17
INTERNATIONALE POLITIKANALYSE TTIP, Freihandel und wirtschaftliche Entwicklung HEINER FLASSBECK Dezember 2014   Modellsimulationen, die zeigen sollen, dass ein transatlantisches Freihandelsabkom- men positive Wachstums- und Arbeitsplatzeffekte haben soll, sind mit Hilfe von Modellen errechnet, die aufgrund ihrer neoklassischen Grundstruktur genau dafür nicht geeignet sind.   Die bestehenden globalen und europäischen Ungleichgewichte im transatlantischen Handel, die sich vor allem in hohen und anhaltenden Leistungsbilanzüberschüssen Deutschlands niederschlagen, machen einen zusätzlichen Gewinn von Arbeitsplät- zen in Deutschland durch ein Freihandelsabkommen unmöglich.   Generell ist die Vorstellung, ein bilaterales Abkommen, auch ein solches zwischen großen Handelspartnern, werde Wohlstandsgewinne bringen, falsch. Wenn über- haupt, dann können nur wirklich multilaterale Lösungen die Bedingungen für den Handel verbessern. Aber auch dann muss das Währungssystem das Handelssystem ergänzen, was derzeit nicht der Fall ist.

Heiner Flassbeck 2014 - TTIP Freihandel u wirtschaftliche Entwicklung

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Heiner Flassbeck: TTIP, Freihandel und wirtschaftliche Entwicklung. Internationale Politikanalyse, 2014, Friedrich-Ebert-Stiftung: http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/11125.pdf

Citation preview

  • INTERNATIONALE POLITIKANALYSE

    TTIP, Freihandel und wirtschaftliche Entwicklung

    HEINER FLASSBECKDezember2014

    Modellsimulationen,diezeigensollen,dasseintransatlantischesFreihandelsabkom-men positiveWachstums- und Arbeitsplatzeffekte haben soll, sindmit Hilfe vonModellenerrechnet,dieaufgrundihrerneoklassischenGrundstrukturgenaudafrnichtgeeignetsind.

    DiebestehendenglobalenundeuropischenUngleichgewichteimtransatlantischenHandel,diesichvoralleminhohenundanhaltendenLeistungsbilanzberschssenDeutschlandsniederschlagen,macheneinenzustzlichenGewinnvonArbeitsplt-zeninDeutschlanddurcheinFreihandelsabkommenunmglich.

    GenerellistdieVorstellung,einbilateralesAbkommen,aucheinsolcheszwischengroenHandelspartnern,werdeWohlstandsgewinnebringen, falsch.Wennber-haupt,dannknnennurwirklichmultilateraleLsungendieBedingungenfrdenHandelverbessern.AberauchdannmussdasWhrungssystemdasHandelssystemergnzen,wasderzeitnichtderFallist.

  • 1HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    Inhalt

    1. Einfhrung: warum ein Freihandels abkommen TTIP? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

    2. Eine wissenschaftliche Begrndung fr Freihandel am Beispiel TTIP . . . . . . . . . . . 2

    3. Freihandel in der westlichen welt eine Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

    4. die deutsche Abwertungsstrategie und die transatlantischen Folgen. . . . . . . . . . 7

    5. warum schliet man ein bilaterales Abkommen in einer globalisierten wirtschaft?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

    6. Es gibt keine bilateralen Lsungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

    7. Multilaterale Kooperation ist ein Muss in einer globalisierten wirtschaft aber auf allen Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

    Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

  • 2HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    1.Einfhrung:WarumeinFreihandelsabkommenTTIP?

    Geradezuenthusiastischwurde inEuropadasAngebot

    vonPrsidentObamaaufgenommen,konkretbereine

    FreihandelszonezwischendenUSAundEuropazureden.

    EswarvonvielenArbeitspltzendieRede,diedabeige-

    schaffenwerdenknntenundvondenWachstumsmg-

    lichkeiten,diesichdadurchbten.

    Das ist nicht neu. Solche Euphorie hinsichtlich der

    positiven Wirkungen von Deregulierungen und der

    Befreiung derWirtschaft ist in vielen Fllen zu be-

    obachtengewesenundwardochseltenberechtigt.Ob

    man sich auf eine neue Liberalisierungsrunde bei der

    Welthandelsorganisation in Genf einigt, ob in Brssel

    der Europische Binnenmarkt geschaffenwird oder in

    Maastricht die EuropischeWhrungsunion, immer ist

    dasErgebnisindenKommentarenausscheinbarberufe-

    nemMundeundindenMedien,nunseimehrWachstum

    undmehrBeschftigung sicher,weil derHandel jadie

    entscheidendeQuelledesWohlstandsdarstelle.

    Besonders in Berlin warman ber das amerikanische

    Angebothocherfreut,wrdensichdochdieAnstrengun-

    gen zur Verbesserung der europischenWettbewerbs-

    fhigkeitnochstrkerauszahlen,dieinzwischenalsdie

    wichtigsteTherapieinSachenEurokriseangesehenwer-

    den.DeutschlandalsnatrlicheExportnation,sosicher

    die Erwartung bei vielen Politikern, wrde von einem

    solchenAbkommeninbesonderemMaeprofitieren.

    WerallerdingsdenzweitenSatzgrndlichliest,dender

    amerikanische Prsident bei der Verkndigung seines

    Angebots sagte, solltehellhrigwerden.Der Prsident

    ergnztenmlichdiebloeAnkndigungderVerhand-

    lungenmitdenWorten:WeilHandel,derfairundfrei

    ist,MillionengutbezahlteramerikanischerArbeitspltze

    untersttzt (zitiert nach International Herald Tribune

    vom14.2.2013).

    Im Lichte dessen kommtman nichtmehr so leicht zu

    einempositivenErgebnisfrEuropa.Denneuropische

    Versuche(nachdemVorbildDeutschlandszuBeginnder

    EuropischenWhrungsunion)dieeigeneWettbewerbs-

    fhigkeitberLohnsenkungenzuverbessern,fhrenin

    denUSAgenauzumGegenteildessen,wasderPrsident

    will.WennergutbezahlteamerikanischeJobserhalten

    undschaffenwill,kannerdasnichtineinerFreihandels-

    zonemiteinemEuropa,dasnichtsanderesimSinnhat

    als amerikanische Jobs durch eigene Billigjobsweg zu

    konkurrieren.

    Wichtig ist auch dasWort fair. Die USA haben in-

    zwischenber Jahrzehnte Jahr fr Jahr riesigeDefizite

    inderHandelsbilanz,undsiesetzeninalleninternatio-

    nalenVerhandlungendieLnderaufdieAnklagebank,

    die permanent berschsse aufweisen. Daswar lange

    ZeitChina,nunistesvermehrtDeutschland.Derletzte

    CurrencyReportdesamerikanischenFinanzministersan

    denKongresssprichthierBnde.

    NunkannausgeglichenerHandel,alsoHandel,beidem

    jederinderSummeimmersovielimportiertwieerex-

    portiert,durchausgutsein.Daswarjadieursprngliche

    IdeedesFreihandels.AuchbeiausgeglichenemHandel

    kannsichdieProduktivittallerBeteiligtenerhhen,weil

    dieVerteilungvonProduktionundEinkommeneinwenig

    effizienter wird als vorher. Allerdings gibt es schon so

    vielFreiheitdesHandelszwischendenUSAundEuropa,

    dassman die Erfolge hier an der dritten Stelle hinter

    demKommabeimProduktivittswachstumwirdablesen

    mssen.

    DochausgeglichenerHandelistwederdasZielinBerlin

    nochinBrssel.Esgehtumhhereberschsse,denn

    nurdiebringenneueJobsundsichtbarmehrWachstum.

    Die USAwerden genau andersherum argumentieren.

    Siewerdensagen,nachdemwirseit Jahrzehntenhohe

    DefiziteimHandelmiteuchundanderenhattenunddie

    EntwicklungslnderLeistungsbilanzdefizitescheuenwie

    derTeufeldasWeihwasser,seidihrEuroperjetztander

    Reihe,Defizitezuerdulden.KommteszudieserKonstel-

    lation,isteinAbkommenpraktischunmglich,inseinen

    Auswirkungen irrelevantoderesbleibteinFeigenblatt,

    daslediglichpolitischesNichtstunberdeckensoll.

