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IV. Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate. I. Teil.*) Von Horst Fuhrmann. Inhaltsübersicht: Einleitung: S. 112 — Der Patriarchen- titel und das Entstehen der Patriarchate: S. 120 — Der Pa- triarchentitel im Westen: S. 131 — Karthago: S. 139 — To- ledo: S. 143 — Arles: S. 147 — Vergleich zu Thessalonich: S. 173. Die kirchliche Hierarchie des Hochmittelalters kannte Pa- triarchen oder, um den häufigeren Titel für die Träger der- selben Instanz zu gebrauchen, Primaten, denen ein Rang zwischen den Metropoliten und dem Papst eingeräumt war 1 ). Wegen seiner Komplexität erfordert der Titel „Patriarch", soll er eine Vorstellung dessen geben, was thematisch in den Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit gestellt wurde, eine doppelte Abgrenzung. *) Der ursprünglich umfassender geplante I. Teil konnte aus Raumgründen nicht bis zu Pseudoisidor, dessen Neueinsatz für das Hochma. entscheidend wurde, aufgenommen werden und läßt in dieser Form das zentrale Anliegen der Untersuchung, dem Einflüsse der pseudoisid. Patriarchentheorie nachzugehen, nur schwach erkennen. Erst der Hauptteil, dessen Erscheinen im nächsten Bande vorgesehen ist, bringt die für das Verständ- nis notwendige Ergänzung. — Die „Studien usw." sind eine Dissertation, die 1952 von der phil. Fakultät der Universität Kiel als Doktorarbeit angenommen wurde. Meinem Lehrer, Herrn Professor K. Jordan, der die Arbeit anregte, habe ich für seine ständige Aufgeschlossenheit und Hilfeleistung zu danken. 1 ) Vgl. ζ. B. die Summa Raymunds v. Pennaforte (Verona 1744) lb. III tit. XXVII § 2 p. 327sq.: Patriarchae sive Primates sunt minores Papa, majores autem Metropolitanis . . . Brought to you by | Brown University Rockefeller Library Authenticated | 128.148.252.35 Download Date | 6/24/14 7:07 AM

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Page 1: IV. Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate

IV.

Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate.

I. Tei l .* )

Von

Horst Fuhrmann.

I n h a l t s ü b e r s i c h t : E in le i tung: S. 112 — Der Pa t r i a rchen-t i te l und das E n t s t e h e n der Pa t r i a r cha t e : S. 120 — Der Pa-t r ia rchent i t e l im W e s t e n : S. 131 — K a r t h a g o : S. 139 — To-ledo: S. 143 — Arles: S. 147 — Vergleich zu Thessalonich: S. 173.

Die kirchliche Hierarchie des Hochmittelalters kannte Pa-triarchen oder, um den häufigeren Titel für die Träger der-selben Instanz zu gebrauchen, Primaten, denen ein Rang zwischen den Metropoliten und dem Papst eingeräumt war1). Wegen seiner Komplexität erfordert der Titel „Patriarch", soll er eine Vorstellung dessen geben, was thematisch in den Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit gestellt wurde, eine doppelte Abgrenzung.

*) Der ursprüngl ich umfassender geplante I . Teil konnte aus R a u m g r ü n d e n nicht bis zu Pseudoisidor , dessen Neueinsatz f ü r das Hochma . entscheidend wurde, au fgenommen werden und läß t in dieser Fo rm das zentrale Anliegen der Untersuchung, dem Einflüsse der pseudoisid. Pa t r ia rchentheor ie nachzugehen, nu r schwach erkennen. E r s t der Haupt te i l , dessen Erscheinen im nächs ten Bande vorgesehen ist , br ingt die fü r das Vers tänd-nis notwendige Ergänzung . — Die „S tud ien usw." sind eine Disser ta t ion, die 1952 von der phil . F a k u l t ä t der Univers i tä t Kiel als Doktora rbe i t angenommen wurde. Meinem Lehrer , He r rn Professor K. J o r d a n , der die Arbei t anregte , habe ich f ü r seine s tändige Aufgeschlossenheit u n d Hilfeleistung zu danken .

1) Vgl. ζ. B. die S u m m a R a y m u n d s v. Pennafo r t e (Verona 1744) lb. I I I t i t . X X V I I § 2 p . 327sq. : Pa t r i a rchae sive P r ima tes sun t minores P a p a , ma jo res a u t e m Metropoli tanis . . .

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Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate. 113

Zum einen gegen die Bischöfe der Großkirchen Rom, Alexandrien, Antiochien (petrinisches Patriarchenschema)2) und schließlich Jerusalem, Konstantinopel, die seit dem 5. und 6. Jh. mit dem Titel belegt wurden. Ihnen war ein Ort innerhalb der kirchlichen Stufenordnung der Westkirche na-türlich nicht zugewiesen ; sie werden in unserer Untersuchung nur am Rande zu erwähnen sein, an Stellen, wo erst ihr Einfluß als Vorbild den Gang der Entwicklung verständlich macht.

Zum anderen gegen die Primaten des Mittelalters, denn der im 9. Jh. mit Pseudoisidor aufgekommene Satz, daß Primas und Patriarch nur verschiedene Bezeichnungen wären, ,,qui unam formam tenent"3), verleitet zu dem Schluß, für alle Primaten nach diesem Zeitpunkt ließe sich, ohne der sachlichen Eindeutigkeit zu schaden, der Patriarchenname verwenden4). Aber der Titel „Patriarch" erfaßt nur einen Teil der Primaten des Hochmittelalters. So ist die Benennung „Patriarch" ζ. B. für den Erzbischof von Mainz, einen Primas, fremd und der damaligen Terminologie nach auch unpassend, wie andererseits der Primas von Lyon, wenn nicht schon der Wortlaut seines Privilegs vom Jahre 1079 den Titel nahe-legte5), allein von der Form seines Primats her den Terminus „Patriarch" verdient.

Den enggesteckten Rahmen unserer Untersuchung, der die großen Patriarchate nicht mitumfaßt und Primate nur, so-weit sie sich durch ihre Struktur mit dem im 9. Jh. aufge-kommenen Institut der Patriarchate (Pseudoisidor) identi-

2) Siehe unten S. 122 Anm. 37. 3) Decretales Pseudoisidorianae et Capitula Angilramni. Ree.

P . H i n s c h i u s (1863). Im folgenden nach Päpsten Und Seiten zitiert. In unserem Fal le : Ps.-Anaclet c. 26 p. 79.

4) So etwa T . E . B e r g m a n n , Der Patriarchatsplan Adalberts v. Bremen (Diss. Hambg. 1946; maschinenschr.), 165 : Das Abend-land kannte zwar keine echten Patriarchate, aber seit Pseudo-Isidor war die Gleichsetzung „Pr imas = Patr iarch" üblich.

5) J L . 5126 Reg. Greg. VII . ed. E . C a s p a r VI , 35 (MG. E p p . sel. I I ) p. 450sq. Nahegelegt wird der Patriarchentitel durch die nahezu vollständige Wiedergabe von Ps.-Anaclet c. 26 p. 79sq. (p. 451, lOsq.).

8 Zeitschrift für Rechtsgeschichte. L X X . Kan. Abt. X X X I X .

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fizieren, versucht die Überschrift, die von „mittelalterlichen Patriarchaten" spricht, wenigstens anzudeuten6).

Weil nicht zu allen Zeiten der Patriarchentitel technischen Charakter getragen hat und immer noch Unstimmigkeit herrscht, wie man die Stellung eines Bischofs etwa in mero-wingischer oder frühkarolingischer Zeit einschätzen soll7), dem die Bezeichnung „Patriarch" beigegeben war, galt es zunächst, Antwort auf die Frage zu finden, wann „patriarcha" rechtliche Bedeutung innerhalb des westlichen Kirchenver-bandes gewonnen hat. Mit dem Nachweis, daß erst Isidor Mercator in seinen Falschen Dekretalen den vorher als bloßen Elativ gängigen Titel an eine hierarchische Instanz band, hätte eine separate Untersuchung über die Vokabel „Pa-triarch" ihr Ziel gefunden. Aber die eigentümliche Struktur des Patriarchats der Falschen Dekretalen stellt uns vor die Aufgabe, des weiteren zu untersuchen, ob unter anderem Namen eine ähnliche, in ihrer Form vielleicht sogar gleiche Institution schon vorher existiert hat, die die Fälscher dann lediglich übernahmen. Es sind deshalb alle Orte, deren Bischöfe in der Zeit vor dem Auftauchen der Falschen De-kretalen (851) eine den Metropoliten übergeordnete Stel-lung innehatten, einer kurzen Betrachtung unterzogen wor-den, um die Form ihrer Suprematie bzw. die ihrer Bischöfe

6) Es ist absichtlich die ungewöhnlichere Bezeichnung „Pa-triarchat" in die Überschrift genommen, um mit Studien zu „mittelalterlichen Primaten" nicht zuviel zu versprechen. Der Austausch beider Titel unter bestimmten Voraussetzungen hat nur bis zum Ende des Hochmittelalters Gültigkeit. Später pflegte man die Patriarchen grundsätzlich den Primaten überzuordnen, denen beiden natürlich der Papst vorangestellt war.

') Vgl. etwa W. G u n d l a c h , NA. 13 (1888), 387 Anm. 1 ; D e r s . NA. 14 (1889), 337 Anm. 5; P. H i n s c h i u s , Das Kirchen-recht der Katholiken und Protest, in Deutschland. System d. kath. Kirchenr. I (1869), 573f. u. 599; F e d o r S c h n e i d e r , NA. 32 (1907), 484f . ; W. L e v i s o n , England and the Continent in the Eighth Century (1946), 235 Anm. 5 (abgedr.: Th . S c h i e f f e r , Angelsachsen und Franken, Akad. d. Wissensch, u. d. Lit. ; geistes- und sozialwissensch. Kl.; Jg. 1950 Nr. 20, 1532 [106] Anm. 1).

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Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate. 115

mit dem Patriarchat und den Patriarchen Pseudoisidors ver-gleichen zu können8).

Von der Zeit Pseudoisidors ab ist die Geschichte der „mittelalterlichen Patriarchate" gleichaktig eine Geschichte des Einflusses der Patriarchentheorie der Falschen Dekre-talen. Wir haben bei ihrer Darstellung gegen das viel zu grundsätzlich formulierte, aber heute gültige Traditionsurteil zu kämpfen, daß „einen Einfluß auf die Entwicklung . . . die pseudo-isidorische Construction in diesem Punkte (den Patriarchen-Primaten) nicht geübt"9) habe. Allerdings be-anspruchte bis in die jüngste Zeit die pseudoisidorische Frage selbst, die Frage nach dem Ursprung und dem Zweck der Fälschung, weniger deren weitere Geschichte10), die sich der verschiedenartigen Benutzung der Falschen Dekretalen wegen oft schwer greifen läßt, das Hauptinteresse.

Die älteste einschlägige Monographie über unser Problem und zugleich der größte Beitrag zu seiner Klärung stammt von P e t r u s de M a r c a , dem späteren Erzbischof von Paris, der die Zeit zwischen Einsetzung und Bestätigung als Bischof von Conserans zur Niederschrift der dissertatio „de primatu Lugdunensi et ceteris primatibus" (1644) benutzte11). An

8) Im Kap. über Pseudoisidor. 9) So R. v. S c h e r e r , Hdb. d. Kirchenrechts I (1886), 540;

Fr . S c h u l t e , Die Lehre von den Quellen des kath. Kirchenrechts (Das Kath. Kirchenrecht I, I860), 300 Anm. 32; J . G . E b e r s schreibt in seinem Grundriß des kath. Kirchenrechts (1950), 106: Einen unmittelbaren Einfluß hat Pseudoisidor auf die Rechtsentwicklung nicht gehabt. Zur weiteren, umfangreichen alten u. neuen Literatur vgl. das Kap.: Pseudoisidor.

10) Zur Aufnahme der pseudoisid. Primatentheorie durch das Reformpapsttum siehe das im nächsten Bande erscheinende Kapitel : Die Primate in Frankreich; einige im Mittelalter geäußerte Vorbehalte gegen die absolute Autorität Pseudoisidors sind im Schlußabschnitt angeführt.

n ) Vgl. vita P. de Marca authore P a u l o de F a g e t p. 47 in: P. de Marca dissertationes posthumae . . . editae opera et studio Pauli de Faget (Paris 1669); B a l u z e vermerkt noch in seiner vita de Marcas (De concordia sacerdotii et imperii, Frankf. 1708, prol. p. 17): Hanc . . . dissertationem longe auctiorem rursum edere instituerat, si diutius in vita fuisset. Nihil tarnen, quod 6·

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seinem Werk gemessen sind Männer wie Bingham 1 2 ) , v. Espen1 3) , auch Febronius 1 4 ) und natürlich T h o m a s -sin15) und Blasco 1 6) bloße Rezipienten. De Marca war es z. B., der mit allem Nachdruck darauf hinwies, daß der Primat von Lyon, den Gregor VII. 1079 eingerichtet hatte, in seinem räumlichen Umfang von der notitia Galliarum ab-hängig war17). Auf die vielen kleineren, oft unbedeutenden Darstellungen des 17. und 18. Jh.s einzugehen, würde zu sehr ins einzelne führen18). Die in ihnen vertretenen Ansichten

alicuius momen t i sit, addidi t , aliis occüpat ionibus praepedi tus . E in bequem zugänglicher Abdruck der dissertat io findet sich bei M a n s i , Sacrorum eonciliorum nova et amplissima collectio, X X , 829—901 und in der Appendix zur Bamberger Gesamtausgabe der Werke de Marcas t . I V (1788) p. 9—103. I m folgenden ist nur die Ers tausgabe Par i s 1644 herangezogen.

12) Origines ecclesiast.2 (Halle 1751) lb. I I c. X V I p. 206sq. 13) Commentar ius in Cánones (Löwen 1765) p. 387; J u s eccle-

siast . univ . (Köln 1715) I t i t . 19 p. 137sq. ; t i t . 21 p. 154sq. 14) (D. i. Nik. v . Hon the im) : Do s t a t u ecclesiae et de legit ima

potes ta te Roman i pontificie liber singularis (1763) p. 210sq. 15) Vêtus et nova disciplina circa beneficia et b3neficiarios

(Mainz 1787) bes. I , 1 c. X I V p. 112sq.; I, 1 c. X X X I V p. 240sq. et passim. Über seinem vielen Kompil ieren sind ihm z. B. die von de Marca herausgestel l ten Grundlagen des P r i m a t s von Lyon schon recht unklar geworden. E r mein t , daß der P r i m a t ex no t i t i a ep iscopa tuum ( ? ) sola emersisse et ex qu ibusdam u rb ium Catha-logis.

16) De collectione canonum Isidori Mercatoris commenta r ius (Neapel 1760) c. 12 p. 140sq., bei G a l l a n d i u s , De ve tus t i s canonum collectionibus sylloge (Venedig 1778) V I I I p . 397sq.

17) L. c. p . 154sq. E r geht vom tomus Anaclet i (Ps.-Anaclet c. 32 p. 83) aus, den so kri t ische Köpfe wie A. Le Conte, Α. Agust ín und D. Blondel als unerk lä rbar beiseitegeschoben haben .

18 ) Zu erwähnen wären vielleicht: A. B a r b o s a , Pas tora l i s sollicitudinis sive de officio et po tes ta te episcopi descriptio (Paris 1625) P . I t i t . 3 p. 271sq. ; J . M o r i n u s , Exerc i ta t iones ecclesia-sticae et biblicae (Paris 1686) lb. I exsrc. X I X s q . p. 49sq . ; Ph . L a b b é , Novae bibliothecae manuscr ip to rum l ibrorum t . I I (Paris 1657) p. 56. Von nur geringem W e r t sind die Unte r suchungen von J . F r . M a g e r ( M a s c o v ) , De pr imat ibus , metropol i tanis e t reliquis episcopis ecclesiae Germaniae (ed. I I I . , Leipzig 1741) p. 6; D. M o l i t o r , De p r imat ibus eorumque iuribus speciat im de

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Studien zur Geschichte mit telal ter l icher Pa t r i a rcha te . 117

sind, wenn von Gewicht, an den entsprechenden Stellen im Text angeführt. Ans der langen Reihe der Kirchenrechtsdar-stellungen19) des vorigen Jahrhunderts seien die streng syste-matisch und juristisch gearbeiteten erst gar nicht besonders erwähnt. Sie können den „mittelalterlichen Patriarchen" als

pr ima te Germaniae (Gött ingen 1806) p. 6. Völlig kr i t ik los: A n d r . S p i t z , Diss, hist.-eccl. de pa t r i a rcha t ibus , pr im, ac d igni ta t ibus me t rop . (Bonn 1784) p. 35sq.

19) Die wesentlichen Bei träge l ieferten na tür l ich Deta i lunter-suchungen : E . L e s n e , La hiérarchie episcopale, provinces, métropoli ta ins , p r ima t s en Gaule et Germanie depuis la réforme de saint Boniface ju squ ' à la mor t d ' H i n c m a r 742—882 (1905); W. G u n d l a c h , Der Strei t der Bis tümer Arles u n d Vienne u m den p r ima tus Gall iarum, NA. 15 (1890), 235—266; J . W e i z -s ä c k e r , H i n k m a r Und Pseudoisidor, Z. f. his t . Theol. 28 (1858), 327f. und die verschiedenen Arbei ten G. P a r i s e t s zum P r i m a t von Bourges u n d viele a . m . ; aber da es an zusammenfassenden Monographien fehl t , muß auf die vielfach sehr summar ischen Be t rach tungen in den größeren Kirchenrechtsdars te l lungen ver-wiesen werden. — Ein Einzelproblem allerdings f ü h r t e immer, schon aus methodischen Gründen, zur grundsätz l ichen Frage nach den Pa t r i a rchen des Mittelal ters : der mi t dür ren Wor ten ber ichtete P lan des Bremer Erzbischofs Adalber t , einen Pa t r ia r -cha t zu gründen. Adalber t s e rs t rebter Pa t r i a r cha t konn te doch nur , sollte er nicht bloße Illusion sein, eine der damal igen Zeit n icht f r emde F o r m haben . Den Unte r suchungen über den Pa-t r i a rcha t sp lan sind deshalb vielfach einige Bemerkungen übe r den P r ima t und P a t r i a r c h a t vorausgeschickt : G. D e h i o , Gesch. d . E r z b i s t u m s H a m b u r g - B r e m e n bis zum Ausgang der Mission (1877) I, 205f . ; K . D a n n e n b e r g , Erzbischof Adalber t v. Harn-bürg-Bremen u n d der Pa t r i a r cha t des Nordens (1877), l f . ; R i c h a r d M ü l l e r , Erzbischof Adalber t von Bremen u n d die Idee des nordischen Pa t r i a r cha t s (Gymnasialpr . Stade, 1885), 8f . , doch noch O. V e h s e , Das Reich u. d. Norden im 10. u. 11. J h . , Z. f. Geisteswissensch. I I (1939/40), 303 ( D e r s . , Deutschland u . d . Norden im Ma. in : Kieler Blä t te r Jg . 1941, 77) ve rmerk t das Fehlen einer Spezialuntersuchung über die P r ima te und Pa t r ia r -cha te als Mangel fü r die In t e rp re t a t i on des Adalber tschen P lanes ; schließlich T. E . B e r g m a n n , Der Pa t r i a rcha t sp lan Adalber t s von Bremen (Diss. H a m b g . 1946 Maschinensehr.) 100f., die immer-hin umfangre ichs te Gesamtdars te l lung seit Hinschius ' Kirchen-recht . Auch f ü r die vorliegende Unte r suchung war Adalber ts Pa t r i a r cha t sp l an Anstoß und ursprüngl icher Ausgangspunkt .

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einem typisch zeitgebundenen und deshalb historischen Phä-nomen nur bedingt gerecht werden20). Zu nennen sind neben den etwas populär gehaltenen Partien in Binter ims Denk-würdigkeiten21), die Kirchenrechte von Phill ips2 2) und Scherer23), vor allem aber Hinschius ' „System des katho-lischen Kirchenrechts"24), ein Werk, das in seiner „mono-graphischen Ausführlichkeit"25) und umfassenden Anlage immer noch unübertroffen ist. Allerdings bedarf manches in seiner Darstellung, weil sie von sachlich anderen Voraus-setzungen ausging, der Korrektur26).

20) So e twa I . A. v. G r o l m a n n , Grundsätze des allgemeinen ka th . u . p ro t . Ki rchenrech t s (1843) § 108 S. 106f. ; F r . G. G r o s c h , Grundzüge des Kirchenrechts der K a t h . u . Evang . (1845) § 70 S. 73f . ; P h . Z o r n , Lehrbuch des Ki rchenrech ts (1888), 293; doch auch F r . S c h u l t e , Das k a t h . Ki rchenrech t I I (1856), 203; D e r s . , Lehrbuch des k a t h . Ki rchenrech t s 8 (1873), 235f. Gegen eine Vermischung von Rech t sdogmat ik u n d Rechtsgeschichte wand te sich U. S t u t z , Die kirchliche Rechtsgesch. , Rede zur Feier des 27. 1. 1905 (S tu t t ga r t , 1905) bes. 18f., 26f . ; vgl. auch H . E . F e i n e , Z R G . 67 K a n . Abt . 36 (1950), l f . ; D e r s . , Kirchliche Rechtsgesch. (1950), V l l f . ; gegen S tu tz sieht E . F r i e d b e r g , D t . Z. f. Ki rchenr . X V (1905), 322f. eine Verquickung beider Prinzipien •— ein la ten te r Vorwurf gegen seine Dars te l lung — durch pädagogische Belange genügend entschuldigt . I m m e r h i n beanspruch te ein historisch gewachsenes Rech t , wie es das Corpus J u r . Can. verkörper te , ein s tändiges Interesse an der Geschichte des Rech t s u n d der hierarchischen Ins t i tu t ionen .

21) Die vorzüglichsten Denkwürdigkei ten der Chris t -Kathol i -schen Kirche I I I (1826), 260f.

22) Ki rchenrech t I I (1846), 63f., bes. 73f. 23) H d b . d. Ki rchenr . (1886), 538f. I m Titel wie im Inha l t sind

nur biedere Leh rbüche r : W a l t e r - G e r l a c h , Lehrbuch d. Kir-chenr . aller christl . Konfess ionen 1 4 (1871), 365; R i c h t e r - D o v e -K a h l , Lehrbuch d. k a t h . u . ev. Kirchenr . 8 (1886) § 120 S. 427f.

24) I (1869), 573f., 581 f. 25) U . S t u t z , Ki rchenrecht . Geschichte u. Sys t em 2 i n : Holtzen-

dorff-Kohlers Enzyklopädie d. Rechtswissensch.7 V (1914), 279. 2e) Z. B. ist der Brief Nikolaus ' I . an Rodulf v . Bourges J E . 2765

(MG. E p p . V I p. 633 nr . 117: F o r m a int .) in den entschei-denden Teilen eine In te rpo la t ion wahrscheinlich aus dem E n d e des 11. J h . s ( H i n s c h i u s I , 597; vgl. d a z u : G. P a r i s e t , De primordiis Bituricensis pr imat iae (1896), 77sq . ; F e d o r S c h n e i -

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Den modernen Grundrissen27) der kirchlichen Verfassungs-und Rechtsgeschichte verbot meist schon die straffe Kon-zeption ein näheres Eingehen auf die Primaten des Mittel-alters. Sie mußten summarische Urteile fällen. Aber auch der enge Kontakt mit der Literatur der älteren Forschung und Kanonistik, die gar nicht selten zwar mehr mit Intuition als auf induktivem Wege, aber immerhin .zu einigen richtigen Erkenntnissen gekommen waren, ging allmählich verloren28).

Wenn nun im folgenden der Geschichte der mittelalter-lichen Primaten, im besonderen der Patriarchen, eine eigene Untersuchung gewidmet wird, dann soll das Gewicht weniger auf der Betrachtung der einzelnen Erscheinungsformen lie-gen29), die oft im speziellen behandelt worden sind, als viel-

d e r , NA. 32 [1907], 476f.). Der P r ima t von Vienne ( H i n s c h i u s I , 601) bezog seine Berecht igung aus der verfä lschten Vienner Br iefsammlung, die volls tändig (W. G u n d l a c h ) oder nu r z . T . (L. D u c h e s n e , G r o s p e l l i e r . Zusammenfassend U. C h e v a l i e r , É tude his tor ique sur la cons t i tu t ion de l'église métropol i ta ine et pr imat ia le de Vienne I I [1923], 31 f., bes. 33 Anm. 1) von Guido von Vienne (Paps t Kal ix t I I . ) in tendier t war .

27) E . F r i e d b e r g , Lehrbuch des k a t h . u . ev. Kirchenrechts" (1909), 198 A n m . 3; A. W e r m i n g h o f f , Verfassungsgesch. der deutschen Kirche i. Ma.2 (Meisters Grlindriß der Geschichts-wissensch. I I , 6; 1913), 131; J . B. S ä g m ü l l e r , Lehrbuch des k a t h . K i rchenrech t s 1 (1925—1934), 595f. ; J a c o b s e n - H a u c k in : Realenzyklopädie f. P r o t . Theol.3 (künf t ig : RE. S ) 16, 54f . ; H . E . F e i n e , Kirchliche Rechtsgesch. I (1950) §22, I I S. 194f.; § 31, I S. 299f. Von den nach dem Cod. gearbei te ten Grundrissen seien nur J . B. H a r i n g , Grundzüge des k a t h . Ki rchenrech t s 3

(1924) § 81 S. 263 u n d J . G. E b e r s , Grundr iß des k a t h . Kirchen-rech ts (1950) § 10, 4 S. 33 e rwähnt .

2e) So m u ß t e G u n d l a c h , NA. 15 (1890), 70 Anm. 1 (u. 261 A n m . 2) gestehen, daß er nicht wisse, welches Verzeichnis der zweimal e rwähnte , ,catalogue" (f J K . 177; ( f ) J L . 5024; MG. E p p . I I I p . 90, 6; p . 104, 15) ist, obwohl der auch von ihm benutz te d e M a r c a , De p r i m a t u etc. (1644) p. 154 den Schluß auf die not . GalliarUm nahelegt (vgl. auch T h o m a s s i n , Vetus et nova disciplina (1787) I , 1 c. X X X I V p. 240sq.).

29) Der „ P a t r i a r c h " von Aquileja ist, was den Titel betr i f f t , eine leicht zu erklärende Ausnahme ohne paradigmat ische Bedeu-tung . Auch sein „ P a t r i a r c h a t " wurde schließlich im 12. Jh . , wie sich zeigen läßt , an die Zeitvorstel lung angeglichen.

