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Molekulare Chiralität Isotopeneffekte durch Paritätsverletzung in chiralen Molekülen** Robert Berger, Guido Laubender, Martin Quack,* Achim Sieben, Jɒrgen Stohner und Martin Willeke Richard N. Zare zum 65. Geburtstag gewidmet Isotopeneffekte sind die Quelle wichtiger Erkenntnisse fɒr die Molekɒlspektroskopie und Reaktionsdynamik. [1, 2] Ihre theoretische Beschreibung beruht normalerweise auf der paritȨtserhaltenden elektromagnetischen Wechselwirkung, die invariant ist bezɒglich einer Spiegelung der Koordinaten am Ursprung. [3–5] Oft beruhen Isotopeneffekte auf Massen- unterschieden. Es gibt weiterhin Effekte, die auf den unter- schiedlichen Kernspin der Isotope [6] zurɒckzufɒhren sind. GrundsȨtzlich kɆnnen Isotopeneffekte aber auch unabhȨngig von Masse oder Spin nur durch Symmetriebedingungen fɒr die molekulare Wellenfunktion auftreten, die zu unterschied- lichen Symmetrieauswahlregeln fɒr unterschiedliche Isotopo- mere fɒhren. [7] Wir berichten hier ɒber die ersten quantita- tiven Berechnungen eines neuen Isotopeneffektes, der fɒr Enantiomere von Molekɒlen, die nur aufgrund von Isoto- pensubstitution chiral sind („Isotopenantiomere“), zu einer Energiedifferenz D pv E D pv H 0 0 /N A im Grundzustand fɒhrt [*] Prof. Dr. M. Quack, A. Sieben, Dr. M. Willeke Laboratorium fɒr Physikalische Chemie EidgenɆssische Technische Hochschule Zɒrich 8093 Zɒrich (Schweiz) Fax: (+ 41) 1-632-1021 E-mail: [email protected] Dr. R. Berger, G. Laubender Institut fɒr Chemie Technische UniversitȨt Berlin Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin (Deutschland) Dr. J. Stohner Zɒrcher Hochschule Winterthur (ICB-ZHW) 8401 Winterthur (Schweiz) [**] Wir danken Sieghard Albert und Michael Gottselig fɒr Hilfe und fruchtbare Diskussionen. Unsere Arbeiten werden finanziell von der ETH Zɒrich (einschließlich C4 und CSCS) und dem Schweizeri- schen Nationalfonds unterstɒtzt. R.B. bedankt sich fɒr die finan- zielle Unterstɒtzung bei der Volkswagen-Stiftung und fɒr Rechen- zeit beim HLRN. G.L. dankt dem Graduiertenkolleg 352 fɒr ein Stipendium. Angewandte Chemie 3689 Angew. Chem. 2005, 117, 3689 –3693 DOI: 10.1002/ange.200462088 # 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Isotopeneffekte durch Paritätsverletzung in chiralen Molekülen

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Molekulare Chiralit�t

Isotopeneffekte durch Parit�tsverletzung inchiralen Molek�len**

Robert Berger, Guido Laubender, Martin Quack,*Achim Sieben, J�rgen Stohner und Martin Willeke

Richard N. Zare zum 65. Geburtstag gewidmet

Isotopeneffekte sind die Quelle wichtiger Erkenntnisse f�rdie Molek�lspektroskopie und Reaktionsdynamik.[1,2] Ihretheoretische Beschreibung beruht normalerweise auf derparit�tserhaltenden elektromagnetischen Wechselwirkung,die invariant ist bez�glich einer Spiegelung der Koordinatenam Ursprung.[3–5] Oft beruhen Isotopeneffekte auf Massen-unterschieden. Es gibt weiterhin Effekte, die auf den unter-schiedlichen Kernspin der Isotope[6] zur�ckzuf�hren sind.Grunds�tzlich k�nnen Isotopeneffekte aber auch unabh�ngigvon Masse oder Spin nur durch Symmetriebedingungen f�rdie molekulare Wellenfunktion auftreten, die zu unterschied-lichen Symmetrieauswahlregeln f�r unterschiedliche Isotopo-mere f�hren.[7] Wir berichten hier �ber die ersten quantita-tiven Berechnungen eines neuen Isotopeneffektes, der f�rEnantiomere von Molek�len, die nur aufgrund von Isoto-pensubstitution chiral sind („Isotopenantiomere“), zu einerEnergiedifferenz DpvE�DpvH

