Hofmannsthal Und Strauss

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  • WersollihrGebietersein?WeiblichkeitundTonalittbeiHofmannsthalundStrauss

    VonGerhardScheit

    (Aus:RichardStraussHugovonHofmannsthal:Frauenbilder.Hg.v.IljaDrhammeru.Pia

    Janke.Wien2001)

    I

    Ich bin ein Weib und will ein Weiberschicksal! so lautet das Bekenntnis und zugleich die

    Forderung von Chrysothemis in der Elektra. Sie schleudert es der Schwester entgegen, die nur

    RachengelistundRachewill.Rckblickenderscheintesfast,alswrdesieesauchdemDichterund

    demKomponistenalsProgrammentgegenhalten.AlleweiterenOpern,dieStraussundHofmannsthal

    gemeinsam schrieben, tragen jedenfalls dieser Forderung Rechnung: Sie handeln davon, den

    weiblichenFigureneinWeiberschicksal,nachdenMagabenvonChrysothemis,zuverschaffen;statt

    IsoldesLiebestodundSalomesLustmordsetzensiederModernedasalteKomdienTelosentgegen:

    HochzeitundFortpflanzung.Kinderwillichhaben,/bevormeinLeibverwelkt,undwrseinBauer,/

    demsiemichgeben,KinderwillichihmgebrenundmitmeinemLeibsiewrmen.

    DarummuimRosenkavalierdasVerhltnisOctavianszurMarschallinderEheschlieungmitSophie

    weichen.SelbstderberhmteZeitmonologderMarschallinistjabereitsbeiChrysothemisangedeutet:

    Manchmalliegich/soda,dannbinichwasichfrherwar,/undkannsnichtfassen,daichnicht

    mehr jung bin. / Wo ist denn alles hingekommen, wo denn?/ Es ist ja nicht ein Wasser, das

    vorbeirinnt,/esistjanichteinGarn,dasvonderSpule/herunterfliegtundfliegt,ichbinsja,ich!

    DiesesIch,dieZeitdiesesIchs,wirddurchdieGebrfhigkeitbestimmt.DarberlassenStraussund

    HofmannsthalabnunkeinenZweifelmehr. Im Rosenkavalier heit esdann: Aberwiekanndas

    wirklichsein,/daichdiekleineResiwar/unddaichaucheinmaldiealteFrauseinwerd!.../Die

    alte Frau, die alte Marschallin! / Siehgst es, da gehts, die alte Frstin Resi! / Wie kann das

    geschehen?/WiemachtdenndasderliebeGott?/Woichdochimmerdiegleichebin.

    WenndieMarschallinvonderZeit singt, so ist manversucht, aneineallgemeinephilosophische

    Reflexionzuglauben:DieZeit,dieisteinsonderbaresDing./Wennmansohinlebt,istsiereingar

    nichts./Aberdannaufeinmal,/dasprtmannichtsalssie:/sieistumunsherum,sieistauchinuns

  • DieMglichkeitdesSchlimmsten 2

    drinnen.AberHofmannsthalistzusehrmitseinenFigurenverbundenundzuwenigIdeologe,umes

    hierbeiderZeitalsabstrakter,sozusagenbiologischerDimensionzubelassenundnichtdochden

    UrsprungdiesesZeitgefhlsindenBeziehungenderMenschensichtbarzumachen.Undsosetztdie

    Marschallinfort:IndenGesichternrieseltsie,imSpiegeldarieseltsie,/inmeinenSchlfenfliet

    sie./Undzwischenmirunddirdafleitsiewieder.Zwischenmirunddir,zwischenderMarschallin

    und Octavian da steht zunchst jedoch das KomdienTelos, oder anders ausgedrckt: das

    gesellschaftlicheGebotzurReproduktion,wieesdieBhnealsmoralischeAnstaltvonjeherlehrte.

    UndnachMagabediesesGebotsunddiesesTeloswirddieZeitbestimmtundgemessen.