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120 Horst Fuhrmann,

mehr auf dem T y p der „Patriarchen"3 0), der vom 9. bis zum Ende des 11. Jh.s einem vielfach nicht beachteten Wandel unterworfen war.

D e r P a t r i a r c h e n t i t e l u n d d a s E n t s t e h e n d e r P a t r i a r c h a t e .

Das Wort „πατριάρχης" ist eine Neuschöpfung der Uber-setzer der Septuaginta3 1) , die in manchen Fällen sehr frei die hebräische Vorlage wiedergibt. Bei aller Vielfalt der Sinn-gebung gruppiert sich der verschiedene Gebrauch des Wortes um die Bedeutung Stammesfürst, Familien-(Fratrien-)Ober-haupt3 2) . Sie ging allmählich verloren und fand erst wieder in der Moderne als Kontrastbegriff zum Matriarchat neues, aber künstliches Leben. Die Zeit bis zum ersten nachchrist-lichen Jahrhundert indes füllte „πατριάρχης" mit dem Sinn-gehalt, den wir heutigentags zunächst erfassen3 3), wenn wir an biblische Patriarchen denken3 4). Die „Erzväter", besonders

30) Ehrenrechte der Primaten wie ζ. B. das Pallium gebrauchen und sich die crux gestatoria vorantragen lassen zu dürfen, sind nur erwähnt, wenn darin eine Besonderheit im Vergleich zu den übrigen Metropoliten liegt.

31 ) Ungeklärt bleibt, worauf sich die Behauptung B a r o n i u s ' stützt (Ann. eccl. ed. P a g i II [Lucca 1738] p. 67sq.; nicht ab-lehnend J. B i n g h a m , Origines ecclesiasticae2 I [1751] p. 239sq.): . . . et Herodotus, cum agit de sacris Aegyptiorum, patriarchas illos nominai, qui principem locum in sacris tenent. πάτο. ist als Variante nirgends zu finden (synonym zu άρχιερεύς ?)·

32) Chron. I, 27, 22; II, 19, 8; II, 26, 12; vgl. C h e y n e - B l a c k , Encyclopaedia Bibl. s. v. Die richtige Etymologie schon Orig., De principiis IV, 1, 3 ed. K ö t s c h a u p. 297, 20sq. (Preuß. Akad. [V] 22). Dazu J. C. Suicer . Thes. Eccl. (Amsterdam 1728) II, 639sq.; L i d d e l l - S c o t t , Greek-Engl. Diet. s. v.; H. S i e g e r t , Griechisches in der Kirchensprache (1950), 150.

33) Fr. D o r n s e i f f , Die griechischen Wörter im Deutschen (1950), 108f.

34) Im 4. Makkabäerbuch 7, 19; 16, 25 (Abraham, Isaak, Jakob); Apostelgesch. 7, 8 (12 Söhne Jakobs; wie im apokryph. Testam. XII patr.); 2, 29 (David); Hebräerbrief 7, 4 (Abraham). Zur falschen, aber im Ma. üblichen Etymologie : Isid. v. Sev., Etym. VII, 7, 1; VII, 9 u. 12, 5 ed. L i n d s a y , πατρ. = princeps patrum, pater patrum. Die Affinität des Wortes „πατριάρχης" zu

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Studien zur Geschichte mit telal ter l icher Pa t r i a rcha te . 121

Abraham, Isaak und Jakob, erhalten das Wort von nun an als ständiges Epitheton zugesprochen.

Außer in der biblischen Welt begegnet ,,πατριάρχης" seit dem vierten Jahrhundert als Appellativ verdienstvoller Männer35), ohne daß sich eine an gewisse Bedingungen ge-knüpfte Regel entdecken ließe. Das 5. und 6. Jh. bringt den

dieser Bedeutung zeigt schon Orig., εις μαρτΰρ. προτρ. e. 14 ed . K ö t s c h a u p . 14, 30 (Preuß. Akad . I) u . die syrische Über-setzung E . S c h w a r t z , Z R G . Kan . Abt . X X V (1926), 6. Vgl. Corpus Gloss. Lat in , ed. G o e t z V I I s. v. p. 55; S u i e e r . I . e . 638; S t e p h a n . , Thes. Graec. Ling. VI, 108; F r . D o r n s e i f f 108.

35) Vgl. S u i c e r . , Thes. Ecel. I I , 640; B. K u r t s c h e i d , His t , jur is can. I (1941), 120; Cl. S a l m a s i u s , De p r ima tu papae t rac-t a t u s (1645) p . 42; Gregor v. Naz. ed. J . B i l l i u s (1609) p. 342 D, 675D, der seinen Vater und Amtsvorgänger einen πατρ. nenn t . Typisch auch p. 525 Β ; fü r die Her le i tung des Ausdrucks auf -schlußreich : Gaudent ius , Corpus Scr ip torum Ecclesiast icorum La t ino rum (Wiener Corpus, kün f t i g : CSEL.) 68 p. 185. Auf Exarchen ausgedehn t : Socr., His t . eccl. V, 8 ( J . P . M i g n e , Pa -trologiae cursus etc., series Graeca [künf t ig : PG. ] 67, 577 [n. 24]); nu r ein Synonym fü r Bischof ist πατρ. bei Theodorus Lector, überliefert vonTheophanes , chron .ed . C . d e B o o r I p . l 6 2 ( a . 6008) : τόν δέ Θεσσαλονίκης ε.τίσκοπον Θεόδωρος ó Ιστορικός πατριάρχην ονο-μάζει άλόγως, μή είδώς το διατί. Die Kr i t ik , die Theophanes an Theodor ü b t , ist f ü r den Bedeutungswandel bezeichnend, aber natür l ich unberech t ig t ; Theodor spr icht die Sprache seiner Zeit. — Die von L. D u c h e s n e , L ' I l lyr icum ecclésiastique, Byz. Ζ. 1 (1892), 545 gegebenen Beispiele (auch Églises séparées 2 [1904], 262; J . Β. B u r y , His t , of the Later R o m a n Empi re 1 [1923], 64) sind nicht immer beweiskräft ig. J o u r n . of Hell. S tud . 6 (1885), 346 (nr. 73) u. das wahrscheinl . sehr spä te Corpus Inscr ip t ionum Graecarum (künf t ig : CIG.) 8769 wird sich wegen des „αρχιεπίσκο-πος και πατριάρχης" kaum auf den Bischof von Hierapolis (Phry-gien) beziehen. Diese T i te lhäüfung war nur bei den Bischöfen der Großkirchen übl ich: vgl. T e s t i R a s p o n i , Archiepiscopus, Arch. La t . Med. Aev. I I I (1927), 8; H . G e i z e r , Der Streit über den Titel des ökumenischen Pa t r ia rchen , J b b . f. p ro t . Theol. X I I I (1887), 567. Allerdings ist es Tücke des Objekts , daß Test i Rasponi die Beispiele Duchesnes übern immt , u m zu be-weisen, daß die Bischöfe von Tyros, Thessal. u . Hierapolis nu r „pa t r i a r chae" hießen. Bei CIG. 8834 (ΠΑΤΡΙΑΡΧΗΣ KAI ΚΤΗΤΩΡ) bleibt offen, auf wen sich ΠΑΤΡ. bezieht . — Zu Lyon siehe un ten S. 136f. ; Aquileja wird in einem bes. K a p . behande l t .

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122 Hors t F u h r m a n n ,

entscheidenden Wandel. Der Patriarchentitel verliert jene Unverbindlichkeit, die es erlaubte, jeden Bischof mit ihm zu belegen, der sich durch eine vorbildlich christliche Lebens-führung auszeichnete36), er gewinnt einen mehr technischen Charakter, der seine Anwendung auf die Bischöfe von Rom, Alexandrien, Antiochien, Konstantinopel und Jerusalem be-schränkt37). Sie gelten den späteren Jahrhunderten als Pa-

3β) F . K a t t e n b u s c h , Vergi. Konfess ionskunde I (1892), 114. 37) An der Ausbi ldung der Penta rch ie h a t t e die just inianische

Gesetzgebung entscheidenden Ante i l : siehe un ten S. 131. Gregor I . spr icht grundsätz l ich nur von vier Pa t r i a rchen (Beg. I I , 50 MG. E p p . I p . 154, 4 ex q u a t t u o r pa t r i a rch i s ; Reg. V I I I , 4 MG. E p p . I I p . 7, 17 omnes q u a t t u o r pa t r i a r chas ; Reg. I X , 147 MG. E p p . I I p . 144, 24 in q u a t t u o r praecipuis sedibus). Offensichtlich ist an allen drei Stellen R o m mitgezähl t ( IX, 147: vicissim!). Es fehl t n icht Kons tan t inope l ( G . P h i l l i p s , Kirchenrecht I I [1846], 50), auch nicht R o m (so : P . E w a l d , MG. E p p . I p . 154, 33 zu Reg. I I , 50 und J . F r . O ' D o n e 11, The Vocabulary of t he Le t te r s of St . Gre-gory the Gr., Diss. Wash ing ton [1934], 73), sondern Jerusa lem, dessen Bischof Gregor in den Briefadressen (Reg. V I I I , 6; X I , 28) u n d auch sonst ohne den Pa t r ia rchent i te l nenn t (vgl. dagegen: Reg . I , 25; I X , 175; X , 14; X , 21; X I I I , 43 u n d I , 27 MG. E p p . I p . 41, 3; I I I , 63 p. 224, 14; V, 40 p . 330, 23). Gregors Sprach-gebrauch s t eh t dami t im Einklang mi t dem des 5. ökumenischen Konzils ( M a n s i I X , 195 C—D; vgl. E . C a s p a r , Gesch. d . P a p s t t u m s I I [1933], 273). — Von der Tet rarchie der Pat r i -a rchen ist die schon im Decr . Gelas. I I I , 1 (ed. E . v . D o b -s c h ü t z p . 131 sq.) angedeute te Trias der petr inischen Sitze (Rom; Alexandr ien : Reg . X I I I , 44 MG. E p p . I I p , 407; V I I I , 29 I I p . 30sq . ; Ant ioch ien : V, 42 I p . 336, 30sq . ; VI , 58 I p . 432, 27sq . ; a l lgemein: V I I , 37 I p . 485, 30sq. Vgl. G r i s a r , Z. f. k a t h . Theol. I V [1880], 512f.) f ü r diese Zeit noch s t reng zu scheiden. Die Gründung durch die Apostel, besonders durch Pe t rus , wird ers t spä ter zum Charak te r i s t ikum der Pa t r i a r cha t e (Walafr ied St rabo, Pseudoisidor, Nikolaus I.), so daß schließlich G. Duran-tis, Ra t iona le d iv inorum officiorum (ed. Basel, c. 1476; H a i n n r . 6464; f. 19 T) schreiben k a n n : pa t r i a rcha vero greca lingua s u m m u s pa t rUm in te rp re t a tu r , quia p r i m u m id est apostol icum re t ine t locum. Die Vierzahl Gregors I . scheint bewußt in einer sehr in teressanten Variat ion bei Gregor VI I . au fgenommen zu sein. E r ordne t der Trias R o m , Alexandrien, Antiochien das kleine Grado bei u n d bagatell isiert auf diese Weise den voll-tönenden Titel , auf den R o m ja nie sonderliches Gewicht gelegt

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Studien zur Geschichte mit te la l ter l icher Pa t r i a rcha te . 123

triarchen im hierarchischen Sinne, die diesen Ehrennamen nicht persönlichen Eigenschaften, sondern der hervorragen-den Stellung ihrer Gemeinden in der frühchristlichen Kirche verdanken.

Während Konstantinopel erst in späterer Zeit Macht und Einfluß als Geschenk der dort residierenden Herrscher erhielt und Jerusalem in dieser Reihe einen Sonderfall darstellt, haben Rom, Alexandrien und Antiochien als die Urzellen der christlichen Kirche schon in vornikänischer Zeit alle übrigen Gemeinden an Ansehen und Bedeutung übertroffen. Am besten läßt sich die Entwicklung Alexandriens ablesen. Aller-dings bedeutet Alexandrien insofern eine Ausnahme, als das städtearme Nilland (neben Ptolemais) keine größeren Sied-lungen kannte38) und somit vieles zwangsläufig eine Aus-richtung auf die Weltstadt fand. Es war bei der Größe des Landes unmöglich, die kirchliche Verwaltung von einem Zen-trum aus ohne Zwischeninstanzen zu leiten. Der Grad der Schwierigkeit einer zentralen Verwaltung mußte mit der Zahl der Christen im Hinterland wachsen. Der Bischof Demetrius

h a t (Reg. Greg. VII . , MG. E p p . sel. I I ed. C a s p a r p. 176, 2sq.) . Noch einen Schr i t t weiter geht Innozenz I I I . auf dem La te ran-konzil von 1215. E r k l a m m e r t R o m aus u n d e rkenn t Kons tan t i -nopel, Alex., An t . und Je rus . a ls Pa t r i a r cha t e an . So vers tehen auch Duran t i s , Speculum iuris; de dispensat ionibus § 8, 2 (Venedig 1676) p. 85a u n d R a y m u n d v. Penna fo r t e , Summa (Verona 1744) p . 329 a un te r den „ q u a t t u o r principales pa t r ia r -c h a e " die Bischöfe dieser Kirchen. — I m Westen war aber i. a . die petr inische Pa t r ia rchentheor ie , die nu r die Trias Rom, Alex, u n d Ant . als Pa t r i a r cha t e gelten ließ, vorher r schend : Isidor v. Sevilla, E t y m . ed. L i n d s a y V I I , 12; Deer. Pseudoisid. ed. H i n s c h i u s p . 83, 255 e t pass im; Nikolaus I . J E . 2812 MG. E p p . V I p. 582 c. 92; Walaf r ied Strabo, MG. Capit . reg. F r a n c o r u m l l p .515, 3sq . ; Leo I X . (Humber t , vgl. A . M i c h e l , B y z . Z . 44 [1951], 419ff.) J L . 4297: C. W i l l , Acta et scr ipta , quae de controversiis . . . e x t a n t (1861) p. 169 (unter Einf luß von Ps.-Anaclet c. 29 p. 83). Eine Norm gab es nicht: vgl. etwa Bonizo v. Sutri, De vita Christiana I I I , 4 e d . E . P e r e i s (1930) p. 35. I m Osten h a t t e sich vor allem die Pentarchie durchgese tz t : J . H e r g e n r ö t h e r , Phot ius I I (1867), 132 f.

38) T h . M o m m s e n , R o m . Gesch. V e (1909), 555f.

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124 Horst Fuhrmann,

war es wahrscheinlich, der deshalb in die von Septimius Se-verus im Jahre 202 geschaffenen Metropolen39) der einzelnen νομοί Bischöfe einsetzte40) und selbst die Rolle eines Metro-politen übernahm. Daneben unterstand dem Bischof von Alexandrien Ptolemais, eine Stadt, die wiederum selbst kirch-liche Metropole der Pentapolis war41), so daß auf diese Weise schon für das Ende des 3. und das beginnende 4. Jh . der alexandrinische Bischof als Obermetropolit angesprochen werden darf42). Das melitianische Schisma bietet weiteren Aufschluß43). Melitius, Bischof von Nikopolis und — nach Epiphanius ·— „Erzbischof" der Thebais44), weigerte sich, die Oberhoheit Alexandriens anzuerkennen und ordinierte selbständig. Petrus von Alexandrien berief daraufhin eine Versammlung ein und ließ Melitius absetzen. Doch Melitius änderte seine Haltung nicht. Als Petrus 311 starb, hatte sich das Schisma in einem solchen Grade versteift, daß seine Erledigung nicht nur für das Prestige, sondern sogar für die rechtliche Stellung des Alexandr. Bischofs wichtig geworden war. Alexander, Petrus' Nachfolger, nahm deshalb die Gelegen-heit des Konzils von Nikäa wahr und suchte seine Ansprüche durch Konzilsbeschluß zu erhärten. In diesem Zusammen-

39) U. W i l c k e n , Griech. Ostraka I (1899), 430f.; M i t t e i s -W i l c k e n , Grundzüge und Chrestomathie d. Papyruskunde I, 1 (1912), 41 f.

40) So kombiniert E. S c h w a r t z , Zur Geschichte d. Athana-sius V, Gött. Nachr. (1905), 182f.; zustimmend M i t t e i s - W i l c k e n I, 1, 130 Anm. 5. Vgl. A. v. H a r n a c k , Die Mission und Aus-breitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten1

(1924), 712f.; E. S c h w a r t z , ZRG. Kan. Abt. X I (1922), 213. 41) S c h w a r t z , Athanasius V, 180f. Vgl. auch L i n c k , Zur

Übersetzung u. Erläuterung der Kanones IV, VI u. VII des Kon-zils von Nicäa (Diss. Gießen 1908), 62; anders K . M ü l l e r , Bei-träge z. Gesch. d. Verf. d. Alt. Kirche, Abh. Beri. 1922 nr. 3, 18f.

42) Vgl. K. L ü b e c k , Reichseinteilung Und kirchl. Hierarchie des Orients bis zum Ausgang des 4. Jh.s, Kirchengesch. Stud, hrsg. v. Knöpfler, Schrörs, Sdralek V, 4 (1904), l lOf.

43) K. M ü l l e r 12f. 44) Epiph. adv. haeres. 68, 3 ed. H o l l p. 142 (Preuß. Akad. [III]

37). Ausführlich : S c h w a r t z , Athanasius V, 184f.; L o o f s , R E 3, 12, 558f.

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Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate. 125

hang steht der Kanon 6 von Nikäa, der nicht einen neuen hierarchischen Stand für die Bischöfe von Alexandrien, Rom und Antiochien schaffen, sondern nur den alten Zustand sanktionieren will45). Schon die Diktion läßt deutlich spüren, daß es die schismatische Lage in Ägypten vor allem war, die die Formulierung des Kanons veranlaßte, denn die Rom und Antiochien angehenden Verhältnisse werden nur ver-gleichsweise danebengestellt. Schon in der Zeit vor Nikäa muß also der Bischof der Nilmetropole Synodal- und Ordi-nai ionsrecht in Ägypten, Libyen und der Pentapolis besessen haben46).

Roms Stellung am Kanon 6 abzulesen, ist schwierig, denn die vage Umschreibung τούτο läßt nicht mehr als einen Analogieschluß zu. Gleichgesetzt wird die εξουσία über mehrere Provinzen, wobei die Frage nach der räumlichen Ausdehnung offengelassen wird. Der älteren Forschung zu folgen und zu meinen, dem Bischof von Rom wäre das gesamte Abendland als „Patriarchatsbezirk" indirekt garantiert worden47), be-deutet sicherlich eine Uberschätzung, denn ein derartiges Mißverhältnis der Machtbereiche Roms und Alexandriens wäre bei einer Parallelisierung auch in einem knappen Kanon

45) T e x t : C. M i r b t , Quellen zur Gesch. d. Papsttums und d. röm. Katholizismus 4 (1924), 45 nr. 111. Zur Ergänzung von E. S c h w a r t z (των μητροπόλεων) siehe Unten S. 126 Anm. 49.

4e) Für eine ausgebildete Metropolitan- und Obermetropolitan-verfassung in dieser Zeit trat mit allem Nachdruck Fr. M a a ß e n , Der Primat des Bischofs von Rom und die alten Patriarchalkirchen (1853), 7 f. ein. Ihm folgten P. H i n s c h i u s , Kirchenr. I, 538f.; S ä g m ü l l e r , Kirchenrecht 4, 60f. und mit Vorbehalten auch L ü b e c k a. a. O.; L i n c k 60f.; S c h w a r t z , ZRG. Kan. Abt. X I (1922), 208f.; V a n c o u r t , E h r h a r d u . a . S o h m dagegen be-zweifelt — auch hier seiner bekannten These folgend — deren Existenz: Kirchenrecht I (1892), 372f. Auf seine Interpretation berufen sich K. M ü l l e r , Abh. Beri. 1922 nr. 3, 21 u. E. C a s p a r , Geschichte des Papsttums I (1930), 120 (zusammenfassend: H. E. F e i n e , Kirchl. Rechtsgesch. [1950], 89f.).

47) Fr. M a a ß e n , Der Primat des Bischofs von Rom, 112f. Zur älteren Literatur: J. L a n g e n , Gesch. d. röm. Kirche I (1881), 416f.

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nicht unkommentiert geblieben48). Es läßt sich in Analogie zum Alexandriner nicht mehr sagen, als daß der Bischof von Rom auf ähnlicher Rangstufe (Obermetropolit) gestanden haben muß.

Auch die Stellung Antiochiens, des dritten im Kanon 6 erwähnten Patriarchats, wie später die Großkirchen genannt wurden, ist unklar. Die Verbindung mit δμοίως zum vorher-gehenden Satzteil verleitet zu dem Schluß, „daß die Ver-hältnisse in Antiochien ähnlich gelegen haben". Doch S c h w a r t z ' Konjektur — των μητροπόλεων —49) läßt uns den Sachverhalt jetzt präziser sehen. Der Satz δμοίως —έκκλησίαις sagt über Antiochien selbst gar nichts aus, sondern nur etwas über die Kirchen um (κατά = Prisca: circa)50) Antiochien. Den Gemeinden der Metropolen um Antiochien und in den übrigen Provinzen sollen die alten Vorrechte bewahrt blei-ben61). Dem Bischof von Antiochien wird indirekt untersagt,

48) Zu den lateinischen Überse tzungen des K a n o n 6 : F r . M a a ß e n , Gesch. d. Quellen u . d . L i t e ra tu r des kanonischen Rechts im Abend land bis z. Ausgang des Ma.s I (1870), 8f. R u f i n s Über-setzung mi t der r ichtigen In t e rp re t a t ion der „suburb icar ia l o c a " : E . L ö n i n g , Gesch. d. deutschen Kirchenrechts I (1878), 437f. (vgl. E . S c h w a r t z , SB. Beri . 1930, 627f.). Die Hs . von Chieti (eccl. R o m . semper habu i t p r i m a t u m ) : M a a ß e n 19.

49) E . S c h w a r t z , SB. Beri. 1930, 627f. weist überzeugend nach, daß wahrscheinlich Alexander von Antiochien in seinem Brief an Innozenz των μητροπόλεων unterschlagen h a t . Eigenar t ig bleibt a l lerdings ,daß Hie ronymus a d P a m m a c h . c . 3 7 ( J . P . M i g n e , Patrologiae cursus etc., series La t ina [künf t ig : PL . ] 23, 389) Schlüsse zieht, als s t ände των μητροπόλεων n icht mehr da . Vgl. M a a ß e n , Der P r ima t des Bischofs von R o m , 43 f. Ebenso im K a n o n 2 von Kp l . (381): M i r b t , Quellen, 57 nr . 137. Die ä l tes ten latei-nischen Überse tzungen haben noch „c iv i t a tum a m p l i a r u m " (vgl. M a a ß e n , Quellen 19f.), eine im Wes ten fü r kirchliche Metropolen gebräuchliche W e n d u n g (Syn. v. Riez can. 8; M a n s i V, 1195).

50) L i n c k 44f. P r i sca : M i r b t , Quellen, 45 Anm. 2. δ1) ομοίως n i m m t n icht eine Bes t immung über „ähnl iche Ver-

häl tn isse" , die u m Antiochien u n d in den übrigen Eparch ien er-hal ten bleiben sollen, auf , sondern leitet zu einer syn tak t i sch s t reng gebauten Parallele über (τά άρχαΤα εθη κρατείτω — τά πρεσβεία σώ-ζεσθαι), die den Kirchen der Metropolen u m Antiochien und in den übrigen Provinzen die Unversehr the i t ihrer Rech te bes tä t ig t . Die

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in die Verwaltung der umliegenden Provinzen unter Um-gehung ihrer Metropoliten einzugreifen. Mit dieser für Anti-ochien eigentümlichen Rechtseinschränkung kongruiert die aus einem Brief Innozenz' I. hervorgehende Nachricht, daß der Antiochener zwar die Metropoliten weihen durfte, die Ordination ihrer Suffragane aber nicht unbedingt von seinem Vorwissen abhängig war52). Die rechtliche Lage des Jahres 325 mag demnach der um 400 ähnlich gewesen sein.

Fassen wir die Bestimmungen des Kanon 6 für die späteren Patriarchate zusammen : Dem Bischof von Alexandrien wird sein Obermetropolitanrecht über Ägypten, Libyen und die Pentapolis bestätigt. Die Rolle Roms als paradigmatischer Beleg für die Nilmetropole läßt die Hauptstadt des Imperiums als in der Stellung ähnlich erscheinen. Von der Suprematie Antiochiens erfahren wir nur indirekt durch die den Kirchen der Metropolen κατά Άντιόχειαν zugestandene Integrität ihrer Rechte.

Eine Sonderstellung unter den späteren Patriarchaten nimmt Jerusalem ein53). Es verdankte nicht gleichzeitig po-

Ant i the t ik Sohms und Maaßens ist dadurch aufgehoben ( S o h m , Kirchenrecht I , 372f. ; M a a ß e n , Der P r ima t , 39f.). Sollten sich Ephesus , Caesarea und Heraklea un te r den Kirchen ,,έν ταΤς αλλαις έπαρχίαις" verbergen, mehr als metropol i tane Rech te können ihren Bischöfen n icht zugestanden worden sein (vgl. A. E h r h a r d , Die al tchris t l . Ki rchen im Wes ten und im Osten [1937], 23f.).

52) J K . 310 P L . 20, 547 B : revolventes auc to r i t a t em Nicae-nae synodi, quae una omnium per orbem t e r r a r u m m e n t e m explicat sacerdotum, quae censuit de Ant iochena ecclesia cunct i s fidelibus, ne dixerim sacerdotibus, esse necessarium custodire (qua t i lgt S c h w a r t z ) super diocesim (suam t i lgt S c h . ) prae-d ic tam ecclesiam, non super a l iquam provinciam recognoscimus cons t i tu t am . . . I t a q u e a rb i t r amur , f r a t e r carissime, u t sicut metropol i tanos auc tor i ta te ordinas singulari, sic et ceteros non sine permissu conscientiaque t u a sinas episcopos procreari . Die richtige In t e rp re t a t ion M a a ß e n , Der P r ima t , 45 Anm. 8. —- Ein weiteres Dokumen t , das die Ordina t ionsbeschränkung des an t i -ochenischen Bischofs ausdrück t , ist der nu r syrisch erhal tene E r -laß Theodosius ' I I . an S tephan v. Ephesus , den S c h w a r t z , Z R G . K a n . Abt . X X V (1926), 8f . ins Griechische rücküberse tz t h a t .

