsproben eingereicht (Tab. 3). Parallel zur Flä-

chenentwicklung nahm die Probenanzahl der Futter-

pflanzen zu und jene der Getreidearten ab. Die geringste

Anzahl an Zertifizierungsproben wurde in der Kampa-

gne 09/10 registriert. Die letzte Verordnungsrevision (Juli 2010) wurde die

Verpflichtung, überlagertes Saatgut einer Nachzertifizie-

Kampagne 05/06 06/07 07/08 08/09 09/10 Mittelwert Anteil

[n] [n] [n] [n] [n] [n] [%]

Getreidearten

Anzahl gereinigte Proben 2494 2608 2400 2531 2248 2456

Anzahl nicht anerkannte Proben insgesamt 99 159 147 91 49 109 4,4

wegen ungenügender Keimfähigkeit 56 103 97 45 23 65 2,6

wegen zu hohem Besatz mit anderen Getreidearten 37 53 45 41 23 40 1,6

wegen zu hohem Besatz mit anderen Arten als Getreide 6 3 5 5 3 4 0,2

Sojabohnen & Eiweisserbsen

Anzahl gereinigte Proben 59 47 32 51 42 46

Anzahl nicht anerkannte Posten 5 3 8 3 2 4 9,1

wegen ungenügender Keimfähigkeit 3 3 8 2 2 4 7,8

wegen zu hohem Besatz mit anderen Arten 2 0 0 1 0 1 1,3

Gräserarten

Anzahl gereinigte Proben 97 99 107 93 87 97

Anzahl nicht anerkannte Posten 15 20 11 7 3 11 11,6

wegen ungenügender Keimfähigkeit 11 20 8 4 2 9 9,3

wegen zu hohem Prozentsatz an fremden Samen 4 0 3 2 1 2 2,1

wegen zu niedriger technischer Reinheit 0 0 0 1 0 0 0,2

Kleearten

Anzahl gereinigte Proben 75 85 94 85 113 90

Anzahl nicht anerkannte Posten 16 18 28 28 19 22 24,1

wegen ungenügender Keimfähigkeit 10 6 12 5 14 9 10,4

wegen zu hohem Anteil an harten Samen 0 6 4 8 2 4 4,4

wegen zu hohem Prozentsatz an fremden Samen 3 1 5 4 1 3 3,1

wegen zu niedriger technischer Reinheit 3 5 7 11 2 6 6,2

Übrige Arten

Anzahl gereinigte Proben 0 0 0 3 5 2

Tab. 3 | Anzahl Zertifizierungsproben gereinigter Saatgutposten in fünf Kampagnen

Page 17: Heft 7+8 Juli-August 2011

Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010) | Pflanzenbau

317Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011

Arten» zu erfüllen. Im Durchschnitt wurden 40 Getreide-

posten wegen zu hohem Besatz mit anderen Getreidear-

ten nicht anerkannt. Der Grund dafür ist wahrscheinlich

die Vorfrucht. Folgt nach einer Weizenvermehrung eine

Gersten- oder eine Triticaleproduktion, werden häufig

Weizenähren in den Folgebeständen beobachtet, da die

Stoppelbearbeitung nicht immer genügend wirksam ist.

Das Keimpotenzial dieses Getreidefremdbesatzes ist mit

75 % beträchtlich. Dies zeigte ein Tastversuch des SPL

(Daten nicht gezeigt). In der letzten Kampagne wurde

der Fremdbesatz (n = 57) an Getreidesamen, der in den

eingesandten Mustern gefunden wurde, zusätzlich auf

dessen Keimfähigkeit geprüft. Nur ein Viertel der Samen

keimte nicht. Weizensamen, die in Gerste- oder Triticale-

proben gefunden wurden, keimten gut. Da die Anzahl

geprüfter Samen (n = 57) sehr gering war, wird diese Fra-

gestellung in der neuen Kampagne in erweiterter Form

weiterverfolgt. Bei der inländischen Saatgutproduktion von Gräser- und

Kleearten hat swisssem mit ART vereinbart, dass für den

Besatz mit Blacken-, Seide- und Flughafersamen stren-

gere Qualitätsanforderungen angewandt werden sollen,

als dies die Verordnung vorsieht. Es werden die von

Swiss-Seed vorgeschriebenen Untersuchungsgewichte

und Normen (VESKOF-Normen) angewandt. Daher

passte die Arbeitsgruppe «Feldsamen» von swisssem

auch die Normen für die Feldbesichtigung an. Dank die-

ser Verschärfung wurden beim Gebrauchssaatgut von

Gras- und Kleearten weder Seide- noch Flughafersamen

festgestellt. Auch Blackensamen sind dank den strengen

Feldbesichtigungsnormen nur in wenigen Stichproben

festgestellt worden. 98,9 % der Gras- und 83,3 % der

Kleeproben waren frei von Blackensamen (Abb. 2). Keine

Gras- und nur 4,4 % der Klee-Zertifizierungsproben ver-

letzten bezüglich des Blackenbesatzes die VESKOF-Norm.

rung zu unterziehen, aufgehoben und die maximalen

Postengewichte bei Getreide von 25 auf 30 Tonnen ange-

hoben. Letzteres wird eine weitere Abnahme der Pro-

benzahl bewirken. Dies zeichnete sich in der Kampagne

10/11 ab. Ein Viertel aller Getreideproben stammten aus

Posten mit einem Gewicht über 25 Tonnen. Die VO schei-

nen diesen erhöhten Spielraum rege zu nutzen, um ihre

Produktion zu optimieren. Die Auswirkung der Strei-

chung der Nachzertifizierung kann noch nicht abge-

schätzt werden. Denn die Qualität von überlagertem

Saatgut soll weiterhin geprüft werden, dafür machte sich

die Koordinationsgruppe von swisssem stark (mündliche

Mitteilung Andreas Rüegger, Geschäftsführer swisssem).

swisssem wird mit ART eine für alle Beteiligten gewinn-

bringende Qualitätssicherung des überlagerten Saatguts

ausarbeiten und dieses ihren Kundinnen und Kunden

anbieten. Im Vergleich zur Kampagne 05/06 wurden

09/10 60 % weniger Proben von ungereinigten Posten

eingereicht (Daten nicht gezeigt). Ungereinigte Zertifi-

zierungsproben erlaubten den Kunden eine Qualitätsein-

schätzung vor der Aufbereitung. Nach der Aufbereitung

muss der Posten erneut beprobt und zur definitiven

Anerkennung eingesendet werden. Aus ökonomischen

Überlegungen ist es für die VO sinnvoll, diesen Proben-

typ nur für Risiko belastete Posten zu verwenden.

In der hier berichteten Periode nahm die Anzahl Zer-

tifizierungsproben von Klee- und Gräserarten um 16 %

zu und erreichte mit 200 Proben in der Kampagne 09/10

ihren Höchststand. Wegen kleineren Produktionseinhei-

ten und den Ertragsschwankungen dieser Arten werden

die Einzelposten zu Mischposten vermengt, um die maxi-

malen Postengewichte eher auszuschöpfen. Daher nahm

die Anzahl Proben nicht im gleichen Ausmass zu wie die

Saatgutproduktionsflächen. Den Rückgang an Getreide-

proben kann somit bei weitem nicht auffangen werden.

Die Qualitätsuntersuchungen von Gras- und Kleesamen-

proben verlangen vertiefte Fachkenntnisse seitens der

Saatgutprüfenden und sind wesentlich zeitintensiver in

der Bearbeitung. Für eine Rotkleeprobe wird das dreifa-

che an Zeitaufwand einer Getreideprobe benötigt.

Qualität der Zertifizierungsproben

Die Qualität des Saatgutes ist sehr hoch. 94,6 % der ein-

gesandten Zertifizierungsproben erfüllten die Mindest-

anforderungen der Verordnung im Durchschnitt der

letzten fünf Kampagnen. Die Anerkennungsrate vari-

ierte je nach Artengruppe von 96,6 % bei Getreide bis zu

75,9 % bei Kleearten (Tab. 3). Mit Pflegearbeiten in den

Beständen und dank optimaler Aufarbeitungseinrich-

tungen und -prozessen können Anstrengungen gemacht

werden, die direkt dazu beitragen, die Anforderungen

an die «technische Reinheit» und «Besatz mit fremden

Gräserarten

Anza

hl S

tichp

robe

n

0

50

100

150

200

250

300

ohne Blackenbesatzmit Blackenbesatz unterhalb der VESKOF-Normmit Blackenbesatz höher als die VESKOF-Norm

Kleearten

Abb. 2 | Vorkommen von Samen von grossblättrigen Blackenarten im Gebrauchssaatgut von im Inland produziertem Gräser- und Klee-arten.

Page 18: Heft 7+8 Juli-August 2011

318

Pflanzenbau | Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010)

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011

Um den Blackenbesatz im Griff zu halten, lohnt es sich

vor der Ernte deren Samenständer zu säubern.

Bei allen Kulturarten war eine ungenügende Keim-

fähigkeit der häufigste Grund für eine Aberkennung

und zeigt zudem ausgeprägte Jahreseffekte. Witte-

rungs- oder erntebedingt kann der Anteil an normal

entwickelten Keimlingen wegen Pilzbefall oder Aus-

wuchs beziehungsweise mechanischen Kornbeschädi-

gungen einbrechen. Bei den Getreidearten war eine

ungenügende Keimfähigkeit im Durchschnitt in 59 %

der Fälle der Grund für eine Aberkennung, wobei die

Jahreseffekte mit einem Maximalwert von 66 % (07/08)

und einem Minimalwert von 47 % (09/10) prägnant sind.

Massive Schwierigkeiten zeigten sich in der Kampagne

09/10 bei der Keimfähigkeit von Rotklee. Bei den Saat-

gutposten mit einer zu geringen Keimfähigkeit wurde

ein sehr hoher Anteil an anomalen Keimlingen festge-

stellt. Die Anomalität beruhte vorwiegend auf gebroche-

nen Hypokotylen und zum Teil fehlenden Hauptwurzeln.

Grund dafür könnten mechanische Beschädigungen sein.

Solche Beschädigungen sind nur in seltenen Fällen am

Samen visuell erkennbar (Hill et al. 1998). Die Ursache

des Problems zu eruieren, ist schwierig. In Zusammen-

arbeit mit swisssem und den betroffenen VO untersucht

ART die Saatgutqualität von Stichproben, die auf dem

Feld, nach Drusch und Reinigung genommen wurden.

Diese detaillierten Analysen sollten dazu beitragen, zu

erkennen, wann die mechanische Einwirkung stattge-

funden hat.

Biologisch produziertes Getreidesaatgut

Im Durchschnitt beträgt der Anteil der Bio-Saatgutpro-

duktionsfläche 5 % der Gesamtfläche. Seit 1995 prüft

das SPL in Zusammenarbeit mit der ART-Forschungs-

gruppe «Ökologischer Pflanzenschutz» Bioproben auch

hinsichtlich des Gesundheitszustandes. Auf Grund des

Befalls mit den relevanten samenbürtigen Krankheiten

wird dem Kunden zusätzlich zum Anerkennungsent-

scheid mitgeteilt, ob eine unbehandelte Aussaat emp-

fohlen werden kann. Seit 2008 bietet ART seinen Kun-

den die Möglichkeit an, die Keimfähigkeit der Bio-Proben

mit Cerall behandelter Samen prüfen zu lassen. Cerall

(Wirkstoff: Bakterium Pseudomonas chlororaphis) ist

eine für den Biolandbau zugelassene Saatgutbehand-

lung, die eine Wirkung gegen Stinkbrand und eine Teil-

wirkung gegen Schneeschimmel aufweist.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Die Saatgutzertifizierung und das Saatgutprüflabor tra-

gen dazu bei, dass das in der Schweiz produzierte Saat-

gut qualitativ einwandfrei ist und dass der spezifische

Mehrwert der Sorten über die Vermehrungsschritte bis

zum Einsatz des Saatgutes erhalten bleibt. Die Tatsache,

dass die Anerkennungsstelle und das Saatgutprüflabor

an der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Täni-

kon ART eine organisatorische Einheit bilden, fördert

die Nutzung von Synergien und ist auch für die Kund-

schaft von Vorteil. Ein unabhängiges SPL mit hohem Pro-

benumsatz mit einem breiten Artenspektrum ist not-

wendig. Nur so kann das spezifische Fachwissen erhalten

und der inländischen Saatgutproduktion, dem Samen-

handel sowie den Züchtungsprogrammen und der Sor-

tenprüfung von Agroscope zur Verfügung gestellt wer-

den. Das SPL kann so auch dazu beitragen, ob und in

welchem Ausmass unerwünschte Pflanzen (z.B. Ambro-

sia, Samtpappel) über das im Inland gehandelte Saatgut

verbreitet wird. Qualitätskontrollen zeigen, dass das

aktuelle Zertifizierungssystem effizient und qualitativ

einwandfrei arbeitet. Diese Vorteile werden unter ande-

rem mit einem attraktiven Marketing (Z-Saatgut) durch

swisssem an der Basis vertreten. Diese Aspekte und die

pragmatische Zusammenarbeit aller Akteure tragen

dazu bei, dass die Saatgut-Erneuerungsrate in der

Schweiz mit über 90 % sehr hoch ist. n

Page 19: Heft 7+8 Juli-August 2011

319

Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010) | Pflanzenbau

Ria

ssu

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Sum

mar

y

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011

Literatur b Saat- und Pflanzgutverordnung (SR 916.151.1) des Eidgenössischen Volk-wirtschaftdepartements (EVD). Zugang: http://www.admin.ch/ch/d/sr/9/916.151.1.de.pdf. [1. Juli 2010].

b ISTA‚ 2011. International Rules for Seed Testing, Edition 2011. Veröffent-licht durch The International Seed Testing Association (ISTA), CH-8303 Bassersdorf

b ISTA‚ 2010. ISTA Handbook on Pure Seed Definitions, 3rd Edition. Veröffentlicht durch The International Seed Testing Association (ISTA), CH-8303 Bassersdorf

b ISTA‚ 2009. ISTA Handbook on Seedling Evaluation, 3rd Edition. Veröffentlicht durch The International Seed Testing Association (ISTA), CH-8303 Bassersdorf

b Hill M.J., Hampton J.G. & Hill K.A., 1998. Seed Quality of Grasses and Legumes. In: Forage Seed Production (Ed. D.T. Fairey & J.G. Hampton). CAB INTERNATIONAL, Oxon, UK, 219–242.

Seed certification in Switzerland

(2005 – 2010)

An annual average of over 50,000 tons of

seed and propagation material was

produced in Switzerland between 2005

and 2010. Seed certification and the seed

testing laboratory at Agroscope Recken-

holz-Tänikon ART Research Station help

ensure that the quality of the seed

produced in Switzerland is flawless and

that variety-specific characteristics are

retained throughout the propagation

stages until seed usage. During the crop

seasons of 2005 to 2010, an average of

7620 hectares were successfully tested for

seed production (excluding seed pota-

toes). The high success rate of 95 % for

cereals reflects the professionalism and

reliability of producers. Seed testing

laboratory analysis shows that crop

quality is also excellent – particularly for

cereals, with an acceptance rate of 95,6 %.

A continuing high seed replacement rate is

contingent upon all players collaborating

on the basis of technical expertise and

individual responsibility, and upon

transparent and efficient processes. Thus

the future domestic seed production will

also remain of high quality.

Key words: seed certification, field

inspection, seed testing, quality insurance.

La certificazione delle sementi in Svizzera

(2005 – 2010)

Dal 2005 al 2010, in Svizzera sono state

prodotte, in media, più di 50 000 tonnel-

late di sementi e tuberi-seme all'anno. La

certificazione delle sementi e il laboratorio

d'analisi per le sementi della Stazione di

ricerca Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

fanno in modo che la produzione indigena

sia di qualità ineccepibile e che le peculia-

rità specifiche delle diverse varietà restino

intatte dalla fase di moltiplicazione fino al

loro impiego. Durante le campagne dal

2005 al 2010 sono stati riconosciuti, in

media, 7620 ettari di terreno per la

produzione di sementi (tuberi-seme

esclusi). Per i cereali, la professionalità e

l'affidabilità dei produttori è dimostrata

dall'elevata quota di riconoscimento dei

terreni campi annunciati, che è del 95 per

cento. Dalle verifiche del laboratorio di

analisi delle sementi emerge che anche la

qualità del raccolto è elevata, in partico-

lare per i cereali, la cui percentuale di

riconoscimento è del 95,6 per cento. Una

collaborazione basata su competenze

specialistiche e senso di responsabilità di

tutti i partecipanti, nonché processi

trasparenti ed efficienti costituiscono un

presupposto per tenere alta la quota

d’aggiornamento delle sementi. In questo

modo la produzione di sementi indigena

manterrà la propria qualità anche in

futuro.

Page 20: Heft 7+8 Juli-August 2011

320 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011

E i n l e i t u n g

Rotschwingel

Wo in Wiesen und Weiden das Englische Raigras auf-

grund der Umweltbedingungen kaum mehr vor-

kommt (zu trockene Gebiete oder rauhe Lagen), ist

der Rotschwingel (Abb. 1) ein wichtiges rasenbilden-

des Gras. Das formenreiche Aggregat des Rotschwin-

gels (Festuca rubra aggr.) beinhaltet eine grosse Zahl

von Unterarten. Im Futterbau sind zwei Formgruppen

wichtig: Der Berg- oder Horst-Rotschwingel (F. nigre-

scens Lam.), der dichte Horste bildet und wie der

Daniel Suter1, Rainer Frick2 und Hans-Ulrich Hirschi1

1Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich2Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon 1

Auskünfte: Daniel Suter, E-Mail: [email protected], Tel.+41 44 377 72 79

Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sorten-versuche mit Rotschwingel und Kammgras

P f l a n z e n b a u

Abb. 1 | Rotschwingel (links) und Kammgras (rechts). Zeichnungen aus dem Handbuch «Wiesengräser» von Walter Dietl et al., Landw. Lehr-mittelzentrale, Zollikofen, 1998. (Zeichnungen: Manuel Jorquera, Zürich. Alle Rechte vorbehalten. Copyright: AGFF, Zürich. Mit freundlicher Genehmigung der AGFF).

Page 21: Heft 7+8 Juli-August 2011

Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras | Pflanzenbau

321

Zusa

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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011

Von 2008 bis 2010 prüften die Forschungsan-

stalten Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

und Agroscope Changins-Wädenswil ACW

Neuzüchtungen und empfohlene Sorten von

Rotschwingel und Kammgras hinsichtlich

ihrer Anbaueignung. Die Beurteilung der

Sorten beruhte auf systematischen Erhebun-

gen von Ertrag, Güte des Bestandes, Jugend-

entwicklung, Konkurrenzkraft, Ausdauer,

Toleranz gegenüber Wintereinflüssen,

Resistenz gegen Blattkrankheiten sowie der

Anbaueignung für höhere Lagen. Beim

Kammgras wurde zudem die verdauliche

organische Substanz bestimmt. Bei beiden

Arten konnten die Neuzüchtungen keine für

eine Empfehlung genügenden Ergebnisse

erzielen. Dennoch könnten besondere

Eigenschaften der Neuzüchtung von Rot-

schwingel FR 0315 in bestimmten Fällen

einen Mehrnutzen bringen und somit eine

Empfehlung rechtfertigen. Leider erfüllt

FR 0315 noch nicht alle rechtlichen Voraus-

setzungen für ein Inverkehrbringen in der

Schweiz. Dieser Umstand verhindert eine

Empfehlung zum jetzigen Zeitpunkt.

Die bereits empfohlenen Sorten beider Arten

werden weiterhin auf der «Liste der empfoh-

lenen Sorten von Futterpflanzen» belassen.

Name sagt, eher in höheren Lagen anzutreffen ist.

Und der eigentliche Rotschwingel (F. rubra L. s.str.) mit

seinen meist unterirdischen Ausläufern, der auch als

Ausläuferrotschwingel bezeichnet wird.

Für den Kunstfutterbau ist vor allem der Ausläufer-

rotschwingel interessant, da er mit seinem Berasungsver-

mögen in der Lage ist, Lücken im Bestand zu schliessen.

In Mischungen erfüllt er somit die Funktion einer «Ver-

sicherung», um bei Ausfall eines Mischungspartners den

Bestand schliessen zu können (Abb. 2) und wenigstens

noch etwas Futterertrag zu gewährleisten (Suter et al.

2008). Bei Zuchtsorten wünscht man sich deshalb ein gutes

Berasungsvermögen und eine hohe Konkurrenzkraft.

Im Allgemeinen gedeiht der Rotschwingel am besten in

mässig mageren bis mässig nährstoffreichen Wiesen und

Weiden unter wenig- bis mittelintensiver Bewirtschaf-

tung. Durch einen nicht zu tiefen Schnitt kann dieses

Gras gefördert werden und sich auch unter einem inten-

siveren Nutzungsregime halten. Der Rotschwingel stellt

geringe Ansprüche an Wärme und Feuchtigkeit.

Kammgras

Das Kammgras (Cynosurus cristatus L.; Abb. 1) findet

man in Wiesen und vor allem in Weiden feucht-kühler

Lagen. Mit zunehmender Höhenlage übernimmt es die

Funktion, die im Mittelland dem Englischen Raigras

(Lolium perenne L.) zufällt. Das Kammgras erreicht aber

nicht das Ertragsniveau des Englischen Raigrases. Da es

auch nicht sehr hoch aufwächst, ist der Einsatzbereich

für das Kammgras auf Weiden begrenzt. So wird es in

Abb. 2 | Rotschwingel im Versuch in Oensingen: Der Rotschwingel bildet sehr dichte Bestände. Im Vordergrund die Sorten Pran-Solas (links) und Bargaret (rechts). (Foto: ART)

Page 22: Heft 7+8 Juli-August 2011

Pflanzenbau | Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras

322 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011

Weidemischungen als Begleitart eingesetzt, damit der

Bestand besser gegen Umwelteinflüsse abgesichert ist

(Suter et al. 2008). Besonders wichtig ist diese Versiche-

rungsfunktion in höheren Lagen.

Verglichen mit dem Englischen Raigras entwickelt

sich das Kammgras nach der Saat langsamer. Das Kamm-

gras bildet kleine Horste, oft mit kurzen unterirdischen

Ausläufern. Für die Erhaltung der Art im Bestand genü-

gen diese Ausläufer in der Regel nicht. Deshalb ist es

wichtig, dass die Pflanzen gelegentlich versamen kön-

nen, obwohl die rauhen ährentragenden Halme vom

Vieh verschmäht werden. Die Blätter haben hingegen

einen guten Futterwert und werden gern gefressen. Oft

fällt es dem Betrachter schwer, das Kammgras vom Eng-

lischen Raigras zu unterscheiden, da die Blätter dieser

beiden Arten einander auf den ersten Blick stark ähneln.

Das Kammgras ist anspruchslos, weist jedoch eine

geringe Trockenheitsresistenz auf. Mit Ausnahme starker

Kahlfröste erträgt das Kammgras Wintereinflüsse gut.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Während dreier Jahre geprüft

Die Forschungsanstalten Agroscope Reckenholz-Tänikon

ART und Changins-Wädenswil ACW prüften von 2008 bis

und mit 2010 insgesamt acht Sorten Rotschwingel und

fünf Sorten Kammgras, davon je zwei Neuzüchtungen.

Die sieben beziehungsweise sechs Versuchsorte des Rot-

schwingels und des Kammgrases waren von 430 m ü. M.

bis auf 1850 m ü. M. verteilt, wobei die Mehrheit davon

im Mittelland lag.

Für die Erfassung der meisten agronomischen Eigen-

schaften, welche die Grundlage der Beurteilung der Sor-

ten bilden, wurden Reinbestände angelegt. Zusätzlich

dienten Gemenge der jeweiligen Sorte mit Rot- und

Weissklee der Abschätzung der Konkurrenzkraft. Diese

leitete sich vom Ertragsanteil der zu prüfenden Sorte in

diesen Gemengen ab. Die Angaben über die geographi-

sche Lage der Versuche und die Saat sind in Tabelle 1

zusammengestellt.

Zu jedem Aufwuchs erhielten die Reinbestände

40–50 kg Stickstoff pro Hektare in Form von Ammonsal-

peter. Da in den Gemengen der Klee schon einen gewis-

sen Anteil Stickstoff liefert, wurden diese jeweils nur mit

25–30 kg Stickstoff pro Hektare, gedüngt.

Damit die beurteilten Eigenschaften der Sorten ein-

facher in eine Gesamtbewertung mit einbezogen wer-

den konnten, wurden sämtliche Beobachtungen nach

einer Notenskala mit neun Klassen beurteilt. Dabei war

eine Eins die beste und eine Neun die schlechteste Note.

Die Eigenschaften Güte, die sich aus dem allgemeinen

Eindruck, der Bestandesdichte und dem Nachwuchsver-

mögen zusammensetzt, Jugendentwicklung des Bestan-

des, Befall mit Blattkrankheiten und Überwinterung

wurden mehrmals beobachtet und nach obiger Noten-

skala eingeschätzt. Die Ausdauer entspricht den Güteno-

ten des letzten Aufwuchses im zweiten Hauptnutzungs-

jahr. Die Gütenoten an den Versuchsorten über 1000 m

ü. M. bilden die Grundlage zur Bewertung der Anbau-

eignung für höhere Lagen (Abb. 3). Damit die Ertragsleistung mit in die Bewertung aufge-

nommen werden konnte, wurden die im Feld gemessenen

Rotschwingel Kammgras

Anzahl Wiederholungen

Ertrags -erhebungen

Anzahl Wiederholungen

Ertragser-hebungen

Ort, KantonHöhe

(m ü. M.)Saatdatum Reinsaat1) Mischungen2) 2009 2010 Reinsaat3) Mischungen4) 2009 2010

Changins, VD 430 07/05/2008 3 – 5 4 3 – 1 3

Reckenholz, ZH 440 08/05/2008 4 3 4 4 – – – –

Reckenholz, ZH 440 15/04/2009 (erneute Saat) – – – – 4 3 – 4

Oensingen, SO 460 09/05/2008 4 3 4 4 4 3 4 3

Ellighausen, TG 520 14/05/2008 4 3 4 4 4 3 4 4

Goumoens, VD 630 14/05/2008 3 3 5 4 – – – –

La Frêtaz, VD 1200 01/07/2008 4 – – – 4 2 – –

Maran, GR 1850 06/06/2009 2 – – 1 2 – – 1

Tab. 1 | Orte und Daten der im Jahre 2010 abgeschlossenen Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras

1) reinsaaten: 240 g/100 m² sorte «echo» als standard für die saatmenge 2) Mischungen: 180 g/100 m² sorte «echo» als standard für die saatmenge + 10 g/100 m² rotklee «Mont calme» + 25 g/100 m² weissklee, grossblättrig «seminole» + 15 g/100 m² weissklee, kleinblättrig «sonja»

3) reinsaaten: 200 g/100 m² sorte «cresta» als standard für die saatmenge 4) Mischungen: 150 g/100 m² sorte «cresta» als standard für die saatmenge + 10 g/100 m² rotklee «Mont calme» + 25 g/100 m² weissklee, grossblättrig seminole» + 15 g/100 m² weissklee, kleinblättrig «sonja»

Page 23: Heft 7+8 Juli-August 2011

Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras | Pflanzenbau

323Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011

methode nach Tilley und Terry (1963) diente der Validie-

rung der so ermittelten Werte. Für die anschliessende

Verwendung mussten die Messwerte in Noten umge-

rechnet werden. Dabei kam dieselbe Methode wie für

die Trockensubstanzerträge zur Anwendung.

Die Note für die Konkurrenzkraft liess sich aus dem

prozentualen Anteil der zu prüfenden Sorte am Gesamt-

ertrag der Mischung nach folgender Formel berechnen:

Note = 9 – 0,08 × Ertragsanteil %

Die Gesamtbeurteilung einer Sorte ermöglicht ein aus

allen erhobenen Merkmalen gemittelter Indexwert.

Dabei erhalten beim Rotschwingel der Ertrag, die Güte,

die Konkurrenzkraft, die Ausdauer und die Anbaueig-

nung für höhere Lagen doppeltes Gewicht. Beim

Kammgras werden zusätzlich die Überwinterung und

die Verdaulichkeit doppelt gewichtet.

Damit eine Sorte in die «Liste der empfohlenen Sor-

ten von Futterpflanzen» (Suter et al. 2010) aufgenom-

men werden kann, muss ihr Indexwert den Mittelwert

Trockensubstanzerträge mit Hilfe statistischer Methoden in

Noten umgerechnet: Der Mittlere Jahresertrag einer Sorte

wird mit dem Mittel des Versuches verglichen. Weicht er

um 1/3 der kleinsten gesicherten Differenz (KGD) auf dem

5-%-Signifikanzniveau von diesem Versuchsmittel ab, so

wird bei einer positiven Differenz eine Note 4 und bei einer

negativen Differenz eine Note 6 vergeben. Beträgt die

Abweichung 2/3 des KGD (5 %) so resultiert eine Note 3

beziehungsweise 7. Für eine Abweichung mit einem gan-

zen KGD (5 %) folgt die Note 2 respektive 8. Eine Note 1

oder 9 ist dann erreicht, wenn eine Differenz von mindes-

tens einem KGD auf dem 1-%-Niveau besteht.