    In Ariadne auf Naxos ist die weibliche Resignation zum Todeswunsch zusammengezogen. Das

    ZeitgefhlkristalliertsichzurSehnsuchtnachreinerIdentitt,alsoTod,aus:EsgibteinReich,wo

    alles rein ist: Es hat auch einen Namen: Totenreich. Dorthin zieht es Ariadne, die vonThesus

    verlassenwurde.Dochsiekanngerettetwerden,munichteinmalresignierenwiedieMarschallin:

    dazu ist nur einer imstande: der Fruchtbarkeitsgott selbst, Dionysos. Zerbinetta, die mit ihren

    Versuchen,AriadnewiederdemLebenunddenMnnernzuzuwendengescheitertist gescheitert

    sozusagen aus gattungspoetischen Grnden, da sie durch die Stndeklausel von Ariadnes Welt

    getrennt bleibt , Zerbinetta ist gleichsamnur der Vorbote dieses Gottes. Mit der beraschenden

    WendungamEndehabenderDichterundderKomponistdieAllegoriefrihrdramaturgischesTelos

    gefunden.Ariadneglaubt,derTodesgottkme,umsiezuerlsen,dochesistBacchus,dersiefreit:

    Ichsagedir,nunhebtsicherstdasLebenan/Frdichundmich!(Erktsie.)UndAriadneist

    verwandelt.AlswredieMarschallinzurSophiegeworden,singtsie:DuZauberer,du!Verwandler,

    du!/BlicktnichtausdemSchattendeinesMantels/DerMutterAugeaufmichher?

    DieFrauohneSchattenbetreibtdanndieentsprechendeAllegorese.SiemachtdieFruchtbarkeitder

    FrauunmittelbarzumThema,dasdieserOperauchdenTitelgibt:derSchattenalsSymbolfrdie

    Fhigkeit der Frau, Kinder zu bekommen. Erst dann, wennsie diesen Schatten wirft, gehrt die

    Kaiserin,SproeinesberirdischenReichs,wirklichzudenMenschen.DieFruchtbarkeitltdieFrau

    erst zumMenschenwerden, ohnesie handelt essichbloumeineberirdischeErscheinung, ein

    Zauberwesen,eineMnnerphantasie.Hofmannsthalscheutsichaberoffenkundig,dieFruchtbarkeit

    undUnfruchtbarkeitbeimbiologischenNamenzunennenvielleichtausAngstvorBiologismus,vor

    derBanalittdeszuflligFaktischenderNatur?OderweilmitdemvieldeutigenSymboldesSchattens

    ebenauchandereMotivemitgemeintsind?WirftdieKaiserinjedenfallsindervonderberirdischen

    Macht des Geisterknigs gesetzten Frist keinen Schatten, dann ist sie nicht nur gezwungen, ins

  • DieMglichkeitdesSchlimmsten 3

    Geisterreichzurckzukehren,sondernihrMann,derKaiser,muzurStrafeversteinern.DieseStrafe

    istdasgenaueGegenteilvondem,wasmitBacchusgeschieht,wennersichmitAriadnevereinigte:

    Nunbinicheinanderer,alsichwar,/DurchdeineSchmerzenbinichreich,/NunregichdieGlieder

    ingttlicherLust!

    DieUnweiblichkeitderFraubedrohtdemnachdenMann.ErmuversteinernwiederKaiseroderer

    wird gekpft, wie Jochanaan auf Verlangen der schnen Prinzessin Salome; oder wird im Bade

    erschlagenwieAgamemnonvonderUnmutterKlytaimnestra.

    II

    DieMarschallinsahesallerdingsanders.InihrenAugenversteinerteOctavian,alsersichvonihr

    abwandte, undzwar versteinerte er zumMann, eigentlichzumOchs oder zumindest zudessen

    Vorform:DastehtderBubunddastehichundmitdemfremdemMdeldort/wirdersoglcklich

    sein, als wie halt Mnner / Das Glcklichsein verstehn. In Gottes Namen. Da er aber das

    Glcklichseineinmalandersverstand,geradedaswares,wasdieMarschallinanOctavianeinstso

    sehrzuschtzenwute:

    MARSCHALLINOh,seierjetztsanft,seiErgescheitundsanftundgut.

    Nein,bittschn,seiernichtwiealleMnnersind.

    OCTAVIANWiealleMnner?

