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PRAXIS | 03/2011 48 Werbeforschung & Praxis transfer transfer Images europäischer Metropolen Nicht nur Unternehmen und Marken stehen in einem globalen Wettbewerb. Auch Länder, Städte und Regionen werben um die Gunst von Touristen und Unternehmen, die für eine Ansiedelung gewonnen werden sollen. Aus diesem Grund ergibt sich die Notwendigkeit der Differenzierung vom Mitbewerb. Für eine erfolgreiche Positionierung von Städten ist die Kenntnis deren Stärken und Schwächen essentiell. Im vorliegenden Beitrag werden Kernergebnisse einer empirischen Studie in Österreich zu den Images von Wien, Budapest, Prag, Berlin, München, London und Paris dargestellt. Es konnten Stärken und Schwächen jeder Stadt identifiziert und marketingstrategische Empfehlungen abgeleitet werden. Für Wiener Wirtschaftsbetriebe beispielsweise aus den Branchen Gastronomie, Tourismus und Lebensmitteleinzelhandel bietet sich die Integration der zahlreichen positiven Imagefacetten der Stadt Wien in die Kommunikationskonzepte an. Schlagworte: Imageforschung Städteimage nonverbale Imagemessung Imagetransfer Mag. Rita Koch Filialkommunikation & Prozess- management, Bipa Parfümerien GmbH [email protected] Mag. Birgit Petritsch Junior Account Managerin, Universal Music GmbH [email protected] 1. Einleitung Schweiger (1995, S. 915) beschreibt Image als „Gesamt- bild, das sich eine Person von einem Meinungsgegenstand macht, wobei es sich eher um eine gefühlsmäßige Ausein- andersetzung mit dem Meinungsgegenstand handelt.“ Dazu gehört laut Kotler et al. (2007, S. 658) „alles, was die Person über das Objekt weiß, dazu glaubt, sich darunter vorstellt und damit verbindet.“ Die Kenntnis des Images einer Stadt ist maßgeblich für ihre Wettbewerbsfähigkeit. Daher gewinnt die Durchführung von Städteimagestudien (z.B. Pezenka/Schneider 2011) immer mehr an Bedeutung. Imagestärken aus der Sicht unterschiedlicher Zielgruppen sollten in der Kommunika- tion betont und Imagedefizite abgebaut werden. Die Bedeu- tung von Images zeigt sich auch darin, dass sie in hohem Maße das Verhalten beeinflussen. 2. Eckdaten der Studie Es wurden 430 Personen, die seit mindestens fünf Jahren in Österreich leben, mittels standardisierter, quantitativer, per- sönlicher Interviews befragt. Der Erhebungszeitraum erstreckte sich vom 13. bis zum 27. Mai 2009. Um statis- tisch wertvolle Aussagen treffen zu können, wurden Geschlecht, Alter sowie die höchste abgeschlossene Ausbildung mittels Quotenplan vorgegeben. Zusätzlich zum Image wurden außerdem die Risikofreudigkeit, das Involvement, das objektive Wissen, die bisherige Besuchs- intensität sowie die Reisepräferenz erhoben. Aus diesen Komponenten ergibt sich das in Abbildung 1 dargestellte Forschungsmodell. 3. Ergebnisse der Studie Die Risikofreudigkeit wurde anhand von zwei Szenarien mit vier Antwortmöglichkeiten, die jeweils verschiedene Risikostufen verkörpern, erhoben. Bei der Analyse der Daten wurde festgestellt, dass die Mehrheit der befragten Personen eher risikoscheu handeln würde. Der Begriff Involvement lässt sich gemäß Donnerstag (1996, S. 47) als „persönliche Relevanz“ oder als „persönliche Wichtigkeit“ verstehen, welche durch Erfahrungen entsteht. Das Involvement beeinflusst nicht nur das Image einer Stadt, sondern auch das Wissen über diese. Um die so genannte „Ich-Nähe“ der Auskunftspersonen zu den ausgewählten Städten zu erheben, wurde eine Statementbatterie mit absteigenden Intensitäten entwickelt. Diese beinhaltet Aussagen von „Ich habe selbst schon länger als 3 Monate gelebt in …“ über „Verwandte von mir wohnen in …“ bis hin zu „Mein Lieblingssportverein stammt aus …“. Um eine Verzerrung der Antworten zu vermeiden, wurde Wien transfer Werbeforschung & Praxis, 57 (3), 48-55