53) S o h m I , 353f. ; H i n s c h i u s I , 544f . ; S ä g m ü l l e r 591f . ; L ü b e c k , Reichseintei lung, 148f.; P e i n e 90.

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litischer Bedeutung seine Position, sondern lediglich dem Ansehen, das es als Ort des Lebens und Sterbens Christi genoß. Politisch war es der Hauptstadt des Landes Caesarea unterstellt54), die es gleichzeitig als seine kirchliche Metro-pole anerkennen mußte. Noch der Kanon 7 des Konzils von Nikäa55) erhärtet diesen Zustand, gesteht allerdings dem Bischof von Jerusalem zu, die alten Ehrenrechte weiterüben zu dürfen56). In den nächsten Jahrzehnten war es das Ziel der Bischöfe von Jerusalem, sich von der Oberhoheit des Metropoliten von Caesarea zu lösen und selbst auf eine höhere hierarchische Stufe zu steigen. Der Weg, den der ebenso wendige wie skrupellose Juvenal57) in der Mitte des 5. Jh.s beschritt, führte zum Ziel. Nachdem er mehrere Male das Lager gewechselt hatte, erst für, dann gegen Dioskur von Alexandrien auftrat58), erhielt er auf der Synode von Chal-kedon den definitiven Bescheid, daß ihm die drei palästi-nensischen Provinzen unterstellt seien. Mag der Bischof von Jerusalem dadurch eine kleine reale Machtbasis gewonnen haben, kirchenrechtlich blieb seine weitere Existenz als „Kleinpatriarch"59) ohne Einfluß60).

Der fünfte Bischofssitz, der zu einer Rom und Alexandrien ähnlichen Rangstufe aufrückte, war Konstantinopel, das sich weder — zumindest zu jener Zeit — auf eine apostolische Gründung berufen konnte, noch in dem besonderen Ansehen einer άγια πόλις stand. Neben dem zähen Ehrgeiz der Bischöfe gab hier allein die politische Stellung den Ausschlag. Byzanz war ursprünglich der thrakischen Metropole Heraklea unter-stellt, doch schon im Jahre 381 wurde dem Bischof von

54) B e n z i n g e r , Realeneykl . d. klass. Alterturaswiss. hrsg. v . A. F . Pauly , später v. G. Wissowa u . a . K ü n f t i g : R E . (PW.) I I I , 1291 f.

55) M i r b t , Quellen, 45 nr. 111. 56) S o h m a. a. O. hält trotz can. 7 eine Unterordnung Jerusa-

lems für unmöglich. — Worin die ακολουθία της τιμής bestand, bleibt unklar. L i n c k 55.

" ) K a t t e n b u s c h , R E . 3 9, 659f . 58) S c h w a r t z , ZRG. Kan . Abt . X I (1922), 236f . 5 9) N a c h H. E . F e i n e , Kirchl . Rechtsgesch . (1950), 90. 6 0) Vgl. K a t t e n b u s c h , R E . 3 8, 699f .

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Studien zur Gaschichte mit te la l ter l icher Pa t r i a r cha t e . 129

Konstantinopel auf der am Ort stattfindenden Synode der Vorrang vor allen Bischöfen außer dem römischen zuge-sichert61). Die nächste und wichtigste Etappe war das Konzil von Chalkedon. Der Bischof von Konstantinopel erhielt das mit den Exarchen konkurrierende Recht, Appellationen jedes Klerikers, der sich von seinem Metropoliten benachteiligt fühlt, entgegennehmen zu dürfen62). Entscheidend aber war der sog. Kanon 28 von Chalkedon63), der dem Bischof von Konstantinopel das Ordinationsrecht sowohl der Metro-politen der Diözesen Thrakien, Pontus und Asien, wie auch der Bischöfe in den von den Barbaren besetzten Teilen dieser Gebiete gewährte. Daß der sog. Kanon 28, den Rom nicht anerkannte, nicht toter Buchstabe blieb, dafür sorgten die oströmischen Kaiser, die in ihren Erlassen ausdrücklich den Vorrang des Bischofs von Konstantinopel bescheinigten64).

61) can. 3: M i r b t , Quellen, 57 nr . 137. Vgl. K . L ü b e c k , Reichs-einteilung, 191f. ; P . B a t i f f o l , 'Le siège apostol ique (1924), 134f. Die Antwor t R o m s war die Be tonung der Tr ias Rom, Alexandrien u n d Kons tan t inope l im Decr. Gelas. I I I , 1. Vgl. J . C h a p m a n , Rev . Bén. X X X (1913), 198f. ; E . S c h w a r t z , Ζ. f. n t . Wissen-schaf t 29 (1930), 166. Z u m Gedanken einer „νέα 'Ρώμη" vgl. F . D ö l g e r , Z K G . 56 (1937), l l f f .

®2) can. 9 (ähnl. can. 17) E . S c h w a r t z , Ac ta conc. oecumeni-corum I I , 1 p . 356. Vgl. B a t i f f o l , Le siège apost . , 555f . ; C a s p a r , P a p s t t u m I , 521 f. Von Jus t i n i an nov. 123 c. 22 aufgenommen. Über die H i spana flöß der can. 17 zu Pseudoisidor (Angilr. c. 5; Ben . Lev. add . IV, 25), wo er eine wichtige Rolle spielte.

•3) Über ihn u n d sein Z u s t a n d e k o m m e n : S c h w a r t z , SB. Beri. 1930, 61 I f . ( D e r s . , Byz. Z. 34 [1934], 132f.).

e4) Schon Zeno schreibt 476 (nicht 477, Krüger) an den praef . p rae t . Sebast ian, cod. J u s t . I , 2, 16, 1: . . . regiae urbis sanctissi-m a m sedem privilegia et honores omnes . . . et cetera omnia, quae an te nos t rum imper ium vel nobis imperan t ibus habuisse dignos-ci tur , habere in p e r p e t u u m firmiter regiae urbis i n tu i tu iudicamus e t sancimus. Vgl. Anastasius , cod. J u s t . I , 2, 17 p r . ; Jus t in ian nov. 131 c. 2: . . . sancimus . . . senioris R o m a e p a p a m p r i m u m e s s e omnium sacerdotum, bea t i ss imum a u t e m archiepiscopum Con-stant inopoleos novae R o m a e secundum habere locum post sanc tam apostol icam sedem senioris Romae , aliis a u t e m omnibus sedibus p raepona tu r . (Vgl. J u l i a n i e p i t . La t . nov. J u s t . ed. H a e n e l c. 119, 2.) Zur Wiede rau fnahme dieses Satzes in der coli. Anselmo de-e Zeitschrift für Kechtsgeschiohte. LXX. Kan. Abt. XXXIX.

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130 Hors t F u h r m a n n ,

Den Bischöfen dieser fünf Kirchen wurde im Laufe des 5. und 6. Jh.s der Titel Patriarch beigelegt65). Ihre Stellung über den Metropoliten, die wichtigste der sie verbindenden Gemeinsamkeiten, prägte πατριάρχης - patriar cha bald zu

dicata vgl. F r . D v o r n i k , The Pho t i an Schism (1948), 284f. und die ergänzende Bemerkung A. M i c h e l s , Byz. Z. 44 (1951), 421 Anm. 4.

es) Die erste E r w ä h n u n g des römischen Bischofs als Pa t r i a r ch s t a m m t aus dem J a h r e 450, aus einem Brief Theodosius ' I I . an Valent inian I I I . : O. S e e c k , Reg. d . Kaiser u . Päps t e f. d. J . 311—476 (1919) p. 385, April 3; P L . 54, 876 (ebenfalls in dem gleichzeitig an Galla Plac. abgeschickten Schreiben P L . 54, 878; lateinische Version je tz t S c h w a r t z , Acta I I , 3 p. 15, 32 u. p . 16, 16). I n den Briefen des Konzils von Chalkedon ist Leo wiederholt der Titel Pa r t i a rch beigegeben : Τ φ άγιωτάτα) και μακαριωτάτω οίκου-μενικό> άρχιεπισκόπιρ και πατριάρχη της μεγάλης 'Ρώμης Λέοντι. S c h w a r t z , Acta I I , 1 p. 211, 31 (θεοφιλεστάτφ s t a t t μακαρ.); p .213, 11; p . 216, 17; p. 219, 7; vgl. auch I I , 1 p. 218, 24; p . 191, 35; ob actio I I I c. 6 die Exa rchen von Thrakien , P o n t u s u n d Asia (vgl. Socr. V,8 P G . 67, 577)einbezieht , bleibt ungewiß ( S c h w a r t z , Acta I I , 1 p. 274). Der Singular διοίκησις f ü r alle drei Bezirke gemeinsam findet sich auch im sog. can. 28 (ähnlich Kpl . can. 2). πατρ. könn ten sehr wohl nu r die Bischöfe der Großkirchen sein. D a ß die Supremat ie Kpls . über diese Gebiete nicht leerer An-spruch war, zeigt S c h w a r t z , SB. Beri . 1930, 614 Anm. 2 u. 621; D e r s . , Byz. Z. 34 (1934), 132f. — Der erste „ P a t r i a r c h " von Kp l . war Acacius, cod. J u s t . I , 2, 16pi . (siehe oben Anm. 64; doch könn te schon in der griech. Vorlage des nur syrisch erhal tenen Erlasses Theodosius ' I I . , den S c h w a r t z ins Grie-chische rücküberse tz t ha t , der Titel Pa t r i a rch ges tanden haben : Z R G . K a n . Abt . X X V [1936], 6). Vgl. H . G e i z e r , Der Strei t über den Titel eines ökumenischen Pa t r i a rchen , J b b . f. p ro t . Theol. X I I I (1887), 563f. Neben den Bischöfen von Antiochien u n d Je rusa lem t a u c h t der Titel e twa gleichzeitig (um 530) a u f : vgl. G e i z e r a. a. O. 564f. Zum Bischof v. Alexandrien, dessen Bezeich-nung πάπας — wie der R a m s a y - F u n d zeigt (de L a b r i o l e , Arch. La t . Med. Aevi IV [1928], 65) — durchaus nicht singular w a r : H . G e i z e r a. a. Ο.; H . L e c l e r c q , Diet . d 'Archéol . ehret , et de Li turg . X I I I , 1, 1097 f. — Gängige Bezeichnung f ü r alle fünf Bischöfe als exklusive Gruppe : nov. 109 praef. : . . . πάντες . . . oí άγιώτατοι πάσης οίκουμέμης πατριάρχαι. ο τε της εσπερίας 'Ρώμης και ταύτης της βασιλίδος πόλεως και 'Αλεξανδρείας και Θεουπόλεως και 'Ιερο-σολύμων κτλ. (a. 541). Dazu M a a ß e n s scharfe I n t e r p r e t a t i o n : Der P r ima t des röm. Bischofs, 113 f.

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Studien zur Geschichte mit telal terl icher Pa t r i a r cha te . 131

einem festen, terminologischen Begriff der Hierarchie. Den entscheidenden Beitrag hierzu leistete die Gesetzgebung Justinians66). Zwar lockerte sich auf diese Weise die unmittel-bare Bindung des Titels an seinen Träger, doch fand auch der terminus technicus nur in den Bischöfen der Großkirchen seine Repräsentation67).

Mögen sich auch die Patriarchen in den einzelnen Rechten unterschieden haben — so durfte der von Alexandrien auch einfache Bischöfe ordinieren, der antiochenische nur die Metropoliten, der von Konstantinopel Metropoliten und έν τοις βαρβαρικοΐς auch einfache Bischöfe —, in ihrer Funktion als Obermetropoliten war ihnen allen das Entgegennehmen und Erledigen von Appellationen, die allerdings den vor-schriftsmäßigen Instanzenweg durchlaufen haben mußten, sowie ein Synodal- und Aufsichtsrecht in ihrem Sprengel zugestanden68).

D e r P a t r i a r c h e n t i t e l im W e s t e n . Tertullian ist der erste lateinische Schriftsteller69), der ,,pa-66) Am typischs ten nov. 5 epil . ; 6 c. 2—3, 8 (vgl. Ju l ian i epi t .

La t . nov. J u s t . ed. H a e n e l c. 6, 2—3; 120 c. 6, 2; Ju l i an i epi t . c. 111, 2); 3 c. 2; 123 c. 22—23 (von Abbo v. F leury Unter Umgehung Pseudoisidors in seiner coll. can. c. 47 P L . 139, 505 Β aufge-n o m m e n ) ; 133 c. 4; 137 c. 7 et passim. Coll. Avell. CSEL. 35 p. 340 ep. 89, 6. Vgl. auch Vocabul. cod. J u s t . ed. M a y r I i s . v . Zur Bildung der Terminologie L. D u c h e s n e , L'église au VI e

siècle (1925), 263f. 67) Der Gedanke einer Pentarchie kam im Osten 530—540 a u f :

nov . 6 epil. ; nov. 109 praef . ; nov. 123 c. 3. T e s t i R a s p o n i s These (Arch. La t . Med. Aev. I I I 1927, 5f . vgl. E . K l e b e l , Jahresber . f. d t . Gesch. 3 [1927], 357) wird allen Feinhei ten nicht gerecht . Vgl. e twa nov . 131 c. 2; nov. 6 epil. 2.

68) Zusammenfassend F e i n e 89ff. (mit Li t . ) ; H i n s c h i u s , Kirchenrecht I , 549f . ; immer noch g u t : B i n t e r i m , Denkwürdig-kei ten I I I , 193 ff. — Zu den Pa t r i a rchen der östlichen Außen-kirchen, die na tür l ich auf die Entwick lung der abendländischen Pa t r ia rchentheor ie keinen Einf luß h a t t e n u n d deshalb nicht be-hande l t werden, vgl. F r . H e i l e r , Urkirche und Ostkirche (1934), 166f. und 417f . ; L. D u c h e s n e , Églises séparées» (1904); F e i n e 63f . ; H i n s c h i u s I, 526f.

69) Einen großen Teil der im folgenden ange führ t en lateinischen o«

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132 Hors t F u h r m a n n ,

triarcha" in seinen Wortschatz aufnimmt und auch schon mit der seiner Sprache eigenen Großzügigkeit verwendet70). Die nächsten Jahrhunderte weisen das Wort nahezu aus-schließlich der biblischen Sphäre zu, selten ist der Gebrauch als Ehrenname. Ende des 5. Jh.s greift die im Osten auf-gekommene Sitte, die Bischöfe der Großkirchen Patriarchen zu nennen, auch auf den Westen über71). Der Vorgang geht

Zitate verdanke ich der Redak t ion des T h e s a u r u s L i n g u a e L a t i n a e , die einen Auszug ihres Materials über , , pa t r i a rcha" — soweit die Verwendung des Wortes in den außerbibl isehen Bereich fiel — mir zusandte .

7°) De idololatria c. 17 CSEL. 20 p. 50, 16; De corona militis c. 9 P L . 2, 88 Β ; De an ima I I I , 1 CSEL. 20 p . 302, 21 sq. (cum philosophis . . . pa t r ia rchis haeret icorum). Vgl. I ndex hrsg. von W a s z i n k s. v .

71) Eine Ausnahme scheint His t . Aug. X X I X , 8, 4 ed . H o h l I I p . 227, 18 sq. zu sein. (In einem auf den N a m e n H a d r i a n s fingierten Brief) : . . . ipse ille pa t r i a rcha cum Aegyp tum veneri t , ab aliis Serapidem adorare , ab aliis cogitur Chr is tum. Cl. S a l -m a s i u s , De p r i m a t u papae t r a c t a t u s c. I V (Lyon 1645) p. 43; P o r c e l l i n i , Tot . La t . Lex. s. v . ; E . D i e h l , Insc r ip t . La t . Chris t . Vet . n r . 1003, I I p . 191 (zu 1. 1); A. S o u t e r , A Glossary of La te r La t in to 600 A. D. (1949) s. v. pa t r i a rcha , ha l ten p a t r . f ü r die Bet i te lung eines o r thodoxen Bischofs (v. Alexandrien) . W e n n wir W. H a r t k e , Gesch. u . Pol i t ik i. s p ä t a n t . R o m , Klio Bei-he f t 35 (1940), der neuerdings seine These von der Verfasserschaf t des jüngeren Nikomachus aufgegeben h a t (Maximini duo J u l i Capitolini ed. H o h l : L ie tzmanns Kleine Tex te 172 [1949], 7f.), aber an der Da t i e rung fes thäl t (vgl. W . H a r t k e , R o m . Kinder -kaiser [1951], bes. 243ff.), folgen dür fen , wurde die His t . Aug. e twa 394 „ d i k t i e r t " (ähnlich schon H . D e s s a u , Hermes 24 [1884], 348f.). Aber erst u m die Mit te des 5. J h . s s toßen wir auf eine Anwendung des Titels Pa t r i a rch im or thodox-hierarchischen Sinne. En t sche idend jedoch ist, was schon von ä l te ren Porschern bemerk t wurde ( S u i c e r . , Thes. eccl. I I , 640; B i n g h a m , Origines eccl. 2 I [1751], 238f. ; d e M a r c a , De concordia etc. [ F r a n k f u r t 1708], lb . I c. 3 p . 15; zweideutig C. B a r o n i u s , Ann. Eccl. ed . P a g i I I [Lucca 1738] p. 67sq.), daß hier mi t „ille p a t r i a r c h a " anscheinend auf einen der jüdischen Pa t r i a r chen angespielt ist , die seit 315 in der Sprache der kaiserlichen Kanzlei begeg-nen (cod. Theod. X V I , 8, 1). Vgl. v. H a r n a c k , Mission4 , 20 Anm. 2.

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Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate. 133

langsam und zögernd vor sich, scheint aber in der Mitte des 6. Jh.s abgeschlossen zu sein72).

Ein Eigenleben führte der Patriarchentitel bei Sekten und Häretikern, die sich mit diesem Dekor wohl den Ausweis strenger, alttestamentarischer Frömmigkeit geben wollten73). Noch bevor er sich in der Reichskirche eingebürgert hatte, war er von den Montanisten aufgenommen und den Führern ihrer Sekte, die im phrygischen Pepusa ihren festen Sitz hatten, beigegeben worden74). Ähnlich mag es bei den Enkra-

72) Avitus, Contra Eutych. haer.lb. II MG. AA. VI, 2 p. 22,31; Marcellin. chron. MG. AA. XI p. 98, 16; (Pelagius I. ?) Vitae patrum V, 25, 88 PL. 73, 968; Pelagius I., Defensio trium capitul. ed. R. D e v r e e s s e , Studi e Testi 57 (1932) 5 p. 47, 31; 5 p. 56, 21. Pelagius und der etwa gleichzeitig schreibende Liberatus ( S c h w a r t z , Acta II, 5 p. 139, 30) nennen auch noch den Bischof von Ephesus patr. Vgl. auch S c h w a r t z , Acta I, 4 p. 39, 40; p. 47, 41; p. 71, 31; IV, 2 p. 8, 37, wo das Wort bezeichnen-derweise immer in den die eigentlichen Akten verbindenden Einschüben vorkommt. Von den byzantinischen Kaisern natürlich sehr häufig gebraucht (siehe oben S. 130f.). Coll. Avell. CSEL. 35, 1—2; epp. 107 (a. 515); 160 (a. 519); 234 (a. 520); 84 (ident. mit 91; cod. Just. I, 1, 8, 7sq. a. 533); 89 (a. 536). Epiph. v. Kpl. an Hormisda epp. 195, 233 (a. 520); Stephan von Larissa an Bonifaz II. PL. 65, 34 (a. 531). Vgl. Caspa r , Papsttum II, 747ff.

' a ) Ein gutes Beispiel für den Typ eines „charismatischen" Patriarchen: Basilius d. Gr., ep. 169 PG. 32, 641, wo sich ein geistig armer Diakon namens Glykerius den Titel zulegt. Zu Patriarchen bei Sektierern: E. Secke l , Die karthagische In-schrift CIL. VIII 25045 —• ein kirchenrechtliches Denkmal des Montanismus, SB. Beri. 1921, 991 f.; E. B i cke l , Protogamia, Hermes 58 (1923), 426f. u. 438f.

71) Hieron. ep. 41, 3, 2 CSEL. 54 p. 323:. . . habent (seil. Mon-tanistae) enim primos de Pepusa Phrygiae patriarchas, secundos quos appellant κοινωνούς etc. ;cod. Just. 1,5, 20,3 . . . επί τοις άνοσίοις ΜοντανισταΤς θεσπίζομεν, ώστε μηδένα συγχωρείσθαι των καλουμένων αυτών πατριαρχών . · . κατά ταΰτην διατρίβειν την εύδαίμονα πόλιν . . . — Die cod.-Stelle spricht dafür, daß mehrere Patriarchen gleich-zeitig amtierten, ein Sinn, dem sich auch das Hieronymus-zitat anpaßt. Seckeis Notlösung, den Plural „patriarcharum" seiner Inschrift aus der Sukzession zu erklären, war unnötig (vgl. vor. Anm.). Gegen die Annahme montan. Patr. in Cor-pus Inscriptionum Latinarum (künftig: CIL.) VIII 25045 (Diehl , Inscript. Lat. Christ. Vet. nr. 1003) u. Seckeis Da-

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titen75) und Donatisten76) gewesen sein. Am bekanntesten jedoch waren die jüdischen „Patriarchen"77), denen selbst Andersgläubige den Titel ohne Bedenken zugestanden78). Das Amt, das auch die Diasporajuden als ihr Zentralorgan an-erkannten, scheint nach Absetzung seines letzten Inhabers, Gamaliel79), 415 verwaist geblieben zu sein.

Nach dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches taucht der Patriarchentitel wiederholt im Bereiche germani-

t ie rung der Inschr i f t auf die zweite H ä l f t e des 3. J h . s ( S e c k e l a . a . O . 1017), vgl. v. S o d e n , Z K G . 42 (1923), 41f., wendet sich mit Räch t B i c k e l , P ro togamia (vor. Anm.) . Hieron. scheint der erste zu sein, der häret ische Pa t r i a r chen er-wähn t . B i c k e l a . a . O . will die P a t r . von CIL. V I I I 25045 zu Donat i s ten machen, dr ingt aber mi t seiner Argumenta t ion k a u m durch („pat r iarchal i se rmone" , CSEL. 56 p. 457, 17sq. leitet offensichtlich das folgende Zi ta t ein, wodurch das Vorkommen des Titels bei den Donat i s ten nicht bewiesen wird). D e s s a u , CIL. V I I I 25045 denkt an eine Anspielung auf die Pa t r i a r chen des AT. (vgl. Aldhelm, De virgini ta te [Prosa] V I I I ; MG. AA. X V p. 236, 2); P. M a a s , Theol. Li t . Ztg. Jg . 47 (1922), 311 an jüdische Pa t r i a rchen . — Vorläufig abschließend mit Seckeis K o n j e k t u r e n : D i e h l , Inscr ip t . La t . Christ . Vet . n r . 1003; zu den mon t . P a t r . vgl . : Vilh. S c h e p e l e r n , Montan ismsn og de phrygiske Ku l t e r (1920), 4 5 f . ; H. -G. O p i t z , R E ( P W ) X V I , 209.

75) Hieron. com. in epist . ad T i tum, prol. P L . 26, 556 . . . Ta t i anus E n c r a t i t a r u m pa t r ia rches . . ., doch kann Ta t i an du rch p a t r . als Schöpfer u n d Vater der Sekte gekennzeichnet sein, ohne daß der Titel einen R a n g in der Hierarchie der Häre t iker dars te l l t .

76) Wenn die Inschr i f t CIL. V I I I 25045 — wie B i c k e l , Her-mes 58 (1923), 438f. will — ein „donat is t i sches D e n k m a l " ist .

" ) Hieron. adv . Ruf in . I , 13 P L . 23, 408A (von Orígenes?) ; Cyrill von Je rusa lem catech. X I I , 17 P G . 33, 745A. Zur hierar-chischen Ordnung : Ep iph . adv . haeres. X X X , 4 ed. H o l l p. 338 (Preuß. Akad . [I] 25), vgl. v . H a r n a c k , Mission4 , 341 f. ; E . F r i e d -b e r g , Ki rchenrecht 6 , 305; E . S c h ü r e r , Gesch. d. jiid. Volkes I I I 4 (1909), 119f. und noch immer d e T i l l e m o n t , Histoire des Empereu r s I (1720), 589f.

">) cod. Theod. I I , 1, 10 u. X V I , 8 passim (vgl. G r a d e n -w i t z , I n d e x s. v.).

79) Über ihn O. S e e c k , R E . (PW.) VI I , 690 nr . 3; abgese tz t : cod. Theod. X V I , 8, 22; „post excessum p a t r i a r c h a r u m " cod. Theod. X V I , 8, 29. Vgl. S c h ü r e r a . a . O . 121 Anm. 80.

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scher Staatengefüge auf, zunächst bei Arianern80), dann auch bei Katholiken. Ungewiß bleibt, ob der germanische Aria-nismus in seiner typischen, völkisch durchgebildeten Staats-kirche hier beispielgebend voranging oder die zeitliche Ab-folge nur Zufall ist.

In der Zeit vom 6. bis zum 9. Jh. trugen hie und da auch Bischöfe des westlichen orthodoxen Kirchenverbandes den Titel „Patriarch", obwohl sie sich dem Bischof von Rom, selber ,,πατριάρχης της εσπερίας", unterstellt fühlten. Daß der Titel in diesen Fällen äußeres Zeichen gleicher hierarchischer Ranghöhe mit den „großen Patriarchen" sein soll, darf von vornherein ausscheiden. An eine Konkurrenz mit Rom, die sich zwangsläufig ergeben würde, dachte keiner der Patri-archen81). Es bleibt die Frage offen, als welche Instanz unter dem römischen Bischof diese Patriarchen einzustufen sind, wenn nicht der Titel nur Epitheton ornans ist.

In der Mitte des 6. Jh.s wird der Bischof von Besançon Celidonius, den Hilarius von Arles einst abgesetzt und Leo I.