    MARSCHALLINWiederFeldmarschallundderVetterOchs.

    SeiErnurnichtwiealleMnnersind.

    OCTAVIAN(zornig)Ichweinicht,wiealleMnnersind.

    Die Versteinerung des jungen Manns zum Gatten, des Geliebten zum Ehemann, wie sie die

    Marschallinimmerwiedererlebenmu,kannnureinGottbeheben,dashabenschonMolireund

    Kleist im Amphytrion vorgefhrt. Bei Hofmannstahl bernimmt Bacchus diese bermenschliche

    Aufgabe.InAriadneaufNaxosistesaberZerbinetta,dieetwasvomWissenderMarschallinaufder

    niedrigenKomdienebeneaufbewahrt unddiegttlicheVerwandlungals ZauberdesAugenblicks

    durchschaut,dersichderDynamikderLiebesverhltnisseallerdingsnichtentziehenkann:Alsein

    Gott kamjeder gegangen,/ Undsein Schritt schonmachte mich stumm/ Kt er mir Stirn und

  • DieMglichkeitdesSchlimmsten 4

    Wangen,/WarichvondemGottgefangen/Undgewandeltumundum!(...)KamderneueGott

    gegangen,/hingegenwarichstumm!Zerbinettawechseltjastndigvomeinenzumandern,weilder

    alteGottstetsneuzumGattenzuerstarrendroht,understvordessenUmrissenderneuealsGott

    berhaupterscheint.

    DieAllegoriederWeiblichkeit wirdinder FrauohneSchatten vorallemdurchdasniederePaar

    ausgelegt,dashierdemhohenvonKaiserundKaiserinzurSeitegestelltist,durchdenFrberund

    seineFrau.IndenWortenderFraudesFrberswirdjenseitsderMythologie,jenseitsvonHerodes

    LegendeundAtridenMythosbeschworen,wovordenmnnlichenAutorengrauteundwofrsieihre

    mythologischenfemmefatalesalsMenetekelentworfenhaben.AufdieForderung,dieBarakganzim

    SinnevonChrysotemisanseineFraurichtet: GibdumirKinder,antwortetdieAngesprochene:

    MeinMannstehtvormir!Eija,meinMann,/ichwei,eija,ichwei,wasdasheit!/Binbezahlt

    undgekauft,eszuwissen,/undgehaltenimHaus/undgehegtundgefttert,/damitichwei,/und

    willesvonheutabnichtwissen,/verschwredasWortunddasDing.

    MitWortundDingsindKinderundFruchtbarkeitgemeint:derSchatteneben,dendieFrauwerfen

    mu,umMenschzusein.DieFrberinjedochscheintblodeshalbverbittert,weilsieebenkeine

    Kinderbekommenkann, undversucht mit ihrer Verweigerungscheinbarnichts anderes, als diese

    Verbitterungzurationalisieren: DritthalbJahr / bin ichdeinWeib /undduhast keineFrucht /

    gewonnenausmir/undmichnichtgemacht/zueinerMutter./Gelstendanach/habichabtun

    mssen/vonmeinerSeele:/Nunistesandir,abzutunGelste,diedirliebsind.Undsoverweistsie

    denMannvonihremBettmitdengernzitiertenWortenDortistjetztdeinLager.

    Sohateigentlichniemandschuld,derGrundistbiologischerNatur.Underliegtoffenkundigsogar

    beimMann.DieAmme,diederKaiserinzurFruchbarkeitverhelfensoll,berredetdanndieFrberin,

    dieeigentlichgarnichtmehrberredetwerdenmu,ihrenSchattenderKaiserinabzutreten.Wasdie

    Ammenundafranzubietenhat,ltsieselbstnichtnuralsbseHexeerscheinen,sondernmacht

    sichtbar,welcheMotivesichhinterdemderUnfruchtbarkeiteigentlichverbergen:AngstvorderFrau.

    Oh,meineHerrin,sollichdirnichtglauben,/dadudeinenSchatten,/diesschwarzeNichts/hinter

    diraufderErde,/dadirdiesDingohneNamennichtfeilist/auchnichtumunvergnglichenReiz/

    undumMachtohneSchranken/berdieMnner?