00/NA im Grundzustand f�hrt

[*] Prof. Dr. M. Quack, A. Sieben, Dr. M. WillekeLaboratorium f�r Physikalische ChemieEidgen�ssische Technische Hochschule Z�rich8093 Z�rich (Schweiz)Fax: (+ 41)1-632-1021E-mail: [email protected]

Dr. R. Berger, G. LaubenderInstitut f�r ChemieTechnische Universit�t BerlinStraße des 17. Juni 135, 10623 Berlin (Deutschland)

Dr. J. StohnerZ�rcher HochschuleWinterthur (ICB-ZHW)8401 Winterthur (Schweiz)

[**] Wir danken Sieghard Albert und Michael Gottselig f�r Hilfe undfruchtbare Diskussionen. Unsere Arbeiten werden finanziell von derETH Z�rich (einschließlich C4 und CSCS) und dem Schweizeri-schen Nationalfonds unterst�tzt. R.B. bedankt sich f�r die finan-zielle Unterst�tzung bei der Volkswagen-Stiftung und f�r Rechen-zeit beim HLRN. G.L. dankt dem Graduiertenkolleg 352 f�r einStipendium.

AngewandteChemie

3689Angew. Chem. 2005, 117, 3689 –3693 DOI: 10.1002/ange.200462088 � 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

(Abbildung 1). Dieser parit�tsverletzende Isotopeneffekt hatseinen Ursprung in der durch das Z-Boson vermitteltenelektroschwachen Wechselwirkung zwischen Elektronen undNukleonen und ist daher abh�ngig von der Zusammenset-

zung der Kerne. Unsere Rechnungen sind zum einen inter-essant f�r Projekte zur Messung von DpvE in Enantiome-ren[5,8] und zum anderen von allgemeiner Bedeutung f�r eingrunds�tzliches Verst�ndnis von Isotopeneffekten und mole-kularer Chiralit�t. Mit der vorliegenden Arbeit �ffnet sich einneuer Zugang zu diesem Gebiet in Form quantitativerBerechnungen f�r solche chiralen Isotopomere im Rahmender elektroschwachen Quantenchemie[9–13] unter Einschlussder schwachen Wechselwirkung. Seit neuere theoretischeBeschreibungen Werte f�r jDpvE j vorhersagen, die umGr�ßenordnungen h�her[9–12] sein k�nnen als aus fr�herenRechnungen[14,15] vermutet, gibt es neue Hoffnung, dass sehrgenaue Messungen und Rechnungen, besonders f�r Molek�leaus leichten Atomen, einen weiteren Zugang zum Standard-modell der Hochenergiephysik[5, 16] erm�glichen k�nnten. Wirverweisen hier auf einige aktuelle Arbeiten mit ausf�hrlichenLiteraturangaben.[4,5, 10, 12]

Im Rahmen unserer Untersuchung stellen und beantwor-ten wir folgende Fragen:1. Wie groß ist DpvE f�r Isotopenantiomere verglichen mit

„gew�hnlichen“ Enantiomeren?2. Ist f�r DpvE das parit�tsverletzende Potential in der

Gleichgewichtsgeometrie oder eine Schwingungsmitte-lung �ber das parit�tsverletzende Potential entscheidend?