8°) Victor Vit. I I , 13 CSEL. 7 p. 28, 20 . . . J u c u n d u m , quem pa t r i a r cham voc i taban t , . . . I I , 54 p. 45, 10 sq. . . . notar ius regis respondi t : "patr iarcha Cyrilla dixit al iquos ' . Superbe et illicite sibi nomen u s u r p a t u m nostr i (seil, or thodoxi) de tes tantes d ixerunt . Vgl. H . v. S c h u b e r t , S taa t u n d Kirche in arianischen Königreichen (1912), 65 u. 89f. (Anm. 4); D e r s . , Gesch. d. christ l . Kirche i. F r ü h m a . (1921), 26; D e r s . , Das äl teste germa-nische Chr is ten tum o. d. sog. „Ar ian i smus" d. Germ. (1909), 24 Anm. 44; H . E . G i e s e c k e , Die Ostgermanen u. d. Arianismus (1939), 176f.; bes. E . B i c k e l , Hermes 58 (1923), 438f. ; F r . H e i -l e r , Kirchliche Autonomie u. päps t l . Zentra l ismus (1941), I69f . Zur beliebten Parallele mit dem burgundischen sinistus: K . D. S c h m i d t , Die Bekehrung der Ostgermanen zum Chris tent . (1939), 365; H . E . G i e s e c k e , Die Ostgermanen, 70 u. 139. — In dem Brief Athalar ichs an P a p s t J o h a n n I I . Cassiod. Var. I X , 15 MG. AA. X I I p. 279, 31; p . 280, 13, 18, 22 scheint pa t r i a rcha synonym fü r Bischof zu s tehen. Zur Sache : C a s p a r I I , 198f.; v . S c h u b e r t , S taa t und Kirche, 104 Anm. 3; de R u b e i s , Mon. eccl. Aquil. (1740), 346C versteigt sich zu dem Sa tz : hanc pu to invec tam in Occidentem vocem a Gothis.

81) Auch nicht der „ P a t r i a r c h " Paul inus von Aqui le ja : J K . 983; P . E w a l d , NA. 5 (1880), 540f. Näheres siehe im K a p . über den Pa t r i a rchen v. Aquileja .

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wieder rehabilitiert hatte, als „metropolis venerabilis patri-archa" erwähnt82). Wenige Jahrzehnte später tritt uns der Bischof von Lyon sogar zweimal mit dieser Betitelung ent-gegen83). Etwa zur selben Zeit (588—89) richtet Childebert II. von Austrasien ,,ad patriarcham Laurentium"84), den nach Genua geflüchteten Bischof von Mailand, einen Brief mit der Bitte, beim Exarchen Smaragd ein Wort für ihn einzulegen, damit dieser seine Truppen mit Waffenhilfe unterstütze. Kurz nach 630 redet Desiderius von Cahors seinen Metro-

82) Vi ta p a t r u m Ju rens ium (Vita S. R o m a n i abba t i s c. 5) ed. K r u s c h , MG. SS. rer . Merov. I I I p . 134, 31. Q u e s n e l ( K r u s c h p. 127) hielt die Stelle fü r interpol ier t , weil der Ti te l Pa t r i a r ch in dieser Zeit angeblieh nur dem Bischof von Lyon als einzigem gallischen Metropoli ten zus tand . (Vgl. Bourges!)

83) Gregor von Toürs , His t . F ranc . V, 20 MG. SS. rer . Merov. I 2

p. 227, 16sq. (zur 2. Syn. v . Lyon u m 570): Coniunctique episcopi cum pa t r i a rcha Nicetio beato . . . Konz i l sak ten : MG. conc. I p . 140sq. Un te r schr i f t als „episcopus ecclesiae Lugdunens i s" . — Konzil von Mâcon (a. 585) MG. conc. I p . 164, 17 Priscus episcopus pa t r i a rcha dixi t . Das einzige dem Bischof von Lyon verliehene Prä roga t iv br ingt can. 20: E r darf alle drei J a h r e , nachdem er sich über Ort und Zeit mi t dem König (Gun-t r a m ) geeinigt ha t , Synoden e inberufen. Zum Konzil selbst C. de C l e r q , La législation relig. F r a n q u e de Clovis à Charle-magne (1936), 5 I f . — P. H i n s c h i u s , Kirchenrecht I , 573; A . M a l -n o r y , St. Cesaire, évêque d'Arles (1894), 289 neigen dazu, die unbekann te Größe des Lyoner P r i m a t s mi t dem Auf t r e t en des Pa t r ia rchen t i t e l s zu belegen.

84) E p p . Aust ras . nr . 46, MG. E p p . I I I p . 151; G u n d l a c h , NA. 13 (1888), 387 A n m . 1 denk t an einen Schreibfehler, da nr . 45 „ a d pa t r i a r cam Cons tan t inopo l i t anum" gerichtet ist . Daß der Titel neben dem Mailänder Bischof nicht ohne schwerwiegende Gründe eliminiert werden darf , zeigt die Urkunde d e R u b e i s , Mon. eccl. Aquil. , 347 D, in der Maximian v. R a v e n n a Pa t r i a rch genann t wi rd : Macedonius Episcopus S. Cath . Aquileiensis Ecclesiae (539—557), roga tus depraesent i a Domino F ra t r e meo Beatissimo Viro Maximiano (546—556) Pa t r i a rcha S. Ecclesiae Ravenna t i s e tc . Vgl. H . J . S c h m i d t , H J b . 34 (1913), 732f. Vgl. auch den „ P a t r i a r c h e n " Paul inus von Aquileja J K . 983, NA. 5 (1880), ^541, dessen Ti tu l ierung uns noch beschäf t igen wird. Zum Bit tbr ief Childeberts : L. S c h m i d t , Ostgerm.2 (1941), 607; L. M. H a r t m a n n , Gesch. I ta l iens I I , 1 (1900), 70; R . H o l t z m a n n , Fes tschr . f . Johs . Haller (1941), 116.

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Studien zur Geschichte mit te la l ter l icher Pa t r i a rcha te . 137

politen Sulpicius von Bourges, mit „Patriarch" an und nennt ihn indirekt „primae sedis antistes"85).

Trotz der geringen Zahl der Beispiele und ihrer inneren Verschiedenheit dürfte erhellen, daß der Titel seine Existenz keinesfalls dem Bemühen verdankte, eine obermetropolitane Stellung des koordinierten Bischofs zu kennzeichnen. Der Vorrang des Bischofs von Lyon lag mehr in der Autorität als in Rechten begründet, waren doch auch Nicetius und Priscus Persönlichkeiten, die einen Vergleich zu den Pa-triarchen nahelegten. Celidonius erhält seine Gloriole als scheinbar unschuldiges Opfer des homo impius Hilarius von Arles, dessen Vergehen eben dadurch vergrößert wird, daß er einen „patriarcha venerabilis" mit Waffengewalt aus Amt und Würden getrieben hat. Die Schreiben Childeberts und Desiderius* sind Bittbriefe: die schmeichelhafte Anrede mag nicht mehr als eine captatio benevolentiae sein. Wenn an-dererseits alle diese „Patriarchen" ihrer Stellung nach Metro-politen waren (im Falle Celidonius nur nach Ansicht des Biographen), so wird man den Titel wegen seines vagen Cha-rakters doch nicht als Rangbezeichnung werten dürfen88).

85) Desiderii epp . nr . 12 MG. E p p . I I I p . 200; „ p r i m a sedes" , der ers te Sitz in einem Metropol i tanbezirk (wie in Norda f r ika u n d Spanien), n icht in einem Pr imatssprengel (Pseudoisidor : Ps . -S tephan c. 9 p . 185 u . die dor t als konkordierend angegebenen Stellen). Zu Bourges als p r ima sedes vgl. G. P a r i s e t , De primor-diis Bituricensis pr imat iae (1896) p. 16 n. 2. — Die v i ta des hlg. Des idera tus v. Bourges: Acta SS. Boll. t . 16, maii t . I I p . 300sq. ; P h . L a b b é , Nov. bibl ioth. manuscr . l ibr. t . I I (1657) p. 25sq., die wiederholt ihren Heiligen mit „ p a t r i a r c h a " bet i te l t , ist jüngeren D a t u m s ; P a t r . ist hier n icht mehr als eine Pietätsfloskel, vgl. Diet , de droi t can. I , 927ff . ; bes. P a r i s e t p . 29sq., der Desi-deriusbrief p . 32sq. — Die Bemerkung : (Hildulphus Trevirensis) . . . archiepiscopus, immo pa t r i a rcha in dem von der v i ta Deodat i überl ieferten verfä lschten Exemtionsprivi leg f. St.-Die (Toul), das noch H i n s c h i u s , Kirchenrecht I , 610, N. v. H o n t h e i m , His tor ia Trevirensis dipl. u . p ragm. I (1750) p. 84sq. f o l g e n d e n das 7. J h . verlegt , s t a m m t aus d. 10. J h . : vgl. J . H e y d e n r e i c h , Die Metropoli tangewalt d. E rzb . v . Trier bis auf Baldewin (1938), lOf. u . 137f.

8e) So d e M a r c a p. 67sq. ; d e R u b e i s , Mon. eccl. Aquil.,

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Was das Wort „patriarcha" vor einer schnellen Abstump-fung zu einem in sich neutralen Terminus schützte, war vor allem seine Klangfülle, und aus eben dem gleichen Grunde bot es sich —• prosodisch durch seinen anapästischen Bau begründet — im literarischen Bereich als hochtönender Vo-kativ von selbst an87).

Alle bisher gegebenen Beispiele sind für uns, die wir den Titel als Ausdruck einer Rechtsstellung untersuchen, ohne Belang. Da aber jeder Titel nur äußeres Kennzeichen eines rechtlichen Erscheinungstypus ist, den Gewohnheit oder Ge-

346 C; W. K . L. Z ie g 1er , Versuch einer pragxnat. Gesch. d . kirchl. Verfassungsformen (1798), 363f. Anm. 92; G . J . P l a n c k , Gesch. d. christ , kirchl. Gesellschaftsverf. I (1803), 609 Anm. 13; G u n d l a c h , NA. 14 (1889), 337f. Anm. 5; vorsichtiger schon G. P a r i s e t 1. c. p . 34: . . . sie, q u u m Desiderius Cadurcensis Sulpicium Bitur icensem patr iarchal i nomine adornaba t , non ampl ius quam met ropo l i t anum eum declarabat .

87) Vgl. Aleuin, der Arno v. Salzburg, Angi l ram v. Metz u . R ichbod v. Trier, MG. Poe t . La t . Aev. Car. I p . 261 c. 48, 44; p . 329 c. 102, 1; E p p . I V p. 318, 6 nr . 191 als Pa t r i a rchen pre is t . Richbod wird bezeichnenderweise beim Akademienamen Macha-rius genann t ( H e y d e n r e i c h 17 A n m . 76). Vgl. auch MG. Poe t . L a t . Aevi Car. I p . 330 c. 104, 1; ähnl ich sagt Theodulf v. Or-leans von Aiulf v . Bourges : es patriarchali p r imae prae la tus honore/sedis p. 561 c. 71, 45 (v. F e d o r S c h n e i d e r , NA. 32 [1907], 484f. sicherlich überschätz t , wenn er da r au fh in dem Bischof v. Bourges „ p a t r i a r c h a " als s tändigen Ehren t i t e l zu-schre ib t ; G. P a r i s e t p . 54: nos t ra quidem sentent ia , haud dubi-t a n d u m videtur , quin pa t r ia rchale no men metropol i tani syno-n y m o n sit). Hierher gehör t auch der Vers Gualdos v. Corbie: De solio Romae conf idai episcopus in t e / q u i · · · / auspieiis, patriarcha (Adalb. v . Bremen) , tu is ad tegmina surgit ( L a n g e -b e k SS. rer . Danio. I p . 566) in der W i d m u n g seiner metr i -schen vi ta Anskari i an Adalb. v. Bremen. Danach den Pa t r i -a rcha t sp lan zu dat ieren (vor allem Dehio) ist schon deshalb be-denklich, weil Gualdo Adalber t jederzeit als Pa t r i a rchen an ru fen konn te (vgl. Adam v. Bremen, MG. SS . re r . Germ. 3 ed. S c h m e i d l e r I I I , 29 p. 182, 2; I I I , 1 p. 142, 15; dem t r ä g t schon P . L a m b e -c i u s , Orig. H a m b u r g . [1706] p. 239 zu Gualdos ν . 154 Rechnung) . Mit welcher H ä r t e der bloße Vokat iv neben dem Terminus s tehen kann , zeigen ζ. B. Adam I I I , 39 p. 182, l s q . und Benzo v. Alba, MG. SS. X I p. 629, 33.

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Studien zur Geschichte mit te lal ter l icher Pa t r i a rcha te . 139

setz in seiner Struktur festgelegt haben, hieße es, den Namen für die Sache gelten zu lassen, wollten wir in unserer Unter-suchung in dem Punkte fortfahren, da „patriarcha" an eine hierarchische Institution gebunden wird (Pseudoisidor). Eine ähnliche oder gleiche Einrichtung könnte unter anderem Namen schon vorher bestanden haben. Deshalb sollen alle Orte, deren Bischöfe eine den Metropoliten übergeordnete Stellung innehatten, auf die Form ihrer Suprematie hin ge-prüft werden88).

Karthago . In den kirchlichen Provinzen Nordafrikas89) hatte sich der

Brauch erhalten, daß die Metropolitanwürde nicht fest an einen Bischofssitz gebunden war — im übrigen Imperium meist die weltliche Hauptstadt —, sondern der älteste Bischof „secundum tempus suae ordinationis" das Amt eines kirch-lichen Metropoliten bekleidete90). Der ständige Wechsel der Metropolitanwürde war hier nicht, wie in Gallien91), Uber-gangsstadium. Er findet sich auch noch später im Hoch-mittelalter92). Der kirchliche Metropolit führte meist den

88) Siehe oben S. 114. 89) Vgl. H . L e c l e r q , Die t . d 'Archéol . chré t . et de Liturgie I ,

582f . ; A. v. H a r n a c k , Mission4 , 887f. ; A. S c h w a r z e , Unte r -suchungen über die äußere Entwick lung der af r ikanischen Kirche (1892), bes. 18f. ; R . H ö s l i n g e r , Die alte a f r . Kirche im Lichte der Kirchenrechtsforschung nach kul turhis tor ischer Methode (1935), dazu die Raz. von S t e i n w e n t e r , Z R G . K a n . Abt . X X V I (1937), 509f. ; eine Prosopographie des a f r . Ep i skopa t s zur Zeit Cyprians br ingt H. v . S o d e n , QFIAB. X I I (1909), 247ff. ; die Liste se lbs t : 266f.

90) H i n s c h i u s , Kirchenrecht I , 581; C a s p a r , P a p s t t u m I , 289f . ; H ö s l i n g e r 31 f. Wahrscheinl ich ha t sich später eine gewisse Autor i t ä t so rdnung der Orte herausgebi lde t : J E . 1141 Greg. I . Reg. I , 72 MG. E p p . I p . 92, 12sq.

91) Lsont ius wird 445 als „ae t a t e p r i m a s " fü r Hilarius v. Arles eingesetzt ( J K . 407); Constant ius v. Uzès (aevo honoris pr imas) f ü r He rmes v. Na rbonne ( J K . 555).

92) Leo I X . J L . 4305: P L . 143, 731. Gummi t anus ist nicht der Name eines Bischofs, sondern, wie L. d e M a s - L a t r i e , BECh. 54 (1883), 72 f. nachgewiesen ha t , das von einem Or t snamen abge-leitete Adjek t iv . Näheres siehe un ten S. 142 Anm. 100.

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140 Hors t F u h r m a n n ,

Titel eines senex, primas oder primae sedis episcopus93). Ihm stand das Recht zu, Provinzialsynoden einzuberufen94), deren Beschlüsse allerdings der Bestätigung des Bischofs von Karthago bedurften, und für reisende Kleriker litterae for-matae auszustellen95).

Die oberste Jurisdiktion hatte der Bischof von Karthago. Er berief die Generalkonzilien ein und führte den Vorsitz während der Verhandlung. Entstand Streit um die Einsetzung eines Metropoliten, hatte er das Recht der Entscheidung. Schließlich durfte er im Bereich der gesamten nordafrikani-schen Kirche auf Wunsch der Gemeinden Bischöfe wie Priester ordinieren96).

Die kirchliche Organisation Nordafrikas mit Karthago als Summepiskopat, die rein ihrer Struktur nach sehr wohl Vor-bild für den abendländischen Patriarchat hätte sein können, wirkte nicht unmittelbar auf den übrigen Westen, sondern nur über die Kanones ihrer Konzilien97). Diese bekamen aller-dings durch die subjektive Auslegung ihrer Interpreten oft

93) senex : August in ep. 22 CSEL. 34, 1 p. 62, 3; ep. 108 44 p. 34, 4; ep. 141 44 p . 235, 2; ep. 196 57 p. 216, 6; ep. 209 57 p. 348, 23 u. 29. p r i m a s : Victor Ton. (a. 551—552) chron. min . I I MG. AA. X I p . 202; Greg. I . Reg. I , 72 MG. E p p . I p . 92; I , 75 p . 95. episcopus pr imae sedis: E . D i e h l , Inscr ip t . La t . Christ . Vet . nr . 1109; vgl. E . L e s n e , La hiérarch. épisc., 231f . ; Diet , de droi t can. s. v . Afr ique I I , 1 t . I , 293f. E . S c h e l s t r a t e , Ecclesia Afri-cana sub p r ima te Carthaginiensi (1679) diss. I c. I V p . 20sq.

94) Vgl. den aufschlußreichen Brief Augustine ep. 59 CSEL. 34, 2 p. 219sq.

96) Zu den l i t terae f o r m a t a e vgl. Cl. F a b r i c i u s , Die Li t te rae F o r m a t a e im F r ü h m a . A U F . 9 (1926), 77f. Die du rchge führ t e Scheidung der fo rma tae von den communica tor iae (54f.) ist zu scharf (Hilarius v . Poit iers , CSEL. 65 his t . f r ag . p . 130, 7 u . P L . 56, 708 A).

96) K a r t h a g . Konzil ( I I I . ) v . J . 397 (Hispana : conc. Car th . I I I c. 45 PL. 84, 196sq.; Dion. E x . conc. Car th . a . 419 c. 55 P L . 67, 199A). Zur Rekons t ruk t ion des Konzils vgl. M a a ß e n , Quellen 154 f.

" ) Die pseudoisid. Fälscher haben bei der Ausbi ldung ihrer Pa t r ia rchenf ik t ion besonders auf zwei Kanones zurückgegriffen: 1. conc. Car th . a . 419 c. 19 (c. 7 conc. Car th . I I I . a . 397); 2. conc. Afric. c. 6 (c. 26 conc. cit.). Siehe Anm. 98 u. 99.

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Studien zur Gaschichte mittelalterlicher Pa t r ia rcha te . 141

einen völlig anderen Sinn98). So hat Pseudoisidor von hier den bei ihm ständig wiederkehrenden Satz : primates . . . qui

98) Als typisches Beispiel sei c. 7 conc. Carth . I I I . (a. 397) ge-nannt , das als c. 19 conc. Carth. (a. 419) von Dionysius Ex . über-nommen (PL. 67, 190A) über die Dionysio-Hadriana (J . H a r t z -h e i m , Concilia Germaniae I [1759] p. 202) den pseudoisid. Fäl-schern überliefert wurde : Quisquís episcoporum accusatur , ad primates (D.-H.: ad pr imatem, doch eine Kölner Hs. auch : ad pr imates) ipsius provinciae causam deferat accusator. Bene-dictus Levi ta I I I , 156 MG. LL. I I , 2 p. 112: Si quis epis-coporum accusatur, ad summos pr imates causam deferat accusator. Das At t r ibu t summos soll offensichtlich eine Gruppe Pr imaten charakterisieren, höheren Ranges als die gewöhnlichen, d. h. als die Metropoliten, denn im Einklang mit dem Sprachgebrauch der a f r . Kirche waren die Pr imaten der Vorlage ohne Unterschied schlichte Metropoliten (siehe oben S. 140 Anm. 93). Was aber sind die „summi pr imates" Î Sie müssen einerseits, wenn auch herausgehoben, zu den metropoli tani zählen (vgl. un ten die Rubrik) , weshalb die Exarchen ausscheiden, und andererseits, t rotz ihrer höheren Stellung, mit dem Pr imatennamen als gängiger Bezeich-nung faßbar sein. Das läßt nicht an Vikare denken. Beide Voraus-setzungen erfüllen prägnant die pseudoisid. Pr imaten , mi t denen sich Ben. Lev. — selbst zur pseudoisid. Fälschergruppe gehörend — schon anfänglich durchaus ver t rau t zeigt. Die metropoli tani der a f r . Provinzen sind durch das interpolierte summos und das gestrichene (primates) „ipsius provinciae" zu Pr imaten späterer, pseudoisid. Art avancier t . Nun findet auch der „ t ex t f remde glossenähnliche Pas sus" der Rubr ik (E. S e c k e l , NA. 39 [1914], 385; J u n c k e r , ZRG. Kan . Abt . X X I V [1935], 21) eine Er-k lärung: (De episcopis non accusandis nisi ad summos primates) quia non omnes metropolitani summi sunt primates. H a t t e der Text eine unkomment ier te Veränderung durch den Einschub von summos erfahren, dann war Ben. Lev. zumindest in der Rubr ik dem Leser Rechenschaf t schuldig, was die „summi p r ima tes" eigentlich sind, denn im Text des Mainzer Leviten mußte der Leser den „summi p r imates" zum ersten und einzigen Male be-gegnen. Ben. t rug die Erk lärung nach — in recht unglücklicher Weise. Und noch ein weiterer Schluß bietet sich an. Die Rubrik-interpolation quia non etc. ist ohne den Kapiteleinschub summos überflüssig, wie umgekehr t die Kapitel interpolat ion ohne den Zusatz in der Rubr ik unverständlich bleibt. Beide bedingen sich gegenseitig, sind also wahrscheinlich zur gleichen Zeit in den Text gekommen und zwar erst nach Formulierung der Rubr ik ; sonst wäre der Satz quia non etc. logisch und nicht „ t e x t f r e m d "

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142 Hors t F u h r m a n n ,

primas sedes tenent, wobei unter einer prima sedes nicht mehr die jeweilige Metropole zu verstehen ist, sondern der Sitz eines über mehreren Provinzen stehenden Primas"). Die Aus-legung Pseudoisidors hatte sich damit soweit vom ursprüng-lichen Sinn gelöst, daß von dem für die nordafrikanische Kirche Typischen nichts mehr zu spüren ist100).

eingebaut . Sollte eine Überarbe i tung s t a t t ge funden haben zu dem Zweck, noch die pseudoisidorische Pr imatendef in i t ion in den schon s tehenden Text einzuschmuggeln ? — Die capi t . Angi l ramni vari ieren den Satz (c. 4 : Decr. Pseudoisid. et capi t . Angi l ramni . Ree. P . H i n s c h i u s p . 7 5 8 ) : Si quis episcopus . . . fuer i t accusa tus . . . t unc ad summos pr imates causa eius canonice defe ra tu r . Die Formul ie rung der capi t . Angilr. s teh t dem a f r . Original en t -schieden ferner als die des Ben. Lev. Die Frage nach einer even-tuellen gegenseitigen Abhängigkei t kann also nur so bean twor t e t werden, daß wohl c. 4 der capi t . Angilr. von I I I , 156 der falschen Kapi tu la r i en Benedikts genommen sein kann , k a u m aber umge-keh r t . Zu diesem Ergebnis waren auch S e c k e l und J u n c k e r gekommen : Z R G . K a n . Abt . X X I I I (1934), 358, 362f. I m Wor t -lau t des c. 4 der capi t . Angilr. ist der Satz schließlich dem Korpus der Falschen Dekre ta len einverleibt worden: Ps.-Felix I pp . c. 9 p. 201 (u. die als konkordierend angegebenen Stellen).

" ) Grundlegend fü r die En t s t ehungs - und Überl ieferungs-geschichte dieses pseudoisid. Formelsatzes sind die minuziösen Unte r suchungen von S e c k e l - J u n c k e r , Z R G . K a n . Abt . X X I I I (1934), 358 u . bes. X X I V (1935), 18f. Danach ha t der Re-dak to r der Hisp . Gall. Augustodunensis conc. Car th . V c. 10 u n d c. 6 conc. Afric. kompil ier t , daneben aber auch entscheidende eigene Zusätze gewagt .

10°) Der Unterschied zwischen dem a f r . P r imas und dem in der spä te ren Terminologie üblich gewordenen war t ro tzdem dem Hochmi t te la l te r n icht u n b e k a n n t ; vgl. J L . 4304, J L . 4305, die A. M i c h e l , Die Sentenzen des Kard ina l H u m b e r t (1943) E x k u r s I , 185f. durch Stilvergleich als humber t i sch erwiesen ha t . Beachte M a n s i X I X , 660: Nach dem Zi ta t von Ps.-Clemens c. 28 p. 39 heißt es : sed de Africae p r ima t ibus ali ter intel legendum est, quia in singulis eius provineiis an t iqu i tus pr imates ins t i tueban tur , non secundum po ten t i am alieuius civi tat is sed secundum tempus suae ordinationis. D a n n folgt c. 26 conc. Car th . I I I . : pr imae sedis episcopus non appel le tur princeps sacerdotum etc. ( H i n s c h i u s p . 298).

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Studien zur Geschichte mit telal ter l icher Pa t r i a rcha te . 143

Toledo.

Als die Westgoten seßhaft wurden, formte sich ihre Stam-meskirche allmählich zu einer Landes- und Staatskirche um. Die neuen Grenzen schlossen Arianer und Katholiken zu einem politischen Verband zusammen101). Bindeglied zwischen beiden Religionsgruppen war die Person des Königs. Hier interessiert uns nur der König in seiner Stellung zur ariani-schen Staatskirche102). Wie der germanische König immer in Kult und Religion eine wichtige Rolle gespielt hat, so konnte auch der Westgotenherrscher tief in die kirchliche Organisation eingreifen. Er setzte Bischöfe ein103), rief Reichs-konzilien zusammen104) und ordnete das Kirchengut105). Seine Gesetze gestanden den Bischöfen gewisse richterliche Funk-tionen zu, so etwa das Recht, einen parteiischen judex, einem Gericht zu übergeben. Durch den König wurde auch das Verhältnis zu den unterworfenen Katholiken geregelt. Neben seiner auch im kirchlichen Leben wirkenden Autorität war für einen Primas kein Raum.

101) Mit der konfessionellen Spal tung war die völkische iden-tisch. Vgl. Η . v. S c h u b e r t , Die christl . Kirche i. F r ü h m a . (1921), 174f.; K . V o i g t , S taa t und Kirche von Kons t an t i n d. Gr. b . z. Ende d. Karolingerzei t (1936), 129f.