    Darumgehtesalso.DadieAmmediebsenMotivezuverkrpernhat,kanndieFrberinalsblo

    Verfhrte, in die Irre Geleitete erscheinen, die sich mit einigem Zauber auf den rechten Weg

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    zurckbringen lt. Hofmannsthal hat hier offenkundig die Motive der Macht und Geldgier

    abgespaltenundinderAmmepersonifiziert,umdieFrberindavonfreizusprechen.Darumvermag

    dieFrberinschlielichauch,dasBedrfnis,ihrenMannzubetrgen,zuberwinden.Sobehltsie

    ihrenSchatten,dieKaiserinabererhltdenihrenvomGeisterknigselbst,weilsiesichwiederum

    weigerte,denderFrberinanzunehmen,zukaufen:siebringtesnichtbersich,ihreigenesGlckauf

    demUnglckderanderenaufzubauen.UndsohrtmanamEndedieUngeborenenenvondrauen

    hereinsingenindieserOper,berderalsMottoderSatzNietzschesstehenknnte:Hatmanmeine

    AntwortaufdieFragegehrt,wiemaneinWeibkurierterlst?ManmachtihmeinKind.Das

    WeibhatKinderntig(...)EmanzipationdesWeibesdasistderInstinkthadesmiratenen,das

    heitgebruntchtigenWeibesgegendaswohlgeratene.(1969:1106)

    In der Arabella schlielich, der letzten Zusammenarbeit von Hofmannsthal und Strauss fast drei

    JahrzehntenachderElektra,findetsichderTypusvonChrysothemisverallgemeinertzumWeiblichen

    schlechthin durch nichts mehr gefhrdet als einer kleinen harmlosen Verwechslungs und

    Verkleidungshandlung.DerSchattenistfrdieFrauensoselbstverstndlichgeworden,daeskeines

    Symbols mehr bedarf. Keine Angst vor dem lterwerden, keine Angst vor dem Verlust der

    FruchtbarkeitbedrohthiernochdasTelosderKomdie.WieineinerkomischenVerkleinerungdes

    mythischenSchwesternpaaresderElektraTragdiesagthierArabellazuderalsMannverkleideten

    Zdenka:Zdenkerl,indirstecktwasGefhrlichesseitletzterZeit./Mirscheint,Zeitwrs,daduein

    Mdelwirst/vorallerWeltunddadieMaskeradeinEndhat.AllerdingssindderDichterundder

    Komponistmit Arabella beimreinenOperettenstoffgelandet.DieWorteArabellas:Undduwirst

    meinGebieterseinundichdiruntertan/deinHauswirdmeinHaussein,indeinemGrabwillichmit

    dirbegrabensein ,httegewiauchFranzLehargernevertontobgleichinderAssoziationdes

    HausesmitdemGrabnochimmerdieirritierendeAssoziationmitschwingt,dadasgemeinsameHaus

    zumGrabewird.

    MitdenAugenderMarschallinbetrachtet,istfreilichderhierzumGebietererkoreneMandrykanichts

    anderes als ein weiterer Mann auf dem besten Weg zum Ochs. Gegenber dem Rosenkavalier

    erscheintArabellawirklichalsVersuch,denOchsumzupolenvondemhalblcherlichen,halbbsen

    Heiratskandidatenzueinemstattlichen,respektablenundherzensgutenFreier:auchMandrykakommt

    ausderProvinzderMonarchie;aucheristGutsbesitzer,derimLandlebenvlligaufgehtundinder

    StadteigentlichnichtzuHauseist;aucherhltinderStadtbeimVaterumeinMdchenan,daer

    nichteinmalgesehenhat.NursinddiefinanziellenVerhltnisseumgedreht:derVateristderarmeund

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    derFreierderreicheHerr.ZudiesemGebieterjedochgibteskeineweiblicheGegenfigurmehrwie

    imRosenkavalierzumOchsdieMarschallin,sondernnureinedoppelteSophie.AufdieFragedes

    GebietersamEndederOper,indermannocheinletztesNachzitternwahrnehmenkann:Duwirst

    bleibenwiedubist?antwortetArabella:Ichkannnichtanderswerden,nimmmichwieichbin!