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PRAXIS | 03/201148

Werbeforschung & Praxistransfertransfer

Images europäischer MetropolenNicht nur Unternehmen und Marken stehen in einem globalen Wettbewerb. Auch Länder, Städte und Regionen werben um die Gunst von Touristen und Unternehmen, die für eine Ansiedelung gewonnen werden sollen. Aus diesem Grund ergibt sich die Notwendigkeit der Differenzierung vom Mitbewerb. Für eine erfolgreiche Positionierung von Städten ist die Kenntnis deren Stärken und Schwächen essentiell. Im vorliegenden Beitrag werden Kernergebnisse einer empirischen Studie in Österreich zu den Images von Wien, Budapest, Prag, Berlin, München, London und Paris dargestellt. Es konnten Stärken und Schwächen jeder Stadt identifiziert und marketingstrategische Empfehlungen abgeleitet werden. Für Wiener Wirtschaftsbetriebe beispielsweise aus den Branchen Gastronomie, Tourismus und Lebensmitteleinzelhandel bietet sich die Integration der zahlreichen positiven Imagefacetten der Stadt Wien in die Kommunikationskonzepte an.

Schlagworte: � Imageforschung � Städteimage � nonverbale Imagemessung � Imagetransfer

Mag. Rita Koch

Filialkommunikation&Prozess-management,BipaParfümerienGmbH

[email protected]

Mag. Birgit Petritsch

JuniorAccountManagerin,UniversalMusicGmbH

[email protected]

1. Einleitung

Schweiger (1995, S. 915) beschreibt Image als „Gesamt­bild, das sich eine Person von einem Meinungs gegenstand macht, wobei es sich eher um eine gefühlsmäßige Ausein­ander setzung mit dem Meinungsgegenstand handelt.“ Dazu gehört laut Kotler et al. (2007, S. 658) „alles, was die Person über das Objekt weiß, dazu glaubt, sich darunter vorstellt und damit verbindet.“

Die Kenntnis des Images einer Stadt ist maßgeblich für ihre Wettbewerbsfähigkeit. Daher gewinnt die Durchführung von Städteimagestudien (z.B. Pezenka/Schneider 2011) immer mehr an Bedeutung. Imagestärken aus der Sicht unter schiedlicher Zielgruppen sollten in der Kommuni ka­tion betont und Imagedefizite abgebaut werden. Die Bedeu­tung von Images zeigt sich auch darin, dass sie in hohem Maße das Verhalten beeinflussen.

2. Eckdaten der Studie

Es wurden 430 Personen, die seit mindestens fünf Jahren in Österreich leben, mittels standardisierter, quantitativer, per­sönlicher Interviews befragt. Der Erhebungszeitraum er streck te sich vom 13. bis zum 27. Mai 2009. Um statis­tisch wertvolle Aussagen treffen zu können, wurden

Geschlecht, Alter sowie die höchste abgeschlossene Ausbildung mittels Quotenplan vorgegeben. Zusätzlich zum Image wurden außerdem die Risikofreudigkeit, das Involvement, das objektive Wissen, die bisherige Besuchs­intensität sowie die Reisepräferenz erhoben. Aus diesen Komponenten ergibt sich das in � Abbildung 1 dargestellte Forschungsmodell.

3. Ergebnisse der Studie

Die Risikofreudigkeit wurde anhand von zwei Szenarien mit vier Antwortmöglichkeiten, die jeweils verschiedene Risikostufen verkörpern, erhoben. Bei der Analyse der Daten wurde festgestellt, dass die Mehrheit der befragten Personen eher risikoscheu handeln würde. Der Begriff Involvement lässt sich gemäß Donnerstag (1996, S. 47) als „persönliche Relevanz“ oder als „persönliche Wichtigkeit“ verstehen, welche durch Erfahrungen entsteht. Das Involvement beeinflusst nicht nur das Image einer Stadt, sondern auch das Wissen über diese. Um die so genannte „Ich­Nähe“ der Auskunftspersonen zu den ausgewählten Städten zu erheben, wurde eine Statementbatterie mit absteigenden Intensitäten entwickelt. Diese beinhaltet Aussagen von „Ich habe selbst schon länger als 3 Monate gelebt in …“ über „Verwandte von mir wohnen in …“ bis hin zu „Mein Lieblingssportverein stammt aus …“. Um eine Verzerrung der Antworten zu vermeiden, wurde Wien