102) V o i g t 118f.; F . D a h n , Gesch. d. germ. Könige VI (1871), 367f . ; L . S c h m i d t , Os tgermanen 2 (1934), 523; v . S c h u b e r t , S t aa t und Kirche in den ar ian. Königreichen (1912); F r . H e i l e r , Altkirchliche Autonomie und päpst l icher Zentra l ismus (1941), 54f.

103) v . S c h u b e r t , S taa t und Kirche 93f . ; abschwächend V o i g t 119, doch vgl. 135.

104) Johannes v. Biclaro MG. AA. X I p. 216, 4: Leovegildus rex in u rbem Tole tanam synodum episcoporum sectae Arr ianae congregat . Daneben gab der König selbstverständl ich auch die Zus t immung f ü r k a t h . Konzilien. Vgl. Agde (a. 506) „ex permissu regis" M a n s i VI I , 835; Isidor ν . Sevilla, Hist . Goth. 41 MG. AA. X I p. 283,24sq. :Theudis . . . pacem . . . concessit ecclesiae (scil. or thodoxae) , adeo u t l icentiam catholicis episcopis dare t in u n u m a p u d Tole tanam urbem convenire.

ios) Vgl. V o i g t 121f., der 128 mit Rech t darauf hinweist , daß manche Gesetze der Lex. R o m . Vis. auch fü r den arianisohen Klerus Geltung gehabt haben müssen, da sonst die katholische Kirche mehr begünst igt worden wäre als die arianische.

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144 Hors t F u h r m a n n ,

Die Bekehrung zum Katholizismus änderte zunächst wenig an diesem Zustand. König Rekkared, der Sohn des strengen Arianers Leovigild, berief ein Konzil in Toledo ein und bewog nach einem kurzen Religionsgespräch den größten Teil der anwesenden arianischen Bischöfe, seinem Beispiel als Kon-vertit zu folgen106). Das Vorbild des Königs war auch hier entscheidend107). Seine Stellung war in katholischer Zeit da-durch erleichtert, daß es in seinem Lande nunmehr nur eine Konfession gab und die unseligen Gegensätze zwischen Arianern und Orthodoxen aufgehoben waren. Der König hatte weiterhin Anteil an der Bischofswahl108), mag sich auch später der Episkopat gegen die Ernennung eines Bischofs durch den König gesträubt haben109). Er berief Reichskonzilien ein und gab vor dem Konzil oder während desselben seine Meinung persönlich oder durch einen „tomus" kund110). Bald allerdings verschoben sich die Verhältnisse zu Ungunsten des Königstums, das, von den weltlichen Großen bedrängt, bei der Kirche Rückhalt suchte. Die kirchlichen

Johannes v. Biclaro, MG. AA. X I p. 219; P . B . G a m s , Kirchengesch. v . Spanien I I , 2 (1874), 7; K . D . S c h m i d t , Die Bekehrung der Ostgermanen z. Chr is ten tum (1939), 308f. ; v . S c h u b e r t , F r ü h m a . , 1 7 5 f . ; H . - E . G i e s e c k e , Die Ostgermanen u n d der Ar ianismus (1939), U l f . ; F . G ö r r e s , Z. f. wissensch. Theol . 42 (1899), 270ff. Der König war schon vorher kathol isch geworden (p. 218 nr . 5), nach einem von ihm , , rat ione po t ius q u a m imper io" abgehal tenen Religionsgespräch. Gregor v. Tours , His t . F ranc . I X , 15 MG. SS. rer . Merov. I a p . 429. Z a c . G a r e . V i l l a d a , H i s t , ecclesiast. de E s p a ñ a I I , 1 (1931), 60ff.

1 0 ' ) Über die arianische Reak t ion vgl. F . G ö r r e s , Bei tr . z. Gesch. d . Vorma.s, Z. f. wissensch. Theol. 41 (1898), 88f.

108) Zum folgenden bes. V o i g t 134f. ; D a h n VI, 402f . ; F . G ö r r e s , Der span.-westgot . Ep i skopa t u. d . röm. P a p s t t u m , Z. f. wissensch. Theol. 45 (1902), 47. Braulio schreibt an Is idor (Isid. epp . X I I ) P L . 83, 913: et hoc filio tuo nostro domino suggéras, u t u t i lem illi loco (Tarragona) praeficiat . Vgl. a. d. Briefe Sis ibuths : E p p . Wisig. n r . 2 u. 7 MG. E p p . I l l p . 662, 668.

l0») Cone. Tolet . I V can. 19; V o i g t 136f. 110) Zur Frage , ob der Gebrauch des „ t o m u s " die Anwesenheit

des Königs ausschließt , vgl. D a h n VI, 434f . ; V o i g t 138f.

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Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate. 145

Reichskonzilien erwarben Einfluß auf weltliche Angelegen-heiten. Ihre Beschlüsse hatten Gesetzeskraft 1 1 1) .

Der so of t erwähnte Vorrang Toledos ist jüngeren Datums . Weder die Durchführung der Konzilien noch die Unter-schriften berechtigen1 1 2), schon für die Frühzeit eine besondere Führerstellung des Bischofs von Toledo im Sinne eines Landespr imats anzunehmen 1 1 3) . Wohl wurde seine Autorität oder vielmehr die seines Sitzes als Residenzstadt respek-tiert 1 1 4) , doch sein Pr imat über die übrigen spanischen

n l ) D a h n VI, 447f.; Voig t 138f. u 2 ) Es ist bszeichnend, daß bis 681 auf den Nationalkonzilien

immer der weihälteste Metropolit als erster unterschrieb: a. 589 Mausona v. Merida, M a n s i I X , 977; a. 633 Isidor ν. Sevilla X , 641 ; a. 636 Eugenius ν. Toledo (obwohl in demselben Jahre ordiniert; doch war kein anderer Metropolit anwesend) X , 656; a . 638 Sila v. Narbonne X , 370; Orontius v. Merida X , 770; a. 653 Orontius v. Merida X , 1222; a. 656 Eugenius II . v. Toledo XI , 31. Nach 681 endlich findet sich die Unterschrift des Tole-daners an erster Stelle ( M a n s i XI , 1039). Zu den Synoden im ein-zelnen vgl. F . G ö r r e s , B E . 3 19, 817f. Toletanum X I V a. 684 ist übrigens eine Provinzialsynode. M a n s i X I , 1087: . . . ut, quia . . . generale concilium varia adversitatum incursio non sineret, saltim adunata per provincias concilia fierent. Danach ist G ö r r e s , R E . 193, 823, 38 zu berichtigen.

113) G ö r r e s , Z. f. wissensch. Theol. 45 (1902) 47 u. 62; F r . H e i -l e r , Kirchliche Autonomie, 54 Anm. 27; C a s p a r II , 670 Anm. 1. fußend auf Braulio ep. 36 (PL. 80, 681): Domino singulariter meo Eugenio primati episcoporum Braulio, meinen, daß durch „pr imas" die hohe Stellung des Bischofs von Toledo ausgedrückt werden solle. Der Genitiv ist natürlich nur definitiv (im Kontrast zu den weltl. „primates" vgl. Leges Visigoth. MG. 11. I, 1: III , 1, 5; VI, 1, 2; IX , 2, 9), wie Julian selbst noch 683 mit metropolitanus episcoporum unterschreibt. „Pr imas" bedeutet auch in dieser Zeit noch „metropolitanus". Vgl. Idalius v. Barcelona: Toletanae primae sedis episcopo PL. 96, 457 u. 815 sq. u. Narbonensis primae sedis episcopo PL. 96, 818. In den von Görres und Dahn für un-echt gehaltenen Beschlüssen aus d. J . 610: M a n s i X , 510:primatus ecclesiae Toletanae (über die gesamte Carthaginensis) . Vita Ju-liani c. IV PL. 96: Iulianus praefatae urbis est unctus primatu. Konzil v. Braga can. 6 ( H i n s c h i u s p. 423): . . . conservato metro-politani episcopi primatu . . . — Aus „pr imas" lassen sich keine Schlüsse ziehen.

114) Wie can. 6 des VII. Toletanums (a. 646) zeigt, M a n s i X , 10 Zeitschrift für Rechtsgeschichte. L X X . Kan. Abt. X X X I X .

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146 Horst Fuhrmann,

Bischöfe datiert erst vom XII. Toletanum (681), als Julian von Toledo seinen Judaslohn für den Verrat an Wamba er-hielt115). Ihm wurde das Recht zugesprochen, alle spanischen Bischofskandidaten auf ihre Eignung zu prüfen und sie da-nach ordinieren zu dürfen. Binnen drei Monaten hatte sich der Ordinierte bei seinem Metropoliten zu melden, der ihn in sein Amt einwies. War damit die Grundlage für den weiteren Ausbau eines Primats von Toledo gelegt, so fehlte in der Folgezeit ein Mann von dem Format Julians. Es schlug der Kirche von Toledo nicht gerade zu ihrem Vorteil aus, daß Julians Nachfolger, Sisbert, einer Verschwörung gegen den König beschuldigt wurde und, seiner Würde ent-kleidet, außer Landes gehen mußte116). Jeder weiteren Ent-wicklung setzte der Arabersturm ein Ende. Vierhundert Jahre sollte es dauern, bis der Primat von Toledo in anderer Form wieder auflebte.

Bedingt durch die periphere Lage des Westgotenreiches und die nur lose Verbindung mit Rom fand der Primat von To-ledo in seiner Form keinen Erben. Zwar haben sich mit der Hispana117) und ihrer gallischen Umarbeitung bis zur Augusto-

770: Id etiam placuit, ut pro reverentia principie ac regiae sedis honore vel metropolitani civitatis ipsius consolatione, convicini Toletanae sedis episcopi, iuxta quod eiusdem pontificie admoni-tionem acceperint, singulis per annum mensibus eadem in urbe debeant commorari messivis tarnen ac vindeminalibus feriis relaxatis. Vgl. G ö r r e s , RE. 3 19, 821, 57f. (Ders . , Z. f. wissensch. Theol. 45 [1902], 71f.); D a h n VI, 460f.; G a m s II, 2, 125f.; H e f e l e , Conciliengesch. I I I 2 (1877), 96; M a g n i n , L'église Wisigothique au V I I e siècle (1912), 97f.; Zac . Gare . V i l l a d a , Hist, ecclesiast. de España II, 1 (1931), 205.

115> Can. 6 M a n s i XI,1033; F. G ö r r e s , Der Primas Julian v. Toledo, Z. f. wissensch. Theol. 46 (1903), 535f.; D a h n VI, 480; H. L e c l e r c q , L'Espagne chrétienne (1906), 335f.; G a m s II, 2, 215f.; M a g n i n 98; Zac . G a r e . V i l l a d a , Hist, ecclesiast. de España II, 2, 129ff.

11β) Toletanum X V I a. 693; can. 9: M a n s i XII , 76. 117) Über sie vgl. M a a ß e n , Quellen 671f. Neuerdings ver-

suchte Tarré zu beweisen, daß die Hispana aus der schon von Duchesne stark herausgestrichenen Arier Schule stamme; da-gegen S c h w a r t z , Acta II, 4 p. V i l l i ; P. F o u r n i e r - G. Le B r a s ,

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dunensis Kanones der spanischen Konzilien hinübergerettet, fanden auch in der pseudoisidorischen Fälschung ihren Platz, aber sie sind nicht für die Ausbildung eines anderen Primats tragend geworden. Isidor Mercator hat für die Konstruktion seines Patriarchats-Primats in den Falschen Dekretalen nicht einen Konzilsbeschluß herangezogen und in seinem Sinne umgeformt, geschweige denn wörtlich zitiert.

Arles .

Die Geschichte des Primats von Arles, der nach Aussage verschiedener Forscher Vorlage für den pseudoisidorischen Primat-Patriarchat gewesen sein soll, enthält ein besonderes Problem. Nicht nur der Frage nach seiner Größe und dem rechtlichen Umfang, die ja das Bestehen eines Primats nicht in Zweifel zieht, traten verschiedene Antworten entgegen, ein Vorrang des Bischofs von Arles in der ersten Hälfte des 5. Jh.s wurde grundsätzlich abgestritten. Ursache dieser Meinungsverschiedenheit sind die verwickelten Diözesanver-hältnisse Arles', die auch von einer knappen Untersuchung des Arier Primats das Einbeziehen der Geschichte der Arier Kirchenprovinz als notwendiges Komplementär fordern. —

Aus einer kleinen Siedlung auf dem linken Rhoneufer war Arles dank kaiserlicher Fürsorge118) eine große Stadt ge-

Histoire des Collections Can. en Occident depuis les Fausses Décrétales jusqu'au decret de Gratien I (1931), 67. Vgl. H. W u r m , Stud. u. Texte zur Dekretalensmlg. d. Dionysius Ex., Kan. Stud, u. Texte Bd. 16 (1939), 142fí.; Zac . Gare . V i l l a d a , II, 1, 205f.; W. M. Peitz will die Hispana als Produkt des Dion. Ex. erweisen. Vgl. die Voranzeige durch J. G. E b e r s , Festschr. Karl Haff (1950), 46f.

118) Aus dem 4. u. 5. Jh. stammen die meisten archäolog. Funde : CIL. X I I p. 83—124, bes. O. H i r s c h f e l d s Einl. p. 83—87; H. L e c l e r c q , Diet. d'Archéol. et de Liturgie s. v. I, 2889f.; C . F . A r n o l d , BE. 3 2, 56f . ; Konstantin d. Gr. u. Arles: Cod. Just. I, 21, 2; cod. Theod. VIII , 7, 2; dazu N. H. B a y n e s , Cambr. Anc. Hist. X I I (1939), 691; C. F. A r n o l d , Caesarius von Arelate und die gall. Kirche seiner Zeit (1894), 70f. Die wichtige Rolle der Kaiser unterstreicht der Bittbrief der „südgallischen" Bischöfe, MG. Epp. III p. 19, 11 sq. 10*

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148 Hors t F u h r m a n n ,

worden, die sich durch ihre gesicherte Lage für die Aufnahme der praefectura praet. Gall, empfahl, als gegen 400 Trier, der alte Sitz des Präfekten, immer stärker werdendem Ger-manendruck ausgesetzt war. Das genaue Jahr der Verlegung der gallischen Verwaltungszentrale ist unbekannt119). Doch wichtiger als eine präzise Datierung muß uns die dadurch gegebene Konstellation sein. Obwohl Sitz des gallischen Prä-fekten, war nicht Arelate, sondern Vienna Metropole der gleichnamigen Provinz120). Und gerade zu jener Zeit ver-suchte man, Südgallien in starker Anlehnung an die bestehen-den politischen Grenzen kirchlich zu organisieren121), was bei den durch Tradition erhärteten Reservatrechten verschiedener Bischöfe nicht immer einfach war. Das deutliche Bemühen, einen gerechten Ausgleich zu finden, zeigt das wegen der fehlenden Konsulnamen zeitlich nicht genau festzulegende Konzil von Turin122). Procul von Marseille, dessen Sitz also in der Viennensis lag, wurde das schon immer geübte Ordinations -recht über Narbonensis II. zugestanden, allerdings nur „in diem vitae eius", wie die Synodalväter ausdrücklich beton-

119) Nach Z e l l e r u m 400: Die Zeit der Verlegung der p raef . p r ae t . Gall, von Trier nach Arles, W e s t d t . Ζ. X X I I I (1904), 91 f., bes. 100; D e r s . , W e s t d t . Ζ. X X I V (1905), 4 f . ; H . N e s s e l h a u f , Die spä t röm. Verwal tung d. gall .-germ. Länder , Abh . Beri. 1938 nr . 2, 33 Anm. 3 spr icht sich f ü r das J a h r 395 aus, weil die Zurück-n a h m e der P r ä f e k t u r in ursächl ichem Zusammenhang mit der Verlegung der Residenz nach Oberital ien s tände .

120) Vgl. die no t . Gall. MG. AA. I X p . 559 u. 600. m ) Zur Christ ianisierung u . Organisat ion Südgall iens: L. D u -

c h e s n e , Fas tes épiscopaux de l 'ancienne Gaule I a (1907), 39f. , dagegen A. v. H a r n a c k , Mission4 , 464f. u . 872f. Vgl. A. H a u c k , Kirchengesch. Deutschlands , I 3 / 4 (1922), 36f . ; E . L ö n i n g , Gesch. d . d t . Ki rchenr . I (1878), 9f . Nach K . M ü l l e r , Z. f. n t . Wissen-sch. 28 (1929), 296f. h a t „Arela te seinen ers ten Bischof durch R o m b e k o m m e n " . Vgl. J K . 328.

122) Gegen E . Ch. B a b u t , Le concile de Tur in (1904), der von zwei Synoden spricht , von denen die eine 404—407, die andere 417 s t a t t ge funden haben soll (ebenso E . S t e i n , Gesch. d. spä t -röm. Reiches [ 1928], 411 ), wendet sich D u c h e s n e , R H . L X X X V I I (1905), 278f., dazu B a b u t , R H . L X X X V I I I (1905), 57f. ; H e f e l e -L e c l e r c q , Histoire des conciles I I , 1 (1908), 130f.

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ten123). Den Bischöfen von Vienne und Arles, die als Rivalen um die Ehre eines Metropoliten der Viennensis stritten, gaben sie den Bescheid, daß derjenige diesen Rang beanspruchen dürfte, der nachweisen könnte, daß seine Stadt die Metro-pole sei124) : ein deutlicher Niederschlag des eigenartigen Ver-hältnisses zwischen Arles und Vienne.

Dem Dilemma wurde wenige Jahre später (417) durch ein Privileg des Papstes Zosimus an Patroklus von Arles ein Ende gesetzt. Patroklus hatte es nämlich verstanden, die Freundschaft des magister utriusque militiae Konstantius, des späteren Mitregenten des Honorius, der damals gerade in Gallien weilte, zu gewinnen125). 417 war Konstantius, der

123) Can. 1 M a n s i I I I , 860, j e tz t B a b u t , Le concile de Tur in , 223f. Vgl. H . B a r i o n , Das f ränkisch-deutsche Synodalrecht des F r ü h m a . s , K a n . S tud . U. Tex te 5—6 (1931), 13 Anm. 28; W . V ö l -k e r , Studien z. päps t l . Vikar ia tspol i t ik i. 5. J h . I . Die Gründung d. P r i m a t s v. Arles u. seine Aufhebung durch Leo I. , Z K G . 46 (1928), 355ff. ; C a s p a r I , 287f. ; H . J . S c h m i t z , Der Vikariat von Arles, H J b . 12 (1891), 22f . ; H a u c k I , 39f . ; L ö n i n g I , 369f.

124) Can. 2: B a b u t , Le concile, 226; „ m e t r o p o l i m " sicherlich weltliche Metropole, schon weil das Konzil weitgehend auf die s t aa t l . Verwal tung zurückgrei f t , was S c h m i t z , H J b . 12 (1891), 22f. mi t Rech t hervorhebt . Dieser Meinung war auch schon die ä l tere Forschung (de Marca, E . Schelstrate, ν . Espen , Ch. F leury u . a.). Daß Arles auch im s taa t l . Bereich als eine Ar t „metropoli-t a n a u r b s " galt , zeigt die const . Honori i et Theodosii : MG. Epp . I I I p . 14, 4sq. Vgl. Z e l l e r , Wes td . Ζ. X X I I I (1904), 96; L ö n i n g I , 370; G u n d l a c h , NA. 15 (1890), 236. F ü r „kirchliche Met ropo le" plädieren H a u c k I , 40Anm. 1 ; C a s p a r I, 289; B a r i o n 13 Anm. 28Ï

12E) Prosper Tiro nr . 1247 MG. AA. I X p. 466: eodem tempore (Gothi rege Athaul fo Gallias ingressi) Heros . . . a populo . . . pulsus est inque eius locum Pat roc lus ord ina tus amicus et familiaris Constant i i magis t r i mi l i tum, cuius per ipsum gra t ia quae reba tu r , eaque res (quae res : Labbé) inter episcopos regionis illius magna-r u m discordiarUm mater ia (causa: L) fu i t . L ö n i n g I , 465; S e e c k , R E . (PW.) IV, 1100: S t e i n 411; C a s p a r I , 345; H a l l e r I , 99 nehmen an , daß Kons t an t i u s seinen F reund Pa t rok lus als Bischof von Arles h a t einsetzen lassen und übersetzen wohl im Sinne Caspars : cuius per ipsum etc. „zu dessen Gunst m a n durch ihn (Pat roklus) ge lang te" . — Zunächst verdient fes tgehal ten zu werden, daß Prosper Tiro die Ver t re ibung des Heros wie die Ein-

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sich nach Beseitigung des afrikanischen Rebellen Heraklius als zweiter Mann im Staate fühlen durfte, Konsul geworden, und nicht zuletzt wird es sein Wort gewesen sein126), was den eben erst gewählten und nicht gerade willensstarken Papst127) bewogen hat, dem Arier Bischof eine derartige Rechtsfülle zu verbriefen128).

Alle gallischen Kleriker, die nach Rom oder überhaupt in ein anderes Land zu gehen beabsichtigten, sollten sich

setzung des Pa t rok lus (vgl. J K . 331 coli. Avell. ep. 46 CSEL. 35 p. 104 u n d J K . 330 coll . .Avell . ep. 45 p . 100) f ü r das J a h r 412 überl iefert , als die Goten das südgall . Gebiet überf lu te t h a t t e n Und Kons tan t in s wahrscheinlich mi t den a f r . Angelegenheiten (cod. Theod . V I I , 18, 17; dem widerspr icht n icht die doch n u r summarische Be t r ach tung Orosius V I I , 42, 15) beschäf t ig t war . Des wei teren soll es Prosper e rwähnenswer t finden, , ,daß m a n über Pa t rok lus die Gunst des Kons tan t in s e r lang te" . Wieso gab dieses Anlaß zu großen Strei t igkeiten gerade Unter Bischöfen u n d zwar n u r Bischöfen jenes Gebietes ? Man wird zugeben, daß mi t mindestens ebensoviel Berecht igung überse tz t werden kann : Dessen (des Kons tan t ius ) Gunst durch ihn selbst (durch Pa t roklus , ipsum!) gesucht wurde . Als F r e u n d u n d Schützling des Kons tan -t ius (amicus e t famil iar is ein d ic tum ex even tu) genoß Pa t rok lus Vorteile (vgl. auch MG. E p p . I I I p . 14, 37sq.), die ihm andere Bischöfe — Procul von Marseille u n d Simplicius von Vienne, die benachteil igt wurden — neideten (res inter episcopos illius re-gionis etc.). Prosper Tiros Nachr ich t ist ein l i terarischer Nieder-schlag des Kampfes , den Pa t rok lus f ü h r e n muß te , u m die ihm von R o m un te r der Au to r i t ä t des Kons tan t iu s zugesprochenen Metro-pol i tanrechte durchzudrücken .

12β) Kons t an t i u s zeigte f ü r kirchliche Angelegenheiten ein reges Interesse . Vgl. die Mission des Marcellinus Oros. V I I , 16—17; Verbannung des Eulal ius coli. Avell. epp . 29—32; Donat i s ten-gesetze: cod. Theod. X V I , 5, 54; X V I , 5, 55; X V I , 10, 20; Prosper n r . 1265 MG. AA. I X p. 468; O. S e e c k , Gesch. d . Unte rgangs d. a n t . Wel t V I (1920), 41; E . S t e i n 413.

127) Gegen W . V ö l k e r , Z K G . 46 (1928), 355f., der in Zosi-mus einen zielbewußten u n d energischen Ki rchenfür s t en sehen will, mi t Rech t C a s p a r , P a p s t t u m I , 345f. ; H a l l e r , Paps t -t u m Ί , 476. Wie Leo I . über das Arier Privileg ur tei l te , zeigt J K . 407 P L . 54, 632 Β : . . . quid u s u r p â t (Hilarius) cum et ipsum quod Patroclo a sede apostolica tempora l i te r v ideba tu r concessum, pos tmodum sit sententia meliore sub la tum ?

128) J K . 328 MG. E p p . I l l p . 5sq .

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künftighin vom Bischof von Arles litterae formatae ausstellen lassen129). Die Metropolitangewalt in den Provinzen Vien-nensis, Narbonensis I. und II. stände — sic uti semper ha-buit — dem Arier Bischof zu. Die beiden vor den Toren Marseilles gelegenen Orte Gargarium und Citharista sollten wieder der Oberhoheit Arles' unterstellt sein130).

Außer dem Recht, Formaten für alle gallischen Kleriker ausstellen zu dürfen, ist nichts verliehen worden, was über die Kompetenz eines Metropoliten hinausgeht, lediglich die Diözese des Bischofs von Arles wird auf die Größe der vor-diokletianischen Provinz Narbonensis erweitert131). Wichtig aber ist der Schlußabschnitt des Briefes: Der Bischof von Arles möge in unerschütterter Autorität auch das besitzen, was er außerhalb seiner Provinz seit altersher innehabe. Die Erweiterung des Arier Einflußgebietes wird mit dem Wirken des heiligen Trophimus begründet, „aus dessen Quell alle gallischen Provinzen die Ströme des Glaubens empfangen haben". Dem Bischof von Arles sollen deshalb alle Fragen, die in diesen Gebieten auftauchen, zugetragen werden132).

1 2 i ) Das F o r m a t e n r e c h t ist nach C a s p a r I , 607 als persönliche Konzession aufzufassen . Vgl. Cl. F a b r i c i u s , A U F . 9 (1926), 48f . u . S c h m i t z , H J b . 12 (1891), 27f.

13°) Vgl. D u c h e s n e , Fas tes I V 9 8 f . ; N e s s e l h a u f 12 Anm. 7. 131) So schon G u n d l a c h , NA. 14, 261 u. 15, 237; D u c h e s n e ,

Fas t e s I 2 , 102f. — V ö l k e r , Z K G . 46 (1928), 360f. s t re i te t jeg-lichen Vorrang des Bischofs von Arles, der den eines Metropoli ten überschrei te t , ab . Ähnlich C a s p a r I , 608; G. S c h n ü r e r , Lex. f. Theol. u . Kirche (künf t ig : L T h K . ) I , 564; S c h m i t z 29f. u . S t r e i c h h a n , Z R G . K a n . Ab t . X I I (1922), 355, glauben an eine obermetropol i tane Stellung, wie sie der Vikar von Thessalonich ähnl ich inneha t te . Vgl. auch A. H a u c k , R E . 3 8, 57; Κ . M ü l l e r , Kirchengesch. I a (1929), 731; J . L a n g e n I, 742f. ; B a r i o n 7f.