    III

    DieMusik,mitderChrysothemisihreSehnsucht,einWeibzuseinundeinWeiberschicksalzuhaben,

    zum Ausdruck bringt, ist in EsDur gesetzt. Des weiteren ist die klassische Periodisierung

    hervorzuheben,diederschwungvollenlyrischenPartieeignetunddievondenInterpretengernemit

    derUrgesundheit,KraftundvollbltigenVitalittdesMdchensassoziiertwird(Overhoff1978:

    140).DersymbolischeZusammenhangdergewhltenTonartjedenfallsistevident:AmBeginnvon

    WagnersRingdesNibelungenerklingtderEsDurDreiklangbekanntlichfrdiereine,gleichsamin

    sich kreisende Natur, die durch keine Dissonanz und keine Entfemdung gefhrdet wird. Bei

    ChryothemisKlagebrichtsichwiedieMusiksuggerierenmchtedieNaturBahn,dernatrliche

    KinderwunschderFraurebelliert indieserTonartgegendenFamilienFluch,derallesinUnnatur

    verwandelt,zumindestsolangedieMrderAgamemnonsleben.DemkonsonantenEsDurDreiklang

    vonChrysothemisstehtderElektraAkkordgegenber,einebitonaleDissonanz,diesichnichtmehr

    harmonischeindeutiginterpretierenlt.VondiesemeinenAkkordabgesehen,istElekrtrafreilich

    musikalischsogut wie identischmit ihremVater Agammemnon,demeigentlichenHeldendieser

    Oper.SuchtmanjedochdenschrfstenKontrastzuderMusikvonChrysothemis,dannfindetmanihn

    inderKlytmnestraSzene:ihreMusikwurdeoftmalsalsPreisgabederTonalitt interpretiert und

    tatschlichfindensichhierberweiteStreckenZusammenklngevonoftzehnoderelfverschiedenen

    TnenderchromatischenSkala,dietonal,dasheit:funktionalharmonischnichtmehrdeutbarsind.

    RichardStrausssollspterangesichtsderEntwicklungdermodernenMusikgesagthaben:Wennich

    gewuthtte,wasfreinUnheildieKlytemnstraSzeneindenKpfenanrichtenwrde,dannhtte

    ich sie nicht geschrieben!1 Offenkundig hat den Komponisten gerade die Gestaltung eines

    bestimmten Frauenbilds der Tonalitt entfremdet: das beginnt bei Salome und setzt sich bei

    Klytmmnestra fort, mit der Salomegleichsamein zweites Mal ermordet wird. Elektra hingegen

    erscheintinihrertotalen,auchmusikalischenAbhngigkeitvomVaterbereitsalsGegenentwurfdazu,

    oderalsbergangswesen.1DasZitatistvonseinemSohn,FranzStrauss,berliefert;zit.n.Overhoff1978:124

  • DieMglichkeitdesSchlimmsten 7

    DieuerstenGrenzenderHarmonieerreichtederKomponistnichtmitihrerDarstellung,sondernum

    dieinvertierteMutter,diedenVaterihrereigenenTchterermordethat,zucharakterisierenundals

    eigentlicheUrsacheundZentrumjenerUnnaturkenntlichzumachen,woraufdieRachevonElektra

    undOrestihrerseitsnurreagiert,umdieNaturwiederherzustellen.DiebeidenStellen,wennElektra

    ihrenVaterherbeibeschwrtundspterwennsieOrestwiedererkennt,markierendiesenZielpunkt,der

    sichganzinderNhevonChrysothemisbefindet.EssindtonaleInselnindieserOper.Unddiesen

    musikalischenSinnbesttigtChrysothemisamEnde,wennsieOrestalsdionysischenVerwandlerund

    Lebensbringerfeiert:ErstehtimVorsaalallesindumihn,/siekssenseineFe,alle,die/gisth

    imHerzenhaten,habensich/geworfenaufdieandern,berall/inallenHfenliegenTote,alle,die

    leben,sindmitBlutbespritztundhaben/selbstWunden,unddochstrahlenalle,alleumarmensich