Zusätzlich wurden in den Reinbeständen des Kamm-

grases am Standort Oensingen während der ersten drei

Aufwüchse des ersten Hauptnutzungsjahres Stichproben

zur Bestimmung der verdaulichen organischen Substanz

(VOS) gezogen. Die darauffolgenden Analysen im Labor

wurden mittels Nahinfrarot-Reflexionsspektroskopie

(Norris et al. 1976) durchgeführt und die Verdaulichkeit

als Gramm verdauliche organische Substanz pro Kilo-

gramm Trockensubstanz ausgedrückt. Die Pansensaft-

Abb. 3 | Kammgras auf 1850 m ü. M. im ersten Aufwuchs. Im Vordergrund die Sorte Rožnovská. (Foto: ART)

Page 24: Heft 7+8 Juli-August 2011

Pflanzenbau | Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras

324 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011

der mitgeprüften bisher empfohlenen Sorten (Standard)

um mindestens 0,20 Indexpunkte unterschreiten (gerin-

gerer Wert = besser). Ebenso kann eine Sorte empfohlen

werden, wenn sie besonders wertvolle Eigenschaften

aufweist, auch wenn sie den für eine Empfehlung not-

wendigen Index nicht ganz erreicht.

Eine bis anhin empfohlene Sorte dagegen verliert

ihre Empfehlung und wird aus der Liste gestrichen, wenn

ihr Indexwert denjenigen des Standards um mehr als

0,20 Punkte überschreitet (höherer Wert = schlechter).

Weiter ist keine Empfehlung möglich, wenn in einem

wichtigen Einzelmerkmal der Standard um 1,50 Punkte

oder mehr überschritten wird.

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Rotschwingel: Schwierige Situation

Sämtliche wiedergeprüften Sorten erreichten einen

Index, der eine Empfehlung weiterhin ermöglicht

(Tab. 2), obwohl im Vergleich zur letzten Prüfung (Suter

et al. 2004) gewisse Verschiebungen in der Rangfolge

stattgefunden haben.

Tab. 3 | Rotschwingel: Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2008 bis 2010

Sortenname Ertrag1)* Güte* Jugendent-wicklung

Konkurrenz-kraft*

Ausdauer*Resistenzen/Toleranzen: Anbaueignung

für höhere Lagen*

Indexwert

Wintereinflüsse Blattkrankheiten

1 Echo 3,8 3,4 3,6 4,3 3,6 4,7 2,4 4,5 3,83

2 Roland 21 5,0 3,5 4,1 3,9 4,2 4,4 2,4 3,5 3,94

3 Reverent 4,6 3,8 4,6 3,5 3,1 5,6 2,4 4,7 4,00

4 Bargaret 4,3 3,9 4,6 4,2 4,1 5,1 2,9 4,5 4,19

5 Tagera 5,4 3,9 4,3 3,5 4,5 5,5 2,2 4,3 4,27

6 Pran-Solas 5,7 4,0 3,6 3,8 4,5 5,4 2,4 4,1 4,28

Mittel (Standard) 4,8 3,8 4,1 3,9 4,0 5,1 2,5 4,2 4,08

7 FR 0315 5,0 3,7 3,2 3,2 4,0 5,3 3,0 4,0 3,94

8 FRR 04206 6,0 3,8 2,9 3,6 4,3 5,4 2,0 3,5 4,05

fettschrift bei sortenname = bisher empfohlene sortennotenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht1) ertragsnoten von 5 Versuchsstandorten mit 4 bis 5 erhebungen 2009 und 6 Versuchsstandorten mit 1 bis 4 erhebungen 2010*hauptmerkmal mit doppelter gewichtung

Sortenname Antragsteller Frühreife-Index1) Kategorie2)

1 Echo DLF-Trifolium, DK 51b 1

2 Roland 21 SZ Steinach, DE 51b 1

3 Reverent SZ Steinach, DE 51b 1

4 Bargaret Barenbrug, NL 52a 1

5 Tagera Tagro, CZ 51a 1

6 Pran-Solas Schweizer, CH 52a 1

7 FR 0315 DSP/ART, CH 51b 3

8 FRR 04206 EURO GRASS, DE 51b 3

Tab. 2 | Geprüfte Sorten von Rotschwingel, Frühreife-Index und Kategorieeinteilung

fettschrift bei sortenname = bisher empfohlene sorten

1)frühreife-index: Die erste ziffer bezeichnet den Monat, die zweite ziffer die Dekade a bezeichnet die erste, b die zweite hälfte der Dekade. Beispiel: 52a = 11. – 15. Mai. Die frühreife wurde am standort changins erhoben.

2)Kategorieeinteilung der sorten aufgrund der ergebnisse aus den Versuchen: Kategorie 1: in der schweiz in der «Liste der empfohlenen sorten von futter pflanzen» geführt. Kategorie 3: zeichnet sich weder durch gute noch durch schlechte eigenschaften aus.

Page 25: Heft 7+8 Juli-August 2011

Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras | Pflanzenbau

325Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011

den Standard nicht ganz erreichen, war aber bei der

Güte und der Ausdauer durchaus auf dem Niveau des

Standards. In der Konkurrenzkraft zeigte FR  0315 die

beste Note der Versuchsserie und lag bei der Bewertung

der Anbaueignung für höhere Lagen auf Platz zwei. Dies

führte für FR  0315 zu dem insgesamt zweitbesten

Gesamtindex der Versuchsserie, was aber dennoch nicht

für eine Empfehlung reichte. Im Falle von FR 0315 ist es

überlegenswert, ob diese Sorte nicht trotz gewisser

Schwächen eine wertvolle Funktion erfüllen könnte:

FR  0315 ist aus in der Schweiz gesammeltem Material

hervorgegangen. Dies ist beim Rotschwingel als beson-

ders erwünschte Eigenschaft zu werten. Der Einsatz

Allen voran schnitt die Sorte Echo wiederum sehr gut

ab, vor allem wegen guter Noten in Ertrag, Güte und

Ausdauer. Da Tagera und Pran-Solas genau in diesen

wichtigen Eigenschaften Schwächen zeigten, konnten

sie sich trotz sehr guter Werte für die Konkurrenzkraft

erneut nur knapp halten. So erzielte Tagera lediglich

eine Ertragsnote von 5,4. Bei Pran-Solas lag diese Note

sogar bei 5,7 (Tab. 3). Eine sehr grosse Differenz, wenn

man mit der Note 3,8 von Echo vergleicht. Für Güte und

Ausdauer waren die Differenzen nicht so gross wie beim

Ertrag. So erzielte Echo eine Gütenote von 3,4 und war

in der Ausdauer mit 3,6 die zweitbeste Sorte. Von den

Neuzüchtungen konnte FR 0315 mit einer 5,0 im Ertrag

Sortenname Antragsteller Frühreife-Index1) Kategorie2)

1 Rožnovská Tagro, CZ 53a 1

2 Lena HBLFA, AT 53b 1

3 Cresta DSP/ART, CH 53a 1

4 CC 0405 DSP/ART, CH 53b 4

5 CC 0105 DSP/ART, CH 53b 4

Tab. 4 | Geprüfte Sorten von Kammgras: Frühreife-Index und Kategorieeinteilung

1)frühreife-index: Die erste ziffer bezeichnet den Monat, die zweite ziffer die Dekade; a bezeichnet die erste, b die zweite hälfte der Dekade. Beispiel: 53b = 26.-31. Mai. Die frühreife wurde am standort changins erhoben.

2) Kategorieeinteilung der sorten aufgrund der ergebnisse aus den Versuchen: Kategorie 1: in der schweiz in der «Liste der empfohlenen sorten von futterpflanzen» geführt. Kategorie 4: eignet sich nicht für den Anbau in der schweiz

Sortenname Ertrag1)* Güte* Jugendent-wicklung

Konkurrenz-kraft*

Ausdauer*Resistenzen/Toleranzen:

VOS2)* Anbaueignung für höhere Lagen*

Indexwert

Wintereinflüsse* Blattkrankheiten

1 Rožnovská 1,8 3,5 5,4 5,1 4,3 4,5 3,3 5,0 4,0 4,06

2 Lena 4,5 3,6 4,7 5,5 4,1 4,2 3,8 5,7 3,0 4,34

3 Cresta 6,3 4,4 5,4 5,6 5,3 4,9 4,3 4,3 3,7 4,92

Mittel (Standard) 4,2 3,8 5,2 5,4 4,6 4,6 3,8 5,0 3,6 4,44

4 CC 0405 6,8 4,4 4,5 6,2 5,4 4,4 4,3 5,0 3,4 4,97

5 CC 0105 7,3 5,5 6,4 6,5 6,2 5,8 3,9 5,3 4,3 5,73

Tab. 5 | Kammgras: Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2008 bis 2010

fettschrift bei sortenname = bisher empfohlene sortennotenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht1) ertragsnoten von 3 Versuchsstandorten 2009 und 5 Versuchsstandorten 2010 mit je 1 bis 4 erhebungen2) Vos = Verdauliche organische substanz: Mittel von 3 Terminen im Jahre 2009, standort oensingen* hauptmerkmal mit doppelter gewichtung

Page 26: Heft 7+8 Juli-August 2011

326

Pflanzenbau | Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011

einer solchen Sorte wäre vor allem in Wiesen denkbar,

die mit längerdauernden Gras-Weissklee-Mischungen

angelegt werden, um später in Dauerbestände über-

führt werden zu können. Wegen des Schutzes der gene-

tischen Ressourcen des vielfältigen Rotschwingels ist für

diesen Zweck die Verwendung einheimischen Materials

anstelle von Rotschwingelsorten mit unbekannter Her-

kunft zu begrüssen. Zum Zeitpunkt der Drucklegung

fehlen jedoch noch die Voraussetzungen für die Auf-

nahme von FR  0315 in einen offiziellen Sortenkatalog.

Sie kann deshalb trotz ihrer wertvollen Eigenschaft vor-

erst nicht empfohlen werden.

Kammgras: Basis bleibt dünn

Mit lediglich drei empfohlenen Sorten wurde beim

Kammgras bis anhin gerade ein Minimum erreicht,

damit eine Versorgung mit Saatgut von Zuchtsorten

dieser Art sichergestellt werden kann (Tab. 4). Die zwei

Sorten Rožnovská und Lena setzten sich in der Prüfung

deutlich von der dritten empfohlenen Sorte Cresta ab. In

Ertrag, Güte, Konkurrenzkraft und Ausdauer belegten

Rožnovská und Lena die beiden ersten Plätze aller fünf

geprüften Sorten (Tab. 5).

Leider konnten die zwei Neuzüchtungen CC  0105

und CC 0405 nicht überzeugen. In fast sämtlichen Para-

metern, vor allem aber hinsichtlich Konkurrenzkraft und

Ertrag, schnitten sie schlechter ab als der Standard und

werden nicht empfohlen. Somit können sie auch nicht

die Sorte Cresta ersetzen, die den für eine Weiteremp-

fehlung notwendigen Gesamtindex nicht erreichte und

mit einer Ertragsnote von 6,3 um mehr als 1,5 Punkte

schlechter war als der Standard. Diese Sorte wurde

ursprünglich in die empfehlende Liste aufgenommen,

damit die Verfügbarkeit von Zuchtsorten von Kammgras

gewährleistet werden kann. Aus demselben Grunde

wird diese Sorte, trotz ihrer Schwächen, weiterhin auf

der Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen

belassen.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Die wenigen zur Prüfung angemeldeten Neuzüchtun-

gen bei beiden Arten scheinen den Trend zu bestätigen,

dass aufgrund hoher Kosten Zuchtprogramme von «klei-

nen Arten», also Arten mit geringer internationaler

Saatgutnachfrage, aufgegeben oder zumindest einge-

schränkt werden. Neben der spärlicheren Anzahl zur

Verfügung stehender Neuzüchtungen dürfte sich das

Niveau des Sortenspektrums dieser Arten zunehmend

weniger rasch heben als bei landwirtschaftlich wichtige-

ren Arten. n

Page 27: Heft 7+8 Juli-August 2011

327

Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras | Pflanzenbau

Ria

ssu

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Sum

mar

y

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011

Literatur b Norris K.H., Barnes R.F., Moore J.E. & Shenk J.S., 1976. Predicting forage quality by infrared reflectance spectroscopy. Journal of Animal Science 43, 889–897.

b Suter D., Briner H.U., Mosimann E. & Stévenin L. 2004. Sortenversuche mit Wiesenschwingel und Rotschwingel. Agrarforschung 11 (7), 274–279.

b Suter D., Hirschi H.U., Frick R. & Bertossa M., 2010. Liste der empfohle-nen Sorten von Futterpflanzen 2010–2011. Agrarforschung Schweiz 1 (10), 1–16.

b Suter D., Rosenberg E., Frick R., & Mosimann E., 2008. Standardmischung für den Futterbau. Revision 2009 – 2012. Agrarforschung 15 (10), 1–12

b Tilley J. & Terry R., 1963. A two stage technique for the in vitro digestion of forage crops. Journal of the British Grassland Society 18, 104–111.

Results of red fescue and crested

dogstail variety trials

From 2008 to 2010, the Agroscope

Reckenholz-Tänikon ART and Agro-

scope Changins-Wädenswil ACW

research stations tested new breeds

and recommended varieties of red

fescue and crested dogstail. The

evaluation of the varieties was based

on systematic observations of yield,

vigour, juvenile development, competi-

tive ability, winter hardiness, resistance

to leaf diseases and the ability for

cultivation at higher altitudes. In

addition, the digestible organic matter

of crested dogstail was evaluated. No

new breed attained results allowing

for recommendation. Nevertheless, the

particular characteristics of the new

breed of red fescue FR 0315 may

provide a benefit in certain cases and

thus justify recommendation. Unfortu-

nately, FR 0315 does not meet all legal

requirements for trade yet and thus

cannot be recommended at this time.

All the varieties recommended so far

are still recommended.

Key words: Festuca rubra, Cynosurus

cristatus, red fescue, crested dogstail,

variety testing, yield, digestibility,

persistence.

Risultati dei test varietali su festuca

rossa e coda di cane

Dal 2008 al 2010, le stazioni di ricerca

Agroscope Reckenholz-Tänikon ART e

Agroscope Changins-Wädenswil ACW

hanno esaminato l'idoneità alla coltiva-

zione di novità varietali e varietà racco-

mandate di festuca rossa e coda di

cane. Per valutare le varietà sono state

prese sistematicamente in considera-

zione le seguenti caratteristiche: resa,

aspetto generale, precocità, forza di

concorrenza, persistenza, idoneità allo

svernamento, resistenza a malattie

fogliari e idoneità alla coltivazione ad

alta quota. Nel caso della coda di cane

è stata determinata anche la digeribi-

lità della sostanza organica. In

entrambi i casi nessuna delle novità

varietali ha ottenuto i risultati neces-

sari per una raccomandazione. Ciono-

nostante, la novità varietale di festuca

rossa FR 0315 possiede particolari

proprietà che, in determinati casi,

potrebbero essere utilizzate in modo

più vantaggioso, giustificando così una

raccomandazione. Purtroppo FR 0315

non adempie ancora tutte le condizioni

legali per l'immissione in commercio in

Svizzera. Ciò impedisce una raccoman-

dazione al momento. Le varietà già

raccomandate saranno mantenute

nella Lista delle varietà raccomandate

di piante foraggiere.

Page 28: Heft 7+8 Juli-August 2011

328 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 328–333, 2011

Besichtigung einer Apfelanlage in Süddeutschland. (Foto: Johannes Hanhart, AGRIDEA)

Esther Bravin1, Mirjam Blunschi1, Markus Leumann2, Ueli Straub3, Timo Hirrle4, Johannes Hanhart3,

Richard Hollenstein5 und Bea Steinemann3

1Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 8820 Wädenswil2Landwirtschaftsamt des Kantons Schaffhausen, Charlottenfels, 8212 Neuhausen am Rheinfall3Agridea, Eschikon 28, 8315 Lindau4Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee, Schuhmacherhof, 88213 Ravensburg, Deutschland5Kanton St. Gallen, Landwirtschaftliches Zentrum SG, 9230 Flawil

Auskünfte: Esther Bravin, E-Mail: [email protected], Tel. + 41 44 783 62 44

E i n l e i t u n g

2009 startete im Rahmen des Interreg-IV-Programms

das Projekt «Betriebsmanagement im Obstbau». Ziel des

Projektes ist die Förderung von Betriebsmanagement-

fähigkeiten im Erwerbsobstanbau der Bodenseeregion.

Im Projekt arbeiten acht Projektpartner aus den Kanto-

nen Thurgau, St. Gallen und Zürich und aus der süddeut-

schen Region Baden-Württemberg mit. Dabei sind

sowohl Forschung (Agroscope Changins-Wädenswil

ACW und Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee KOB),

Beratung (Beratungszentrale AGRIDEA, Beratung Kan-

ton Thurgau und St. Gallen) und private Treuhänder

(Agrotreuhand Thurgau, Steuerbüro Waggershauser

Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen

P f l a n z e n b a u

Page 29: Heft 7+8 Juli-August 2011

Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen | Pflanzenbau

329

Zusa

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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 328–333, 2011

Im Rahmen des Interreg-Projektes «Betriebs-

managament Obstbau» zur Förderung von

Betriebsmanagementfähigkeiten im Erwerbs-

obstanbau der Bodenseeregion konnten

90 Obstproduzenten aus Deutschland und

der Schweiz ihre zukünftigen Herausfor-

derungen ins Visier nehmen. Mithilfe der

Aktionsforschung konnten diese Herausfor-

derungen grenzüberschreitend mit der

Bildung von Arbeitskreisen bearbeitet

werden. Mit den erarbeiteten Informationen

wird ein Leitfaden für Obstproduzenten der

Bodenseeregion zusammengestellt. Der

Leitfaden soll Beratungs- und Schulungs-

zwecken dienen.

und Steuerbe ratungsgesellschaft Schnekenburger)

involviert (Abb.1). Diese heterogene Gruppe bringt Vor-

teile mit sich. So haben die Treuhänder und die kantona-

len Obstberater den direkten Kontakt zur Praxis. Sie

können Obstproduzenten animieren, am Projekt aktiv

teilzunehmen. Andererseits wissen sie, in welchen Berei-

chen die Obstproduzenten Schwierigkeiten haben und

wie ein Projekt im Bereich Betriebsmanagement eine

sinnvolle Unterstützung für die Obstproduzenten bereit-

stellen kann. Die Beratung wiederum kann die Resultate

des Projektes zur Umsetzung an die Praxis weitergeben.

Die Forschung übernimmt ihre Rolle bei der Bereitstel-

lung von Informationen, der Entwicklung von Inhalten

und dem Publizieren der Resultate.

Das Projekt «Betriebsmanagement im Obstbau» ist

aus der früheren Zusammenarbeit innerhalb des Inter-

reg-III-Projektes «Bodensee Gemüse- und Obstbau»

(BOGO) und aus der seit 2004 zwischen Forschung, Bera-

tung und Praxis bestehenden Zusammenarbeit im Rah-

men des Projektes «Support Obst Arbo» (SOA) entstan-

den. Am ersten Projekttreffen auf schweizer und

deutscher Seite des Bodensees haben die Projektpartner

vorerst gemeinsame Ziele für das Gesamtprojekt

«Betriebsmanagement im Obstbau» formuliert, die

durch vier Teilprojekte erreicht werden sollen. In die vier

Teilprojekte bringen die Partner ihre eigenen Kompe-

tenzen ein, wobei sie mit unterschiedlichem Zeitauf-

wand am Projekt beteiligt sind. Weil im Interreg-Pro-

gramm rund 50% durch Eigenleistung seitens der

Projektpartner und 50 % durch Interreg finanziert wird,

sollten die Ziele des Projektes möglichst mit den eigenen

Arbeitsbereichen übereinstimmen. Das Projekt wurde

Abb. 1 | Projektgebiet und Projektpartner.

möglichst nachhaltig geplant, was heisst, dass

in Zukunft einige Teilprojekte auch ohne

Finanzierung von Interreg weitergeführt wer-

den sollen. Zudem wurde bereits bei der Pla-

nung der Erkenntnistransfer in die Praxis stark

gewichtet.

Das Gesamtprojekt ist in vier Teile aufgebaut:

•• Teilprojekt 1 ⇒ Buchhaltung & Schlagkartei

•• Teilprojekt 2 ⇒ Controlling-Instrument

•• Teilprojekt 3 ⇒ Beratung & Schulung

•• Teilprojekt 4 ⇒ Doku-Service & Büro-

organisation

In diesem Bericht wird auf Teilprojekt 3 «Bera-

tung und Schulung» eingegangen.

Berufs- und Bildungszentrum Arenenberg

Landwirtschaftliches Zentrum St. Gallen

Steuerberatungs- Gesellschaft mbH Dr. Schnekenburger, Ravensburg

(Steuer-) Büro Waggershauser, Überlingen

ForschungsanstaltAgroscope Changins-Wädenswil ACW

Page 30: Heft 7+8 Juli-August 2011

Pflanzenbau | Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen

330 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 328–333, 2011

Kompetenzen von Obstproduzenten

Für eine erfolgreiche Obstproduktion heute und in

Zukunft sollten Obstproduzenten in folgenden Berei-

chen kompetent sein:

•• Produktionstechnik: Der Anbau von neuen Sorten

zum Beispiel bedingt eine gute Anbautechnik; die

Anwendung von Pflanzenschutzmitteln muss nach

fachlicher Beurteilung von klimatischer Situation,

Krankheitsdruck und Resistenzrisiko erfolgen; für die

Behangsregulierung muss der Einfluss von Klima und

sortenspezifischen Eigenschaften eingeschätzt werden.

•• Organisation: Zwischen August und Oktober findet

mit der Ernte 60 % (Arbokost, 2010) der gesamten

Arbeit im Obstbau statt. Diese grosse Arbeitsbelastung

wird hauptsächlich durch externe Arbeitskräfte

bewältigt, welche Lohnkosten verursachen. Die

Arbeitsorganisation ist sehr wichtig, um Leerläufe zu

vermeiden und eine hohe Ernteleistung sowie

Arbeitsproduktivität zu erreichen.

•• Strategie: Die Obstproduktion ist eine langfristige

Produktion, die auf 15 bis 20 Jahre geplant wird.

Entscheidungen müssen längerfristig erfolgen,

kohärent sein und für die Zukunft Bestand haben.

•• Finanzen/Betriebswirtschaft: Die Investitionen im

Obstbau betragen zwischen 60 000 CHF/ha (Apfel) und

130 000 CHF/ha (Kirschen) (total Investitionskosten

Ende des 3. Standjahres, Arbokost 2010). Für diese

beträchtlichen Investitionen sind also gute finanzielle/

betriebswirtschaftliche Kompetenzen gefragt. Eine

zusätzliche Herausforderung für Obstproduzenten ist,

dass sie Obstgeld erst nach der Auslagerung erhalten.

Von der Ernte bis zur Zahlung können zehn Monate

vergehen. Die Obstproduzenten müssen also diese

Zeit überbrücken und geschickt ihre Mittel einsetzen,

um weiterhin liquid zu bleiben und mindestens

kurzfristige, aber wichtige Ausgaben (z.B Arbeits-

kräfte) decken zu können. Zusätzlich sind auch Obstproduzenten mit immer neuen

Herausforderungen konfrontiert. In der Schweiz sind

dies zum Beispiel der mögliche Agrarfreihandel mit der

EU oder noch relativ neue Krankheiten (Feuerbrand,

Sharka, etc.). In Deutschland könnte in der Landwirt-

schaft die Arbeitnehmerfreizügigkeit ab Mai 2011 für

EU-8-Länder (Huber 2011) ein Problem darstellen. Weder

die Forschung noch die Beratung kann aber ohne Einbe-

zug der Produzenten genau definieren, welches die drin-

gensten Herausforderungen für die Obstproduzenten

sind und welche Unterstützung sie brauchen, um weiter-

hin rentabel Obst zu produzieren. Um die wichtigsten

Herausforderungen zu identifizieren und Lösungen zu

entwickeln, die von den Produzenten tatsächlich ange-

wendet werden können, wurde im Interreg-IV-Projekt

«Betriebsmanagement Obstbau» nach dem Ansatz der

Aktionsforschung vorgegangen. Dieser Ansatz wurde

schon im Bergmilchprojekt (Durgiai et al. 2008) ange-

wandt. In Stähli und Egli-Schaft (2008) wird die Methode

der Aktionsforschung nach Moser (1997) geklärt. Dabei basiert die Aktionsforschung nach Moser auf

einem zyklischen Modell mit folgenden vier Elementen:

•• Informationssammlung: Am Anfang werden Informa-

tionen aus der Gruppe sowie theoretisches Wissen

zum Thema erfasst.

•• Diskurs: Die Gruppe analysiert und hinterfragt die

Informationen aus eigener Erfahrung. Die Gruppe

wird von Forschenden/Experten begleitet, die Empfeh-

lungen und Entscheidungsalternativen geben können.

•• Handlungsorientierung: Für das Handeln im Feld wird

ein Minimalkonsens mit einigen Grundsätzen für das

weitere Vorgehen bestimmt.

•• Handeln: Die Handlung wird realisiert

•• Aus der Realsierung sollten neue Impulse für neue

Zyklen entstehen.

Workshop Days

Um die wichtigsten Herausforderungen im Obstbau der

Bodenseeregion für die nächsten fünf Jahre zu identifizie-

ren, wurden in einer ersten Phase Ende 2009 Produzenten

zu so genannten Workshop Days eingeladen. Hier wurden

von Produzenten erste Informationen gesammelt.

90 Obstproduzenten, davon 67 vom schweizer und 23

vom deutschen Bodenseeufer haben an fünf Workshops

(siehe Abbildung unten) teilgenommen. Dabei entspre-

chen die 90 Teilnehmenden fast 20 % aller Obstproduzen-

ten im schweizer Projektgebiet (472 Obstbaubetriebe in

den Kantonen Zürich, Thurgau und St. Gallen > 1 ha Obst)

(BLW, 2011). In der Bodensee-Region auf deutscher Seite

gibt es 1759 Obstbaubetriebe, die Repräsentativität auf

deutsche Seiter entsprach somit rund 1 % (MLR, 2011).

Während der Workshops konnten die Obstproduzenten

folgende Fragen beantworten:

•• Wo sehen Sie Ihre Herausforderungen in den nächsten

fünf Jahren?

•• Wie wollen Sie darauf reagieren?

•• Welche Beratung brauchen Sie dazu?

Dabei konnten die Obstproduzenten in Gruppen zuerst

wichtige Herausforderung identifizieren. Am Ende der

Workshops konnten alle Teilnehmende zwei Themen pri-

orisieren. In Abbildung 2 sind die priorisierten Themen

dargestellt. Die Resultate zeigen, dass zwischen schweizer

und deutschen Betrieben einige Unterschiede bestehen:

Page 31: Heft 7+8 Juli-August 2011

Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen | Pflanzenbau

331Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 328–333, 2011

2010 bis 2011 wurden die fünf Arbeitskreise parallel

durchgeführt. In allen Arbeitskreisen werden ähnliche

Methoden angewendet. Geplant waren für jeden Arbeits-

kreis vier bis fünf Treffen. Beim ersten Treffen konnten

die Teilnehmenden noch einmal die Themenbereiche

fokussieren und gewichten. Aus den groben Themenbe-

reichen der Workshop Days wurden fassbare Themen

definiert. In jedem Arbeitskreis hat man Regeln der

Zusammenarbeit definiert: die Vertraulichkeit der Gesprä-

che, die Erstellung eines Fotoprotokolls und die Verbind-

lichkeit der Teilnahme. Bis im Frühling 2011 wurden im

Rahmen der fünf Arbeitskreise 18 Treffen durchgeführt.

Die Anzahl an Teilnehmenden variiert je nach Arbeitskreis

und Workshops zwischen fünf und 15 Personen.

Durchführung Arbeitskreise

Die Arbeitskreise werden von Mitarbeitenden der Pro-

jektpartner geleitet. Das heisst von AGRIDEA, KOB, den

kantonalen Beratungen St. Gallen und Thurgau, von AT-

Thurgau oder von der ACW. Dabei ist für jeden Arbeits-

kreis ein gemischtes Team von zwei beziehungsweise.

drei Personen zuständig.

Die Arbeitskreise wurden so konzipiert, dass die

Obstproduzenten an jedem Treffen das Thema für das

nächste Treffen festlegen. Zusätzlich können sie sich sel-

Aus den Workshops in St. Gallen, Thurgau und Zürich

resultierte, dass Raumplanung und Betriebswachstum

sowie Personalführung und Arbeitsproduktivität in den

nächsten Jahren die grössten Herausforderungen für die

befragte Obstproduzenten darstellen. Die Ergebnisse

der deutschen Workshops zeigen, dass Work-Life-

Balance sowie Produktivität, Preisdruck und die Perso-

nalführung in den nächsten Jahren als die grösste Her-

ausforderungen angesehen werden.