3. Wie ver�ndert eine Schwingungsanregung DpvE (d. h.DpvE*) in solchen Verbindungen verglichen mit „gew�hn-lichen“ Enantiomeren, f�r welche dies schon fr�heruntersucht wurde?[17]

Die Beantwortung dieser Fragen wird bei der Planungzuk�nftiger Experimente, eventuell unter Einbeziehung vonIsotopenantiomeren, hilfreich sein. Wir betrachten mit dieserZielsetzung die Phosphanderivate PHDX (X = F, 35Cl, 37Cl,79Br, 81Br) und P35Cl37ClY (Y= F, H, D). Isotopenantiomere,die von der Verschiedenartigkeit der Isotope und ihrerMassen herr�hren, sind zwar schon seit einiger Zeit bekanntund mehrfach diskutiert worden,[3,18–20] hier werden aber dieersten quantitativen Vorhersagen f�r die Gr�ße DpvE vorge-stellt, die ein quantitatives Maß f�r den parit�tsverletzendenIsotopeneffekt ist.

Abbildung 1 illustriert alle relevanten Gr�ßen. R-Vepv und

S-Vepv beziehen sich auf die parit�tsverletzenden Potentiale

der Born-Oppenheimer(BO)-Gleichgewichtsgeometrien derR- und S-Enantiomere. Wegen der Antisymmetrie des pari-t�tsverletzenden Potentials bei Spiegelung am Ursprung[5] istder Absolutbetrag jDe

pvE j gerade 2 jR-Vepv j oder 2 jS-Ve

pv j .Addiert man die Nullpunktsschwingungsenergien und die�ber den Schwingungsgrundzustand gemittelten parit�tsver-letzenden Potentiale zu den parit�tserhaltenden BO-Poten-tialen, so erh�lt man die Grundzustandsenergieniveaus beiderEnantiomere (R-E0

pv, S-E0pv) unter Ber�cksichtigung der Pa-

rit�tsverletzung. Die entsprechende Grundzustandsenergie-differenz (falls Tunneleffekte vernachl�ssigbar sind) oder dieReaktionsenthalpie bei 0 K, jR-E0

pv�S-E0pv j = jDpvE j �

jDrH00/NA j , ist prinzipiell messbar (das Vorzeichen h�ngt

von der Konvention f�r die gerichtete Stereomutationsreak-tion von R und S ab).[8] Schließlich kann man eine �hnlicheDefinition auf die angeregten Schwingungszust�nde(v1…v3N�6) des chiralen Molek�ls anwenden. Diese erschei-nen als ein fast entartetes Dublett von Quantenzust�nden derbeiden Enantiomere mit der parit�tsverletzenden Aufspal-tung jDpvE*(v1…v3N�6) j= jR-Ev1 ...v3N�6

pv �S-Ev1 ...v3N�6pv j , sofern

diese Aufspaltung sehr viel gr�ßer ist als die hypothetischeTunnelaufspaltung f�r den parit�tserhaltenden Fall, aber vielkleiner als der Abstand der Schwingungsniveaus.[3,8]

Die parit�tsverletzenden Potentiale wurden im Rahmenunseres MC-LR(„multiconfiguration linear response“)-An-satzes f�r die elektroschwache Quantenchemie,[11] hier in derRPA(„random phase approximation“)-N�herung, berechnet.Der approximative Hamilton-Operator lautet in SI-Einheiten[Gl. (1)]:[10,11, 17]

HHpv ¼pGF

h me cffiffiffi

2p

X

N

A¼1

Qw ðAÞX

n

i¼1

½ p!p!i � s!s!i,d3ð r!i� r!AÞ�þ ð1Þ

GF = 2.222527 � 10�14 Eh a30 = 1.43586 � 10�62 J m3 (Har-

tree-Energie Eh und Bohr-Radius a0) ist die Fermi-Konstante,me die Elektronenmasse, h das Plancksche Wirkungsquantumund c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. p!p!i ist der Impuls-und s!s!i der Spinoperator des Elektrons i, r!i bezeichnetdessen Ortsvektor. r!A ist der Ortsvektor des Kerns A. d3

steht f�r die dreidimensionale Diracsche Deltadistributionund [.,.]+ f�r den Antikommutator. Der parit�tsverletzendeEffekt korreliert mit der Zahl der Protonen ZA und Neutro-nen NA im Kern A mit der elektroschwachen Ladung Qw (A)[Gl. (2)].

