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3 Stanislav Gross Premierminister Willkommen im Herzen Europas, im Herzen, das seit einem halben Jahr in der Europäischen Union schlägt. Die Wende vom April zum Mai bietet viele Anlässe zur Reflexion der Änderung, die durch die Erweiterung der Union auf 25 Länder eingetreten und die im wahrsten Sinne des Wortes eine historische ist. Zugleich be- stieg unser Land das bunte alltägliche Karussell der Verabredungen und Ver- handlungen, taucht in mal stille, mal stür- mische Wasser der Union ein, um bei dem Versuch mitzuwirken, daß immer wieder eine gemeinschaftliche Vereinbarung aller fünfundzwanzig beteiligten Länder an der Oberfläche auftaucht. Eine Vereinbarung, die einen Teil des Raumes füllt, den zu teilen wir beschlossen haben, oder das Vorgehen der Union auf der internationa- len Szene vorzeichnet. Wie die uns um- gebende Welt stets in der Entwicklung begriffen ist, so kann auch die Union nicht dem Stillstand erliegen, kann nicht ruhen. Ich weiß zwar nicht, ob der Ver- gleich Geltung hat, daß die Union einem Radfahrer gleich sei, der in die Pedale treten muß, sonst steht seine Maschine still, er verliert das Gleichgewicht und fällt hin; ich denke aber, daß wenn die Union aufhörte, sich weiterzuentwickeln, ginge nach und nach ihre Fähigkeit ver- loren, neuen und aberneuen Herausfor- derungen, welche die Zeit mit sich bringt, flexibel zu begegnen. Sie würde nach und nach die Fähigkeit verlieren, ein gedeihliches Milieu für das Leben ihrer Bürger mitzuge- stalten und einen Beitrag zur Optimierung des Zustandes unserer Welt zu leisten. Die Union ist nicht allein eine politische, juristische und wirtschaftliche Maschinerie. Sie ist nicht allein ein kompliziertes Getriebe für die Kooperationen von Parlamenten und Regierungen, sondern sie ist auch und vor allem eine Menschengemeinschaft. Für mein Teil, so wie für den Großteil meiner Mitbürger ist sie nicht zuletzt eine zahlreiche Familie der Nächsten, nach der sich die tschechische Nation während der langen Jahrzehnte des Totalitarismus sehnte. Sie ist eine Familie, mit der wir durch zahlreiche historische und kulturelle Konnexe verbunden sind, die uns allen zusammen eine Chance bieten, aus unse- rem Kontinent eine florierende Region des Friedens zu machen, die im Bewußtsein ihrer ereignisreichen und leider nicht selten auch bitteren Geschichte ihre Funktionstüch- tigkeit unter Beweis stellt. Aus diesem Grunde wurden für Hun- derttausende von tschechischen Bürgern und Bürgerinnen Europareisen eine Lieb- lingsbeschäftigung und einfache Selbst- verständlichkeit, genauso wie für unsere jüngste Generation ein immer breiteres Angebot an Studien- und Praxismöglich- keiten in vielen Ländern Europas. Wir alle haben einander etwas zu bieten. Ich mag z.B. Fußball und bin froh, wenn ich die Erfolge unserer besten Spieler in Dressen diverser berühmter europäischer Klubs verfolgen kann. Als Politiker bin ich aber auch froh, wenn ich sehe, daß unsere Unternehmer in Europa genauso erfolgreich sind wie unsere Spieler und ge- nauso gern sehe ich Aktivitäten ausländi- scher Firmen hierzulande. Um einander besser kennenzulernen, sehe ich zu aller Anfang ebenso gerne möglichst viele Tou- risten aus den Ländern der Europäischen Union hierzulande. Besuche prägen wesent- lich das Miteinander weitverzweigter Fa- milien, und wir Europäer sind Tag für Tag immer mehr eine solche Familie. Gestat- ten Sie mir deshalb noch einmal zu sagen: Willkommen im Herzen Europas ... Gastkommentar Inhalt Die Zeitschrift Im Herzen Europas erscheint sechsmal jährlich und vermittelt auf ihren Seiten ein Bild über das Leben in der Tschechischen Republik. Die Beiträge präsentieren die Ansichten ihrer Autoren und müssen nicht mit den offiziellen Standpunkten der tschechischen Regierung übereinstimmen. Der Nachdruck der publizierten Materialien ist nur mit Zustimmung des Herausgebers gestattet. Abonnementbestel- lungen sind an die Redaktion der Zeitschrift zu richten. Herausgegeben vom Verlag Theo in Zusammenarbeit mit dem Außenministerium der Tschechischen Republik. Anschrift der Redaktion: J. Poppera 18, 530 06 Pardubice, âeská republika Chefredakteur: Pavel ·míd Graphische Redaktion: Karel Nedvûd Vorsitzender des Redaktionsbeirats: Vít Koláfi, Leiter der Pressestelle des Außenministeriums der âR und Pressesprecher des Außenministers Redaktionsbeirat: Vûra StaÀková, Marie Kopecká, Libu‰e Bautzová, Silvie Marková, Lucie Pilipová, Alena Prouzová, Pavla Jedliãková, Eva Ocisková, Milan KníÏák, TomበPojar, Oldfiich TÛma, Martin Krafl, Petr Vágner, Vladimír Hulec, Petr Volf, Vít Kurfürst, Jan ·ilpoch, Pavel Fischer Deutsche Übersetzung: Institut für Germanistik Philosophische Fakultät der Masaryk-Universität Brno Druck: VâT Pardubice ISSN 1211–9296 Theo Verlag – Internet: http://www.theo.cz E-Mail: [email protected] Das Jahr 2004: weder Tragödie noch Komödie Sozio-politische Rückblicke in die jüngste Vergangenheit des Landes Seite 4 – 7 Ohne Mast und mit großer Last Binnenschiffahrt in der Vergangenheit und in der Zukunft Seite 8 – 11 Segler auf hoher See Waghalsige Schicksale und Erfolge des Hochseesegelsports im Ausland Seite 12 – 15 Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn es der Mensch gezähmt bewacht Verwandlungen der Feuerwehr und deren anderweitige Aufgaben in der Gegenwart Seite 16 – 19 Zu Pferd der Meute nach Ein alter Brauch wird hierzulande wieder gepflegt. Seite 20 – 21 Der Wintergarten in Eisgrub Ein Natur-Baudenkmal auf Schloß Lednice/Eisgrub Seite 22 – 25 Ausdruck der Freude Festivals für jung und alt Seite 26 – 29 Emigrant Josef Horn˘ Architekt umweltfreundlicher Häuser Seite 30 – 33 Buntes und Interessantes aus Tschechien Seite 34 – 35 Slavín Die letzte Ruhestätte von Nationalikonen Seite 36 – 38

Inhalt - theo.cz · Ein kleines Drama spielte sich bei der Aus- ... Vertreter Tschechiens auf Zeit wurde der partei- ... Soziales wurde und sich als der erste der Kom-

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Stanislav GrossPremierminister

Willkommen im Herzen Europas, imHerzen, das seit einem halben Jahr in derEuropäischen Union schlägt. Die Wendevom April zum Mai bietet viele Anlässezur Reflexion der Änderung, die durchdie Erweiterung der Union auf 25 Ländereingetreten und die im wahrsten Sinne desWortes eine historische ist. Zugleich be-stieg unser Land das bunte alltäglicheKarussell der Verabredungen und Ver-handlungen, taucht in mal stille, mal stür-mische Wasser der Union ein, um bei demVersuch mitzuwirken, daß immer wiedereine gemeinschaftliche Vereinbarung allerfünfundzwanzig beteiligten Länder an derOberfläche auftaucht. Eine Vereinbarung,die einen Teil des Raumes füllt, den zuteilen wir beschlossen haben, oder dasVorgehen der Union auf der internationa-len Szene vorzeichnet. Wie die uns um-gebende Welt stets in der Entwicklungbegriffen ist, so kann auch die Unionnicht dem Stillstand erliegen, kann nichtruhen. Ich weiß zwar nicht, ob der Ver-gleich Geltung hat, daß die Union einemRadfahrer gleich sei, der in die Pedaletreten muß, sonst steht seine Maschinestill, er verliert das Gleichgewicht undfällt hin; ich denke aber, daß wenn dieUnion aufhörte, sich weiterzuentwickeln,ginge nach und nach ihre Fähigkeit ver-loren, neuen und aberneuen Herausfor-derungen, welche die Zeit mit sich bringt,flexibel zu begegnen. Sie würde nach undnach die Fähigkeit verlieren, ein gedeihlichesMilieu für das Leben ihrer Bürger mitzuge-stalten und einen Beitrag zur Optimierungdes Zustandes unserer Welt zu leisten.

Die Union ist nicht allein eine politische,juristische und wirtschaftliche Maschinerie.

Sie ist nicht allein ein kompliziertes Getriebefür die Kooperationen von Parlamentenund Regierungen, sondern sie ist auch undvor allem eine Menschengemeinschaft.Für mein Teil, so wie für den Großteilmeiner Mitbürger ist sie nicht zuletzt einezahlreiche Familie der Nächsten, nachder sich die tschechische Nation währendder langen Jahrzehnte des Totalitarismussehnte. Sie ist eine Familie, mit der wirdurch zahlreiche historische und kulturelleKonnexe verbunden sind, die uns allenzusammen eine Chance bieten, aus unse-rem Kontinent eine florierende Region desFriedens zu machen, die im Bewußtseinihrer ereignisreichen und leider nicht seltenauch bitteren Geschichte ihre Funktionstüch-tigkeit unter Beweis stellt.

Aus diesem Grunde wurden für Hun-derttausende von tschechischen Bürgernund Bürgerinnen Europareisen eine Lieb-lingsbeschäftigung und einfache Selbst-verständlichkeit, genauso wie für unserejüngste Generation ein immer breiteresAngebot an Studien- und Praxismöglich-keiten in vielen Ländern Europas. Wir allehaben einander etwas zu bieten.

Ich mag z.B. Fußball und bin froh, wennich die Erfolge unserer besten Spieler inDressen diverser berühmter europäischerKlubs verfolgen kann. Als Politiker binich aber auch froh, wenn ich sehe, daßunsere Unternehmer in Europa genausoerfolgreich sind wie unsere Spieler und ge-nauso gern sehe ich Aktivitäten ausländi-scher Firmen hierzulande. Um einanderbesser kennenzulernen, sehe ich zu allerAnfang ebenso gerne möglichst viele Tou-risten aus den Ländern der EuropäischenUnion hierzulande. Besuche prägen wesent-lich das Miteinander weitverzweigter Fa-milien, und wir Europäer sind Tag für Tagimmer mehr eine solche Familie. Gestat-ten Sie mir deshalb noch einmal zu sagen:Willkommen im Herzen Europas ...

Gastkommentar

Inhalt

Die Zeitschrift Im Herzen Europas erscheint sechsmal jährlichund vermittelt auf ihren Seiten ein Bild über das Leben inder Tschechischen Republik. Die Beiträge präsentieren dieAnsichten ihrer Autoren und müssen nicht mit den offiziellenStandpunkten der tschechischen Regierung übereinstimmen.Der Nachdruck der publizierten Materialien ist nur mitZustimmung des Herausgebers gestattet. Abonnementbestel-lungen sind an die Redaktion der Zeitschrift zu richten.Herausgegeben vom Verlag Theo in Zusammenarbeit mitdem Außenministerium der Tschechischen Republik.Anschrift der Redaktion:J. Poppera 18, 530 06 Pardubice, âeská republikaChefredakteur: Pavel ·mídGraphische Redaktion: Karel NedvûdVorsitzender des Redaktionsbeirats: Vít Koláfi, Leiter der Pressestelle des Außenministeriums der âRund Pressesprecher des AußenministersRedaktionsbeirat: Vûra StaÀková, Marie Kopecká, Libu‰e Bautzová, Silvie Marková, Lucie Pilipová, Alena Prouzová, Pavla Jedliãková, Eva Ocisková,Milan KníÏák, TomበPojar, Oldfiich TÛma, Martin Krafl,Petr Vágner, Vladimír Hulec, Petr Volf, Vít Kurfürst,Jan ·ilpoch, Pavel Fischer

Deutsche Übersetzung: Institut für GermanistikPhilosophische Fakultät der Masaryk-Universität BrnoDruck: VâT Pardubice

ISSN 1211–9296

Theo Verlag – Internet:http://www.theo.czE-Mail: [email protected]

Das Jahr 2004: weder Tragödienoch KomödieSozio-politische Rückblicke in diejüngste Vergangenheit des LandesSeite 4 – 7

Ohne Mast und mit großer LastBinnenschiffahrt in der Vergangenheitund in der ZukunftSeite 8 – 11

Segler auf hoher SeeWaghalsige Schicksale und Erfolgedes Hochseesegelsports im AuslandSeite 12 – 15

Wohltätig ist des Feuers Macht,wenn es der Mensch gezähmt bewachtVerwandlungen der Feuerwehrund deren anderweitige Aufgabenin der GegenwartSeite 16 – 19

Zu Pferd der Meute nachEin alter Brauch wird hierzulandewieder gepflegt.Seite 20 – 21

Der Wintergarten in EisgrubEin Natur-Baudenkmal auf SchloßLednice/EisgrubSeite 22 – 25

Ausdruck der FreudeFestivals für jung und altSeite 26 – 29

Emigrant Josef Horn˘Architekt umweltfreundlicher HäuserSeite 30 – 33

Buntes und Interessantesaus TschechienSeite 34 – 35

SlavínDie letzte Ruhestätte vonNationalikonenSeite 36 – 38

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Das politische Geschehen zeichnete sichdurch Turbulenzen aus: Beitritt zur Europäi-schen Union, Wahlen zum Europäischen Par-lament, Sturz der Regierung Vladimír ·pidla,Bildung des neuen Regierungskabinetts, Nie-derschlag der Ereignisse in der politischenLandschaft in den Ergebnissen der Regionalver-bands- und denen der Senatswahlen gegen Jahres-ende – dies waren die Schlüsselmomente desJahres 2004. Ihre Aufzählung hört sich wie einedramatische Geschichte an, doch in Tschechienspielte sich kein einziges wirkliches Drama ab.Im Gegenteil: vom wirtschaftlichen Standpunktaus war es ein erfolgreiches Jahr, das Brutto-inlandsprodukt wuchs (im zweiten Vierteljahrum 4,1 % gewachsen), die Industrie und das Bau-wesen verzeichneten in manchen Monaten sogareinen zweistelligen Anstieg. Auch die Außen-handelsbilanz gestaltete sich günstiger, und dasDefizit sank. Die erfolgreiche wirtschaftlicheEntwicklung führen die Experten auf den EU-Beitritt wie auch auf die Wiederbelebung derWirtschaft in den Nachbarländern, vor allem in

Deutschland, zurück. Nur die negative Bela-stung durch die Arbeitslosenquote blieb bestehen,auch das neue Kabinett erzielte keinen Rück-gang (die Quote lag um 9-10 %).

Der Beitritt zur Europäischen Union am1. Mai 2004 brachte erwartungsgemäß keinedurchgreifenden Änderungen im Leben der Lan-desbevölkerung. Auch die gefürchtete Teuerungvon Lebensmitteln und Artikeln des täglichenBedarfs setzte nicht ein. Die Inflationsrate stiegzwar einigermaßen an, hält sich jedoch in Ma-ßen (nächstes Jahr sollte sie sich auf rd. 3%belaufen), obwohl auch Tschechien einen Preis-anstieg von Rohöl und Ölprodukten verzeich-

nete, was wiederum in den Preisen von Erdgasund Treibstoffen seinen Niederschlag fand.

Bewegte sich die Wirtschaft auch in Richtungauf ein Plus von Stabilität und Ausgewogenheithin, so war das Geschehen in der politischenSzene turbulenter. Meinungsverschiedenheitenin der regierenden Sozialdemokratie (âSSD) es-kalierten nach den Juniwahlen zum Europä-ischen Parlament. Bei diesen verbuchten die op-positionellen Bürgerlichen Demokraten (ODS),dann die Kommunisten die größten Erfolge, undZuspruch fanden auch zwei Vereinigungenunabhängiger Kandidaten. Von der Regierungs-koalition behauptete allein die Volkspartei(KDU-âSL) ihre Position, die Union der Frei-heit (US-DEU) fiel mit Glanz durch. Im Zusam-menhang damit stand das Ausscheiden von Pre-mier Vladimír ·pidla (âSSD) aus der Regierungund aus dem Parteivorsitz nach dem Mißtrauens-votum seiner eigenen Partei. Mit der Bildungder neuen Regierung beauftragte Präsident Vác-lav Klaus Stanislav Gross, der bis dahin Innen-minister, Vizepremier und Vizevorsitzender der

Das Jahr 2004: wederTragödie noch Komödie

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Sozialdemokraten gewesen war. Trotz anfängli-chen Mißtrauens gelang es Gross, das Kabinettzu bilden und das Vertrauen einer knappenMehrheit im Abgeordnetenhaus zu gewinnen.Ungeachtet der Kritik mancher Sozialdemokra-ten wurde der Koalitionsvertrag mit der Volks-partei und den Unionisten erneuert; die Ideeeiner Minderheitsregierung, unterstützt etwadurch die Kommunisten setzte sich nicht durch.

Die wichtigsten Ämter in der Regierung be-kleiden weiterhin dieselben Politiker wie in derRegierung ·pidla: Finanzminister Bohuslav So-botka, Außenminister Cyril Svoboda, Ministerfür Arbeit und Soziales Zdenûk ·kromach u.a.Die Programmerklärung der Regierung unter-scheidet sich in den wichtigsten Punkten kaumvon der vorherigen.

Das Image der Regierung verbesserte sich abernach den ersten Meinungsumfragen, Präferenzenfür die Sozialdemokraten nahmen zu. Ausschlag-gebend sind seit eh und je die Regionalverbands-und Senatswahlen, das letzte wichtige politischeEreignis des diesjährigen Herbstes hierzulande.Die Botschaft, die der Premier der Bevölkerungauf großen Werbeflächen vermittelte, lautete: Ichmeine es aufrichtig. Die Wahlen stellen solcheParolen wie immer auf den Prüfstein, allerdingssind es immer weniger Wähler, die ihre Meinungnoch durch Urnengang kundgeben.

Die Regionalverbandswahlen sollten ebenfallszeigen, wie sich die vor vier Jahren als Gebiets-körperschaften institutionalisierten Regional-verbände im allgemeinen Bewußtsein etablierthaben. Die ersten Regionalverbandswahlen warennoch eine unbekannte Größe, nun rekrutieren sichdabei und werden viele Politiker bekannt, diezentrale Positionen anstreben. Die höheren Kom-munalverbände errangen eine autonomere Stel-lung im staatsrechtlichen Gefüge und ziehenimmer mehr Vollmachten an sich.

Nicht nur in der Sozialdemokratie erfolgteeine „Wachablösung“ (Stanislav Gross für Vla-

dimír ·pidla), sondern auch in der Union derFreiheit (Pavel Nûmec anstelle von Petr Mare‰),in der Volkspartei und bei den BürgerlichenDemokraten wechselten die Parteivorsitzendenbereits im Vorjahr. Anzeichen für ein politischesComeback gab der Ex-Premier und Ex-Partei-vorsitzende der Sozialdemokraten Milo‰ Ze-man von sich, es blieb aber nur bei Anzeichen.Bei den Bürgerlichen Demokraten behauptetesich Mirek Topolánek an der Spitze, aber inder zweiten Jahreshälfte wurde seine Positionlokkerer, und man wartete auf den Ausgang derHerbstwahlen: das Ergebnis wird sich auf denDezemberparteitag auswirken.

Für die Bürgerlichen Demokraten wares sehr schwer, den Erfolg der vorletztenWahlen zu wiederholen, weil gerade bei denRegionalverbandswahlen viele Gruppierun-gen unabhängiger Kandidaten ihre Kandida-tenlisten aufstellten. Im selben Termin fandenauch die Senatswahlen statt, wo ein Drittel derSenatoren turnusmäßig neu gewählt wurde.Wie bereits üblich, meldeten viele bekanntePolitiker, aber auch Künstler und Unterneh-mer ihre Kandidatur an.

Ein kleines Drama spielte sich bei der Aus-wahl des künftigen Eurokommissars ab. Diesemanifestierte Auseinandersetzungen und Span-nungen in der Sozialdemokratie, und der Kan-

Je mehr die tschechische Volks-wirtschaft in das Standard- undGleichmäßige einlenkte, desto mehrüberstürzten sich die Ereignisse inder politischen Szene.

Gesellschaft

Sazka Arena, eine der modernsten Mehrzweckhallen Europas6

didat, Ex-Umweltminister Milo‰ KuÏvart, dertrotz Widerstandes mancher Parteikollegen dieUnterstützung von Premier Vladimír ·pidla ge-noß, lehnte das bereits akzeptierte Angebotschließlich doch noch vor Amtsantritt ab. DerVertreter Tschechiens auf Zeit wurde der partei-lose Pavel Teliãka, der Tschechiens Beitritt inBrüssel verhandelte. Nach dem Wechsel an derSpitze der tschechischen Regierung wurde Teliã-ka aber nicht im Amt bestätigt und von Ex-Pre-mier Vladimír ·pidla abgelöst, der Kommissar fürSoziales wurde und sich als der erste der Kom-missare der Beitrittsländer auch dem Hearing imzuständigen Parlamentsausschuß unterzog.

Die positive Wahrnehmung der Präsident-schaft von Václav Klaus durch die Öffentlich-keit verbesserte sich 2004 zusehends, ungeachtetder Kritik an der langwierigen Ernennung neuerVerfassungsrichter und der Tatsache, daß er vonseinem Vetorecht im Falle einiger Gesetze (inpuncto EU-Haftbefehl etwa) mehrfach Gebrauchmachte. Sein Prestige wächst im allgemeinen.

Im Abgeordnetenhaus wurde manchen Be-völkerungsteilen Freude bereitet: Vor den Euro-pawahlen war es eine einmalige Zuwendung fürFamilien mit Kindern und Senioren. NächstesJahr sollten die Gehälter der Polizisten angeho-ben werden. Steuerermäßigungen warten auf Fa-milien mit Kindern, und es wird eine gemeinsameVersteuerung der Eheleute eingeführt. Die größteKritik der Unternehmerkreise erntete die verspä-tete Vorbereitung der Mehrwertsteuergesetzes-novelle, die der EU-Beitritt erforderlich machte.

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Von großen politischen, aber auch innerpar-teilichen Auseinandersetzungen war auch dieVorbereitung des Staatshaushaltsplans für dasJahr 2005 begleitet. Er wurde mit einem Defizitvon beinahe 84 Mrd. Kronen verabschiedet, waseiner geplanten, mit der EU vereinbarten Verrin-gerung der staatlichen Ausgaben entspricht.

Umweltlasten wurden zum Zankapfel mitUnternehmen aus der Schwerindustrie- undEnergiewirtschaftsbranche, besonders umstrit-ten war der Ausstoß von Treibgasemissionen.Der Nationale Allokationsplan (NAP), derzur Grundlage für den Handel mit Berech-tigungen zur Emission von Treibhausgasenwerden sollte, löste einen Streit zwischen demMinisterium für Industrie auf der einen, unddem Umweltministerium auf der anderen Sei-te aus. Im Abgeordnetenhaus stritt man überSchutzgebiete im Rahmen des europäischenProgramms Natura und den Ausbau von Stau-wehren an der Elbe.

Die Privatisierung wurde mit wechselndenErfolgen fortgesetzt. Der größte Verkauf derstaatlichen Anteile wurde in der Holdingge-sellschaft Unipetrol getätigt, der von der polni-schen Gesellschaft PKN Orlen erworben wurde.Die staatlichen Anteile in der OKD (Ostrau-Kar-winer Bergbaugesellschaft) erwarb der Mehr-heitsbesitzer der Gesellschaft Karbon Invest, bei

·koda Praha die âEZ (Böhmische Elektrizitäts-werke). Die Regierung verkaufte weder Severo-ãeské doly (Nordböhmische Tagebaue) noch dieTelekommunikationsgesellschaft âesk˘ Tele-com. Sie verschob auch die Privatisierung derstaatlichen Anteile bei den âEZ. Diese Gesell-schaft tätigte das bisher größte tschechischeGeschäft im Ausland: bei der öffentlichen Aus-schreibung der Regierung erwarb sie Anteile beizwei Stromvertriebsgesellschaften in Bulgarien.Sie ging allerdings bei der Ausschreibung dieSlovenské elektrárne (Slowakische Elektrizitäts-werke) betreffend leer aus.

Das Jahr 2004 bescherte dem Land weder ne-gative noch besonders positive Überraschungen,es herrschte einfach Normalbetrieb.

Milena GeussováPhotos: Tschechische Presseagentur (âTK), Karel ·vec – Sazka AG .

Ergebnisse der Regionalverbands- und Senats-wahlen in November 2004:

Bei den Regionalverbandswahlen erwarbendie Bürgerlichen Demokraten (Obãanská demo-kratická strana – ODS) 36,35 % der Stimmen undtrugen den Wahlsieg insg. in 12 von den 13 Regio-nalverbänden davon. Die Kommunisten (Komu-nistická strana âech a Moravy – KSâM) erhielten19,68 % der Stimmen, die Sozialdemokraten (âes-ká strana sociálnû demokratická – âSSD) 14,03 %,die Christdemokraten (KfiesÈanskodemokratickáunie – âeská strana lidová – KDU-âSL) errangen10,67% der Stimmen und erzielten den Wahlsieg ineinem Regionalverband. Andere Parteien und Be-wegungen erwarben insg. 19,27% aller Stimmen.

Bei den Senatswahlen gehörte der Sieg denbürgerlich-demokratischen Kandidaten (ODS)in 18 Wahlbezirken, die Christdemokraten (KDU-âSL) siegten in 3, die Unabhängigen in 2, in jeeinem Wahlbezirk: die Kommunisten (KSâM),die Grünen (Strana zelen˘ch), die Union derFreiheit-Demokratische Union/Bürgerlich Demo-kratische Union (Unie svobody-Demokra-tická unie/Obãanská demokratická unie –US-DEU/ ODA) und die Europäischen Demo-kraten (Evrop‰tí demokraté).

Bau von hölzernen Schiffen für die Obere Moldau, aus der Werft der Firma J. ·ílen˘, T˘n nad Vltavou (Moldauthein)8

Für die böhmischen Länder war dieMoldau- und die Elbeschiffahrt vomAltertum bis zur Gegenwart von un-gemeiner Wichtigkeit, machte sie dochdie Versorgung von Städten und denHandel über größere Entfernungenmöglich. Transportiert wurden anfangsHolz und Stein, späterauch andere Güter. Heuteist die Elbe die einzige 670km lange Wasserstraßequer durch Deutschlandbis zur Nordsee (ohneWasserzoll) – der Hafen-stadt Hamburg.

Die angestrebte sichereSchiffahrt in den felsen-reichen Strömen der Elbe,Moldau und ihren Zuflüs-sen war kein leichtes. Manmußte die Wasserwegedurch das bautechnischeIngenium bezwingen. DieBaumeister ließen die Fluß-

betten im Laufe der Zeit für die Floß-und Schiffahrt ausheben und regulie-ren, Sandbänke, große Steinblöcke inStromschnellen und ins Wasser auslau-

fende Felsen entfernen. Es wurdenDämme und mit Mühlen bestückteStauwehre, Treidelwege, Umschlag-plätze und Schleusenkammern gebaut.Die Schiffer selbst liebten die Flüssetrotz ihrer Klippen und gaben ihre ge-werbsmäßige Erfahrung von Genera-

tion zu Generation weiter.

Schiffahrt auf derOberen Moldau und

der Elbe

Zum Holz- und Waren-transport dienten der Flöß-erei in Böhmen seit demMittelalter vor allem dieMoldau von Budweis bzw.Krumau an flußaufwärtsund die in deutsche Landefließende Elbe, dies beze-ugen erhaltengebliebeneurkundliche Belege ausdem 9. und 10. Jahrhun-

Ohne Mast und mitgroßer Last

Lastkahn auf der Moldau, Holzschnitt von Antonín Lev˘

Unterwegs nach Prag, Landleute auf Flößen, Holzschnitt von Antonín Lev˘ Treideln, Holzschnitt von Antonín Lev˘

Be- und Entladen von Gütern von Holzschiffen an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert

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dert. Seit dem 11. Jahrhundert machtenviele Glasmacher, Pecher und Pechsie-der, Köhler, Wagenschmierer, Aschen-brenner, Pottaschesieder, Kienrußbren-ner und Hopfenanbauer von der Schif-fahrt Gebrauch. Im 13. und 14. Jahrhun-dert werden Holz aus dem Hohen Böh-merwald (·umava) und Südböhmen undandere Güter (Melniker Wein) regelmäßigauf den von Pferden geschleppten Schiff-en stromaufwärts transportiert.

Das Volumen der moldauauf- und –abwärts transportierten Güter wuchs,und von 1550 an wurde regelmäßigdas Salzburger Salz in Fässern zu denSalzämtern – kaiserlichen wie könig-lichen Salzlagern – in Budweis, Mol-dauthein und Prag befördert. UnterFerdinand I. wurde erwogen, die Elbebis nach Hamburg schiffbar zu ma-chen. Auf der Moldau herrschte einreger Personen- und Güterverkehr: be-fördert wurden Stein, Sand, Kalkstein,Holzkohlen, Pech, Glas, Vieh, Butter,Käse, Bier, Honig, Bienen, Wachs, Met,Wein und Bier. Von dort aus gelangteder berühmte böhmische Kalksteinnach England, der gebrannt als Pastadi Praga seinen Ruhm erlangte.

Der größte Aufschwung des Schiffs-verkehrs sollte im 17. und 18. Jahrhun-dert durch eine neue Verbesserung derFahrrinne im Moldaubett einsetzen,ein Hindernis blieben aber die Johannis-stromschnellen (Svatojanské proudy).Der Professor an der Prager Techni-schen Hochschule J.F. Sochor entwarfVerbesserungen für die gefährlichstenAbschnitte des Moldauflusses. Am Wehrin Îupanovice (1729) und später inModfiany wurden nach seinem Ent-würfen die ersten Schleusenkammerngebaut. Die Vertiefung der Durchlässebis auf den Flußgrund sowie der Fahr-

rinne von Vy‰‰í Brod (Hohenfurth)ab wurde 1777 von dem französischenGenietruppenmajor Ingenieur BaronBernarde entworfen und auch baulichumgesetzt. Dadurch konnte der Flußauch von Schiffen mit Ladungen von20, 50 und mehr Tonnen Gewichtbefahren werden. Die Länge einesFloßtrains konnte sich bis auf 100Wiener Klafter (100 x 189,65 cm) be-laufen. 1710 wurden auf der Moldau(in Moldauthein) 75tsd. Fässer Salz,1500 Floßtafeln mit 540tsd. Baum-stämmen (rd. 432tsd. t Holz) und an-dere Güter verschifft.

Für die Moldauschiffahrt nachPrag wurden in Südböhmen hölzerneKähne und für die Elbschiffahrt großeLastkähne gebaut, die ausgeladenstromaufwärts zurückgeschleppt oderauseinandergenommen (das Holz fandeine anderweitige Verwendung) wur-den. Ende des 18. Jahrhunderts wurdevon Rosenauer ein Plan gefaßt, dieMoldau und die Donau durch denSchwarzenberger Schwemmkanal zuverbinden, um das Brennholz nach

„Wenn wir auch manch eine Berg-und Tallandschaft kennengelernt ha-ben, diese da übertrifft bei weitem dasje Vorhergesehene.“

W. A. Greenüber die Moldauschiffahrt einerGruppe von Engländern (1881)

Traditionen

Die landesweit erste Schleusenkammer in Îupanovicewar 1729-1954 in Betrieb.

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Schiffahrt auf der NiederenMoldau und der Elbe

Auf der Moldau unterhalb von Prag,auf der Elbe ober- und unterhalb vonMûlník gestalteten sich Bedingungenfür die Schiffahrt günstiger, das Was-ser war tiefer, Stromschnellen nichtso reißend. Aber auch hier wurden Re-gulierungsmaßnahmen vorgenommen,um den Tiefgang zu vergrößern undeine gewinnbringende Schiffahrt fürdie meiste Zeit im Jahreslauf zu garan-tieren. Es fuhren dort Schiffe mit einerHebefähigkeit von 200-500 t ohne An-trieb bzw. mit einem Hilfssegel ausge-stattet, stromaufwärts wurden sie durchPferde auf Treidelwegen gezogen.

Eine Wende in der Geschichte desVerkehrswesens brachte die Erfindungder Dampfmaschine und deren Ein-satz in der See- und Schiffahrt unddem Eisenbahnverkehr. Der erste Per-sonendampfer Bohemia wurde durchden Engländer J.J. Ruston hergestellt,der die Prager Maschinenbaufabrik„Rustonka“ besaß. Die Bohemia ver-kehrte, betrieben durch die Schiffahrts-gesellschaft von J. Andrews, ab 1841zwischen Prag und Dresden. 1846 kam

Wien zu triften. Dieser wurde 1789fertiggestellt, an die Moldau an-geschlossen und führte vom Plöcken-steiner See (Ple‰né jezero) bis nachHaslach in Österreich. (Seine Längebetrug 51 km.)

Allerdings konnte die Schiffahrtnicht mit der Eisenbahn (Budweis-Prag)in Wettbewerb treten. Der beinahe 1000Jahre abgewickelte Schiffsverkehr aufder Oberen Moldau kam zum Erliegen.(Die Schiffahrt auf der niederen Mol-dau hingegen blieb erhalten.)

1880 aus Holz bzw. Eisen (im letzterenFall aber mit einem hölzernen Boden),seit 1906 mit einem vollständig ausEisen bestehenden Schiffskörper (miteiner Tonnage von rd. 1000 t) herge-stellt wurden. Ende des 19. Jahrhundertswurde ein steiler Anstieg von Industrieund Handel hierzulande verzeichnet.Die Exporte nach Deutschland undÜbersee sowie die Rohstoffimportewurden kostengünstig auf der Moldauund der Elbe befördert. Waren es 1815rd. 15tsd. Tonnen ex- und importierteGüter, so betrug das Volumen 1851 be-reits das Zehnfache. 1901 wurden2,361.220 t Kohlen und 965.750 t son-stige Güter sowie 450tsd. t Holz (Floß-fahrt) befördert. Die höchsten Gesamt-leistungen (4,2 Mio. t) Im- und Exportebetreffend wurden 1903-1906 erreicht.Die Industrielle Revolution in denböhmischen Ländern rief eine mehr-fach erhöhte Nachfrage nach Transportvia Moldau und Elbe hervor, so daßder böhmische Landtag den Ausbau

der zweite Dampfer (Germania) hinzu,und 1850 waren bereits 6 Dampfer inBetrieb. 1881 wurden Vergnügungs-fahrten auf fünf Salonschraubendam-pfern von Prag nach Chuchle (Kuchel)gestartet und später bis nach Zbraslav(Königsaal) und ·tûchovice. 1897 wur-den 920tsd., 1906 934tsd. Personen aufden zwischen Prag, Mûlník, Litomû-fiice (Leitmeritz), Dûãín (Tetschen)und Dresden verkehrenden Fahrgast-linienschiffen befördert.

Die ersten drei Raddampfer mitJ. Watt-Dampfmaschine (Antriebslei-stung: 40-70 PS) mit 3-4 Schleppkäh-nen (mit einer Tonnage von 500 t) ver-kehrten seit 1854 zwischen Prag undHamburg. 1880 konnten die Schlepp-dampfer (Remorquere), im Schlepptau6-8 Kähne ziehend, eine Antriebslei-stung von bis 550-750 PS erbringen.Die Schleppdampferfahrt brachte denBau großer Elbkähne mit sich, die seit

Motorlastkahn Labe 8 an der Anlegestelle in Dûãín (Tetschen)

Motorlastkahn Labe 33, Labe 9 1994 an der Elbe (Dûãín/Tetschen), Labe 1 an der Anlegestelle in Dûãín (Tetschen) 11

von Schiffahrtsabschnitten von Pragnach Lovosice (Lobositz; 1896-1919)durchgesetzt hatte. Zwischen 1924-1976 wurde ein zusammenhängendesNetz von Schiffahrtsabschnitten mitkonstanter Tauchtiefe und Ganzjahres-betrieb mit Ladungsanfall von 8 Mio. terschlossen. Es fehlt allerdings einguter Anschluß an die deutsche Elbedurch die Abschnitte Malé Bfiezno undDolní Îleb (Prostfiední Îleb) undfür die Versorgung der ostböhmischenIndustrie der Abschnitt Semín bzw.Pfielouã II.

Binnenschiffahrt heute

Die Gesamtlänge des schiffbarenMoldau- und Elbflusses beträgt 303km, 263 km davon entfallen auf Ab-schnitte mit garantierter Tauchtiefe.Über den Ausbau der letzten zwei ge-planten Abschnitte wurde von 1950 bisheute mehrfach verhandelt. Es werdenvorbereitende Maßnahmen getroffen,

schwierigen Bedingungen schafften esdie tschechischen Reeder, unter 1 Mio.t Auslandsgüter zu verfrachten.

Das tschechische optimalisierteSchiffbarmachungsvorhaben für dieuntere Elbe zwischen Aussig an derElbe (Ústí nad Labem) und der Staats-grenze Tschechien/Deutschland siehtfür die Wasserstraße Parameter vor,die mit denen in der Bundesrepublikidentisch sind. Dieses Projekt basiertauf einem früheren Plan der tschechi-schen Energiewirtschaft, dem zufolge1987 der Ausbau von energiewirt-schaftlichen Schiffahrtsabschnitte MaléBfiezno und Dolní Îleb anlief. Die weite-ren Vorbereitungsarbeiten fielen 1996in die Amtsführung des Verkehrsmi-nisteriums. Das erwogene technischeVorhaben entspricht völlig den Umwelt-schutzstandards im Elbdurchbruchstal(Labsk˘ kaÀon) und ermöglicht dieSchiffahrt in Abstimmung mit dem Le-ben der dortigen Pflanzen- und Tierwelt.

Jan âábelkaPhotos: Archiv Verfasser, TschechischeFremdenverkehrszentrale (âeská centrála cestovního ruchu – âCCR)

und Meinungsaustausch von Expertenmit der Öffentlichen Verwaltung undStellen der kommunalen Selbstverwaltunggepflegt. Seit 1993 werden auf deutscherSeite vom Bund Baumaßnahmen durch-geführt, die eine Tauchtiefe von 1,4 mfür 345 Tage im Jahr garantieren sollen.Seit 1999 ruht der Verkehr in diesemAbschnitt in den klimatischen Trocken-zeiten für 5-8 Monate. Trotz dieser

Schubschiff für einen Schubverband an der Elbe

Richard Konkolski – OSTAR-Alleinhochseesegelwettfahrer12

Hébé III, IMS-Weltmeisterschaften (Ingenieur-GemeinschaftMeerestechnik und Seebau) in Italien

sen Expeditionen in aller Herren Länder.Aus allen diesen Strängen ging der tsche-chische Segelsport hervor.

An der Wiege des tschechischen Segel-sports im Tschechischen Jachtklub (âesk˘Yacht Klub – âYK) mit Sitz in Prag unterdem Vyschehrader Felsen stand 1893 derbekannte Begründer und Propagandistvieler Sportarten Josef Rössler-Ofiovsk˘.1912 war eine Niederlassung des âYK-Jachtklubs in Triest eröffnet worden, dieüber drei Seejachten verfügte. 1935 ge-wann das 10 m lange Segelschiff Vltavain Split die erste internationale Wettfahrtum den Pokal des Prager Oberbürger-meisters Dr. Karel Baxa.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fuhrenmanche tschechischen Segler an die Adriaund die Ostsee. Besonders hervorgetan hatsich damals Jaroslav Dfievo aus Brünn.

Einen Wendepunkt für den tschechi-schen Segelsport auf hoher See bedeutetedie 2000 Seemeilen lange Pionierfahrtvon Du‰an Vaculka, die von Sulina (Ru-

Tschechien ist bekanntlich nur durchdie Elbe mit Küstengebieten verbunden,aber die Seefahrt und das Leben aufhoher See dürften hierzulande dochnicht absolut fremd sein. Es wird wohlnicht wundernehmen, daß alle Artenvon Segelsport bei Landratten, die dochden Großteil der Bevölkerung aus-machen, Gefallen fand. Vom Hobby-segeln über Windsurfing bis zum Segel-sport auf hoher See.

Auf dem Wege von derVergangenheit zur Gegenwart

In der Geschichte des Landes stehenabenteuerliche Taten und Fahrten hiesigerSeefahrer verzeichnet. Bei Augustin Hefi-man angefangen, der als erster Tschecheüber den Atlantik nach Amerika fuhr,über eine Reihe von Matrosen aus denböhmischen Ländern in der Kriegsma-rine der Donaumonarchie, auf Handels-schiffen, bis hin zur Teilnahme an diver-

Segler aufhoher See

mänien) nach Rijeka „kreuz und quer durchfünf Meere“ führte. Diese Fahrt und ihrePromotion löste das Interesse bei vielenNachfolgern aus und regte den Bau vonDo-yourself-it-Segelschiffen an. Die Aus-bildung einiger Generationen tschechi-scher Segler und Ausbilder erfolgte jahre-lang in Polen. Das Jachtpatent erwarbdort auch der tschechische Jachtkon-strukteur Milo‰ Maximoviã. Außer polni-schen Buchten wurde auch die Greifs-walder Bucht in der Ex-DDR genutzt.Seit 1971 war es möglich, die Kapitäns-prüfung auch bei der tschechischen Kom-mission für Hochseesegelsport (Komisenámofiního jachtingu) abzulegen. Trotzvieler politischer Hindernisse und Ein-schränkungen bei der Seefahrt unter-nahmen tschechische Segler eine Reihebeachtenswerter Fahrten. Z.B. die BrüderJan und Petr Pát˘ auf dem Schiff Pasátim Adriatischen Meer und rund um Euro-pa. In den 1990er Jahren bauten sie dieerste Betonjacht (Zlat˘ roh) hierzulandeund befuhren das Schwarze und das

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„Zurückbleiben und mit dem Haaram Steigbügel eines Seepferdchens

hängen bleiben“

Aus einem Gedicht desamerikanischen Dichters

Gregory Corso(1930-2001)

Sport

Gebrüder Petr und Pavel Pát˘ auf ihrem Schiff Zlat˘ roh (Goldhorn)

Ägäische Meer. Über den Atlantik zurInsel Martinique fuhren 1968 Ha‰ek,Svoboda, Coufal und Klempa auf denSchiffen Albatros und Horizont.

Ein Moment von elementarer Wich-tigkeit stellten Fahrten, Wettfahrten, Po-pularisierungsarbeit und Veröffentlichun-gen des sechzigjährigen Richard Konkol-ski dar. Seine Lebensgeschichte spiegeltdie Geschichte des Segelsports und dieProbleme wider, mit denen tschechischeSegler und Segelschiffsbauer damals zukämpfen hatten. Nach Siegen bei einerReihe von Rundsegelsportmeisterschaf-ten begann er sich als Alleinsegler für dieÜberfahrt Ostar 1972, von England überden Atlantischen Ozean in die USA füh-rend, vorzubereiten. Er baute die 7,4 mlange Jacht Niké I, sammelte Erfahrun-gen auf See, unterzog sich Prüfungen inPolen und absolvierte die Qualifikations-fahrt auf der Ost- und Nordsee. Nebendem Zusammenbringen von Finanzmit-

teln mußte er viele bürokratische Hürdenpassieren. Der Segelsport erfreute sichweder bei Partei- noch Sportverbands-funktionären besonderer Beliebtheit.Trotz gebrochenen Mastes rangierte erauf Platz 41, und brachte die historischeerste Alleinsegelfahrt eines Seglers ausder Tschechoslowakei rund um die Welt(1972-1975) zu Ende. Bei der WettfahrtOstar 1976 errang er bereits Platz 2. Fürdie Ostar 1980 baute Konkolski Niké II.Mit diesem Schiff belegte er den Platz 4und erzielte einen Rekord in der Kate-gorie Einschiffskörperschiff. Im Rahmender Vorbereitungen für die Alleinwelt-wettfahrt BOC 1982 umsegelt er die Ost-see mit Jugendlichen, die bei einemlandesweiten Schulwettbewerb „ange-heuert“ wurden. Bei der Wettfahrt Par-melia Race von Plymouth nach Perth(Australien) belegte er wiederum Platz 4.Die Weltwettfahrt bekrönte er ungeachteteiner Verletzung und eines Kenterns imIndischen Ozean mit Platz 3 in seinerKategorie und brach dabei viele Weltre-

Petr und Pavel Pát˘14

Segelwettfahrerin Lenka ·mídová errang am 22. August 2004 in Athen Silber

korde. Als erster Europäer befuhr er dieWelt in beiden Richtungen in Alleinfahrt.Leider stand die Wettfahrt im Zeichenseiner erzwungenen Emigration. Er ent-schließt sich zu diesem Schritt angesichtseiner intensiveren Behinderung seinerTeilnahme an Weltwettfahrten. LangeJahre bleibt seine Emigration durch vieleUnklarheiten, Diskreditierungsversucheund Verschweigen seiner darauffolgen-den Erfolge verschleiert. Seine letztegroße Fahrt BOC 1986 unternimmt er aufeigene Kosten. Unter der tschechoslowa-kischen Flagge ersiegte er den Platz 5und verbesserte all seine Weltrekorde.Insgesamt stellte er 12 Weltrekorde aufund veröffentlichte 11 Bücher über denSegelsport in 3 Sprachen. Hinzu kommenunzählige Diskussionen, Artikel, Inter-views und Rundfunk- und Fernsehsen-dungen. Er erwarb eine Reihe Ehrungenhierzulande (Sportler des Jahres 1978)und im Ausland (Annerkennungspreisvon Präsident Ronald Reagan). Gegen-wärtig lebt er mit seiner Frau Mirka(die erste tschechoslowakische Segle-rin, die den Atlantik überfuhr) und demSohn Richard in Newport (USA). Er er-arbeitet Lehr- und Propagandamateria-lien für den Segelsport und das Lebenauf hoher See.

Die Fernfahrten haben es auch Ru-dolf Krautschneider angetan. Sein Traumhieß nicht Wettfahrten, sondern Expe-ditionen in ferne Länder, Schiffsbau und

Überseefahrten. 1977 stach sein SchiffVele in Szczecin in Richtung Island inSee. Zwei Jahre später fuhr er mit seinemSchiff Polka zur Bäreninsel (Norwegen).Bei der nächsten Fahrt geriet er un-gewollt auf den Falkland-Inseln in denKriegskonflikt zwischen Großbritannienund Argentinien. Nach 1990 umsegelte erauf seiner neuen Jacht Polárka zweimaldie Welt und landete in der Antarktis.Nach der Rückkehr an die Ostsee starteteer therapeutische Fahrten mit jungenDrogen- und Alkoholsüchtigen. Er istVerfasser und Herausgeber von siebenVeröffentlichungen, ein begeisterter undunermüdlicher Erzähler und Propagan-dist der Seefahrt. 1995 nahm er mit einerGruppe junger Menschen den Bau einesReplikats von Magalhães’ Schiff Victo-ria in Angriff. In den Fußstapfen desSeefahrers umsegelte die Crew 1999-2004 die Welt. In der letzten Zeit begabsich Krautschneider auf der Polárkaeinige Male zu den Ufern Amerikas,Grönlands, Islands und der Spitzberge.

Hébé III, IMS-Weltmeisterschaften (Ingenieur-Gemeinschaft Meerestechnik und Seebau) in Italien 15

Für Heimkinder baut er Drachenschiffeaus Holz und fährt mit in ihnen in polni-schen Buchten.

Gegenwart und Zukunft

Der Aufschwung des tschechischenSegelsports wurde durch den Systemwech-sel von 1989 möglich gemacht. Man kannfahren, wohin man auch fahren mag, an inter-nationalen Wettfahrten teilnehmen, fabri-zierte Jachten aufkaufen, sich im Jachten-bau und in Charterdienstleistungen betäti-gen. In der Adria und im Ägäischen Meerverbuchen die Crews von Franti‰ek Pas-tyfiík, Jaroslav Korytáfi und Ludûk Sejkoradiverse Erfolge. Bei den Wettbewerben vonAusbildungsschiffen Cutty Sark und TallShips setzte sich Jaroslav Havelka mit sei-nen Schiffen Hébé II und Hébé III durch.

Für Segler von hierzulande werden inKroatien zwei Republikmeisterschaften,die Tschechische See-Rallye (âeská ná-mofiní rallye) und der Pokal Niké (PohárNiké), abgehalten. Seit 2001 nehmen tsche-

chische Jachten an den Welt- und Euro-pameisterschaften teil. Auch die Tradi-tion der Fernfahrten wird fortgesetzt. AmCap Horn landet 1998 die erste tschechi-sche Jacht Olivín IV mit Petr Ondráãekund Petr Parchomenko an Bord. Ein Jahrspäter fuhr der Nachfahr des Begründersdes âYK Josef Rössler mit seiner ·tír indie Barentssee, das Nordkap umsegelnd.

In die Aus- und Fortbildung der Seglerund Wettfahrer, Werbung, Veranstaltungvon Wettbewerben und Geschichtsschrei-bung des Segelsports ist in erster Linieder Tschechische Verband des Hochsee-segelsports (âeská asociace námofiníhojachtingu – âANY) beteiligt. Dieser istMitglied des Tschechischen Segelsports-verbands (âesk˘ svaz jachtingu), der sichmit dem Rundfahrtssegelsport beschäf-tigt. Das Beispiel der Olympiasiegerin inAthen Lenka ·mídová (Silbermedaille),die an Hochseesegelwettfahrten teilnimmt,belegt, daß es sich bei beiden Sportartenum kommunizierende Röhren handelt.

Der tschechische Hochseesegelsporthat eine gute Vergangenheit hinter sich,an die es anzuknüpfen gilt, und gute Aus-sichten vor sich. Er wird gewiß für immermehr Leute attraktiv, die ihre Freizeit aktivund interessant gestalten wollen und eineBefriedigung darin suchen, was die Segel-fahrt mit sich bringt.

Petr OndráãekVorsitzender des Tschechischen Verbands desHochseesegelsportsPhotos: Vojtûch Písafiík, Tschechische Presseagentur(âTK), Archiv Verfasser, Archiv Gebrüder Pát˘www.yachting.cz/cany

Feuer und Frost, Feuerwehr im Gefrierraum – August 200316

Das Feuer dient dem Menschenseit der Zeit des Prometheus, willman der Mythe Glauben schenken.Es ist ein guter Diener, aber einschlechter Meister, sagt ein altesSprichwort. Im Kampf mit dieserElementargewalt war der Menschin der Regel unterlegen, solange dasFeuer keinen gleichwertigen Gegnerfand: den Feuerwehrmann.

Die Zeit, in der sich das Feuer-löschwesen entwickelte, brachte des-sen vielfältigste Formen hervor. AusStraßenkehrern und Spritzenmann-schaften entwickelten sich die Feuer-wehrleute zu Rettungsmannschaften,die an der Schwelle zum dritten Jahr-tausend hierzulande den landesweitenRettungsverbund (Integrovan˘ záchran-n˘ systém; in Deutschland dem BOS-System /Einsatzzentrale für Behördenund Organisationen mit Sicherheit-saufgaben/ vergleichbar) mittragen. Siehaben Feuer-, Luft- und Wasserproben,aber auch bürokratische Schikanen und

Mißbrauch durch totalitäre Regimehinter sich.

Prag, die Hauptstadt des KönigreichesBöhmen, war 1853 eine der ersten Me-tropolen Europas, die eine entlohnte,d.h. Berufsfeuerwehr einrichteten.

Aber bereits aus dem 14. Jahrhun-dert stammt der erste urkundliche Be-leg für vorbeugende Brandschutzmaß-nahmen. Den Bürgern und ihrem Haus-gesinde wurde ein vorsichtiger Um-gang mit dem Feuer aufgetragen, sodaß keine Feuersbrunst oder sonst einUnglück entstehe. Die Brandbekämp-fung wurde von dem Richter und denÄltesten geleitet, denen die Bürger jenach ihrem Beruf halfen.

Das 17. Jahrhundert brachte die ersteFeuerordnung in der Prager Neustadt.Diese legte die Wasserschöpfstellenfest, an denen ausreichende Wasser-vorräte in Bottichen und Laufbrunnenund auch „zwei beschlagene Wagen mitdrei Leitern und Feuerhaken“ bereit-gehalten werden sollten. Ferner wurdeangeordnet, daß „außer einer Spritz-maschine im Gemeindehof auch noch

Wohltätig ist des Feuers Macht, wennes der Mensch gezähmt bewacht

In den 1920er Jahren wurde die Prager Feuerwehr motorisiert

Einsatzfahrt der Feuerwehr in Prag (so bis 1926 üblich)

Meisterschaft in der Bergung von Personen aus unfallgeschädigten Wagen

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Prag war 1853 eine der ersten euro-päischen Metropolen, die eine Berufs-feuerwehr eingerichtet hatten.

Beruf

welche in kleineren Höfenstehen und auch Hand-spritzmaschinen ange-schafft werden sollten.“

Das 18. Jahrhundertkann als Zeitalter derTheresianischen und Jo-sephinischen Reformenbezeichnet werden. IhreReformen betrafen auchden Feuerschutz. Nichtnur in Prag wurde in dieser Zeit ver-ordnet, daß „... der größte Gebieterbei einem Feuersbrand der Stadt-hauptmann sei, und Stadtbeamte undAngestellte verpflichtet seien, diesemzu folgen und Hilfe zu leisten ...“

Von 1821 an beratschlagten diePrager Stadtväter darüber, daß dieStadt über einen ständigen Feuer-löschdienst verfügen sollte. Zu diesemZweck wurden sog. Feuerschutzre-serven aufgestellt. Das waren Grup-pen, die sich aus Gesellen von allerleiZünften, vorwiegend der Schmiede,Schlösser bzw. der Glockengießer zu-

sammensetzten, also aus Handwer-kern der Zünfte und Innungen, die alsfeuerkundig galten. Es wurde auch einAusbildungsplan für sie erarbeitet, be-fehligt wurden sie von einem Kom-missar, beaufsichtigt von Magistrats-beamten. Im Lande, insbesondere inPrag, wurde die industrielle Produk-tion intensiviert, dadurch steigerte sichaber auch die Gefahr etwaiger Feuer-brände, und der Bedarf an Brandschutzrief die Gründung der Berufsfeuer-wehr (BF) auf den Plan. Am 16. Au-gust 1853 stellte der Prager Magistrat

30 Straßenkehrer als Ge-meindeangestellte ein.Ihrem ersten VorgesetztenAlois Pasta wurde auf-getragen, 8 Mann für dieBedienung einer Feuer-spritze und die anderenals ihre Helfer auszubil-den. Vor diesem Datumgibt es keine Erwähnun-gen über eine BF, so daß

diese BF die erste im Königreich Böh-men schlechthin zu sein scheint.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurdeim Zuge der Entwicklung von Technikund Industrie das gesamte Gebiet desLandes mit Berufsfeuerwehren über-zogen. Eine wesentliche Rolle spieltenauch freiwillige Feuerwehren (FF). Inden 1930er Jahren waren Berufsfeuer-wehrleute eine hochangesehene, selb-ständige Gruppe staatlicher Bediensteter,und in der 2. Hälfte des 20. Jahrhun-derts entstand ein ziemlich stark for-cierter Brandschutzzweig: der vorbeu-gende Brandschutz, dessen Bedeutungim 21. Jahrhundert noch wichtiger ist.Wenn man hierzulande Umschau hält,

In den 1930er Jahren war die Berufsfeuerwehr ein autonomer und hoch angesehener

Teil des Staatsapparates

Hochwasser in Prag (2002) – das erste zusammengebrochene Haus in Prag-Karolinenthal (Karlín), KfiiÏíkova Str.18

Beim Einsatz gelangen auch Atemschutzgeräte zur Anwendung.

findet man Tausende von neuen Bau-ten, die ohne vorbeugende Brand-schutzmaßnahmen nicht entstandenund zugleich ungemein viele Orte, dieohne den Einsatz der Feuerwehr be-reits verschwunden wären.

Es darf aber nicht vergessen, daßFeuerwehrleute nicht nur bei Feuer-bränden, sondern auch immer mehrbei Verkehrsunfällen und anderenSchadensfällen eingesetzt werden.Anfang der 1990er Jahre fand derSachverhalt auch in die Neubenen-nung Hasiãsk˘ záchrann˘ sbor (Ber-gungs-und-Rettungsdienst und Feuer-wehr) Eingang. Das Rettungswesenist vom täglichen Einsatz der Feuer-wehr kaum mehr wegzudenken.

Seit 2000 ist die BF (HZS âR)per Gesetz dem Innenministerium un-terstellt, und stellt die leitende Organi-sationseinheit des landesweiten Ret-tungsverbundes dar. Die BF (HZS âR)nimmt Aufgaben im vorbeugendenBrandschutzbereich, aber auch tech-nisch gestützte Bergungseinsätze undtechnische Hilfeleistung bei diversenSchadensfällen und öffentlichen Not-ständen (Katastrophenfällen, Stör-fällen, Umweltschäden, Unfällen mitgefährlichen Stoffen) wahr. Darüberhinaus bekam sie eine neue Aufgabe:sie trifft und koordiniert organisatorischeund technische Zivilschutzvorkehrun-gen, vor allem in bezug auf die Warnung,Evakuierung und Notüberlebensmög-lichkeiten der Bevölkerung. Besondersnach den Terroranschlägen von 2001wurde den Bergungs-und-Rettungs-mannschaften mehr Verantwortungauch auf diesem Gebiet übertragen.

Insgesamt wurden bei der BF (HZS âR)zum 31.12. 2003 10.512 Feuerwehr-angehörige und Zivilangestellte er-faßt. An der Spitze der Generaldirek-tion der BF (HZS âR) steht der Ge-neraldirektor, der zugleich das Amtdes Vizeinnenministers bekleidet. DieBF (HZS âR) wird in Regionalver-bands-BFs und die BF der Hauptstadtgegliedert, die selbständige organisa-torische Einheiten des Staates darstel-len. Diese bestehen aus dem Einsatz-dienst und Sondereinsatzeinheiten,chemisch-technischen, Nachrichten-bzw. Gerätebereitstellungstrupps.

Bestandteil der Regionalverbands-BFs sind Vorbeugungsbrandschutzbe-hörden, Kontrollbehörden, Vorbeugungs-bauschutzbehörden, Zivilschutz- undFeuerbrandursachenuntersuchungsbe-hörden. Begreiflicherweise arbeitet auchhierzulande die BF mit der FF sowie

der Betriebs- und Werkfeuerwehr man-cher großen Unternehmen zusammen.

In den letzten fünf Jahren wuchs dieZahl der Fälle, bei denen die Feuer-wehr eingesetzt wurde, fast um einViertel. In absoluten Zahlen ausge-drückt: 1999 waren es 79.715 Fälle,2003 bereits 106.509 Fälle. Landes-weit werden jährlich im Schnitt über20tsd. Brandfälle bekämpft, die Fol-gen von beinahe 18tsd. Verkehrs-unfällen behoben, bei über 40tsd.technischen Schadensfällen Hilfe ge-leistet und 8tsd. Falschmeldungendurch Einsatzfahrten begegnet. Hinzukommen noch arbeitsintensive Einsätzebei der Behebung von Folgeschädenbei Naturkatastrophen wie Windstür-me, Stauungsregen und Hochwasser-

Die Feuerwehr betätigt sich nicht nur bei der Brandbe-kämpfung, sondern auch etwa bei schweren Autounfällen.

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Nach Abschluß des Einsatzes wurdendie mitgebrachten Gerätschaften alsBeitrag zur humanitären Hilfe am Ein-satzort belassen.

Im Dezember 2003 lief der techni-sche Auslandseinsatz in dem von Was-serfluten heimgesuchten Frankreich.

Noch im Dezember 2003 wurde einTrupp auf Antrag des Irans und in Zu-sammenarbeit mit der NATO-Krisen-zentrale in Brüssel in das durch ein Erd-beben heimgesuchte Bam im südöst-lichen Iran entsandt. Zu den 9 PragerBF-Angehörigen gesellten sich noch vierHundeführer und ein Arzt hinzu. Dankder guten Organisationsarbeit der tsche-chischen Seite fand sich die Crew be-reits 24 Stunden nach dem Unglücksfallvor Ort ein. Trotz einer unübersicht-lichen und komplizierten Lage liefen diedreitägigen Rettungsarbeiten unverzüg-lich an. Ein großer Erfolg war die Fin-dung und Bergung einer lebenden Frau,die nach zwei Stunden Arbeit vomSchutt befreit und zur medizinischenVersorgung übergeben worden war.

Zu Anfang des 21. Jahrhundertsist der Schutz der Bevölkerung, des Le-bens, der Gesundheit und des Eigentumsein selbstverständliches. Immer mehrwerden Sonderdienstleistungen benötigt:etwa Schadstoffennachweis, Dekonta-mination der Umwelt, Maschinen undMenschen, die Feuerwehr wird auch fürHöhenrettungseinsätze ausgebildet.

Täglich halten sich in 234 Feuer-wachen landesweit 2.148 Feuerwehr-leute einsatzbereit.

Václav HladíkPhotos: HZS-Feuerwehr – Milo‰ Vorel

schäden. Die Feuerwehr unterzog sichhauptsächlich 2002 einer maximalenBelastungsprobe bei Jahrhunderthoch-wasserschäden, von denen beinahe einDrittel des Landes heimgesucht wurde.

Eine hochgeschätzte Dienstlei-stung ist die Hilfe der BF (HZS âR)bei Auslandseinsätzen. Zu diesemZweck wurde das SAR-Team (Searchand Rescue) gebildet. Am 22. Mai2003 wurde auf Ansuchen Algerienshin eine Rettungsmannschaft ent-sandt, die aus neun Prager BF-Ange-hörigen, drei Hundeführern und einemMediziner bestand. Die Gruppe agiertein der Stadt Bumirdis, die in ein star-kes Erdbeben hinein gezogen war.

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Die erste Parforcejagd auf englische Artwurde vom Grafen Oktavián Kinsk˘ in Chlu-mec nad Cidlinou (Chlumetz an der Cidlina)1836 abgehalten. Die adelige Freizeitgestal-tung kehrt nach Tschechien zurück, nach einerlangen Unterbrechung wurde die Hetzjagd1990 auf der Rennbahn der Großen PardubitzerSteeplechase anläßlich des 100. Pferderennensveranstaltet. Seitdem werden Hetzjagden hier-zulande beinahe alljährlich abgehalten.

Galerie

Schloß Lednice (Eisgrub) steht auf der Weltkulturerbeliste der UNESCO22

An der mährisch-österreichischenGrenze breitet sich die ausgedehnte Eis-grub-Feldsberger Kulturlandschaft aus.Das Schloß in Lednice (Eisgrub) ist vonGärten umgeben, wo im weiten, kultivi-erten Raum 118 Nadelbaumgattungenund -arten sowie 465 Laubgehölzewachsen. Der nördliche Teil der Garte-nanlagen im Flächenausmausmaß von171 ha, mit einem Teich mit 16 Inseln,wurde 1805-1811 im Geiste der Romantikschlichtweg der Natur nachempfunden.

Dieses Gebiet befand sich früher inprivater Hand des Hauses Liechtenste-in. Den Großteil erhielt 1249 Heinrichvon Liechtenstein von dem mährischenMarkgrafen Pfiemysl Otakar geschenkt.1608 wurde das Schloß in Valtice(Feldsberg) zur Residenz des regieren-den Fürsten Liechtenstein.

Bereits im 17. Jahrhundert begannKarl Eusebius Fürst von Liechtensteinwärmebedürftige Pflanzen zu ziehen.

1642 veranlaßte er den Bau der ältestenbekannten Orangerie. Die meistenfallsaus Genua hergebrachten Orangen-, Zi-tronen-, Feigen- und Ölbäume wurdenvon einem italienischen Gärtner ge-pflegt. Vier Gärtnergehilfen wurden 1653in die Fremde geschickt, ohne Zweifelnach Italien, um sich die Gartenbau-kunst und für den Betrieb der OrangerieNützliches gründlicher anzueignen.1672 kam Kaiser Leopold I. mit Gattinhöchstpersönlich nach Lednice.

1715 traf Anton Florian Fürst vonLiechtenstein Vorbereitungen für denBau eines hölzernen Palmenhauses,das auf der Stelle des späteren Winter-gartens stand. Das Palmenhaus mitGrundriß in Form eines langgezogenenRechtecks und einem Satteldach galtals das größte im Kaisertum Österreichwie im Deutschen Reich. Nach 1817wurde es ein Bestandteil der Prunkräu-me des Schlosses, nachdem Fürst Johann

Der Wintergarten in Eisgrub

Schloß Lednice (Eisgrub) – Flugaufnahme

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Pflanzen wurden zu einer romanti-sierenden Komposition angeordnet,die die Illusion des Gartens Edenhervorruft. Belebt wurde das Arran-gement durch frei herumfliegendeKanarienvögel und Goldfasane.

Zdenûk Novák

Baukunst

Einzigartiges Palmenhaus – SeiteneingangJoseph I. hatte einen neuen Schloßflügelerrichten lassen, durch den das Palmen-hauseshaus zu betreten war.

Es war wohl ein Englandbesuch,der Fürst Alois Joseph II. auf die Ideebrachte, das Palmenhaus durch einneues, modernes Palmenhaus nach demVorbild der entwickelten englischenGartenbaukunst zu ersetzen. In fürst-lichen Diensten arbeitete damals einenglischer Architekt. Für das neue Bau-vorhaben zeichnete Georg Wingelmül-ler, der den Bau auch persönlich leitete.(Pläne werden im Mährischen Landes-archiv in Brünn verwahrt.) Mit demBau wurde 1843 begonnen, fertigge-stellt wurde er 1845. Die Baukostenbetrugen 241.431 fl.

Das 92,6 m lange Palmenhaus schließtim Osten an den Repräsentationsflügeldes 1846-1858 nach dem Entwurf vonWingelmüller im Stil der romantischenNeugotik umgebauten Schlosses an. DasPalmenhaus stellt eine Schnittstelle zwi-schen dem regelmäßig angelegten Gartenund dem ausgedehnten Landschaftsgartendar. Die Längsachse des Palmenhausesverläuft von West nach Ost.

Das Stützgerüst bilden 22 Paare schlan-ker, Bambusstäbe imitierender Säulenmit Bananenblätterschmuck am Sockelund Blattkapitellen. Das Dach wurde

in Eselsrückenform ausgeführt und mitkleinen Scheiben verglast. Der Fußbodenzeichnet sich durch eine eigenartige An-lage aus, der Fußbodenheizungskanalunter dem peripheren Fußweg ist mitGußeisengittern abgedeckt. Im Keller-geschoß des Palmenhauses befindensich sog. Katakomben, hohe, gewölbteRäumlichkeiten, bestimmt zur Unter-bringung von Palmen und anderen wär-

meliebenden Pflanzen in den Winter-monaten. Das Palmenhaus erfüllte denZweck der alten Orangerie, in der imWinter vor allem Zitruspflanzen ge-halten wurden.

Die Pflanzen wurden in einer roman-tischen Komposition zusammenge-stellt, die die Illusion des Gartens Edenvorzutäuschen trachtete. Zu den jahr-hundertealten Orangenbäumen gesell-ten sich Kamelien, Azaleen, Magno-lien, Agaven, Araukarien und andereeuropaweit rare Pflanzen. Im Wasser-becken war eine Fontäne installiert, imWasser schwammen Goldfische, undim Palmenhaus flogen Kanarienvögelund Goldfasane frei herum.

Nach dem strengen Winter 1879-1880 waren viele Pflanzen erfroren. Dieneue Pflanzenkomposition blieb bis aufden heutigen Tag erhalten. Es wurdenGruppen kälteliebender bzw. kältebe-ständiger Palmen ausgepflanzt, Dattel-palmen, Zwergpalmen, Bananenpal-men, Rosen, Kamelien und Begonien.Auf den die Wände säumenden Regalenbefanden sich lebende Pflanzen ent-sprechend der jeweiligen Saison: Alpen-veilchen, Gloxinien, Azaleen, Zinera-rien und andere. Es gab auch eine Rarität:eine Sammlung von Palmfarnen undder Baumfarn. Im Palmenhaus standen

Palmfarngewächse: Encephalartos hildebrandtii (Brotpalmfarn, Brotpalme, Hirnpalme) – ein Relikt der berühmten Sammlung von Zykasgewächsen24

weiß gestrichene Bänke und Porzellan-wärmer nach chinesischem Muster.

1933 ließ Franz I. Fürst von Liech-tenstein im Palmenhaus eine Marmor-büste des Gärtners Wilhelm Lauchezum Dank für dessen treue Dienstedem Fürstenhaus aufstellen.

Nach 1951 wurde das Palmenhauseine Ausbildungsstätte für Hörer derHochschule für Gartenbau (heute derFakultät der Mendel-Universität fürLandwirtschaft) in Brünn.

Die letzte umfangreiche bauliche Erneu-erung des Palmenhauses erfolgte 1939. DerZustand der gesamten Anlage, namentlichdes Gerüstes und der Stützsäulen machteaber Ende des 20. Jahrhunderts eine wieder-holte Renovierung mehr als erforderlich.

Im Dezember 1996 wurde das Eis-grub-Feldsberger Gebiet auf die Welt-kulturerbeliste der UNESCO gesetzt.Das Schloßgewächshaus gehört natürlichdazu. Genauso wie das Schloß wird esvon Tausenden Besuchern frequentiert.

Das Staatliche Institut für Denkmal-pflege, welches das Areal verwaltet, ließ

1995 erste Untersuchungen machen, 1996wurde die Projektdokumentation für einedenkmalgerechte Rekonstruktion erstellt.Ziel war es, die möglichst hohe Authen-tizität des Denkmals zu wahren, so daßes im Laufe der Erneuerung nicht einertechnizistischen Modernisierung undneuen Methoden der Gartenarbeit, derBewässerung, Abschattung und Lüftung,unterliegen mußte und ihre ursprüng-liche, unbeschadete Gestalt behaltenkonnte. Es blieb zu fragen, ob bei demheutigen Angebot an Materialien undTechnologien die Authentizität und dievolle Funktionstüchtigkeit aufrechtzuer-halten waren. Dies war eine schwierige,doch die einzig mögliche Aufgabe.

Das Denkmalinstitut beauftragte imBewußtsein um diese Verantwortungerstrangige Experten. Es handelte sichoft um wissenschaftliche Mitarbeiterverschiedener Hochschulen, und die Re-novierung erfolgte unter der Aufsichtder Brünner Denkmalschützer, des Staat-lichen Instituts für Denkmalpflege in Prag,des tschechischen Kulturministeriumssowie ausländischer Experten.

Dieses Unterfangen wäre ohne dasVerständnis des Kulturministeriums undseine großzügigen Sponsoren, die Tsche-choslowakische Handelsbank und denWorld Heritage Fund, nicht zu denken.

Der Generalauftragnehmer OK-DE-SIGN Brno arbeitete mit vielen tsche-chischen und ausländischen Zulieferernzusammen. 1997 wurde die Instandset-

Palmenhaus – Blick vom Schloß her

Palmenhaus en detail – Gußeisenrost und Konsolen Romantischer Sitz aus gebranntem Ton 25

zung der Heizung in Angriff genommen.Ursprünglich gab es jedoch eine Warm-luftheizung, im Zuge der Instandsetzungwurde dort eine Warmwasserheizungmit Messung und Regelung eingebaut.Dies war die einzige Änderung der Tech-nologie. Geheizt wird mit Erdgas. Allesandere blieb vorwiegend unverändert.Künftig sollte eine Wasseraufberei-tungsanlage eingerichtet werden, damitKamelien gezogen werden könnten.

Erst nach der Demontage der Stütz-säulen konnte festgestellt werden, daßsie nicht nur aus Gußeisen, sondern auchaus Schmiedeeisen bestehen. Gußeisernwaren nur bambusförmige Dekoration-stülpelemente mit Zierat. Nach Be-handlung und Instandsetzung der Säu-len wurde die Gipsfüllung durch Harzersetzt. Auch künftige Rekonstruktion-en des Palmenhauses wurden bedacht,und die gußeisernen Stülpelemente sinddeshalb leichter abzunehmen. Von denursprünglichen 44 Säulen mußten dreiihrer vollständigen Zerstörung wegendurch völlig neue ersetzt. Die Stützele-mente wurden aus Italien eingeführt.

Anders bei der Dachverglasung: Diesebereitete keine geringen Probleme. Jededer 65tsd. Scheiben wurde kontrolliert,gereinigt und – je nach Brauchbarkeit –aussortiert Zusammengerechnet konntendie ursprünglichen Materialien des Ge-rüstes zu 99% weiterverwendet werden.Zu lebensnotwendigen Bedingungeneines Palmenhauses gehören eine gute

Abschattung und Wärmeisolation. Dienördliche Seite des Palmenhauses wirdbei Frost isoliert, und die südlicheSeite in den Sommermonaten vor derSonne abgeschattet.

Bei der feierlichen Wiedereröffnungam 1. Mai 2002 konnten die Anwesen-den die Eleganz des Palmenhauses unddie Kunst der Gärtner bewundern, diedas gelungene Werk durch eine breitePalette an heimischen wie exotischenPflanzen krönten.

Die Eisgrub-Feldsberger Kulturland-schaft gewinnt in dem renovierten Pal-menhaus ein beliebtes Denkmal zurückund liefert eine Hommage auf die voll-kommene Arbeit unserer Vorfahren undeinen Beweis, daß auch die Mitwelt zuSpitzenleistungen fähig ist, die ihren Platzin Europa behaupten können.

Die Besucher, die jährlich über 100tsd.an der Zahl sind, finden sich von der Schön-heit der Natur umgeben, die Menschen-hand zur Vollkommenheit gebracht hat.

Zdenka Kadûrová Photos: Staatliches Denkmalamt Brünn

Gußeisengitter deckten das Heizsystem ab Steinernes Wasserbecken im Grünen

Trutnov Open Air26

Der Sommer ging zu Ende, Open-Air-Konzerte klangen aus. Die Saisonder Sommermusikfestivals ist nun malvorbei. Die Fans müssen reumütig inKonzertsäle und Klubräume zurück-kehren. Die gute Nachricht ist, daß einjeder sein Festival finden konnte.

Das größte Unterfangen in derheimischen Kulturszenewar ohne Zweifel dasRockmusikfestival Trut-nov Open Air Festival,das in aller Munde nur„Trutnov“ heißt. DiesesJahr wurde es von rd.14tsd. Zuhörern be-sucht. Wie immer fandes unter der Schirmherr-

schaft von Ex-Präsident Havel statt.Er selber kommt von jeher als Gastdorthin und hält nicht mit seinemBekenntnis zur Undergroundmusikzurück. Als das Festival bereits 1987damals noch unter dem Namen „Ost-böhmisches Woodstock“ zum ersten

Mal abgehalten werden sollte, löste esdie Polizei sofort auf. Die Veranstaltergaben aber nicht klein bei und das„Trutnov“ begrüßte seit der SanftenRevolution bereits viele Male Stars wieFaith no more, Sepultura, Fun-da-men-tal und Suicidal Tendencies.

Unter den Gästen aus dem Auslandwar dieses Jahr die deutsche Band Mo-törhead, die u.a. durch die heimischen

Bands Guloãar, Baba-let, Sunshine, Trabandund das Violoncelli-Quartett âellisti abgelöstwurde. Ein neuartigesExperiment war die BandÚlet bubeníkÛ (Ausge-flippte Trommler), einevielköpfige Perkussioni-stengruppe (u.a. mit Pa-

Ausdruck derFreude

Hip Hop Kemp

Trutnov Open Air

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vel Fajt und Alan Vitou‰), die eine hin-reißende und überraschend rhythmen-starke Show abzogen. Außer auf demHauptpodium wurde auch auf Neben-podien, etwa in der Klubszene, Alter-nativ- und Meditativszenegespielt, man hörte sichFolk und World-Music an.

Dank der Vielfalt derbeteiligten Bands und So-lospieler erwarb sich dasTrutnov-Festival Beliebt-heit als Festival für jeder-mann, der „ausgezeich-nete Musik mag und etwasDreck“ verträgt. Der Preisder Eintrittskarte am Ort:rd. 21 Euro.

In die Szene hereingebro-chen war vor drei Jahrendas Festival Colours ofOstrava, auf dem diesesJahr über 80 Bands und DJs auf insg. 7Podien aufgetreten sind. Der Preis derEintrittskarte am Ort betrug etwa 23Euro, außer dem irischen Rocker BobGeldof mit der Band The Bobkatz be-kamen die Zuhörer auch die Königinder World Music Natascha Atlas und

den bekanntesten algerischen SängerRachid Taha zu hören. Es war gerade derAuftritt des Algeriers, der bei der heimi-schen Kritik Lob einheimste. Neben die-sen Namen stand natürlich die ganze

erste tschechische Riege auf dem Pro-gramm. In das Festivalprogramm fandenauch Musik- und Tanzworkshops Ein-gang, zu der schon berühmten Stodolní

Straße kamen noch zwei neue Bühnenin der Mährisch-Ostrauer Burg dazu.

Erfolg war auch dem Neuling derFestivallandschaft hierzulande, demHip Hop Kemp, beschieden, welches

zusehends als Stern amMusikhimmel aufsteigt.Zur ersten Veranstaltungim Pardubitzer Freibad er-schienen etwa 3tsd. Hip-Hop-Fans, zum 2. Festivalwaren es bereits 5tsd. Be-sucher, nach Mal‰ov beiKöniggrätz (Hradec Krá-lové) kamen dieses Jahr13tsd. Fans, eine für diehiesigen Verhältnisse phan-tastisch hohe Zahl.

Auf den sieben Po-dien überboten sich inter-

nationale Gäste, u.a. aus Frankreich,Großbritannien und den USA. Der DJVadim, zur Zeit Nummer 1 der euro-päischen Hip-Hop-Szene, beschriebdie Atmosphäre des Festivals mit die-sen Worten: „Wenn du zu einem ande-ren Festival in Europa fährst, gewinnst

„Das Festival, das ist ein Aus-druck der Freude.“

Der Dichter Ivan MartinJirous vulgo Magor

(*1944) über das Trutnov Open Air Festival

Musik

Hip Hop Kemp

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Colours of Ostrava, Bob Geldof and the Bobkatz (Grobritannien)

du oft den Eindruck, daß es dort umanderes als Musik geht. Man versuchtdir einen way of life, Versicherungen,Uhren, Bankkontos, Wagen aufzu-schwatzen ... Alles ist korporativ undKommerz. Alles, was du auf dem HipHop Kemp hast, sind ein paar Ständemit Vinylplatten, Würstchen ohne Hautund einen komischen Kerl, der Dingermit Bob Marley verkauft, Wahnsinn!Ein Festival der Musikfans für Musik-fans – so sollte es sein.“

Das Festival brachte auch Tanzdar-bietungen im Stil Breakdance, Elektro-boogie oder Beatbox, wo der Vorfüh-rende die Töne des Schlagzeugs bzw.andere Instrumente mit seinem Mundimitiert. Man kann sich wundern, daßer es fertigbringt, nebenbei zu rappen, sodaß er sich selber eigentlich begleitet.Die größte Überraschung waren übri-gens Mikrophone, die bei den Leutenunter dem frei zugänglichen Podiumkursierten. Zwischen den Zuhörern undInterpreten gingen battles, Wortgefechtehin und her, die durch Witz und Ori-ginalität imponierten. Der Preis desWochenendtickets betrug rd. 26 Euro.

Man darf aber auch das breiteSpektrum der heimischen Tanzmusik-festivals und Festivals der elektroni-schen Musik nicht außer acht lassen.Neben der dort seit einigen Jahren ga-stierenden Gruppe Summer of Lovewären auch Hradhouse, Creamfields,Macháã und Svoj‰ice zu nennen, dieAlternative wurde durch Czarotek undCzechtek vertreten. Die Zahl der oftblutjungen Tanzenden steigt von Jahrzu Jahr, so daß künftig kleine Festivalsgrößeren, die Tausende und Abertau-

sende Köpfe anlocken wie die BerlinerLove Parade, weichen könnten.

Ein Festival kann aber auch aufandere Vorzüge bauen als fünfstelligeBesucherzahlen. Dies bezeugt u.a. dieTradition des „Kammerfestivals“ BluesAlive, das dieses Jahr zum neunten Malim Kulturhaus in ·umperk zelebriertwird. Als passe der Herbst zu Jazz undBlues, wenn das Königgrätzer FestivalJazz goes to town und das SchönbergerFestival Blues Alive im Oktober undNovember in steinernen Häusern ab-gehalten werden. Auf dem Blues Alivezeigten sich die Bostoner Blueskö-nigin Toni Lynn Washington mit ihrerBand, die deutschen Experimenta-toren Phaedro’s Funeral oder die inter-nationale Bluesformation VisegradBlues Band (CZ, SK, PL, HU). Derheißersehnte heimische Star war Vla-dimír Mi‰ík mit seiner Band ETC. DiePopularität des Blues Alive gründetauf dem einzigartigen familiären Kli-ma, in dem man die gemeinsame Jam-Session in vollen Zügen genießen kann.In ·umperk behält der Blues also seineLebendigkeit, die Säle des Kultur-

hauses passieren am Tag etwa tausendZuhörer. Der Preis für zwei Tage (incl.CD-ROM) macht ungefähr 18 Euro.

Anregungen kann man sich bei einemFestival namens Antifest holen, das seitzehn Jahren veranstaltet wird. Das Fes-tival, das den Protest bereits im Namenführt, schreibt den Punk, den britischenImport aus den Zeiten des Sozialismus,groß. Britische Bands sind die Turbo-motoren des Festivals, der traditionelleTanz Pogo erreicht bei ihren Darbie-tungen die höchsten Schwingungen.Untentbehrliche „Zugaben“ bei den Punk-konzerten sind Stände mit veganischerNahrung und Distros, wo Klamottenund Aufnäher mit Motiven beliebterBands, Audiokassetten und CD-ROMsangeboten werden. Der Preis des Punk-konzerts am Ort: 20 Euro.

Auf der Wiese hinter der Mühle inJanderov geht kein typisches Festivalüber die Bühne: Der Name des Fes-tivals Yanderov verfremdet einerseitsdie Schreibweise des Ortsnamens, an-dererseits ist der Eintritt gratis. Sehr oftnehmen angehende Bands am Festivalteil, dieses Jahr freuten sich die Fans

Hip Hop Kemp, Darbietung des Beatboxers Kill Kella (Großbritannien)

Hip Hop Kemp, DJ Embee (Schweden) Hip Hop Kemp, Louis Logic (Demigodz, USA) 29

über die internationale Formation TheChancers (CZ,GB), deren klangvolle Mu-sik keine eindeutige Zuordnung zuläßt.

Nicht alle Festivals wurden hier be-sprochen, an dieser Stelle sollte wenig-stens das größte Jazz-Event des Jahres,das Königgrätzer Festival Jazz Goes toTown, flüchtig gestreift werden. Diebereits zehnten Musikfestspiele zele-brierten den Jazz zwischen Bauwerkenvon Josef Goãárs Stadt. (Auf besondereWeise wurde das diesjährige Festivaldurch das Plakat des Königgrätzers Mi-lan Langer präsentiert.)

Näher besehen will es scheinen,daß die Zahl der Festivals kein Endenimmt. Sie finden in Wirtshaussälen,auf Wiesen, an Teichen oder direkt inden Straßen der Stadt statt. Oft werdensie durch Videovorführungen, Theater-Happenings oder bildkünstlerischeProjekte (Graffiti) begleitet, sie sindin ihrer Spannweite aber schwer zu er-fassen, vor allem aber die, die kleineZielgruppen anvisieren (Darbietungenvon E-Musik, Volksmusik, Folk, Heavy

Metal, Hardcore). Wenn man das Wortvon Ivan Martin Jirous aufgreift, sosind sie alle vor allem ein Ausdruck derFreude. Aber nicht nur dieser, sondernauch – wie es der Teilnehmer der Fes-tivals Antifest und Yanderov VáclavBenda zusammenfaßt -: „Am bestendran waren die Mädels!“

Ladislav DrábPhotos: Jifií Jahoda, David Webr, Ale‰ Mikuleck˘,Archiv Blues Alive

Festival Blues Alive ·umperk

Colours of Ostrava, Rachid Taha (Frankreich/Algerien)

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Geboren am 24. Septem-ber 1944 in Pardubice. 1965-1969 Kunstgewerbehoch-schule Prag, Atelier Ange-wandte Architektur, Akade-mischer Architekt, 1970-1971und 1975-1976 The Mel-bourne University, Faculty ofArchitecture and Planning,Bachelore of Architecture.

Seit 2003 lehrt er an derTschechischen TechnischenHochschule (Baudesign, Fa-kultät für Bauwesen) Bau-vorhaben in Australien:

Entwurf und Bauvorhaben – 18 Villen,Entwurf und Reko-Bauvorhaben für 130Häuser und Erweiterungsbauten, 15 Ent-

würfe für den Bau von Rei-hen- und Gruppenhäusern,Entwurf für den Umbauvon 5 Altenwohnheimen.

In Australien lebte er vomEnde 1969 bis 1997, späterin den Jahren 1999, 2000.

Inwieweit war für Sie dasZielland Australien Folgeeiner bewußten Wahl odereines Zusammenspiels vonZüfälligkeiten?

Nach Australien sind wir,meine Frau und ich, ausge-wandert, weil wir die angel-

sächsische Gesellschaft als eine freiheitlichewahrgenommen haben, und wir als Tsche-chen wie üblich Mißtrauen zu den Deut-

EmigrantJosef Horn˘

Niedrigenergiereihenhaus, Roztoky bei Prag

Niedrigenergiereihenhaus, Roztoky bei Prag

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Die Erfahrung des Lebens in einermultikulturellen Gesellschaft brachtemich dazu, mich für Aspekte der Fähig-keit unserer Nation zum Zusammenlebenmit anderen Nationen zu interessieren.

Josef Horn˘(*1944) – Architekt

Exil

schen hatten. Ich wollte in einem Landleben, wo ich gut Englisch lernen und einenim Westen akzeptablen Bildungsabschlußerwerben konnte. In Australien sind wirauch geblieben, wiewohl wir bald Australierim Rahmen des Commonwealth als Außen-seiter wahrzunehmen begonnen hatten. ZumSchluß haben wir dort beinahe 30 langeJahre verbracht.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie undihre Frau sich eingelebt haben? Fallsein solches Gefühl überhaupt aufgekom-men ist?

Unsere Ansiedlung in Australien wurdevon einem Gefühl der Ernüchterung begleitet,weil die dortige traditionelle puritanischeAlltagsmoral des Arbeitsfleißes die uns bisherungekannte Seite hervorkehrte, eine allge-meine Skepsis der Kultur gegenüber, so wiewir sie auch aus unserer heimischen Tradi-tion kannten. Mit der Geschichte unseresAdoptivlandes lernten wir auch seine nega-tiven Seiten kennen. Zum Beispiel, daß dieursprünglichen schwarzen Bewohner Aus-traliens bis 1965 nicht Bürger des Common-wealth waren, oder daß auch zu dem Zeit-punkt, als wir dorthin gelangten, in denKommunalfreibädern mancher kleinen Städtedas Eintrittsverbot für Aborigines in Gel-

tung war. Der Genozid der tasmanischenAborigines und die dortigen Strafkolonienim 19. Jahrhundert sind ebenfalls ein Tabu.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Au-stralien durch europäische Einwanderer ausden besiegten Ländern praktisch überflutetund im ausgehenden 20. Jahrhundert be-gann sich das ursprüngliche arkadische Ge-sicht Australiens in ein politisch materia-listisches zu wandeln. Das ursprünglicheMißtrauen zu den Ausländern in der Nach-kriegszeit ließ nach, und es tauchten diverseRestaurants, spezialisierte Lebensmittel-läden, Ethno-Festivals und -Klubs auf. Aus-tralier gaben nach und nach eine pathetische

Bindung an alles Britische auf und hörtenauf, an Phobie gegen jene zu leiden, die inder Küche von dem für sie ursprünglich wi-derlichen Knoblauch Gebrauch machen.

Gibt es eine Institution, die etwas ty-pisch Australisches verkörpert, mit demSie uns hierzulande vertraut machenmöchten?

Gern erinnere ich mich an den HörfunkABC und insbesondere an seine historischenSendungen, die uns sozusagen die Augenöffneten. Auch war es die einzigartige Rund-funkanstalt SBS, die Nachrichten und künst-lerisch anspruchsvolle und Dokumentar-filme aus aller Herren Ländern in Original-fassung mit Untertiteln brachte. Dort konn-ten wir oft auch tschechische Filme sehen.Auf diesem Sender konnte ich unter anderemeinen Dokumentarstreifen mit Bildern ausdem Sudetenland nach dem Ersten Weltkriegsehen, wie dort das reguläre tschechoslowa-kische Heer gegen Deutsche im Böhmer-wald vorging, die gegen die neu entstandenetschechoslowakische Republik aufbegehrthatten. Als Tscheche spürte ich damals eindeutliches Unbehagen. Die Erfahrung desLebens in einer multikulturellen Gesell-schaft brachte mich dazu, daß ich mich fürAspekte der Fähigkeit unserer Nation zum

Experimentelles zweistöckiges Luftkollektorenhaus, Brünn

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Zweistöckiges Niedrigenergiehaus, ¤íãany bei Prag

Zusammenleben mit anderen Nationen inte-ressiere. Ist es notwendig, daß die Menschenaus ihrem eigenen Land auswandern, damitsie lernen, sich mit ihren Nach-barn zu vertragen? Ich brauchewohl nicht zu sagen, daß die SBSvom Staat getragen wird.

Könnten Sie die Besonderheitender tschechischen Emigration inAustralien im Vergleich mit an-deren Kontinenten umreißen?

Hauptsächlich würde ich dieUnterschiede zwischen den tsche-choslowakischen Einwanderernder 48er Welle und der 68er Wellesehen. Nach 1948 sind politischeExulanten ausgewandert, die sich nach bal-diger Heimkehr sehnten. Die Einwanderernach 1968 waren den innigen Patriotismuslos und vor allem an materiellen Wohlstand,Reisefreiheit und Berufserfolg interessiert.Das Ideal der Nation besaß unsere Gruppeaus dem Jahr 1968 nicht mehr. Noch mehrreute mich, daß meine Freunde, die 68er-Emigranten, eine ignorierende Abneigunggegen unsere traditionelle katholische Reli-gion an den Tag legten. Darin sehe ich einenverborgenen Sieg des Kommunismus.

Einmal haben Sie die Bemerkung ge-macht, daß Sie in der Emigration einen

Auswahlband mit Gedichten von Jan Za-hradníãek übersetzt haben. Was hat Siedazu bewogen? Haben Sie versucht, siedort herauszubringen?

Neben der „christlichen Philosophie“von Jacques Maritain, Etienne Gilson undanderen waren für mich in den 1970erJahren auch die Dichter Jan Zahradníãekund Jakub Deml eine große Entdeckung. IhrTotschweigen durch die Kommunisten unddas Geschwätz über die Unwissenschaftlich-keit des Christentums irritierten mich. Siefragen mich nach Übersetzungen von Ge-dichten Jan Zahradníãeks. Diese Arbeit war

und ist für die Ausrichtung meines Lebensfundamental. Die Nachdichtungen stießenbei meinen tschechischen Emigrantenfreun-

den, die nicht einmal das tsche-chische Original gelesen haben,leider nicht auf Resonanz. DieNachdichtungen, die ich zusam-men mit dem australischen DichterTom Burke SJ besorgte, gaben wirin der Auflage von 1000 Exempla-ren in Melbourne heraus, und ver-kauften sie Stück für Stück, zumTeil verschenkten wir sie an dieInteressierten. Die Rezension ineinem tschechischen MelbournerBlatt würdigte den Beitrag desJesuiten Burke zur tschechischenLiteratur als teilweise Wiedergut-

machung der Tätigkeit des Bücher verbren-nenden tschechischen Jesuitenpaters Koniá‰.

Nach Ihrer Rückkehr wurden Sie im all-gemeinen Bewußtsein als umweltbewußterArchitekt wahrgenommen. Woher kamIhre Einstellung?

Das Umweltbewußtsein muß ja nicht nurauf eine Weise manifest sein. Der Aufbauim vergangenen Regime bedachte uns mitgroßen, allerdings qualitätsgeminderten undenergiewirtschaftlich belasteten Häusern.Gegenwärtig sollte man sich bemühen, denallzu große Energieverbrauch in unserem

Haus auf der Farm, Bega, New South Wales, Australien (Bau 1974), in Zusammenarbeit mit

Dipl.Arch. Pavel Závi‰ka

Das Interview mit dem Architekten Josef Hor-n˘ ist wohl der letzte veröffentlichte Beitrag vonBohuslav BlaÏek.

Bohuslav BlaÏek betätigte sich nach der Wendevon 1989 als Hochschullehrer und war Direktorder gemeinnützigen Gesellschaft Ecoterra. Er schriebmehrere Bücher, z. B. Mezi vûdou a nevûdou (Zwi-schen Wissenschaft und Pseudowissenschaft),Krása a bolest (Schönheit und Leiden), SvûtypostiÏen˘ch (Die Welten der Behinderten), PrÛ-hledy do dûtství (Sonden in die Kindheit), Zprávyz babylonské vûÏe (Berichte aus dem Babelturm),Tváfií v tváfi obrazovce (Den Fernsehbildschirmvor sich) Venkov, mûsta, média (Land, Stadt,Medien). Bohuslav BlaÏek verschied am 20. No-vember 2004 im Alter von 62 Jahren.

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Leben als solchem zu verringern. Man holtsich leicht bei verschiedenen Erfindungen,etwa Sonnenkollektoren, Anregungen. Manwill aber nicht über sein Leben als ganzesnachdenken, wie nämlich der Verbrauch anWarmwasser, Wärmeenergie etwa und andereIndizes zu reduzieren wären. Wir sind bereit,den erhöhten materiellen Verbrauch als Er-folg wahrzunehmen und werden dies auchjetzt, nachdem das materialistisch orientierteRegime zusammengebrochen ist, nicht los.

Sie gehören zu den Architekten, die sichmit sozialen und philosophischen Fragenbeschäftigen, bevor sie an das Reißbrettherantreten. Haben Sie nicht das Gefühl,sich immer im Widerstand zu befinden?

Die Lebensqualität wird auch heute nachder Menge von Dingen gemessen, die wir umuns lagern. Alle meine tschechischen Kundenklagen über den Mangel an Speicherraum.Kritiker sagen uns: „Wir leben doch nichtim Mittelalter!“ Bereits in den 1960er Jahrenschrieb der Ökonom E.F. Schumacher, daßder Verbrauch in allen Gesellschaften steigt,ich habe aber nicht gehört, daß man irgend-wo sagen würde: Danke schön, es reicht. Ichbeteiligte mich unlängst als Pädagoge ander ISES-Solarakademie. Studenten suchtenbei der Arbeit am Projekt einer Sanierungvon Wohngebäuden vor allem eine geeigneteTechnologie (gadgets), um diese Probleme zu

lösen. Ich habe sie aufgefordert, sie sollen übereine geeignete Lösung mit der normgerechtenBesonnung und dem Tageslicht nachdenken.

Was hat Sie an der praktischen BaukunstAustraliens am meisten überrascht, ver-glichen mit der Praxis hierzulande?

In Australien dient man dem Kunden. DerArchitekt hat dem Kunden keine Veränderung

dessen Lebensweise zu diktieren. Im Vergleichdazu neigten Architekten hierzulande, insbe-sondere im 20. Jahrhundert, sich als „Retter“aufzuspielen, die die Bedürfnisse der Nutz-nießer, vor allem die meßbaren Indizes wieWasser, Licht, Sonne und Luft (oft bis zurUnbrauchbarkeit verschmutzt) verstünden.

Bereits in den 1970er Jahren, als ich dortmein Studium machte, wurde an australischenUniversitäten die Soziologie der Urbanisationund – in einem an Energiequellen äußerst rei-chen Land – bauliche Energiesparmaßnahmenals Umsetzung der Lehre von der Nachhalti-gen Entwicklung gelehrt. Ich habe damals dorterfahren, daß alle auf der Kundenbeteiligunggründenden Verfahren leichter und erfolgrei-cher sein werden als autoritär durchgesetzteAnsichten. So daß es wohl kein Zufall war,daß Eigentümer kleiner Wohnbauten nicht be-sonders oft Architekten und andere Expertenbeschäftigten. Auftraggeber brauchten keinekomplizierten Entscheidungen zu treffen odereinen qualifizierten Geschäftsführer der Hauseigentümergesellschaft zu engagieren, wie eshierzulande in den vertikal gegliederten Bau-ten und auch in der Gesellschaft notwendig ist,was ich wiederum als einen anderen verbor-genen Sieg des Kommunismus betrachte.

Bohuslav BlaÏekPhotos: Verfasser, Kry‰tof BlaÏek, Pavel Novák

Bilddarstellungen: Laco Fecsu

Bilddarstellungen führen Niedrigenergiehäuser in derUmgebung von Prag vor Augen. Der Bau erfolgt 2004-05.

Erweiterungsbau: der offene Aufbau läßt die Wintersonne ins Haus scheinen, Hawthorn Vic.,

Australien (gebaut 1975)

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Ethische Probleme der Parforcejagd, so ak-tuell für The British Empire als ihre Wiege,fanden in Mitteleuropa bereits nach dem Er-sten Weltkrieg eine Lösung. Die letzte Hetz-jagd auf lebendes Wild hierzulande wurde1913 auf der Herrschaft des Hauses Kinskyabgehalten. Allerdings sollte das Wild nichterlegt werden. Die Meute verfolgte einenhalbzahmen Hirsch oder Eber, der zuletzt le-bend ins Gehege zurückgebracht wurde.

Laienvorstellungen vom Verlauf einer solchenJagd decken sich oftmals nicht mit der Wirk-lichkeit. Die Meute (zumeist Foxhounds) istnicht toll blutrünstig und überraschenderweiseauch nicht besonders schnell. Sie zeigt abergroßen Zusammenhalt und starke Jagdpas-sion. Das Wild kann ihr kaum entgehen. Aberwenn es endlich gestellt wird, wird es von derMeute etwas ratlos umstellt und nur fest-gehalten. Es sind im Grunde genommen liebeund menschenfreundliche Hunde.

Hierzulande ist die Hetzjagd französischenUrsprungs üblich, man übt sich also in einermehrstündigen langsamen Jagd. Die Kinskysbesaßen eine sagenhafte Hirschkuh mit demRufnamen Baba, die bei neunzehn Jagdsaisonsmitmachte. Die Erfahrung brachte sie dahin,sich auf dem kürzesten Weg auf Friedhöfenzu retten – und damit war die Jagd aus. Kurzeund schnelle Fuchsjagden, bei denen der Fuchsgetötet wird, stießen auf keinerlei Beliebtheit.

Heutzutage wird die Meute bei der Hetzjagdzwar eingesetzt, allein die Fährte wird durchFuchsurin oder bzw. Heringslake vorgetäuscht.Die malerische Herbstlandschaft, Wege undUmwege und das allgegenwärtige Hundege-bell evozieren die Atmosphäre der Erregungund wecken uralte Triebe, auch wenn das Ge-präge und die Möglichkeiten der bewohntenKulturlandschaft bei der Fährte beachtet wer-den müssen. Möglichkeiten zur Jagd gibt eshierzulande allerdings immer noch mehr als inhöchstentwickelten Industriestaaten Europas.

Die Kinskys brachten 1836 ihre erste eng-lische Meute ins Land, die Pardubitzer Par-force-Gesellschaft wurde 1841 aus der Taufegehoben. Im Gestüt Kladruby nad Vltavou

Ivan Orel, Michal Ne‰vera, Jindfiich Ku-chejda und andere Abenteurer gingen aufeine große Fahrt und kamen heil undglücklich heim. Sie wollten in den Fuß-stapfen, richtiger: im Fahrwasser von Fer-nao Magalhães die Welt umsegeln, wie esdieser einst als erster Europäer tat.

Die Fahrt der neunköpfigen Besatzung

Zu Pferd derMeute nach

Die Welt umsegelt

Geschichte großgeschrieben

Das unterhaltsame Comic-LeporelloDûjiny udatného ãeského národa apár bezv˘znamn˘ch svûtov˘ch událostí(: Geschichte des braven tschechischenVolkes und ein paar Episoden der Welt-geschichte) der Bildkünstlerin LucieSeifertová wurde zum Grundstock derAusstellung, die bis zum Jahresende imNationalmuseum Prag zu sehen ist. DasBuch wurde zum Bestseller und wurdemit diversen Preisen dekoriert (u.a.Magnesia Litera-Preis für das besteKinder- oder Jugendbuch).

Das 9 m lange Buch könnte als daslängste Leporello der Welt in das Gui-ness Rekordbuch Eingang finden.

Die Ausstellung präsentiert das Buchen gros. Die Seiten sind zwei Meterhoch und die 9-m-Länge verwandeltesich in 70 m. Außerdem gibt sich dasLeporello dreidimensional. Durch man-che Seiten können kleine und großeBücherwürmer und Leseratten hin-durchkriechen, ohne etwaigen Schadenanzurichten.

Die Ausstellung macht auch den Er-wachsenen Spaß, weil hier Witz undÜbertreibung walten. Die gemalte Ge-schichte vervollständigen Mannequins,historische Kostüme und ... aber dassollte man unbedingt sehen!

Der letzte Mann im Mond

Der US-amerikanische Astronaut Eugen Cer-nan (1934) bekam in Prag eine Verdienstme-daille verliehen. Er nahm sie aus den Händender Vizepräsidentin der Tschechischen Aka-demie der Wissenschaften Helena Illnerováentgegen. Autogrammjäger konnten sich seinBuch Poslední muÏ na Mûsíci (Der letzte Mannim Mond) signieren lassen.

Der Astronaut flog dreimal ins Universum,davon zweimal zum Mond. Seine Spuren sindder letzte Abdruck eines Menschen dort.

Eugen Cernan, dessen Vorfahren aus der Tsche-choslowakei stammen, ist überzeugt davon, daßdie Amerikaner mit einer internationalen Crewauf den Mond zurückkehren werden. In dieserkönnte wohl auch jemand von hierzulande sein,der heutzutage noch zur Schule geht.

(Kladrub an der Elbe) wurde die Meute bis1946 gehalten. Der spätere Sozialismus hattefür adelige Sitten wenig übrig.

Nach einer langen Zäsur bekam manerst 1990 anläßlich der 100. Großen Pardu-bitzer Steeplechase eine Parforcejagd wie-der zu Gesicht.

Es war die Rhein-Main-Meute des Förde-rers Walter Lotz. Seitdem finden die Jagdenbeinahe jährlich statt. 1995 wurde die Tsche-chische Parforcejagdgesellschaft (âeská ho-nební spoleãnost) gegründet, die zwar keineMeute besitzt, aber regelmäßig Jagden fürInteressierte veranstaltet.

Norbert Záli‰

in dem exakt nachgebauten Schiff à la Ma-galhães dauerte fünf Jahre. Der portugie-sische Seefahrer legte die Strecke in dreiJahren (1519-1522) zurück.

Das hölzerne Segelschiff ist 23 m langund wiegt 60 Tonnen. Es lief am 1. August1999 von Sczeczin (Polen) aus, und nachfünf Jahren kamen im selben Ort wie vor-mals der berühmte Mann nur noch die dreigeduldigsten der neun Matrosen an.

Ihre Victoria legte in den rauhen Bedin-gungen, die nicht anders als jene im 16.Jahrhundert waren, rund 90tsd. km zurück.(Fleißige Leser und Leserinnen werden ge-beten, es in Seemeilen umzurechnen.)

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GrammophoneAward 2004

Seifert-Preis

Die Schriftsteller Viktor Fischl undJosef ·kvoreck˘ nahmen am 11. Ok-tober den Jaroslav Seifert-Preis für Li-teratur entgegen.

Die seit 1986 von der Stiftung Na-dace Charta 77 verliehene Würdigungbekamen die beiden vieljährigen Exu-lanten für ihr literarisches Œuvre ver-liehen. Die Jury mit dem Dichter Ka-rel ·iktanc an der Spitze würdigte Fi‰ls„Geschichten der zähen und vergeblichenSuche nach dem undurchdringlichen Sinndes Geschehenen“ und ·kvoreck˘s„Form der ironischen Sicht der men-schlichen Tragikomödie in der tragi-komischen Welt“. Die feierliche Preis-verleihung will zugleich an den 20.Jahrestag der Nobelpreisverleihung anJaroslav Seifert erinnern.

Staatshymne

Vor 170 Jahren, am 21. Dezember 1834, ertönte im Prager Stän-detheater zum ersten Mal das Lied Kde domov mÛj (Wo ist meineHeimat), das später die tschechische Staatshymne werden sollte.

Es war bei der Aufführung der Lokalposse Fidlovaãka anebÏádn˘ hnûv a Ïádná rvaãka (Glättholzfest ohne Zorn und Zwist)von Josef Kajetán Tyl (1808-1856), die Musik schrieb Franti‰ek·kroup (1801-1862). Fidlovaãka, genannt nach dem typischenWerkzeug, war ein Prager Frühlingsvolksfest, das die Schuster-zunft in Prag-Nusle veranstaltete. Das Lied Kde domov mÛj er-freute sich später allgemeiner Beliebtheit und wurde nach derGründung des tschechoslowakischen Staates trotz des Wenzels-chorals (Svat˘ Václave, vévodo ãeské zemû – Heiliger Wenzel,Böhmens Herzog), der in Eigenschaft der Landeshymne (carmenpatriae) auch oft gesungen wurde, als tschechischer Teil fürdie tschechoslowakische Staatshymne ausgewählt und bliebtschechische Hymne auch nach der Auflösung des tschecho-slowakischen Bundes. Die schönste Hymne der Welt aber war,wie der mährische Dichter Jan Skácel (1922-1989) meinte, diemährische Hymne – die Schweigepause zwischen dem tschechi-schen und dem slowakischen Teil der tschechoslowakischenHymne. Diese gingen die Mährer also endgültig verlustig.

Mies van der RoheAward 2005

Die Tschechische Architektenkammernominierte drei Bauten tschechischerArchitekten für den Preis der Europäi-schen Union für Baukunst der Gegen-wart Mies van der Rohe Award 2005.

Ausgewählt wurden der Logistikter-minal in Písek (TomበNovotn˘, Tomá‰Zmek), die rekonstruierte Erholungs-sportanlage Kraví hora (Antonín Novák,Petr Valenta, Radovan Smejkal, KláraKo‰Èálová und das Architektenbüro Ate-lier DRNH) auf dem Kuhberg (Kravíhora) in Brünn und die Leichenhalle inTurnov (Libor âíÏek, Ondfiej Moravec,Michal Nekola, Radek ·íma – ATE-LIER 6). Seit 1997 wurden 29 tschechi-sche Bauten für den Preis vorgeschlagen,4 kamen auch in die Finalrunde, Tsche-chien rangierte zuoberst unter den neuenLändern der Europäischen Union.

Das siegreiche Bauwerk wird im Früh-jahr 2005 verkündet.

Havel gegen Terrorismus

Ex-Präsident Václav Havel wurde Mit-vorsitzender des US-amerikanischen Aus-schusses für gegenwärtige Gefahr (Com-mittee on the Present Danger), dessen Zielder Kampf gegen den Weltterrorismus ist.

Der Ausschuß besteht seit 1950, wo erim Zuge der Expansion der Ex-Sowjetu-nion gegründet wurde. Im Juni dieses Jah-res wurde die Tätigkeit des Ausschussesim Zusammenhang mit dem Krieg gegenden Terrorismus wiederaufgenommen.

Vizeaußenminister Jan Winkler be-merkte, daß es die Würdigung einesMenschen sei, der imstande ist, Problemeder globalen Politik zu analysieren undeffektive Schritte zu ihrer Lösung vor-zuschlagen.

Havels Ernennung stärkt auch den Rufdes Landes und könnte einen Beitrag zummassiveren Druck gegen den Terrorismusleisten.

Mosaik

RADIO PRAG

Radio Prag ist eine Einrichtung deröffentlich-rechtlichen Anstalt âesk˘rozhlas (Tschechischer Hörfunk). DerProgrammauftrag besteht in der Ver-breitung von Auslandsprogrammen, dieaktuelle Informationen über die Tsche-chische Republik, die tschechische Wirt-schaft und Kultur jenseits der Landes-grenzen vermitteln. Täglich strahlt Ra-dio Prag ein 30minütiges Informations-programm über Kurzwelle und via Sa-tellit (siehe unten) aus. Die Sendungendes Radio Prag können außerdem welt-weit in Text und Ton über das Internet(www.radio.cz) verfolgt werden. Kosten-freier Bezug von E-Nachrichtensendun-gen ist eine Selbstverständlichkeit. WennSie tagtäglich mit neuesten Nachrichtenaus Tschechien auf englisch, deutsch,französisch, spanisch oder tschechischbeliefert werden möchten, schreiben Siebitte an: [email protected] oder postalisch:Radio Prag, Vinohradská 12, CZ-120 99Praha 2, Tschechien (Tel. 00420-2-21552901).

SENDEZEITEN UND FREQUENZENKURZWELLE

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Der begehrte Preis des britischenMagazins Grammophone ging an dietschechische Opernsängerin Magda-léna KoÏená. Sie bekam nicht nur denHauptpreis in der Kategorie Künstler/Künstlerin des Jahres, sondern auch denPreis für die beste Aufnahme in derSparte Recital (Album French Arias)und Vocal (Album Songs) verliehen.

„Ich bin begeistert davon, daß geradediese Aufnahmen gewürdigt wurden,die bei weitem nicht zum Kommerzzählen“, sagte Magdalena KoÏená.

Vy‰ehrad – Slavín Teil des Friedhofs und die Kapitelkirche St. Peter und Paul36

SlavínAls der politische Druck Anfang der

1860er Jahre in den böhmischen Län-dern, die ja zur Donaumonarchie zähl-ten, nachgelassen hatte, begann sichdas tschechische Gemeinschaftslebendeutlich zu regen. Ein Anzeichen dafürwaren unter anderem Bemühungen umdas Wiederaufleben der mutmaßlichenpfiemyslidischen Burg Vy‰ehrad. In demdamals gegründeten tschechischen Schrift-stellerverein Svatobor, in dem sich auchmanche patriotisch gesinnten Priesterbetätigten, kam die Idee auf, in der Vy-‰ehrader Zitadelle eine nationale Kult-stätte zu errichten. Der Verein begannSpendenaktionen für Errichtung vonGrabstätten bedeutender tschechischerSchriftsteller und Schriftstellerinnen zuveranstalten. Ein zu diesem Zweck eigenseinberufenes Komitee mit dem führen-den tschechischen Politiker Franti‰ekLadislav Rieger an der Spitze sollte sich

dann mit der Frage beschäftigen, ob „aneinem denkwürdigen Ort nächst Pragein nationales Pantheon aus den ein-gegangenen Spenden zu errichten wäre.

Unter den eingebrachten Vorschlägenbefanden sich die altslawischen Burg-wälle Lev˘ Hradec und Budeã und dasromantische Libûchov, den Sieg abertrug schließlich der sagenumwobeneslawische Burgwall Vy‰ehrad als Ortder ältesten Geschichte Böhmens undSitz des ersten böhmischen Königs Wra-tislaw (1061-1092) davon. Angesichtsder knappen Ressourcen des Vereinsmußte man mit der Aufstellung ein-zelner Grabsteine vorliebnehmen. Vorallem handelte es sich um den Grab-stein des bedeutenden slawischen Phi-lologen und Urheber romantischer Fäl-schungen der Königinhofer und Grün-berger Handschrift Václav Hanka, derbereits 1861 wie gewünscht auf Vy‰e-hrad beigesetzt wurde. Das nach I. Ul-man entworfene monumentale Denk-mal in Form eines schlanken Pylonswurde am 28. September, dem Wen-

Gott der Vater und der Sohn, Detail, Ladislav ·aloun

37Letzte Ruhestätte des Schriftstellers und Dramatikers Karel âapek (1890-1938)

Helfen – aufklären – gedenken!

Wahlspruch des tschechischenPatriotenvereins Svatobor

Geschichte

zelsfest, 1861, feierlich enthüllt. Han-kas Grabstein wurde üblicherweise zu-oberst mit einem Zeichen geschmückt,das aus drei im Ring verbundenen Hän-den besteht, einer Pictura zur Devise desVereins: Helfen – aufklären – gedenken(Pomáhej, osvûcuj, pamatuj). So leitetedie Installation von Hanka-Denkmalstatsächlich die stufenweise Umwand-lung des Pfarrfriedhofs an der Kapitel-kirche St. Peter und Paul zum Ehren-friedhof ein. Im selben Jahr wurden dortauch der patriotisch gesinnte Priesterund romantische Archäologe VáclavKrolmus, 1862 die Schriftstellerin Bo-Ïena Nûmcová, 1868 der Maler KarelPurkynû, ein Jahr später der Vater desMalers, der Mediziner und Physiologevon Weltruhm Jan Evangelista Purkynûund noch im selben Jahr der Pädagogeund Schriftsteller P.J. ·koda und 1870der Bildhauer Václav Lev˘, Lehrer vonJosef Václav Myslbek, zur letzten Ruhegebettet. Als dort 1874 der populäreDichter Vítûzslav Hálek zu Grabe ge-tragen wurde, galt die Tradition der Ruhe-stätte lorbeerbekrönter Persönlichkeitender Nation eingebürgert, nun mußte derRaum erweitert werden. Die dahinge-henden Bemühungen waren dem Dom-kanoniker und späteren zweiten PropstVáclav ·tulc (1814-1878) zu verdanken.In dessen Bauvorhaben sollte Vy‰ehrad

in das moderne Baugesicht der Stadteingefügt werden. Umgesetzt wurdendie Baumaßnahmen, welche die Anlagevergrößerten und ihr das heutige Ge-präge verliehen, in einigen Abschnittendurch Verdienste des späteren Nach-folgers von ·tulc im Amt und aktivenpatriotisch gesinnten Propst Mikulá‰Karlach (1831-1911).

Der Ausbau erfolgte in drei Abschnit-ten in den Jahren 1891, 1894, 1899. DieAbschlußarbeiten an der westlichenSeite wurden erst in den Jahren 1906-1908 durchgeführt. Der bauliche Ent-wurf für den Friedhof wurde 1875 vonAntonín Barvitius ausgearbeitet. Begon-nen wurde mit der Anlage von Gräbernentlang der Friedhofsmauer, die einheit-lich gestaltet wurden. Auf eine ähnlicheWeise wurde auch die östliche Seite an-gelegt. Die Friedhofsarkaden wurden inder Mehrzahl erst von dem zweitenRepräsentanten der böhmischen Neure-naissance, dem Architekten und Kon-servator Antonín Wiehl (1846-1910)entworfen und fertiggestellt. Nach sei-nem Entwurf wurde in den Jahren 1889-1908 eine Gruppe von Gräbern im öst-lichen Teil des Friedhofs angelegt.Nach und nach wurden auch die Arka-den an der nördlichen und westlichenSeite ausgeführt. Barvitius hatte sichin seinem ursprünglichen Konzept aus

Prag-Vy‰ehrad, Slavín, Blick durch die Arkaden

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Grabmal des Komponisten Antonín Dvofiák (1841-1904)

dem Jahre 1875 Anregungen insbeson-dere von der italienischen Baukunstund ihren Gottesackern (Campo Santo)geholt, mit denen er seit seinem langenItalienaufenthalt vertraut war. Vor demBeginn der Bauarbeiten studierte erFriedhöfe in Trient, Salzburg, Innsbruckund München. Damals wurde auch dieGruft des Smichower Bürgermeistersund Holzhändlers M.P. Fischer fertig-gestellt, der Freund des Vy‰ehraderPropstes MikulበKarlach war. Auf des-sen Veranlassung und dessen Schrift hinschlägt Fischer den Bau einer mo-numentalen Gruft für „hochverdienteMänner der Nation, die sich mit ihrenaußerordentlichen Taten besonders her-vorgetan haben“ vor, die den NamenSlavín (der Name Slavín verweist einer-seits auf das Slawentum, andererseitsauf den Ruhm /sláva/ – Anm. d. Übers.)führen und dem Verein Svatobor zuge-eignet sein sollte. 1887 wandte sich Mi-kulበKarlach an Antonín Wiehl mit derBitte, einen entsprechenden Entwurf fürden Bau vorzulegen. P.M. Fischer be-schloß das Vorhaben mit 30tsd. Guldenzu fördern. Es wurde der höchstgelegenePlatz im Osten des Friedhofs ausgewählt,auf dem die Gruft errichtet werden sollte.Am 4. Juni 1889 sandte Fischer dem Ve-rein Svatobor eine Schenkungsurkunde,deren Entwurf Karlach ausarbeitete.Man war bemüht, das Vorhaben für denBau einer gemeinschaftlichen Ehren-

gruft für Große der Nation, die „ – ob-wohl tot – dennoch ununterbrochen zuihrem Volk sprechen“ darzulegen und zubegründen. Der Grundstein wurde am7. September 1889 gelegt, aber der Bauwurde erst 1893 fertiggestellt. Der Baustellte A. Wiehls ausgeprägten Kunst-verstand für Komposition unter Beweisund das hochkulturelle Vorhaben wurdeauch auf dem kleinen Raum der Bau-stelle manifest. Für Bildhauerarbeitenwählte Wiehl Josef Mauder, den Re-präsentanten der idealisierenden tsche-chischen Neurenaissance. Mauder schufdie beiden Seitenstatuen der jubelndenund der trauernden Heimat, den Hügel

selbst bekrönte er mit der Statue des ge-flügelten Genius der Heimat mit dem Sar-kophag. 1901, acht Jahre nach der Fer-tigstellung, wurde in dieser Ehrengruftder Dichter Julius Zeyer als erster beige-setzt (an der Trauerfeier nahm RainerMaria Rilke teil). Bis auf den heutigenTag fanden dort 54 bedeutende Persön-lichkeiten, Repräsentanten des tschechi-schen Geisteslebens ihre letzte Ruhestätte.Auf dem Friedhof selbst liegen zahlreicheKomponisten begraben, zu nennen wärenetwa Bedfiich Smetana, Antonín Dvofiák,Zdenûk Fibich, der Nobelpreisträger fürphysikalische Chemie Jaroslav Heyrov-sk˘, die Schriftsteller Karel âapek, JanNeruda, BoÏena Nûmcová u.a. Die Ne-kropole führt nicht nur Geschicke von600 Persönlichkeiten der Nationalkulturund Wissenschaft, sondern auch die se-pulkrale Plastik und Grabmale der Bild-hauer Franti‰ek Bílek, Bohumil Kafka,Otakar ·paniel, Karel Lidick˘, J. Wag-ner, B. Benda u.a. vor Augen. Der Vy‰e-hrader Friedhof zählt als der schönsteFriedhof Prag nicht nur seines Charak-ters als Nationalikone und der bildkünst-lerischen Vergangenheit und Gegenwartwegen, sondern auch deshalb, weil sichhier die Idee und das Werk harmonischzu einem Ganzen fügen.

Bofiivoj NechvátalArchäologisches Institut der TschechischenAkademie der WissenschaftenPhotos: Vladimír Hyhlík