132) Zum hl. Troph imus C . F . A r n o l d , Caesarius von Arelate und die gallische Kirche seiner Zeit (1894), 69 Anm. 193 u. 75f. ; B a b u t 33 Anm. 1. Gegen C a s p a r I , 347 wendet sich J . H o l l n -s t e i n e r , Rechtsh is t . Studien z. Probi , d. Pr imates , J b b . d. österr . Leoges. 1933, 108f. ; C a s p a r I , 608 will entgegen der a l ten Auffassung ( D u c h e s n e , Fas tes 2 1 , 108 Anm. 2 u. W. G u n d l a c h , NA. 15, 239 Anm. 1) mi t Rech t „il l ic" (MG. E p p . I I I p . 6, 21) auf parocias, n icht auf „ to t ae Gall iae" beziehen. Doch ist , ,pa r . " durch das folgende „in quibuslibet e t c . " e r läu ter t , was zweifellos

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152 Hors t F u h r m a n n ,

Zweifellos verbürgen diese Sätze Patroklus von Arles eine Vorrangstellung, die die eines gewöhnlichen Metropoliten übersteigt. Der Ansicht waren jedenfalls die Bischöfe, die wenige Jahrzehnte später für die Belange des Bischofs von Arles eintraten133) und auch Leo I.134). Ohne sich termino-logisch festzulegen, wird man sagen dürfen, daß die Anfänge eines Arier Vikariats als einer Vermittlungsinstanz zwischen dem gallischen Klerus und dem Papst in das Jahr des Zo-simusprivilegs (417) zu setzen sind.

Patroklus hatte Mühe, seine Ansprüche als Metropolit der Viennensis, Narbonensis I. und II. durchzusetzen135). Dem Hauptwidersacher, Procul von Marseille, der nicht daran dachte, auf die ihm durch die Turiner Synode (can. 1) zu-gestandenen Ordinationsrechte in Narbonensis II. zu ver-zichten, gelang es, Simplicius von Vienne zu sich herüber-zuziehen136), und auch der Bischof von Aix scheint sich der Aufsicht seines neuen Metropoliten entzogen zu haben, denn seine Teilnahme an den Provinzialsynoden der Jahre 439, 441 und 442 ist nicht bezeugt137).

auf ein größeres Einflußgebiet als das der eigentlichen Metro -pol i tanprovinz (extra suas provincias!) hinweisen soll. Vgl. die Adresse des Briefes.

133) MG. E p p . I I I p . 19, 24 sq . : . . . f a c t u m est u t non solum provinciae Viennensis ordinat ionem, sed e t iam t r i u m provincia-r u m contempla t ionem sanct i T rophymi . . . pa t e fac to sibi (i. e, prodecessoribus Leonis) t e s t a t u r auc tor i tas (seil, apostolica) . . . Cui (i. e. sacerdos Arel, eccl.) id e t i am honoris . . . con la tum est, u t non t a n t u m has provincias po tes ta te propria gubernare t , ve rum e t iam omnes Gallias . . . cont ineret . Mit „ p a t e f a c t o " ist wahrschein-lich auf das „ve tus Pr ivi legium" p. 6, 16 angespielt , das dem Arier Bischof n icht abgeschlagen werden du r f t e .

m ) J K . 407 P L . 54, 632 . . . quid sibi quaer i t in aliena pror vincia et id quod nullus decessorum ipsius an te Pa t roc lum habu i t , quid usu rpâ t . . ., quod Patroclo a sede apostolica tempora l i t e r v ideba tu r esse concessum.

136) V ö l k e r 363 A n m . 3; C a s p a r I , 348f . ; D u c h e s n e , Fas t e s I 2 , 106f.; H . J . S c h m i t z , H J b . 12 (1891), 32f .

136) MG. E p p . I I I p . 11, 24 sq . : socium sibi Simplicium Vien-nensis civi tat is [episcopum] adscivit (sail. Proculus) ; D u c h e s n e , Fas tes I 2 , 104f.

137) Die Unterschr i f ten der Konzilstei lnehmer von Riez, Orange

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Der Nachfolger des Papstes Zosimus, Bonifatius I., war mit den großzügigen Konzessionen seines Vorgängers gar nicht einverstanden, aber er konnte sie nicht ohne weiteres annullieren138), solange der Hof zu Raverina in dem Bischof von Arles seine Stütze sah139). 426 ist Patroklus ermordet worden, quod facinus ad praeceptum Felicis . . . refereba-tur140). Die Hintergründe der Liquidierung des bislang dem Hofe genehmen Mannes sind unbekannt.

Nach einem kurzen Zwischenpontifikat des berühmten Mönchs Honoratus141), dem trotz seiner Autorität Papst

u n d Vaison : M a n s i V, 1195 sq. F ü r Vaison nur eine Kölner H s . ; M a a ß e n , Quellen 952f. ; D u c h e s n e , Fas tes I2 , 368f.

138) J K . 362 P L . 56, 574 un te r Verweis auf can. 4 von Nikäa res taur ie r t Bonifa t ius die Eigenständigkei t der Narbonensis I . un te r ihrem Metropoli ten Hilarius, den noch Zosimus zweimal ( J K . 332; J K . 334 MG. E p p . I I I p . 9 sq.) zur Subordinat ion un t e r Pa t rok lus von Arles angehal ten ha t t e . — Bonifa t ius wagte diesen Schr i t t erst a m 2. I I . 422 nach dem Tode des Kons tan t iu s (2. I X . 421); wie vorsichtig er vorher zu Werke ging, zeigt J K . 349 (richtige I n t e r p r e t a t i o n : D u c h e s n e , Fas tes I2 , 110 u. C a s p a r I , 382f. gegen L ö n i n g I , 471).

13e) Nach dem Sturz des Usurpa to r s Johannes (425) erhielt Pa t rok lus den Auf t rag , die gallische Geistlichkeit von Pelagianern und Caelestianern zu reinigen. Sirmond 6, cod. Theod. ed. M o m m -s e n I , 2 p. 912, 14 sq. (425 Ju l i 9). S taa tspersonen haben of t die Bischofswahl beeinflußt . So schon 407 der Usurpa to r Kons tan -t in I I I . J K . 331 CSEL. 35 ep. 46, 5; ep. 45, 5. Zu Honora tus siehe u n t e n A n m . 141. Hilar ius wurde von Cassius u n t e r s t ü t z t (Vita Hilarii c. VI, 9 P L . 50, 1227 C), war mit Auxiliaris bef reunde t (praef. p rae t . Gall, u m 435; Vita c. X V I I , 22) u n d erhielt Waffenhilfe von dem damaligen Prä fek ten (Vita R o m a n i c .5 . MG. SS. rer . Merow. I I I p . 134).

140) Prosper nr . 1297 MG. AA. I X p. 471. 141) Seiner K a n d i d a t u r gingen Wahls t re i t igkeiten voraus (Hila-

rius, Sermo de vi ta Honora t i c. VI, 28 P L . 50, 1264 sq. Zur zweifelhaften Inter imsregierung eines Euladius P L . 1. c . n . n . ; D u c h e s n e , Fas tes I 2 , 256). Honora tus wurde von einem Mann, ,,ille u t ique qui cunc ta d i spensâ t " den Ariern kommendier t : sermo c. VI , 25; „ille e t c . " ist, wie der vorhergehende Quis-Satz zeigt, n icht Got t , der Allesregierer, sondern eine Person von besonde-rem Einfluß, vielleicht Felix, denn Aetius zeigte in kirchlichen Fragen ein völliges Desinteresse.

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154 Hors t F u h r m a n n ,

Coelestin mit derselben Reserviertheit wie zuvor Bonifatius dem Patroklus begegnete142), wurde der Mann Bischof, dessen Name in den nächsten Jahren mit dem Schicksal Arles' un-lösbar verknüpft sein sollte: Hilarius, vorher Mönch in Lerin143). Der Metropolitanverband des Bischofs von Arles umfaßte damals die Provinzen Viennensis, Narbonensis II. und Alpes Maritimae144), deren Bischöfe Hilarius mehrere Male in Konzilien zusammenkommen ließ145). Ob der Vikariat nur

142) J K . 369 an alle Bischöfe der Viennensis (428 Ju l i 8) P L . 50, 429 sq . ; ausführl ich J . L a n g e n I , 800f. Der Bischof von Arles wird nur beiläufig im Tex t e rwähnt , obwohl alle Vorwürfe ihn t ref fen müssen (Mönche sollen nicht Bischöfe werden, die eccle-siastici g radus sind zu beachten , n iemand dür fe — zumal kein F remder — gegen den Willen des Volkes u n d Klerus ordinier t werden, a m E n d e ein Tadel an den Bischof von Marseille, der bei der Nachr ich t von der E r m o r d u n g des Pa t rok lus unziemlich seiner F r e u d e Ausdruck gegeben ha t t e ) . Un te r den „remotiores loc i" (c. 2) will H a u c k I , 78 Anm. 1 Br i tannien vers tehen . I n einem B r i e f e n südgallische Bischöfe, in dem die W a h l von Mönchen zu Bischöfen bemängel t wird, liegt eine Anspielung auf das Insel-kloster Lerin, das Honora tu s gegründet h a t t e u n d das ebenso b e r ü h m t wie abgelegen war (Cassian CSEL. 13 p. 311 ,,ingens f r a t r u m coenobium") , näher . — Wicht ig ist , daß Coelestin, wie sein Vorgänger, die Selbständigkeit jeder Metropol i tanprovinz (Narbonensis I . insbesondere) be ton t .

143) U n d dami t Semipelagianer vgl. August in ep. 225 CSEL. 57 p. 466, das Glaubensbekenntnis p . 457. Lérin als H e i m s t a t t des Semipelagianismus: Sid. Apoll, ca rm. X V I MG. AA. V I I I p . 241. Zu den D a t e n des Hilar ius vgl. die Prosopographie F r . S t r o -h e k e r s , D e r senatorische Adel im spä tan t iken Gallien (1948), 182 nr . 193.

144) Narbonensis I . wurde von Boni fa t ius I . eximiert : J K . 362, der neue Zus tand von Coelestin bes t ä t ig t : J K . 369 (. . . u t deces-soris nostr i d a t a ad Narbonensem episcopum cont inent cons t i tu ta) . Der Bischof von Arles f a n d Er sa t z in den Alpes Mari t imae, die nach der spä teren Anschauung in Arier Kreisen als die dr i t te der von Zosimus unters te l l ten Provinzen gal t . Siehe u n t e n S. 160 A n m . 162.

14B) 439 in Riez, M a n s i V, 1189 sq. (wegen der unkanonischen W a h l des Bischofs von E m b r u n vgl. H . J . S c h m i t z , Rechte d. Metropoli ten u n d Bischöfe in Gall. ν . 4 . - 6 . J h . A K K R . 72 (1894), 21, 31); 441 Orange, M a n s i VI, 434 sq. (Eucherius v. Lyon und Agrestius, ein Bischof der Gallicia, als Gäste) ; 442 Vaison, M a n s i

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zeitweise Patroklus verliehen war, wie Leo I. später vor-gab148), ist nicht sicher auszumachen, jedenfalls ist er auf

VI, 451 sq. Von der Tei lnahme des Kons tan t iu s von Uzès (Vaison) auf einen umfassenden, „pa t r i a r cha l en" Machteinfluß Hilar ius ' auf Südgallien zu schließen ( L ö n i n g I , 477f. ; H a u c k I , 41; ähnlich S c h m i t z , H J b . 12 (1891), 250; V ö l k e r 365, besonders B a r i o n 7f . u n d 15f . ; 23; dagegen 18 Anm. 43, der conc. Regense als Pr imat ia l synode ansieht) , geht ebenso zu weit, wie schon die Auffassung, Hilar ius habe die Metropol i tanjur isdikt ion über Narbonensis I . usurpier t oder besessen ( G u n d l a c h , NA. 14, 332; D u c h e s n e , Fas tes I 2 , 113; C a s p a r I , 440). R e p r ä s e n t a n t des Provinzialepiskopats wäre Kons tan t iu s v. Uzès. Das Fehlen der übrigen Bischöfe der Narbonensis I . würde durch die Gotenbe-setzung ( L ö n i n g I , 479 Anm. 2) entschuldigt . 1. Béziers, Nîmes, Lodève waren damals noch römisch. Außerdem bedeute ten poli-tische Grenzen keine unüberwindl ichen Schranken (vgl. P L . 54, 966; MG. E p p . I I I p . 15 nr . 9). 2. Kons tan t iu s unterschr ieb als einziger Bischof der Narbonensis I . die „p reces" MG. E p p . I I I p . 17 n r . 12, alle übrigen Bischöfe gehör ten den drei Provinzen Viennensis, Narbonensis I I . und Alpes Mari t imae an . I m Br ie f tex t ist nu r von drei Provinzen die Rede, denen die Pe t en ten einst im R a h m e n des Arier Ki rchenverbandes angehör t h ä t t e n (siehe u n t e n S. 160). Kons tan t iu s wird also nicht als Rep rä sen t an t des Episko-pa t s der Narbonensis angesehen. 3. Nach dem Sturz des Hilarius, als Leo die Eigenständigkei t der Provinzen be ton t ha t t e , hielt Kons tan t iu s t ro t zdem zu Arles; ihn wird k a u m Zwang des Hilarius oder äußere Pfl icht zum Erscheinen auf der Synode von Vaison genötigt haben . Bedenken wir schließlich noch, daß Uzès ein kleines Castrum war ( N e s s e l h a u f 11), dann scheint die Annahme, mi t seinem Bischof Kons tan t iu s wäre der Ep i skopa t der Nar-bonensis I . ve r t re ten gewesen, unwahrscheinl ich. Alle drei Synoden (Riez, Orange, Vaison) sind deshalb weder als Pr imat ia l - noch als südgallische Konzile zu wer ten , sondern als Zusammenkünf t e von Bischöfen des Arier Metropol i tan Verbandes, der damals die Pro-vinzen Viennensis, Narbonensis I I . und Alpes Mari t imae (nicht Narbonensis I . ) u m f a ß t e . — Aus can. 29 Orange (Mansi VI, 440) läßt sich nicht das Rech t des Bischofs von Arles, im 6. J h . gallische oder teilgallische Konzile e inberufen zu dürfen , ablesen ( G u n d -l a c h , NA. 15, 244 Anm.) . Der K a n o n h a t nu r f ü r Provinzial-synoden Gült igkeit , wie j a schon das Konzil von Vaison wahr-scheinlich eine Folge dieses Beschlusses ist . — Die von G u n d -l a c h , NA. 15, 284f. vorgeschlagene Kolumnenordnung der Konzi lsunterschr i f ten von Vaison ist k a u m richtig ( M a a ß e n , Quellen 952f . ; D u c h e s n e , Fas tes I2 , 368f.). Der Unte r schr i f t

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direktem Wege bis 445 nicht aufgehoben worden. Er mag noch für Hilarius die rechtliche Handhabe gewesen sein, auch über die Grenzen seiner Kirchenprovinz hinaus auf Kirchen-zucht zu achten und, wenn es ihm nötig erschien, einzu-greifen. Alle seine Handlungen, die jenseits der Kompetenz eines Metropoliten lagen, als bewußte brüske Auflehnung gegen den römischen Summepiskopat auszulegen, ist schon deshalb miß-lich, weil wir von ihnen hauptsächlich nur durch Leos Bericht an die Bischöfe der Viennensis erfahren, der den Empfängern in krasser Herausstellung der iniuriae des Hilarius den päpst-lichen Richtspruch als recht und billig suggerieren sollte147). Viel mehr würde es zu dem rastlosen Kirchenfürsten passen, ohne besondere persönliche Ambitionen von Ort zu Ort geeilt zu sein, um nach den Bagaudenkriegen und den Germanen-stürmen die Ordnung in Gallien nicht vollends schwinden zu lassen. Daß er dadurch ein größeres Maß an Selbständig-keit gewann, war ein sich zwangsläufig einstellender Neben-effekt, „ein unabhängiger südgallischer Patriarchat"148) war kaum sein Ziel.

Die schon lange zwischen dem Papst und dem Bischof von Arles bestehende Spannung entlud sich, als gallische Bischöfe, die sich von Hilarius zu Unrecht verurteilt fühlten, an Leo d. Gr. appellierten. Der eine,Celidonius, Bischof von Besançon, war seiner Würde entkleidet worden, weil er angeblich mit einer Witwe verheiratet war, dem anderen, Projektus, hatte Hilarius während schwerer Krankheit schon den Nachfolger bestimmt und nicht wieder dispensiert, als der Todkranke

des Hilarius muß wegen des os (ex supradicta provincia) die eines Bisehofs seiner Provinz (Viennensis), wahrscheinlich die Auspicius* von Vaison, vorangestellt werden. Aus gleichem Grund gehören die Subskriptionen der beiden Vertreter Superventor und Galatheus an das Ende der 3. Kolumne.

146) Siehe oben S. 152 Anm. 134. 147) JK. 407. Leo ep. X . Alles folgende stammt in der Haupt-

sache aus diesem Brief ( C a s p a r I, 442f.). Zu Celidonius: Vita Hilarii c. XVI , 21 PL. 50, 1236 u. Vita Romani c. 5 MG. SS. rer. Merov. I I I p. 134.

U 8 ) V ö l k e r 366; ähnlich H a l l e r I, 153f.; C a s p a r I, 445; P. B a t i f f o l , Le siège apost. (1924), 449f.; B a r i o n 15 u. 23.

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genas. Papst Leo berief sofort ein Konzil ein und verhörte die Zeugen. Bald nach Beginn der Untersuchung hob er das Urteil gegen Celidonius auf, weil die Beschuldigung grundlos wäre. Doch bevor das Konzil einen definitiven Beschluß gefaßt hatte, vor allem, bevor die Handlungsweise des Bischofs von Arles beurteilt worden war, stellte sich Hilarius dem Gericht. Er sei nicht gekommen, um anzuklagen, sondern um öffentlich Zeugnis abzulegen, sagte er, um das Geschehene vorzutragen149). Aber die Beteuerungen, die er vorgebracht haben mag, fanden bei den Römern taube Ohren, „die eher durch eine gewisse zarte Redeweise gewonnen werden"150). In klarer Erkenntnis der Hoffnungslosigkeit seines Bemühens verließ er über Nacht Rom und kehrte nach Gallien zurück. Unter allen Umständen mußte Leo verhindern, daß Hilarius seinen Einfluß geltend machte. Er faßte deshalb kurz das Ergebnis der Verhandlungen in einer Art Prozeßbericht zu-sammen und schickte diesen an die Bischöfe der Viennensis151). Das Urteil, das das päpstliche Konzil gesprochen hatte, war ha r t : Hilarius wurde als Metropolit der Provinzen Vien-nensis, Narbonensis II., Alpes Maritimae abgesetzt und nur noch in seiner Stellung als einfacher Bischof von Arles be-

149) P L 50, 1237 Β . . . se ad officia, non ad causam venisse; pro-tes tand i (Ballerini: praes tandi ) ordine, non accusandi , quae sun t ac t a suggerere. Ob das folgende „Por ro au t em si aliud velit, se non f u t u r u m esse m o l e s t u m " die Abreise androhen soll, bleibt unbe-wiesen ( C a s p a r I , 442; pro tes ta r i heißt aber nicht protest ieren) .

15°) Vita Hil. c. X V I I , 22 (im Brief des Auxiliaris), 1. c 1239 A. 151) J K . 407. Die episcopi Viennenses sind offensichtlich — ähn-

lich dem schon im 4. J h . übl ichen Sprachgebrauch (vgl. N e s s e l -h ä u f 9f.) — die Bischöfe der gesamten Kirchenprovinz des Metropoli ten von Arles (Viennensis, Narbonensis I I . , Alpes Mar.), wie Leo auch J K . 450 MG. E p p . I I I nr . 13 p. 21, 9 dieses Gebiet un te r „ves t ra p rov inc ia" zusammenfaß t . Ev iden t wird es durch Leo ep. X c. 9, wo analog zu „ v e s t r a r u m p rov inc i a rum" von mehreren Metropoli ten die Rede ist, die ihre Rechte üben sollen. C. 7 ist Viennensis in demselben Sinne aufzufassen . Hilarius h a t n icht die Metropol i tangewalt über die Viennensis im engeren Sinne usurpier t , sondern die der Nachbarprovinzen . E in ähnlicher Sprachgebrauch von Viennensis mag schon bei Coelestin J K . 369 vorliegen.

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lassen. Er sollte künftig nicht wagen, Synoden anderer Pro-vinzen einzuberufen. Jede Provinzialsynode bedürfe von nun an der Genehmigung des Leontius, des amtsältesten Bischofs, allerdings mit dem Vorbehalt, daß den Metropoliten ihre Würde erhalten bliebe152).

Dieses bedeutete die Auflösung der großen Arier Kirchen-provinz, nur durch die Person des Leontius war noch ein gewisser Zusammenhalt gewahrt. Der Vikariat von Arles blieb unerwähnt, da Leo ja der Auffassung war, Patroklus hätte ihn verliehen, aber auch entzogen bekommen. Für ihn war Hilarius ein Usurpator fremder Rechte153).

Um des vollen Erfolges seiner Verfügungen sicher zu sein, trat Leo an Valentinian III. heran und erbat eine staatliche Order im Sinne seines Briefes. Valentinian ging darauf ein und erließ eine Novelle, bei der man deutlich Leos führende Hand spürt. Gerichtet an Aetius, der für die Durchführung Sorge tragen sollte, wiederholt sie dem Inhalt nach die Aus-stellungen des Leobriefes, ohne natürlich die Streitfälle zu berühren und die definitive Regelung zu erwähnen, nur in einem Punkte, wo Belange des Staates angetastet sind, dem

152) Ep. X c. 9: et quoniam honoranda est semper antiquitas, . . . episeopum . . . Leontium . . . dignitate volumus deeorari: ut praeter eius consensum alterius provinciae non indicatur a vestra sanetitate concilium, et a vobis omnibus . . . honoretur, metro-politans privilegii sui dignitate servata. Wann die Metropolitane der „Viennensis" in ihre Rechte wiedereingesetzt worden sein sollen, ist aus Leos Brief nicht zu entnehmen. Es kommen im letzten nur die indirekten Weisungen der Briefe Bonifatius' I. und Coelestins in Frage : JK. 362 . . . per unamquamque provin-ciam ius metropolitanos singulos habere; JK. 369 sit concessis sibi contentus unusquisque limitibus ( JK. 407, ep. X c. 6 aufgenom-men). Indem Hilarius entgegen diesen Vorschriften „mit seiner Pro-vinz nicht zufrieden war" und weiterhin Metropolitanrecht in Nar-bonensis II. und Alpes Mar. übte, hat er die „Viennensis" usurpiert (male usurpaverat ep. X c. 7). Zu anderen Deutungsversuchen : Schmi tz 258 Anm. 4 (Ballerini); Löning I, 489.

1E3) Siehe obenS. 152Anm. 134. Welche die„sententiamelior"ist, die den Vikariat aufgehoben hat, läßt sich direkt nicht feststellen, doch schließen die Briefe JK. 362, JK. 369 (vor. Anm.) eine Ab-weisung des Vikariats in sich.

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militärischen Schutz des Hilarius, wird sie etwas ausführ-licher154). Diesem doppelten Angriff war Hilarius nicht ge-wachsen, und wenn er je den Gedanken, Widerstand zu leisten, gehabt haben sollte, muß er ihn jetzt aufgegeben haben. Er versuchte einzulenken. Doch trotz der Mission dreier Kle-riker165), trotz der freundlichen Worte, die der frühere gal-lische Präfekt, Auxiliaris, für ihn einlegte156), Leo war un-erbittlich. Hilarius blieb bis an sein Lebensende seiner Metro-politanwürde verlustig und mußte als einfacher Bischof von Arles sterben157).

Mit Bedacht wählte man in Arles einen Mann zum Bischof, der mit Leo persönlich bekannt war und dessen Wohlwollen gefunden hatte, den bisherigen Presbyter Ravennius. Der Papst zeigte bald so viel Sympathien für den Elekten158),

154) Cod. Theod . ed. Mo m m s e n - M e y e r I I p . 101 nov. Val. X V I I (Hänel X V I ) . Vgl. C a s p a r I , 446f.

156) Vita Hi l . c. X V I I , 22 P L . 50, 1238. U n t e r ihnen Ravennius , de r Nachfolger des Hilarius, u n d Kons tan t ius v. Uzes (siehe oben S. 154 A n m . 145).

1 M) Vi ta 1. c. " ' ) D u c h e s n e , Fas t . I 2 , 119; G u n d l a c h , NA. 15, 242f . ;

V ö l k e r , Z K G . 46 (1928), 367 u . a . dü r fen sich nicht „mi t R e c h t a u f die entscheidenden Wor te 'proposi t i t u i t e n a x ' (im Brief des Auxiliaris v i ta Hil . c. X V I I I , 22) be ru f en" , wollen sie die U n · nachgiebigkeit Hi lar ius ' beweisen. Mit , ,prop. e t c . " m a c h t Auxi-liaris keine spezielle Aussage über das Verhal ten des verur te i l ten Metropoli ten zu P a p s t Leo, sondern er g ibt den Grund an f ü r den launenfre ien Charakter des Hilarius (propos i tum: wie bei Horaz Lebensvorsa tz , Lebenshal tung) . Vgl. Vi ta Hon . P L . 50, 1265; ähnlich Leo ep. 167 P L . 54, 1207; Hi la rus J K . 555 MG. E p p . I I I p . 26, 21. — Das einzige Zeugnis, das eine Aufsässigkeit von ferne andeu te t , gibt das E p i t a p h des Hil. CIL. X I I , 949 1. 10: servile obsequium [non] dedignatus adire ( D i e h l , Inscr ip t . La t . Christ . Vet . nr . 1062; H . L e c l e r c q , Diet . d 'Arch . et de Li t . I , 1217).

l s e) Leo an twor t e t auf die Konsekra t ion des Ravennius , die nicht weniger als vierzehn Bischöfe unterschr ieben haben , J K . 434, gra tul ier t Ravenn ius persönlich J K . 435 und gibt ihm J K . 436 den ehrenvollen Auf t rag , er solle die Bischöfe „ to t ius provinc iae" (wahrseh. die erweiter te Viennensis, siehe oben S. 157 Anm. 151, anders C a s p a r I , 447f . ; D u c h e s n e , Fas tes I 2 , 120; S c h m i t z , H J b . 12 [1891], 259) vor dem ,,in Lug und Trug gesunkenen" angeblichen römischen Diakon Pe t ron ian warnen.