    2.EinewissenschaftlicheBegrndungfrFreihandelamBeispielTTIP

    DiepolitischeEuphorie,dieTTIPausgelsthat,istauch

    aus theoretischen Grndenmehr als fragwrdig. Der

    Handelistnmlichnurineinem(neoklassischen)Weltbild

    dieentscheidendeQuelledesWohlstandes.Unddasliegt

    ganz einfach daran, dass diese Theorie keine anderen

    QuellendesWohlstandeskennt.Esgibtinderneoklas-

    sischenTheoriekeineVorstellungdavon,wiewirtschaft-

  • 3HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    licheEntwicklungentstehtundsichimSystemdurchsetzt.

    FolglichwirdmehrHandelvonvornehereinalseffizient

    angesehenundmanunterstellthufigeinewohlstands-

    schaffendeWirkungdiesesHandels selbstdann,wenn

    dieVoraussetzungen,diedieneoklassischeTheoriedafr

    braucht,inWirklichkeitnichtgegebensind.

    DieseFragenwerdenaberinderffentlichkeitgarnicht

    diskutiert. Stattdessenwerden die politisch gewollten

    ErgebnisseblicherweisemitStudienbelegt.Indiesem

    FalleunteranderemmiteinerStudiedes ifo-Instituts

    finanziertvonderBertelsmannStiftung.

    DieFolgenvonDeregulierungundmehrFreihandelwie

    bei TTIPwerden immer auf die gleicheArt undWeise

    berechnet. Man baut in ein Gleichgewichtsmodell

    Kostenersparnisse ein, die sich bei einer Verringerung

    derHandelsschranken ergeben knnten.Wenn also in

    EuropadieMilchnachAbschlusseinessolchenAbkom-

    mensbilligerwird,weildieFarmenindenUSAbessere

    Turbokhehabenals ihreeuropischenKollegen,dann

    istdiebilligereMilcheinHandelsgewinn,derausdem

    AbbauvonHandelskosten resultiert,weildieberden

    AtlantikgeflogeneMilchjawenigerkostet.Oderwenn

    die europischenAutobauer die amerikanischenAuto-

    bauermitbilligerenProduktenbedrngen,dannistdas

    frdieAmerikanereinHandelsgewinn,weildie inden

    USAzukaufendenAutosbilligergewordensind.

    DieFolgeneinessolchenAbkommenssindauchfrdie

    Arbeitsmrktepositiv,weilindemverwendetenModell

    auchderArbeitsmarktjederzeitimGleichgewichtist.Es

    gibt automatischmehr Jobs, wenn die Kosten sinken.

    DasModell betrachtet aber nicht die Effekte, die Ver-

    nderungeninderWirtschaftaufdenArbeitsmarktha-

    ben,sondernlediglichdieEffekte,diesichlangfristig

    aufgrund der Modellsimulation ergeben. Das ist der

    entscheidendePunkt:Langfristighatnmlichnichtsmit

    einerwirklichlangenFristzutun,sondernnurmitdem

    VergleichzwischendemGleichgewichtspunktimModell,

    mitdemmanangefangenhatunddemnchsten,der

    sichnachderReduktionderHandelskostenergibt.

    WiedabeiArbeitspltzegeschaffenwerden, istunklar,

    dennselbstwennderAbbauvonHandelsschrankenei-

    nenpositivenProduktivittseffektaufbeidenSeitenhtte

    (wasvlligoffenist),bedeutetderProduktivittssprung

    ja gerade nichtmehr Arbeitspltze, sondern bei ent-

    sprechend steigendemEinkommenvielleicht imbesten

    Fall eineunvernderteZahl vonArbeitspltzen.Ander

    Stelle kommt dann vermutlich eineweitere Annahme

    derNeoklassikinsSpiel.ManunterstelltinsolchenFllen,

    dasssteigendeEinkommennichtvollindenReallhnen

    weitergegebenwerdenundaufdieseWeisedurchSub-

    stitution von Kapital durch Arbeit ein Teil des Produk-

    tivittseffektes wieder zurckgenommen wird. Dann

    knnendieReallhneimmernochsteigen(woraufman

    verweist, ohne denMechanismus zu benennen), aber

    nichtsovielwieeseigentlichmglichwre,unddieZahl

    derArbeitspltzenhmeperSaldoauchzu.

    SchautmanimLichtedessendieErgebnissean,dievon

    denInitiatorenderStudieerwartetwerden,erkenntman

    ohneWeiteres,dassessichhierumeineMogelpackung

    handelt.InderPressemitteilungderBertelsmannStiftung

    heites:AllerdingsistTTIPkeinNullsummenspiel,son-

    dernerzeugtrealeWohlfahrtsgewinnedurchdenAbbau

    vonHandelskosten, sodass imPrinzip alle Lnder von

    dieserReduktionprofitierenknnen.Weltweitwrdedas

    durchschnittlichePro-Kopf-Einkommenum3,3Prozent

    steigen.AlsovoneinemGleichgewichtspunktzuman-

    deren solledasdurchschnittlicheEinkommen (offenbar

    nominal)um3,3ProzentsteigenunddieGesamtzahlder

    ArbeitspltzeumzweiMillionenzunehmen.Selbstwenn

    mandiesesErgebnisakzeptiert,mussmanesberviele

    Jahre strecken,was bedeutet, dassmanbei naheNull

    herauskommt.Bei600bis700MillionenArbeitnehmern

    indenUSAundEuropasindzweiMillionenbermehrere

    Jahre ein vernachlssigbarer Zuwachs. Jedes Jahr einer

    normalenwirtschaftlichenEntwicklungmitimZugedes

    Produktivittsfortschritts steigenden Reallhnen in die-

    semriesigenWirtschaftsraummsstemitderSchaffung

    vonmindestens dreiMillionenArbeitspltzen (0,5 Pro-

    zentZuwachs)enden.

    Entscheidend fr die politische Einordnung solcher Er-

    gebnisse aber ist, dass es in derWelt solcher Gleich-

    gewichtsmodelle selbstverstndlich auch keine

    Handelsungleichgewichtegibt,wiesieetwadasVerhlt-

    nisDeutschlandszudenUSAseitvielenJahrenprgen.

    ObamEndederVerhandlungeneineLsunggefunden

    werden kann, bei der diese Ungleichgewichte besei-

    tigt werden, ist vollkommen offen. Ebenso unklar ist,

    aufwelcheWeiseLndermithohenberschssenihre

    Positionrevidierenundobdasarbeitsplatzneutralerfol-

    gen kann. Der Groteil des Beschftigungsaufbaus in

    Deutschland in den vergangenen Jahren ist ja gerade

    nicht einem Produktivittseffekt im internationalen

  • 4HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    Handel zuzuschreiben, sondern den absoluten Vortei-

    len,dieDeutschlanderzielenkonnte,weildieanderen

    europischenPartnerimGefolgedeutscherLohnmode-

    ration anWettbewerbsfhigkeit verloren und der Euro

    imVerhltnis zumUS-Dollar nicht die deutsche Strke

    reflektierte,sonderndeneuropischenDurchschnitt.Ver-

    suchteEuropainsgesamt,dendeutschenWegzugehen,

    unddas istdaserklrteZielderReformen inderEuro-

    pischenWhrungsunion,msstederEurofrheroder

    spteraufgewertetwerdenundkeinesderErgebnisse,

    diemanheutevoneinemFreihandelsabkommenerwar-

    tet,knnterealisiertwerden.

    Angesichts all dieser notwendigen Relativierungen fr

    den Erfolg eines Freihandelsabkommens, ist es nicht

    auszuschlieen, dasswirtschaftliche berlegungen bei

    der InitiativederUSAnuramRandeeineRollespielen.