transferWerbeforschung&Praxis,57(3),48-55

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03/2011 | PRAXIS 49Werbeforschung & Praxistransfertransfer

bei diesen Fragen außer Acht gelassen. Durch Aufsum mie­ren der Statementbatterie wurde ein Involvement­Score berechnet. Die Auswertungen zeigen, dass die Auskunfts­personen zu München und London die engste Beziehung haben. Die Nähe zu Paris ist ebenfalls stark ausgeprägt. Berlin liegt im Mittelfeld, wohingegen Budapest und Prag sehr schwach abschneiden.

Zur Erhebung des objektiven Wissens mussten die befrag­ten Personen die sieben Städte auf einer Landkarte richtig einordnen, Sehenswürdigkeiten mit der richtigen Stadt in Verbindung bringen sowie die Einwohnerzahlen korrekt schätzen. Um diese Ergebnisse komprimiert darzustellen, wurde ein Wissens­Score gebildet. Dieser wurde durch die Vergabe je eines Punktes pro richtiger Antwort pro Stadt errechnet. Wien führt die Rangordnung an, das heißt, dass die befragten Personen mehr über ihre Bundeshauptstadt wissen als über alle anderen Vergleichsmetropolen. Dahinter liegen London, Berlin, Paris und München. Prag und Budapest teilen sich den letzten Platz.

Die Zahl der Besuche, deren durchschnittliche Dauer und die Besuchsgründe wurden jeweils anhand von Skalen beziehungsweise Listen überprüft. Wien wurde aufgrund möglicher Verzerrungen bei diesen Fragestellungen außer Acht gelassen. München wurde von den meisten Befragten schon mindestens einmal besucht. Berlin bildet das Schlusslicht dieser Wertung. Über alle Städte hinweg liegt die durchschnittliche Besuchsdauer bei 1 bis 4 Tagen. Als häufigster Reisegrund wurde von den Auskunftspersonen die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten genannt.

3.1. Imagemessung

Die verbale und nonverbale Messung der Städteimages wurde in die drei Dimensionen Lebensqualität (inklusive Wirtschaft), Eigenschaften der Stadtbewohner sowie kultu­relles, musikalisches und kulinarisches Angebot unterglie­dert.

3.1.1. Lebensqualität

Die Lebensqualität ­ als ein wichtiger Teil des Images einer Stadt ­ setzt sich aus vielen Facetten zusammen. Die Versorgung mit Lebensmitteln, Gas und Strom, die Ausbildungsmöglichkeiten, das öffentliche Verkehrsnetz und viele andere Faktoren gehören beispielsweise zu die­sem Bereich. Die Auskunftspersonen wurden während des Interviews mit verbalen und nonverbalen Reizen konfron­tiert. Insgesamt wurden zum Thema Lebensqualität 26 Aussagen, 12 Bilder, 6 Situationen sowie 4 Gegensatz bild­paare vorgelegt, die jeweils einer Stadt, mehreren Städten oder aber auch keiner Stadt zugeordnet werden konnten.

Abb. 1: Forschungsmodell

Abb. 2: Bilder zur Messung der Lebensqualität

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PRAXIS | 03/201150

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Im Rahmen der verbalen Imagemessung wurden u.a. fol­gende Aussagen zugeordnet:

• viele Einwohner aus unterschiedlichen Herkunfts­ländern

• gut ausgebautes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln• gute Ärzte und Spitäler• sauberes Trinkwasser• leistbare Wohnungen• viel Prostitution

� Abbildung 2 zeigt Beispiele für Bilder, die den Auskunftspersonen vorgelegt wurden.