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160 Horst Fuhrmann,

daß dieser hoffen durfte, auch Handlungen, die außerhalb seiner Zuständigkeit lagen, würden in Papst Leo einen ge-rechten, ja freundlichen Beurteiler finden159). Als wenig später der Bischof von Vaison starb, war Ravennius sofort zur Stelle, ließ einen Kandidaten ordinieren und gab dem Bischof von Vienne das Nachsehen, der allein dazu befugt gewesen wäre. Unverzüglich appellierte Nicetas von Vienne nach Rom160). Ravennius ließ mit seiner Gegenaktion nicht lange auf sich warten. Er umging die plumpe Form der Selbstverteidigung, ließ vielmehr die Bischöfe der alten Arier Kirchenprovinz sprechen. Nicht weniger als neunzehn Bittsteller traten zu-sammen und überreichten durch Gesandte ihre „preces" dem Papst161). Alles, was vielleicht Papst Leo hätte bewegen können, Arles' Stellung wieder zu heben, was die Stadt an ruhmreicher Tradition vorzuweisen hatte, war hier zusammen-getragen162). Man bat am Ende um Wiederherstellung der Arier Metropolitanrechte und auch des gallischen Vikariats.

159) Dazu die Bischöfe der „preces" MG. Epp. III p. 18, 17: perceptis nunc tarnen beatudinis vestrae litteris, quanta eum {seil. Ravennium) caritate complectamini, evidenter agnovimus.

16°) Vgl. J K . 450 MG. Epp. III nr. 13 p. 20 sq. 161) MG. Epp. III nr. 12 p. 18 sq. ; L ö n i n g I, 489f.; G u n d -

l a c h , NA. 15, 242; S c h m i t z 259f.; D u c h e s n e 121f.; C a s p a r I, 448f. ; B a t i f f o l 461f.

162) Über die frühere Lage der Kirchenprovinz Arles haben die Bittsteller ihre eigene Ansicht: p. 19, 1 sq. Ab huius ecclesiae (seil. Arelatensis) sacerdote tarn decessores nostros quam nos ipsos con-stat . . . consecratos . . . prodecessores beatitudinis vestrae hoc . . ., sicut et scrinia apostolicae sedis proeul dubio continent, auetori-tatibus confirmarunt. Begründet wurde die Vorrangstellung Arles' mit dem Wirken des hl. Trophimus. Nach einem Abschnitt, der die politische Bedeutung ihrer Metropole herausstreicht, behaupten die Bittgänger: unde factum est, ut non solum provinciae Vien-nensis ordinationem sed etiam trium provinciarum, contempla-tione saneti Trophymi sicut et sanctorum prodecessorum vestro-rum patefacto sibi testatur auetoritas. Bei der offensichtlichen Parallel ität beider Ausdrücke scheinen mit „auetoritas" bzw. „auetoritat ibus" dieselben Schriftstücke gemeint zu sein, näm-lich, da nichts anderes in Frage kommt, das Zosimusprivileg und dessen laufende Bestätigungen durch denselben Papst ( J K . 328; •JK. 333; J K . 334; vgl. auch J K . 332). Dort aber waren die drei

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Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate. 16Î

Leo war in einer Zwangslage: Hier waren die Gesandten von Vienne, die auf ihr verbrieftes Recht pochten, dort die Vertreter des Ravennius, die den größeren Teil des Episko-pats der Provence hinter sich hatten. Leo fand nur im Kom-promiß einen Ausweg, aber immerhin war die Antwort an die Petenten so klar und bestimmt, daß sie noch späteren Päpsten das Konzept ihres Verhaltens zu Arles und Vienne an die Hand gab163). Mit aller Klarheit habe er erkannt, wie inständig sie (die Bittsteller) ein gutes Ergebnis für ihren Ravennius erstrebten. Doch damit sich auch das sein Recht fordernde Vienne nicht benachteiligt fühle, solle der Bischof dieser Stadt den Orten Valence, Tarantaise, Genf und Gre-noble vorstehen. Die übrigen Gemeinden derselben Provinz (eiusdem provinciae) sollen der Jurisdiktion des Bischofs von Arles unterworfen sein. Der Ausdruck „eiusdem prov." wirft die Frage nach dem Gebietsumfang beider Metropolitan-provinzen auf. Das Einbeziehen der zu den Alpes Graiae et Poeninae gehörigen Stadt Tarantaise1®4) weist über die Grenzen der eigentlichen Viennensis hinaus1®5). Doch wider-spricht dem ein Zeugnis aus der Zeit des Bischofs Leontius von Arles (462), das als neue Diözese des Ravennius den südlichen Teil der Viennensis im engeren Sinn vermuten läßt1®®). Ravennius erhielt damit zwar den Hauptteil dieser

Provinzen Narbonensis I., I I . und die Viennensis, während die Bischöfe der „preces" der Viennensis, Narbonensis I I . oder den Alpes Maritimae (außer Konstantius siehe oben S. 154 Anm. 145) angehören. Narbonensis I. war ja 422 wieder selbständig geworden (JK. 362). Trotzdem wird der Eindruck erweckt, als wäre das Zosimusprivileg auch um das Jahr 445 noch erfüllt gewesen. Narbonensis I. wird durch die Alpes Maritimae ersetzt.

l e3) JK. 450 MG. Epp. I I I nr. 13 p. 20. 1β4) Not. Gall. MG. AA. I X p. 599. Vgl. L ö n i n g I , 491 Anm. 1. le5) Gundlach, NA. 15, 243; Duchesne I, 124; Caspar I, 451 ;

H. J. Schmi t z , Metrop.-Verf. u. Prov.-Syn. in Gall, im 5. Jh., A K K R . 57 (1887), 8.

ιββ) JK. 555 MG. Epp. I I I nr. 18 p. 27, 28 sq.: Praeterea eius-dem fratris (Leontii) nobis libellus allatus est, quo perhibet, parrochias Arelatensis ecclesie prodecessore suo Hilario in alios, quod non licuit, fuisse translatas, petens illas pristino iuri nostra auctoritate restituí. Sed moderaminis apostolici memores, frater-11 Zeitschrift für Rechtsgeschichte. L X X . Kan. Abt. X X X I X .

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162 Hors t F u h r m a n n ,

Provinz, aber das Zugeständnis blieb weit hinter dem von den Bischöfen Geforderten zurück. Um den Bischof von Arles und seine Freunde nicht gegen sich einzunehmen, schickte Leo am selben Tage an Ravennius das Mandat, auf einer gesamtgallischen Synode den dogmatischen Brief vor-zulesen, den er 449 hat Flavian überreichen lassen167). Auch

ni ta t i vestrae querellam ipsius remisimus audiendam, u t in vest ro conven tu ea . . . dece rnan tu r . Leont ius ha t demnach u m Rück-gabe der Parochien gebeten, die seit der Zeit des Hilar ius in f r emder H a n d waren. Valence, Taranta ise , Genf, Grenoble wurden endgült ig erst 450 z. Z. des Ravenn ius einem anderen Bischof, dem von Vienne, über t ragen . Ohne Unte rb rechung waren seit Hilarius n u r die vorher zur Arier Kirchenprovinz gehörenden Provinzen (vgl. die Synoden Riez, Orange und Vaison: H e f e l e -L e c l e r c q I I , 1 [1908], 423f.) Narbonensis I I . u n d Alpes Mariti-mae außerha lb der Jur i sd ik t ion des Bischofs von Arles (Leo ep. X c. 9). H ä t t e nun Leont ius die in J K . 450 dem Metropoli ten von Vienne zugesprochenen Orte zurückgeforder t , dann wäre auch Ravenn ius zu erwähnen gewesen, denn diese Transak t ion f a n d un te r dessen Pont i f ika t s t a t t Und h a t t e mit Hilarius gar n ich ts zu t un . Die Gegenprobe : Wären durch J K . 450 über die engere Viennensis h inaus Ravenn ius auch noch Toile von Narbon . I I . u n d Alpes Marit . zugesprochen worden, dann h ä t t e Leontius n ichts mehr erb i t ten können, was z. Z. des Hilarius anderen über t ragen worden war . Eine Teilung der Viennensis im engeren Sinne durch J K . 450 ist demnach wahrscheinlicher. D a ß u m 460 die Arier Kirchenprovinz allem Anschein nach nicht mehr als Teile der Viennensis umfaß te , zeigt auch die Unte rschr i f t Venerius ' von Marseille h inter der des Rus t icus von Narbonne (Leo ep. 100 P L . 968), wie auch die Adresse Leo ep. 103 ( J K . 480): Rust ico, Ravennio , Venerio. Ingenuus von E m b r u n wird J K . 562 P L . 58, 21 C aufgeforder t , seine Metropol i tanrechte zu gebrauchen. Eine Wiederherstel lung der Arier Kirchenprovinz un te r Verzicht der nördlichen, Vienne zugeteil ten „Pa roch ien" erforder te die Unter -ordnung dieser Bischöfe un t e r den Metropoli ten von Arles (vgl. die Entwicklung nach 514, die Provinzialkonzilien 524, 529, 533, 554). Abzulehnen ist die Ansicht der B a l l e r i n i ( S c h m i t z H J b . 12 [1891], 258), die das Metropol i tanrecht nu r Hilarius per-sönlich entzogen wissen wollen. Vgl. „praeser t im cum e tc . " MG. E p p . I I I p . 21, 23.

167 ) Die Synode konn te der politischen Ereignisse wegen erst 451 zusamment re ten . Leo ep. 99 c. 1 P L . 54, 966 sq. Den Zu-sammenhang des Briefes mi t der Synode der 43 Bischöfe übersehen

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Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate. 163

in den nächsten Jahren ehrte Leo den Bischof von Arles, indem er ihn als Mittler zwischen Rom und Gallien be-stellte168), doch erteilte er immer nur Vollmachten von Fall zu Fall, nie ging er so weit, Arles' Vorrang durch ein Privileg zu erhärten169). Als Ravennius starb, war Arles zwar wieder Metropole, von einem Vikariat oder gar Primat konnte aber keine Rede sein.

Der Nachfolger Leontius zeigte eine merkwürdige lasche Amtsführung. Er mußte bald päpstlichen Tadel einstecken und sich den Vorwurf machen lassen, der christlichen Sitte (lex catholica) nicht eingedenk gewesen zu sein und Vor-gänge, die in seiner Einflußsphäre spielten, nicht nach Rom gemeldet zu haben170). Hermes, ein schon für Beziers ordi-nierter Bischof, war als Nachfolger des Rusticus zum Bischof von Narbonne geweiht worden, und nur durch den gotischen Statthalter Friedrich, den Bruder Theoderichs II., hatte Papst Hilarus davon Kenntnis erhalten. Das Delikt sollte sofort untersucht, das Ergebnis nach Rom geschickt werden. Am Jahrestag der Ordination des Hilarus wurde in Rom der Fall Hermes verhandelt171). Wichtiger als die hier ge-

H a l l e r I, 484; S c h m i t z 266; G u n d l a c h , NA. 14, 332. Von einem „stillschweigenden Anerkenntnis des Arier Primats" kann keine Rede sein.

168) JK. 477: Ravennius sollte dem gallischen Klerus das Oster-datum übermitteln. 452 geht an Rusticus, Venerius und Raven-nius gemeinsam ein Brief: JK . 480 (vgl. H. M. K l i n k e n b e r g , ZRG. Kan. Abt. XXXVIII [1952], 87f.). 454 gibt Leo selbst das Osterdatum bekannt JK . 512.

169) Dennoch war der Autoritätsvorrang Arles' so groß, daß Ravennius einen Streit zwischen Theodor von Fréjus (Narbon. II .) und dem Abt von Lérin schlichten konnte (a. 455; Mansi VII, 907). Derselbe Theodor von Fréjus hatte sich 452 in Fragen der Buß-disziplin an Leo gewandt und von diesem eine strenge Rüge er-halten ( JK . 485), er solle sich zunächst an seinen Metropoliten wenden. Vielleicht erklärt sich daraus die Rolle des Ravennius als Schiedsrichter.

17°) JK . 554 MG. Epp. III nr. 15 p. 22 „monarchia" (p. 22, 35) ist ohne rechtlichen Inhalt. Vgl. Vita Romani c. 5 MG. SS. rer. Merov. III p. 134, 32. Zur Sache D u c h e s n e , Fastes I2, 121f.

">) JK . 555 MG. Epp. III nr. 18 p. 25 sq. Vgl. J . B. S ä g m ü l l e r , Theol. Quartals. 85 (1903), 95f. n*

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troffene Entscheidung über das Schicksal des Hermes172) war die Ernennung des Leontius zum Vikar, die gleichzeitig aus-gesprochen wurde. Der Bischof von Arles sollte bei den jährlich stattfindenden südgallischen Synoden den Vorsitz führen173), die einzuberufen ebenfalls sein Recht war. Synodal-pflichtig waren die Provinzen Viennensis, Lugdunensis, Narbo-nensis I., II. und die Alpenprovinzen. Sollten die litterae formatae, die die Metropoliten auszustellen hatten, zu Streitig-

m ) Die Metropol i tanwürde der Narbonensis I . ist dem „pr imas aevo honor i s" (wie einst Leont ius) Kons tan t iu s von Uzès über-t ragen worden. E in besonderer, polit ischer Schachzug verbirgt sich k a u m dahinter , da die Würde ja an Narbonne zurückfiel ; auch waren politische Grenzen fü r die kirchliche Organisat ion noch keine Scheidelinien.

173) Zu J K . 555 vgl. J K . 556 . . . t e praesidente . — D a n a c h da t ie r t G u n d l a c h , NA. 14, 333f. das sog. 2. Arier Konzil , weil erst j e tz t (462), die Metropoli ten angewiesen worden seien, an Synoden te i lzunehmen, was aber in can. 56 des Konzils voraus-gesetzt werde. Auch die von Hilarus befohlene regelmäßige Wieder-kehr finde sich in der Auffassung der Synodalmitgl ieder . Gund-lach geht von der une rö r t e r t en Prämisse aus, Arles I I . wäre ein südgallisches Konzil . Doch begegnen „me t ropo l i t an i " auch auf Provinzialsynoden (Riez can. 8 Mansi V, 1195: episcopi met ro-po l i t ana rum c i v i t a t u m ; vgl. Arles [a. 524] MG. Cone. I p . 36 sq.), ebenso der Wunsch nach periodischer Z u s a m m e n k u n f t (Riez can. 8; Orange [a. 441] can. 29). Wicht ig in den Synoda lak ten (vgl. H e f e l e - L e c l e r c q I I , 1 [1908], 473 Anm. 2 ; M a n s i V I I , 889) ist der can. 42 Arles, der mi t can. 21 Orange den Ausdruck „ in nostris provinci is" , d. h . Vienn. Narbon . I I u n d Alp. Mari t . über-n i m m t . D a ß mi t can. 42 Arles t ro tz wörtl icher Kongruenz ein anderes Gebiet umschr ieben werden soll, ist unwahrscheinl ich. Arles I I . ist deshalb aller Wahrscheinl ichkei t nach , wenn über-haup t , dann ein Provinzialkonzil . L. D u c h e s n e zuletz t , L'église a u V I e siècle (1925), 510 (ähnlich, aber mi t zeitl. ande rem Ansatz A. M a l n o r y , St . Césaire [1894], 173f.) häl t die cánones f ü r eine P r i v a t s a m m l u n g ; T u r n e r , Arles a . Rome, J o u r n . of Theol. S tud . 17 (1916), 239f. n icht zugänglich; dagegen B. K r u s c h , MG. SS. rer . Merov. I I I p . 440, 31—441, 38, der das Konzil auf das J a h r 515 dat ieren will; ihm folgt B a r i o n 8 A n m . 1 7 ; M a a ß e n , Quellen 200 setzte das Konzil nach 447 an (dazu S t e i n a c k e r , MIÖG. Suppl. 6 [1901], 126f.), L ö n i n g I , 515f. nach 475 ( H e f e l e -L e c l e r c q I I , 1 [1908], 460: en 443 ou 452); gänzlich abwegig H . J . S c h m i t z , H J b . 12 (1891), 271f.

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Studien zur Geschichte mit telal ter l icher Pa t r i a rcha te . 165

keiten Anlaß geben, hatte der Bischof von Arles zusammen mit zwei anderen Metropoliten das Recht der Entscheidung.

Doch dieses Privileg, das den Vikariat von Arles nach einer Pause von vierzig Jahren hat wieder aufleben lassen, änderte nichts an dem Gebaren des Leontius. Sein stärkster Kon-kurrent, der Bischof Mamertus von Vienne, konnte auf arela-tensisches Gebiet übergreifen, und der Papst erfuhr es nur indirekt über den Burgunderkönig Gundowech. Wieder for-derte Hilarus eine Untersuchung und Zusendung des Proto-kolls174). Mamertus erhielt eine Verwarnung ; bei einer noch-maligen Verletzung der von Papst Leo festgesetzten Grenzen ginge er der vier ihm zugesprochenen Orte verlustig175).

Eine weitere Konsolidierung des Vikariats von Arles wurde durch Kriege zerstört. Es darf als symptomatisch gelten, daß uns aus den Jahren 465—494176), einer Zeit ständigen politischen Umbruchs, kein Zeichen einer päpstlichen Kor-respondenz mit einem südgallischen Bischof überliefert ist. Doch schon der erste Brief nach dieser Pause, die Nachricht des Gelasius von seinem Regierungsantritt, ist wieder an den Bischof von Arles gerichtet und führt deutlich die von Hilarus aufgenommene Politik fort. Aeonius von Arles wird beauf-tragt, die fratres et coepiscopi per Gallias von dem Pontifikat des neuen Papstes zu unterrichten177).

174) JK. 556 MG. Epp. I I I nr. 19 p. 28 sq., dazu JK. 559 nr. 20 p. 29 sq.

175) JK. 557 MG. Epp. I I I nr. 21 p. 30. D u c h e s n e , Fastes I2, 129f. Die Metropoliten der alten Narbonensis gewinnen immer mehr an Selbständigkeit. Vgl. den Streit zw. Auxanius von Aix und Ingenuus von Embrun JK. 562 PL. 58, 20 um die Zugehörig-keit des Kastells Nice. C a s p a r II, 12; L ö n i n g I, 496f. und I, 478 Anm. 2; bes. D u c h e s n e , Fastes I 2, 296f.; N e s s e l h a u f 13 Anm. 6.

17β) Um 475 (vgl. D u c h e s n e I2, 131f. ; K r u s c h , MG. AA. VIII p. LVI, der sich wegen der Eroberung Clermonts 474/475 für die Zeit vor 475 entscheidet) fand ein Konzil in Arles statt, das die Prädestinationslehre behandelte und mit einem Sieg der Semipe-lagianer endete. Die Akten sind nicht erhalten ( C a s p a r II, 201), Teilnehmer im Brief des Presbyters Lucidus MG. AA. VIII p. 290 ( G u n d l a c h , NA. 14, 334 Anm. 3).

177) JK. 640 MG. Epp. I I I nr. 22 p. 33.

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Da entstand für Arles von anderer Seite eine große Gefahr. In der Nachbarstadt und ständigen Rivalin Vienne war Alci-mius Ecdicius Avitus in Nachfolge seines Vaters und wohl auch auf dessen Designation hin kurz vor 494 Bischof ge-worden178). Bei dem Ansehen, das er genoß, bereitete es ihm keine Schwierigkeiten, von Papst Anastasius II. in den Jahren 496—498 ein Privileg zu erlangen, dessen genauen Inhalt wir zwar nicht kennen, das aber die Kirchenprovinz des Metro-politen von Vienne auf Kosten dessen von Arles arrondiert haben muß179). Klagen des Aeonius von Arles hatten anfangs keinen Erfolg, erst unter Symmachus, dem Nachfolger des Anastasius180), drang die Bitte um Revision durch. Aeonius wurde in seine alten Rechte eingesetzt, „mit klugem Be-schluß die Ehrfurcht vor den alten Bestimmungen dem neuen Bestreben vorgezogen' '181).

178) Zu den Lebensda ten vgl. S t r o h e k e r 154 nr . 60. Der bei Gregor von Tours , His t . F ranc . V, 18 MG. SS. re r .Merov. I 2 p . 218 e rwähnte „Avi tus Dei sacerdos" (a. 523/524) war Abt von Orleans (Gregor 1. c. I I I , 6 p . 102). Avi tus s t a rb c. 518 (vgl. D u c h e s n e , Fas tes I a , 206 Anm. 2).

179) L ö n i n g I , 529f. ; C. F . A r n o l d , Caesarius von Arelate u n d die gallische Kirche seiner Zeit (1894), 189f. ; v. S c h u b e r t , Gesch. d . christl . Kirche im F r ü h m a . 44f. Von einem Strei t u m Metro-poli tan- oder Pr imats rech te kann keine Rsde sein. J K . 753 kenn-zeichnet das Verfahren des Avi tus : „per s u b r e p t i o n e m " h ä t t e er e twas erworben. F ü r den Gegenstand des Streites e indeut ig: J K . 754 MG. E p p . I I I nr . 24 p. 34, 32 sq. : . . . cons ta t inter Arela-tensem et Viennensem ecclesiam aliquod de ordinandis episcopis in vicinis civitatibus oriri luc tamen. Vgl. auch das Briefende. Ebenso deu te t J K . 765 Gebietsstrei t igkeiten an . Das Erscheinen der Bischöfe von Arles u n d Marseille bei dem Religionsge-spräch (Thema: Arianismus) in Vienne (499) findet in der tole-r an ten H a l t u n g des burgundischen Königs seine E rk l ä rung (non cont radicente rege; der Schatzmeister S tephanus schrieb die E in ladungen ; dazu L o n i ñ g I , 531). Die Wes tgo ten waren strengere Ar ianer : S c h m i d t , Os tge rmanen 2 , 188f. u . 499f . ; die Kanones von Agde übergehen das Verhäl tnis zu den Arianern mi t be red tem Schweigen.

18°) Das Verhäl tnis des Symmachus zu seinem Vorgänger : C a s p a r I I , 90f . ; A r n o l d 191f.

181) Man griff wieder auf das Leoprivileg zu rück : J K . 754 MG.

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Die folgenreichste Tat des Aeonius aber sollte die Wahl des Caesarius zu seinem Nachfolger sein, zu dessen Nomi-nierung er die Erlaubnis des Westgotenkönigs eingeholt hatte182). Die gewinnende Persönlichkeit des neuen Bischofs zerstörte bald das ihm anfangs aus germanischen Kreisen entgegengebrachte Mißtrauen, und schon im Jahre 506 (502 hat te er das Erbe des Aeonius angetreten) erhielt Caesarius die Genehmigung, in Agde, einer kleinen Stadt der Narbo-nensis I., die katholischen Bischöfe des Westgotenreiches zu einem Konzil einzuladen183), ein Vorgang ohne Präzedenz, denn bisher war der gallische Episkopat bemüht, über poli-tische Grenzen hinaus die kirchliche Organisation in der überkommenen Form nicht untergehen zu lassen. Die Ger-manen selbst hatten auf Wahrung der alten Sitte und Ord-nung geachtet184). Jetzt ließen sie nur den Bischöfen des eigenen Reiches ihre Gunst fühlen185).

Wenige Jahre später, als Theoderich den größeren Teil der westgotischen Provence unter seine Schutzherrschaft ge-nommen hatte, war Caesarius nach Ravenna zitiert worden186) und hatte die Gelegenheit ergriffen, gleich nach Rom zum Papst weiterzureisen. Er fand freundliche Aufnahme und durfte zwei Privilegien mit nach Hause nehmen, von denen

Epp. III nr. 24 p. 35, 12 sq. Rslegentes ergo veterum antistitum super hac causa ordinationes, quibus ecclesiasticum gravatur scrinium.

182) Vita I, 13 MG. SS. rer. Merov. I I I p. 461. C. F. A r n o l d , Caesarius von Arelate und die gallische Kirche seiner Zeit (1894). A. M a l n o r y , St. Césaire, évêque d'Arles (1894). Dazu S t r o h -e k e r 158 nr. 80.

183) Akten: M a n s i VIII, 835 sq. vgl. C a s p a r II, 4f . ; v. S c h u -b e r t , Staat und Kirche 108f.; L ö n i n g I, 530f.; G u n d l a c h , NA. 14, 335; A r n o l d , 224f . ; B a r i o n 205f.; D u c h e s n e , L'église au V I e siècle, 497f.

184) JK. 554: der Statthalter von Narbonne, Friedrich, er-stattet Anzeige wegen der doppelten Ordination des Hermes. JK. 556: Gundowech meldet den Übergriff des Mamertus von Vienne.

185) Vgl. JK. 765 MG. Epp. III nr. 25 p. 36: per saecularia pa-trocinia; L ö n i n g I, 530 Anm. 1.

186) Vita I, 36—41.

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das eine die Grenze zwischen den Provinzen Arles und Vienne im Sinne der Entscheidung Leos, daß nur Valence, Grenoble, Genf und Tarantaise Suffragane Viennes sein sollten, be-stätigte187), das andere — die Antwort auf eine Eingabe des Caesarius —188) die im gallischen Klerus eingerissenen Miß-stände abzustellen suchte189). Ein kurzer Nachtrag gibt Cae-sarius die Berechtigung, das im Abendland bisher nur bei Päpsten übliche Pallium „per omnes Gallicanas regiones" zu tragen190). Das Pallium ist hier kaum mehr als ein Zeichen persönlicher Hochachtung, jedenfalls nicht Ausweis einer Vikariatsstellung des Bischofs von Arles. Zu solcher Macht-vollkommenheit erhob Caesarius ein halbes Jahr später ein Privileg, das bewußt die Tradition aufnahm und sich gegen jeden Gedanken einer Neuerung verwahrte191): Alle Fragen des Glaubens und des Dogmas in Gallien wie Spanien sollen der Entscheidung des Caesarius überlassen werden192). Er-scheint es nötig, Synoden einzuberufen, so stände dem Arier Bischof der Vorsitz zu. Streitsachen größeren Gewichts seien an den apostolischen Stuhl weiterzuleiten. Jeder gallische Kleriker, der sich mit der Absicht trüge, nach Rom zu reisen, habe den Bischof von Arles davon in Kenntnis zu setzen. Eingeschoben ist ein Verweis an den Bischof von Aix193), den späteren Metropoliten von Narbonensis II . , der sich ge-weigert hatte, Caesarius als seinen „metropolitanus pontifex"

18') JK. 765 MG. Epp. I I I nr. 25 p. 35 . . . quaeadmodum deces-sor noster Leo dudum . . . definivit.