Qw ðAÞ ¼ ZA ð1�4 sin2 qwÞ�NA ð2Þ

Abbildung 1. Schema f�r die im Text erl�uterten Gr�ßen am Beispielvon P35Cl37ClF. Die relative Gr�ße der DpvE-Werte ist maßstabsgetreu,der Vergleich mit der viel gr�ßeren Nullpunktsenergie und der Energiedes angeregten Schwingungszustandes aber nat�rlich nicht. F�r DpvE*wurde hier vi = 1 f�r alle i gew�hlt. Der Betrag der Reaktionsenthalpief�r die Stereomutationsreaktion S =R ist jDpvH

00 j�NA jDpvE j=

3.3 � 10�13 Jmol�1 (bei 0 K).

Zuschriften

3690 � 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de Angew. Chem. 2005, 117, 3689 –3693

qw ist der Weinberg-Winkel (sin2 qw = 0.2319). Qw istverschieden f�r unterschiedliche Isotope, was zum hier dis-kutierten, parit�tsverletzenden Isotopeneffekt f�hrt. Zu-n�chst geben wir in Tabelle 1 die parit�tsverletzende poten-

tielle Energie f�r die Gleichgewichtsgeometrien der elektro-nischen Grundzust�nde Ve

pv entsprechend den R-Konfigura-tionen der Molek�le 1–10 (und jDe

pvE j= j 2Vepv j ). Ein nega-

tiver Wert von Vepv bedeutet eine Stabilisierung f�r die

gegebene Struktur, w�hrend das Enantiomere um den glei-chen Betrag destabilisiert wird. Der Absolutbetrag von Ve

pv

f�r Systeme, die durch Substitution mit verschiedenen Chlor-isotopen chiral sind (6–8), ist bemerkenswert groß, der aufeine Deuterierung zur�ckzuf�hrende Effekt (1–5) ist um zweibis drei Gr�ßenordnungen kleiner. Dies kann aus dem inGleichung (1) gegebenen parit�tsverletzenden Operator Hpv

verstanden werden, der effektiv eine Kontaktwechselwirkungzwischen den einzelnen Elektronen und den Atomkernen mitder elektroschwachen Ladung Qw(A) [Gl. (2)] beschreibt.Das parit�tsverletzende Potential ist die Summe aus denverschiedenen Beitr�gen der Kerne, wobei in der Regel dieBeitr�ge der schwereren Kerne dominieren.[10] Deswegenf�hrt eine einfache Deuterierung zu einem Betrag jVe

pv j , derkleiner ist als bei Molek�len, die aufgrund verschiedenerChlorisotope chiral sind. Wir geben in Tabelle 1 auch Ve

pv f�rdie „gew�hnlichen“ chiralen Verbindungen P79Br35ClF (10)und PH35ClF (9) an. F�r die Isotopenantiomere PH35Cl37Clund P35Cl37ClF ist der Betrag des parit�tsverletzenden Poten-tials ungef�hr eine Gr�ßenordnung kleiner als f�r PHClF.Zieht man die um etwa 10% verschieden großen elektro-schwachen Ladungen von 35Cl (Qw =�16.8) und 37Cl (Qw =

�18.8) in Betracht, w�rde man eine Abnahme von Vepv um

etwa eine Gr�ßenordnung erwarten. Man bemerkt n�mlich,

dass in der symmetrischen Gleichgewichtsgeometrie dieatomaren Beitr�ge der beiden 35Cl-Kerne zu Ve

pv im symme-trischen Isotopomer von exakt gleicher („normaler“) Gr�ßesind, aber sich durch das entgegengesetzte Vorzeichen kom-

pensieren, w�hrend im unsymme-trischen 35Cl/37Cl-Isotopomer eineDifferenz von ca. 10% nach teil-weiser Kompensation verbleibt. Ineinem v�llig asymmetrischen Mo-lek�l wie PHClF ist eine solcheteilweise Kompensation wenigs-tens nicht systematisch zu erwar-ten, sodass Ve