Zwei der sechs Situationen, in die sich die befragten Perso­nen hineinversetzen sollten:

• „Sie gehen am Abend in eine Bar und werden dort von einem Betrunkenen angepöbelt.“

• „Sie verlassen gegen 7 Uhr abends Ihr Hotelzimmer, um noch in der Stadt zu bummeln. Alle Geschäfte haben bereits geschlossen.“

Bei den Gegensatzbildpaaren (� Abbildung 3) wurden die Auskunftspersonen gebeten, jede Stadt einem von beiden Bildern zuzuordnen.

Im Folgenden wird auf drei ausgewählte themenspezifische Kernergebnisse näher eingegangen.

Um herauszufinden, welche Städte besonders beliebt als Einkaufs­ und Luxusmetropolen sind, werden die Ergeb­nisse zu den Aussagen „hohes Preisniveau“, „viele Ein­kaufs zentren und Einkaufsstraßen“ sowie zum Bild „Luxusgeschäft“ in einer Grafik dargestellt (siehe � Abbildung 4). London und Paris liegen bei den Bewer­tungen zu diesem Thema an den ersten beiden Stel len. Budapest und Prag werden mit diesen Assoziationen weni­ger in Verbindung gebracht.

Aus � Abbildung 5 geht hervor, dass das Leben in Budapest und Prag als besonders günstig empfunden wird. Diese Aussage leitet sich aus hohen Zuordnungen zu den verbalen Reizen „günstige Einkaufsmöglichkeiten“ und „leistbare Wohnungen“ sowie aus den niedrigen Assoziationen mit einem hohen Preisniveau ab.

Bei einem Vergleich der beiden Spitzenreiter, Wien und München, in den Bereichen Infrastruktur und Sauberkeit, liegt Wien deutlich vorne (� Abbildung 6). Sowohl bei der Bewertung von öffentlichen Verkehrsmitteln (McNemar­Test, p<0.05), der Müllentsorgung (McNemar­Test, p<0.05) als auch bei Ärzten und Spitälern (McNemar­Test, p<0.05)

Abb. 3: Gegensatzbildpaare zur Messung der Lebensqualität

Schmutz vs. Sauberkeit viel vs. wenig Verkehr schmutzige vs. saubere Luft Wohnblock vs. Villa

Abb. 4: Einkaufs- und Luxusmetropolen

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ist Wien die absolute Nummer eins der befragten Personen. Lediglich bei dem Bild „Reihenhaus/Wohnqualität“ unter­scheiden sich die beiden Städte nicht signifikant (McNemar­Test, p=0.618).

3.1.2. Eigenschaften der Stadtbewohner

Auch die Einschätzungen, welche Charaktereigenschaften den Bewohnern zugeschrieben werden, ist Teil des Gesamtimages. Zur Erhebung wurden einerseits zahlreiche Eigenschaften definiert, welche die Bewohner einer Stadt charakterisieren können, andererseits wurden Bildreize und auch mögliche Situationen dargestellt, welche die Meinung der Auskunftspersonen zu den Bewohnern einer Stadt mes­sen sollten.

Beispiele der Eigenschaften, die die Befragten den Stadt­bewohnern zuordnen sollten:

• fleißig• gastfreundlich• hilfsbereit• eingebildet• Spießbürger• ungesunder Lebensstil

Dass es auch Stadtbewohner gibt, von denen die befragten Personen kein ausgeprägtes Bild haben, zeigt das Beispiel der Budapester und Prager (siehe � Abbildung 7). Diese fal­len besonders durch niedrige Zuordnungen sowohl positiver als auch negativer Reize auf.

Gewisse Klischees und vorgefertigte Meinungen bestätigen sich vor allem durch die Charakterisierung der Pariser als romantisch und der Wiener als musikalisch.

Der Verlauf der Zuordnungen in � Abbildung 8 bestätigt das Vorurteil, dass die Münchner Mentalität jener der

Abb. 5: Preiswahrnehmung

Abb. 6: Infrastruktur und Sauberkeit

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Wiener ähnlicher ist als der der Berliner. Bei den Eigenschaften „hilfsbereit“, „modern“, „sympathisch“, „lebenslustig“, „gesellig“ und „fortschrittlich“ ist der Unterschied zwischen München und Wien nicht signifikant (McNemar­Test, p>0,05).