    (...)Hrstdunicht,sietragenihn,/sietragenihnaufihrenHnden,allen/sinddiegesichterganz

    verwandelt,allen/schimmerndieAugenunddiealtenWangen/vonTrnen!Alleweinen,hrstdus

    nicht?Gewi,RichardStrausskehrthiernichtumstandsloszurTonalittzurck,zumreinenEsDur

    vonChrysothemis,zusehrsinddieLebendennochmitBlutbespritzt,auchwirdvorEntsetzenund

    Freude zu viel geweint, die Musik lebt vom Schock und verweigert die Erlsung, die sich in

    ChrysotemisWortenandeutet.AberindenletztenTaktenlstsichdasschroffeNebeneinandervonc

    Moll und esMoll in einer raschen chromatischen Kadenz in strahlendes CDur auf, um in den

    allerletztenbeidenOrchesterschlgennocheinmaldurchesMollgebrochenoderbeflecktzuwerden.

    WasfreinGegensatzzumEndedes Rosenkavalier. ImSchluduettvonSophieundOctavianist

    nochdiekontrapunktischeStimmfhrungihresDuettsausdemII. Aufzugbeseitigtzugunstender

    banalen Terzparallelen. Nicht zufllig hat Strauss die Schritte des Zueinanderfindens, worin die

    ungleichaltrigen, schiefen Verhltnisse OchsSophie, MarschallinOktavian ausgeschieden

    werden,zumSiegeszugderTonalittgestaltet,endendindiesemsenTerzenDuettvonOktavian

    undSophieIsteinTraum,kannnichtwirklichsein...SindhierDissonanzen,soerzeugensiedie

    eigenartigartifizielleAtmosphre,siesinddersilberneGlanzunddaswohlriechendelderfalschen

    Rose,womitdieBeziehungzwischendenGeschlechternknstlichnocheinmalgestiftetwerdensoll.

    Zuwenig,umfestzuhalten,daestatschlicheinTraumist,undnichtwirklichseinkann.

  • DieMglichkeitdesSchlimmsten 8

    IV

    AriadneundFrauohneSchatten, DiegyptischeHelenaundArabella,sieallesollenderKriseder

    Familienordnung abhelfen, neue Ehen stiften, alte retten, nachdem berall die traditionellen

    Beziehungen problematisch geworden sind und die Musik fixiert sie dabei immer wieder in der

    Tonalitt. Ist die Tonalitt bei Strauss in der geretteten Harmonie zwischen den Geschlechtern

    fundiert,soverrtdiedissonanteEinfrbung,diedasgemeineOpernpublikumsoirritierte,etwasvon

    derKnstlichkeiteinersolchenHarmonie.

    In Ariadne ist diese Knstlichkeit musikalischnunallerdings betrchtlichgesteigert: fast bis zum

    Verfremdungseffekt.DerAufschwungdesSchlussesmitderVerwandlungvonAriadneundBacchus

    behltalleindurchdiednneInstrumentationetwasdeutlichFragiles,derhistorische,dervergngliche

    CharakterderbarockenallegorischenVeranstaltungbleibtimBewutsein.DieOpernformwirdhier

    gewissermaen innerhalb ihrer eigenen Grenzen selbstreflexiv ehe dann Strawinsky in der

    GeschichtevomSoldaten,spterBrechtundWeilinderDreigroschenoperdieseGrenzennachjeder

    Richtunghinberwundenhaben.

    Frau ohne Schatten erscheint demgegenber wie ein Rckschlag. In einer Art Gewaltakt von

    WagnerscherDimensionwirdhierdieletzteromantischeOperkomponiertundallesVerfremdendein

    derMusikandieseTraditionrckgebunden.DasThemaderOper:dieWeiblichkeitdefiniertals

    Fruchtbarkeit,ermglichtderMusikimeigentlichenSinndieseBindung:sieistgleichsamderErsatz

    frdieNatur;siebildethierdas,wasbeiWagnerRhein,Rheingold,RheinnixenundWaldvglein

    waren:VoraussetzungderTonalitt,derenGefhrdungdieMusikinBewegungsetzt.Soisteskein

    Zufall,daindererstenAuseinandersetzungzwischendemFrberundseinerFrau,derMann,dersich