188) Angehängt an JK. 764 MG. Epp. I I I nr. 27 p. 40. 1 8 í) J K . 764 MG. Epp. I I I nr. 26 p. 37. 19°) Vgl. A r n o l d , 275f . ; G u n d l a o h , NA. 15, 245f . ; zum Wert

des Palliums in dieser Zeit: B. v, H a c k e , Die Palliumsverlei-hungen bis 1143 (Diss. Göttingen 1898), 62f. u. 106 Anm. 1.

1β1) JK. 769 MG Epp. III nr. 28 p. 41, 14 sq. — et quod vetustas praestitit et patrum auctoritas roboravit, nova non debet violare praesumptio.

192) Der Geltungsbereich muß sich über das unter der Hoheit Theoderichs stehende Gebiet hinaus erstreckt haben, da Arles ja schon mit seinem Metropolitansprengel ins burgundische Reich hineinreichte. Dazu C a s p a r II, 126.

193) Vgl. die Eingabe MG. Epp. III nr. 29 p. 42.

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Studien zur Geschichte mit telal ter l icher Pa t r i a rcha te . 169

anzusehen194). Er möge wissen, daß er zur kirchlichen Diszi-plin gezwungen würde, sollte er sich weiterhin widerspenstig zeigen.

Die Behauptung des Symmachus, er wolle nur alte Bestim-mungen auffrischen, ist durchaus nicht leere Floskel, abge-stellt, seinem Schreiben eine größere Wirksamkeit zu sichern. Nur wenig —• in der Größe des Geltungsbereichs und im Formatenrecht — weicht der Symmachusbrief mit seinen Rechtsverleihungen von dem Privileg ab, das rund ein halbes Jahrhundert früher Leontius von Arles von Papst Hilarus empfangen hatte195). Im Verein mit der an sich rechtlich belanglosen Verleihung des Palliums gewann der Vikariat196) als persönliche Stellvertreterschaft jetzt ein klares Gesicht.

Es scheint Caesarius anfangs nicht leicht gefallen zu sein, seinen privilegierten Anspruch als Metropolit durchzu-setzen, denn neben Avitus von Vienne, der immer noch latent Widerstand geleistet haben mag197), war es vor allem die

194) Ein Indiz da fü r , daß u m 514 in Arier Kreisen die Provinz Narbonensis I I . zum Metropol i tan ve rband gerechnet wurde. Die Zugehörigkeit der Alp. Mari t . gilt durch die auf den Provinzial-synoden 524, 527, 529, 554 geleisteten Bischofsunterschr i f ten als erwiesen. I n den J a h r e n 460—514 (jedenfalls vor dem 2. Arier Konzil , wenn dessen Beschlüsse keine P r iva t s ammlung sind) bzw. 524 m u ß der alte bei der Absetzung des Hilarius bes tehende Provinzia lverband res taur ie r t worden sein, vielleicht auf einem Konzil , wie es Wunsch des Paps tes Hi larus war . MG. E p p . I I I p . 27, 28 sq.

19δ) J K . 555, siehe oben S. 164f. 196) Die vices-nostras-Formel t a u c h t erst J K . 914 MG. E p p . I I I

nr . 40 p. 60, 4, 11 auf (vgl. auch J K 913 1. c. p . 61, 18). 197) I n einem Brief an Hormisda (nr. 41) MG. AA. VI, 2 p . 69,

25 sq. (a. 516): . . . Alet ium p re sby te rum et Vivent ium diaconum, totius provinciae Viennensis nomine, quae ecclesiae ad me pertinenti ab universis decessoribus vestris et apostolica sede commissa est . . . dest inavi . Avi tus h a t demnach seinen Anspruch nicht auf-gegeben. Z u m Konzil von Epao (MG. conc. I p . 15—30), das ur-sprünglich — dem Einladungsschreiben nach (MG. AA. VI, 2 nr . 90 p. 98 zur Adresse MG. conc. I p . 1 7 ) — n i c h t mehr als ein Provinzial-konzil sein sollte, erschienen auch Bischöfe, deren Sitze im bur-gundischen Teil des Metropoli tanbezirks des Caesarius lagen. Vgl. L ö n i n g I , 569f . ; B a r i o n 203f.

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170 Hors t F u h r m a n n ,

politische Spannung zwischen Burgunden und Ostgoten198), die einen festen Zusammenschluß verhinderte. So kam es, daß erst 10 Jahre nach dem Symmachusprivileg, später aber immer häufiger, sich die Bischöfe des Arier Provinzialver-bandes zu Synoden zusammenfanden199). Als Caesarius nach einem Pontifikat von vierzig Jahren starb, übernahmen seine Nachfolger die Leitung einer großen und trotzdem in sich geschlossenen Kirchenprovinz, deren Umfang sie auch in den nächsten Jahrzehnten gewahrt zu haben scheinen200). Noch das Konzil von Frankfurt (794)201) greift die Metropolitan-ordnung von Arles auf, und zitiert Leos Entscheidung, daß „Vienne nur vier Suffragane haben solle"202). Als Metropolit also hatte der Bischof von Arles seine Ansprüche durchsetzen können, die Wirksamkeit seines Vikariats ist unbestimmt. Wie bei jeder Rechts Verleihung ist die formalrechtliche Seite, der schon mit der bloßen Überprüfung des Inhalts eines Privilegs Genüge getan ist, von der praktisch-effektiven zu scheiden.

Vorlage für alle Arier Vikariatsprivilegien im 6. Jh . war der Symmachusbrief aus dem Jahre 514, der sich inhaltlich, wie wir sahen, mit den Bestimmungen des Hilarus (JK. 555) berührt. Das Einsetzungsschreiben an Auxanius, den Nach-folger des Caesarius, den 545 Papst Vigilius203) zum Vikar

19a) Zur Teilung und Verfassung der Provence : F . K i e n e r , Ver-fassungsgeschichte der Provence (1900), 5f . ; R . B u c h n e r , Die Provence i. merow. Zeit (1933), 2 f .

199) 524 (Arles) die Bes tä t igung durch Felix I V . : J K . 874; 527 (Carpentras) ; 529 (Orange); 529 (Vaison); 533 (Marseille). Die A k t e n : MG. Cone. I p . 35, 40, 44, 55, 60 sq.

200) S a p a u d u s hielt 554 eine Provinzialsynode in Arles a b : MG. Cone. I p . 118f. ; B a r i o n 9 Anm. 17 erk lär t gegen L ö n i n g I I , 12f. u n d H i n s c h i u s I I I , 476 Anm. 5 diese Synode fü r eine Pr imat ia l synode .

201) D u c h e s n e , Fas tes I2 , 137. 202) Can. 8 MG. Cone. I I , 1 p. 167 (epistulae pont i f icum Roina-

no rum) definierunt eo quod Viennensis ecclesia qua t tuo r suffra-ganeas habere sedes deberet . Zu den Metropolen Aix u n d E m b r u n : D u c h e s n e , Fas tes I s , 138.

20¡>) Nach L ö n i n g I I , 76f. ( G u n d l a c h , NA. 15, 249 Anm. 3) ist die Über t r agung des Vikar ia ts von der Wil lenserklärung des

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Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate. 171

ernannte204), weist als erstes in der Arier Kirchengeschichte die vices-nostras-Formel auf; den rechtlichen Umfang des Vikariats läßt es — abgesehen vom Wirkungsbereich — nahe-zu unverändert205). Inhaltlich völlig gleich sind die Privi-legien an Aurelian206) und Sapaudus207), die Nachfolger des Auxanius. 595 werden Vigilius von Arles als letztem Bischof der südgallischen Metropole die „vices" verliehen208). Das

Königs abhängig. C a s p a r I I , 494 Anm. 1 identifiziert Wunsch u n d Genehmigung. Treffend B a r i o n 201 f.

204) Die Bi t te des Auxanius weist Vigilius zunächs t zu rück : J K . 912 MG. E p p . I I I nr . 39 p. 58; die Vikarsernennung wie die Über t r agung des Pal l iums hinge von der Genehmigung Jus t in ians ab . Vgl. C a s p a r I I , 235; L ö n i n g I I , 92f . ; das Vikarsprivi leg: J K . 913 MG. E p p . I I I n r . 41 p. 61 sq.

205) Neu ist die Bes t immung J K . 913 MG. Epp . I I I p . 61, 28 sq. : Si quae ergo inter f r a t r e s . . . zezaniae dissensionis emerserint adhibi t i s vobiscum sacerdot ibus numero conpetent i , causas . . . d i scut i te ; ähnlich im Brief an die gallischen Bischöfe J K . 914 MG. E p p . I I I nr . 40 p. 60, 5 u. J K . 918 nr . 44 p. 65, 33 sq. (dazu J K . 919 nr . 43 p . 64, 1 sq.). Die Zahl der heranzuziehenden Bischöfe h a t dann Gregor I . auf zwölf festgelegt ( J E . 1374). I n der Adresse J K . 914 eine deutl iche Einengung des Wirkungsbere ichs : Dilectis-simis f ra t r ibus , universis episcopis provinciarum omnium per Gallias, qui sub regno et po tes ta te gloriosissimi filii nostr i Childe-ber t i , regis F rancorum, const i tu t i sun t , sed et his, qui ex an t i qua consuetudine ab Arelatensi consecrati sunt vel consecrantur epis-copi, Vigilius. Mit dem Nachsa tz ,,sed et h i s " wird die Zugehörig-keit des gesamten Metropoli tanbezirks be ton t . Vgl. L ö n i n g I I , 77 ff.

206) J K . 918 MG. E p p . I I I nr . 44 p. 65 und an die Bischöfe im Reiche Childeberts I . J K . 919 nr . 43 p. 63.

2 0 ' ) J K . 944 nr . 50 p. 73. 208) J E . 1374 Reg. Greg . I . V, 58 MG. E p p . I . p . 368 sq. Gregor er-

tei l t folgende Rechte : 1. Gebrauch des Pal l iums mit der Einschrän-k u n g : quo (seil. Pallio) f r a t e rn i t a s t u a in t ra ecclesiam ad sola missa rum solemnia u t a t u r (vgl. die Pal l iumsverleihung an August in J 'E. 1829; Reg. X I , 39 u. Syagrius von A u t u n J E . 1751; Reg. I X , 222 cf. p . 292 n. 3). 2. F o r m a t e n r e c h t . 3. Bei schwierigen u n d wichtigen Entsche idungen sollen zwölf Bischöfe zur Beschluß-fassung herangezogen werden (vgl. die Diözesaneinteilung in E n g l a n d : J E . 1829). K a n n man auch dann keinen definit iven En t sche id t reffen, ist die causa nach R o m zu melden (die Be-schlußf indung durch gerade zwölf Bischöfe leitet sich vielleicht

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172 Hors t F u h r m a n n ,

Pallium allein, nicht Vikariatsrechte, erhält noch Florian 613209).

Schwieriger ist es, die Wirksamkeit des Vikariats zu über-prüfen. Daß der Bischof von Arles gallischen Klerikern litt, formatae ausgestellt hat, läßt sich nicht erweisen, ebenso-wenig eine umfassende Vermittlertätigkeit des Vikars zwischen Rom und gallischen Bischöfen. Größere Synoden sind vom Bischof von Arles weder einberufen, noch von seiner Ge-nehmigung abhängig gemacht worden210), doch unterschrieb er die Beschlüsse der wenigen Konzile, denen er beiwohnte, als erster (Paris II a. 552; Valence II a. 585)2n). Schon die wenigen Hinweise zeigen, daß es mit der „Primatialherrlich-keit des Bischofs von Arles" nicht weit hergewesen sein kann212). Sein Vorrang beruhte vor allem auf der Autorität, die er als Bischof eines ausgezeichneten Sitzes und Palliums-träger genoß und die ihm eine pietätvolle Rücksichtnahme seiner Amtskollegen sicherte. Man opponierte nicht offen gegen ihn, aber setzte sich stillschweigend über seine Rechte hinweg.

von der in af r ikanischen Konzilsbeschlüssen festgelegten Zahl der bischöflichen Kollegialrichter h e r : Car th . a. 419 c. 11 M a n s i IV, 426 C). Der Wirkungsbereich des Vikar ia ts in das Reich Childe-ber ts I I . ; die Rech te der Metropoli ten bleiben ungeschmäler t : J E . 1375 Reg. V, 59.

2 0 9) J E . 2001, gleichzeitiger Brief an Theoderich J E . 2002. Mit der vagen Andeu tung „privi legiorum t u o r u m videlicet in tegr i ta te s e r v a t a " ist der F o r t b e s t a n d der Pr imat ia l rechte k a u m ane rkann t worden ( G u n d l a c h , NA. 15 [1890], 249).

S1°) D a ß die Meinung Gundlachs von einer notwendigen Zu-s t immung des Bischofs von Arles f ü r das Zus tandekommen einer gallischen Synode auf e inem Mißvers tändnis be ruh t , wurde schon oben S. 155 Anm. 145 gezeigt.

2 U ) MG. Cone. I p . 115 sq. u . p . 162 sq. Bei Orleans V (a. 549) und Par is I V (a. 573) ist das ungewiß.

212) L ö n i n g I I , 83f . ; C a s p a r I I , 494f . ; H a u c k I , 395f. ; D u c h e s n e , Fas tes I2 , 139f. ; H i n s c h i u s I , 591; ähnlich G. S c h n ü r e r , L T h K . I I , 654f. ; C. F . A r n o l d , R E . 3 2, 59. Dagegen G u n d l a c h , NA. 15 (1890), 243f. ; S c h m i t z , H J b . 12 (1891), 275f. ; K . R u e ß , Die rechtl iche Stellung der päpst l ichen Legaten bis auf Bonifaz V I I I . (1912), 54.

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Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate. 173

Die Ähnlichkeit ihrer Aufgaben hat die Vikariate von Arles und von Thessalonich213) in einem Zusammenhang sehen lassen. Der Vikariat von Arles dünkte als „ein Beispiel der Anwendung der für Thessalonich entwickelten Formen"214). Doch gerade in der Form, den für eine ähnliche Aufgabe verliehenen Rechten, unterscheiden sich beide Vikariate nicht unerheblich215). Der Bischof von Arles hatte Aufsichtsrecht

213) Die Quellen über ihn sind größtentei ls in der sog. coli. Thessalonicensis ( M a n s i V I I I , 739 sq.) zusammengestel l t . Sie be-s teh t aus Briefen, die die Bischöfe S tephan v. Larissa u n d Theodor v. Echinus 531 in R o m vorgelegt haben , u m in der Tradi t ion die Zugehörigkeit des östlichen Il lyriens zu R o m zu beweisen ( C a s p a r I I , 206f.). Die immer wieder abgedruckte , o f t willküiliche Edi t ion H o l s t e s (1662) ist von E . S c h w a r t z , Die sogenannte Sammlung der Kirche von Thessalonich, Fes tschr . f. Rieh. Rei tzenstein (1931), 137—159 grundlegend korrigiert worden. Unabhängig von ihm h a t C . v . S i l v a - T a r o u c a nach cod. Va t . 5751 die coli. Thessal . in den Tex tus et Documen ta . . . series theologica 23 (Rom 1937) herausgegeben. I m folgenden ist nach dem leichter zugänglichen Mansi zi t iert . —• Alle Darste l lungen vor 1931 zeichnen notwendiger-weise ein schiefes Bi ld : F . S t r e i c h h a n , Z R G . K a n . Abt . X I I (1922), 330f. ; W . V ö l k e r , Z K G . 46 (1928), 370f. ; S t r e i c h h a n , Nochmals die Anfänge des Vikar ia ts v . Thessalonich, Z R G . K a n . Ab t . X V I I (1928), 538f . ; auch C a s p a r , P a p s t t u m I , 308f. u . ö. I m m e r noch wertvol l : L. D u c h e s n e , L 'Ulyr icum ecclésiastique, Byz. Z. 1 (1892), 531f. (Églises séparées 2 [1904], 229f . ) ,e ine Ant-wor t auf J . F r i e d r i c h s Zweifel an der Ech the i t der coli. (SB. München 1891, 771 f.), dem G. R a u s c h e n , J b b . d . christ l . Kirche un t e r Theodosius d. Gr. (1897), 469f. u n d auch M o m m s e n , NA. 18 (1893), 357 in bezug auf die Kaiserbriefe ( M a n s i V I I I , 759 sq.) z. T. gefolgt waren.

214) H i n s c h i u s , Ki rchenrecht I , 588. 216) Der Vikar ia t h a t n icht schon, wie Innozenz J K . 285 (mit

r ichtiger Emenda t ion H o i s t e s : Anysio, M a n s i V I I I , 751) u . J K . 300 (a. 415; S c h w a r t z 146 nr . 5 : . . . non pr imi tus . . .) vorgibt , un te r Damasus , Siricius u. Anastas ius bes tanden (treffend H a l l e r , P a p s t t u m I , 472); J K . 237, J K . 238 u n d J K . 259 sind nur Rechts -bestä t igungen, die der Thessalonicher Bischof vom P a p s t als neu t ra lem Richter e rbe ten h a t t e (ähnlich schon R a u s c h e n 473f.). Sie zeugen nur von einer engen Verbindung, nicht von einer rechtl ichen Oberhoheit R o m s (ebenso J K . 299, J K . 303, J K . 304). Die erste ordentl iche Bestal lung erhielt R u f u s 415 ( J K . 300), nachdem Stilicho u m 395 Il lyr . orientale aufgegeben

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174 H o r s t F u h r m a n n ,

„tarn in Gallica quam in Spania provinciis de causa reli-gionis"216), dem illyrischen Vikar sollte ,,quidquid de causis agitur" hinterbracht werden217). Wenn es nötig erschien, durfte der Arier Synoden einberufen, der Thessalonicher hatte darüber hinaus jede Provinzialsynode zu genehmigen218). Die causae maiores, die vom Vikar von Arles weiterzuleiten waren, durfte er selbst verhandeln oder nach Belieben dem Papst zur Erledigung übergeben219). Das wichtigste Recht aber, nämlich das der Ordination eines Metropoliten wie

h a l t e ( E . S t e i n , U n t e r s u c h , z . s p ä t r ö m . V e r w a l t u n g s g e s c h . , R h e i n . Mus. 74 [1925], 347f . , doch cod. T h e o d . V I I I , 4, 17?). Die le tz te F o r m h a t Bon i f a t i u s d e m Vika r i a t ver l iehen, n i ch t e rs t S ix tus I I I . Vgl. J K . 366. Bisher w u r d e dieser Brief n a c h Hols tes Ed i t i on Coeles-t i n zugesprochen , ein Feh le r , d e n schon R . v . N o s t i z - R i e n e c k , Z. f. k a t h . Theol . 21 (1897), 7f . b e m e r k t e . J K . 366 ist ku rz nach J K . 351 a b g e f a ß t (18. S e p t e m b e r 419; J K . 351 n u r im Br ie fende m i t „ q u o e p i s c o p u m s q . " [ M a n s i V I I I , 753 D] b o n i f a t i a n i s c h : vg l . S c h w a r t z , 151 f.), d e n n J K . 351 k e n n t Per igenes offensicht l ich noch n i ch t als Met ropo l i t en v . K o r i n t h . J K . 366 M a n s i V I I I , 760 D : cui (seil. R u f o ) v icem n o s t r a m pe r v e s t r a m p rov inc i am nover i t i s esse c o m m i s s a m , i ta , u t a d eUm, f r a t r e s car iss imi, qu id quid de causis ag i tu r r e f e r a t u r . Sine eius Consilio nu l lus ord i -n e t u r , nu l lus u s u r p e t e o d e m inconscio c o m m i s s a m illi p rov inc i am, colligere nisi c u m eius v o l ú n t a t e episcopos n o n p r a e s u m a n t , pe r e u m e t i a m a d nos, si qu id es t , r e f e r a t u r .

2,f i) J K . 769. 217) J K . 394: a d Thessa lon icensem maiores causae r e f e r a n t u r

a n t i s t i t e m , J K . 366, J K . 396: . . . a d e u m , q u i d q u i d a singulis s ace rdo t ibus ag i tu r r e f e r a t u r .

218) J K . 366; J K . 363. I n d iesem zwei ten Br iefe w e n d e t sich B o n i f a t i u s energisch gegen die Abs ich t der Thessa lonicher Oppo-si t ion, n a c h d e m E r l a ß Theodos ius ' I I . (Cod. Theod . X V I , 2, 45) Per igenes v. K o r i n t h in einer Synode abzuse tzen . Auf D r ä n g e n des Honor iu s ( M a n s i V I I I , 759) n a h m Theodos ius I I . seine Con-s t i t u t i o zu rück . Vgl. S c h w a r t z 156f.

219) J K . 366; J K . 396. Selbst da s F o r m a t e n r e e h t sche in t n i c h t e r s t v o n S ix tus I I I . e r te i l t w o r d e n zu sein, d e n n w e n n er 437 a n P roc lus v . K p l . schre ib t ( J K . 395): v o l u m u s cus todi re , id est , u t . . . si (quis) sine eius (ant i s t i t i s u rb i s Thessalonicensis) epis tol is a t q u e f o r m a t a venire t e n t a v e r i t , t a n q u a m discipl inae ecclesias-t i cae despec tor . . . h a b e a t u r , so se tz t dieses das Gebot , sich F o r m a t e n v o m Bischof v. Thessa lonich auss te l len zu lassen, vo raus .

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Studien zur Geschichte mit telal ter l icher Pa t r i a rcha te . 175

eines einfachen Bischofs, hatte der Vikar von Thessalonich allein. Dabei blieb sein Einfluß nicht auf eine passive Zu-stimmung beschränkt, ihm stand es auch frei, den Kandi-daten selbst zu wählen und auf seine Ordination zu dringen220). Trotzdem, obwohl der Vikariat von Thessalonich sich anders als der von Arles gibt, verleiht uns die gleiche Funktion das Recht, den beide verbindenden Terminus Vikariat zu gebrauchen, dessen Erscheinungsform sich ja bis ins 11. Jh . — bis auf Alexander II . und Gregor VII. — ständig geändert hat. Schon dem Wortsinn nach trägt er funktionalen Cha-rakter, und in ebenderselben Bedeutung soll er auch hier verstanden werden: eine zwischen Papst und Metropoliten stehende Instanz, deren Vertreter die päpstlichen Direktiven verwirklichen oder, gestützt auf die ihnen delegierten Rechte, selbständig im päpstlichen Sinne entscheiden sollen. In solcher Bedeutung darf Arles sehr wohl schon im Jahre 417 als Vikariat und Patroklus als Vikar gelten.

In einem Rückblick auf die Entwicklung Arles' als Vikariat wie als Metropole dürfen wir feststellen: Die Geschichte beider beginnt mit dem Zosimusprivileg 417, das dem Bischof von Arles Metropolitangewalt über die Provinzen Viennensis, Narbonensis I. und II., die alte vordiokletianische Narbo-nensis, erteilte, die Größe des seinem Einfluß als Vikar unter-stellten Gebietes jedoch offen läßt. Der Vikariat dieser Zeit darf nicht als eine genormte Institution verstanden werden, die in den Vikariaten von Thessalonich und Arles ihre Bei-spiele hat, sondern lediglich als eine Vermittlungsinstanz zwischen Bischöfen und Papst, die ihren Träger — gestützt auf gewisse Sonderrechte wie im Falle Arles das Formaten-recht und die beschränkte Gerichtsbarkeit — über die Schar der übrigen Metropoliten erhebt. Dieser Stellung ging, jeden-falls nach römischer Meinung, der Bischof von Arles (422 ?) verlustig, jeder weitere Gebrauch der Rechte war eine An-maßung. Von der päpstlichen Auffassung unbeeinflußt, griff Hilarius weiterhin in rastlosem Ordnungseifer auf fremde Provinzen über, bis Leo I. ihn als Metropoliten absetzte und

22°) JK. 394; vgl. auch JK. 366; JK. 396.

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176 H . F u h r m a n n , Studien ζ. Gesch. mit te la l ter l . Pa t r i a rcha te .

nur noch als einfachen Bischof von Arles gelten ließ. Von 445—450 ruhte der Vikariat. Unter Ravennius gewann Arles wieder einen leichten Autoritätsvorrang, eine rechtliche Fun-dierung fehlte. Hilarus schuf hier Wandel und legte durch sein Privileg den Grundstein für den Vikariat der zweiten Periode. Die Einflußsphäre umfaßte die Provinzen Viennensis, Lugdunensis, Narbonensis I., II. und die Alpenprovinzen. Dann stagnierte die Entwicklung bis zum Symmachusbrief 514, der das Vorbild für die weiteren Vikarsernennungen ab-gab. Im Laufe des 6. Jh.s wurde der Vikariat von seiner Aus-dehnung über nahezu ganz Südgallien zeitweise auf frän-kische Teilreiche beschränkt, bis er schließlich nur noch dem Buchstaben nach bestand und 613 nicht mehr erneuert wurde221). —

Mit der Geschichte des Arier Vikariats ist die des Metro-politanverbandes eng verbunden. 422 wurde dem Bischof von Arles die Narbonensis I. abgesprochen, an deren Stelle tauchen die Alpes Maritimae im Metropolitanverband auf. 445 verlor Hilarius die gesamte Kirchenprovinz, 450 erhielt Ravennius einen Teil der Viennensis wieder zurück. In der Zeit der Machtlosigkeit des Bischofs von Arles gewannen die Metropoliten der Alpes Maritimae und Narbonensis II. an Selbständigkeit, die sie aber im Laufe der Zeit wieder ein-büßten. 514 wurde die Arier Kirchenprovinz in ihrem Um-fang auf den südlichen Teil der Viennensis, Narbonensis II. und Alpes Maritimae bestätigt.

221) Lyon hatte in den letzten Jahrzehnten des 6. Jh.s immer mehr an Einfluß gewonnen. Ein äußeres Zeichen dieser Entwick-lung ist der 20. can. des Konzils von Mâcon II. (a. 585; MG. Cone. I p. 172 .Vg l .C .deClercq , La législation religieuseFranque deClovis à Charlemagne (1936), 51f . ; B a r i o n 214 Anm. 27 u. 250 Anm. 62; A . C o v i l l e , Recherches sur l'histoire de Lyon du V m e siècle au I X m e siècle [460—800], 1928, 341f.), der vorsah, daß die Bischöfe des burgundischen Reiches jedes dritte Jahr auf Ver-anlassung des Bischofs von Lyon zusammenkommen sollten. Zum Patriarchentitel siehe S. 136 Anm. 83. Die Formulierung, daß die Ehrenrechte des „Primas von Arles" förmlich auf den Bischof von Lyon übergingen ( E b e r s , Grundriß 33), läßt den Ablauf in einer der Sache fremden Kausalität erscheinen.

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