3.1.3. Kulturelles, musikalisches und kulinarisches Angebot

Wie bei den bisher genannten Imagebestandteilen wurde auch hier mit unterschiedlichen Operationalisierungen gear­beitet. Insgesamt wurden 13 Wortreize, 15 Bildreize und ein Gegensatzbildpaar verwendet.

Die prozentuelle Zuordnung ausgewählter Wort­ und Bildreize ist � Tabelle 1 zu entnehmen. Bei Betrachten der Prozentwerte sticht Wien besonders hervor. Bei den meisten der vorgegebenen Items liegt Wien an erster Stelle – ledig­lich London und Paris können annähernd mithalten. Relativierend zu diesem Ergebnis muss festgehalten wer­den, dass ausschließlich österreichische Personen befragt wurden. Deshalb kann ein höherer Wissensstand bzw. ein erhöhtes Patriotismusempfinden der Stadt Wien gegenüber nicht ausgeschlossen werden.

Zur Erhebung von Präferenzen wurden die Befragten gebe­ten, 12 Urlaubstage, die sie bei einem fiktiven Gewinnspiel

gewonnen haben, auf die Städte zu verteilen. Die Tage konnten beliebig in den Vergleichsmetropolen verbracht werden. Des Weiteren konnten die Auskunftspersonen € 1.200,­ nach Belieben in Budapest, Prag, Berlin, München, London und/oder Paris ausgeben.

Bei beiden Fragestellungen liegen London und Paris eindeu­tig an der Spitze. Budapest schneidet am schlechtesten ab.

3.2. Zusammenfassende Kurzprofile der Städte

Mit Wien assoziieren die Auskunftspersonen spontan die Sehenswürdigkeiten Stephansdom, Prater und Riesenrad. Die Bewohner werden als musikalisch, gemütlich und genussorientiert gesehen. Sauberes Trinkwasser, schön reno­vierte historische Gebäude und Sehenswürdigkeiten sowie ein gut ausgebautes Netz an öffentlichen Verkehrs mitteln stechen als positive Aspekte der Lebensqualität hervor. Die

Abb. 7: Eigenschaften der Budapester und Prager Abb. 8: Mentalität der Wiener, Münchner und Berliner

Tab. 1: Kulturelles, musikalisches und kulinarisches Angebot

Items Berlin Budapest London München Paris Prag Wien

Theater & Opernhäuser 39% 17% 59% 16% 56% 28% 97%

Museen 39% 16% 78% 29% 82% 20% 82%

Konzerte 65% 26% 74% 40% 49% 29% 81%

Kabarett & Comedy 43% 7% 29% 45% 27% 9% 83%

Bild „Ballnacht“ 10% 10% 10% 7% 16% 11% 99%

Bild „Café“ 14% 36% 21% 16% 56% 41% 77%

Internationale Küche 56% 30% 54% 46% 63% 28% 81%

Nationale Küche 18% 60% 12% 55% 54% 54% 87%

Bild „Mehlspeisen“ 6% 31% 5% 15% 16% 37% 89%

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03/2011 | PRAXIS 53Werbeforschung & Praxistransfertransfer

Bilder Ballnacht, Wiener Sängerknaben und Fiaker werden von den Befragten am häufigsten auf Wien zugeordnet.

Die Stadt Budapest wird spontan mit der Donau, den Stadtteilen Buda und Pest und der ehemaligen Monarchie in Verbindung gebracht. Eigenschaften wie gastfreundlich, gesellig und musikalisch werden den Budapestern zuge­schrieben. Dennoch sind sie bei keiner der 25 Eigen­schaften führend. In der osteuropäischen Metropole erwar­ten die Befragten vor allem günstige Einkaufs möglich­keiten, leistbare Wohnungen sowie hohe Arbeitslosigkeit. Von den vorgelegten Bildern empfinden die Auskunfts­personen die Csardastänzerin, den Gulaschkessel und den Zigeunermusiker als typisch für diese Stadt.