    Esscheint,alshabesichbeideramerikanischenAdmi-

    nistration dieberzeugung durchgesetzt, dass nur die

    USAundEuropagemeinsamdemaufstrebendenChina

    auf langeSichtParolibietenundRusslandweitgehend

    isolieren knnen. Das bte den USA dieMglichkeit,

    ihre hegemoniale Funktion weiter auszuben, wenn

    sie unterstellen, dass es bei einer engen Partnerschaft

    USA-Europa nur die USA sind, die wirklich jederzeit

    politisch undmilitrisch handlungsfhig sind. Europa,

    sowomglichdasKalkl,wredanngezwungen,dem

    amerikanischenPartnerinderRegelzufolgen.Ineinem

    solchenFallwrendieUSAbereit,wirtschaftlicheKrten

    zuschlucken,umihrepolitischeDominanzzuerhalten.

    3.FreihandelinderwestlichenWelteineBestandsaufnahme

    Betrachtet man den Handel Deutschlands mit seinen

    wichtigstenPartnerlnderninderwestlichenWeltinab-

    solutenGren (Bild1),zeigtsich indenvergangenen

    25JahreneinerheblicherAnstiegdesHandelsvolumens

    (ExportplusImport).

    EinerheblicherUnterschiedzwischenLndern,diedem

    europischen Binnenmarkt angehren und solchen,

    wiedenUSAundderSchweiz,dieauerhalbliegen,ist

    nichtzuerkennen.AuchGrobritannien,dasdemBin-

    nenmarkt angehrt, der EuropischenWhrungsunion

    (EWU)abernicht,flltnichtsonderlichausdemRahmen.

    AbsoluteGrensindinwachsendenWirtschaftenaber

    nichtaussagekrftig.MisstmandieHandelsvoluminaam

    BIP,bringtderVergleichvonLnderninnerhalbundau-

    erhalbdesBinnenmarkteserstaunlicheErgebnisse(Bild

    2).Nunzeigtsich,dassseitBeginnderneunzigerJahre,

    alsozuderZeit,alsdereuropischeBinnenmarktseiner

    Vollendungzuging,dieFortschritteinderHandelsinteg-

    rationinEuropanichtmehrgrowaren.

    Bild1:GesamterHandelmitdenwichtigstenPartnerlndern(Mrd.)

    180

    160

    140

    120

    100

    80

    60

    40

    20

    01995 2000 2005 2010 2013

    Frankreich

    Italien

    Niederlande

    UK

    Schweiz

    USA

    Sum

    me

    alle

    r Ei

    n- u

    nd A

    usfu

    hren

    in M

    rd. E

    uro

    Quelle:StatistischesBundesamt(GENESIS-OnlineDatenbank),August2014

  • 5HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    DereuropischeBinnenmarktmussjaalsVorbildfrein

    FreihandelsabkommenwieTTIPgelten,weilerlngstver-

    wirklichthat,woraufmanimtransatlantischenVerhltnis

    wartet:EinenweitgehendfreienAustauschvonGtern

    undDienstleistungenunddieweitestgehendfreieAllo-

    kationvonKapitalzwischendenMitgliedslndern.Man

    wrde erwarten, dass sich etwa derHandelsaustausch

    mitFrankreichundItaliennachderVollendungdesBin-

    nenmarktes und zumal nach dembergang zur EWU

    imJahre1999deutlichundstetigerhhthat.Seit1990

    aberistdasnichtderFall.FrankreichliegtimJahr2013

    nur ganz leicht ber demWert von 1990. Italien liegt

    sogardarunter.

    Manmussnatrlichbedenken,dassmitderdeutschen

    Vereinigung vorbergehend die statistische Erfassung

    desdeutschenHandelsmitdenanderenLndernverzerrt

    war,weilmitdemHinzutretenOstdeutschlandsdasdeut-

    scheWirtschaftsgebiet grerwurde (was den Anteil

    allerLnderdrckt)understimLaufederneunzigerJahre

    wiedernormaleVerhltnisseeingetretensind.

    Aber ungeachtet dessenmussman konstatieren, dass

    etwadieUSAihrenAnteilerheblichausweitenkonnten

    (vondreiauffnfProzent).AuchmitGrobritannienund

    derSchweizgabeserheblicheZuwchse.SeitBeginnder

    2000erJahreliegtallerdingsderHandelsanteilderUSA

    undGrobritanniensaufeinerrelativstabilenLinievon

    fnfbzw.vierProzent.Washeit,dassseit15Jahrendie

    DynamikdesBinnenmarktlandes(UK)nichtandersistals

    diedesNicht-BinnenmarktlandesUSA.

    Seit dieser Zeit konnte auch der Handelmit den Bin-

    nenmarktlndern Frankreich und Italien nichtmerklich

    erweitert werden. Frankreichs Anteil stieg ganz leicht,

    whrendderAnteil Italienssogar leicht rcklufigwar.

    LediglichmitdenNiederlandenistinnerhalbdesBinnen-

    markteseinstetigerZuwachserzieltworden(vondreiauf

    fastsechsProzent),derbemerkenswertistundderden

    ErwartungenderFreihandelstheorieentspricht.

    AllerdingswirddiesesBildberlagertvoneinemanderen

    Phnomen,dasinderTheoriedesFreihandelsberhaupt

    nichtvorgesehenist.

    Deutschland hat in dieser Zeit, insbesondere aber seit

    MittederneunzigerJahre,einemassiveVernderungder

    HandelsbilanzsaldenzuseinenGunstenerreicht(Bild3).

    ImHandelmitalldengroenhierbetrachtetenLndern

    sinddiedeutschenberschssezumindestbiszumBe-

    ginnderFinanzkrise2008erheblichgestiegen,nurmit

    derSchweizunddenNiederlandenistdasnichtgelun-

    Bild2:DeutschlandsWarenverkehr*mitdenwichtigstenHandelspartnerngemessenamBrutto-inlandsprodukt

    7

    6

    5

    4

    3

    2

    1

    0

    Ges

    amts

    umm

    e de

    s H

    ande

    lsve

    rkeh

    rs in

    vH

    des

    BIP

    1991

    1992

    1993

    1994

    1995

    1996

    1997

    1998

    1999

    2000

    2001

    2002

    2003

    2004

    2005

    2006

    2007

    2008

    2009

    2010

    2011

    2012

    2013

    Frankreich

    Italien

    Niederlande

    UK

    Schweiz

    USA

    *WertmigeSummedergesamtenEin-undAusfuhrennachHerkunfts-bzw.BestimmungslandgemessenamnominalenBruttoin-landsproduktzuMarktpreisen.

    Quelle:StatistischesBundesamt(GENESIS-OnlineDatenbank);Eurostat(August2014)

  • 6HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    gen.EsistinderTatso,dassderAnstiegdesAnteilsder

    groenhierbetrachtetenLndereinhergegangenistmit

    demAufbaudieserberschsse.Frankreich,Italien,die

    USAundGrobritannienhabenzugleichmitderAuswei-

    tungdesHandelsdasEntstehenerheblicherDefiziteim

    HandelmitDeutschlandakzeptiert.

    Das macht eine Bewertung der damit eingetretenen

    WohlfahrtseffektefrdieseLnderunmglich.blicher-

    weise unterstellt man nmlich, dassmitmehr freiem

    Handel insgesamt effektiver gewirtschaftet wird, dass

    sichalsodieArbeitsteilungvertieft.Das,sodieTheorie

    desFreihandels,wirdpositiveProduktivittseffektegene-

    rieren,weilGterundDienstleistungendorthergestellt

    werden,woesamkostengnstigstenmglichist.

    FrdenwirtschaftlichenErfolgoderMisserfolgdesHan-

    delsfreineinzelnesLandnochwichtigeralsdiesepo-

    tenziellen Produktivittseffekte (deren Gre brigens

    niemandmessenkann)sindjedochdieBeitrgefrdas

    Wachstum, die direkt vom Saldo des Auenhandels

    ausgehen.Wenn also ein Landmehr exportiert als es

    importiert,wirddasalspositiverAuenbeitragindie

    volkswirtschaftlicheGesamtrechnungbernommen.Wer

    dauernd steigende berschsse in der Leistungsbilanz

    verzeichnet,hatdauerndeinenpositivenWachstumsef-

    fektunddamitaucheinenpositivenArbeitsplatzeffekt.