Die Sortenfrage scheint vor allem für die Obstproduzen-

ten im Kanton Thurgau und im Raum Bodman sehr wich-

tig zu sein. Die Vermarktung und der Absatz ist für Obst-

produzenten im Kanton Zürich ein wichtiges Thema.

Fokus auf Arbeitskreise

Die von den Produzenten identifizierten Herausforde-

rungen wurden geordnet und bilden zusammen nun die

Themen für folgende Arbeitskreise:

•• Betriebsplanung, Zeitmanagement, Zusammenarbeit

•• Rationalisierung, Mechanisierung, Arbeitseffizienz•• Personalführung, Personalkosten, Personalrekru tierung

•• Sorten- und Unterlagenwahl, Anbausysteme

•• Zukunftsprognose, Hofnachfolge, Lebensqualität

Anfangs 2010 konnten sich Obstproduzenten aus der

Schweiz und Deutschland für die Arbeitskreise anmelden.

17%

14%

32%

6%

5% 3%

6%

11%

6%

Thurgau (CH)n = 37

8% 8%

17%

17%

50%

Baden Württemberg - Bodman (D)n = 8

16%

4%

20%

4% 28%

4%

24%

Baden Württemberg - Bavendorf (D)n = 15

Raumplanung und Betriebswachstum Personalführung

Produktivität und Arbeitsproduktivität Organisation und Zusammenarbeit Work life balance

Vermarktung und Absatz

Preisdruck / Preissturz

Nachfolge

Sorten

21%

18%

4% 14%

14%

25%

4%

Zürich (CH)n = 14

30%

37%

15%

6%

12%

St. Gallen (CH)n = 16

Andere

Abb. 2 | Resultate der Workshopdays.

Page 32: Heft 7+8 Juli-August 2011

332

Pflanzenbau | Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 328–333, 2011

ber Hausaufgaben geben, welche die eigene Situation

zum betreffenden Thema auf dem Betrieb betreffen. Im

Arbeitskreis «Rationalisierung, Mechanisierung und

Arbeitseffizienz» wurde zum Beispiel das Thema Ernte

thematisiert. Die Obstproduzenten haben Bilder der

eigenen Ernte gemacht, am nächsten Treffen wurde

dann aufgrund der Bilder über Vor- und Nachteile der

verschiedenen Erntestrategien diskutiert. Die Arbeits-

kreis-Treffen finden auf Betrieben der Teilnehmenden in

Deutschland oder in der Schweiz statt.

Alle Arbeitskreis-Treffen folgenden in etwa folgendem

Ablauf:

1. Begrüssung

2. Aufwärmungsrunde (z.B. «im Moment beschäftigt

mich …»)

3. Informationsteil: Inputreferat von Fachexperten und/

oder Erfahrungen/Wissen von Obstproduzenten

4. Diskussion und Austausch über Inhalte des Informati-

onsteiles

5. Konsolidierung aus der Diskussion (z.B. «Was neh-

men wir mit?» – 3 Inputs)

6. Rundgang auf dem Betrieb

7. Rückmeldung an Gastgeber (Betriebsleiter) fokus-

siert auf das Tagesthema

8. Abschlussdiskussion

9. Themenwahl für nächstes Treffen

10. Kurzevaluation (z.B. «Was nehme ich für mein Betrieb

mit, was setzte ich in meinem Betrieb um?» …)

Die Teilnehmenden erhalten das Protokoll (Fotoproto-

koll) des Workshops. Es steht ihnen als Nachschlagewerk

für besprochene generelle Informationen und das kon-

solidierte Wissen zur Verfügung. Im Arbeitskreis wird

zudem über die Umsetzung und den praktischen Bezug

diskutiert. Somit sollte es dem Obstproduzent möglich

sein, das im Arbeitskreis erfahrene Wissen in seine Arbeit

einfliessen zu lassen. Zusätzlich haben sich die Obstpro-

duzenten im Rahmen der Arbeitskreise als Gruppe

selbstständig Hausaufgaben erteilt. Damit sollte die

Handlung auf dem eigenen Betrieb gefördert werden.

Leitfaden

Mit den von den Obstproduzenten definierten und in

den Protokollen erfassten Informationen wird für die

Obstbaupraxis der Bodenseeregion in Deutschland und

in der Schweiz ein Leitfaden zusammengestellt. Der Leit-

faden sollte als Übersicht über die für die Praxis wichti-

gen, aktuellen Themen dienen. Weil im Leitfaden

Lösungsansätze für die Herausforderungen der Obst-

branche vorgestellt werden, sollte der Leitfaden die

Obstproduzenten begleiten. Die Idee ist, dass bei spezi-

fischen Themen wie zum Beispiel Raumplanung, Ernte,

Sorten, Zusammenarbeit etc. Produzenten darin wich-

tige Informationen finden.

Der Leitfaden ist pro Thema steckbriefartig wie folgt

aufgebaut sein:

➢ Warum ist dieses Thema wichtig?

➢ Herausforderung für den Betriebsleiter

➢ Situation: Deutschland und Schweiz

➢ Was spricht dafür?

➢ Was spricht dagegen?

➢ Checkliste bei der Entscheidung

➢ Bemerkungen zu den vorliegenden Informationen

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Die Produzenten, die an Arbeitskreis-Treffen teilgenom-

men haben, haben den grenzüberschreitenden Aus-

tausch mit Berufskollegen sehr geschätzt. Sie konnten

Ähnlichkeiten und Unterschiede feststellen und daraus

lernen. Viele Obstproduzenten haben geschätzt, dass

die Arbeitskreis-Treffen bei anderen Produzenten auf

dem Betrieb stattgefunden haben. Mit der Vorstellung

von Anlage und Betrieb konnten sie von den Berufskol-

legen einiges Neues lernen. Ein Teil der Obstproduzen-

ten, die an den Arbeitskreisen mitgearbeitet haben

wünschen sich auch in Zukunft zusammen in Workshops

zu spezifischen Themen arbeiten zu können. Die von

den Produzenten vorgeschlagenen Themen waren oft

sehr spezifisch. Die Bereitstellung von aufschlussreichen

und nützlichen Informationen der Inputreferate war

eine Herausforderung. Die Heterogenität der Themen

erschwert die Zusammenstellung des Leitfadens. Die

Methode der Aktionsforschung hat sich im Interreg-IV-

Projekt Betriebsmanagement Obstbau bewährt. n

Page 33: Heft 7+8 Juli-August 2011

333

Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen | Pflanzenbau

Ria

ssu

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Sum

mar

y

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 328–333, 2011

Literatur b Arbokost 2010. Betriebswirtschaftliches Simulationsprogramm, Agroscope Changins-Wädenswil. Zugang: www.arbokost.info-acw.ch [14.4.2011].

b Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), 2011. Statistik der Obstkulturen – Betriebsgrössenstruktur global. Zugang: www.blw.admin.ch [14.4.2011].

b Durgiai B., Blätter T., Etter L. & Hug-Sutter M., 2008. Strategie-Instru-mente für Bauern und Käsereibetriebe. Agrarforschung 15 (1), 7–12.

b Huber F., 2011. Saisonarbeitskräfte 2011 – nur begrenzte Erleichterung. Das Landwirtschaftliche Wochenblatt (LW) Hessen - Rheinland-Pfalz. Zugang: http://www.lw-heute.de/saisonarbeitskraefte-2011-begrenzte-erleichterung? [14.4.2011].

b Ministerium für Ländlichen Raum (MLR), Ernährung und Verbraucher-schutz Baden- Württemberg, 2011. Generelle Statistik Obstbaubetriebe 2011, Stuttgart

b Moser H., 1997. Praxis der Aktionsforschung. Kösel, München. 119 S. b Stähli R. & Egli-Schaft W., 2008. Aktionsforschung, eine Forschungsme-thode auch für die Landwirtschaft. Agrarforschung 15 (1), 4–6.

Ricerca mirata: frutticoltori alla ricerca

di soluzioni

Nell’ambito del progetto Interreg

«gestione frutticoltura» a sostegno del

miglioramento delle competenze di

gestione nella frutticoltura professio-

nale nella regione del lago di Costanza,

90 frutticoltori tedeschi e svizzeri

hanno potuto focalizzare le loro future

sfide. Con il sostegno di attività legate

ad una ricerca mirata, è stato possibile

elaborare a livello transfrontaliero

queste sfide mediante la formazione di

gruppi di lavoro. Le informazioni

elaborate hanno permesso di definire

delle linee guida per i frutticoltori della

regione del lago di Costanza, linee

guida le quali saranno utili anche per

la consulenza e la formazione.

Action research: Fruit growers search

for solutions

The objective of the Interreg project

«Fruit management» is to improve the

management competences of fruit

growers in the lake Constance region.

90 Swiss and German fruit growers

identified their future challenges. By

using the action research, fruit growers

identified theses challenges and

searched for solutions in working

groups. These informations will be

collected and published in a handbook

which will be used for extension and

instruction purposes.

Key words: action research, fruit

growers.

Page 34: Heft 7+8 Juli-August 2011

334

Mit schorfresistenten Apfelsorten und einer angepassten Pflanzenschutzstrategie können der Pflanzenschutzmitteleinsatz und dessen Auswirkungen auf die Umwelt reduziert werden. (Foto: ACW)

E i n l e i t u n g

Die EU möchte mit der Richtlinie 2009/128/EG eine nach-

haltige Nutzung von Pflanzenschutzmitteln und eine

Verringerung von deren Abhängigkeit erreichen (EU

2009). Mit nationalen Aktionsplänen sollen der integ-

rierte Pflanzenschutz sowie alternative Methoden und

Verfahren gefördert werden. Die entsprechenden Pflan-

zenschutzstrategien müssen umweltfreundlich und

dabei wirksam und wirtschaftlich sein. Eine Methodik

für die transparente Bewertung der ökonomischen und

ökologischen Nachhaltigkeit gab es bisher nicht. Etab-

lierte Methoden erfassen nur Teilaspekte wie Auswir-

kungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt.

Die Forschungsanstalten Agroscope ACW und ART ent-

wickelten im EU-Projekt ENDURE gemeinsam mit ande-

ren Europäischen Instituten (Bigler et al. 2011) eine

Methode, mit der die Nachhaltigkeit von verschiedenen

Pflanzenschutzstrategien verglichen werden kann. Die

Methodik nennt sich «SustainOS», wobei «Sustain» für

Andreas Naef1, Patrik Mouron2 und Heinrich Höhn1

1Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 8820 Wädenswil2Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich

Auskünfte: Andreas Naef, E-Mail: [email protected], Tel. + 41 44 783 62 57

P f l a n z e n b a u

Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen-schutzstrategien im Apfelanbau

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011

Page 35: Heft 7+8 Juli-August 2011

Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau | Pflanzenbau

335

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Nachhaltigkeit und «OS» für Orchard Systems steht.

SustainOS umfasst eine Systembeschreibung, eine quan-

titative Analyse von Teilaspekten der Nachhaltigkeit und

eine Aggregation zur Gesamtnachhaltigkeit. Im Rahmen

einer Fallstudie wurde SustainOS für einen Vergleich von

je vier Pflanzenschutzstrategien in fünf Europäischen

Apfelanbauregionen angewendet. Hauptziel dieser Fall-

studie war die Erarbeitung von innovativen Pflanzen-

schutzstrategien mit reduzierten ökotoxikologischen

Auswirkungen. Gleichzeitig wurde auf weitere Nachhal-

tigkeitskriterien geachtet und die nationalen Richtlinien

des integrierten Pflanzenschutzes wurden angewendet.

Wir stellen die Ergebnisse der Fallstudie für den Schwei-

zer Apfelanbau am Beispiel der Bodensee-Region vor.

M e t h o d e

Die neu entwickelte Methodik SustainOS besteht aus ver-

schiedenen Schritten, welche in einer Expertengruppe

durchgeführt werden. Das Ablaufschema ist in Abbil-

dung 1 dargestellt. Als Grundlage für die Beurteilung

werden verschiedene Anbausysteme beschrieben

(Abb.  1,  a). Diese Beschreibungen enthalten die Daten,

welche für die Berechnung von Nachhaltigkeitskriterien

mittels quantitativer Analysemethoden wie Ökobilanz,

Umweltrisikoberechnung und Vollkostenrechnung

durchgeführt werden (Abb. 1, b). Die Nachhaltigkeitskri-

terien werden anschliessend bezüglich eines Referenzsys-

tems der jeweiligen Region bewertet (Abb. 1, c). Dazu

Zukünftige Pflanzenschutzstrategien müssen

wirksam, wirtschaftlich und umweltfreund-

lich sein. Mit der vorgestellten SustainOS-

Methodik kann die Nachhaltigkeit von

Pflanzenschutzstrategien für den Apfelanbau

untersucht werden. Die Methodik beinhaltet

eine Systembeschreibung, einen Berech-

nungsschritt für Teilkriterien der Nachhaltig-

keit und eine Aggregation der Teilkriterien

zur Gesamtnachhaltigkeit. In einer Fallstudie

wurde die Methode auf vier verschiedene

Pflanzenschutzstrategien für die Schweizer

Bodensee-Region angewendet. Die Strate-

gien reichten vom stark von Pflanzenschutz-

mitteln abhängigen System bis hin zu einem

innovativen System, in welchem Pflanzen-

schutzmittel weitgehend durch alternative

Pflanzenschutzmassnahmen ersetzt wurden.

Es zeigte sich, dass durch verfügbare alterna-

tive Pflanzenschutzmassnahmen die Ökoto-

xizität und andere Umweltauswirkungen des

Pflanzenschutzes verbessert werden kann.

Dieser ökologische Fortschritt war allerdings

mit ökonomischen Nachteilen verbunden.

Eine verbesserte ökonomische Situation

konnte mit zukünftigen, innovativen

Pflanzenschutzstrategien und neuen resisten-

ten Sorten unter Annahme von höheren und

stabileren Erträgen erreicht werden.

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011

Beschreibung verschiedener Apfel-Anbausysteme Definition von regionalen Rahmenbedingungen, Zielen und Pflanzenschutzmassnahmen durch Experten

Quantitative Analysemethoden Ökobilanzierung, Umweltrisiko von Pflanzenschutzmitteln, Vollkostenrechnung

Gesamtnachhaltigkeit

Aggregation der Basiskriterien

Basiskriteren der Nachhaltigkeit Analyseresultate, die bezüglich einem regionalen Referenzsystem bewertet werden

c

a

b

d

Expe

rten

schä

tzun

g fü

r den

Ein

fluss

auf

Nüt

zlin

ge

Hierarchischer Kriterienbaum (Abb. 2)

Abb. 1 | Schritte der neu entwickelten SustainOS-Methodik zur Bewertung und Optimierung der Nachhal-tigkeit verschiedener Anbausysteme.

Page 36: Heft 7+8 Juli-August 2011

Pflanzenbau | Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau

336

wurde eine Bewertungsskala von 1 (viel schlechter) bis 5

(viel besser) verwendet. Die auf diese Weise bewerteten

Kriterien wurden anschliessend an der Basis eines hierar-

chischen Kriterienbaumes (Abb. 2) übernommen und

mittels gewichteten Mittelwerten über einen ökologi-

schen und einen ökonomischen Ast zu aggregierten Kri-

terien und schliesslich zu einem Wert für die Gesamt-

nachhaltigkeit verrechnet (Abb.1, d). Im Internet ist eine

detaillierte Beschreibung der Methode mit entsprechen-

den Literaturangaben abrufbar : http://www.agroscope.

admin.ch/obstbau/00878/index.html?lang=de, Rubrik

«Weitere Informationen».

R e s u l t a t e d e r A p f e l - F a l l s t u d i e i n d e r S c h w e i z

Das System «Baseline»

Da das Verbesserungspotenzial für jede Region aufge-

zeigt werden sollte, wurden alle Bewertungen in Rela-

tion zu einem regionalen Referenzsystem vorgenom-

men. Die Definition eines repräsentativen Anbausystems

erwies sich wegen der grossen betriebsspezifischen

Unterschiede als schwierig. Ein System mit durchschnitt-

lich pro Saison eingesetzten Pflanzenschutzmittel-

mengen ist nicht sinnvoll, da Risiken für Mensch und

Umwelt nur mit effektiv eingesetzten Wirkstoffmengen

zu bestimmten Behandlungszeitpunkten abgeschätzt

werden können. Obstbauexperten definierten deshalb

als Referenzsystem für die Bodenseeregion der Schweiz

eine konkrete Pflanzenschutzstrategie, die den Richtli-

nien für den integrierten Pflanzenschutz (SAIO 2009)

und den Pflanzenschutzempfehlungen von Agroscope

ACW (Höhn et al. 2008) im Jahr 2009 entspricht (Tab. 1).

Für eine schorfanfällige Marktsorte wurden ein Zieler-

trag von 35 t/ha und ein Anteil 1. Klasse von 75% ange-

nommen, was Erfahrungswerten bei integriertem Pflan-

zenschutz mit praxisüblicher Obstanlagenhygiene

entspricht. Vorhandene Warndienstinstrumente und

Toleranzschwellen wurden für den gezielten Einsatz der

Pflanzenschutzmittel angewendet. Die Schlüsselkrank-

heit der Region ist der Apfelschorf, für dessen Bekämp-

fung zwölf Fungizidanwendungen pro Saison angenom-

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011

Tab. 1 | Pflanzenschutzstrategien für die vier Apfel-Anbausysteme

Anbausystem BaselineGAP 2009«chemisch»

Advanced 1GAP 2009alternative Massnahmen

Advanced 2alternative Massnahmen & Rückstandsreduktion

Innovative aktuelle Forschungs-ansätze

Beschreibung der Pflanzenschutz- massnahmen

• schorfanfällige Sorten • von ACW empfohlener Pflanzen-

schutz 2009*• Resistenzmanagement • keine alternativen Pflanzen-

schutzmassnahmen • Hygienemassnahmen

• schorfresistente Sorten • Pflanzenschutzmittel mit niedriger

Ökotoxizität • Hagelnetz • Feuerbrand-Antagonisten• Nützlingsförderung• Verwirrungstechnik • begrünter Baumstreifen ab Sommer • Hygienemassnahmen

• schorfresistente Sorten • biologische Fungizide nach Blüte• Heisswasserbehandlung nach

der Ernte • Totaleinnetzung • Feuerbrand-Antagonisten• Verwirrungstechnik • Nützlingsförderung • mechanische Unkraut-

bekämpfung • Hygienemassnahmen

• multigene-resistente Sorten

• Totaleinnetzung • Regenschutz • entomopathogene

Nematoden • Massenfang• push & pull• attract & kill• mechanische Unkraut-

bekämpfung • Pestizide ohne Neben-

wirkung • Hygienemassnahmen

Anzahl Einzelwirkstoffapplikationen und Durchfahrten (in Klammern)

Schädlings-bekämpfung

7 (2) 4 (1) 3 (1) 5 (4)

Krankheits-bekämpfung

25 (13) 16 (9) 21 (10) 3 (3)

Unkraut-bekämpfung

7 (3) 4 (2) 0 0

Page 37: Heft 7+8 Juli-August 2011

Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau | Pflanzenbau

337

Das System «Advanced 1»

Neben dem Referenzsystem beschrieben Obstbauexper-

ten für die Schweizer Bodenseeregion ein bezüglich

Ökotoxizität des Pflanzenschutzes optimiertes, fort-

schrittliches System. In diesem System Advanced 1 wur-

den mehrere verfügbare alternative Pflanzenschutz-

massnahmen angewendet (siehe Tab. 1). Durch den

Einsatz von schorfresistenten Apfelsorten konnte die

Anzahl notwendiger Fungizidbehandlungen von zwölf

auf sieben gesenkt werden. Die verbleibenden Behand-

lungen waren für die Erhaltung der Schorfresistenz und

die Kontrolle von anderen Krankheiten notwendig. Zwei

Behandlungen wurden zur Kontrolle des Feuerbrandes

mit antagonistischen Bakterien durchgeführt, als Ersatz

für den Streptomycin-Einsatz im System Baseline. Durch

den Einsatz von Verwirrungstechnik und Nützlingsförde-

rung konnte auf die Insektizide Novaluron und Chlorpy-

rifos-ethyl und das Akarizid Tebufenpyrad, welche ein

relativ schlechtes ökotoxikologisches Profil aufweisen,

verzichtet werden. Eine Baumstreifenbegrünung ab

Mitte Juni ermöglichte die Einsparung von drei Herbizi-dapplikationen (Glyphosat nur ein- statt zweimal, Ver-

men wurden. Diese Spritzungen wurden wenn möglich

mit Fungzidanwendungen gegen andere Krankheiten

wie Mehltau und Lagerkrankheiten sowie mit Insektizid-

anwendungen gegen Apfelwickler und Blattläuse kom-

biniert. Zusätzlich wurde von sechs separaten Spritzun-

gen mit Herbiziden, Insektiziden und Bakteriziden

(Feuerbrandbekämpfung) ausgegangen. Mit dieser Stra-

tegie wurden in 18 Durchfahrten pro Saison 39 Einzel-

wirkstoffapplikationen ausgebracht. Bei der Mittelwahl

wurde auf eine gute Wirkung, eine Schonung von Nütz-

lingen und ein nachhaltiges Resistenzmanagement

geachtet. Fungizidgruppen mit hohem Risiko für Resis-

tenzentwicklung (Anilinopyrimidine, Strobilurine und

Sterolsynthesehemmer) wurden nur zweimal pro Saison

und in Mischung mit Captan mit geringem Risiko für

Resistenzentwicklung eingesetzt. Die einzelnen Insekti-

zide und Akarizide wurden nur einmal pro Jahr ange-

wendet und die Wirkstoffgruppen wurden zwischen

den Jahren gewechselt, was zu einer Rotation über vier

Jahre führte. Zur Abschätzung der Abdrift wurden der

Realität entsprechend Hagelnetze auf 40 % der Flächen

und Hecken bei 10% der Flächen angenommen.

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011

Ökologisch-ökonomische Nachhaltigkeit

Ökologische Nachhaltigkeit Ökonomische Nachhaltigkeit

Ressourcen-verbrauch

Profitabilität Umweltqualität Humantoxizität Produktionsrisiko Autonomie

Energie Land Wasser Boden-schätze

Ökotoxi-zität

Einflussauf Nütz-lingen

Treib-haus-

laitnetop

Eutrophierungs-

laitnetop

Terrestrische Ökosystemqualität

Aquatische Ökosystemqualität

Terrestrisches Risiko

Aquatisches Risiko

Akutes Risiko Akutes Risiko ChronischesRisiko

Familieneinkom-men (pro

h)

Produk-tions-

netsok(pro kg)

Netto-gewinn (pro ha)

Einkom-mens-

schwan-kungen

Wahrschfür gr.

Ertrags-ausfall

Anlage-kapital (pro ha)

Kapital-erträge (pro ha)

Aquatische Ökotoxität

Terrestrische Ökotoxität

ChronischesRisiko

Abb. 2 | Hierarchischer Kriterienbaum: Die Gesamtnachhaltigkeit setzt sich aus verschiedenen Unterkriterien der ökologischen und der ökonomischen Nachhaltigkeit zusammen. Da die Optimierung der Ökotoxizität (gelb) das primäre Ziel dieser Studie war, wurde dieses Un-terkriterium in weitere Unterkriterien unterteilt. Blau: Basiskriterien, die auf quantitativen Analysemethoden beruhen.

Page 38: Heft 7+8 Juli-August 2011

Pflanzenbau | Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau

338 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011

zicht auf Linuron und Diuron). Insgesamt konnte mit die-

ser Strategie die Anzahl Einzelwirkstoffapplikationen pro

Saison von 39 (Baseline) auf 24 reduziert werden. Diese

Wirkstoffe wurden in zwölf Durchfahrten pro Saison aus-

gebracht. Die Abdrift von Pflanzenschutzmitteln wurde

durch Hagelnetze auf 80 % der Flächen und Einsatz von

abdriftmindernden Düsen auf 50 % der Fläche weiter

reduziert. Um das Produktionsrisiko des Systems Baseline

zu erreichen, müssen Produzenten einen zeitlichen Mehr-

aufwand für zusätzliche visuelle Kontrollen im Feld und

Weiterbildung im Bereich Pflanzenschutz leisten.

Die Berechnungen mittels Ökobilanz und Umwelt-

risikobeurteilung zeigten, dass mit den gewählten alter-

nativen Pflanzenschutzmassnahmen (Tab. 1) die Ökotoxi-

zität und die Risiken für aquatische und terrestrische

Systeme deutlich gesenkt werden können (Abb. 3a). Auch

die Humantoxizität konnte gegenüber dem praxisübli-

chen System Baseline stark gesenkt werden. Diese Verbes-

serungen sind das Resultat des reduzierten Fungizid- und

Herbizideinsatzes und der abdriftmindernden Massnah-

men. Die Optimierung des Anbausystems bezüglich

Öko- und Humantoxizität führte allerdings nur zu einer

1

2

3

4

5

Baseline Advanced 1 Advanced 2 Innovativ

Bew

ertu

ngsk

lass

e

(c) Ökologische Nachhaltigkeit

1

2

3

4

5

Baseline Advanced 1 Advanced 2 Innovativ

Bew

ertu

ngsk

lass

e (d) Ökonomische Nachhaltigkeit

0%

20%

40%

60%

80%

100%

120%

Baseline Advanced 1 Advanced 2 Innovativ

(a) Beispiel: Aquatische Ökotoxizität

0%

20%

40%

60%

80%

100%

120%

Baseline Advanced 1 Advanced 2 Innovativ

(b) Beispiel: Produktionskosten pro kg

Ökologische Beurteilung Ökonomische Beurteilung

Aggregierte Kriterien

Abb. 3 | Vergleich der in Tabelle 1 beschriebenen Apfelanbausysteme für die Kriterien Aquatische Ökotoxizität und Produktionskosten und die aggregierten Kriterien ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit. Auf der Skala der Grafiken (c) und (d) sind die folgenden Bewer-tungsklassen eingetragen: 1 = viel schlechter als Baseline, 2 = schlechter als Baseline, 3 = ähnlich wie Baseline, 4 = besser als Baseline, 5 = viel besser als Baseline.

Page 39: Heft 7+8 Juli-August 2011

Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau | Pflanzenbau

339Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011

flug von Schädlingen und unterstützte die Feuerbrand-

bekämpfung durch Ausschluss von kontaminierten Bie-

nen. Die Anzahl Einzelwirkstoffapplikationen pro

Saison konnte gegenüber dem System Advanced 1

nicht weiter gesenkt werden. Die Reduktion bei Insek-

tiziden und Herbiziden wurde durch häufigeren Einsatz

von Fungiziden kompensiert. Grund dafür war, dass

chemisch- synthetische Fungizide nur bis Ende Blüte ein-

gesetzt wurden. Für den Rest der Saison wurden Krank-

heiten wie Mehltau, Regenflecken und Lagerkrankhei-

ten mit Bikarbonaten und Schwefel bekämpft. Diese

biologischen Fungizide haben eine relativ kurze Wir-

kungsdauer und eine geringe Regenfestigkeit was zu

kürzeren Behandlungsintervallen führte. Die Gloeospo-

rium-Lagerfäule wurde zusätzlich mit einer Heisswas-

serbehandlung der geernteten Früchte bekämpft. Mit

dieser Strategie sollten, Konsumentenwünschen ent-

sprechend, nachweisbare Rückstände von Pflanzen-

schutzmitteln vermieden werden. Die Abdrift der

Pflanzenschutzmittel wurde durch den Einsatz von

Abdrift mindernden Düsen und Geräten weiter redu-

ziert. Durch den Verzicht auf chemisch-synthetische

Fungizide nach der Blüte erhöhte sich die Wahrschein-

lichkeit von Nebenkrankheiten, was zu einer erhöhten

Variabilität des Ertrags und einem erhöhten Risiko für

Ertragseinbussen führte.

leichten Verbesserung der gesamten ökologischen Nach-

haltigkeit (Abb. 3c), da die gewählten alternativen Pflan-

zenschutzmassnahmen keine Verbesserungen bei ande-

ren ökologischen Kriterien, wie Verbrauch von Energie,

Land und Wasser oder Treibhauspotential bewirkten. Auf

der ökonomischen Seite wurde für das System Advanced

1 im Vergleich zum System Baseline eine tiefere Profitabi-

lität und eine geringere finanzielle Autonomie ermittelt,

da unverändertem Ertrag und identischem Anteil Klasse-

1-Früchten höhere Investitionen (mehr Hagelnetze) und

zusätzliche Arbeitsstunden (Monitoring) gegenüberstan-

den. Der Einsatz von alternativen Pflanzenschutzmass-

nahmen führte deshalb zu einer Verschlechterung der

ökonomischen Nachhaltigkeit.