pv etwa eine Gr�ßen-ordnung gr�ßer wird. H-D-Substi-tution f�hrt zwar zu einer großenrelativen �nderung der elektro-schwachen Ladung, aber nur zueiner kleinen �nderung im pari-t�tsverletzenden Potential, daweder H noch D einen großenBeitrag zu Ve

pv leisten. Dies erkl�rtdie kleinen parit�tsverletzendenPotentiale der H/D-Verbindungenin Tabelle 1. F�r Isotopenantiome-re von CHDTOH[20] haben wirschon fr�her bemerkt, dass dieje-nigen Kerne, die in der CS-Symme-trieebene des entsprechenden achi-ralen Isotopomers liegen, nichtzum parit�tsverletzenden PotentialVe

pv beitragen. Daher sind die Vepv-

Werte f�r PHD35Cl und PHD37Cl identisch (ebenso f�r diePaare PH35Cl37Cl(6)/PD35Cl37Cl(7) und PHD79Br(4)/PHD81Br(5)).

Isotopensubstitution hat jedoch nicht nur einen Einflussauf das parit�tsverletzende Potential in der Gleichgewichts-geometrie, sondern auch auf die Molek�ldynamik und diegemittelte Grundzustandsgeometrie.[17] Es ist beispielsweisewohlbekannt, dass gemittelte X-D-Bindungsl�ngen k�rzersind als gemittelte X-H-Bindungsl�ngen (siehe Lit. [3, 21] zueiner Diskussion von CH4 und seinen potentiell chiralenIsotopomeren). Um diesen Effekt bei der Berechnung vonDpvE zu ber�cksichtigen, haben wir das Schwingungsproblemin der separablen anharmonischen adiabatischen N�herung(SAAA)[17] behandelt. Die detaillierte Vorgehensweise beiden Berechnungen ist in Lit. [11,17] beschrieben. In Test-rechnungen wurde �berpr�ft, dass die nicht separablenKopplungen f�r Vpv(qi) als Funktion der reduzierten Normal-koordinaten qi keine große Rolle spielen. Man kann hiertats�chlich von einem messbaren DpvE sprechen,[5,8] da DpvEgr�ßer als die Tunnelaufspaltung ist. Die Tunnelaufspaltungf�r 2 wurde mit einer einfachen WKB-Methode grob auf 10�23

bis 10�20 cm�1 abgesch�tzt. F�r die weiteren Verbindungen[22]

sollte die Tunnelaufspaltung noch kleiner sein, da entwederdie Inversionsbarriere h�her oder die Tunnelmasse gr�ßer ist(siehe Lit. [23]). Mit dem parit�tsverletzenden PotentialVpv(qi) und der Schwingungswellenfunktion Yv i

i berechnenwir den Erwartungswert hEpviv i

i der parit�tsverletzendenEnergie, wobei die i-te Normalschwingung mit vi Quanten

Tabelle 1: Gleichgewichtsbeitrag und schwingungsgemittelter Beitrag der parit�tsverletzenden Energief�r verschiedene gew�hnliche R-Enantiomere und einige R-Isotopenantiomere.[a]

Verbindungenin R-Konfiguration

Vepv [hccm�1] E0

pv [hccm�1] Basissatz f�rGeometrieoptimierung und1-d-Potentialschnitte

Basissatz f�rparit�tsverletzendeEnergierechnungen

PHDF (1) �4.64 � 10�17 �1.40 � 10�15 6-311G(d,p) 6-311G(d,p)�5.73 � 10�17 �1.11 � 10�15 6-311G(d,p) aug-cc-pVDZ