Prag besticht durch die Altstadt, die Prager Burg und die Karlsbrücke. Die Einwohner sind traditionsbewusst, freiheits­liebend und gastfreundlich. Auch dieser osteuropäischen Stadt wurde keine der Eigenschaften am häufigsten zugeordnet. Die Aussagen romantische Altstadt, schön renovierte historische Gebäude und Sehenswürdigkeiten sowie günstige Einkaufs­möglichkeiten werden mit dieser Metropole in Verbindung gebracht. Weiters werden die negativen Bilder Obdachloser, Taschendiebstahl und Prostitution mit Prag assoziiert.

Das spontane Bild der Bundeshauptstadt Deutschlands ist von den historischen Aspekten Berliner Mauer und ehema­lige DDR geprägt. Die Berliner Mentalität lässt sich durch die Worte fortschrittlich, freiheitsliebend und fleißig beschreiben. Sowohl die Zuordnung der Aussagen als auch die Bildassoziationen ergeben ein einheitliches Bild von Berlin. Die Stadt fällt durch viele beschmierte Hauswände/Graffiti und tolles Nachtleben/Clubbing/Diskothek auf.

Die Auswertungen zu München zeigen, dass Bier, das berühmte Oktoberfest sowie das Hofbräuhaus spontane Assoziationen zu dieser Stadt sind. In dieses Bild lassen sich auch die Eigenschaften gesellig, sympathisch und lebenslustig gut einfügen. Aspekte der Lebensqualität, die die Auskunftspersonen auf München zuordnen, sind gut ausgebildete Arbeitskräfte, funktionierende Müllent sor­gung, gute Ärzte und Spitäler sowie die Bilder Spielplatz, Reihenhaus/Wohnqualität und Park/Lebensqualität.

Big Ben, Tower Bridge und die Queen sind Nennungen, die den befragten Personen spontan zu London einfallen. Die Bewohner werden als modern, weltoffen und wohlhabend eingeschätzt. In der Metropole werden viele Einkaufs zentren und Einkaufsstraßen, hohes Preisniveau und Einwohner aus vielen Ländern vermutet und die Bildreize Luxusgeschäft, Universität/Bildung und Taschendiebstahl zugeordnet.

Die Weltmetropole Paris sticht durch die hohen spontanen Zuordnungen des Eiffelturms hervor. Die Einwohner der Stadt der Liebe werden als romantisch, kultiviert aber auch

als eingebildet gesehen. Charakterisiert wird Paris durch viele Einkaufszentren und Einkaufsstraßen, hohes Preis­niveau und viele Jugendkrawalle. Die Bildreize Luxus­geschäft, Restaurant sowie Obdachloser werden auf die Metropole zugeordnet.

4. Typologie der Österreicher anhand der Bewertung von Wien

Da Personen aus ganz Österreich in dieser Studie befragt wurden, war es interessant herauszufinden, ob man diese anhand ihrer Einstellung zu der Stadt Wien in Gruppen zusammenfassen kann. Zu diesem Zweck wurde eine Clusteranalyse durchgeführt. Es gilt, aus einem Pool von Fällen mit verschiedenen Merkmalsausprägungen jene Gruppen, auch Cluster genannt, zusammenzufassen, die sich aufgrund ihrer Ausprägung der Merkmale ähnlich sind (Schendera 2010, S. 8). Das Ziel einer Clusteranalyse ist es, Objekte zu Gruppen oder Clustern zusammenzufassen, „wobei die Objektunterschiede innerhalb der Cluster mög­lichst klein und die Unterschiede zwischen den Clustern möglich groß sein sollen“ (Bortz/Döring 2006, S. 377).

In die Clusteranalyse einbezogen wurden 25 Eigenschaften, 10 Aussagen zum Themenbereich Kultur, Kulinarik und Freizeit, 26 Aussagen zur Lebensqualität und 27 Imagebilder. Davon sind 70 positiv und 18 negativ zu wer­ten. Nach der ersten Analyse der Ergebnisse zeigte sich eine 3­Clusterlösung als am besten geeignet.