Das System «Advanced 2»

Dieses System beruhte ebenfalls auf schorfresistenten

Sorten, integrierte aber mehr alternative Pflanzen-

schutzmassnahmen als das System Advanced 1 (siehe

Tab. 1). Auf den Einsatz von Herbiziden wurde zu Guns-

ten einer mechanischen Unkrautbekämpfung vollstän-

dig verzichtet. Nützlinge, wie Parasitoide und Raubmil-

ben, wurden noch mehr geschont, gefördert und aktiv

ausgebracht, was eine weitere Reduktion der notwen-

digen Insektizid- respektive Akarizidbehandlungen

ermöglichte. Eine Totaleinnetzung reduzierte den Ein-

Abb. 4 | Die Apfelwicklerbekämpfung mit Pheromon-Verwirrungstechnik hat sich in der Praxis bereits bewährt und ersetzt zwei bis drei Insektizidbehandlungen.

Page 40: Heft 7+8 Juli-August 2011

340

Pflanzenbau | Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau

Dieses Anbausystem, welches primär die Reduktion

von Pestizidrückständen zum Ziel hatte, brachte gegen-

über dem System Advanced 1 zwar eine verbesserte Nütz-

lingsschonung aber keine Verbesserungen bei Ökotoxizi-

tät, Humantoxizität und Ressourcenverbrauch. Leichte

Verbesserungen wurden bei den Umweltrisiken durch die

verbesserte Abdriftminderung erzielt. Insgesamt führte

der Einsatz zusätzlicher alternativer Pflanzenschutzmass-

nahmen und biologischer Fungizide nach der Blüte aber

nicht zu einer verbesserten ökologischen Nachhaltigkeit

(Abb. 3c). Gleichzeitig verschlechterte sich durch höhere

Investitionen (z.B. Totaleinnetzung, Infrastruktur für

Heisswasserbehandlung) und eine geringere Profitabilität

(z.B. zusätzliche Arbeitsstunden für mechanische Unkraut-

bekämpfung, unregelmässigere Erntemengen und Quali-

tätsausbeute) die ökonomische Nachhaltigkeit (Abb. 3d).

Das System «Innovativ»

Beim innovativen System ging man von der Annahme

aus, das innerhalb von zehn Jahren neue alternative

Pflanzenschutzmassnahmen zur Verfügung stehen, wel-

che hohe und stabile Erträge mit minimalem Pflanzen-

schutzmitteleinsatz ermöglichen. Die Sorten trugen

Resistenzen oder Toleranzen gegenüber den Hauptscha-

derregern Schorf, Echter Mehltau, Feuerbrand und

Blattläuse. Der angenommene Verzicht auf Pestizidbe-

handlungen zum Schutz der genetischen Resistenzen ist

nur sinnvoll, wenn diese auf mehreren Genen beruhen.

In heutigen Züchtungsprogrammen gibt es multigene

Resistenz erst für Schorf. Bis kommerzielle Sorten mit

multigenen Resistenzen gegen mehrere Schaderreger

zur Verfügung stehen, dürfte es eher 30 anstatt der

angenommenen zehn Jahre dauern. Zusätzlich zu gene-

tischen Resistenzen wurden weitere unterstützende

Pflanzenschutzmassnahmen wie «Attract and Kill» oder

entomopathogene Nematoden angenommen. Für die

verbleibenden Behandlungen wurde von neuen Pflan-

zenschutzmitteln ohne Nebeneffekte auf Nichtzielorga-

nismen ausgegangen. Hagelnetze und Massnahmen zur

Driftreduktion wurden auf allen Flächen eingesetzt.

Unter den Annahmen für dieses futuristische System

konnte die ökologische wie auch die ökonomische Nach-

haltigkeit verbessert werden (Abb. 3), da nur wenige

direkte Pflanzenschutzmassnahmen notwendig sind und

ein höherer und stabilerer Ertrag bezüglich Menge und

Anteil an Klasse-1-Früchten erwartet werden kann.

D i s k u s s i o n

Die Fallstudie für den Apfelanbau zeigte, dass für die

Ökotoxizität des Pflanzenschutzes ein grosses Verbesse-

rungspotenzial besteht. Allerdings ist die Ökotoxizität

nur ein Teilaspekt der Nachhaltigkeit der Apfelproduk-

tion. Die Systeme Advanced 1 und 2 bezahlten den Fort-

schritt bezüglich Ökotoxizität und Humantoxizität mit

Nachteilen bei der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit im

Vergleich zum System Baseline. Da die gleichen Früchte-

preise für alle Systeme angenommen wurden, könnte

die Gesamtnachhaltigkeit bei Advanced 1 und 2 verbes-

sert werden, wenn sich die ökologischen Vorteile in

einem besseren Früchtepreis auszahlen würden. Die

Ergebnisse zeigen auch, dass durch den Verzicht auf che-

misch-synthetische Pflanzenschutzmittel das Risiko von

Einkommensschwankungen eher zunimmt, bedingt

durch Ertragsschwankungen. Nur unter den Annahmen

von langfristig wirksamen Alternativen im innovativen

System lässt sich das Risiko von Ertragsschwankungen

auf das mit heutigen Pflanzenschutzmitteln erreichbare

Niveau senken. Die Ergebnisse belegen ferner den gros-

sen Einfluss einzelner hinsichtlich Ökotoxikologie prob-

lematischer Wirkstoffe und die Wirkung von Massnah-

men zur Reduktion der Abdrift in Obstanlagen. Durch

die Substitution von umweltgefährdenden Wirkstoffen

und die Durchsetzung Abdrift mindernder Massnahmen

würde die Belastung der Ökosysteme durch den Pflan-

zenschutzmitteleinsatz im Obstbau erheblich verringert.

n

Dank

Wir bedanken uns bei den an der ENDURE Orchard System Casestudy beteiligten Kollegen: E. Bravin, A. Patocchi, Jörg Samietz (alle Agroscope ACW), U. Aubert, F. Bigler, G. Gaillard, F. Hayer, J. Hernandez, G. Mack (alle Agroscope ART), B. Heijne (Applied Plant Research, Wageningen NL), J. Strassemeyer (Julius Kühn-Institut, Kleinmachnow D), A. Alaphilippe, C. Lavigne, B. Sauphanor (INRA, Saint Marcel-lès-Valenc F), J. Avilla, J. Solé (IRTA, Universität Lleida, Leida ES), M. Bohanec (Jožef Stefan Institute, Ljubljana SL).

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011

Page 41: Heft 7+8 Juli-August 2011

341

Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau | Pflanzenbau

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Literatur b Bigler F., Aubert U., Dubuis P.-H., Hayer F., Hernandez-Rivera J., Mack G., Meissle M., Mouron P., Naef A. & Strassemeyer J., 2011. ENDURE – ein Netzwerk für den nachhaltigen Pflanzenschutz in Europa. Agrarfor-schung 2 (2), 72–79.

b EU, 2009. Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Ra-tes über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Ver-wendung von Pestiziden. Amtsblatt der Europäischen Union L309, 71–86.

b Höhn H., Naef A., Holliger E., Widmer A., Neuweiler R., Linder Ch., Viret O., Kehrli P., Delabays N., 2008. Flugschrift Nr. 122, Pflanzenschutzempfehlun-gen für den Erwerbsobstanbau 2008/2009. Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau 1, Beilage.

b SAIO, 2009. Richtlinien für den ÖLN und die integrierte Obst-Produktion in der Schweiz. Schweiz. Arbeitsgruppe für Integrierte Obstproduktion, Zug. 18 S.

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011

Sustainability rating of crop protection

strategies in apple production

Future plant protection strategies

should be efficacious, economic and

environmentally acceptable. The

SustainOS methodology has been

developed to assess the sustainability

of crop protection strategies in apple

orchards. The methodology consists of

a system description structure, an

assessment step for subcriteria of

sustainability and an aggregation of

these subcriteria to an overall sustain-

ability. The method has been applied in

a case study on four plant protection

strategies in apple orchard systems in

the Swiss Lake of Constance region.

The strategies reached from a system

strongly depending on pesticides to an

innovative system in which pesticides

were replaced to a large extend by

alternative plant protection measures.

It could be shown that ecotoxicity and

other environmental impacts of plant

protection measures could be

improved by implementation of

alternative plant protection measures

available today. However, economic

disadvantages were the drawback of

the ecological progress. An improved

economic situation could be achieved

with future innovative crop protection

strategies and new resistant varieties

assuming higher and more stable yield.

Key words: sustainable agriculture,

horticulture, integrated pest manage-

ment (IPM), life cycle assessment, apple

orchards.

Valutazione della sostenibilità delle

strategie di protezione fitosanitaria

nella produzione di mele

Le future strategie fitosanitarie devono

essere efficaci, economiche ed ecologi-

che. La metodologia SustainOS

permette di esaminare la sostenibilità

delle strategie fitosanitarie nella

coltivazione di mele. Tale metodologia

comprende una descrizione del sistema

di coltura considerato, il calcolo dei

criteri parziali di sostenibilità come

pure la loro aggregazione per ottenere

un valore di sostenibilità globale.

La sua applicazione è stata eseguita su

quattro diverse strategie fitosanitarie

utilizzate nella regione svizzera del

lago di Costanza. Le strategie spazia-

vano dal sistema fortemente dipen-

dente di prodotti fitosanitari ad uno

innovativo, in cui i pesticidi erano stati,

in gran parte, sostituiti da misure

fitosanitarie alternative. Si è così

potuto constatare come l’ecotossicità

ed altri effetti ambientali causati da

prodotti fitosanitari siano migliorati

attraverso le misure fitosanitarie

alternative disponibili. Questo pro-

gresso ambientale è tuttavia associato

a degli svantaggi economici. In futuro i

risultati economici potrebbero essere

migliorati attraverso strategie fitosani-

tarie innovative e da nuove varietà

resistenti che dovrebbero assicurare

rese più elevate e stabili.

Page 42: Heft 7+8 Juli-August 2011

342 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 342–347, 2011

E i n l e i t u n g u n d Z i e l e

Die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon

ART führte zusammen mit dem Institut für Umwelt

und Natürliche Ressourcen (IUNR) der Zürcher Hoch-

schule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) ein

Projekt mit dem Ziel durch, das System von Care Far-

ming in der Schweiz besser zu verstehen und vorhan-

dene Potenziale zu erschliessen. In drei Workshops wur-

den gemeinsam mit Vertretenden aus ver schiedensten

Berufsfeldern die Ist-Situation analysiert, Verbesse-

rungspotenziale diskutiert und mögliche Handlungs-

strategien entwickelt.

Der Begriff Care Farming bezeichnet das Erbringen

von sozialen Dienstleistungen in der Landwirtschaft.

Konkret sind dies Betreuungs-, Pflege-, Er ziehungs- und

Bildungsleistungen in landwirtschaftlichen Familienbe-

trieben gegen Be zahlung (Wydler und Picard 2009).

Durch das Angebot zur Mitarbeit sowie Integration im

Familienleben tragen Bauern familien zu Gesundheit,

Wohlbefinden und Teilhabe verschiedenster Zielgrup-

pen bei. Es kann sich um Menschen mit psychischen

und physischen Krank heiten handeln, jedoch ebenso

um Menschen aus schwierigen sozialen Verhältnissen. In Bezug auf Care Farming in der Schweiz liegen bis

anhin wenige wissenschaftliche Studien vor, obwohl sol-

che Dienst leistungen seit langer Zeit erbracht werden

und in der ländlichen Kultur der Schweiz verankert sind.

So existieren beispielsweise keine konkreten Buch-

haltungs daten über die ökonomische Bedeutung dieser

Angebote für die Landwirtschaftsbetriebe. In einer

schriftlichen Befragung (Wydler 2009) bei landwirt-

schaftlichen Familienbetrieben, die soziale Dienstleis-

tungen anbieten, hat sich gezeigt, dass Angebote, finan-

zielle Entschädigungen (für die Pflegefamilien sowie für

betreute Personen), Qualität sowie Richtlinien sehr

unterschiedlich ausgestaltet sind. Auch hat sich gezeigt,

dass betreuende Personen eine mittelmässige Arbeitszu-

friedenheit in Bezug auf Care Farming aufweisen. Über-

wiegend positiv wird dagegen die Beziehung zur

gepflegten Person wahrgenommen.

Die Workshops wurden mit je 15 bis 20 Personen

durchgeführt. Sie hatten zum Ziel

•• die Ist-Situation sozialer Dienstleistungen in der

Landwirtschaft zu diskutieren,

•• gemeinsame Visionen für die Situation in 25 Jahren zu

entwerfen und diskutieren,

•• kurzfristige Handlungsstrategien zur Förderung und

Ausschöpfung vorhandener Potenziale zu skizzieren,

und mögliche Handlungsträger für konkrete Umset-

zungen zu benennen.

Mit den drei Workshops wurden Informationen aus den

unterschiedlichen Perspektiven der verschiedenen Betei-

ligten zusammen getragen, die Transparenz durch einen

Austausch sowie durch Zusammenarbeit gefördert und

es erfolgte eine bessere Vernetzung von Personen aus

verschiedensten Bereichen.

Durchführung der WorkshopsAls Grundlage für die Workshops diente das Konzept des

Transition Management (TM) nach Loorbach (2007), wel-

ches ein theoretisches Rahmenmodell für eine nachhaltige

Sara Widmer1, Hans Wydler1 und Yvonne Christ2

1Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen2Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen (IUNR), Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

( ZHAW), 8820 Wädenswil

Auskünfte: Hans Wydler, E-Mail: [email protected], Tel. +41 58 934 55 39

Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming

G e s e l l s c h a f t

Abb. 1 | Workshopteilnehmende bei der Konzeptentwicklung zum Thema Green Care. (Foto: ART)

Page 43: Heft 7+8 Juli-August 2011

Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming | Gesellschaft

343

Zusa

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ssu

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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 342–347, 2011

Entwicklung und Systeminnovation in der Gesellschaft

bietet. Wie im TM gefordert, nahmen jeweils unterschied-

lichste Akteure aus verschiedenen Bereichen (Landwirt-

schaft, Soziales, ländliche Entwicklung, Gesundheit) teil.

TM geht zudem davon aus, dass nachhaltige Entwicklung

nur dann erreicht werden kann, wenn Ziele langfristig

be trachtet werden (mindestens über den Zeithorizont

einer Generation, zirka 25 Jahre) und verschiedene, hete-

rogene Akteure in einen langfristigen Prozess mit langfris-

tiger Vision eingebunden werden. Diese Vision wird in

verschiedenen kurzfristigen Hand lungsstrategien umge-

setzt, welche fortlaufend den neuen Bedingungen ange-

passt werden.

Für die Diskussion zur Ist-Situation wurde die

Methode «World Café» ausgewählt. Maximal fünf Per-

sonen sitzen während 20 Minuten an einem Tisch, tau-

schen sich über ein Thema aus und halten ihre Gedan-

ken schriftlich auf der Tischdecke fest. Nach 20 Minuten

setzt sich die Klein gruppe an einen weiteren Tisch, an

dem ein anderes Thema behandelt wird und an das Wis-

sen der Vorgruppe angeknüpft wird. Dieser Vor gang

wird dreimal wiederholt. Nach drei Gesprächsrunden

erfolgte eine Konversation mit der gesamten Gruppe.

(The World Café Communitiy 2002). Die Teilnehmenden

tragen Schlüsselideen zu neuen Tischen, tauschen Pers-

pektiven aus und generieren überraschende, neue

Erkenntnisse. Die unmittelbare Reaktion der Anwesen-

den auf Aussagen anderer schafft dabei eine disziplin-

übergreifende Vertiefung des Themen schwerpunktes.

Als Diskussionsbasis wurden an den Tischen der World

Café’s Leitfragen aufgeworfen. Die auf den Tischdecken

festgehaltenen Resultate dienten für weitere Ideenent-

wicklungen, für langfristige Visionen sowie als Grund-

lage für Handlungsstrategien, die in einem weiteren

Schritt auch in Gruppen erarbeitet wurden.

Es fanden drei eintägige Workshops statt. Im Vorfeld

wurden die möglichen Themenfelder für die Workshops

anhand von Umfeldanalysen und Expertengesprächen

ausgewählt, jedoch fortlaufend dem aktuellen Stand

des Projektes angepasst. Die Teilnehmenden wurden

aufgrund von Ergebnissen vorangegangener Workshops

oder mit Hilfe von Expertinnen und Experten aus der

Praxis in Bezug auf die Relevanz für das Workshop-

Thema ausgewählt. Es handelte sich dabei um Vertre-

tende aus Gesundheits-, Sozialwesen und der Landwirt-

schaft, von der An gebots- sowie Nachfrageseite. Die

folgenden Teilnehmenden waren an mindestens einer

Veranstaltung dabei: Eine ehemalige Betreute, Care Far-

mer, die unterschiedliche Zielgruppen betreuen, Netz-

werkorganisationen, Vertretende der Aus- und Weiter-

bildung aus dem landwirtschaftlichen sowie dem

sozialem Bereich, Medizinische Akteure, Fachverbands-

Um Care Farming (das Erbringen von sozialen

Dienstleistungen in der Landwirtschaft)

besser zu verstehen und um vorhandene

Potenziale besser zu erschliessen, führten die

Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-

Tänikon ART und die Zürcher Hochschule für

Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Jahr

2010 drei Workshops mit Fachleuten aus

unterschiedlichsten Berufsfeldern durch.

Die Teilnehmenden der Workshops waren

sich einig, dass für Care Farming ein grosses

Potenzial besteht. Gezielte Massnahmen

könnten helfen, diese besser zu nutzen,

unter anderem:

• Zwischen allen Beteiligten ist mehr Transpa-

renz gefordert: Offenlegung von Anforde-

rungen, Entschädigungen, Regelungen und

Zuständigkeiten.

• Es braucht eine verstärkte Kommunikation

und Vernetzung zwischen allen Personen

die bei sozialen Dienstleistungen involviert

sind.

• Eine zentrale Koordinationsstelle könnte

bei der Nutzung der Potenziale ein hilfrei-

ches Instrument darstellen.

• Der Aufbau eines Qualitätssicherungssys-

tems ist ein zentrales Instrument.

• Neue Formen und Vereinfachung von

Finanzierungsmodellen für das System

sozialer Dienstleistungen wären wünschbar.

Einig waren sich die Teilnehmenden hinsicht-

lich der zentralen Bedeutung der gewünsch-

ten hohen Qualität der Leistungen und der

Anforderung, die Bedürfnisse der betreuten

Personen an die erste Stelle zu setzen. Das

Gebiet von Care Farming erweist sich als

überaus komplex, vielschichtig und als

räumlich sehr uneinheitlich ausgestaltet.

Page 44: Heft 7+8 Juli-August 2011

Gesellschaft | Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming

344 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 342–347, 2011

vertretende, Vertreter aus Bundesämtern sowie Kanto-

nen, weitere nationale Akteure wie NGO’s, und das

Organisatorenteam von Agroscope ART sowie ZHAW.

Alle Aussagen wurden mit Hilfe von Fotografien, Skiz-

zen, Zeichnungen, Ergebnisse auf Flipcharts sowie durch

transkribierte Tonbandaufnahmen von Diskussionen fest-

gehalten. Mit Hilfe des Computerprogramms Atlas.ti und

einem Kodierleitfaden wurde jede Aussage kodiert. Das

Ziel war die Erschliessung der wichtigsten Schlüsselthe-

men in den Aussagen der Workshopteilnehmenden.

R e s u l t a t e

Die Ergebnisse beinhalten eine Aufzählung der Schlüs-

selthemen, eine kurze Zusammenfassung der Diskussion

der Ist-Situation und daran anschliessend die wichtigs-

ten formulierten Punkte zu einer wünschbaren Zukunft.

Anschliessend werden konkrete Handlungsfelder und

-strategien benannt.

Schlüsselthemen

Durch die Kodierung aller Aussagen während der Work-

shops, konnten 19 Schlüsselthemen ermittelt werden,

die in Bezug auf Care Farming in der Schweiz als wichtig

erscheinen. Es handelt sich dabei um:

•• Image von Care Farming und Wertschätzung

•• Kommunikation zwischen den Beteiligten

•• Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit

•• Konkurrenz im Bereich der Netzwerkorganisationen

•• Sichtbarkeit des Produktes auf dem Markt

•• Zuständigkeiten in der Politik

•• Mangelndes Qualitätssystem

•• Fehlende Regulierungen

•• Finanzströme im System

•• Einbettung in der ländlichen Entwicklung

•• Selbstbild und Stärken von Care Farming

•• Fehlende Transparenz von Angeboten, Anforderun-

gen, Nachfrage etc.

•• Unterschiedliche Akteure und deren individuelle

Bedürfnisse

•• Unterstützung / Unzufriedenheiten von Beteiligten

•• Vernetzung und Koordination der verschiedensten

Beteiligten

•• vorhandene Aus- und Weiterbildung

•• Case Management / Fallführung

•• Care Farming versus Betreuung in einem naturnahen

Umfeld (Green Care) / allgemeine Betreuung

•• Gewünschte Forschungsthemen

Im Folgenden wird auf einige der Themenfelder

genauer eingegangen. Es handelt sich um Aussagen aus

den verschiedenen Workshops, die in einer verständli-

chen Form zusammengefasst wurden.

Vielfalt der Akteure und der Zielgruppen

In allen Workshops tauchte die Frage auf, was Care Far-

ming beinhalte. Bis anhin gibt es nur wenige Begriffe,

welche von den verschiedenen Beteiligten aus dem

Sozial-, Gesundheitswesen und der Landwirtschaft

gemeinsam gebraucht werden. Es ist den einzelnen

Akteuren nicht bewusst, wie viele verschiedene Ziel-

gruppen mit diesem Themenfeld verknüpft sind und

welche Akteure und Interessen mit dieser Arbeit verbun-

den sind. Je nach Perspektive betrifft ein bestimmter

Themenkreis andere Akteure. Das Gebiet der sozialen

Dienstleistungen in der Landwirtschaft erweist sich als

überaus komplex, vielschichtig und als räumlich sehr

uneinheitlich ausgestaltet. Es treffen Personen aus den

Bereichen Landwirtschaft, Soziales sowie Gesundheit

aufeinander, welche nicht oder je nach Region unter-

schiedlich organisiert sind. Das Thema «Care Farming»

ist dadurch schwierig zu erfassen, was teilweise die feh-

lenden Zuständigkeiten für Veränderungen erklärt.

Bild in der Öffentlichkeit

Die Öffentlichkeit erkennt Care Farming oft anhand von

Fallbeispielen und wertet diese meist als positiv. Was

Care Farming alles beinhaltet sowie der Nutzen von Care

Farming für alle beteiligten Personen ist jedoch in der

Öffentlichkeit nicht bekannt. Hier gibt es ein grosses

Potenzial, Care Farming mit einem positiven Bild in die

Öffentlichkeit zu tragen. Eine Schwierigkeit ist, dass es

Abb. 2 | Sinnbild: Bei Care Farming sind unterschiedlichste Men-schen beteiligt. Verschiedene Bedürfnisse treffen aufeinander, dabei kann auch mal ein Chaos entstehen. (Zeichnung: Katie Rickenbach, Zürich)

Page 45: Heft 7+8 Juli-August 2011

Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming | Gesellschaft

345Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 342–347, 2011

Selbstbild der Beteiligten

Voraussetzung für das Anbieten sozialer Dienstleistun-

gen ist das soziale Engagement der bäuerlichen Famili-

enbetriebe. Damit verknüpft ist die Anforderung, dass

die Dienstleistung fair abgegolten wird. In den Work-

shops hat sich gezeigt, dass Akteure aus der Landwirt-

schaft sich selten als Dienstleistende identifizieren und

ihre Angebote stark zersplittert auftreten. Für die Betei-

ligten war zu Beginn «die Landkarte der sozialen Dienst-

leistungen in der Schweiz» noch ziemlich undurchsichtig,

klare Visionen für die Zukunft waren nur ansatzweise

vorhanden. Dennoch ist die Mehrheit der Teilnehmen-

den überzeugt, dass Potenziale zur Förderung sozialer

Dienstleistungen existieren und es sich lohnt, sich wei-

terhin zu vernetzen und Visionen voranzutreiben. Im

Laufe der Workshops hat sich zunehmend ein gemeinsa-

mes Verständnis für viele Bereiche herauskristallisiert.

Ländliche Entwicklung

Vor allem in ländlichen sowie peripheren Bergregionen

gibt es ausser dem Landwirtschaftsbetrieb eine natur-

nahe Umgebung, die für Personen aus der Stadt attraktiv

sein kann. In solchen Regionen könnten mehr Beschäfti-

gungs- und Arbeitsplätze kreiert werden, sowie Tätigkei-

ten besser vernetzt werden (beispielsweise durch eine

Begegnungsplattform). Durch eine Zusammen arbeit mit

Agrotourismus, Naturparks sowie durch die Entwicklung

geschützter Arbeitsplätze könnte die Umgebung besser

wertgeschätzt und genutzt werden. Mit Hilfe von Begeg-

nungsplattformen könnten diverse Dienstleistungen bes-

ser als Kristallisationspunkte für strukturschwache Regio-

nen verwendet werden.

Eine weitere Möglichkeit ist, auf landwirtschaftlichen

Betrieben geschützte Arbeitsplätze anzubieten, ohne

dass die betreuten Personen auf dem Betrieb wohnen.

Dennoch profitieren diese von der Sinnhaftigkeit, den

Tagesstrukturen und der Beziehung zu Tier und/oder

Natur in einem geschützten Rahmen. Beschäftigungs-

möglichkeiten für unterschiedlichste Menschen (Bsp.

Asylbereich, Burn-out-Klienten, Langzeit arbeitslose) sind

bereits Mangelware und die Nachfrage danach wird

zunehmen. Verbesserte Finanzierungs möglichkeiten wür-

den Win-Win-Situationen für die betreuten Menschen,

die Landwirtschaft, und für den Sozialbereich schaffen.

Aus- und Weiterbildung

Generell fliesst wenig Information über Care Farming in

die landwirtschaftliche Grundausbildung. In den ande-

ren Ausbildungen sind sie gar kein Thema. Die berufli-

che Grundausbildung, Fachhochschul- und universitäre

Studien und weitere Weiterbildungsangebote sind kaum

koordiniert.

für die Betreuungsleistungen keine einheitliche und

gebräuchliche Begrifflichkeit gibt.

Die positiven genannten Aspekte von Care Farming sind:

•• Tagesstruktur, Vielfältigkeit, Sinnhaftigkeit, Natur-

sowie Tierbezug sind auf einem Bauernhof vorhanden.

•• Care Farming stellt Brücken her zwischen Stadt-Land,

oder auch Berg-Tal.

•• Es wird nicht nur produziert, sondern es werden

soziale und kulturelle Werte geschaffen.

•• Traditionen, Rituale, menschliche Wärme können

weiter gegeben werden.

•• Soziale Dienstleistungen können individuell nachvoll-

zogen werden, denn jede Person kann von Betreu-

ungsfällen in irgendeiner Form betroffen werden.

Dennoch stossen Bauernfamilien auf Herausforde-

rungen und Vorurteile: Sie öffnen sich für Menschen, die

oft am Rande der Gesellschaft leben, was auch eine

Offenheit des Umfeldes bedingt. Auch sind sie mit dem

Vorwurf der Ausbeutung konfrontiert (billige Arbeits-

kraft, Geschichte der Verdingkinder) sowie der Laienhaf-

tigkeit der geleisteten Arbeit. Die Qualität könne den

Dienstleistungen von Institutionen nicht standhalten.

Dabei sollte statt Konkurrenz ein erweitertes Angebot

für betreute Personen angestrebt werden.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Kommunikation zu Aussenstehenden und zur allge-

meinen Öffentlichkeit wird als ungenügend erachtet

(fehlende Wahrnehmung und ungenügende Wert-

schätzung von Care Farming in der Öffentlichkeit). Eine

klare Botschaft aus den Reihen der Bauernfamilien oder

von Netzwerkorganisationen fehlt, was die individuel-

len Bemühungen für eine Wertschätzung der geleiste-

ten Arbeit in der Öffentlichkeit erschwert. Ein positives

Image kann nur erreicht werden, wenn sich Beteiligte

auf wesentliche Kernaussagen einigen können. Die posi-

tive Wirkung von «grünen» Aspekten für Gesundheit

und Wohlbefinden ist zwar allgemein bekannt, wird

jedoch ungenügend kommuniziert. Bisher gibt es keine

übergeordnete Kommunikationsstrategie zu Care Far-

ming und die Kommunikation wird nur durch Einzelak-

teure geprägt. Es gibt keinen Verband, kein gemeinsa-

mes Label oder keine institutionalisierte Plattform.

Zudem ist wenig Vernetzung über die Systemgrenzen

hinaus vorhanden: Landwirtschaft, Sozialsystem und

Gesundheitssektor agieren weitgehend unabhängig

voneinander. Insbesondere die Landwirtschaft formu-

liert am Workshop das Anliegen, das Image von Care

Farming aktiv zu prägen, denn es lauern «Fallgruben»

für die zukünftige Entwicklung in der aktuellen «laisser

faire» Politik.

Page 46: Heft 7+8 Juli-August 2011

346

Gesellschaft | Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 342–347, 2011

Wünschbare Zukunft

Die Teilhabe im Alltag, die Arbeitsinhalte und Tagesab-

läufe haben aus der Sicht der Teilnehmenden einen sehr

hohen Wert. Diese Art von Dienstleistung wird nicht ange-

messen entschädigt. Eine längerfristige Vision der Teilneh-

menden ist, dass langfristig die positiven Effekte von

Naturwerten besser wahrgenommen werden und Care

Farming oder weitere Betreuungen in der Natur (Green

Care) in der Gesellschaft ernst genommen wird. Werte, die

in einem engeren Kreis von Naturliebhabenden bereits

anerkannt sind, werden zur Normalität. Im Idealfall kann

das Wissen aus der ländlichen Gemeinschaft hinaus auch

in die Stadt getragen werden und umgekehrt. Dafür

braucht es ein qualitativ hochstehendes Angebot, mit wel-

chem langfristig ein positives Image aufgebaut werden

kann. Alle Beteiligten sollen bestmöglich von diesen

Angeboten profitieren können (faire Entlöhnung und

Bedingungen für die Bauernfamilien, weitest mögliche

Selbstbestimmung der betreuten Personen, diversifizierte

Betreuungsmöglichkeiten, vereinfachte Finanzierungssys-

teme, akteursübergreifende Zusammenarbeit).

D i s k u s s i o n u n d S c h l u s s f o l g e -r u n g e n

Nimmt die Landwirtschaft die Chance wahr, die Nachfrage

nach Betreuungsplätzen mit einem qualitativ hochstehen-

den Angebot abzudecken, so kann sie in der Gesellschaft

als Vorbild wahrgenommen werden. Dazu braucht es:

•• Mehr Transparenz auf allen Ebenen (Entlöhnung der

betreuenden Personen, sowie der Care Farmer, Zustän-

digkeiten etc.).

•• Verstärkte Kommunikation und Vernetzung zwischen

den Akteuren (Bsp. Nachbetreuung, unterschiedliche

Netzwerkorganisationen).

•• Mehr Kommunikation nach aussen, dafür müsste eine

gemeinsame Botschaft verschiedenster Akteure

gefunden werden.

•• Eine zentrale Koordinationsstelle für alle Akteure wo

die Anliegen aller Beteiligten aufeinander treffen.

•• Mehr Koordination zwischen den Behörden, übergrei-

fende oder nationale Regulierungen, definierte

Standards.

•• Ein Aufbau eines Qualitätsmanagements auf allen

Ebenen. Dieses soll auf individuelle Bedürfnisse

abgestimmt sein, zum Beispiel durch sinnvolle Indika-

tionen, sowie vereinheitlichter Fallführung. Die

Implementierung einer alltagstauglichen Form von

Qualitätssicherung dient der Identitätsbildung der

Anbietenden, zudem kann mit einem hochstehenden

Produkt auch ein höherer, angemessener Preis gefor-

dert werden.

•• Neue Formen und Vereinfachung von Finanzierungs-

modellen für das System sozialer Dienstleistungen

(beispielsweise durch Vereinheitlichung der Sozialver-

sicherungen, Fallführung, Assistenzbeitrag, System-

übergreifende Finanzierungsmodelle etc.).

•• Weitere zielgruppenspezifische Verbesserungen zum

Beispiel in der Koordination von Weiterbildungsange-

boten oder dem Austausch von fachlichem Know-how

wären sinnvoll und wichtig.

•• Die örtliche Vernetzung von städtischen Gebieten und

Care Farming in «strukturarmen» Regionen.

Die Workshops er möglichten, dass sich Akteure aus ver-

schiedenen Disziplinen austauschen und ihr per sönliches

Netzwerk vergrössern konnten. Die Form des Workshops

und der theoretische Bezug zu Transition Management

haben sich bewährt. Es zeigte sich auch, dass der Bedarf

aller Beteiligten an Koordination rund um die vorge-

schlagenen und gewünschten Verbesserungsmassnah-

men gross ist. Von den Anwesenden wurde die Gelegen-

heit, sich über die Disziplinen hinweg auszutauschen,

geschätzt. Laut mündlichen Rückmeldungen wurde

mehrfach das Interesse für eine Weiterführung der

Vernetzung ausgedrückt. Diese Workshops waren eine

der ersten Möglichkeiten, wo Akteure aus unterschiedli-chen Bereichen (Landwirtschaft /Soziales /Gesundheit /regi-

onale Entwicklung) aus verschiedenen Ebenen aufeinan-

der treffen.

Deutlich ist auch: der Handlungsbedarf für die

Erschliessung der Potenziale in vielen Bereichen rund um

Care Farming ist eklatant, wenn eine Professionalisie-

rung der gesamten Angebotskette von Klienten über

die Gastfamilie zu den Weiterbildungs anbietenden und

kantonal zuständigen Behörden angestrebt wird. Zu viel

Zeit und Wissen geht heute noch verloren in einem

unübersichtlichen Knäuel wertvoller, aber wenig

bekannter Angebote. (Zu wenig profitieren die Bäuerin-

nen und Bauern selbst von der Alltagsstruktur und dem

durch sie aufrechterhaltenen und gepflegten räumli-

chen Umfeld, welches ihr kulturelles Erbe ist und als sol-

ches Wert schätzung erfahren soll.) Zu undeutlich ist das

Profil sozialer Dienstleistungen in der Landwirtschaft für

die Bauern selber, für zuweisende Stellen und für die

breite Öffentlichkeit. Informationsaustausch fördert die

Transparenz: indem immer mehr Akteure die Bedürf-

nisse anderer sozialer Welten kennen, wird das Ver-

trauen und die Gemeinschaft gefestigt; letztere wird

gebündelt und kann stärker auftreten und handeln.

Weitere Informationen sind auf der neu erstellten

Homepage www.greencare.ch ersichtlich. n

Page 47: Heft 7+8 Juli-August 2011

347

Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming | Gesellschaft

Ria

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Sum

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y

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 342–347, 2011

Literatur b Christ Y., Widmer S.& Wydler H., 2010. Workshop Zwischenberichte 1–3. Potenziale Sozialer Dienstleistungen in der Schweizer Landwirtschaft. Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART und Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW, IUNR Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen. Ettenhausen und Wädenswil. Zugang: http://www.greencare.ch/index.php?option=com_content& view=article&id=248%3Achrist-y-widmer-s-wydler-hans-care-farming-potenziale-sozialer-dienstleistungen-in-der-schweizer-landwirtschaft& catid=63%3Apublikationen&Itemid=68&lang=de/ [24.1.2011].

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setzung: Sabine Bredemeyer, all in one zur Bonsen&Associates. Zugang: www.theworldcafe.com/translations/Germancafetogo.pdf/ [ 24.1.2011].

b Wydler H., 2009. «Soziale Dienstleistungen»: Erste Ergebnisse der schriftlichen Befragung zu Betreuungs- und Pflegeleistungen in landwirt-schaftlichen Haushalten und Betrieben. Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Ettenhausen, November 2009. Download (am 24.1.2011):

b www.greencare.ch/images/stories/pdf/resultate%20schriftliche%20be-fragung.pdf/

b Wydler H., Picard R., 2010. Care Farming: Soziale Leistungen in der Land-wirtschaft. Agrarforschung Schweiz, 1 (01), 24–29.

Development potential in the Care Farming

sector

In order to gain a better understanding of Care

Farming (the provision of social services in

farming) and to make better use of existing

potential, Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

Research Station and the Zurich University of

Applied Sciences (ZHAW) conducted three

workshops with experts from a wide variety of

professional fields in 2010.

The workshop participants agreed that Care

Farming has great potential (additional sideline,

expansion of the welfare and health system

among other things). Targeted measures,

including the following, could help to utilize it

better:

• more transparency between all participants is

required: disclosure of requirements, remunera-

tion, arrangements and responsibilities;

• better communication and networking is

needed between all those involved in social

services;

• a central coordination office could be a helpful

tool in tapping potential;

• the development of a quality assurance system

is a central tool;

• New forms and simplification of financing

models for the social services system would be

desirable.

The participants agreed on the central impor-

tance of the desired high quality of services and

the requirement to put the care recipient’s needs

first. Organisation of the Care Farming sector is

proving to be extremely complex, multilayered

and geographically very uneven.

Key words: Care Farming, Green Care, farm

diversification, transition management, social

innovation.

Potenziale di sviluppo nel settore del Care

Farming

Allo scopo di meglio comprendere e sfruttare

appieno il potenziale del Care Farming (la

prestazione di servizi sociali nell'agricoltura),

la Stazione di ricerca Agroscope Reckenholz-

Tänikon ART e l'Istituto universitario di scienze

applicate di Zurigo (ZHAW), nel 2010, hanno

tenuto tre workshop con la partecipazione di

esperti di svariati campi professionali.

I partecipanti ai workshop sono stati concordi

sul fatto che il potenziale del care farming è

considerevole (attività accessoria supplemen-

tare, sviluppo del sistema socio-sanitario). Esso

potrebbe essere sfruttato meglio attraverso

misure mirate, quali:

• migliorare la trasparenza tra tutte le parti

coinvolte: esplicitazione di esigenze, inden-

nizzi, regole e competenze;

• potenziare la comunicazione e l’interazione

tra tutte le persone coinvolte nella presta-

zione di servizi sociali;

• la creazione di una centrale di coordinamento

potrebbe rivelarsi uno strumento utile per

sfruttare appieno il potenziale;

• sviluppare un sistema di assicurazione della

qualità che costituisce uno strumento

fondamentale;

• ricercare nuove formule e semplificare i

modelli di finanziamento per il sistema delle

prestazioni sociali.Tutti i partecipanti hanno sottolineato la

grande importanza dell'elevata qualità auspi-

cata per le prestazioni nonché l'esigenza di

dare la priorità alle necessità delle persone cui

viene fornita assistenza. Il Care Farming si

presenta come un settore complesso, con molte

sfaccettature e differenze a livello geografico.

Page 48: Heft 7+8 Juli-August 2011

348 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 348–353, 2011

A g r a r w i r t s c h a f t

Gemeinsam sind wir stärker: Immer mehr einzelne Gemeindeforst-betriebe schliessen sich zu Zweckverbänden zusammen. (Foto: Zweckverbandes Falknis)

E i n l e i t u n g

Verbesserte Leistungsfähigkeit der Forstbetriebe ist nötig

Seit vielen Jahren weisen die öffentlichen Forstbetriebe der

Schweiz im Durchschnitt ein zwar jährlich schwankendes,

aber konstant negatives Betriebsergebnis aus. Dies gilt

sowohl für den reinen Holzproduktionsbetrieb als auch für

den Gesamtbetrieb (BAFU 2009).

Dieser Umstand wird im Allgemeinen auf die Struk-

turschwäche der Branche zurückgeführt (z.B. Amt für

Wald des Kantons Bern 2002). Zu kleine Betriebe arbei-

ten mit zu hohen Fixkosten und erzielen infolge kleiner

Angebotsmenge und wenig professioneller Vermark-

tungsstrukturen geringere Verkaufserlöse als ihre Mit-

bewerber jenseits der Schweizer Grenzen (Sekot 2007;

Mai et al. 2007).

Die Forstbetriebe haben grundsätzlich mehrere Optio-

nen, sich aus der misslichen Lage zu befreien: sie können

versuchen, ihre Betriebsfläche durch Zukauf von Wald zu

vergrössern, sie können ihr Leistungsangebot diversifi-

zieren oder sie können mit Nachbarbetrieben eine

Kooperation eingehen.

Private Waldbesitzer sind nur in geringem Mass bereit,

Wald zu verkaufen (Krebs 2002), der Verkauf von öffent-

lichem Wald bedingt zumeist einen Volksbeschluss und

ist damit politisch oft schwierig zu realisieren.

Die Diversifikation des Leistungsangebots wird von

den Betrieben als Strategie anerkannt, doch zeitigt diese

nicht überall den gewünschten Erfolg (Hofer 2007). Als

erfolgsversprechender Weg wird in der Waldwirtschaft

daher die Kooperation gesehen (z.B. Amt für Wald 2002).

In der Wald- und Holzwirtschaft sind Kooperationen

international gesehen keine Seltenheit. Im Hinblick auf

ihre Ausrichtung existieren aber regionale Unterschiede:

während in Skandinavien und Nordamerika die vertikale

Kooperation verbreitet ist, arbeiten die Betriebe in Mit-

teleuropa vor allem auf horizontaler Ebene zusammen.Die Gründung von forstlichen Kooperationen wird vom

Bundesamt für Umwelt gefördert und daher in den meis-

ten Kantonen auch finanziell unterstützt. Zusammen mit

der wirtschaftlich eher düsteren Zukunft der einzelnen

Betriebe und einer Reihe von Naturereignissen (z.B.

Sturm Lothar, Käferkalamitäten, Trockenheit im Sommer

2003) ergibt sich ein Umfeld, das die Bildung von Koope-

rationen in den letzten zehn Jahren begünstigt hat.

Im Rahmen einer vom Förderprogramm Holz21 und

Verband Waldwirtschaft Schweiz finanzierten und der

Abteilung Forstwirtschaft der SHL realisierten Studie

wurde untersucht, welche Kooperationsformen mit wel-

cher Kooperationstiefe in diesem Prozess im öffentli-

chen Wald entstanden sind, welche Rechtsformen

gewählt worden sind und welche Faktoren im Einzelfall

zur Kooperation geführt haben.

Barbara Stöckli und Bernhard Pauli, Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, 3052 Zollikofen

Auskünfte: Barbara Stöckli E-Mail: [email protected], Tel. +41 31 910 22 70

Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht

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Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht | Agrarwirtschaft

349

Zusa

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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 348–353, 2011

Im Rahmen einer Studie der Schweizerischen

Hochschule für Landwirtschaft wurde unter-

sucht, welche Kooperationsformen in der

Schweizer Waldwirtschaft bestehen und

welche Faktoren die Gründung begünstigt

haben. Generell wurde dabei eine grosse

Vielfalt der Zusammenarbeitsformen festge-

stellt. Die Vielfalt betrifft dabei die Kooperati-

onstiefe, die Wahl der Rechtsform und die

Anzahl beteiligter Partner. Ein einzelnes

«bestes» Modell konnte nicht eruiert werden,

vielmehr ist erfolgreiche Kooperation abhän-

gig vom vorhandenen Umfeld und den darin

agierenden Schlüsselpersonen. Einige Koope-

rationsformen wurden ausgewählt und in

einer Praxishilfe präsentiert.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Umfragen, Interviews und Betriebsabrechnungen als

Basis

Die Studie beruht zum einen auf Umfragen, die bei den

kantonalen Waldwirtschaftsverbänden, beim Verband

Waldwirtschaft Schweiz sowie bei den kantonalen Forst-

diensten und ausgewählten Betriebsleitern durchge-

führt worden sind. Zum andern wurden zwanzig beste-

hende Kooperationen ausgesucht und deren Struktur

genauer analysiert.

Die Auswahl der Kooperationsformen beruhte auf fol-

genden Kriterien:

•• Verschiedenartigkeit der Kooperationsansätze in

Bezug auf ihre Kooperationstiefe

•• Räumliche Verteilung (Beispiele aus den Hauptproduk-

tionsregionen Jura, Mittelland, Voralpen, Alpen,

Alpensüdseite)

•• Verschiedenartigkeit in Bezug auf das wahrgenom-

mene Aufgabenspektrum (z.B. Schutzwald, Erholungs-

wald etc.).

Von den zwanzig untersuchten Kooperationen waren

vier reine Holzvermarktungsorganisationen mit einer

geringen Kooperationstiefe, sechzehn Kooperationen

wurden den Betriebskooperationen zugeordnet.

Zwei Vermarktungsorganisationen und drei Betriebs-

kooperationen wurden der Produktionsregion Voralpen /

Alpen / Alpensüdseite zugerechnet, sechs Betriebskoope-

rationen stammten aus dem Jurabogen während die

übrigen untersuchten Zusammenarbeitsformen aus dem

Mittelland stammten.

Alle Kooperationsformen wurden nach dem Sturm

Lothar, in den Jahren 2001 bis 2006 gegründet und

befanden sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch

in der Aufbauphase.

Als Grundlagen für die Analyse der Betriebskoopera-

tionen dienten die Betriebsabrechnungen (wobei elf

von sechzehn Kooperationen bereit waren, ihre Daten

offen zu legen), die Kooperationsverträge beziehungs-

weise die Statuten und zugehörigen Reglemente sowie

leitfadengestützte Gespräche mit den jeweiligen

Betriebsleitern (Geschäftsführern).

Theoretische Grundlagen

Kooperation ist die freiwillige Zusammenarbeit von

rechtlich selbstständigen Partnern, die ihre wirtschaftli-

che Unabhängigkeit partiell zugunsten eines koordinier-

ten Handelns aufgeben, um angestrebte Unterneh-

mensziele im Vergleich zum individuellen Vorgehen

besser erreichen zu können (Etter 2003, S. 44).

Kooperation kann ganz unterschiedlicher Natur sein.

Sydow (2006) weist darauf hin, dass die Möglichkeiten,

Netzwerktypen zu unterscheiden, an sich grenzenlos

sind. Die von ihm vorgeschlagene und in der Studie von

Pauli et al (2008) verwendete Klassierung beschränkt

sich auf die Steuerungsform (Hierarchie oder Gleich-

berechtigung zwischen den Partnern) und die zeitliche

Stabilität des Netzwerks (Abb. 1).

Theling und Loos (2004) nennen zusätzlich noch Klas-

sifikationskriterien wie Anzahl Partner und ihre Her-

kunft aus geografischer oder institutioneller Sicht.

Aus theoretischer Sicht gibt es drei Modellansätze

zur Erklärung, warum sich Kooperationen überhaupt bil-

den. Der auf die Ökonomen Bains (1968) und Porter

(1981) zurückgehende industrieökonomische Erklä-

!!!!

stabil dynamisch

hierarchisch

heterarchisch

Strategische Netzwerke

VU

VU = Virtuelle Unternehmung Quelle: Sydow (2006) Notwendige Stabilität der Kooperation

Projekt- netzwerke

Produktions-netzwerke

VO

KB

FBG

Verbund-netzwerke

Steu

erun

gsfo

rm

Abb. 1 | Schema zur Einordnung der Kooperationsformen. KB = Kopfbetrieb; FBG = Forstbetriebs gemeinschaft; VO = Vermarktungsorganisation.

Page 50: Heft 7+8 Juli-August 2011

Agrarwirtschaft | Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht

350 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 348–353, 2011

rungsansatz für die Entstehung von Kooperationen geht

davon aus, dass Gruppen von Unternehmen, die sich im

gleichen Markt bewegen und sich substituierende Pro-

dukte anbieten, also zueinander in Konkurrenz stehen,

ab einer gewissen Anbieterkonzentration beginnen,

zusammenzuarbeiten, um ihre Position innerhalb des

Marktes zu stärken.

Alle sich im gleichen Markt mit einer ähnlichen Wett-

bewerbsstrategie bewegenden Unternehmen zusammen

bilden eine strategische Gruppe welche sich durch soge-

nannte Mobilitätsbarrieren oder Marktschranken von

anderen strategischen Gruppen abgrenzt (Porter 1980).

Kooperation kann für ein Unternehmen auch eine Mög-

lichkeit sein, diese Mobilitätsbarriere zu durchbrechen

und in eine andere strategische Gruppe einzudringen.

Ein zweiter Ansatz zur Erklärung von Kooperationen

liefert die Neue Institutionenökonomie mit ihrer Transak-

tionskostentheorie, welche im Wesentlichen auf mehrere

wissenschaftlichen Arbeiten von Coase (1937 bis 1960)

zurückgeht und z.B. bei Pauli (2002) zusammengefasst ist.

Zwei grundsätzlich unterschiedliche Organisationsfor-

men existieren in der Welt der Neuen Institutionenöko-

nomie: einerseits der Markt, in welchem Unternehmen

flexibel sind, sich opportunistisch verhalten aber einen

hohen Koordinationsaufwand betreiben müssen, um

über Verträge Dienstleistungen und Güter zu beschaffen.

Auf der anderen Seite des Spektrums steht die Firma, die

hierarchisch organisiert ist, anti-opportunistisches, ver-

trauensbasiertes Handeln von den einzelnen Beteiligten

erfordert, einen geringeren Koordinationsaufwand trei-

ben muss dafür aber von geringerer Flexibilität ist.

Nach Sydow (2006) ist die Kooperation nun Ausdruck

einer hybriden Form zwischen Markt und Hierarchie in

welcher versucht wird, die Vorteile der marktlichen Struk-

tur (vor allem die Flexibilität) mit den Vorteilen der hier-

archischen Firmenstruktur (geringer Koordinationsauf-

wand ergo geringe Transaktionskosten) zu vereinen.

Die neuesten Erklärungsmodelle aus dem Supply Chain

Management gehen davon aus, dass Kooperationen ent-

stehen, weil sich Unternehmen schnell neue Kompeten-

zen oder neue Märkte erschliessen wollen (siehe hierzu

z.B. Duschek und Sydow (2002)).

Ein anderer Zweig der Kooperationsforschung unter-

sucht das Kooperationsverhalten auf Ebene der einzelnen

Menschen und versucht daraus die Auswirkungen auf

ganze Systeme abzuleiten.

Bereits in den 1980er Jahren konnte Axelrod (1984)

mit spieltheoretischen Experimenten nachweisen, dass

unter speziellen Bedingungen Kooperation auch unter an

sich egoistisch handelnden Partnern lohnenswert ist und

sich daher bis zu einem gewissen Grad in einer Gruppe

durchsetzt.

Neuere Arbeiten (z. B. Fehr und Fischbacher 2003) zei-

gen auf, dass Kooperation jedoch weitaus häufiger statt-

findet, als die theoretische Herleitung dies vermuten lässt,

weil auch bisher vernachlässigte Facetten des Menschen

wie Altruismus oder Gerechtigkeitssinn (Fairness) die

Handlungsentscheidungen beeinflussen.Angewandte Modelle im Bereich der Kooperation

gehen daher davon aus, dass für deren erfolgreiche Ein-

führung und Stabilisierung neben der Organisations-

form und deren stategische Ausrichtung der Faktor

Mensch die entscheidende Rolle spielt (z.b. Kyburz und

Pfister 2005).

R e s u l t a t e

Kooperationen im Wald sind auf Stabilität ausgelegt

Die im Rahmen der SHL-Studie analysierten Kooperati-

onsformen wurden nach ihrer zeitlichen Dauer und ihrer

Steuerungform einerseits und nach der Kooperationsin-

tensität andererseits klassiert, hierbei wurde das Klassie-

rungssystem von Sydow (1998) verwendet (Abb. 1). Es

wurden drei grosse Gruppen von Kooperationsformen

unterschieden, die nachfolgend kurz beschrieben werden.

Forstbetriebsgemeinschaften (FBG) sind Kooperati-

onsformen, bei welchen sich mehrere öffentliche Wald-

eigentümer zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft

nach kantonalem Recht zusammenschliessen (zum Bei-

spiel in Form eines Zweckverbandes). Die der Zusam-

menarbeit zu Grunde liegenden Verträge sind langfris-

tig ausgelegt (stabil) und die beteiligten Betriebe sind

gleichberechtigte Partner (heterarchisch). Nach Hess

(2000) entsprechen die Forstbetriebsgemeinschaften

somit einem Verbundnetzwerk (Abb.1, VN).

Abb. 2 | Kooperative Holzvermarktung erleichtert den Zugang zu in-ternationalen Märkten und den Handel mit Grosskunden, welche das Holz bahnwagenweise kaufen. (Foto: Michael Meuter, Zürich/ LIGNUM)

Page 51: Heft 7+8 Juli-August 2011

Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht | Agrarwirtschaft

351Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 348–353, 2011

Alle Kooperationsformen mit Stärken und Schwächen

Als Stärken der Kooperationen konnten grundsätzlich

eine Professionalisierung in den durch die Zusammenar-

beit betroffenen Teilbereichen festgestellt werden. Die

Kooperationen zeichnen sich durch schlanke Strukturen

und eine effiziente Aufgabenabwicklung aus. Generell

haben die Kooperationen noch die Möglichkeit, weitere

Partner aufzunehmen und dadurch ihre Stellung am

Markt weiter zu verbessern.

Schwächen weisen die Kooperationsformen bei der

Formulierung ihrer Strategien und Zielsetzungen auf.

Sie sind oft sehr allgemein gehalten und bergen somit

Gefahr, dass (noch) nicht entdeckte Zielkonflikte beste-

hen. Auch ist der Aufbau von wirkungsvollen Kontroll-

mechanismen ohne Formulierung klarer Ziele nicht

möglich. Die untersuchten Kooperationsformen schöp-

fen ihr Potenzial noch nicht aus, was zumindest teilweise

damit zu erklären ist, dass sich alle Kooperationen noch

im Aufbaustadium befinden. Synergien zum Beispiel bei

der Rechnungslegung werden oft noch nicht genutzt

und Personal- und Maschinenbestände sind den neuen

Strukturen (noch) nicht angepasst. Gefahr droht denje-

nigen Zusammenarbeitsformen, welche stark von einer

einzelnen Person (Geschäftsführer oder Betriebsleiter)

abhängig sind und die Stellvertretung noch nicht gere-

gelt haben. Der Wegfall dieser Schlüsselperson bedeutet

Informations-, Kontroll- und Know-How-Verlust und

gefährdet den Weiterbestand der ganzen Kooperation.

Als Praxishilfe wurden aus dem umfangreichen Katalog

der Kooperationsformen sechs Beispiele herausgegrif-

fen. Nebst einem Kurzbeschrieb mit Eckdaten wurde

eine vereinfachte Stärken-Schwächen-Analyse darge-

stellt. Ein Fazit rundet die Beschreibung ab (SHL, WVS &

BAFU 2010).

Im Unterschied dazu sind Holzvermarktungsorgani-

sationen (VO) Zusammenschlüsse von mehreren bis sehr

vielen kleinen bis grossen Waldeigentümern zur gemein-

samen Vermarktung ihres Holzes. Die Kooperation ist im

Ausmass somit bescheidener als diejenige der Betriebs-

kooperationen. Die Vermarktungsorganisation ist auf

ein langfristiges Bestehen ausgelegt (stabil), doch die

einzelnen Lieferanten können nicht zur Vermarktung

des Holzes über die Organisation verpflichtet werden

und nutzen diese deshalb nur, wenn sie ihnen einen Vor-

teil verschafft. Dadurch ergibt sich eine ausgesprochen

dynamische Komponente. Die Vermarktungsorganisa-

tion ist an der Schnittstelle zwischen Verbundnetzwer-

ken und Produktionsnetzwerken (PN) einzuordnen .

Häufig anzutreffen ist in der Schweizer Waldwirt-

schaft die Kooperationsform des Kopfbetriebs (KB).

Hierbei übernimmt der Waldbesitzer, welcher auch den

Betrieb besitzt, eine klare Führungsrolle gegenüber den

Kooperationspartnern. Der Kopfbetrieb wird zum foka-

len Unternehmen, die Kooperationsform bildet ein stra-

tegisches Netzwerk (SN).

Allen untersuchten Kooperationsformen gemeinsam

ist ihre Ausrichtung auf Langfristigkeit und Stabilität.

Hinsichtlich der Intensität der Kooperation oder der

Kooperationstiefe nimmt die Intensität vom Kopfbe-

trieb mit Einzelabrechnung hin zur Betriebsgemein-

schaft mit gemeinsamer Rechnung zu. In der Schweizer

Waldwirtschaft kommen alle Intensitätsstufen vor.

Grosse Vielfalt an RechtsformenAuch betreffend Wahl der Rechtsform herrscht in der

Schweizer Waldwirtschaft eine grosse Vielfalt. So wurden

neben eher klassischen Formen wie der Pacht, der Genos-

senschaft oder dem Auftrag auch Gesellschaften mit

beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften und Vereine

gefunden. Unter den untersuchten Kooperationsformen

organisierten sich die öffentliche Waldeigentümer jedoch

am häufigsten in öffentlich-rechtlichen Zweckverbänden

nach kantonalem und kommunalem Recht.

Die Rechtsform definiert die internen und externen

Rahmenbedingungen, nach welchen sich die Kooperati-

onsform zu richten hat. Die Rechtsform wirkt sich auf

Haftungsfragen aus und bestimmt die Möglichkeiten

und Grenzen der Mitgestaltung und Mitbestimmung der

einzelnen Betriebe.

Entsprechend viel Bedeutung messen die Beteiligten

der Wahl der Rechtsform beim Eingehen einer Koopera-

tion oder bei der Firmengründung generell bei.

Nach Analyse der zwanzig Kooperationsformen in

der Schweiz kommen Pauli et al (2008) jedoch zum

Schluss, dass die Rechtsform für den Erfolg der Koopera-

tion nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Abb. 3 | Eine vertrauensbildende Massnahme in neuen Kooperatio-nen ist es, allen Mitarbeitern neue Aufgaben zu übertragen, die sie fördern und fordern ohne zu überfordern. (Foto: SHL FWI)

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Agrarwirtschaft | Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 348–353, 2011

Der Weg in die Kooperation führt über engagierte

Meinungsmacher

Die Befragung der Betriebsleiter diente auch der Samm-

lung von Entstehungsgeschichten, die anschliessend hin-

sichtlich ihrer Gemeinsamkeiten untersucht worden sind.

Dabei ist festzustellen, dass in jedem näher untersuch-

ten Fall ein aus betrieblicher Sicht gravierendes äusseres

Ereignis den Weg frei gemacht hat für die Veränderung

in der Organisationsform. Die schwierige Situation auf

dem Holzmarkt nach dem grossen Sturm Lothar war

einer dieser Auslöser. Noch häufiger aber waren per-

sonelle Veränderungen in einem oder mehreren räum-

lich nahestehenden Forstbetrieben der Anlass für den

Beginn von Kooperationsverhandlungen.

In einem ersten Schritt haben eine oder mehrere vor

Ort akzeptierte Persönlichkeiten aus Wald- oder Polit-

kreisen den Weg in die Kooperation durch vertrau-

ensbildende Massnahmen bereitet. Der Einbezug aller

Beteiligten und Offenheit gegenüber deren Ängsten

zeichnen diesen Prozess der Vertrauensbildung aus.

Eine gemeinsame Wertebasis (eine ähnliche Unter-

nehmenskultur) ist für die Phase des Zusammenfin-

dens der neuen Kooperationspartner entscheidend. Sie

drückt sich nicht nur in der Formulierung gemeinsamer

Ziele und einer gemeinsamen Strategie, sondern auch

im Umgang mit Mitarbeitern und der natürlichen Pro-

duktionsgrundlage «Wald» aus.

D i s k u s s i o n

Die ökonomische Analyse von Kooperationen und die

zugehörigen theoretischen Erklärungsmodelle hat in der

Vergangenheit sehr stark auf die technisch-organisatori-

sche Ebene fokussiert (vgl. z.B. Pauli 2002, Sydow 2006

etc.). Hierbei wurde aus Gründen der Modellvereinfa-

chung ausgeblendet, dass Organisationen durch Men-

schen gemacht und ihre Präferenzen und ihre Werthal-

tung daher sehr entscheidend für den Erfolg der

Organisation sind (vgl. z.B. Kyburz und Pfister 2005).

Die ebenfalls stark auf «harte Fakten» wie formu-

lierte Strategien, Organisationsstrukturen und -prozesse

sowie finanzielle Kennziffern ausgerichtete Untersu-

chung aus den Jahren 2006 bis 2008 konnte daher den

Erfolg der einzelnen untersuchten Kooperationen nur in

einem geringen Mass erklären. Statistische und verglei-

chende Aussagen sind durch das gewählte Auswahlver-

fahren für die Detailanalysen nicht möglich. Der Wert

der Untersuchung beruht auf der Darstellung vieler

möglicher Wege in die erfolgreiche Kooperation, die in

der Schweizer Waldwirtschaft bereits beschritten wor-

den sind. Sie dokumentiert einen Entwicklungsstand,

der als Basis einer Zeitreihenanalyse dienen kann um so

den Übergang von Aufbau- zu Dauerphase zu erfassen,

zu untersuchen und letztlich besser zu verstehen.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Von zentraler Wichtigkeit bei der Gründung einer

Kooperation ist die Identifikation und anschliessende

Integration sämtlicher Schlüsselfiguren. Dazu gehören

die lokalen Meinungsmacher, die politisch Verantwortli-

chen, die bisherigen Betriebsleiter, die Mitarbeiter und

der lokale Forstdienst. Je früher alle diese Akteure in

den Prozess mit einbezogen werden, desto grösser sind

die Erfolgsaussichten für das Kooperationsprojekt.

Bereits zu Beginn muss eine gemeinsame Wertebasis

bestehen. Betriebe, die eine grundsätzlich verschiedene

Auffassung von waldbaulichen Strategien haben, die

eine diametral auseinandergehende Betriebskultur leben

oder ein sich kaum überschneidendes Produkteportfolio

aufweisen, werden es schwer haben, erfolgreich zu

kooperieren. Allein die räumliche Nähe reicht daher für

die Bildung einer Betriebskooperation nicht aus.

Die Wahl der Rechtsform entscheidet zumindest in

der hier dokumentierten Aufbauphase nicht über Erfolg

oder Misserfolg einer Kooperation. Trotzdem sind die

Autoren der Überzeugung, dass eine Rechtsform, die

den einzelnen Partnern klare Rechte und Pflichten auf-

erlegt, zu bevorzugen ist, weil dies die Kooperations-

partner dazu zwingt, ihre Rollen genau zu definieren.

Es ist nicht möglich und auch nicht nötig, den vol-

len Kooperationsnutzen bereits von Anfang an auszu-

schöpfen. Erstrebenswert ist das schrittweise Vorgehen

begleitet von vertrauensbildenden Massnahmen wie

koopera tiver Betriebsführung durch mehrere bisherige

Betriebsleiter, die Erstellung von Abrechnungen für jeden

Teilbetrieb, die Übernahme des ganzen Personals, das in

der neuen Betriebsform mitarbeiten will. Die Zusammen-

arbeit soll sukzessive weiter vertieft werden. Das Ziel ist

die langfristige Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und

das Bestehen in einem zukünftigen unter Umständen

noch stärker globalisierten Markt. Diesem Ziel soll und

muss die kurzfristige Rendite untergeordnet sein. n

Page 53: Heft 7+8 Juli-August 2011

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Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht | Agrarwirtschaft

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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 348–353, 2011

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Swiss forest economy: how to cooper-

ate successfully

Within the framework of a study

conducted by the Swiss College of

Agriculture, the types of cooperation

currently in existence in the Swiss

forestry industry together with the

factors favorably influencing their

establishment were examined. It was

ascertained that a wide variety of

cooperation types exist in terms of the

depth of cooperation, the choice of

legal structure and the number of

participating partners. No «best» model

could be determined; it was rather

clear that successful cooperation

depends on the existing situation and

its key players. Some cooperation types

have been selected and are presented

in the form of practical advice.

Key words: Swiss forest industries,

cooperation.

Economia forestale svizzera:

Quale forma di collaborazione porta al

successo

Nell’ambito di uno studio della Scuola

superiore di agricoltura svizzera è stato

esaminato quali forme di cooperazione

nel settore dell’economia forestale

svizzera esistono e quali fattori hanno

promosso la loro costituzione. In

generale vi è stata constatata una

grande diversità tra le forme di

collaborazione istaurate. Questa

diversità è dettata dall’intensità di

collaborazione, dalla scelta della forma

giuridica e dal numero di partner

coinvolti. Non è stato, tuttavia,

possibile identificare un unico modello

«ideale». Risulta piuttosto che la

cooperazione di successo dipende

dall’ambiente esistente e dalle attività

svolte da persone chiave coinvolte.

Alcune forme di collaborazione sono

state selezionate e presentate come

aiuto pratico.

Page 54: Heft 7+8 Juli-August 2011

354 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 354–359, 2011

Abhängig vom gewählten Milchzahlungssystem erreichten entweder die neuseeländischen Holstein oder die Schweizer Holstein das höchste Einkommen pro Hektare. (Foto: Projekt «Weidekuh-Genetik»)

Christian Gazzarin1 und Valérie Piccand2

1Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen2Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, 3052 Zollikofen

Auskünfte: Christian Gazzarin, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 368 31 31

E i n l e i t u n g

In einem Milchproduktionssystem sind die Futterkosten

die grösste Kostenposition. In der Schweiz können bis zu

30  Prozent der Selbstkosten auf die Futterproduktion

und den Futterzukauf (v. a. Ergänzungsfutter) zurückge-

führt werden (Gazzarin et al. 2005). Eine Steigerung des

Weideanteils reduziert nicht nur die Konservierungskos-

ten, sondern führt auch zu namhaften Arbeitszeitein-

sparungen in der Fütterung, weil die Kühe ihr Futter

selbst holen und fressen. Hierfür ist jedoch in der Regel

eine genügende Arrondierung des Betriebes Vorausset-

zung. Eine saisonale Abkalbung im Frühling kann den

Umfang der Futterkonservierung weiter reduzieren,

indem die Galtphase in die Winterfütterung fällt. Ein-

sparungen im Bereich der Futterkonservierung bedeu-

ten tiefere Maschinen-, Gebäude- (d. h. Lager-) und

Arbeitskosten. Gerade diese Strukturkostenpositionen

haben in der Schweiz, die durch ein hohes Kostenumfeld

geprägt ist, ein besonderes Gewicht (Gazzarin und Schick

2004, Gazzarin et al. 2005).

Eine vermehrte Weidehaltung sowie eine saisonale

Abkalbung stellen andere Anforderungen an eine Kuh

als eine vorwiegende Stallfütterung mit verteilter Abkal-

bung. In den letzten Jahren wurde zu einem hohen

Anteil nordamerikanische, unter Stallfütterungsbedin-

gungen selektierte Genetik in Schweizer Kuhrassen ein-

gesetzt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,

inwiefern die aktuell verbreiteten Kuhtypen sich über-

haupt für ein Vollweidesystem mit saisonaler Abkalbung

eignen. Die Forschung der letzten Jahre zeigt nämlich

auf, dass Kühe, die in Stallfütterungssystemen mit Total-

Misch-Ration (TMR) gezüchtet worden sind, hinsichtlich

Produktion, Fruchtbarkeit (Kolver et al. 2000, Horan et

al. 2005, Fulkerson et al. 2008) und Wirtschaftlichkeit

(McCarthy et al. 2007) nicht für Vollweidesysteme geeig-

net sind. Doch mit welchem Kuhtyp lässt sich unter Voll-

weidebedingungen und Frühjahrs-Blockabkalbungen

das höchste Einkommen erzielen, wenn man die limitier-

ten Flächenverhältnisse, wie sie für Schweizer Milchvieh-

betriebe typisch sind, berücksichtigt? Wie wird dabei die

Arbeit monetär verwertet (Stundenlohn)?

T i e r e , M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Für die Wirtschaftlichkeitsberechnung standen die

Daten aus drei Untersuchungsjahren des Projektes Wei-

dekuh-Genetik der Schweizerischen Hochschule für

Landwirtschaft (SHL) und weiterer Partner zur Verfü-

gung. Die Versuchstiere und involvierten Betriebe, die

Versuchsanlage, die untersuchten Parameter sowie die

statistischen Analysemethoden sind im ersten Artikel der

Serie detailliert beschrieben worden (Piccand et al. 2011).

Kurz zusammengefasst wurden von 2007 bis 2009 neu-

seeländische Holstein-Friesian (NZ HF) Kühe Schweizer

Kühen auf 15 Praxisbetrieben gegenübergestellt, wobei

der Versuch insgesamt 259 Laktationen von 134 Kühen

beinhaltete (NZ  HF, n = 131  Laktationen / 58  Kühe;

Schweizer Holstein (CH HF) 40/24; Schweizer Fleckvieh

(CH FV) 43/27; Schweizer Brown Swiss (CH BS) 45/25). Zu

den wichtigsten Daten zählen die Laktationsleistungen

der ersten drei Laktationen, Milchgehalte, mittlere Jah-

Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung

A g r a r w i r t s c h a f t

Page 55: Heft 7+8 Juli-August 2011

Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung | Agrarwirtschaft

355

Zusa

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ssu

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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 354–359, 2011

In einem Vollweidesystem mit Frühjahrs-

Blockabkalbung wird die Wirtschaftlichkeit

verschiedener Kuhtypen untersucht. Hierfür

erfolgte eine Herdensimulationsrechnung auf

Basis der Versuchsdaten des Projekts «Weide-

kuh-Genetik».

Die Ergebnisse zeigen Einkommensdifferen-

zen zwischen null und 15 %. Umgerechnet auf

das Kilogramm Milch liegen die Differenzen

bei null bis fünf Rappen. Eindeutige Vorteile

eines bestimmten Kuhtyps sind nicht auszu-

machen. In der Modellberechnung zeigte sich

jedoch, dass eine hohe Milchproduktion pro

Hektare oder – bei einer Gehaltsbezahlung –

die entsprechend produzierte Fett- und

Eiweissmenge pro Hektare einen wesentli-

chen Erfolgsfaktor darstellen. Hohe Flächen-

leistungen können sowohl mit hohen

Einzeltierleistungen als auch mit tieferen

Kuhgewichten und der damit verbundenen

Steigerung der Herdengrösse erreicht werden.

Weitere kuhtypenbezogene Unterschiede

ergaben sich in der Fleisch- und Fruchtbar-

keitsleistung. Letztere ist für ein saisonales

Vollweidesystem essentiell, konnte jedoch

hinsichtlich der Auswirkungen auf den

Arbeitszeitbedarf nicht vollumfänglich in den

Ergebnissen berücksichtigt werden. Die

Beschaffung solider Datengrundlagen über

verschiedene Kuhtypen in verschiedenen

Produktionssystemen soll deshalb fortgesetzt

werden, um weitere Einflussfaktoren – nicht

nur im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit,

sondern auch auf weitere Aspekte der

Nachhaltigkeit wie Ökologie oder Arbeitsbe-

lastung zu evaluieren.

res-Körpergewichte und die Anzahl nicht trächtiger

Kühe nach zwölf Wochen Besamungssaison.

Auf Basis der erwähnten Daten ging es nun darum, je

Versuchsgruppe eine gesamte Herde zu simulieren und

die Versuchsdaten basierend auf einer definierten Her-

denstruktur (Anteil der Kühe in den jeweiligen Laktatio-

nen) auf eine Herde hochzurechnen (Tab. 1). Die Leis-

tung der dritten Laktation galt dabei als Basis für die

vierte und alle folgenden Laktationen.

Die Berechnungen erfolgen in verschiedenen Kalku-

lationsmodellen. In einem Herdenmodell liessen sich die

mittlere Jahresleistung und das mittlere Gewicht pro

Kuh aufgrund einer definierten Herdenstruktur berech-

nen. In einem weiteren Modell errechnete sich der

Grundfutterverzehr für Winter und Sommer auf Basis

einer vorgegebenen Grundfutterqualität in Abhängig-

keit der Jahresleistung, des Kuhgewichtes und des

Abkalbetermins. Der Kraftfutterverzehr wurde dabei auf

280 kg fixiert entsprechend der durchschnittlichen Fütte-

rung auf den 15 Versuchsbetrieben des Weidekuh-Gene-

tik Projekts. Weitere Anpassungen erfolgten in weiteren

Berechnungsmodellen zu den Melkzeiten (in Abhängig-

keit der Tagesmilchmenge) und zu den Gebäudekosten.

Bei letzteren wurden nicht nur die Lagerkosten dem

Trockensubstanz-Verzehr angepasst, sondern bei den

CH HF auch die Funktionsflächen wie Liegeboxen, Stall-

gänge und Fressplätze um 5 % erhöht, da die CH HF teil-

weise eine Widerristhöhe von über 150  cm aufwiesen.

Die errechneten Daten gelangten schliesslich in ein

umfassendes Berechnungsmodell zur Ermittlung der

diversen Leistungs- und Kostenpositionen eines geschlos-

senen Milchproduktionssystems (Gazzarin und Schick

2004). Tabelle 2 zeigt die dafür unterstellte Mechanisie-

rung und den Gebäudetyp, wobei hier keine Differen-

zierung nach Kuhtypen vorgenommen wurde. Zur Interpretation der Ergebnisse muss berücksichtigt

werden, dass es sich dabei um optimierte Systeme han-

delt. Das heisst, die Kapazitäten, insbesondere die Stall-

plätze, sind voll ausgelastet und es sind keine Altlasten

(bestehende Schulden von Altgebäuden) vorhanden.

Ausserdem wurden auch keine Wachstumskosten wie

Kontingentsabschreibungen oder -mieten berücksichtigt.

R e s u l t a t e

Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse bei ausschliesslicher Heu-

fütterung mit 15 ha intensivem Grünland unter Talbe-

dingungen. Neben einer reinen Volumenbetrachtung

werden die Ergebnisse zusätzlich unter der Vorausset-

zung einer Gehaltsbezahlung dargestellt («V + Gehalt»).

Bei 15 ha können je nach Gruppe rund 29 bis 33 Kühe

gehalten werden. Entscheidend für die Anzahl Kühe pro

Fläche ist der Grundfutterverzehr pro Kuh, der wiede-

rum vom Körpergewicht und von der Milchleistung

(energiekorrigierte Milch, ECM) abhängig ist. Das Ein-

kommen aus der Milchproduktion liegt je nach Bezah-

lungssystem zwischen rund 3200 Franken (CH FV, Volu-

menbezahlung) und 3700 Franken pro Hektar (NZ  HF,

Gehaltsbezahlung).

Page 56: Heft 7+8 Juli-August 2011

Agrarwirtschaft | Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung

356 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 354–359, 2011

Von den Versuchsgruppen produzierte die CH HF zwar

am meisten Milch pro Hektar. Dieser Leistungsparameter

korreliert jedoch nur mit dem Einkommen, falls die Gehäl-

ter nicht bezahlt werden. Die Gehaltsbezahlung führt ins-

besondere bei den NZ  HF-Tieren zu einem besseren

Ergebnis trotz tieferer Milchproduktion (Abb. 1).

Eine weitere entscheidende Grösse für die Wirtschaft-

lichkeit ist die Arbeitsverwertung (Stundenlohn). Diese

errechnet sich, indem von den Erlösen sämtliche Kosten

mit Ausnahme der Arbeitskosten abgezogen werden und

dieses Einkommen durch die aufgewendete Arbeitszeit

dividiert wird. Die tiefste Arbeitszeit weist die CH  HF-

Herde und die CH FV-Herde aus (Tab. 3). Dies ist vor allem

bedingt durch die geringere Kuhzahl, die sich vor allem

bei der Winterfütterung bemerkbar macht. Je weniger

Kühe, desto geringer ist der Arbeitszeitaufwand für Fütte-

rung und Entmistung. Die Arbeitsverwertung schwankt

zwischen 19 und 22 Franken je eingesetzte Arbeitsstunde,

wobei der höhere Wert in beiden Bezahlungssystemen

von den CH HF erreicht wird. Dies erklärt sich auch damit,

als die Investitionen pro Hektar für ein Stallgebäude mit

weniger Kühen geringer ausfallen – auch wenn in diesem

Fall die Funktionsbereiche um 5 % vergrössert sind.

Einheit CH HF CH FV CH BS NZ HF

Mittlere Jahresmilchproduktion pro Kuh kg Milch 6431 5811 5500 5799

Berechnete Laktationsdauer1 Tage 274 286 278 276

Fettgehalt % 4,0 4,2 3,9 4,2

Eiweissgehalt % 3,2 3,3 3,3 3,5

Mittlere Jahres ECM-Produktion pro Kuh kg ECM 6344 5920 5381 6002

Mittleres Schlachtkuh-Gewicht kg 586 607 516 509

Mittleres Kuhgewicht Herde kg 598 643 537 540

mittlerer Grundfutterverzehr pro Jahr (silofrei) kg / Kuh 5719 5654 5002 5331

mittlerer Grundfutterverzehr pro Jahr (mit Silage) kg / Kuh 5662 5586 4949 5272

Remontierungsrate %2 31 24

daraus abgeleitet Nutzungsdauer Jahre 3,25 4,24

daraus abgeleitet Herdenstruktur (Anteil 4ff. Lakt.) % 37 54

Aufzuchtfaktor (aufgezogene Kälber) Faktor 0,95 0,95

Anteil Kreuzungskälber % 32 46

Korrekturfaktor für 4. Laktation3 Faktor 1,053 1,053

Kraftfutterverzehr pro Jahr kg / Kuh 280 280

Fleischmehrerlösfaktor Kälber und Kühe Faktor 1 1,1 1 1

Aufzuchtpauschale Jungvieh CHF / Monat 90 90 80 80

Tab. 1 | Abgeleitete Herdedaten auf Basis der Versuchsergebnisse des Projekts «Weidekuh-Genetik», 2007–2009

1 Die Laktationstage sind anhand der fruchtbarkeitsleistung angepasst. Kühe, die später trächtig werden, haben kürzere Laktationen, da alle gleichzeitig galt gestellt wurden.

2 remontierungsrate = Anteil nicht trächtiger Kühen nach 12 wochen + 10% (gerundet).3 Leistung 3. Laktation multipliziert durch Korrekturfaktor = Leistung 4. Laktation.

18

19

20

21

22

23

3100 3200 3300 3400 3500 3600 3700 3800

CHF

/ h

CHF/ha

Abb. 1 | Auswirkung der beiden Milchbezahlungssystemen (Volu-menbezahlung – leere Symbole; Zuschlag für Gehalte mit System mit additivem Korrekturfaktor auf Basispreis (0,63 CHF/kg Milch) und 0,05 CHF* [Fett % + (2 × Protein %) – 10,5) – volle Symbole] über dem Einkommen pro ha und Arbeitsstunde für verschiedene Kuhtypen (CH HF ■; CH FV ■; CH BS ▲; NZ HF ●) auf 15 ha mit Heufütterung.

Page 57: Heft 7+8 Juli-August 2011

Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung | Agrarwirtschaft

357Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 354–359, 2011

tions- und Fruchtbarkeitsleistung verglich (NZ  HF und

CH  HF), erreichte der neuseeländische Holsteintyp bes-

sere Wirtschaftlichkeitsresultate, bei allen untersuchten

Szenarios (McCarthy et al. 2007). Die tiefere Milchpro-

duktion wird weitgehend mit besseren Fruchtbarkeits-

leistungen kompensiert. Die Fruchtbarkeitsleistungen

beeinflussen in unseren Modellen nur die Laktations-

dauer und die Remontierungsrate. Den indirekten Aus-

Die Ergebnisse bei 30 ha verhalten sich zwischen den

Rassen ähnlich, liegen jedoch 40 bis 50 % über denjeni-

gen der kleineren Bestände. Entsprechend der Grund-

futterfläche können 57 bis 65 Kühe gehalten werden.

Sämtliche Vergleiche sind auch mit Silofütterung gerech-

net worden. Die Einkommen liegen, bei einem um drei

Rappen tieferen Milchpreis, 7 bis 9 % tiefer als bei reiner

Heufütterung. Die Unterschiede der verschiedenen Her-

den sind etwas grösser, jedoch grundsätzlich vergleich-

bar mit der Variante «Heufütterung».

D i s k u s s i o n

Geringe Auswirkungen von Fruchtbarkeits- und Fleisch-

leistung?

In Milchproduktionssystemen mit Blockabkalbung ist

bekannt, dass Fruchtbarkeitsleistungen die Wirtschaft-

lichkeit ebenso beeinflussen wie Laktationsleistungen

(McCarthy et al. 2007). In Irland schätzen Evans et al.

(2006), dass die Verschlechterung der Fruchtbarkeitsleis-

tung die erwarteten Einkommensverbesserungen zwi-

schen 1990 und 2003 zur Hälfte belastet. In unseren

Simulationsmodellen wurden die besten Wirtschaftlich-

keitsresultate für die beiden Holsteintypen (CH HF und

NZ HF) beobachtet – zweifellos sind dies die milchbeton-

testen Kuhtypen – und das trotz schlechteren Fruchtbar-

keitsresultaten der Schweizer Holstein. In einer irischen

Studie, welche neuseeländische Holstein mit nordameri-

kanischen Holstein mit unserer Studie ähnlichen Produk-

15 ha HFF 30 ha HFF

Traktoren 41 kW, 60 kW (Occ.) 41 kW, 60 kW

Futterernte (Mähen / Bearbeiten)

mittlere Mechanisierung hohe Mechanisierung

Silageproduktion

Futterlager Rundballen / Flachsilo Rundballen / Flachsilo

FutterernteLadewagen Ladewagen

Pressen / Walzen im Lohn Pressen / Walzen im Lohn

Futterentnahme Frontlader, Blockschneider Frontlader, Futtermischwagen

Dürrfutterproduktion

Futterlager Heustock mit Belüftung Heustock mit Belüftung

Futterernte Ladewagen Ladewagen

Futterentnahme Heukran Heukran

Stallgebäude Offenstall mit Liegeboxen Offenstall mit Liegeboxen

Melkanlage Fischgrät 2 × 38 / 6 Einheiten Fischgrät 2 × 4 / 8 Einheiten

Tab. 2 | Annahmen für Mechanisierung und Gebäude

Kuhtyp1 Einheit CH HF CH FV CH BS NZ HF

Milch Bezahlungssystem² Volumen V+Gehalt Volumen V+Gehalt Volumen V+Gehalt Volumen V+Gehalt

Anzahl Kühe Anz. 29 – 29 – 33 – 31 –

Milchproduktion kg Milch 183 927 – 167 357 – 179 300 – 178 029 –

Milcherlös Fr. / 100 kg Milch 59,7 59,2 59,3 61,0 59,4 58,9 59,5 62,7

Fleischerlös Fr. / 100 kg Milch 13,1 – 14,8 – 13,1 – 12,3 –

Direktzahlungen Fr. / 100 kg Milch 21,2 – 23,3 – 22,3 – 22,2 –

Leistungen total Fr. / 100 kg Milch 94,0 93,5 97,5 99,1 94,8 94,3 94,0 97,2

Kosten (ohne Arbeit) Fr. / 100 kg Milch 72,1 – 77,3 – 74,5 – 74,0 –

Arbeitskosten Fr. / 100 kg Milch 37,5 – 41,4 – 41,2 – 40,8 –

Selbstkosten (Vollkosten) Fr. / 100 kg Milch 109,5 – 118,7 – 115,7 – 114,8 –

Einkommen pro ha3 Fr. / ha 3626 3568 3184 3368 3364 3307 3314 3696

Arbeitsverwertung Fr. / Akh 22 22 19 20 19 19 19 21

Arbeitszeit Akh / Jahr 2463 – 2473 – 2639 – 2592 –

Tab. 3 | Einfluss des Kuhtyps und des Milchbezahlungssystems auf die wichtigsten Erfolgsfaktoren eines 15-ha-Vollweidebetriebes mit Blockabkalbungen und Heufütterung (Basismilchpreis: 0,63CHF / kg)

1 ch hf= schweizer holstein-friesian, ch fV= schweizer fleckvieh, ch Bs= Brown swiss, nz hf= neuseeländische holstein-friesian 2 Volumen= kg Milch bezahlt, V+gehalt= additive Korrektur des Basismilchpreises (0,63 chf / Kg Milch von 0,05 chf × (fett% + 2×Protein%)-10,5) 3 50 % eigenkapital und eigenland

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Agrarwirtschaft | Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 354–359, 2011

wirkungen wird nicht Rechnung getragen, obwohl

gemäss Montgomerie (2002) die Hälfte des wirtschaftli-

chen Gewinns der besseren Fruchtbarkeitsleistungen von

der Kapazität, die schlechtesten Produzentinnen zu

ersetzen, abhängt. Im Gegensatz zu den Resultaten von

Evans et al. (2004) mit der Rasse Montbéliarde oder

Delaby et al. (2009) mit der Rasse Normande genügte die

Kombination Fleischleistung, gute Fruchtbarkeits- und

durchschnittliche Milchleistung der CH  FV Kühe nicht,

um die Wirtschaftlichkeitsresultate der beiden milch-

betontesten Kuhtypen (NZ HF und CH HF) zu erreichen.

Grosser Einfluss des Milchbezahlungssystems

Im Gegensatz zum nordamerikanischen oder schweizeri-

schen System, wo meistens Milchvolumen unabhängig

der Gehalte bezahlt wird, wird in Neuseeland nur der

Fettgehalt und der Proteingehalt der Milch entlöhnt.

Die neuseeländischen Kühe wurden aus diesem Grund

auf hohe Gehalte selektioniert, was die grosse Spann-

breite des Einkommens für NZ HF, abhängig vom gewähl-

ten Milchbezahlungssystem (Volumen oder Volumen

und Gehalte) in Abbilung 1 erklärt. Eine Gehaltsbezah-

lung pro Kilogramm produzierter Fett- und Eiweiss-

menge, wie dies bereits bei einigen Schweizer Milchab-

nehmern der Fall ist, würde diese Abweichung noch

unterstreichen. In der Schweiz, einem Land wo die Käse-

verarbeitung sehr wichtig ist, wird es, im Kontext der

effizienten Ressourcennutzung, sehr wahrscheinlich zu

einer Weiterentwicklung des Gehaltsystems kommen.

Die Überlegungen zum Kuhtyp weiterführen

Die Modellrechnung ist aufgrund der beschränkten Ver-

fügbarkeit von Daten eine bestmögliche Annäherung an

die Wirklichkeit. Diverse weitere Einflussfaktoren auf

die Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Kuhtypen sind

noch wenig bekannt oder konnten nicht ausreichend

berücksichtigt werden. Dies betrifft die Melkbarkeit

(Arbeitskosten), die Persistenz (Milcherlös und Futter-

kosten), die Robustheit der Kühe, des Jungviehs und der

Kälber (Arbeits- und Tierarztkosten), die Reaktion bei

Umweltveränderungen beziehungsweise veränderter

Futterqualität hinsichtlich Milchleistung und Körpersub-

stanz (Milcherlös, Fleischerlös, Tierarztkosten), das

Handling der Kühe (Arbeitskosten) sowie die Grasnar-

benschäden durch den Tritt (Futterertrag). Die Beschaf-

fung solider Datengrundlagen über verschiedene Kuhty-

pen in verschiedenen Produktionssystemen soll deshalb

fortgesetzt werden, um weitere Einflussfaktoren – nicht

nur auf die Wirtschaftlichkeit, sondern auch auf übrige

Aspekte der Nachhaltigkeit wie Ökologie oder Arbeits-

belastung – zu evaluieren.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Der Einfluss der Kuhtypen auf das Einkommen ist rele-

vant. Die kuhtyp-bedingten Einkommensunterschiede

liegen bei null bis maximal 15 %; umgerechnet auf den

Liter Milch liegen die Unterschiede bei der Vollkosten-

rechnung bei null bis fünf Rappen. Die Differenzen bei

der ausschliesslichen Heufütterung sind etwas geringer.

Bei konstantem Kraftfutterimport und konstanter

Grünlandfläche ist die Milchproduktion ins Verhältnis zu

setzen zum Grundfutterverzehr respektive zum Körper-

gewicht. Eine Hektare Grünland kann bei geringeren

Kuhgewichten mit mehr Kühen bestossen werden. In

Kombination mit hohen Einzeltierleistungen steigt

damit die Milchproduktion pro Hektare Grünland, was

auch zu einem höheren Einkommen führt. Allerdings

erhöht sich mit steigender Kuhzahl auch der Arbeitszeit-

bedarf in der Winterfütterung, was sich dann in der

Arbeitsverwertung eher negativ auswirkt.

Eine bessere Fleischleistung bei höheren Kuhgewich-

ten wie am Beispiel der CH FV konnte die tiefere Milch-

produktion pro Hektare zumindest teilweise wieder

kompensieren. Allfällige Vorteile unter Alpungsbedin-

gungen konnten nicht untersucht werden.

Die schlechteren Fruchtbarkeitsleistungen der CH HF

und die damit verbundenen höheren Remontierungs-

kosten konnten von der höheren Einzeltierleistung und

den höheren Schlachtkuherlösen ebenfalls kompensiert

werden. Allerdings sind gute Fruchtbarkeitsleistungen

für ein saisonales Abkalbungssystem in mehrerer Hin-

sicht essentiell. Gute Fruchtbarkeitsleistungen führen

nicht nur zu höheren Laktationsleistungen und tieferen

Remontierungskosten, die sich vor allem bei tiefen

Schlachtkuhpreisen positiv auswirken. Bestimmte

Aspekte, verknüpft mit den Fruchtbarkeitsresultaten,

konnten in der Modellrechnung jedoch aufgrund man-

gelnder Daten nicht berücksichtigt werden: durch tie-

fere Tierarzt- beziehungsweise Besamungskosten sowie

vor allem der geringere Arbeitszeitbedarf (für Besa-

mung, Beobachtung und Kälberbetreuung) könnten die

Fruchtbarkeitsresultaten das Ergebnis noch entschei-

dend beeinflussen.

Insgesamt zeigte sich jedoch beim Vergleich, dass

nicht nur Kuhgewichte und Laktationsleistung, sondern

insbesondere auch das Bezahlungssystem auf das Ergeb-

nis einen starken Einfluss hat. n

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Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung | Agrarwirtschaft

Ria

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nto

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b Montgomerie W. A., 2002. Cow fertility and breeding objectives. Procee-dings of the Society of Dairy Cattle Veterinarians of the NZVA Annual Conference 19, 147–154.

b Piccand V., Schori F., Troxler J., Wanner M., Thomet P., 2011. Projekt «Weidekuh-Genetik» Problemstellung und Beschreibung des Versuchs Agrarforschung 2 (5), 200–205.

Which cow for pasture-based production systems?:

Economic evaluation

The objective of the study was to compare, within

pasture-based seasonal-calving systems, the economic

performance of different types of cows. A herd

simulation based on the results of the project «Which

cow for pasture-based production systems?» was

undertaken. There were no clear advantages of one cow

type over the others. The model calculation could,

however, show that high milk production per hectare or

– with a component-based payment scheme - produc-

tion of fat and protein per hectare represented an

important success factor. High production per hectare

could be achieved with high individual production or

with low bodyweight of the cow and an associated

increase in cow numbers. Other cow-type-related

differences were found in the meat and reproduction

performances. Reproduction is essential for seasonal-

calving pasture-based milk production systems, but its

impact on working hours could not be taken into

account in our results. The acquisition of solid basic data

about different cow types in different production

systems should therefore be continued in order to evalu-

ate further influencing factors – not only in terms of

cost-effectiveness, but also regarding further aspects of

sustainability like ecology or workload.

Key words: pasture, seasonal calving, dairy production,

economic efficiency, breeds.

Progetto «La mucca da pascolo e la sua genetica»:

Valutazione economica

E’ stata studiata la redditività di diversi tipi di mucche,

condotte con sistema di pascolo integrale e con parto

a fine inverno. E stato realizzato un modello di

simulazione di mandria, partendo dai dati del

progetto di ricerca «La mucca da pascolo e la sua

genetica». I risultati indicano una differenza di resa

che varia da 0 a 15 %. Non è stata evidenziata nessuna

differenza marcante tra le diverse tipologie di mucca.

Tuttavia, nel nostro modello, un’elevata produttività

lattiera per ettaro – oppure in caso di un pagamento

del latte in funzione dei contenuti in materia grassa e

proteica per ettaro – sono determinanti per la

redditività. Un’elevata produttività per ettaro può

essere ottenuta da animali con un elevato livello di

produzione lattiero individuale o attraverso un

numero maggiore di animali più piccoli e meno

produttivi. Sono state evidenziate altre differenze

relative alle diverse tipologie di mucche, tra cui il

prodotto carne e la capacità riproduttiva – elementi

essenziali per un sistema di pascolo integrale con

parto raggruppato. Ma tutte le loro conseguenze non

hanno potuto essere studiate. Per valutare l’impatto

di fattori supplementari, è necessario acquisire e

perseguire riferimenti più solidi sulle diverse tipologie

di mucche condotte con diversi sistemi di produzione.

L’impatto di questi fattori dovranno essere valutati

anche in termini di ecologia e di carico di lavoro che

sono ulteriori componenti della sostenibilità.

Page 60: Heft 7+8 Juli-August 2011

360 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 360–365, 2011

Produkte auf der Basis von Propionsäure. Propi-

onsäure ist eines der wirksamsten Mittel zur Verhin-

derung des Wachstums von Hefen, Schimmelpilzen

und Bakterien.

In zwei Versuchen wurden die beiden Konservie-

rungsmittel Schaumasil supra NK und KRONI 909.01

Stabisil im Vergleich zu einer Negativkontrolle ohne

Zusatz bei Feuchtheu im Labormassstab getestet.

E i n l e i t u n g

Um Dürrfutter ohne Verderb dauerhaft lagern zu

können, ist ein Trockensubstanz(TS)-Gehalt von min-

destens 85 % notwendig. Seit einiger Zeit werden in

der Schweiz bei Dürrfutterballen, die diesen TS-Gehalt

nicht erreicht haben, Konservierungsmittel einge-

setzt. Bei diesen Mitteln handelt es sich um chemische

Um Dürrfutter ohne Verderb lagern zu können, muss dieses genügend trocken sein. Mit dem Einsatz von wirksamen Konservierungsmitteln für Feuchtheu beim Pressen kann der Verderb verhindert werden. (Foto: ALP)

Ueli Wyss, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 1725 Posieux

Auskünfte: Ueli Wyss, E-Mail: [email protected], Tel. +41 26 407 72 14

Feuchtheu mit Konservierungsmitteln lagerfähig machen

N u t z t i e r e

Page 61: Heft 7+8 Juli-August 2011

Feuchtheu mit Konservierungsmitteln lagerfähig machen | Nutztiere

361

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 360–365, 2011

Um Dürrfutter ohne Verderb lagern zu

können, muss dieses genügend trocken sein.

Eine Alternative stellt der Einsatz von

Konservierungsmitteln für Feuchtheu beim

Pressen der Ballen dar. In zwei Versuchen

wurde die Wirksamkeit der beiden Konser-

vierungsmittel Schaumasil supra NK und

KRONI 909.01 Stabisil zur Stabilisierung von

Feuchtheu bei unterschiedlichen TS-Gehalten

geprüft. Als Negativkontrollen wurden

unbehandelte Varianten mitberücksichtigt.

Während 30 Tagen wurde kontinuierlich die

Temperatur gemessen. Vor und nach dieser

Periode wurden die TS-Gehalte und verschie-

dene weitere Parameter analysiert.

Im Gegensatz zu den Negativkontrollen

konnte durch den Zusatz von Schaumasil

supra NK sowie KRONI 909.01 Stabisil die

Erwärmung und der Verderb des Futters bei

den geprüften TS-Gehalten verhindert

werden. Aufgrund von diesen Ergebnissen

wurden die beiden Produkte Schaumasil

supra NK und KRONI 909.01 Stabisil zur

Stabilisierung von Feuchtheu bewilligt.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Das Produkt Schaumasil supra NK enthält hauptsächlich

Ammoniumpropionat. Das Produkt KRONI 909.01 Stabi-

sil besteht aus Propionsäure und Ammoniumpropionat.

Für die zwei Versuche wurde Emd (2. Schnitt – gräserrei-

cher, raigrasbetonter Bestand) auf verschiedene TS-

Gehalte angefeuchtet. Beim ersten Versuch wurde das

Konservierungsmittel Schaumasil supra NK und beim

zweiten Versuch KRONI 909.01 Stabisil gemäss den Emp-

fehlungen der Hersteller zudosiert. Die Dosierungen der

eingesetzten Produkte sind aus Tabelle 1 ersichtlich. Als

Negativkontrolle dienten Varianten ohne Zusatz. Jede

Variante wurde dreimal wiederholt.

Die Versuche wurden auf der von Meisser (2001) ent-

wickelten Versuchsanlage im Labormassstab durchge-

führt. Dabei wurde das Futter in PVC-Behälter eingefüllt

(500 g pro Behälter). Das Futter wurde in den Behältern

gepresst und wies Verdichtungen von 200 kg Frischsubs-

tanz pro m3 auf. Jeder Behälter wurde mit einer Tempera-

tursonde versehen (Abb.1). Während der Lagerdauer von

30 Tagen wurden alle 30 Minuten die Temperaturen

gemessen und aufgezeichnet. Im Ausgangsmaterial sowie

nach 30 Tagen Lagerung wurden die TS-Gehalte sowie

verschiedene chemische Parameter bestimmt.

R e s u l t a t e

Temperaturen während der Lagerung

In beiden Versuchen erwärmte sich das Dürrfutter mit

den tieferen TS-Gehalten (A + C) bei den Varianten ohne

Zusatz (Abb. 2 und 3). Sowohl mit dem Zusatz Schauma-

sil supra NK (Abb. 2) als auch mit Kroni 909.01 Stabisil

(Abb. 3) konnte bei allen drei Wiederholungen die

Erwärmung beziehungsweise die Aktivität der uner-

wünschten Mikroorganismen verhindert werden.

Beim Feuchtheu mit den höheren TS-Gehalten (B und

D) fand bei den Varianten ohne Zusatz teilweise eine

Erwärmung statt (Abb. 4 und 5). Die Erwärmung setzte

im Vergleich zum feuchteren Ausgangsmaterial in den

meisten Fällen etwas später ein und war weniger stark.

Dass sich Futter mit höheren TS-Gehalten später und

Abb. 1 | Das Feuchtheu wurde in PVC-Behälter eingefüllt und mit Hilfe von Temperatursonden wurde kontinuierlich die Temperatur gemessen. (Foto: ALP)

Versuch Futter KonservierungsmittelDosierung

pro t

1 A Schaumasil supra NK 16,2 kg

1 B Schaumasil supra NK 10,8 kg

2 C KRONI 909.01 Stabisil 9,6 kg

2 D KRONI 909.01 Stabisil 5,3 kg

Tab. 1 | Dosierungen der eingsetzten Konservierungsmittel

Page 62: Heft 7+8 Juli-August 2011

Nutztiere | Feuchtheu mit Konservierungsmitteln lagerfähig machen

362 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 360–365, 2011

weniger stark erwärmt, deckt sich mit den früheren

Untersuchungen von Meisser (2001). Auch beim Feucht-

heu mit den höheren TS-Gehalten zeigten die beiden

Produkte Schaumasil supra NK (Abb. 4) sowie Kroni

909.01 Stabisil (Abb. 5) eine gute Wirkung. Das Futter

erwärmte sich nicht.

TS-Gehalte und Rohnährstoffe

Die TS-Gehalte und die Rohnährstoffe des Futters vor der

Lagerung sind für beide Versuche in Tabelle 2 aufge-

führt. Geplant waren beim ersten Versuch TS-Gehalte

von 74 und 78 %. Effektiv wies das Futter TS-Gehalte von

75 und 78 % auf. Beim zweiten Versuch gab es Abwei-

chungen zwischen den geplanten TS-Gehalten mit 71

beziehungsweise 76 % und den effektiv erreichten Wer-

ten mit 74 und 81 %.

Die Rohnährstoffgehalte der verwendeten Futter

waren für alle Varianten nahezu identisch (Tab. 2). Alle

Futter stammen von der gleichen Parzelle, wurden auf der

Heubelüftungsanlage getrocknet und bis zur Verwendung

an einem trockenen Ort gelagert. Einzig die Zuckergehalte

waren beim Futter C und D leicht tiefer als beim Futter A

und B. Dies könnte auf die unterschiedliche Lagerdauer bis

zur Verwendung des Futters zurückzuführen sein.

Während der 30-tägigen Lagerung des angefeuchte-

ten Futters bildete sich durch den Verderb bei den feuch-

teren, unbehandelten Varianten Wasser. So waren die

TS-Gehalte nach der Lagerung bei diesen Varianten tie-

fer als beim angefeuchteten Ausgangsmaterial. Bei den

übrigen Varianten waren die TS-Gehalte etwas höher als

im Ausgangsmaterial. Hier hat eine Nachtrocknung

stattgefunden.

Beim feuchteren Futter zeigten beide Produkte eine

gute Wirksamkeit. Hier wurde durch den Verderb bei

den unbehandelten Varianten der Zucker sehr stark

abgebaut. Durch den Einsatz von Schaumasil supra NK

(Tab. 3) beziehungsweise KRONI 909.01 Stabisil (Tab. 4)

konnte der Zuckerabbau verhindert werden. Auch beim

Anteil an unlöslichem Stickstoff am Gesamtstickstoff

zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen den

behandelten und unbehandelten Varianten. Bei den

unbehandelten Varianten waren die Werte grösser als

5 %, was auf einen Denaturierungsprozess des Proteins

hindeutet. Nach Weiss et al. (1992) nimmt die Verdau-

lichkeit des Rohproteins mit zunehmendem Anteil an

unlöslichem Stickstoff am Gesamtstickstoff ab.

Beim trockeneren Futter gab es beim ersten Versuch

nur beim Rohproteingehalt signifikante Unterschiede

1. Versuch 2. Versuch

Futter A Futter B Futter C Futter D

TS-Gehalt % 74,9 77,8 73,8 81,0

Rohasche g/kg TS 102 101 111 93

Rohprotein g/kg TS 211 204 209 202

Rohfaser g/kg TS 227 225 225 239

Zucker g/kg TS 186 190 170 176

ADF g/kg TS 247 246 241 254

NDF g/kg TS 448 444 470 494

NADF/T-N % 2,7 2,6 2,8 2,2

Tab. 2 | LTS-Gehalte und Rohnährstoffe des Ausgangsmaterials

ADf: Lignozellulose; nDf: zellwändenADf/T-n: Anteil unlöslicher stickstoff am gesamtstickstoff.

-1,0 0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0

10,0 11,0 12,0 13,0 14,0 15,0 16,0 17,0 18,0 19,0 20,0

0 48 96 144 192 240 288 336 384 432 480 528 576 624 672

Tem

pera

turd

iffer

enz,

°C

Erhebungsdauer, Stunden

Ohne Zusatz - 1. Probe

Ohne Zusatz - 2. Probe

Ohne Zusatz - 3. Probe

Schaumasil supra NK - 1. Probe

Schaumasil supra NK - 2. Probe

Schaumasil supra NK - 3. Probe

Abb. 2 | Temperaturverlauf bei Feuchtheu ohne und mit Zusatz. (Futter A mit 75 % TS)

Page 63: Heft 7+8 Juli-August 2011

Feuchtheu mit Konservierungsmitteln lagerfähig machen | Nutztiere

363Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 360–365, 2011

Futter A Futter B

Variante Ohne ZusatzSchaumasil supra NK

SE Signifikanz Ohne ZusatzSchaumasil supra NK

SE Signifikanz

TS-Gehalt % 69,5 75,3 1,5 n.s. 79,1 80,3 1,0 n.s.

Rohasche g/kg TS 125 94 5,0 * 108 98 3,1 n.s.

Rohprotein g/kg TS 244 205 5,3 ** 217 207 1,6 *

Rohfaser g/kg TS 257 231 3,0 ** 230 228 5,7 n.s.

Zucker g/kg TS 63 185 2,7 *** 140 184 18,8 n.s.

ADF g/kg TS 310 252 3,4 *** 257 243 9,1 n.s.

NDF g/kg TS 564 469 10,2 ** 463 451 9,2 n.s.

NADF/T-N % 5,6 2,3 0,7 * 2,9 2,1 0,2 n.s.

TS-Verluste % 18,7 1,8 2,9 * 3,1 -1,3 1,9 n.s.

Tab. 3 | Chemische Parameter bei Feuchtheu nach der 30-tägigen Lagerung bei den Varianten des 1. Versuches

se: standardfehler; signifikanz: n.s.: nicht signifikant, * p < 0,05, ** p < 0,01, *** p < 0,001 ADf: Lignozellulose; nDf: zellwändenADf/T-n: Anteil unlöslicher stickstoff am gesamtstickstoff

-1,0 0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0

10,0 11,0 12,0 13,0 14,0 15,0 16,0 17,0 18,0 19,0 20,0

0 48 96 144 192 240 288 336 384 432 480 528 576 624 672

Tem

pera

turd

iffer

enz,

°C

Erhebungsdauer, Stunden

Ohne Zusatz - 1. Probe

Ohne Zusatz - 2. Probe

Ohne Zusatz - 3. Probe

Kroni 909.01 Stabisil - 1. Probe

Kroni 909.01 Stabisil - 2. Probe

Kroni 909.01 Stabisil - 3. Probe

Abb. 3 | Temperaturverlauf bei Feuchtheu ohne und mit Zusatz. (Futter C mit 74 % TS)

-1,0

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

7,0

8,0

9,0

10,0

0 48 96 144 192 240 288 336 384 432 480 528 576 624 672

Tem

pera

turd

iffer

enz,

°C

Erhebungsdauer, Stunden

Ohne Zusatz - 1. Probe

Ohne Zusatz - 2. Probe

Ohne Zusatz - 3. Probe

Schaumasil supra NK - 1. Probe

Schaumasil supra NK - 2. Probe

Schaumasil supra NK - 3. Probe

Abb. 4 | Temperaturverlauf bei Feuchtheu ohne und mit Zusatz. (Futter B mit 78 % TS)

Page 64: Heft 7+8 Juli-August 2011

364

Nutztiere | Feuchtheu mit Konservierungsmitteln lagerfähig machen

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 360–365, 2011

(Tab. 3). Beim zweiten Versuch konnten keine signifikan-

ten Unterschiede zwischen den unbehandelten und

behandelten Varianten (Tab. 4) festgestellt werden.

Doch auch hier waren die Zuckergehalte bei den unbe-

handelten Varianten tiefer als bei den behandelten. Der

Anteil an unlöslichem Stickstoff am Gesamtstickstoff lag

bei allen Varianten klar unter 5 %.

TS-Verluste

Der Feuchtegehalt des Futters und der Zusatz der Kon-

servierungsmittel wirkte sich stark auf die TS-Verluste

aus. Die Verluste waren beim Futter mit 75 % TS bei den

unbehandelten Varianten mit 18,7 und 17,4 % bedeu-

tend höher als bei den behandelten Varianten mit 1,8

und 2,0 %. Beim trockeneren Futter waren die Unter-

schiede bei den TS-Verlusten zwischen den unbehandel-

ten und behandelten Varianten wesentlich geringer und

nicht signifikant unterschiedlich (Tab. 3 und 4).

Sensorische Einschätzung

Bei der sensorischen Einschätzung des Futters zeigte sich,

dass, die unbehandelten Varianten des feuchteren Fut-

ters A und C total verschimmelt waren und einen starken

Ammoniakgeruch aufwiesen (Abb. 6). Das Futter musste

als verdorben und nicht mehr fütterungstauglich einge-

stuft werden. Hier zeigten die beiden Produkte Schau-

masil supra NK und Kroni 909.01 Stabisil eine gute Wirk-

samkeit. Das Futter war nicht verschimmelt.

Das unbehandelte, trockenere Futter (B und D) wies

teilweise verschimmelte Partien auf. Auch hier ver-

mochte der Einsatz der beiden Konservierungsmittel die

Verschimmelung zu verhindern.

Futter C Futter D

Variante Ohne ZusatzKRONI 909.01

StabisilSE Signifikanz Ohne Zusatz

KRONI 909.01 Stabisil

SE Signifikanz

TS-Gehalt % 71,6 77,2 1,6 n.s. 81,8 82,9 1,1 n.s.

Rohasche g/kg TS 148 98 8,2 * 106 100 3,7 n.s.

Rohprotein g/kg TS 246 213 1,6 *** 217 210 2,9 n.s.

Rohfaser g/kg TS 251 232 7,4 n.s. 238 225 6,1 n.s.

Zucker g/kg TS 64 178 2,5 *** 138 179 15,3 n.s.

ADF g/kg TS 309 256 2,2 *** 264 249 8,0 n.s.

NDF g/kg TS 545 483 18,0 n.s. 499 472 15,1 n.s.

NADF/T-N % 5,4 1,4 0,6 * 2,7 1,9 0,3 n.s.

TS-Verluste % 17,4 2,0 3,2 * 4,5 2,6 2,1 n.s.

Tab. 4 | Chemische Parameter bei Feuchtheu nach der 30-tägigen Lagerung bei den Varianten des 2. Versuches

se: standardfehler; signifikanz: n.s.: nicht signifikant, * p < 0,05, ** p < 0,01, *** p < 0,001 ADf: Lignozellulose; nDf: zellwände nADf/T-n: Anteil unlöslicher stickstoff am gesamtstickstoff

-1,0

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

7,0

8,0

9,0

10,0

0 48 96 144 192 240 288 336 384 432 480 528 576 624 672

Tem

pera

turd

iffer

enz,

°C

Erhebungsdauer, Stunden

Ohne Zusatz - 1. Probe

Ohne Zusatz - 2. Probe

Ohne Zusatz - 3. Probe Kroni 909.01 Stabisil - 1. Probe

Kroni 909.01 Stabisil - 2. Probe

Kroni 909.01 Stabisil - 3. Probe

Abb. 5 | Temperaturverlauf bei Feuchtheu ohne und mit Zusatz. (Futter D mit 81 % TS)

Page 65: Heft 7+8 Juli-August 2011

365

Feuchtheu mit Konservierungsmitteln lagerfähig machen | Nutztiere

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 360–365, 2011

Ria

ssu

nto

Sum

mar

yConservazione del fieno umido

mediante prodotti di conservazione

Affinché il foraggio secco si conservi

senza deteriorarsi, è necessario che esso

sia sufficientemente asciutto. In alterna-

tiva, possono essere utilizzati agenti

conservanti per fieno umido in fase di

pressatura delle balle. Sono state

condotte due prove per testare l'effica-

cia di due prodotti, Schaumasil supra NK

e KRONI 909.01 Stabisil, per la stabilizza-

zione di fieno umido con differenti

tenori in SS. Quale controllo negativo

sono state utilizzate varianti non

trattate.

Durante 30 giorni si è continuamente

misurato la temperatura. I tenori in SS e

diversi altri parametri sono stati rilevati

e analizzati prima e dopo tale periodo.

A differenza del controllo negativo, per i

tenori in SS valutati con Schaumasil

supra NK e KRONI 909.01 Stabisil, si

sono potuti evitare il riscaldamento e il

deterioramento del fieno. Considerati

detti risultati, entrambi i prodotti per la

stabilizzazione del fieno sono stati

omologati.

Literatur b Meisser M., 2001. Konservierung von Feuchtheu. Agrarforschung 8 (2), 87–92.

b Weiss W.P., Conrad H.R. & St. Pierre N.R., 1992. A theoretically-based model for predicting total digestible nutrient values of forages and con-centrates. Anim. Feed Sci. Technol. 39, 95–110.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

•• Dürrfutter mit TS-Gehalten unter 85 % ist nicht

lagerstabil. Es erwärmt sich und verschimmelt. Je tiefer

der TS-Gehalt des Futters ist, desto stärker ist die

Erwärmung und der Zuckerabbau. Zudem nehmen der

Anteil an unlöslichem Stickstoff am Gesamtstickstoff

und die TS-Verluste zu.

•• Durch den Einsatz der beiden Konservierungsmittel

Schaumasil supra NK und KRONI 909.01 Stabisil

konnte die Erwärmung und der Verderb des Futters

verhindert werden. n

Preservation of moist hay with preservatives

In order to be able to stock hay without

spoilage, it must be dry enough. The use of

preservatives / additives at baling of moist

hay is an alternative. In two trials, the

efficacy of two products, Schaumasil supra

NK and KRONI 909.01 Stabisil, was investi-

gated with hay with different dry matter

contents. As negative control, variants

without additives were tested.

During a period of 30 days, hay temperature

was continuously controlled. Before and

after this period, the dry matter contents

and different parameters were analysed.

In contrast to the control variants without

additives, the two additives Schaumasil

supra NK and KRONI 909.01 Stabisil pre-

vented the heating up and the spoilage

of the hay with the different dry matter

contents.

Due to these investigations, the two

products Schaumasil supra NK and KRONI

909.01 Stabisil were authorized for the

stabilization of moist hay.

Key words: hay, preservation, additives.

Abb. 6 | Nach der 30-tägigen Versuchsperiode war das Futter mit 75 % TS der unbehandelten Varianten verschimmelt und wies einen starken Ammoniakgeruch auf. (Foto: ALP)

Page 66: Heft 7+8 Juli-August 2011

366

P o r t r ä t

Ruedi Schwärzel arbeitet seit 1987 als wissenschaftlicher

Mitarbeiter bei ACW Changins (Gruppe Brotgetreide,

Ölpflanzen, Kartoffeln). Er liebt Herausforderungen,

Veränderungen und die Suche nach praktischen Lösun-

gen zu Problemen. Diese Charakterzüge, verbunden mit

einer grossen Gewieftheit, viel Energie sowie einer viel-

seitigen Berufserfahrung haben ihn über all die Jahre in

diverse Länder auf der ganzen Welt geführt, sei dies im

Rahmen von kurzen Expertenmissionen mit dem IKRK,

dem DEZA, der FAO, den Vereinten Nationen oder der

Caritas. Ruedi Schwärzel hat von Bolivien über Azerbaïd-

jan, Akazien, Nagrony Karabakh, Bosnien-Herzegovina,

Nordkorea oder Tadjikistan bis nach Russland an zahl-

reichen Projekten mitgewirkt, die sich mit einer qualita-

tiv hochwertigen Produktion von Kartoffeln in von

Armut und Krieg geschwächten Regionen befassten.

Dazu gehörten menschliche, technische, wissenschaftli-

che und manchmal tragische und unglaubliche Erleb-

nisse: In Bolivien steckte er kurze Zeit im Gefängnis,

flüchtete mit behelfsmässigen Mitteln quer durch Brasi-

lien, in Bosnien-Herzegowina litt er während des Rama-

dans und der Lebensmittelknappheit unter Kälte und

Hunger.

Sein Einsatz in Nordkorea hat ihn bestimmt am

stärksten geprägt. Zwischen 1998 und 2004 bereiste er

das Land elf Mal. Der Wissenschaftler freut sich darüber,

dass es dank dieser Besuche möglich war, auf einem

Modellbetrieb von 10 000 ha eine qualitativ hochwer-

tige Produktion von Pflanzgut zu ermöglichen und die

Produktivität deutlich zu steigern. Während seinen Auf-

enthalten haben sich zahlreiche nordkoreanische Land-

wirte und Verantwortliche verschiedener Regionen

davon inspirieren lassen.

Sein Interesse für die Landwirtschaft, die Versuche

und den Wissenstransfer hat Ruedi Schwärzel zweifellos

von seinem Grossvater mütterlicherseits geerbt, mit dem

er in seiner Kindheit viel Zeit auf dem Familienbauern-

hof in der Ostschweiz verbrachte. Dieser Grossvater mit

Schweizer Vorfahren, der wie seine Grosseltern in Russ-

land geboren wurde, flüchtete in seiner Jugend vor den

Bolschewiken in die Schweiz und führte unzählige Ver-

suche mit Bienen, Hühnern, Enten, Ziegen, Kühen sowie

im Bereich der Veredelung durch.

Ruedi Schwärzel wurde nach mehreren Ausbildun-

gen und Berufserfahrungen auf dem Gebiet der Land-

wirtschaft, des Weinbaus und des Gemüsebaus in

Changins angestellt. Seither hat er zusammen mit ver-

schiedenen Forschern an zahlreichen Projekten, Sorten-

versuchen, Zertifizierungen, Krankheitsstudien usw. teil-

genommen. So war er beispielsweise an der Einführung

von Soja, in der Schweiz beteiligt. Danach konzentrierte

er sich auf sämtliche Arbeiten im Zusammenhang mit der

Zertifizierung von Kartoffelpflanzgut und beteiligte sich

an der Weiterentwicklung des ELISA-Labors oder der

Entwicklung von Vorstufenpflanzgut aus In-vitro-Kultur

in insektendichter Umgebung. Er trug ausserdem zur

Erforschung oder Entwicklung verschiedener Maschinen

bei wie beispielsweise einer Vorrichtung zur Zählung der

Samen oder Knollen, einer Druckluftpumpe für Kraut-

vernichtungsversuche, einer Mikroknollen-Setzmaschine,

Roboter für Elisa-Knollentest usw.

Heute teilt Ruedi Schwärzel seine Zeit zwischen den

Sortenversuchen für Brotgetreide und der Sortenprü-

fung von Kartoffeln auf, die er in enger Zusammen-

arbeit mit den Branchenorganisationen swiss granum

und swisspatat durchführt. Gemäss seinen Aussagen

schätzt er besonders die Vielseitigkeit seiner Arbeit, den

Kontakt zu allen Stufen eines Kulturzweiges sowie die

Möglichkeit, Ideen zu entwickeln und einen Teil davon

umzusetzen. Ruedi Schwärzel ist Vater von zwei erwach-

senen Kindern. Seine Frau bezeichnet er als ausserge-

wöhnlich, weiss sie doch, ihn zu unterstützen und seine

Ambitionen zu kanalisieren!

Sibylle Willi, Agrarforschung Schweiz, 1260 Nyon

Weltweit anerkannter Kartoffelexperte

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 366, 2011

Ruedi Schwärzel, Agroscope Changins-Wädenswil ACW.

Page 67: Heft 7+8 Juli-August 2011

367

A k t u e l l

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 367–371, 2011

Genuss durch Sicherheit

Agroscope Jahresbericht 2010

Diesen Titel setzte Manfred Bötsch, damals noch Vorsit-

zender der Geschäftsleitung Agroscope, über das Vor-

wort zum Agroscope Jahresbericht 2010, der Anfang

Juni erschien. Agroscope zeigt, was sie unternimmt, um

sichere und qualitativ hochstehende Lebensmittel

schweizerischer Herkunft zu garantieren. Zu erwähnen

ist zum Beispiel der Kampf gegen Mykotoxine oder der

Nachweis der giftigen Pyrrolizidinalkaloide. Agroscope

beschäftigt sich auch mit Fragen, wie denn Obst oder

Salami schmecken sollen, damit diese Produkte den Kun-

den gefallen. Die Agroscope Forschungsprogramme stel-

len ihrerseits dar, welchen Beitrag sie für sichere,

gesunde und geschmackvolle Lebensmittel leisten, seien

dies attraktive Produktionsalternativen für das Bergge-

biet oder eine verbesserte Bioverfügbarkeit von Caroti-

noiden. Eine Übersicht über die Tätigkeit in sämtlichen

Forschungsbereichen, ein Blick auf die problemorien-

tierte Systemforschung sowie Finanz- und Kennzahlen

runden den Bericht ab.

Anton Stöckli, Bundesamt für Landwirtschaft

Bestellungen an: [email protected]

Schweizerische EidgenossenschaftConfédération suisseConfederazione SvizzeraConfederaziun svizra

EidgenössischesVolkswirtschaftsdepartement EVDAgroscope

Jahresbericht 2010

N e u e P u b l i k a t i o n e n

Page 68: Heft 7+8 Juli-August 2011

368 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 367–371, 2011

N e u e P u b l i k a t i o n e n

Mutterkühe betreuen, sicher fixieren, treibenund verladen

ART-Bericht 741

Der Umgang mit Mutterkühen ist nicht ungefährlich

und bedarf viel Erfahrung seitens jener Person, welche

die Tiere betreut. Dabei helfen die Kenntnis über

bestimmte Verhaltensweisen der Tiere, eine regelmäs-

sige Tierbeobachtung, die Gewöhnung der Tiere an die

Betreuungsperson sowie ruhiges, bestimmtes Verhalten.

Alle diese Faktoren gestalten die Arbeit mit den Tieren

sicherer. In der Mutterkuhhaltung kann eine geringe

Betreuungsintensität dazu führen, dass die Tiere dem

Menschen gegenüber scheuer sind. Bei den notwendi-

gen Betreuungsmassnahmen besteht so ein erhöhtes

Unfallrisiko für Mensch und Tier. Das Ziel dieser Studie

war, eine Standortbestimmung derMutterkuhhaltung in

der Schweiz vorzunehmen, Problemsituationen zu

erkennen und geeignete Empfehlungen abzuleiten. Das

Hauptaugenmerk galt den kritischen Punkten und

Gefahren bei der Betreuung und Behandlung von Mut-

terkuhherden. 271 Betriebe mit Mutterkuhhaltung nah-

men an einer schriftlichen Umfrage teil. Schwierig

durchzuführende Arbeitssituationen und Verletzungen

von Mensch und Tier kamen vor allem beim Abtrennen,

Verladen und Fixieren von Tieren vor. Auf der Weide

waren nur selten technische Einrichtungen für diese

Arbeiten vorhanden. So müssen die Tiere für Betreu-

ungsmassnahmen oft eigens eingestallt werden. Zwar

besassen 80 % der Betriebe Fixiermöglichkeiten am

Fressbereich, doch waren damit Problemsituationen

nicht immer vermeidbar. Um Tiere sicher treiben, fangen

und behandeln zu können, sind Treibgänge zur Kanali-

sierung der Tiere und Fangeinrichtungen unerlässlich. Je

nach Betrieb ist die Installation solcher Einrichtungen

stationär an einem Ort oder mobil an unterschiedlichen

Orten sinnvoll. Mobile Anlagen besitzen den grossen

Vorteil, dass sie sowohl im Stall als auch auf der Weide

einsetzbar sind. Ebenso erlauben sie eine überbetriebli-

che Nutzung. Solche Einrichtungen sind in die Planung

und Betriebsorganisation zu integrieren.

Michael Zähner, Beat Steiner und Margret Keck, ART,

Franziska Klarer, Winterthur

Impressum

Herausgeber:Forschungsanstalt AgroscopeReckenholz-Tänikon ARTTänikon, CH-8356 Ettenhausen,Redaktion: Etel Keller, ART

Die ART-Berichte/Rapports ARTerscheinen in rund 20 Nummernpro Jahr. JahresabonnementFr. 60.–. Bestellung von Abonne-ments und Einzelnummern:ART, Bibliothek, 8356 EttenhausenT +41 (0)52 368 31 31F +41 (0)52 365 11 [email protected]: www.agroscope.ch

ISSN 1661-7568

ART-Bericht 741

Mutterkühe betreuen, sicher fixieren, treibenund verladen

Autorinnen und Autoren

Michael Zähner, Beat Steiner,Margret Keck, ART,[email protected] Klarer,CH-8400 Winterthur

Januar 2011

Der Umgang mit Mutterkühen ist nichtungefährlich und bedarf viel Erfahrungseitens jener Person, welche die Tierebetreut. Dabei helfen die Kenntnis überbestimmte Verhaltensweisen der Tiere,eine regelmässige Tierbeobachtung, dieGewöhnung der Tiere an die Betreuungs­person sowie ruhiges, bestimmtes Verhal­ten. Alle diese Faktoren gestalten dieArbeit mit den Tieren sicherer.In der Mutterkuhhaltung kann eine ge­ringe Betreuungsintensität dazu führen,dass die Tiere dem Menschen gegenüberscheuer sind. Bei den notwendigen Betreu­ungsmassnahmen besteht so ein erhöhtesUnfallrisiko für Mensch und Tier. Das Zieldieser Studie war, eine Standortbestim­mung der Mutterkuhhaltung in der Schweiz

vorzunehmen, Problemsituationen zu er­kennen und geeignete Empfehlungen ab­zuleiten. Das Hauptaugenmerk galt denkritischen Punkten und Gefahren bei derBetreuung und Behandlung von Mutter­kuhherden.271 Betriebe mit Mutterkuhhaltung nah­men an einer schriftlichen Umfrage teil.Schwierig durchzuführende Arbeitssituati­onen und Verletzungen von Mensch undTier kamen vor allem beim Abtrennen,Verladen und Fixieren von Tieren vor. Aufder Weide waren nur selten technischeEinrichtungen für diese Arbeiten vorhan­den. So müssen die Tiere für Betreuungs­massnahmen oft eigens eingestallt wer­den. Zwar besassen 80 % der BetriebeFixiermöglichkeiten am Fressbereich, doch

Titelfoto: An Betreuungspersonen gewöhnte Tiere lassen sich einfacher treiben (Fotos:ART).

Aktuell

Page 69: Heft 7+8 Juli-August 2011

369Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 367–371, 2011

ART-Bericht 744

Der Bundesrat hat kürzlich die Vernehmlassung zur Agrar-

politik 2014 bis 2017 (AP 14–17) eröffnet. Kernelement der

Vorlage ist die Weiterentwicklung des Direktzahlungssys-

tems. Die durch die Landwirtschaft bereitgestellten öffentli-

chen Leistungen sollen zielgerichteter gefördert werden. In

diesem ART-Bericht werden Ergebnisse der Optimierungs-

modelle SILAS und SWISSland zu den erwarteten Auswir-

kungen eines solchen Systemwechsels zusammengefasst.

Bereits bei konstanter Politik (Referenzszenario) würde der

gesamte Tierbestand (GVE) bis 2017 um vier Prozent abneh-

men. Mit der Umlagerung der heutigen Tierbeiträge in flä-

chenbezogene Versorgungssicherheitsbeiträge wäre der

Rückgang doppelt so hoch. Trotzdem würde die Milchpro-

duktion infolge von Leistungssteigerungen auch nach 2013

noch ganz leicht zunehmen, während bei der Rindfleisch-

produktion mit einemRückgang um vier Prozent zu rechnen

wäre. Im Gegenzug nähme die Getreideproduktion nach

2013 nochmals um fünf Prozent zu. Insgesamt würde sich

die Kalorienproduktion mit der AP 14–17 kontinuierlich

erhöhen, wenn auch leicht geringer als unter Beibehaltung

der heutigen Politik. Aufgrund der höheren Anreize für

ökologische Leistungen sagen die Modelle gegenüber der

Referenz einen Anstieg der ökologischen Ausgleichsflächen

um 13 Prozent voraus. Der sinkende Trend beim Sektorein-

kommen kann mit der Umsetzung der AP 14–17 gestoppt

werden. Der Strukturwandel wird durch das neue System

leicht beeinflusst. Das durc schnittliche landwirtschaftliche

Einkommen wird nach den Modellprognosen im Jahr 2017

13 Prozent über dem derzeitigen Einkommen liegen. Der

Einkommensanstieg ist mit der AP 14–17 rund sechs Pro-

zentpunkte stärker als im Referenzszenario.

Albert Zimmermann, Anke Möhring, Gabriele Mack, Stefan Mann,

Ali Ferjani und Maria-Pia Gennaio, ART

ART-Bericht 744

Die Auswirkungen eines weiterentwickeltenDirektzahlungssystemsModellberechnungen mit SILAS und SWISSland

Autorinnen und Autoren

Albert Zimmermann,Anke Möhring, Gabriele Mack,Stefan Mann,Ali Ferjani,Maria-Pia Gennaio,[email protected]

Impressum

Herausgeber:Forschungsanstalt AgroscopeReckenholz-Tänikon ARTTänikon, CH-8356 Ettenhausen,Redaktion: Etel Keller,ART

Die ART-Berichte/Rapports ARTerscheinen in rund 20 Nummernpro Jahr. JahresabonnementFr. 60.–. Bestellung von Abonne-ments und Einzelnummern:ART, Bibliothek, 8356 EttenhausenT +41 (0)52 368 31 31F +41 (0)52 365 11 [email protected]: www.agroscope.ch

ISSN 1661-7568

Der Bundesrat hat kürzlich die Vernehm-lassung zur Agrarpolitik 2014 bis 2017 (AP14–17) eröffnet. Kernelement der Vorlageist die Weiterentwicklung des Direktzah-lungssystems. Die durch die Landwirt-schaft bereitgestellten öffentlichen Leis-tungen sollen zielgerichteter gefördertwerden. In diesem ART-Bericht werdenErgebnisse der OptimierungsmodelleSILAS und SWISSland zu den erwartetenAuswirkungen eines solchen Systemwech-sels zusammengefasst.Bereits bei konstanter Politik (Referenz-szenario) würde der gesamte Tierbestand(GVE) bis 2017 um vier Prozent abnehmen.Mit der Umlagerung der heutigen Tierbei-träge in flächenbezogene Versorgungs-sicherheitsbeiträge wäre der Rückgangdoppelt so hoch. Trotzdem würde dieMilchproduktion infolge von Leistungs-steigerungen auch nach 2013 noch ganzleicht zunehmen, während bei der Rind-fleischproduktion mit einem Rückgang umvier Prozent zu rechnen wäre.

Im Gegenzug nähme die Getreideproduk-tion nach 2013 nochmals um fünf Prozentzu. Insgesamt würde sich die Kalorienpro-duktion mit der AP 14–17 kontinuierlicherhöhen, wenn auch leicht geringer alsunter Beibehaltung der heutigen Politik.Aufgrund der höheren Anreize für ökolo-gische Leistungen sagen die Modellegegenüber der Referenz einen Anstieg derökologischen Ausgleichsflächen um 13Prozent voraus. Der sinkende Trend beimSektoreinkommen kann mit der Umset-zung der AP 14–17 gestoppt werden.Der Strukturwandel wird durch das neueSystem leicht beeinflusst. Das durch-schnittliche landwirtschaftliche Einkom-men wird nach den Modellprognosen imJahr 2017 13 Prozent über dem derzeitigenEinkommen liegen. Der Einkommensan-stieg ist mit der AP 14–17 rund sechs Pro-zentpunkte stärker als im Referenzszenario.

Der Getreideanbau wird sich um 12 Prozent ausdehnen (Fotos: ART).

Aktuell

Impressum

Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART

Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonne-ments und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 EttenhausenT +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 [email protected]: www.agroscope.ch

ISSN 1661-7568

ART-Bericht 742

Kälberaufzucht optimieren

Management rund um die Geburt, Tierbeobachtung und Fütterung sind wichtige Bausteine

Autorinnen

Beatrice A. Roth und Edna Hillmann, Verhalten, Gesundheit & Tierwohl, ETH Zürich, CH-8092 ZürichNina M. Keil, Bundesamt für Veterinärwesen, Zentrum für tiergerechte Haltung: Wiederkäuer und Schweine, ARTE-Mail: [email protected]

Februar 2011

Die Aufzucht von Kälbern ist eine anspruchsvolle Aufgabe: Kälber sind rela-tiv krankheitsanfällig, und für ihre spätere Verwendung müssen sie aus wirtschaftli-chen Gründen möglichst schnell auf die Wiederkäuerernährung umgestellt wer-den. Ergebnisse einer Fallstudie und von experimentellen Untersuchungen an der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART zeigen, dass eine aufmerk-same Betreuung und eine angepasste Füt-terung bereits vielen Problemen vorbeu-gen können. Wichtig sind zunächst die

optimale Versorgung des Kalbes mit Kolos-trum und eine gute Hygiene zur Senkung des Keimdrucks. Eine auf das Einzeltier abgestimmte Fütterung von Milch und Kraftfutter verbessert die Zunahmen, senkt das Absetzalter und reduziert auch das gegenseitige Besaugen. Um kranke Kälber möglichst früh zu erkennen, kann die Festfutteraufnahme als wertvolle Informationsquelle genutzt werden. Ein tägliches und aufmerksames Beobachten ist dabei unabdingbar.

Abb. 1: Für die erfolgreiche Kälberaufzucht ist eine an die Bedürfnisse der Kälber angepasste Fütterung von grosser Bedeutung (Fotos: ART).

Die Auswirkungen eines weiterent-wickelten Direkt-zahlungssystems

Kälberaufzucht optimieren

ART-Bericht 742

Die Aufzucht von Kälbern ist eine anspruchsvolle Auf-

gabe: Kälber sind relativ krankheitsanfällig, und für ihre

spätere Verwendung müssen sie aus wirtschaftlichen

Gründen möglichst schnell auf die Wiederkäuerernäh-

rung umgestellt werden. Ergebnisse einer Fallstudie

und von experimentellen Untersuchungen an der For-

schungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART zei-

gen, dass eine aufmerksame Betreuung und eine ange-

passte Fütterung bereits vielen Problemen vorbeugen

können. Wichtig sind zunächst die optimale Versorgung

des Kalbes mit Kolostrum und eine gute Hygiene zur

Senkung des Keimdrucks. Eine auf das Einzeltier abge-

stimmte Fütterung von Milch und Kraftfutter verbessert

die Zunahmen, senkt das Absetzalter und reduziert

auch das gegenseitige Besaugen. Um kranke Kälber

möglichst früh zu erkennen, kann die Festfutterauf-

nahme als wertvolle Informationsquelle genutzt wer-

den. Ein tägliches und aufmerksames Beobachten ist

dabei unabdingbar.

Beatrice A. Roth und Edna Hillmann, Verhalten, Gesundheit & Tierwohl,

ETH Zürich

Page 70: Heft 7+8 Juli-August 2011

370

M e d i e n m i t t e i l u n g e n

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen

Aktuell

M e d i e n m i t t e i l u n g e n

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 367–371, 2011

19.06.2011 / ALP Nutri11 – 11 000 Besucher in Posieux Der zum ersten Mal durchgeführte Mega-Anlass Nutri11

ging am Sonntag 19. Juni 2011 zu Ende und war eine

eindrückliche Demonstration der Kompetenz im Bereich

landwirtschaftlicher Forschung und Lehre am Standort

Posieux. Die Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-

Posieux ALP-Haras, das Landwirtschaftliche Institut

Grangeneuve, die Hochschule für Landwirtschaft SHL

und die Vetsuisse Fakultät der Universität Bern zeigten

an dem gemeinsam organisierten Anlass, anschaulich

wie sich ihre Arbeitsfelder gegenseitig ergänzen und

wie sie einen Beitrag zu einer gesunden Ernährung der

Gesellschaft leisten.

16.06.2011 / ARTGiftige Kreuzkräuter effektiv bekämpfen Kreuzkräuter breiten sich seit zehn Jahren vermehrt im

Schweizer Grasland aus. Sie können zu schweren Vergif-

tungen bei Nutztieren führen und müssen deshalb ein-

gedämmt werden. Doch sind die Pflanzen erst einmal

auf einer Wiese angekommen, wird man sie nur schwer

wieder los. Die Forschungsanstalt Agroscope Recken-

holz-Tänikon ART hat in Zusammenarbeit mit der

Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaues

AGFF untersucht, welche Bekämpfungsmassnahmen am

wirkungsvollsten sind.

14.06.2011 / SNG«Donnerstags im Gestüt»; der Sommeranlass im Schweizerischen Nationalgestüt SNG Zum vierten Mal organisiert das Schweizerische Natio-

nalgestüt SNG an drei Donnerstagnachmittagen Vorfüh-

rungen, die am 21. Juli sowie am 4. und 18. August statt-

finden. Wie in den Vorjahren werden wiederum

Pferdevorführungen und der Besuch der Werkstätten

auf dem Programm stehen.

10.06.2011 / ACWRekordbeteiligung an erster nationaler Edelbrand-Prämierung von Distisuisse Am 9. und 10. Juni fand die erste nationale Edelbrand-

Prämierung der Distisuisse in Bern statt. Experten der

Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW

haben die zwanzig Verkoster trainiert, die in der Folge in

einem Degustations-Marathon alle 410 Edelbrand-Pro-

ben beurteilten. Welche Brenner die begehrten Aus-

zeichnungen «Edelbrand des Jahres» und «Goldbrenner

des Jahres» erhalten, wird im Herbst bekannt gegeben.

Diese Prämierung soll mithelfen, die Qualität der Schwei-

zer Edelbrände weiter zu steigern.

27.05.2011 / ACWErdmandelgras – Handeln, bevor es zu spät ist Die Herkunft von Erdmandelgras ist ungewiss. Heute ist

diese Pflanzenart auf der ganzen Welt verbreitet. In

Europa ist sie vermutlich mit Gladiolen-Zwiebeln einge-

schleppt worden. Seit längerer Zeit tritt diese invasive

Pflanze im Tessin, in der Chablais-Region und in der

Orbeebene auf, aber auch in den Kantonen Bern, Zürich

und St. Gallen. Die Pflanze gilt als landwirtschaftliches

Unkraut mit hohem Vermehrungspotenzial. Anstatt

durch Samen vermehrt es sich durch zahlreiche erbsen-

grosse Knöllchen im Boden. Diese werden mit landwirt-

schaftlichen Maschinen schnell weiterverbreitet. Im

Zuge der intensiveren Landnutzung ist es derzeit auch

nördlich der Alpen auf dem Vormarsch. Das Problem:

Erdmandelgras ist in vielen landwirtschaftlichen Kultu-

ren noch nicht bekämpfbar. Die Forschungsanstalt Agro-

scope Changins-Wädenswil ACW führt daher in diversen

Regionen der Schweiz Feldversuche durch, um Metho-

den zur direkten Bekämpfung von Erdmandelgras zu

finden. Bereits klar ist: Mittels optimaler Fruchtfolge

und vorbeugender Massnahmen können Teilerfolge

erzielt werden.

26.05.2011 / ART und AGRIDEABäume zurück aufs Feld Bäume verschwinden mehr und mehr von bewirtschafte-

ten Wiesen und Äckern. Dabei ist die Kombination von

Forst- und Ackerbau nicht nur umweltfreundlich, son-

dern kann sogar rentabel sein. Um Nutzen und Vorteile

bekannter zu machen, haben die Forschungsanstalt

Agroscope Reckenholz-Tänikon ART und AGRIDEA nun

die Interessengemeinschaft «Agroforst» gegründet.

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen

Page 71: Heft 7+8 Juli-August 2011

Aktuell

371

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 367–371, 2011

V e r a n s t a l t u n g e n

August 2011

20.08.2011Güttingertagung 2011Agroscope Changins-Wädenswil ACW und BBZ ArenenbergVersuchsbetrieb Güttingen, Güttingen TG

30.08. – 02.09.2011EAAE 2011 Congress XIIIth Congress of the European Association of Agricultural EconomistAgroscope Reckenholz-Tänikon ART und IED-ETHETH Zürich Hauptgebäude

September 2011

02.09.2011Fachtagung – Systemvergleich MilchproduktionBBZN Hohenrain, SHL, ART, ALP, SMP, ZMP, lawa Luzern, AGFF und Profi-LaitBBZN Hohenrain

07.09.2011Feldtagung – Systemvergleich MilchproduktionBBZN Hohenrain, SHL, ART, ALP, SMP, ZMP, lawa Luzern, AGFF und Profi-LaitBBZN Hohenrain

15.09.201134. Informationstagung AgrarökonomieAgroscope Reckenholz-Tänikon ARTTänikon, Ettenhausen TG

15.- 18.09.2011Equus helveticusSchweizerisches Nationalgestüt SNGAvenches

29.09.2011ALP-Tagung 2011Agroscope Liebefeld-Posieux ALPPosieux

I n t e r n e t l i n k s

Oeschger-Zentrum für Klima- und Klima-folgenforschung

www.oeschger.unibe.ch

Das Oeschger Centre for Climate Change Research ist das

Kompetenzzentrum der Universität Bern für Klimafor-

schung. Es wurde im Sommer 2007 gegründet und trägt

den Namen von Hans Oeschger (1927-1998), einem Pio-

nier der modernen Klimaforschung, der in Bern tätig war.

Die Universität Bern ist der Sitz des Nationalen For-

schungsschwerpunkts Klima. Unter anderem werden

die Auswirkungen des Klimawandels auf wichtige Land-

ökosysteme, aber auch auf Wirtschaft und Gesellschaft

erforscht.

September 2011 / Heft 9

•• Einfluss von organischer und mineralischer Düngung

auf die Nährstoffauswaschung, Ernst Spiess et al. ART

•• Freilandversuche mit gentechnisch verändertem

Weizen mit Mehltauresistenz, Andrea Foetzki et al.

ART

•• Viruskrankeiten beim Schweizer Raps,

Carole Balmelli ACW

•• Mikrobielle Rapsglanzkäferbekämpfung: Erste

Erfahrungen aus der Schweiz, Stefan Kuske et al. ART

•• Schotenklee und Esparsette: Ergebnisse der Sorten-

versuche 2008 bis 2010, Rainer Frick et al. ACW

•• Systemvergleich Milchproduktion Hohenrain:

Tierhaltung, P. Hofstetter et al. BBZ Schüpfheim

•• Systemvergleich Milchproduktion Hohenrain:

Milchqualität und Saisonalität der Milcheinlieferun-

gen, Ueli Wyss et al. ALP

•• Systemvergleich Milchproduktion Hohenrain:

Weide- oder Stallfütterung – Was ist Wirtschaftlicher?,

C. Gazzarin et al. ART

Lysimeter sind mit Boden gefüllte Gefässe, an deren Unterseite das ver-sickernde Bodenwasser aufgefangen werden kann. Die Lysimeter dienen der Erforschung des Wasser- und Stoff-haushaltes landwirtschaftlich genutz-ter Böden. In erster Linie geht es dabei um die Nährstoffauswaschung ins Sickerwasser und um den Wasserver-brauch landwirtschaftlicher Kulturen.

V o r s c h a u

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Page 72: Heft 7+8 Juli-August 2011

Donnerstag, 15. September 2011

34. Informationstagung AgrarökonomieForschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Tänikon, Ettenhausen TG

SchwerpunktthemaAgrarmonitoring (Zentrale Auswertung von Buch­haltungen und Agrarumweltmonitoring)

Weitere Themen• Mehraufwand für Qualitätsproduktion• Entwicklung Alpwirtschaft• Tiefe Milchpreise und ihre einzelbetrieblichen Folgen• Schliessen sich Ökologie und Ökonomie aus?

TagungsortForschungsanstalt Agroscope Reckenholz­Tänikon ART,Refental, Tänikon, CH­8356 Ettenhausen TG

Detailprogramm und Anmeldung:www.agroscope.ch >Veranstaltungen >Informations­tagung Agrarökonomie

Anmeldeschluss ist der 9. September 2011

Samstag, 20. August, 9.30 Uhr, Güttingen

Güttinger-Tagung 2011Versuchsbetrieb Obstbau Güttingen, BBZ ArenenbergForschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW

Referate• Begrüssung zur Güttinger-Tagung

Lukas Bertschinger, Vize-Direktor ForschungsanstaltAgroscope Changins-Wädenswil ACW

• 100 Jahre SOV – zukünftige HerausforderungenBruno Pezzatti, Direktor Schweizer Obstverband SOV

Betriebsrundgang• Feuerbrandforschung – wo stehen wir?• 10 Jahre erfolgreiche Schorfbekämpfungsstrategie• Applikationstechnik – Basis eines wirkungsvollen

Pflanzenschutzes

Infostände• Ausstellung von Applikationsgeräten für den Obstbau• Eindrucksvoller Schweizer Sortenreichtum (BEVOG II)• SOA-Betriebswirtschaft im Obstbau• Info- und Medienstand ACW

Restauration ab 8.30 Uhr

Informationen – Gespräche – Gemütlichkeit

Güttinger-Tagung – Das Treffen der Obstbranche

www.agroscope.ch

EidgenössischesVolkswirtschaftsdepartement EVDForschungsanstaltAgroscope Changins-Wädenswil ACW

Schweizerische EidgenossenschaftConfédération suisseConfederazione SvizzeraConfederaziun svizra