PHD35Cl (2) �2.14 � 10�17 �1.70 � 10�15 6-311++G(d,p) 6-311G(d,p)PHD37Cl (3) �2.14 � 10�17 �1.66 � 10�15 6-311++G(d,p) 6-311G(d,p)PHD79Br (4) �4.09 � 10�17 �1.60 � 10�14 6-311++G(d,p) 6-311G(d,p)PHD81Br (5) �4.09 � 10�17 �1.63 � 10�14 6-311++G(d,p) 6-311G(d,p)PH35Cl37Cl (6) 8.44 � 10�15 7.50 � 10�15 6-311++G(d,p) aug-cc-pVDZPD35Cl37Cl (7) 8.44 � 10�15 8.97 � 10�15 6-311++G(d,p) aug-cc-pVDZP35Cl37ClF (8) �1.53 � 10�14 �1.38 � 10�14 6-311++G(d,p) aug-cc-pVDZPH35ClF (9) 2.83 � 10�13 2.88 � 10�13 6-311G(d,p) aug-cc-pVDZP79Br35ClF (10) �1.09 � 10�12 �1.06 � 10�12 6-311G(d,p) 6-311G(d,p)

[a] Vepv/(hc) ist das parit�tsverletzende Potential, berechnet f�r die Gleichgewichtsgeometrie des

parit�tserhaltenden Born-Oppenheimer-Potentials. Alle Geometrieoptimierungen und 1-d-Schnittedurch die parit�tserhaltende Potentialhyperfl�che wurden im Rahmen der Møller-Plesset-St�rungstheo-rie zweiter Ordnung (MP2) in der „Frozen-Core“-N�herung mit Gaussian98[26] ausgef�hrt. E0

pv/(hc) istdas �ber den Schwingungsgrundzustand gemittelte parit�tsverletzende Potential (siehe Haupttext). Mitden gegebenen Gr�ßen ist es m�glich, die parit�tsverletzenden Energiedifferenzen jDe

pvE j= j2Vepv j und

jDpvE j= j2E0pv j zu berechnen (siehe Text und Lit. [11,17] zu Methoden und Basiss�tzen). Parit�tsver-

letzende Potentiale sind mit der von uns modifizierten Version[11] des Dalton-Programmpaketes[27]

berechnet worden.

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3691Angew. Chem. 2005, 117, 3689 –3693 www.angewandte.de � 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

angeregt ist [Gl. (3)].[17] Abbildung 2 zeigt eine graphischeAuftragung f�r (R)-PHDF.

hEpviv ii ¼ hYv i

i jVpvðqiÞjYv ii i ð3Þ

Im Rahmen der SAAA[17] ergibt sich die parit�tsverlet-zende Energie Eðv1 ,...,v3N�6Þ

pv f�r einen Schwingungszustand mitden Schwingungsquantenzahlen vi nach Gleichung 4:

Eðv1 ,...,v3N�6Þpv ¼ h

Y

3N�6

i

Yv ii jVe

pvþX

3N�6

i¼1

DVpvðqiÞjY

3N�6

i

Yv ii i

¼X

3N�6

i

hEpviv ii �ð3N�7ÞVe

pv

ð4Þ

E0pv ist der Wert im Grundzustand mit vi = 0 f�r alle i. Die

parit�tsverletzende Energiedifferenz f�r den Grundzustandkann zu jDpvE j= j 2E0

pv j oder f�r angeregte Zust�nde zujDpvE* j= j 2Eðv1,...,v3N�6Þ

pv j berechnet werden. Die f�r (R)-PHDF beispielhaft in Abbildung 2 gezeigte Methode wurdeauf alle Verbindungen 1–10 angewendet. Die Ergebnisse f�rE0

pv sind in der dritten Spalte von Tabelle 1 angegeben. F�r dieVerbindungen 6–10 ist E0

pv von �hnlicher Gr�ße wie Vepv,

w�hrend f�r 1–5, die nur aufgrund einer einfachen Deuterie-rung chiral sind, E0

pv bis zu drei Gr�ßenordnungen gr�ßer alsVe

pv ist. Die starke Abh�ngigkeit von der Schwingungsanre-gung bei 1–5 erm�glicht es, die parit�tsverletzende Energie zuvergr�ßern oder zu verringern, indem man gezielt Schwin-gungen anregt.[17] Bei (R)-PHDF f�hrt beispielsweise eineAnregung mit einem Quant in n6 zu Eð0,0,0,0,0,1Þ