    Kinder wnscht, ganz wie Chrysothemis singt (Baraks Gib du mir Kinder ist geradezu als

    Abbreviatur vonChrysothemis Kinder mchte ich haben komponiert), whrend seine Frau im

    Melodischen,RhythmischenundinderInstrumentation(Halbtonschrittebei derStelle, dasieden

    Frberauffordert,abzutundieGelste,diedirliebsind;StreicherglissandobeiGelsten;rasche

    chromatische Lufe als Zurckschaudern vor der Berhrung mit Barak etc.) gewisse

    AusdruckscharakterevonSalomeundKlytmnestraannimmt(wennauchnurinbescheidenemMae).

    DieMusikverrthierimmerhinetwasvonheimlichenGelstenderFrberin,diederTextmittels

    AbspaltungderAmmezuschreibenmchte.FreilichvermagdieFrberinmusikalischfastnirgendwo

    wieSalome,ElektraoderKlytmnestraeinGegengewichtzumtonalenZentrumzubilden,dassich

  • DieMglichkeitdesSchlimmsten 9

    hierinBarakverkrpertundamEndeindenUngeborenen,diewirklichmitihremGesangdieOper

    beenden.

    In Arabella schlielich ist einEndpunkterreicht. DiestofflicheNhezum Rosenkavalier ltdie

    musikalischeDifferenzsogarnochdeutlicherhervortreten.NochehehierderBrutigamberhauptdie

    Bhnebetritt,singtdieBrautschoninseinemmusikalischenIdiom,demkroatischenVolkston,bei

    denWortenDerRichtige,wennseinengibtfrmich,/derwirdmichanschaunundichihn/und

    keineZweifelwerdenseinundkeineFragen,/undseligwerdichseinundihmgehorsamwieein

    Kind! Whrend hierzu die Musik die Naivitt in gleichsam kindlich diatonischer Melodik zu

    gewinnen sucht, vermitteln Dissonanzen und unregelmige Rhythmik fast nur mehr die

    HintergrundgeruscheunddieHektikeinesBalls.WennsiedenRichtigendannwirklichanschaut,

    bernimmtsieimgroenDuettdeszweitenAktsabermalsundzurBesttigungdenmusikalischen

    DialektdesRichtigen,derihrGebieterseinsollwieumihrephysischeFhigkeitzurReproduktion

    zumAusdruckzubringen.

    ImSommer 1930 meldete Richard Strauss der Witwe von Hofmannsthal, da der erste Akt der

    Arabellafertigsei;zurselbenZeitschriebAlbanBergseinemLehrerArnoldSchnberg,daerimmer

    noch amersten Akt seiner neuen Oper schreibe; jener Oper, in deren Prolog der Tradition von

    Hofmannsthal und Strauss ein rde Absage erteilt wird: Was seht Ihr in den Lust und

    Trauerspielen?! / Haustiere, die so wohl gesittet fhlen, / An blasser Pflanzenkost ihr Mtchen

    khlen / Und schwelgen in behaglichemGeplrr, / Wie jene andern unten im Parterre. Und

    whrend am Ende des I. Akts der Arabella Mandryka vom zuknftigen Glck mit seiner

    Auserkorenenlngstberzeugtist,weidervonAlbanBergkomponierteBrutigamDr.Schnam

    SchludeserstenAufzugsinsichzusammenbrechendbereits,welchesandereSchicksalihmin

    GestaltderWeiblichkeitblht:JetztkommtdieHinrichtung...DerDreiklangsharmonikergehtes

    nichtanders.

    ZitierteLiteratur:

    Nietzsche,Friedrich:EcceHomo.Werke.Hg.v.KarlSchlechta.6.Aufl.Mnchen1969.Bd.II

    Overhoff,Kurt:DieElektraPartiturvonRichardStrauss.Salzburg1978

  • DieMglichkeitdesSchlimmsten10

    Wer soll ihr Gebieter sein? Weiblichkeit und Tonalitt bei Hofmannsthal und StraussIIIIIIIV