    Umgekehrt inLndern,die immer tiefer indieDefizite

    geraten. Bei ihnen schlagennegativeWachstums-und

    Arbeitsplatzeffekte zu Buche undmssen den poten-

    ziell positiven Produktivittseffekten gegenbergestellt

    werden,willmanwissen, ob der Freihandel per Saldo

    frdasLanderfolgreichwar.FrdieWeltinsgesamtist

    dieLeistungsbilanz immerausgeglichen,folglich istder

    SaldeneffektNullundesgehtvorallemumdieVerteilung

    diesesEffektsaufdieLnder.DasGanzeisteinNullsum-

    menspiel,alsoeinSpiel,beidemdereineimmernurdas

    gewinnt,waseinandererverliert.

    InderWirklichkeitgibtesnatrlichimmereineberla-

    gerungdieserEffekte,sobaldberhauptnennenswerte

    Salden(alsoAbweichungenderExportvoluminavonden

    Importvolumina)imHandelauftreten.Dasistunproble-

    matisch,wenndiesepositivenodernegativenBeitrge

    nichtdauerhaftundnichteinseitigverteiltsind.Sindsie

    jedoch einseitig verteilt, kann ein Land einemanderen

    den gesamten Vorteil aus dem gemeinsamen Handel

    dadurchwegnehmen, dass es selbst dauernd positive

    Saldenerzieltunddasanderenegative.

    Weralsoernsthaftberlegt,einFreihandelsabkommen

    abzuschlieen,musszuallererstdafrSorgetragen,dass

    Bild3:DeutschlandsHandelsbilanzsaldenmitdenwichtigstenPartnerlnderngemessenamBIP*

    1,5

    1,0

    0,5

    0

    0,5

    1,0

    1,5

    Saldo vo

    n Aus- un

    d Einfuh

    ren in vH des BIP

    1991

    1990

    1992

    1993

    1994

    1995

    1996

    1997

    1998

    1999

    2000

    2001

    2002

    2003

    2004

    2005

    2006

    2007

    2008

    2009

    2010

    2011

    2012

    2013

    Niederlande

    Frankreich

    Italien

    UK

    Schweiz

    USA

    *SaldovonAusfuhreninundEinfuhrenausdenjeweiligenPartnerlnderngemessenamnominalenBruttoinlandsproduktzuMarkt-preisen.

    Quelle:StatistischesBundesamt(GENESIS-OnlineDatenbank);Eurostat(August2014)

  • 7HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    derandereHandelspartnernichtdaraufausist,dauernd

    Leistungsbilanzberschssezuerzielen.Wennmandas

    erwartet, kannman praktisch keine positiven Effekte

    mehrerzielen,weildiepotenziellenpositivenProdukti-

    vittseffektedierealenundunterUmstndenriesengro-

    enSaldeneffekteniemalsaufwiegenknnen.DenUSA

    istdasabsolutbewusst.IndenG-20gabesindenver-

    gangenenJahreneineungewhnlichscharfeAuseinan-

    dersetzungindieserFrage,diesichineinererheblichen

    KritikderUSAandenberschusslndernniederschlug.

    DasbetrafvieleJahrevorallemChina,indenletztenJah-

    renaberimmerstrkerDeutschland,dasgrteLandder

    EuropischenUnion.DerobenzitierteCurrencyReport

    belegt die Schrfe dieser Auseinandersetzung,weil er

    Deutschlandklarbenenntundzugleichheftigkritisiert.

    Ein Land wie Deutschland, das auf seinen positiven

    LeistungsbilanzsaldenauswelchenGrndenauchim-

    merbeharrt, ist folglich vonvornehereinein schwie-

    riger Partner fr ein Freihandelsabkommen, zumindest

    sobalddiePartnerseineStrategiedurchschauen,washier

    eindeutigderFallist.Dieregelmigeberprfungder

    Handelspartnermit hohenberschssen auf Dumping

    durchWhrungsmanipulation,wieesderamerikanische

    Kongress von der Regierung durchfhren lsst, zeigt,

    dassdieamerikanischeAdministrationsichdieserProb-

    lematikvollkommenbewusstist.

    FreihandelwarvonAnfangan,alsovorallemvonDavid

    RicardoundAdamSmithundihrenZeitgenossen,alsein

    Systemverstandenworden,dasallenBeteiligtenVorteile

    verspricht, weil es jedemmit seinen ganz besonderen

    spezifischen Fhigkeiten die Chance gibt, durch Aus-

    tausch von Gtern und Dienstleistungenmit anderen

    seine Lage zu verbessern. Dass ein Teilnehmer durch

    realeAbwertungdereigenenWhrungalleanderen in

    Handelsbilanzdefizitedrngt,wolltensienicht,denndas

    charakterisiert ja das von ihnen heftig kritisiertemer-

    kantilistische System. Freihandel war gerade nicht als

    Nullsummenspielgedacht,beidemdereinedasgewinnt,

    wasderandereverliert.

    DasmussauchfrEuropaeineentscheidendeFragesein,

    bevoressichzueinemFreihandelsabkommenmiteinem

    Partner entscheidet, der ber viele JahrehoheDefizite

    hingenommenhatundnichtmehrbereitist,dasauchin

    Zukunftzutun.WrdenFrankreichundItalienernsthaft

    versuchen,dasdeutscheModellnachzuahmen,wiedas

    javonderdeutschenPolitikempfohlenwird,bliebeers-

    tensdieFrage,weraufderanderenSeite,derDefizitseite

    nmlich,dannnochsteht.Dennirgendjemandenmsste

    es jageben,derbereitwre, riesigeeuropischeber-

    schsse hinzunehmen. Die USA kritisieren aber schon

    jetztheftigeralsalleanderenLnderdiedeutschenber-

    schsse,undindenEntwicklungslndernsindLeistungs-

    bilanzdefiziteeinrotesTuch,weildadurchdieGefahrvon

    Finanzkrisendramatisch steigt.ZweitenswrdeEuropa

    nochtieferindieDeflationgetrieben,wennauchdiese

    Lnder versuchten, real abzuwerten, indem sie Lhne

    undPreisesenken.WrdederWechselkursdesEurodas

    nichtmiteinerAufwertungbeantworten,wre frdie

    USAsichereineroteLinieberschritten,diedasgesamte

    Abkommeninfragestellt.

    4.DiedeutscheAbwertungsstrategieunddietransatlantischenFolgen

    Die entscheidende Frage ist daher, wie es zu der un-

    gleichgewichtigen Entwicklung im Handel zwischen

    DeutschlandundseinenPartnerngekommenist.Wenn

    esStellschraubengibt,diesogewaltigsind,dasssiedie

    Handelsstrmesoumlenkenknnen,dasseinLandseine

    Auenhandelsposition trotzweitgehend freienHandels

    systematischzulastenderanderenverbessernkann,dann

    mssendiese Stellschrauben international angegangen

    werden, bevorman sichmit den kleinen und kleins-

    ten Schrubchendernoch vorhandenenZlleundder

    nicht-tarifrenHandelshemmnissebefasst.

    Die empirische Basis fr die Identifikation der Ursache

    dermassivenUmlenkungderHandelsstrmezugunsten

    Deutschlandsistklarundeindeutig.

    Deutschland hat unter dem Schutzschirm des Euro-

    pischenWhrungssystemsunddesEurosystemsselbst

    seine Wettbewerbsfhigkeit deutlich zulasten seiner

    Handelspartnerverbessert.Eshatseit1990fastdurch-

    gngig abgewertet (eine Bewegung des realen effek-

    tivenWechselkurses nach unten ist eine Abwertung).

    DasgiltauchgegenberGrobritannienundItalien,die

    nurdeswegenaufeinemrelativniedrigenNiveauinder

    folgendenGrafik(Bild4;aufderBasis1990=100)sind,

    weil sie Anfang der 1990er Jahre in der groen Krise

    desEuropischenWhrungssystemsabgewertetundden

    VerlustvonWettbewerbsfhigkeitinderzweitenHlfte

    der1980erJahreausgeglichenhaben.

  • 8HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    DiedeutscheAbwertungsstrategiewareinklarerVersto

    gegendieRegelnderEWU,aber,unddaswirdkaumdis-

    kutiert,eswaraucheinklarerVerstogegendieRegeln

    derWTO und denGeist einer freien Handelsordnung,

    weil Deutschland sich (seinen Unternehmen) als Land

    auf dieseWeise absolute Vorteile verschafft hat. Das

    istgenaudas,was ineinemFreihandelsregimeniemals

    geduldetwerden kann, ohne alle anderen Regeln ad

    absurdumzufhren.

    DasErgebnis istdramatisch.Alseinzigesgroes Indus-

    trielandhatDeutschlanddenAuenhandelsanteilamBIP

    indenvergangenen15Jahrengewaltigsteigernknnen.

    Vonetwasunter50ProzenthabenFrankreich,Italienund

    GrobritannienihrenAuenhandelsanteilindenletzten

    20Jahrenaufetwa60Prozenterhht.DieUSAkonn-

    ten ebenfalls einen leichten Anstieg verzeichnen, von

    20auf30Prozent.DeutschlandhatindiesemZeitraum

    denAnteilvonExportplusImportvonunter50auffast

    100 Prozent erhht (Bild 5). Dieser Verlauf entspricht

    demVerlaufderLeistungsbilanzsalden(Bild6).

    Der gesamte Freihandelsgedanke basiert darauf, dass

    sich die Preise bei allen Handelspartnern nach genau

    dengleichenMarktregelnbilden.Dasheitauch,dass

    dasFreihandelsdogmaunterstellt,dassinallenLndern

    am Arbeitsmarkt Bedingungen eines vollkommenen

    Wettbewerbsherrschen,alsodieFestlegungderLhne

    entsprechendderrelativenKnappheitvonArbeitundKa-

    pitalerfolgt.FreinLandmitgeringerKapitalausstattung

    bedeutetdas,dassdieLhnerelativniedrigsind,weildie

    geringeKapitalausstattungnureinegeringeProduktivitt

    erlaubt.Auf dieseWeise entsprechen in allen Lndern

    dieLhnederProduktivitt.DasgiltaufjedenFallfrdie

    realenLhne.

    GehtinSystemenmitnationalenWhrungenundflexib-

    len(berhauptnderbaren)Wechselkursendienominale

    EntlohnungineinemLandberdierealeEntlohnungund

    damit die Produktivitt weit hinaus, entsteht Inflation.

    DiesehatnatrlichAuswirkungenaufdieinternationale

    Wettbewerbsfhigkeit,weildieNachfragenachdenPro-

    dukten eines Landes sich an den (nominalen) Preisen

    orientiert. Dadurch entstehende Inflationsdifferenzen

    werden aber durchnderungen desAuenwertes der

    Whrungenausgeglichen,weilessonsteinfachkeinen

    Freihandelgebenkann.

    DieserfrdenFreihandelabsolutzentraleMechanismus

    (die Lohnstckkosten entwickeln sichwie die nationa-

    lenInflationsratenundderenDifferenzenwerdendurch

    nderungenderWechselkurseausgeglichen) istgenau

    dann aufgehoben, wenn innerhalb eines Whrungs-

    raumes ein Land Lohndumping betreibt.Weil sich der

    WechselkursdiesesRaumesnachderInflationsentwick-

    lungdesgesamtenWhrungsraumesrichtet,kanndieses

    LandseineWettbewerbsfhigkeitunterdemDeckmantel

    dergemeinsamenWhrungmitanderengegenberder

    Bild4:RealereffektiverWechselkursDeutschlandsundseinerwichtigstenHandelspartner

    130

    120

    110

    100

    90

    80

    70Real

    er e

    ffek

    tiver

    Wec

    hsel

    kurs

    , Bas

    isja

    hr (1

    990=

    100)

    1991

    1990

    1992

    1993

    1994

    1995

    1996

    1997

    1998

    1999

    2000

    2001

    2002

    2003

    2004

    2005

    2006

    2007

    2008

    2009

    2010

    2011

    2012

    Deutschland

    Frankreich

    Italien

    UK

    USA

    Quelle:UNCTADSTAT(Juli2014)

  • 9HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    Bild5:AuenhandelinRelationzumBruttoinlandsprodukt

    100

    90

    80

    70

    60

    50

    40

    30

    20

    10

    0

    Gesam

    ter Au

    enha

    ndel in

    vH des BIP

    1991

    1990

    1992

    1993

    1994

    1995

    1996

    1997

    1998

    1999

    2000

    2001

    2002

    2003

    2004

    2005

    2006

    2007

    2008

    2009

    2010

    2011

    2012

    2013

    EU 28

    Deutschland

    Frankreich

    Italien

    UK

    USA

    Quelle:Eurostat(August2014)

    Bild6:LeistungsbilanzsaldengemessenamBruttoinlandsprodukt

    12

    10

    8

    6

    4

    2

    0

    2

    4

    6

    8

    Saldo de

    r Leistung

    sbilanz

    in vH des BIP

    1991

    1990

    1992

    1993

    1994

    1995

    1996

    1997

    1998

    1999

    2000

    2001

    2002

    2003

    2004

    2005

    2006

    2007

    2008

    2009

    2010

    2011

    2012

    2013

    Deutschland

    Frankreich

    Italien

    Niederlande

    UK

    USA

    Quelle:IWF(WorldEconomicOutlookDatabase),StandApril

  • 10

    HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    Bild7:LohnstckkostenvergleichbeinationalerWhrung*

    145

    140

    135

    130

    125

    120

    115

    110

    105

    100

    95

    Inde

    x 19

    99 =

    100

    Deutschland

    Frankreich

    Italien

    UK

    USA

    EZB-Inflationsziel

    1999

    2000

    2001

    2002

    2003

    2004

    2005

    2006

    2007

    2008

    2009

    2010

    2011

    2012

    2013

    *BruttoeinkommenausunselbstndigerArbeitinnationalerWhrungjegeleisteteArbeitsstundederBeschftigten(frItaliengeschtzt)dividiertdurchrealesBruttoinlandsproduktinnationalerWhrungjegeleisteteArbeitsstundederErwerbsttigen,Index1999=100.

    Quellen:OECD;AmecoDatenbank

    Bild8:LohnstckkostenvergleichinEuro*

    140

    130

    120

    110

    100

    90

    80

    Inde

    x 19

    99 =

    100

    Deutschland

    Frankreich

    Italien

    UK

    USA

    EZB-Inflationsziel

    1999

    2000

    2001

    2002

    2003

    2004

    2005

    2006

    2007

    2008

    2009

    2010

    2011

    2012

    2013

    *BruttoeinkommenausunselbstndigerArbeitinEurojegeleisteteArbeitsstundederBeschftigten(frItaliengeschtzt)dividiertdurchrealesBruttoinlandsproduktinnationalerWhrungjegeleisteteArbeitsstundederErwerbsttigen,Index1999=100.

    Quellen:OECD;AmecoDatenbank

  • 11

    HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    gesamtenWelt verbessern (seineWhrung realabwer-

    ten,wiedasblicherweisegenanntwird).

    DassDeutschlandgenaudasgetanhat,kannmannicht

    bestreiten (Bild 6). Der Lohnanstieg ist auf Druck der

    Bundesregierung von Beginn der Whrungsunion an

    weitunterdemgeblieben,wasbeidemvorgesehenen

    ZieleinerInflationsratevon1,9Prozent(nahebei,aber

    unter zwei Prozent) angemessen gewesenwre. Kein

    anderes Land hat, bei der Betrachtung der nationalen

    Entwicklungen(also innationalerWhrunggerechnet),

    einhnlichesDumpingbetrieben.

    In internationalerWhrung gerechnet zeigt sich zwar,

    dassdieSituationderUSAundGrobritannienseffektiv

    wenigerschlechtist,weilsieihreWhrungenabgewer-

    tethaben.BeideLnderhattenaberdochwieBild4

    schon gezeigt hatte erhebliche Nachteile gegenber

    Deutschland.FrdieUSAgiltdasvorallemzuAnfang

    der2000erJahre,frGrobritannienbiszurFinanzkrise.

    FrankreichundItalienhabengegenberallenLndernin

    derhiervorgenommenenBetrachtungmassivanWett-

    bewerbsfhigkeitverloren.

    Dieser schwere Versto gegen das Freihandelsprinzip

    unddieseenormenVerschiebungenbeidenabsoluten

    Vorteilen iminternationalenHandelknnendurchkein

    ErgebnisaufderMikroebenegeheiltwerden.Handels-

    verhandlungenwerden ja immernachdemPrinzipder

    gleichgewichtigen Kosten und Nutzen bei bestimmten

    Produkten auf beiden Seiten gefhrt. In solchen Ver-

    handlungen auf derMikroebenewird es bei gleichbe-

    rechtigten Partnern niemals passieren, dass eine Seite

    sich absolute Nachteile einhandelt, die so gravierende

    FolgenwieeinestarkerealeAufwertunghaben.

    DaherknnteeinbilateralesAbkommenzwischenden

    USAundEuropanurerfolgreichsein,wenneszugleich

    mitdiesemAbkommengelnge,dieUngleichgewichtein

    denHandelsbeziehungenzwischenEuropaunddenUSA,

    aberauchinnerhalbEuropaszubeseitigen.Dasistnicht

    zuerwarten,daesjanichteinmalgelingt,ininnereuro-

    pischenVerhandlungeneineangemesseneLsungfr

    dieWettbewerbsfhigkeitslcke zwischen Deutschland

    unddenanderenLnderninnerhalbderWhrungsunion

    zufinden.BeiFortbestandderUngleichgewichtekannes

    keinErgebnisgeben,dasfrbeideSeitenNutzenstiftet.

    5.WarumschlietmaneinbilateralesAbkommenineinerglobalisiertenWirtschaft?

    Esisterstaunlich,dassbeiderffentlichenKritikanTTIP

    sowenigderAspektdesBilateralenerwhntwird.Wie

    kann ein bilaterales Abkommen, selbst wenn es zwi-

    schen groen Wirtschaftsrumen geschlossen wird,

    in einermehr undmehr globalisiertenWirtschaft Vor-

    teilebringen?AlleArgumente,diekonomen frden

    Freihandel vorbringenknnen,beziehen sich jedenfalls

    aufmultilaterale Freihandelsabkommen, niemals aber

    aufeinbilaterales.WiesosolleinAbkommen,das,wie

    Bild2zeigt,nur5ProzentdesdeutschenHandelsbetrifft,

    Vorteile bringen, solange unklar ist, aufwelcheWeise

    es denHandelmit der restlichenWelt berhrt?Wenn

    HandelsschrankenberdenAtlantikabgebautwerden,

    gleichzeitig aber durch diesen Abbau der Handelmit

    ChinaoderanderenSchwellenlndernnegativbetroffen

    wird,kanndasGesamtergebnisdesbilateralenAbkom-

    mensfrdiedeutscheundfrdieeuropischeWirtschaft

    absolutnegativsein.

    GeradeimVerhltniszudenEntwicklungs-undSchwel-

    lenlndernabergibtesweitereKomplikationen,die in

    derpolitischenDiskussiongarnichtauftauchen.Wrden

    sichetwadieUSAundEuropainihrembilateralenAb-

    kommen auf einen Abbau der Handelsbilanzungleich-

    gewichteeinigen,knntensieversuchen,daszuLasten

    der Entwicklungslnder zu tun. Schon eine Einigung

    auf bestimmteOber- undUntergrenzen fr dieWech-

    selkursbewegungen zwischen Euro und Dollar knnte

    erheblicheAuswirkungenaufdieWhrungenvonDritt-

    lndern haben, deren Effektewiederum den globalen

    Handelerheblichbeeintrchtigenknnten.

    AucheineEinigungaufeinbilateralesInvestitionsschutz-

    abkommenknntesehrnegativeAuswirkungenaufdie

    Investitionen inEntwicklungslndernhaben,wennsich

    diedortigenRegierungennichtaufhnlicheRegelungen

    einlassen,weil sie in einerweitweniger komfortablen

    SituationvorsolchenGerichtensindalsdiewirtschaft-

    lichenSupermchteUSAundEuropa,dieamEndedie

    wirtschaftlicheundpolitischeMachthaben,dieEntschei-

    dungen solcher Schiedsverfahren zu akzeptieren oder

    ebennicht.

    DerpolitischeWunschaufbeidenSeitendesAtlantiks,

    denWeg eines bilateralenAbkommens zu gehen, hat

  • 12

    HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    sicher auchmit der Frustration ber den jahrelangen

    StillstandderVerhandlungeninderWTOinGenfzutun.

    InderTatistesseitderErweiterungderWTO-Mitglied-

    schaft durch eine groe Zahl von Entwicklungslndern

    nichtmehr gelungen, einemultilaterale Handelsrunde

    mitgreifbarenErfolgenbeimAbbauvonHandelshemm-

    nissenzuEndezubringen.Das istabernicht inerster

    LiniedieSchuldderEntwicklungslnder.

    Die Industrielnder haben nie begriffen (oderwollten

    nichtbegreifen),dassmanimVerhltniszuaufholenden

    Lndern, also Lndern auf einer geringeren Entwick-

    lungsstufe,beimAbbauvonHandelsschrankennichtdie

    gleichenRegelnanwendenkannwie imVerhltnisder

    Industrielnder untereinander. Entwicklungslnder sind

    invielgreremMaekrisenanflligalsIndustrielnder

    und knnendaher nicht annhernd hnlichhoheRisi-

    ken im Auenhandel eingehenwie ein lange etablier-

    tes Industrieland.Daswiederumhat sehr vielmitdem

    heutigen internationalenWhrungssystem zu tun, das

    dazutendiert,dieWhrungenvonEntwicklungslndern

    systematisch falsch zubewerten: zuhoch innormalen

    Zeitenundzuniedrig inKrisenzeiten.EinLand,dessen

    Whrung aber unter permanentemAufwertungsdruck

    steht,sowiedasinBrasilienindenvergangenen15Jah-

    ren z.B. sehr hufig der Fall war, und das deswegen

    immerbesorgtseinmuss,nichtindieAbhngigkeitder

    internationalenKapitalmrktezugeraten,kannnichtzur

    gleichenZeitingroerRuheberdenAbbauvonHan-

    delshemmnissenberaten.NurwenndieIndustrielnder

    bereitwren,BrasilienundanderenbeiderLsungihrer

    Whrungsprobleme entgegenzukommen, also eine zu

    starkeAufwertungund spter zu starkeAbwertungen

    zuverhindern,knntemanmitZugestndnissenbeiden

    Handelsverhandlungen rechnen. Brasilien hat in den

    vergangenenJahrenmehrfacheinsolchesJunktimher-

    gestelltundistimmerausideologischenGrnden(kein

    Eingriff in die freien Kapitalmrkte) von der gesamten

    PhalanxderIndustrielnderabgeschmettertworden.

    Eine hnliche Denkblockade auf Seiten der Industrie-

    lnder existiert bei der Frage der Auswirkungen von

    DirektinvestitioneninEntwicklungslndernaufdieHan-

    delsstrme.Weder die konomische Theorie noch die

    HandelspolitikhabenzurKenntnisgenommen,dassdie

    altenRegelndesFreihandelsinderneuenglobalisierten

    Wirtschaftnichtmehrexistieren.EineProduktion,dievon

    DeutschlandoderdenUSAmitunvernderterTechnolo-

    gienachChinaverlagertwird,umdortdiehoheProduk-

    tivitt der vorhandenenAnlagenmit niedrig bezahlten

    Arbeitskrften auszunutzen, stellt alle Prinzipien des

    freienHandelsaufdenKopf,weilhiernichtkomparative

    Vorteilegeschaffen,sondernriesigeabsoluteKostenvor-

    teile realisiert werden, die die Handelsstrme und die

    Produktionskettenmassivverndern.IneinerWeltaber,

    indersowohldieUSAalsauchEuropagroeTeileihrer

    ProdukteinChinaundanderenBilliglohnlndernvorpro-

    duzieren lassen, um sie sichdann alsMarkenprodukte

    des einen oder anderen gegenseitig zu verkaufen, hat

    derAbbaudergeringennochvorhandenenSchranken

    frdenfreienbilateralenAustauscheinenganzanderen

    (undvermutlichweitgeringeren)EffektalsineinerWelt,

    wojedeRegionvondererstenSchraubebiszurletzten

    Mutterallesselbstherstellt.

    6.EsgibtkeinebilateralenLsungen

    BilateraleLsungengibtesindieserWeltnicht.Dochdie

    gleichenPartner,diescheinbardenFreihandelhochhal-

    ten,sindvollkommenignorantbezglichdergewaltigen

    makrokonomischenVerzerrungendesglobalenHandels

    durch Bilateralismus, ein chaotischesWhrungssystem

    unddie groeBedeutungderDirektinvestitionen.Wer

    das aber ignoriert, kann keinenwirklichen Beitrag zur

    VerbesserungderHandelsbeziehungen leisten.AlleBe-

    mhungen zumAbbau vonbilateralenHandelsschran-

    kenmssen in die Kategorie Aktionismus eingeordnet

    oder gleich als reine Lobbyarbeit betrachtet werden.

    InsofernistTTIP,wennesbeiderreinenHandelsverhand-

    lungbleibt,aufjedenFalleinRckschrittauchimSinne

    einesvernnftiginterpretiertenFreihandels.

    Leidergibt es innerhalbderGruppeder Entwicklungs-

    undSchwellenlnderkeinewirklichernsthaftenVersuche,

    demDiktatder Industrielnderundderenneoliberalen

    Scheinlsungen zu entkommen. Das gilt auch fr die

    jngsten Verhandlungen der BRICS-Staaten (Brasilien,

    Russland, Indien, China, Sdafrika). Zwar haben diese

    fnfLnderkrzlichinBrasilienbeschlossen,gemeinsam

    eineEntwicklungsbankzugrndenunddafr100Milli-

    ardenDollaraufzubringensowieeinenPoolanReserven

    zu schaffen, also Reserven zusammenzulegen, um im

    FallneuerinternationalerSpannungennichtaufdenvon

    denUSAundvonEuropabeherrschten Internationalen

    Whrungsfonds(IWF)angewiesenzusein.

  • 13

    HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    Reservenpoolungund einCounterpart zum IWF knn-

    tensehrguteundwichtige Ideensein,wennnichtdie

    bisherigen Versuchemit solchenAnstzen in den Ent-

    wicklungsregionen klglich im Sande verlaufenwren.

    InAsientfteltmanseitderAsienkrise(imRahmender

    sogenanntenChiangMaiInitiative)aneinemeigenstn-

    digenasiatischenWhrungsfondsherum,ohnewirklich

    weitergekommen zu sein. In Lateinamerika kannman

    die Initiativen nichtmehr zhlen, in deren Rahmen in

    denletztenJahrenvonderpolitischenSpitzeWhrungs-

    zusammenarbeitbeschlossenwurde.DochPapier ist

    geduldigundgeschehenistfastnichts(s.dieStudieder

    UNCTADdazu,dieichselbstverantwortethabe1).Auch

    RusslandistmitseinenVersuchen,strkereZusammen-

    arbeitindenzentralasiatischenStaatenzuorganisieren,

    nichtsehrweitgekommen.VonAfrikamussmanindie-

    semZusammenhanggarnichtreden,dortgibteseinige

    kleineregionaleKooperationenundWhrungsverbnde,

    aber keinenwirklich groen Ansatz zumonetrer Ko-

    operation.

    Was in diesen Lndern nicht verstandenwird, ist die

    Tatsache,dassdieintellektuelleDominanzdesIWFund

    seinergrtenGeldgeber tausendmalwichtiger ist, als

    die konkrete Stimmengewichtung allerMitgliedslnder

    (wo esmikroskopisch kleine Fortschritte gegeben hat)

    oderdieArtundWeise,wiederIWFinhilfsbedrftigen

    Lndern auftritt. Gerade Letzteres ist fr diemeisten

    Entwicklungslnder ein Horror ohnegleichen gewesen,

    nmlichdieTatsache,dassdieStabsmitgliederdesIWFin

    denLndern,dieumHilfeanfragen,frJahredieDemo-

    kratieauerKraftsetzenunddenPolitikernindieFeder

    diktieren,wassiezutunundzulassenhaben.Daswurde

    alssptkolonialistischesVerhaltenempfundenundtreibt

    dieVersuche,unabhngigervomNordenundWestenzu

    werden,politischvoran.

    Dass das nicht unbedingtmit der Diskriminierung von

    Entwicklungslndern zu tun hat, knnteman seit der

    Eurokrisewissen. Da hat nmlich die Troika (also IWF,

    EZB und Europische Kommission) die Demokratie in

    denMitgliedslndernderEuropischenUnionebenfalls

    kurzerhand auer Kraft gesetzt. Da haben sich Indus-

    trielnder sozusagen selbst demDiktat anderer Indus-

    trielnder und den dazu gegrndeten Hilfstruppen in

    den internationalen Organisationen unterworfen. Dass

    1. http://www.lai.fu-berlin.de/homepages/fritz/publikationen/UNCTAD_2011.pdf(aufgerufenam15.12.2014)

    dasklglichgescheitertist,wissenwir.Aberesistnicht

    klglichgescheitert,weilesundemokratisch(odergegen

    dieEntwicklungslndergerichtet)war,sondernweildie

    geistigeBasisderHilfsaktionenunsinnigwarundist.

    Eine BRICS-Initiative, die dieses geistige Diktat htte

    aufhebenwollen,httewenigervonMilliardenalsvon

    neuen theoretischen Anstzen gesprochen, die man

    erproben wolle. Man htte gesagt, dass man genug

    hat von der neoliberalen Ideologie, diemit primitiven

    Mittelnversucht,Lnder,dieamBodenliegen,aufden

    richtigenKurszuzwingen,obwohlsienureineHilfe

    beiderBewltigungvonDevisenspekulationbrauchen.

    Manhttegesagt,dassdieWelteinneuesWhrungs-

    systembraucht,eines,beidemalleLnder,Defizit-wie

    berschusslnder, die Pflicht haben, vorhandene Un-

    gleichgewichteiminternationalenHandelzubeseitigen

    undzuknftigezuverhindern.Manhttegesagt,dass

    auchderinternationaleHandelnichtfunktionierenkann,

    wennmannichtgravierendeUnter-undberbewertun-

    genvonWhrungenvonvornehereinverhindertunddie

    SpekulationmitWhrungen vollkommen unterbindet.

    Dochdasalleswurdenichtgesagtunddeswegenwird

    esauchvondieserSeiteinabsehbarerZeitkeineInitiative

    geben,dieeineChancefreinenwirklichenFreihandel

    bietet.

    7.MultilateraleKooperationisteinMussineinerglobalisiertenWirt-schaftaberaufallenEbenen

    DerVerlustanwirtschaftspolitischerSouvernittfrNa-

    tionenoderRegionenistimKernFolgederEntscheidung

    fastallerLnderdieserWelt froffeneGter-undKa-

    pitalmrkte.Dassolltemanauchnichtbeklagen,wenn

    mandieVorteilediesesoffenenSystemsnutzenwill.Glo-

    balisierungerlaubtnunmalkeineAbschottung,weder

    einemonetrenocheinerealwirtschaftliche.Siefordert

    aberGlobalGovernance,eineglobaleRegelsetzung,die

    denMrkteneinenrechtlichenundpolitischenRahmen

    gibt.Handelspolitik istabergeradekeinErsatzfrum-

    fassendeRegelungenderinternationalenWirtschaftsbe-

    ziehungen,diedasWhrungssystemanvordersterStelle

    miteinbeziehen.DeswegenistTTIPdiefalscheIdeezur

    falschenZeitundfrdenfalschenRaum.

    Hinsichtlich der Rckwirkungen nationaler Manah-

    men auf andere Volkswirtschaften existiert derzeit nur

  • 14

    HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    im Bereich des internationalen Handels ein ausgekl-

    geltesRegelwerkmitinternationalerRechtsprechungim

    RahmenderWTO.berrealeWechselkursnderungen,

    berdieAuswirkungenvonDirektinvestitionenaufdie

    Handelsstrme,dieoftweitgrereAuswirkungenauf

    HandelundKapitalstrmealsreineHandelsbarrierenha-

    ben, wird dagegen in internationalen Verhandlungen

    mit Leichtigkeit hinweggegangen. Die globale Politik

    istoffenbargefangenvonderFiktion,derWechselkurs

    seieinreinmonetresPhnomenohneRckwirkungen

    aufdierealwirtschaftlichenVorgngeundtrotzoffener

    Grenzen in der globalisiertenWirtschaft knne es so

    etwaswieeinewirtschaftspolitischeUnabhngigkeitder

    Nationalstaaten geben. Direktinvestitionenwerden vor

    allem als Kapitalstrme registriert, ohne dassman die

    potenziell groen handelsverzerrendenWirkungen sol-

    cherDirektinvestitionenzurKenntnisnimmt,dieaufdie

    KombinationvonniedrigenLhnenmithoherProdukti-

    vittausgerichtetsind.

    Insofernmuss die Agenda der Handelsverhandlungen

    zumindestumWhrungsfragenerweitertwerdenbzw.

    musseinerneuenglobalenHandelsordnungeineglobale

    Whrungsordnung vorausgehen. Unmittelbar vor und

    nachdemZweitenWeltkrieggabesdarberkeinenZwei-

    fel.Keynes sagte imbritischenOberhaus imMai1944

    zudenschonlaufendenBretton-Woods-Verhandlungen:

    ZuallererstgibteseinenlogischenGrund,diemonetren

    Vorschlge zuerst zubehandeln. Es ist auerordentlich

    schwierig,irgendwelcheVorschlgehinsichtlichderZlle

    aufzustellen,wennesdenLndernfreisteht,denWert

    ihrerWhrungohneZustimmung[vonauen,Ergnzung

    d.Verf.]kurzfristigzundern.ZlleundWechselkursab-

    wertungen sind in vielen FllenHandlungsalternativen.

    OhneWhrungsvereinbarungenhatmankeinenfesten

    Boden, auf demman Zlle diskutieren kann.Genauso

    haben Plne, die Schwankungen internationaler Preise

    zu verringern, keinerlei interne Bedeutung fr die be-

    troffenenLnder,bevorwirnichtfestenBodenfrden

    WertdesGeldeshaben.Daherkann,whrenddieande-

    renOrdnungsbereichenichtwesentlicheVoraussetzung

    frdiemonetreOrdnungsind,sehrwohlargumentiert

    werden,denkeich,dassdiemonetreOrdnungeinfestes

    Fundamentabgibt,aufdasdieanderen[Ordnungsberei-

    che,Ergnzungd.Verf.]aufgebautwerdenknnen.Esist

    sehrschwierig,irgendeineArtOrdnunginanderenBerei-

    chenherzustellen,whrendmonetresChaosherrscht.

    (Keynes1944,S.5,bersetzungd.Verf.).

    EineglobaleWhrungsordnungkannsoorganisiertsein,

    dass,hnlichwieindemSystemvonBrettonWoods,Ab-

    und AufwertungsBnder frWechselkurse definiert

    werden,dieausschlielichdemeinenzentralenZieldie-

    nen,denrealenWechselkursberlngereFristeninetwa

    konstant zuhalten.NominaleAb- undAufwertungen,

    die in bestimmten Abstnden diskretionr oder nach

    vereinbartenRegelnvorgenommenwerden,mssendie

    jeweils aufgelaufenen Inflations-, d.h. Lohnstckkos-

    tendifferenzenzwischendenLndernausgleichen.Das

    bedeutet alsoweder flexible noch festeWechselkurse,

    sondern feste, aber geregelt anpassungsfhigeWech-

    selkurse.

    Wrdeman zudemdie Energie und die politischeAk-

    tivitt statt auf dieses in vieler Hinsicht fragwrdige

    bilaterale Projekt darauf verwenden, fr Normalitt in

    derwirtschaftlichenEntwicklung imVerhltnisderEnt-

    wicklungslnder zu den Industrielndern zu sorgen,

    knntemanhundertmalmehrerreichenalsmitdemTTIP.

    Wrdeman gar begreifen, dassWettbewerbsfhigkeit

    einNullsummenspielistundwrdemanverstehen,wie

    diePolitikbeiderSchaffungderBedingungenfreine

    wirtschaftliche Dynamik systematisch versagt, knnte

    mansichdenVersuch,alles zuharmonisieren,wasoft

    aus guten Grnden zwischen denWirtschaftsrumen

    unterschiedlichist,vollkommensparen.

  • 15

    HEINER FLASSBECK | TTIP, FREIHANdEL uNd wIRTSCHAFTLICHE ENTwICKLuNg

    Bertelsmann-Stiftung (2013): http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/presse-startpunkt/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/pid/usa-und-gesamte-eu-wuerden-von-transatlantischem-freihandelsabkommen-erheblich-profitieren/(aufgerufenam15.12.2014)

    Felbermayr g., Heid B., Lehwald S., (2013):Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (THIP) Wem nutzt ein transatlantisches Freihandelsabkommen?,http://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Presse/imported/downloads/xcms_bst_dms_38052_38053_2.pdf(aufgerufenam15.12.2014)

    Keynes, John M. (1944):ThecollectedwritingsofJohnMaynardKeynes,vol.XVIActivities19411946.MacMillanCambridgeUniversityPressfortheRoyalEconomicSociety1980,ed.D.Moggridge

    uNCTAd (2011): Regional Monetary Cooperation and Growth-enhancing Policies: The New Challenges for Latin America and the Caribbean,http://www.lai.fu-berlin.de/homepages/fritz/publikationen/UNCTAD_2011.pdf(aufgerufenam15.12.2014)

    u.S. department of the Treasury Office of International Affairs (2013):Report to Congress on International Economic and Exchange Rate Policies, http://www.treasury.gov/resource-center/international/exchange-rate-policies/Documents/2013-10-30_FULL%20FX%20REPORT_FINAL.pdf(aufgerufenam15.12.2014)

    Literaturverzeichnis

  • Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind nicht notwendigerweise die der Friedrich-Ebert-Stiftung.

    Diese Publikation wird auf Papier aus nachhaltiger Forstwirt-schaft gedruckt.

    Impressum

    Friedrich-Ebert-Stiftung | Internationale Politikanalyse Hiroshimastrae 28 | 10785 Berlin | Deutschland

    Verantwortlich: Dr. Ernst Hillebrand, Leiter Internationale Politikanalyse

    Tel.: ++49-30-269-35-7745 | Fax: ++49-30-269-35-9248 www.fes.de/ipa

    Bestellungen/Kontakt hier: [email protected]

    Eine gewerbliche Nutzung der von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) herausgegebenen Medien ist ohne schriftliche Zustim-mung durch die FES nicht gestattet.

    DieInternationalePolitikanalyse(IPA)istdieAnalyseeinheitderAbteilungInternationalerDialogderFriedrich-Ebert-Stiftung.InunserenPublikationenundStudienbearbeitenwirSchlsselthemendereuropischenundinternationalenPolitik,WirtschaftundGesellschaft.UnserZielistdieEntwicklungvonpolitischenHandlungsempfehlungenundSzenarienausderPerspektivederSozialenDemokratie.

    DiesePublikationerscheintimRahmenderArbeitslinieEuropischeWirtschafts-undSozialpolitik,Redaktion:Dr.ErnstHillebrand.Redaktionsassistenz:SabineDrfler,[email protected].

    ISBN 978-3-95861-050-7

    ber den Autor

    Professor dr. Heiner Flassbeck war von 2003 bis 2012DirektorderAbteilungGlobalisierungundEntwicklungsstrate-gienbeiderUNCTAD,derKonferenzderVereintenNationenfrHandelundEntwicklunginGenf.

    1. Einfhrung: Warum ein Freihandelsabkommen TTIP?2. Eine wissenschaftliche Begrndung fr Freihandel am Beispiel TTIP3. Freihandel in der westlichen Welt eine Bestandsaufnahme4. Die deutsche Abwertungsstrategie und die transatlantischen Folgen5. Warum schliet man ein bilaterales Abkommen in einer globalisierten Wirtschaft?6. Es gibt keine bilateralen Lsungen7. Multilaterale Kooperation ist ein Muss in einer globalisierten Wirtschaft aber auf allen EbenenLiteraturverzeichnis