Die größte Gruppe mit 43% der Gesamtstichprobe sind die „Wien­Fans“. Dieser Cluster fällt durch seine enthusiastische Haltung gegenüber der Stadt auf. 60 positive Items wurden prozentuell gesehen am häufigsten von dieser Gruppe mit Wien assoziiert. Das Bild ist sehr facettenreich und kann kaum auf einige wenige Kategorien des Gesamtimages redu­ziert werden. Die Wien­Fans sind sich durchaus der negativen Aspekte einer Großstadt bewusst, diese beeinflussen die posi­tive Meinung jedoch nicht negativ. Der Cluster der Wien­Fans besteht zu 52% aus Frauen und 48% aus Männern. Das durchschnittliche Alter beträgt 48 Jahre. 83% der Wien­Fans kommen aus Ostösterreich – davon 45% aus Wien, 30% aus Niederösterreich und 8% aus dem Burgenland.

Der zweite Cluster kann als „Neutrale“ definiert werden. Er besteht aus 24% aller befragten Personen. Die Namens­gebung des Clusters erfolgte aufgrund der Analyse der Prozentwerte, da kein positives Item am häufigsten mit Wien assoziiert wurde. Auffällig ist außerdem, dass die Zuordnung der negativen Items in diesem Cluster am geringsten ausfällt. Die Vermutung liegt nahe, dass die „Neutralen“ nicht sehr zuordnungsfreudig waren, was wie­derum gut in das Bild dieser Gruppe passt. Sie besteht zu 51% aus Männern und zu 49% aus Frauen. Das Durch­

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schnittsalter ist 41 Jahre. Die Neutralen kommen zu 87% aus Ostösterreich – davon 61% aus Wien, 25% aus Nieder­österreich und 1% aus dem Burgenland.

Das dritte und letzte Cluster umfasst 33% der Auskunfts­personen. Der Name „Kulturschätzende mit Wien­Antipathie“ lässt sich aus zwei Aspekten ableiten. Einerseits handelt es sich hierbei um den Faktor Kultur, bei dem sehr hohe Zuordnungen zu erkennen sind. Andererseits lässt sich eine starke Abneigung und Antipathie dieses Clusters der Stadt Wien und vor allem den Wienern gegenüber erkennen. Auch bei dieser Gruppe ist die Geschlech ter verteilung nahezu gleich – 47% Frauen und 53% Männer. Im Durchschnitt ist diese Gruppe 39 Jahre alt. Ostösterreich dominiert wie in beiden anderen Clustern die Bundeslandverteilung – 56% kommen aus Wien, 23% aus Niederösterreich und 4% aus dem Burgenland.

5. Resümee

Als Gewinner dieser Studie geht eindeutig Wien hervor. Die österreichischen Befragten sind durchwegs positiv zu ihrer Bundeshauptstadt eingestellt und bewerten diese in allen Dimensionen sehr gut. Aus einer Clusteranalyse geht her­vor, dass selbst jene Befragten, die die Nachteile einer Großstadt kennen, die Vorteile der Stadt Wien trotzdem zu schätzen wissen.

Auch München kann als Sieger bezeichnet werden, da das Image dieser Metropole nur durch positive Items charakteri­siert wird. Die osteuropäischen Städte, Budapest und Prag, sind die Verlierer dieser Studie. Die Lebensqualität konnte in den osteuropäischen Städten zwar durch den EU­Beitritt gesteigert werden, dies kann jedoch in der vorliegenden Studie nicht bestätigt werden. Ein möglicher Grund kann in der Auswahl der Vergleichsstädte liegen, da Paris und London Weltmetropolen sind, die sehr bekannt sind und ein facettenreiches Image aufweisen. Dabei handelt es sich lediglich um eine Vermutung, die durch weitere Studien in einem anderen Vergleichsrahmen überprüft werden sollte. Gegen diese Annahme spricht allerdings die Tatsache, dass

Images stabil sind und sich nur sehr langsam verändern. Die bereits erwähnte tatsächliche Veränderung der Lebensqualität der osteuropäischen Städte bedeutet nicht automatisch eine Verbesserung des Images dieser Metropolen.

Die Ergebnisse dieser Studie können genutzt werden, um Stärken weiter auszubauen und Schwächen langfristig zu beseitigen. Für Wien als Wirtschaftsstandort sind vor allem die aufgedeckten Stärken der Stadt von Interesse. Marken, die bereits seit langer Zeit durch die strategische Integration von Imagebestandteilen der Stadt Wien hervorstechen, sind beispielsweise das Traditionsunternehmen Manner und die „letzte große“ Wiener Brauerei Ottakringer. Das Logo von Manner beinhaltet neben der markanten Farbwahl und dem Schriftzug auch die Wiener Sehenswürdigkeit Stephansdom (siehe � Abbildung 9). Die Platzierung des Mannershops direkt neben diesem Bauwerk ergänzt das Marketing­konzept des Unternehmens. Durch die stimmige Umsetzung dieser Maßnahmen und die damit erreichte internationale Bekanntheit kann das Unternehmen fast als Synonym für die Stadt Wien gesehen werden. Eine andere Herangehens­weise findet man bei der bekannten Wiener Brauerei Ottakringer. Das Unternehmen hat beispielsweise die Ergebnisse der Mercer Studie von 2009 (o.V. 2011a) sofort in die neue Kampagne integriert und Wien als Stadt mit der höchsten Lebensqualität in einem TV­Spot kommuniziert. Zusätzlich wird die Wiener Umgangssprache auf humorvol­le Art und Weise auf Plakaten, im Fernsehen und auf den Produkten eingesetzt (siehe � Abbildung 9).

Seit 2010 bedient sich auch der Wiener Tourismusverband in seiner Werbelinie typischer Wiener Sujets. Schwerpunkte werden vor allem in den Bereichen Musik, Kultur, Genuss und funktionierende Stadt gesetzt (siehe � Abbildung 10).

Anhand dieser Beispiele kann man erkennen, wie zahlreich die Möglichkeiten der Verwendung des Images von Wien sind. Es können die positiven Facetten wie zum Beispiel die herausragenden kulturellen Aspekte, die Lebensqualität oder die allseits beliebte kulinarische Seite von Wien als möglicher Wettbewerbsvorteil genutzt werden. Jeder positi­

Abb. 9: Werbesujets Manner und Ottakringer (o.V. 2011b; o.V. 2011c)

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03/2011 | PRAXIS 55Werbeforschung & Praxistransfertransfer

ve Imagebestandteil kann als Alleinstellungsmerkmal in die Kommunikations­ und Marketingkonzepte eingearbeitet werden und sollte somit von keinem Wiener Unternehmen außer Acht gelassen werden.

Literatur

Bortz, J.; Döring, N. (2006): Forschungsmethoden und Evaluation, 4. Aufl., Springer Verlag, Heidelberg.

Abb. 10: WienTourismus Werbelinie 2010 (o.V. 2011d)

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2

Donnerstag, J. (1996): Der engagierte Mediennutzer, Fischer Verlag, München.

Koch, R.; Petritsch, B. (2010): Die Images von Wien, Budapest, Prag, Berlin, München, London und Paris bei den Österreicherinnen und Österreichern 2009, Diplomarbeit der Wirtschaftsuniversität Wien.

Kotler, P.; Keller, K. L.; Bliemel, F. (2007): Marketing­Management: Strategien für wertschaffendes Handeln, 12. Aufl., Pearson, München et al.

o.V. (2011a): Mercer, http://www.mercer.ch/summary.htm?siteLanguage=1000&idContent=1345300, Abruf am 29.08.2011.

o.V. (2011b): Manner, http://www.manner.com/index.php?idp=16&lang=1, Abruf am 29.08.2011.

o.V. (2011c): Ottakringer, http://www.ottakringer.at/downloads/wallpa­pers­1280/, Abruf am 29.08.2011.

o.V. (2011d): WienTourismus, http://b2b.wien.info/de/media/bilder/werbe­sujets­download, Abruf am 29.08.2011.

Pezenka, I.; Schneider, A. (2011): Unterschiedliche Sichtweisen – unter­schiedliche Images? Ein Vergleich von nachfrage­ und angebotsseitigem Städteimage, in: transfer – Werbeforschung & Praxis, 57 (1), S. 20 – 32.

Schendera, C. (2010): Clusteranalyse mit SPSS, Oldenbourg Verlag, München.

Schweiger, G. (1995): Image und Imagetransfer, in: Tietz, B. (Hrsg.): Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre Band IV, Handwörterbuch des Marketing, 2. Aufl., Schäffer­Poeschel Verlag, Stuttgart, S. 915 – 928.