pv = 9.90 �10�15 cm�1 (positiv), w�hrend eine Anregung von n4 miteinem Quant zu Eð0,0,0,1,0,0Þ

pv =�1.22 � 10�14 cm�1 (negativ)f�hrt. Bei gleichzeitiger Anregung beider Schwingungenkompensieren sich diese Effekte nahezu (Eð0,0,0,1,0,1Þ

pv =

�8.57 � 10�16 cm�1). F�r (R)-P35Cl37ClF h�ngt jedoch dieparit�tsverletzende Energie weniger von der Schwingungs-anregung ab. Nicht separable, anharmonische Effekte werden

ab einer gewissen Anregung wichtig und k�nnen ber�cksich-tigt werden.[17]

Wir fassen zusammen: Chiralit�t bedingt durch Isotopemittlerer Masse kann zu relativ großen Werten der parit�ts-verletzenden Energiedifferenz DpvE f�hren. Bei 1–5, dieaufgrund einer Deuterierung chiral sind, ist die Schwingungs-mittelung wichtig f�r DpvE. Der Absolutbetrag der schwin-gungsgemittelten parit�tsverletzenden Grundzustandsener-giedifferenz bei 4 und 5 ist mehr als zwei Gr�ßenordnungengr�ßer als De

pvE f�r die Gleichgewichtsgeometrie. Bei 6–10unterscheiden sich De

pvE und DpvE um weniger als 15%, unddie Betr�ge sind nur etwa eine Gr�ßenordnung kleiner alsjene, die man f�r „gew�hnliche“ chirale Molek�le mit einer�hnlichen Elementzusammensetzung erh�lt. Diese Ergebnis-se erm�glichen es, auch Verbindungen, die nur durch Isoto-pensubstitution chiral sind, als gut geeignete Kandidaten f�rtheoretische und experimentelle Arbeiten zur molekularenParit�tsverletzung vorzuschlagen. W�hrend allerdings eineMessung im Frequenzraum[24] f�r P35Cl37ClF wohl nichtgeeignet w�re f�r den Nachweis der recht kleinen parit�ts-verletzenden Effekte, betr�gt die aus DpvE berechnete Zeitt = h/(2 DpvE) f�r einen �bergang zwischen den Parit�tsei-genzust�nden nur etwa 600 s, wobei die Beobachtung derAnfangszeitentwicklung des Signals auf einer realistischenms-Zeitskala gen�gt (siehe Lit. [8] zu solchen Experimentenund Lit. [25] zu spektroskopischen Vorarbeiten zu den Iso-topenantiomeren P35Cl37ClF).

Eingegangen am 23. September 2004,ver�nderte Fassung am 8. Dezember 2004Online ver�ffentlicht am 6. Mai 2005

.Stichw�rter: Ab-initio-Rechnungen · Chiralit�t ·Elektroschwache Quantenchemie · Isotopeneffekte ·Parit�tsverletzung

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Abbildung 2. 1-d-Schnitt durch die parit�tserhaltende Potentialhyperfl�-che (MP2/6-311G(d,p)) f�r (R)-PHDF entlang der reduzierten Normal-koordinate q6 (Dreiecke, rechte Ordinatenskala). Die Verschiebungsvek-toren f�r q6 sind abgebildet. Die Wahrscheinlichkeitsdichte jY0

6 j 2 istunskaliert (Punkte). Der Maßstab ergibt sich aus dem Maximalwert(0.28) von jY0

6 j 2 in der Abbildung. Die Quadrate zeigen das parit�ts-verletzende Potential (RPA/6-311G(d,p)) entlang q6 (linke Ordinaten-skala).

Zuschriften

3692 � 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de Angew. Chem. 2005, 117, 3689 –3693

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3693Angew. Chem. 2005, 117, 3689 –3693 www.angewandte.de � 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim