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Landesrechnungshof
Mecklenburg-Vorpommern
Jahresbericht 2013
- Teil 1 -
Kommunalfinanzbericht 2013
Vorwort des Präsidenten des Landesrechnungshofes
Den Kommunalfinanzbericht legen wir nunmehr zum siebten Mal und auch 2013 als ersten
Teil unseres Jahresberichts vor. Bestandteile des Berichts sind empirische Analysen, Stellung-
nahmen zu aktuellen kommunalpolitischen Themen und Ergebnisberichte hinsichtlich unserer
Kommunalprüfungen.
Aufgrund der vielfältigen Aufgaben und der Fülle des Prüfungsstoffes muss der Landesrech-
nungshof bei der Auswahl seiner Prüfungsvorhaben Prioritäten setzen. Dabei bezieht er u. a.
auch die kommunale Haushaltssituation und aktuelle kommunale Themen in seine Überlegun-
gen mit ein. Doch nicht allein deswegen werden die Kommunalfinanzberichte durch die bei-
den Teile eingeleitet, sondern auch, weil die in der Vergangenheit hierzu lebhaft geführten
Diskussionen gezeigt haben, dass diese Teile Basis für faktenbasierte Entscheidungen von
Land und Kommunen geworden sind.
Der Landesrechnungshof wurde dieses Jahr hinsichtlich der statistischen Daten mit großen
Schwierigkeiten bei der Erstellung des Berichts konfrontiert. Relevante Finanzstatistiken wur-
den zunächst nicht veröffentlicht oder waren nicht aussagekräftig genug, um die kommunale
Finanzlage Mecklenburg-Vorpommerns präzise abzubilden. Robuste und zukunftsfeste Finan-
zen sind jedoch nur auf Grundlage von verlässlichen Daten möglich. Der Landesrechnungshof
sieht hier die Landesregierung in der Pflicht, mit geeigneten Maßnahmen dafür Sorgen zu tra-
gen, dass sich derartige Probleme in Zukunft nicht wiederholen.
Bedenklich stimmt mich die finanzwirtschaftliche Entwicklung der kommunalen Ebene. Wäh-
rend der Landesrechnungshof den Kommunen im Vorjahr an dieser Stelle in der Gesamtsicht
eine noch positive Haushaltslage attestieren konnte, muss erstmals seit dem Jahr 2006 für die
gesamte kommunale Ebene ein Defizit und eine rapide Verschlechterung festgestellt werden.
Ob die Kommunen in der Vergangenheit ausreichende Konsolidierungsschritte unternommen
haben, ist fraglich. Strukturreformen sind dringend erforderlich.
Hier sind allerdings nicht nur die Kommunen gefordert, sondern auch die Landesregierung.
Neben einer anreizkompatiblen Reform der Finanzbeziehungen zwischen Land und kommu-
naler Ebene ist eine Reform der unterkreislichen Ebene zwingend notwendig. Zum einen sind
die kommunalen Finanzprobleme zu einem nicht geringen Teil der kleingliedrigen Struktur
der Gemeinden geschuldet. Zum anderen ist die Größe und die Struktur der Gemeinden ange-
sichts des vorhergesagten Rückgangs und der weiteren Alterung der Bevölkerung des Landes
I
nicht zukunftsfest. Um die finanzielle Lage der Kommunen auch mittel- bis langfristig sicher-
zustellen, muss wie auf der Ebene der Landkreise der Schritt zu größeren Einheiten gegangen
werden, um auch dort Größen- bzw. Skaleneffekte zu realisieren.
Das Hilfspaket, dass das Land mit den kommunalen Landesverbänden auf dem Kommunal-
gipfel vereinbart hat, ist keine nachhaltige Lösung, weil es nicht an den strukturellen Ursachen
der Finanzprobleme anknüpft. Hier werden 100 Mio. Euro unkonditioniert in das Zuweisungs-
system gegeben, was die Lösung lokalpolitisch schwieriger Themen wie zum Beispiel höherer
Nutzerfinanzierungen bzw. höherer Realsteuern lediglich in die Zukunft verlagert. Nicht zu-
letzt muss beachtet werden, dass der finanzielle Gewinn der kommunalen Ebene durch das
Hilfspaket in der Regel zulasten des Landes geht. Land und Kommunen sind jedoch konsoli-
diert zu betrachten und sollten mit Blick auf die finanzwirtschaftlichen Herausforderungen der
Zukunft an einem Strang ziehen.
Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei den Mitgliedern des Landtags und der Landes-
regierung, den Landräten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern sowie allen Mitarbeitern
des Landes und der Kommunen für ihre Zusammenarbeit.
Ebenso gilt mein Dank den Mitgliedern und Mitarbeitern des Landesrechnungshofes für die
Erstellung der Prüfberichte und Analysen. Ohne diese wäre der Kommunalfinanzbericht 2013
nicht möglich gewesen.
Schwerin, im Oktober 2013
Dr. Tilmann Schweisfurth
II
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung.........................................................................................................................1
1 Rechtliche Rahmenbedingungen der Kommunalprüfung........................................1
2 Zur aktuellen Situation der kommunalen Finanzstatistik.........................................3
3 Vorbemerkungen......................................................................................................8
II. Allgemeiner Teil.............................................................................................................11
1 Strukturelle Rahmenbedingungen..........................................................................11
2 Lage der kommunalen Finanzwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns..................15
3 Die kommunale Finanzwirtschaft im Vergleich....................................................25
4 Kommunale Verschuldung.....................................................................................36
III. Aktuelle Themen............................................................................................................41
1 Abfrage zum Umsetzungsstand des NKHR M-V..................................................41
2 Reform des Finanzausgleichsgesetzes....................................................................48
3 Entwicklung, Stand und Abrechnung aller Maßnahmen zur Verbesserung der
kommunalen Einnahmen über den Gleichmäßigkeitsgrundsatz und das
FAG M-V hinaus....................................................................................................58
4 Kommunalwirtschaftliche Betätigung im Bereich der erneuerbaren Energien......66
5 Korruptionsprävention/- bekämpfung bei den Landkreisen, kreisfreien und
großen kreisangehörigen Städten – Ergebnis einer Abfrage..................................69
6 Zustandserfassung und -bewertung sowie Bedarfsplanung zur Erhaltung
kommunaler Straßen – Ergebnis einer Abfrage.....................................................79
IV. Ergebnisse der überörtlichen Prüfungen....................................................................89
1 Querschnittsprüfung der Ordnungsmäßigkeit des Vergabewesens bei vier
kreisangehörigen Städten.......................................................................................89
2 Prüfung der Hansestadt Rostock, Hilfen zur Erziehung.........................................97
3 Prüfung der Landeshauptstadt Schwerin, Hilfen zur Erziehung..........................104
4 Planung und Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen an kommunalen Straßen
(Landeshauptstadt Schwerin)...............................................................................112
5 Planung und Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen an kommunalen Straßen
(Landkreis Rostock).............................................................................................118
V. Prüfung kommunaler Beteiligungen..........................................................................123
1 Wirtschaftliche Verknüpfungen und Interessenkollisionen bei Mitgliedern
von Aufsichtsorganen kommunaler Unternehmen...............................................123
III
2 Optimierung der Strukturen der Wasserversorgung und Abwasser-
beseitigung - Festland Wolgast............................................................................133
3 Kommunale Mikrogesellschaften........................................................................140
IV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Finanzierungssalden der Kommunen Ostdeutschlands ohne revidierte und
mit revidierten Daten auf Basis der GFK, 2012..................................................7
Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen im Ländervergleich, 2012,
in Euro je Einwohner........................................................................................12
Abbildung 3: SGB II-Quote im Ländervergleich, 2012, in Prozent........................................13
Abbildung 4: Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im Ländervergleich, 2012,
Jahresdurchschnitt.............................................................................................14
Abbildung 5: Bereinigte Einnahmen und Ausgaben sowie Finanzierungssaldo der
Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2005-2012, in Mio. Euro .....15
Abbildung 6: Veränderungen wesentlicher Einnahmepositionen im Vergleich 2012
zum Vorjahr, in Mio. Euro................................................................................17
Abbildung 7: Veränderungen wesentlicher Ausgabepositionen im Vergleich 2012
zum Vorjahr, in Mio. Euro................................................................................18
Abbildung 8: Kommunale Sozialausgaben und Sachinvestitionen
Mecklenburg-Vorpommerns, 1995-2012, in Mio. Euro...................................19
Abbildung 9: Finanzierungssalden der kommunalen Gebietskörperschaften in
Mecklenburg-Vorpommern, 2008-2012, in Euro je Einwohner.......................20
Abbildung 10: Entwicklung der Sachinvestitionsquoten bei einzelnen
Gebietskörperschaftsebenen in Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2012, in
Prozent..............................................................................................................24
Abbildung 11: Finanzierungssalden der Körperschaften des öffentlichen Gesamthaushaltes,
2010-2012, in Mrd. Euro...................................................................................26
Abbildung 12: Finanzierungssalden der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2000-2012,
in Euro je Einwohner........................................................................................27
Abbildung 13: Streuung der gewogenen Hebesätze der Gewerbesteuer im Ländervergleich,
2011, in v. H......................................................................................................32
Abbildung 14: Kommunale Kassenverstärkungskredite in Mecklenburg-Vorpommern,
1995-2012, jeweils zum 31.12., in Mio. Euro .................................................38
V
Abbildung 15: Schuldenstand der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte
sowie der Landkreise, 31.12.2011, in Euro je Einwohner ...............................39
Abbildung 16: Schuldenstand der höchst verschuldeten Gemeinden
Mecklenburg-Vorpommerns, 31.12.2011, in Euro je Einwohner.....................39
Abbildung 17: Schematische Darstellung des FAG M-V, 2012...............................................52
Abbildung 18: Zuweisungsarten auf Basis der Haushaltspläne im Ländervergleich
(netto), 2013, in Euro je Einwohner..................................................................54
Abbildung 19: Leistungen der Länder an die Kommunen auf Basis der Haushaltspläne
(netto), 2013, in Euro je Einwohner .................................................................55
Abbildung 20: Schema des Zwei-Schlüsselmassen-Modells....................................................56
Abbildung 21: Zuweisungen an die Kommunen innerhalb und außerhalb des FAG M-V.......59
Abbildung 22: Anteil der Leistungen des Landes an die Kommunen innerhalb des
kommunalen Finanzausgleichs im Verhältnis zu den Gesamtleistungen des
Landes an die Kommunen, 2008-2012.............................................................62
Abbildung 23: Leistungen des Landes an die Kommunen außerhalb des kommunalen
Finanzausgleichs – Verteilung nach Ressorts, 2008-2012,
in 100 Mio. Euro ..............................................................................................62
Abbildung 24: Übersicht zu den verschiedenen Bereichen des Straßenbaus............................79
Abbildung 25: Nettoausgaben in den Jahren 2008-2011 in der Hansestadt Rostock
in Mio. Euro......................................................................................................98
Abbildung 26: Entwicklung der Hilfen in den Jahren 2008-2011 in der
Hansestadt Rostock...........................................................................................98
Abbildung 27: Nettoausgaben in den Jahren 2008-2011 in der Landeshauptstadt Schwerin,
in Mio. Euro....................................................................................................105
Abbildung 28: Entwicklung der Hilfen insgesamt in den Jahren 2008-2011 in der
Landeshauptstadt Schwerin.............................................................................106
VI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ergebnisse der GFK des Statistischen Bundesamtes und der Kassenstatistik des
Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern, in Mio. Euro..............................5
Tabelle 2: Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts in
Mecklenburg-Vorpommern und den FO sowie FFW, 2008-2012, in Prozent......11
Tabelle 3: Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern,
2008-2012, in Mio. Euro.......................................................................................16
Tabelle 4: Salden der laufenden Rechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen
Mecklenburg-Vorpommerns, 2008-2012, in Euro je Einwohner..........................22
Tabelle 5: Ausgaben der Kapitalrechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen
Mecklenburg-Vorpommerns, 2008-2012, in Euro je Einwohner..........................23
Tabelle 6: Einnahmen der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2012, in Euro je
Einwohner..............................................................................................................28
Tabelle 7: Einnahmen aus der Grundsteuer A und B im Vergleich der Flächenländer,
2008-2012, in Euro je Einwohner..........................................................................29
Tabelle 8: Gewogene durchschnittliche Hebesätze der Grundsteuer A und B im Vergleich
der Flächenländer, in v. H., 2011...........................................................................30
Tabelle 9: Einnahmen aus der Grundsteuer A im Vergleich der Flächenländer, 2011, in
Euro je genutzter Landwirtschaftsfläche (km²)......................................................31
Tabelle 10: Einnahmen aus der Gewerbesteuer im Vergleich der Flächenländer,
2008-2012, in Euro je Einwohner..........................................................................31
Tabelle 11: Ausgaben der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2012,
in Euro je Einwohner.............................................................................................35
Tabelle 12: Schuldenstand der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 31.12.2012, in Euro
je Einwohner..........................................................................................................37
Tabelle 13: Aufgabenwahrnehmung.........................................................................................81
Tabelle 14: Straßenbaulast........................................................................................................81
Tabelle 15: Haushaltsansätze 2012 sowie pro km Straße.........................................................82
Tabelle 16: Übersicht der gewählten Vergabearten..................................................................90
VII
Tabelle 17: Gesamtübersicht der Fehlerhäufigkeit (VOB).......................................................91
Tabelle 18: Gesamtübersicht der Fehlerhäufigkeit (VOL).......................................................92
Tabelle 19: Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung in der Hansestadt Rostock in den
Jahren 2008-2011...................................................................................................99
Tabelle 20: Bevölkerungsentwicklung in der Hansestadt Rostock in den Jahren
2008-2011..............................................................................................................99
Tabelle 21: Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung in der Landeshauptstadt Schwerin
in den Jahren 2008-2011......................................................................................106
Tabelle 22: Bevölkerung in der Landeshauptstadt Schwerin 2008-2011...............................107
Tabelle 23: Baulast Landkreis Rostock, unterteilt nach den ehemaligen Kreisgebieten
Güstrow und Bad Doberan..................................................................................118
Tabelle 24: Zustandsnoten Landkreis Rostock zur Eröffnungsbilanz 2012, unterteilt nach
Kreisgebieten Güstrow und Bad Doberan...........................................................120
Tabelle 25: Statistische Angaben zum Zweckverband, 31.12.2010.......................................134
Tabelle 26: Technische Grundlagen des Zweckverbandes, 31.12.2010.................................134
VIII
Abkürzungsverzeichnis
a. F. alte Fassung
Abs. Absatz
AmtsBl. M-V Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommern
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BIP Bruttoinlandsprodukt
Drs. Drucksache
DSG M-V Landesdatenschutzgesetz M-V
E EMI Empfehlung für das Erhaltungsmanagement von Innerortsstraßen
EEG Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien
EGW Einwohnergleichwert
EStG Einkommensteuergesetz
EW Einwohner
FAG M-V Finanzausgleichsgesetz Mecklenburg-Vorpommern
FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen
FPStatG Gesetz über Statistiken der öffentlichen Finanzen im des Personals im öffentlichen Dienst
GemHVO M-V Landesverordnung über die Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplanes der Ge-meinden des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Gemeindehaushaltsverordnung)
GemHVO-Doppik Gemeindehaushaltsverordnung-Doppik
GFK Vierteljährliche Kassenstatistik der Gemeinden und Gemeindeverbände des Statisti-schen Bundesamtes (Gemeinde Finanzen Kasse)
Gv. Gemeindeverbände
GVOBl. M-V Gesetz- und Verordnungsblatt Mecklenburg-Vorpommern
HGB Handelsgesetzbuch
HGrG Haushaltsgrundsätzegesetz
HKR-Verfahren Haushalts-, Kassen und Rechnungswesen-Verfahren
i. V. m. in Verbindung mit
k. A. keine Angaben
KAFG Kommunales Ausgleichsfondsgesetz Mecklenburg-Vorpommern
KAG M-V Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern
KdU Kosten der Unterkunft und Heizung
KFA Kommunaler Finanzausgleich
KHKFondsVO M-V Kommunale Haushaltskonsolidierungsfondsverordnung
KLR Kosten- und Leistungsrechnung
KomDoppikEG M-V Gesetz zur Einführung der Doppik im kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen
KPG M-V Kommunalprüfungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern
KV M-V Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern
LHO Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern
LVerG Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
LWaG Wassergesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern
IX
n. F. neue Fassung
NKHR M-V Neues Kommunales Haushalts und Rechnungswesen Mecklenburg-Vorpommern
Peewa Peenestrom Wasser GmbH
SDS Eigenbetrieb Stadtwirtschaftliche Dienstleistungen Schwerin
SGB II Zweites Buch Sozialgesetzbuch
SGB VIII Achtes Buch Sozialgesetzbuch
SGB XII Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch
SoBEZ Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen
Straßenverzeichnis-Verordnung
Verordnung über die Straßenverzeichnisse für die öffentlichen Straßen nach dem Stra-ßen- und Wegegesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern
Tz./Tzn. Textziffer(n)
Verf. M-V Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern
VGR Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen
VOB/A Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A
VOL/A Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A
VQFG M-V Verbundquotenfestlegungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern
VV Verwaltungsvorschrift
VV-Kor Verwaltungsvorschrift zur Bekämpfung von Korruption in der Landesverwaltung
ZIP-Programm Zukunftsinvestitionsprogramm
X
Länderbezeichnungen
BB Brandenburg
BW Baden-Württemberg
BY Bayern
HE Hessen
MV Mecklenburg-Vorpommern
NI Niedersachsen
NW Nordrhein-Westfalen
RP Rheinland-Pfalz
SH Schleswig-Holstein
SL Saarland
SN Sachsen
ST Sachsen-Anhalt
TH Thüringen
FO Durchschnitt der Flächenländer Ost ohne MV (BB, SN, ST und TH)
FFW Durchschnitt der finanzschwachen Flächenländer West (NI, RP, SL und SH)
D Deutschland
Bezeichnungen der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sowie der Altlandkreise
HGW Universitäts- und Hansestadt Greifswald
NB Neubrandenburg
HRO Hansestadt Rostock
LH SN Landeshauptstadt Schwerin
HST Hansestadt Stralsund
HWI Hansestadt Wismar
DBR Landkreis Bad Doberan
DM Landkreis Demmin
GÜ Landkreis Güstrow
LWL Landkreis Ludwigslust
MST Landkreis Mecklenburg-Strelitz
MÜR Landkreis Müritz
NVP Landkreis Nordvorpommern
NWM Landkreis Nordwestmecklenburg
OVP Landkreis Ostvorpommern
PCH Landkreis Parchim
RÜG Landkreis Rügen
UER Landkreis Uecker-Randow
XI
Bezeichnungen der Landkreise
NWM Landkreis Nordwestmecklenburg
LP Landkreis Ludwigslust-Parchim
LRO Landkreis Rostock
VR Landkreis Vorpommern-Rügen
MSP Landkreis Mecklenburgische Seenplatte
VG Landkreis Vorpommern-Greifswald
XII
I. Einleitung
1 Rechtliche Rahmenbedingungen der Kommunalprüfung
(1) Nach Art. 68 Abs. 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Verf.
M-V) überwacht der Landesrechnungshof die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des
Landes. Er untersucht hierbei die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen
Verwaltung. Ferner ist der Landesrechnungshof auch zuständig, soweit Stellen außerhalb der
Landesverwaltung und Private Landesmittel erhalten oder Landesvermögen oder Landesmittel
verwalten.
Der Landesrechnungshof überwacht nach Art. 68 Abs. 4 Verf. M-V auch die Haushalts- und
Wirtschaftsführung der kommunalen Körperschaften und der übrigen juristischen Personen
des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen.
(2) Demgegenüber ist nach §§ 4 ff. Kommunalprüfungsgesetz (KPG M-V) der Landes-
rechnungshof für die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften verantwortlich,
die der unmittelbaren Rechtsaufsicht des Landes unterliegen (kreisfreie und große kreisange-
hörige Städte sowie Landkreise). Im Übrigen ist der Landrat gemäß § 6 KPG M-V für die
überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften zuständig, für deren Rechtsaufsicht er
verantwortlich ist.
Der Landesrechnungshof kann darüber hinaus Querschnittsprüfungen im Benehmen mit dem
Ministerium für Inneres und Sport1 durchführen.
(3) Bei der überörtlichen Prüfung wird insbesondere festgestellt, ob
• die Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie die sonstige Verwaltungstätigkeit der
kommunalen Körperschaft und ihrer Sondervermögen den Rechtsvorschriften und
den Weisungen der Aufsichtsbehörden entsprechen (Ordnungsprüfung),
• die Kassengeschäfte ordnungsgemäß geführt werden (Kassenprüfung) und
• die Verwaltung der kommunalen Körperschaft oder ihre Sondervermögen sachge-
recht und wirtschaftlich geführt wird (Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprü-
fung).
(4) Der Umgang mit den Prüfungsergebnissen obliegt letztlich den kommunalen Körper-
schaften, sie können zudem als Grundlage für Entscheidungen der Kommunalaufsicht dienen.
1 Im Folgenden stets Innenministerium genannt.
1
Auf der Basis der Prüfungsergebnisse sollen Korrekturnotwendigkeiten der bisherigen Ver-
waltungspraxis und Erfolg versprechende Gestaltungsmöglichkeiten für die künftige Haus-
halts- und Wirtschaftsführung aufgezeigt werden.
(5) Aufgrund des Umfanges der Aufgaben und seiner begrenzten Personalressourcen setzt
der Landesrechnungshof bei der Auswahl seiner Prüfungsvorhaben Prioritäten. Bei der Ent-
scheidung über die Prüfungsplanung stützt sich der Landesrechnungshof auf alle ihm zugäng-
lichen Informationen. Dabei bezieht er im Kommunalbereich auch die allgemeine Haushalts-
lage der Kommunen in seine Überlegungen ein.
(6) Der jährliche Kommunalfinanzbericht, der ein Teil des Jahresberichts an den Landtag
ist (§ 97 Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern [LHO]), wird deshalb mit einer
Darstellung des aktuellen Standes der kommunalen Finanzwirtschaft und deren Entwicklung
sowie der Auswertung wesentlicher Änderungen eingeleitet (Abschnitt II). Darüber hinaus
nimmt der Landesrechnungshof zu aktuellen Themen Stellung (Abschnitt III).
(7) Neben dem zuvor skizzierten allgemeinen Teil des Kommunalfinanzberichts werden
die Ergebnisse zu den überörtlichen Prüfungen sowie die sich daraus ergebenden Empfehlun-
gen in Abschnitt IV vorgestellt. Außerdem enthält der Kommunalfinanzbericht Ergebnisbe-
richte bezüglich der Prüfungen kommunaler Beteiligungen (Abschnitt V).
In diesen Abschnitten nimmt der Landesrechnungshof die Fälle auf, die für die Entlastung der
Landesregierung durch den Landtag bedeutsam sein könnten (Art. 67 Abs. 3 Verf. M-V).2
(8) Sowohl das Innenministerium als oberste Rechtsaufsicht als auch das Finanz-
ministerium Mecklenburg-Vorpommern und kommunale Körperschaften, soweit betroffen,
sind zum Entwurf des Kommunalfinanzberichts angehört worden. Gleichzeitig haben die Ge-
schäftsstellen der kommunalen Landesverbände Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die
Hinweise der Stellen wurden im vorliegenden Bericht bzw. werden bei der Erstellung künfti-
ger Kommunalfinanzberichte berücksichtigt.
2 Für weitere Informationen bezüglich des verfassungsrechtlichen Auftrages und der rechtlichen Stellung sowieder Organisation, der Aufgaben sowie der Arbeitsweise des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpom-mern siehe Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Grundlagen der Finanzkontrolle und deröffentlichen Haushaltswirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern.
2
2 Zur aktuellen Situation der kommunalen Finanzstatistik
(9) Die Analysen des Landesrechnungshofes hinsichtlich der finanzwirtschaftlichen Ent-
wicklung und der finanziellen Situation der kommunalen Haushalte Mecklenburg-Vorpom-
merns basieren vor allem auf der Kassenstatistik des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vor-
pommern (Kassenstatistik) und der Kassenstatistik des Statistischen Bundesamtes (GFK).
Nach § 3 Absatz 2 Nummer 2 des Gesetzes über Statistiken der öffentlichen Finanzen und des
Personals im öffentlichen Dienst (FPStatG) handelt es sich bei der Kassenstatistik und der
GFK um dieselbe Bundesstatistik. Diese erfasst in unterschiedlicher regionaler Gliederung für
die Kern- und Extrahaushalte (Extrahaushalte seit 2011) vierteljährlich für das vergangene
Quartal die Ist-Ausgaben/Aufwendungen und Ist-Einnahmen/Erträge in der Gliederung nach
Arten, die Bauausgaben nach Aufgabenbereichen und den Schuldenstand am Ende eines jeden
Vierteljahres nach Art der Schulden (Daten).3 Einbezogen werden dabei die Kassendaten des
jeweiligen Berichtszeitraumes, unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung oder Verrechnung. Im
Normalfall werden die Ergebnisse der Statistik vom Statistischen Bundesamt und vom Statis-
tischen Amt Mecklenburg-Vorpommern jeweils viermal im Jahr veröffentlicht.4
Während die Kassenstatistik die finanzwirtschaftliche Lage der kommunalen Gebietskörper-
schaftsebenen von Mecklenburg-Vorpommern darstellt, werden in der GFK die Ergebnisse al-
ler Kommunen im Ländervergleich dargelegt. Gemeinsam haben die beiden Publikationen die
Statistikmeldungen (Datenmeldungen) der hiesigen Kommunen und das sich daraus ergebene
Ergebnis für den kommunalen Gesamthaushalt Mecklenburg-Vorpommern.
(10) Der Landesrechnungshof wurde dieses Jahr hinsichtlich der statistischen Daten mit
großen Schwierigkeiten bei der Erstellung des Kommunalfinanzberichtes konfrontiert. Wegen
offensichtlich unzureichender und fehlerhafter sowie insbesondere unvollständiger Datenliefe-
rungen mit Korrekturbedarf seitens der Kommunen erfolgte sowohl durch das Statistische
Amt Mecklenburg-Vorpommern als auch durch das Statistische Bundesamt keine quartalswei-
se Veröffentlichung der Ergebnisse. Ebenso verzichtete das Statistische Amt Mecklen-
burg-Vorpommern zunächst auf die Publikation für das Gesamtjahr 2012, weil die kumulier-
ten Quartalsergebnisse nicht plausibel erschienen.
3 Durch die Finanzstatistik werden die Daten derzeit noch kameral und nicht doppisch aufbereitet. Daher gibtes auch keine Anknüpfungspunkte an den Ergebnishaushalt oder die -rechnung. Wesentliche Positionen desErgebnishaushaltes werden daher in der Finanzstatistik nicht abgebildet (vgl. Bertelsmann Stiftung (2013):Kommunaler Finanzreport 2013 - Einnahmen, Ausgaben und Verschuldung im Ländervergleich, S. 53).
4 Vgl. Statistisches Bundesamt (2013): Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts –1. - 4. Vierteljahr 2012 (Fachserie 14 Reihe 2).
3
Das Statistische Bundesamt, das die durch das Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern
erhobenen Daten für die bundesweite Berichterstattung in der GFK aufbereitet, veröffentlichte
die Daten für das Jahr 2012 trotz der offenkundigen Probleme. Es versah allerdings seine
GFK mit dem Hinweis, dass diese für Mecklenburg-Vorpommern nur eingeschränkt aussage-
kräftig seien. Die Probleme sind offenbar vor allem durch die Einführung der kommunalen
Doppik (insbesondere Buchungs- und Softwareprobleme) und durch die Umsetzung der
Kreisgebietsreform hervorgerufen und waren schon seit geraumer Zeit angekündigt (vgl. dazu
auch die Ausführungen zum Umsetzungsstand der kommunalen Doppik in Abschnitt III.1).
(11) Nach erstmaliger Aufbereitung der Kassenstatistik für das Gesamtjahr begann das Sta-
tistische Amt Mecklenburg-Vorpommern mit Hilfe des Innenministeriums im ersten Quartal
2013 die Fehlerquellen zu sondieren. Ziel war es, mit überarbeiteten Daten ein aussagefähiges
Bild der kommunalen Finanzsituation zu generieren.
Dem Statistischen Amt Mecklenburg-Vorpommern war schon im Laufe des Jahres 2012 be-
kannt, dass die quartalsweise erhobenen Daten unzureichend waren und es verzichtete folge-
richtig auf eine Veröffentlichung. Der Landesrechnungshof kann nicht nachvollziehen, dass
nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt geeignete Maßnahmen ergriffen wurden, um die of-
fensichtlich fehlerhaften Daten einzelner Kommunen im Sinne einer Qualitätssicherung tiefer-
gehend zu hinterfragen.
Das Innenministerium verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass schon im Verlauf des Be-
richtsjahrs 2012 begleitend zu den vierteljährlich eingehenden, vielfach unvollständigen Da-
tenlieferungen Nachfragen erfolgt seien. Zukünftig werde beabsichtigt, die Abgabefristen zur
Einreichung der kassenmäßigen Abschlüsse zum 4. Quartal für die größeren Verwaltungen zu
verlängern, da insbesondere die erheblichen Buchungsrückstände der Kommunen zur fehler-
haften Auswertung der Kassenstatistik beitrugen.
Aus Sicht des Landesrechnungshofes ist der Schluss zu ziehen, dass die ergriffenen qualitäts-
sichernden Maßnahmen (hier: Nachfragen) nicht ausreichend waren, um den Fehlentwicklun-
gen in Hinsicht auf die Finanzstatistik entgegenzutreten.
Das Innenministerium gab weiterhin an, dass der Bestand des mit der Bearbeitung der Finanz-
statistiken betrauten Personals des Statistischen Amtes bislang mit äußerster Anstrengung des
Landesamtes für innere Verwaltung im Wege befristeter Stellenbesetzungen stabil gehalten
werden konnte. Die zur Absicherung belastbarer statistischer Kommunalfinanzdaten in der
Umstellungsphase mit dem Innenministerium angestrebte vorübergehende Personalzuführung
habe nicht vorgenommen werden können.
4
Aus Sicht des Landesrechnungshofes ist die zeitweise Unterstützung des Statistischen Amts
durch das Innenministerium ein Indiz dafür, dass der Mitarbeiterbestand dort nicht ausrei-
chend war, um die Gemeindefinanzen zutreffend und hinreichend differenziert seitens des
Statistischen Amtes zu begleiten. Möglicherweise hätten die Probleme mit einem höheren
Mitarbeiterbestand bzw. durch eine andere organisatorische Anbindung vermieden werden
können.
(12) Die Nachbereitung bzw. die Qualitätssicherung für das Ergebnis 2012 dauerte bis
Ende Mai 2013.5 Die gesetzlich vorgesehene zeitnahe Verfügbarkeit der Statistik konnte nicht
eingehalten werden.
Besorgniserregend ist, wie deutlich die eigentlich identischen Ergebnisse der GFK und der
nachbereiteten Kassenstatistik voneinander abweichen (vgl. Tabelle 1).
Tabelle 1: Ergebnisse der GFK des Statistischen Bundesamtes und der Kassenstatistik des Statisti-schen Amtes Mecklenburg-Vorpommern, 2012, in Mio. Euro
Statistisches Amt M-VStatistisches Bundes-
amtAbweichung
Kassenstatistikvom 18. Juni 2013
GFKvom 22./26. März 2013
in Mio. Euro in Prozent
Bereinigte Einnahmen 3.738 3.711 27 0,7
Bereinigte Ausgaben 3.778 4.026 -248 -6,6
Finanzierungssaldo -41 -315 275 -687,5
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen.
(13) Die erstmalige Veröffentlichung der Zahlen für Mecklenburg-Vorpommern durch das
Statistische Bundesamt im März 2013 wies einen negativen Finanzierungssaldo von 315 Mio.
Euro aus, der um 275 Mio. Euro von den drei Monate später veröffentlichten Daten des Statis-
tischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern abweicht. Nachdem die Einnahmen und Ausgaben
in entsprechenden Schlüsselpositionen hinterfragt und überarbeitet wurden, ergab sich nun-
mehr mit Veröffentlichung vom 18. Juni 2013 ein negativer Finanzierungssaldo von nur noch
41 Mio. Euro.
(14) Damit ist offensichtlich, dass zunächst nicht alle Kommunen in der Lage waren, voll-
ständige und korrekte Daten an das Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern zu liefern.
Problematisch ist, dass die Daten, die durch das Statistische Bundesamt veröffentlicht wurden,
5 Nach Angaben des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern basieren die Abweichungen auf fehlerhaf-te systeminterne Kontenzuordnungen für Zwecke der Finanzstatistik, die vor allem das Konto 7452 betreffen.Das Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern macht in der Kassenstatistik 2012 keine Angaben zu denVorjahren. Dies wird mit der flächendeckenden Einführung der kommunalen Doppik begründet, weil der Zu-ordnungsschlüssel der doppischen Auswertung inhaltlich von dem der kameralen Auswertung abweicht. AusSicht des Landesrechnungshofes sind Zeitreihen erforderlich, um die Finanzsituation über einen längerenZeitraum präzise auswerten zu können. Auch weil die Fehlerquote vertretbar bleibt, werden die bekanntenZeitreihen in diesem Bericht fortgeführt.
5
die wirkliche Finanzlage der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern in keiner Weise wi-
derspiegeln und Grundlage öffentlicher Diskussionen und Entscheidungen wurden.
(15) Innerhalb des föderalen Systems haben die Finanzstatistiken die zentrale Funktion, die
Staatsfinanzen zutreffend und präzise abzubilden. Zudem werden die Daten der Finanz-
statistiken zur Abbildung des Staatssektors innerhalb der Volkswirtschaftlichen Gesamtrech-
nung (VGR) herangezogen und sind damit auch Entscheidungsgrundlage für europäische Ver-
pflichtungen aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt (Maastricht-Kriterien) sowie des Fis-
kalpakts. Die Finanzstatistiken sind maßgeblich für die Berechnung der Ausgleichs- und Zu-
weisungssysteme, für finanzwirtschaftliche Analysen und für das Benchmarking. Zusätzlich
dienen sie der Rechtsprechung, wie zum Beispiel des Landesverfassungsgerichts Mecklen-
burg-Vorpommern6 und des Bundesverfassungsgerichts7. So hatte das Bundesverfassungsge-
richt im sogenannten „Berlin-Urteil“ u. a. ausgeführt, dass zur Berechnung aussagekräftiger
Indikatoren und zum Haushaltsvergleich aktuelle, verlässliche und allgemein zugängliche Da-
tengrundlagen erforderlich sind.8
(16) Die Revision der GFK für 2012 mit den nachbereiteten Daten des Statistischen Amtes
wurde von Seiten des Statistischen Bundesamtes nicht vorgenommen. Dies sei zu aufwändig.
Der Landesrechnungshof bedauert die Entscheidung des Statistischen Bundesamtes, gleich-
wohl gibt er jedoch zu bedenken, dass die überarbeiteten Daten der kommunalen Ebene
Mecklenburg-Vorpommerns das Gesamtergebnis aller deutschen Kommunen positiv beein-
flusst. Würden die revidierten Daten in die Statistik der GFK für die Kernhaushalte imple-
mentiert, würde sich für ganz Deutschland (ohne Stadtstaaten) ein um 275 Mio. Euro auf
2.072 Mio. Euro verbesserter Finanzierungssaldo ergeben. Besonders deutlich wird die Verän-
derung beim kommunalen Finanzierungssaldo aller ostdeutschen Bundesländer. Dieser erhöht
sich ausgehend vom Defizit von -222 Mio. Euro auf positive 52 Mio. Euro (vgl. dazu Abbil-
dung 1).
6 Vgl. dazu die Urteile des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern LVerfG 1/05, 5/05/, 9/05vom 11. Mai 2006.
7 Vgl. das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2 BvF 3/03 vom 19. Oktober 2006.8 Der Landesrechnungshof hatte dies bereits im Kommunalfinanzbericht 2008 thematisiert. Vgl. Landesrech-
nungshof Mecklenburg-Vorpommern (2008): Jahresbericht 2008 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2008,S. 23 ff.
6
Abbildung 1: Kommunale Finanzierungssalden auf Basis der GFK vom 22./26.3 und auf Basis der überarbeiteten GFK, 2012, in Mio. Euro
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(17) Diese aktuellen Entwicklungen rund um die Finanzstatistik sind für ordentliche Staats-
finanzen nicht akzeptabel. Robuste öffentliche Finanzen sind ohne verlässliche Finanz-
statistiken nicht mehr gewährleistet.
Das Innen- und Finanzministerium haben diesen Fehlentwicklungen zügig mit geeigneten
Maßnahmen entgegenzutreten, die die Aussagekraft und die Objektivität der Finanzstatistik
wiederherstellen.
(18) Andernfalls sind zeitnahe und länderübergreifende finanzwirtschaftliche Analysen der
Kommunalhaushalte nicht mehr möglich. Gerade wegen der umfangreichen finanzwirtschaft-
lichen Verflechtungen, von denen das Land Mecklenburg-Vorpommern außerordentlich profi-
tiert und auch hinsichtlich der künftigen Einnahmeentwicklung abhängig ist, sind aussagekräf-
tige Ländervergleiche unentbehrlich. Die nun offensichtlich eingeschränkte Verfügbarkeit
qualifizierter, allgemein zugänglicher Datengrundlagen hierzulande führt zu einem Verlust
von Transparenz und Vergleichbarkeit bei den öffentlichen Haushalten. Landesregierung und
Landtag werden nicht zuletzt für die Neuverhandlung des Länderfinanzausgleichs auf voll-
ständige und belastbare Daten angewiesen sein. Schon deswegen können die aufgezeigten
Entwicklungen nicht hingenommen werden.
Das Finanzministerium verweist darauf, dass es wie das Innenministerium und der Landes-
rechnungshof auf aktuelle, zeitnah vorliegende und belastbare kommunale Haushaltsdaten an-
gewiesen sei. Die durch die Doppik-Einführung 2012 entstandenen Datenprobleme und Ver-
zögerungen seien gegenüber dem Statistischen Amt mehrfach thematisiert worden, Verbesse-
7
Mecklenburg-Vorpommern Ostdeutsche Länder
-350
-300
-250
-200
-150
-100
-50
0
50
100
-315 -222-41
52
GFK (v om 22./26.3) GFK überarbeitet
in M
io.
Eu
ro
rungen konnten jedoch erst im Mai 2013 erreicht werden. Die seit Juni 2013 vorliegende Kas-
senstatistik für das Jahr 2012 sei ein erster Schritt, die Datenprobleme zu überwinden. Das Fi-
nanzministerium werde sich gegenüber dem Innenministerium und dem Statistischen Amt so-
wie den Kommunen dafür einsetzen, dass sich diese Probleme nicht wiederholen.
(19) Die Ergebnisse der Kassenstatistik und der GFK des Jahres 2012 bilden trotz der zuvor
aufgezeigten Problematik in diesem Kommunalfinanzbericht die Finanzlage der kommunalen
(Kern-)Haushalte ab. Dafür wurde die GFK „händisch“ durch den Landesrechnungshof mit
den überarbeiteten Daten des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern aufbereitet.9 Im
Ergebnis der zuvor dargestellten statistischen Probleme hat der Landesrechnungshof den All-
gemeinen Teil dieses Berichts deutlich reduziert und beschränkt sich auf aus seiner Sicht noch
aussagekräftige Analysen.
3 Vorbemerkungen
(20) Über die GFK und die Kassenstatistik hinaus werden auch sonstige Finanz-, Personal-
oder Schuldenstatistiken des Statistischen Bundesamtes und des Statistischen Amtes Meck-
lenburg-Vorpommern verwendet. Dabei wird auch Datenmaterial genutzt, das auf Anfrage des
Landesrechnungshofes vom Statistischen Bundesamt oder Statistischen Amt Mecklen-
burg-Vorpommern zur Verfügung gestellt wurde.
(21) Um eine übersichtliche Darstellung zu gewährleisten, wurden die Zahlenangaben
grundsätzlich gerundet. Differenzen in den nachstehenden Berechnungen und Beträgen sind
Rundungen geschuldet.
(22) Für den interkommunalen Vergleich wird vor allem die auf die Einwohnerzahl bezoge-
ne Kennzahl herangezogen, die es ermöglicht, größenbedingte Unterschiede zu berücksichti-
gen und Vergleichbarkeit herzustellen. Für den zeitlichen Vergleich wird u. a. auf Verände-
rungsraten zurückgegriffen, die es erlauben, Aussagen über die Entwicklung bestimmter
Kennziffern zu tätigen. Als Basis dienen generell die Bevölkerungszahlen des Statistischen
Bundesamtes jeweils zum 30. Juni des betreffenden Jahres.
9 Trotz Aufbereitung der GFK mit den nachbereiteten Daten kommt es zu geringfügigen Abweichungen zwi-schen der Kassenstatistik und der GFK. Diese sind auf Zahlungen, die durch die Leistungen nach dem ViertenGesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV Reform) hervorgerufen werden, zurückzu-führen. In der GFK werden die Zahlungen an die Optionskommunen und von den Optionskommunen (alsoGruppierungsnummern 192, 193, 694, 695, 786, 787 bzw. entsprechende Konten) nicht ausgewiesen.
8
Die aktuellen Veröffentlichungen zum Zensus 2011 wurden in dem vorliegenden Bericht noch
nicht berücksichtigt, da die Zensus-Daten einschließlich Fortschreibungen noch vorläufig
sind.
(23) Die hiesigen einwohnerbezogenen Daten werden ferner mit Durchschnittswerten ver-
glichen, die entweder für die Kommunen der vier finanzschwachen Westflächenländer - FFW-
(Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein) oder für die Kommunen
der übrigen ostdeutschen Länder -FO- (Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thürin-
gen) gebildet werden.10
(24) Die Kommunen der finanzschwachen Ostländer werden als Referenz herangezogen,
weil diese, wie auch die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns, an umfangreichen
fiskalischen Leistungen infolge des teilungsbedingten Aufbauprozesses partizipieren und über
ähnliche sozioökonomische Rahmenbedingungen verfügen. Außerdem werden die Kommu-
nen der finanzschwachen Westflächenländer als Benchmark verwendet, da die hiesigen Kom-
munen mit dem schrittweisen Rückgang der Solidarpaktmittel bis zum Jahr 2020 perspekti-
visch über ein ähnliches einwohnerbezogenes Einnahmeniveau verfügen werden. Zusätzlich
sind die Anpassungsfortschritte des Landes Mecklenburg-Vorpommerns und seiner Kommu-
nen an die FFW der Maßstab für die Bewertung des Mitteleinsatzes der Sonderbedarfs-Bun-
desergänzungszuweisungen (SoBEZ)11.
(25) Die Bildung von diesen Durchschnittswerten führt zusätzlich noch dazu, dass struktu-
relle Unterschiede ausgeglichen und die analysierten Daten dadurch aussagekräftiger werden.
Ferner werden die mit diesem Ansatz ermittelten Unterschiede in Form von Mehr- bzw. Min-
derausgaben auf die Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns hochgerechnet.
(26) Ziel dieses sogenannten Benchmark-Ansatzes ist es, strukturell bedingte, statistische
Unterschiede hervorzuheben und die gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen, um Effizienzpoten-
ziale bzw. Handlungsbedarfe für Konsolidierungsmaßnahmen kenntlich zu machen und dann
daraus gegebenenfalls Empfehlungen abzuleiten.
10 Für eine detaillierte Begründung der Wahl der Vergleichsmaßstäbe siehe u. a. Landesrechnungshof Mecklen-burg-Vorpommern (2008): Jahresbericht 2008 (Teil 1) – Landesfinanzbericht 2008, S. 35.
11 Die SoBEZ dienen gemäß § 11 Abs. 3 Finanzausgleichsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (FAG M-V) zurDeckung von teilungsbedingten Sonderlasten aus dem bestehenden infrastrukturellen Nachholbedarf und zumAusgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft. Mecklenburg-Vorpommern hat 2012 rd. 765 Mio.Euro im Rahmen der SoBEZ erhalten. Die Kommunen partizipieren von dieser Zuweisungssumme im Rah-men des kommunalen Finanzausgleichs gemäß § 7 FAG M-V.
9
II. Allgemeiner Teil
1 Strukturelle Rahmenbedingungen
(27) In dem nachfolgenden Abschnitt werden zunächst kurz strukturelle Rahmen-
bedingungen erläutert, die einen Erklärungsbeitrag für die im Abschnitt II.2 dargestellte kom-
munale Finanzsituation Mecklenburg-Vorpommerns zu leisten vermögen.
(28) Die wesentlichen Faktoren, die die strukturellen Rahmenbedingungen beschreiben,
sind die Wirtschaftsentwicklung und Wirtschaftskraft, die Bevölkerungsentwicklung, der Ar-
beitsmarkt sowie der Sozialbereich. Diese Faktoren, die bestimmte, kurzfristig nur geringfü-
gig beeinflussbare Merkmale zeigen, müssen bei der Beurteilung der kommunalen Finanz-
situation beachtet werden.
(29) Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Indikator für die volkswirtschaftli-
che Gesamtleistung stieg in Mecklenburg-Vorpommern 2012 gegenüber dem Vorjahr um
1,9 Prozent. In Brandenburg und Sachsen-Anhalt lag die Wachstumsrate hingegen bei 0,5 Pro-
zent. Das BIP von Sachsen und Thüringen ging währenddessen um 0,3 Prozent zurück. Im
bundesweiten Vergleich des Wirtschaftswachstums nahm Mecklenburg-Vorpommern 2012
den ersten Platz ein. Dies ist bemerkenswert, da Mecklenburg-Vorpommern 2011 noch den
vorletzten Platz belegte. Vor allem in den Wirtschaftsbereichen „Land- und Forstwirtschaft,
Fischerei“ sowie „Dienstleistung“ wurde das Wirtschaftswachstum von Mecklenburg-Vor-
pommern generiert. Im Bereich „Produzierendes Gewerbe (auch Baugewerbe)“ kam es hinge-
gen zu einem Leistungsrückgang (vgl. Tabelle 2).12
Tabelle 2: Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts in Mecklenburg-Vorpommern und den FO sowie FFW, 2008-2012, in Prozent13
BB MV SN ST TH NI RP SL SH FO FFW
2008 1,6 1,2 -0,1 -0,1 -0,3 1,8 0,4 0,3 3,0 0,2 1,6
2009 -3,0 0,0 -4,3 -5,4 -5,4 -4,1 -4,1 -10,8 -2,4 -4,5 -4,2
2010 3,9 0,4 2,9 4,1 4,7 4,7 4,6 5,4 0,7 3,7 4,0
2011 2,0 0,6 2,4 -0,1 3,1 2,5 2,7 5,0 2,6 1,9 2,7
2012 0,5 1,9 -0,3 0,5 -0,3 0,9 0,9 -0,4 0,9 0,0 0,8
Quelle: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder; eigene Berechnungen.
12 Im Bundesdurchschnitt verbesserte sich das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Jahr 2011 (2010) um0,7 Prozent (3,0 Prozent).
13 Abweichende Angaben gegenüber den Landes- und Kommunalfinanzberichten der Vorjahre sind auf die Re-vision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zurückzuführen.
11
Damit kann wiederum festgehalten werden, dass Mecklenburg-Vorpommern mit seinem rela-
tiv geringen Anteil exportorientierter Industrieunternehmen weitgehend von den globalen kon-
junkturellen Auf- und Abschwungphasen abgekoppelt ist.
(30) In Abbildung 2 ist dennoch deutlich zu erkennen, dass die Wirtschaftskraft in sämtli-
chen westdeutschen Flächenländern ungleich höher ist als in den ostdeutschen Ländern. Die
Wirtschaftskraft Mecklenburg-Vorpommerns ist trotz des vergleichsweise höchsten Anstiegs
Pro-Kopf mit 22.620 Euro nach der von Thüringen die geringste.
Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen im Ländervergleich, 2012, in Euro je Ein-wohner
Quelle: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder; eigene Berechnungen.
(31) Der Abstand zu Sachsen (23.400 Euro je Einwohner), Sachsen-Anhalt (22.933 Euro je
Einwohner), Thüringen (22.241 Euro je Einwohner) und Brandenburg (23.179 Euro je Ein-
wohner) ist jedoch relativ gering, so dass diese Länder über ähnliche strukturelle und ökono-
mische Rahmenbedingungen verfügen wie Mecklenburg-Vorpommern.
(32) Mecklenburg-Vorpommern ist als das einwohnerschwächste ostdeutsche Land von ei-
nem sukzessiven Bevölkerungsrückgang betroffen. So verringerte sich auch im Vergleich zum
Jahr 2011 die Bevölkerung nochmals um 7.081 Einwohner auf 1.630.598 (Stichtag 30. Juni
2011).
Das vorläufige Ergebnis der Bevölkerungsfortschreibung auf Grundlage des Zensus 2011
weist sogar einen noch niedrigeren Bevölkerungsstand von 1.609.982 Einwohner aus.14
14 Vgl. Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern (2013): Presseinformation Nr. 32/2013. Werden die vor-läufigen Zensus-Daten für das Jahr 2011 zugrunde gelegt, ist festzuhalten, dass die Bevölkerung Deutsch-lands generell gesunken ist. Der Anteil der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern an der Gesamtbevöl-kerung verändert sich jedoch bei Nutzung der vorläufigen Zensus-Ergebnisse nicht signifikant.
12
BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SL SH B HB HH
0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
30.000
35.000
40.000
45.000
50.000
55.000
23.179 22.620 23.400 22.933 22.241
36.019 36.865 37.656
29.032
32.631
29.43131.364
27.22029.455
41.897
53.091
in E
uro
je E
W
Der Anteil Mecklenburg-Vorpommerns an der Gesamtbevölkerung Deutschlands beträgt da-
mit nur noch 1,99 Prozent. Im Jahr 1995 betrug diese Relation noch 2,24 Prozent.
(33) Die SGB II-Quote, die die Summe von Beziehern von Leistungen nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Relation zur Bevölkerung unter 65 Jahren darstellt, kann
ein Indikator für den Arbeitsmarkt und der räumlichen sowie sozialdemografischen Verteilung
von Hilfebedürftigkeit sein (vgl. Abbildung 3).
Abbildung 3: SGB II-Quote im Ländervergleich, 2012, in Prozent
Quelle: Zentrale Datenstelle der Landesfinanzminister; eigene Berechnungen.
(34) Mit einer SGB II-Quote von 15,7 Prozent wies Mecklenburg-Vorpommern im Jahr
2012 nach Sachsen-Anhalt (16,9 Prozent) den zweithöchsten Wert der Flächenländer auf.
Gegenüber dem Jahr 2011, in dem Mecklenburg-Vorpommern eine SGB II-Quote in Höhe
von 16,2 Prozent aufwies, hat sich diese Quote nur geringfügig verbessert.
Dies charakterisiert eine hohe Arbeitslosigkeit und weist auf eine schwierige sozioökonomi-
sche Lage in Mecklenburg-Vorpommern hin. Das Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt, das
hohe Transferleistungen bewirkt, ist ein unmittelbarer Kostenfaktor für die kommunalen
Haushalte und kann tendenziell ein Indiz für weitere kommunale Haushaltsbelastungen, wie
beispielsweise für die Ausgaben nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII [Ju-
gendhilfe]) oder für Ausgaben nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII [Grund-
sicherung im Alter und bei Erwerbsminderung]) sein. So werden die Haushalte der Kommu-
nen zum Beispiel durch die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) belastet, die u. a. von
der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften im Rechtskreis nach dem SGB II abhängen.
13
BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SL SH B HB HH
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
22
13,4
15,7
13,6
16,9
11,4
4,94,2
8,39,4
11,2
6,9
9,410,0
20,6
17,8
12,5
in P
roz
en
t
(35) Die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte ist in der nachfolgen-
den Abbildung 4 dargestellt. Im Jahr 2012 wurden in Mecklenburg-Vorpommern 135 von
1.000 Haushalten zu den Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II gezählt. Damit muss in
Mecklenburg-Vorpommern der zweithöchste Anteil unter den Flächenländern festgestellt wer-
den.
Abbildung 4: Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im Ländervergleich, 2012, Jahres-durchschnitt
Quelle: Zentrale Datenstelle der Landesfinanzminister; eigene Berechnungen.
Gegenüber dem Jahr 2011, in dem noch 142 von 1.000 Haushalten zu den Bedarfsgemein-
schaften in Mecklenburg-Vorpommern gezählt werden mussten, hat sich diese Quote eben-
falls nur geringfügig verbessert.15
Der Landesrechnungshof begrüßt, dass das Land und die kommunalen Landesverbände sich
zu einer Arbeitsgruppe Soziallasten vereinbart haben, um insbesondere in diesem Bereich auf
mögliche Einsparungen bzw. Ausgabereduzierungen hinzuwirken.
15 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2011(Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2011, S. 11.
14
BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SL SH B HB HH
0
20
40
60
80
100
120
140
160
121
135
111
144
99
4438
68
79
94
60
83 83
158
138
100
BG
je 1
.00
0 P
riva
tha
us
ha
lte
2 Lage der kommunalen Finanzwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns
(36) Ein erster Überblick über die finanzielle Situation der Kommunen Mecklenburg-Vor-
pommerns lässt sich am Finanzierungssaldo, der aus dem Saldo der bereinigten Einnahmen
und Ausgaben gebildet wird, ablesen (vgl. Abbildung 5).
Abbildung 5: Bereinigte Einnahmen und Ausgaben sowie Finanzierungssaldo der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2005-2012, in Mio. Euro
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(37) Während der Landesrechnungshof im Kommunalfinanzbericht des Vorjahres an dieser
Stelle den Kommunen noch in der Gesamtsicht eine positive Haushaltslage attestieren konnte,
ist dies für das Jahr 2012 nicht mehr möglich. Der Grund dafür ist, dass erstmals seit 2006
wieder ein negativer Finanzierungssaldo verzeichnet werden muss. Deutlich ersichtlich ist,
dass sich der Finanzierungssaldo von seinem Höchstwert von 224 Mio. Euro im Jahr 2008 auf
39 Mio. Euro im Jahr 2010 und auf 20 Mio. Euro im Jahr 2011 verschlechtert hat. Dem Trend
folgend war 2012 ein Defizit in Höhe von 41 Mio. Euro festzustellen. Der Finanzierungssaldo
verminderte sich somit im Vergleich zum Vorjahr um rd. 61 Mio. Euro.
(38) Die nachstehende Tabelle 3 stellt die Entwicklung und die maßgeblichen Eckdaten der
kommunalen Einnahmen und Ausgaben Mecklenburg-Vorpommerns der Jahre 2008 bis 2012
dar. Im Jahr 2012 beliefen sich die bereinigten Einnahmen auf rd. 3.738 Mio. Euro (-4,8 Pro-
zent, -187 Mio. Euro) und lagen damit weit unter denen von 2008 in Höhe von rd. 3.910 Mio.
Euro. Die bereinigten Ausgaben verminderten sich auf rd. 3.778 Mio. Euro (-3,2 Prozent,
-127 Mio. Euro), was ungefähr dem Ausgabenniveau von 2010 in Höhe von 3.796 Mio. Euro
entspricht.
15
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
2.900
3.000
3.100
3.200
3.300
3.400
3.500
3.600
3.700
3.800
3.900
4.000
-400
-300
-200
-100
0
100
200
300
400
500
600
700
-28 -29
79
224
8239 20 -41
Finanzierungssaldo
Bereinigte Einnahmen
Bereinigte Ausgaben
in M
io.
Eu
ro
in M
io.
Eu
ro
Tabelle 3: Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2008-2012, in Mio. Euro
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen.
* Ohne die Aufwendungen der Optionskommune(n) für Grundsicherung für Arbeitssuchende, die der Bund trägt.x Ergebnis ohne Aussage.
16
2008 2009 2010 2011 2012 2008-2012 2011-2012
in Mio. Euro Veränderung in %
1. Einnahm en laufende Rechnung 3.415 3.375 3.280 3.419 3.395 -0,6% -0,7%
darunter:
Steuern u. steuerähnliche Einnahmen 736 716 757 830 862 17,1% 3,9%
Grundsteuer A + B 150 153 159 165 167 11,0% 0,8%
Gew erbesteuer (netto) 274 262 287 311 328 19,7% 5,5%
Gemeindeanteil Einkommensteuer 245 236 244 283 295 20,4% 4,2%
Zuw eisungen vom Land 1.956 1.922 1.783 1.815 1.768 -9,6% -2,6%
Zuw eisungen vom Bund 39 44 43 48 60 55,3% 24,9%
Gebühren, sonstige Entgelte 291 283 283 283 252 -13,3% -10,9%
2. Einnahm en der Kapitalrechnung 495 458 555 506 343 -30,7% -32,2%
darunter:
297 301 331 295 230 -22,7% -22,2%
Erlöse aus Vermögensveräußerungen 72 57 65 66 43 -39,5% -34,3%
3. Bereinigte Einnahmen (1. + 2.) 3.910 3.833 3.835 3.924 3.738 -4,4% -4,8%
4. Ausgaben laufende Rechnung 3.120 3.182 3.207 3.332 3.366 7,9% 1,0%
darunter:
Personalausgaben 866 903 889 902 943 8,9% 4,6%
Laufender Sachaufw and 683 702 724 800 801 17,2% 0,1%
Lfd. Zuw eisungen und Zuschüsse 777 788 821 835 908 16,9% 8,8%
Zinsausgaben 115 92 82 78 67 -41,3% -13,5%
Sozialausgaben* 1.037 1.084 1.091 1.113 1.138 9,7% 2,3%
456 452 422 420 333 -27,0% -20,7%
328 342 360 373 440 34,2% 18,0%
151 186 209 223 230 52,7% 3,3%
5. Ausgaben der Kapitalrechnung 566 569 589 573 412 -27,1% -28,1%
darunter:
Sachinvestitionen 409 417 432 437 344 -15,9% -21,3%
Baumaßnahmen 351 361 379 375 158 -54,9% -57,8%
114 113 132 107 20 -82,5% -81,3%
6. Bereinigte Ausgaben (4. + 5.) 3.686 3.751 3.796 3.905 3.778 2,5% -3,2%
Saldo der laufenden Rechnung 295 193 73 87 29 -90,3% -67,2%
185 191 155 148 85 -54,1% -42,6%
Schuldentilgung 271 256 214 196 173 -36,1% -11,6%
Schulden am 31.12. 2.139 2.051 1.968 1.906 1.733 -19,0% -9,1%
Kassenverstärkungskredite am 31.12. 497 485 499 524 406 -18,2% -22,5%
224 82 39 20 -41 X X
Zuw eisungen und Zuschüsse für Investitionen vom Land
SGB II (KDU/Eingliederungshilfen/einmalige Leistungen)
Sozialhilfe innerhalb und außerhalb von Einrichtungen
Jugendhilfe innerhalb und außerhalb von Einrichtungen
Zuw eisungen und Zuschüsse für Investitionen
Einnahmen aus Krediten und inneren Darlehen
7. Finanzierungssaldo (3. ./. 6.)
(39) Die Einnahmen der laufenden Rechnung betrugen im Berichtszeitraum 3.395 Mio.
Euro (-0,7 Prozent, -24 Mio. Euro), womit die im Vorjahr festgestellte positive Entwicklung
nicht fortgeführt werden konnte.
Die Einnahmen der Kapitalrechnung in den Kommunen von Mecklenburg-Vorpommern lagen
mit 343 Mio. Euro (-32,2 Prozent, -163 Mio. Euro) auf einem niedrigen Niveau. Gleichzeitig
erklärt diese Entwicklung maßgeblich den Rückgang der bereinigten Einnahmen 2012 (vgl.
Abbildung 6).
Abbildung 6: Veränderungen wesentlicher Einnahmepositionen im Vergleich 2012 zum Vorjahr, in Mio. Euro
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(40) Wesentliche Veränderungen betreffen auf der Einnahmeseite:
• die Steuern und steuerähnliche Einnahmen (+3,9 Prozent, +32 Mio. Euro), darunter
insbesondere die Gewerbesteuer aufgrund der bundesweit guten Konjunktur
(+5,6 Prozent, +17 Mio. Euro) und
• die Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen vom Land (-22,2 Prozent,
-65 Mio. Euro).
Mit dem Hebesatzrecht für die Grundsteuer A und B sowie für die Gewerbesteuer haben die
Gemeinden die Möglichkeit, ihr Steueraufkommen zu beeinflussen. Da die Einnahmen aus
der Grundsteuer A und B im Vergleich zum Vorjahr nahezu stagnierten, ist davon
auszugehen, dass die Hebesätze nicht, wie es die Finanzlage geboten hätte, angehoben
wurden.
17
Bereinigte Einnahmen
Erlöse aus Vermögensveräußerungen
Zuw eisungen und Zuschüssefür Investitionen vom Land
darunter:
Einnahmen Kapitalrechnung
Gebühren, sonstige Entgelte
Zuw eisungen vom Bund
Zuw eisungen vom Land
Steuern und steuer-ähnliche Einnahmen
darunter:
Einnahmen laufenden Rechnung
-225 -200 -175 -150 -125 -100 -75 -50 -25 0 25 50
-187
-23
-65
-163
-31
12
-47
32
-24
in Mio. Euro
Zu beachten ist ferner, dass die Gebühren- und sonstigen Entgelteinnahmen im Vergleich zum
Vorjahr gesunken sind. Dies ist beachtenswert, da mit diesen kostenintensive kommunale
Leistungsangebote finanziert werden, die teilweise erheblichen Zuschussbedarf aufweisen.
(41) Die Ausgaben der laufenden Rechnung betrugen im Berichtszeitraum rd. 3.366 Mio.
Euro (+1,0 Prozent, +34 Mio. Euro). Damit wird der Ausgabenanstieg der vergangenen Jahre
fortgesetzt. Etwaige ausgabenseitige Konsolidierungsmaßnahmen konnten somit 2012 in der
Gesamtsicht nicht festgestellt werden. Die Ausgaben der Kapitalrechnung beliefen sich 2012
in Mecklenburg-Vorpommern auf rd. 412 Mio. Euro (-28,1 Prozent, -161 Mio. Euro). Diese
sind wie die Einnahmen der Kapitalrechnung auf einen seit 1995 noch nicht erreichten Tief-
stand gesunken.
Abbildung 7: Veränderungen wesentlicher Ausgabepositionen im Vergleich 2012 zum Vorjahr, in Mio.Euro
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(42) Auf der Ausgabeseite veränderten sich vor allem
• die Sozialausgaben (+2,3 Prozent, +25 Mio. Euro),
• die Personalausgaben (+4,6 Prozent, +41 Mio. Euro),
• die Ausgaben für laufende Zuweisungen und Zuschüsse (+8,8 Prozent, +73 Mio.
Euro) und
• die Sachinvestitionsausgaben (-21,3 Prozent, -93 Mio. Euro).
(43) Der Rückgang der Sachinvestitionen auf kommunaler Ebene bei gleichzeitiger Steige-
rung der kommunalen Sozialausgaben ist aus wachstumspolitischer Sicht bedenklich (siehe
dazu auch die Ausführungen im Abschnitt III.6). Trotz der Zuweisungen an die Kommunen
18
Bereinigte Ausgaben
Sachinvestitionen
Zuw eisungen und Zuschüssefür Investitionen
darunter:
Ausgaben Kapitalrechnung
Sozialausgaben
Zinsausgaben
Laufende Zuw eisungenund Zuschüsse
Laufender Sachaufw and
Personalausgaben
darunter:
Ausgaben laufende Rechnung
-185 -160 -135 -110 -85 -60 -35 -10 15 40 65 90
-126
-93
-87
-161
25
-11
73
1
41
34
in Mio. Euro
aus dem Solidarpakt II zum Abbau der teilungsbedingten Infrastrukturlücke haben sich die
Sachinvestitionen deutlich verringert. Die Trendwende zwischen Sozialausgaben und Sachin-
vestitionen deutet auf eine strukturelle Schieflage der kommunalen Haushalte hin (vgl. Abbil-
dung 8).
Das Finanzministerium gibt zu bedenken, dass sich durch die Doppik-Einführung der Investi-
tionsbegriff geändert habe.16 Dadurch werde ein Teil der Investitionen wohl nunmehr als lau-
fender Sachaufwand verbucht. Zudem sei Ende 2011 das ZIP-Programm, von dem auch die
Kommunen profitiert haben, abgeschlossen, was tendenziell den Niveauunterschied zum Vor-
jahr erklären könnte.
Abbildung 8: Kommunale Sozialausgaben und Sachinvestitionen Mecklenburg-Vorpommerns, 1995-2012, in Mio. Euro
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen.
Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass die hier abgebildeten Sozial- und Sachinvestiti-
onsausgaben, wie im gesamten Kommunalfinanzbericht, entsprechend der Kassenstatistik
Bruttoausgaben der Kommunen darstellen. In der Abbildung 8 sind entsprechende Zuweisun-
gen für beide Ausgabenarten an die Kommunen des Landes und des Bundes sowie zweckge-
bundene Einnahmen von Dritten nicht berücksichtigt.
(44) Der Kassenkreditbestand zum Jahresende 2012 betrug laut Kassenstatistik
406 Mio. Euro (-22,5 Prozent, -117 Mio. Euro). Insbesondere die Landeshauptstadt Schwerin
(121,8 Mio. Euro), die Stadt Neubrandenburg (85,6 Mio. Euro) und der Landkreis Vorpom-
mern-Greifswald (79,0 Mio. Euro) häuften wie schon in den Vorjahren einen immensen Kas-
16 Vielfach sind in der Kameralistik als Sachinvestitionen zu klassifizierende Ausgaben nach der kommunalenDoppik lediglich laufender Sachaufwand.
19
19951996
19971998
19992000
20012002
20032004
20052006
20072008
20092010
20112012
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1.000
1.100
1.200
1.300
1.400
Sozialausgaben
Sachinv estitionen
in
Mio
. E
uro
senkreditbestand zum 31.12.2012 an (vgl. dazu die Ausführungen zur kommunalen Verschul-
dung im Abschnitt II.4).
(45) Die gesetzlich unzulässige Aufnahme überjähriger Kassenkredite weist auf strukturelle
Haushaltsungleichgewichte hin und birgt wegen der unvorhersehbaren Entwicklung des Zins-
niveaus ein hohes finanzielles Risiko, da diese mit kurzen Zinslaufzeiten ausgestattet und des-
wegen besonders zinssensitiv sind. So verteuern Zinssteigerungen die Kassenkredite unmittel-
bar und stellen eine weitere Haushaltsbelastung dar.
Das Innenministerium verweist in seiner Stellungnahme darauf, dass Bestrebungen einzelner
Kommunen, Kassenkredite auch mit mittelfristigen Zinslaufzeiten (1 bis 5 Jahre) aufnehmen
zu dürfen, abgelehnt wurden.
(46) Auch im Jahr 2012 muss eine uneinheitliche Haushaltsentwicklung für die verschiede-
nen kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns festgestellt wer-
den. Wie Abbildung 9 zeigt, konnten nur die Ämter und Gemeinden einen Pro-Kopf-Über-
schuss erzielen, was auf ein interkommunales fiskalisches Verteilungsproblem hinweist.
Abbildung 9: Finanzierungssalden der kommunalen Gebietskörperschaften in Mecklenburg-Vorpom-mern, 2008-2012, in Euro je Einwohner17
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen.* Im Jahr 2011 und 2012 auch die großen kreisangehörigen Städte.
17 Der kommunale Gesamthaushalt setzt sich aus den kreisfreien Städten und den Landkreisen bzw. dem kreis-angehörigen Raum (darunter Kreisverwaltungen [hier: Landkreise], kreisangehörige Städte und Gemeindensowie Amtsverwaltungen) zusammen. Zu beachten ist, dass sich die einwohnerbezogenen Finanzierungssal-den der kreisfreien Städte und des kreisangehörigen Raumes nicht zum Finanzierungssaldo des kommunalenGesamthaushaltes addieren lassen, da nicht die gleiche Basis verwandt wird.
20
Kommunaler Gesamthaushalt
Kreisfreie Städte* Kreisangehöriger Raum insgesamt,
... davon Landkreise
... davon Ämter und Gemeinden
-100
-50
0
50
100
150
200
132
83
154
7183
5238
58 56
217
48
3
25
-22
8
34
-5-16
11
-25
-51
-13
-49
36
2008 2009 2010 2011 2012
in E
uro
je E
W
(47) Die kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte erzielten 2012 einen negativen
Pro-Kopf-Finanzierungssaldo von 51 Euro, währenddessen im Vorjahr noch ein Überschuss
von 34 Euro festzustellen war.
Die Finanzlage des kreisangehörigen Raumes hat sich 2012 mit einem einwohnerbezogenen
Defizit in Höhe von 13 Euro erneut verschlechtert, was überwiegend auf die deutlich negative
Entwicklung der Landkreisfinanzen zurückzuführen war. Das einwohnerbezogene Defizit der
Landkreise hat sich auf 49 Euro verdreifacht. Alle Landkreise wiesen 2012 ein Finanzierungs-
defizit auf: der Landkreis Mecklenburgische-Seeplatte 27,7 Mio. Euro, der Landkreis Rostock
8,4 Mio. Euro, der Landkreis Vorpommern-Greifswald 5,6 Mio. Euro, der Landkreis Nord-
westmecklenburg 6,0 Mio. Euro, der Landkreis Vorpommern-Rügen 3,7 Mio. Euro und der
Landkreis Ludwigslust-Parchim 2,5 Mio. Euro.
Insgesamt positiv hat sich hingegen die Finanzlage der Ämter und Gemeinden entwickelt.
Diese Gebietskörperschaftsebene konnte den Pro-Kopf-Finanzierungssaldo von 11 Euro auf
36 Euro in 2012 steigern.18
Auch wenn die Landkreise 2012 ein Defizit aufwiesen, belegt der positive Finanzierungssaldo
der Ämter und Gemeinden, dass der kreisangehörige Raum insgesamt seine Finanzprobleme
eigenständig lösen kann. Ein Lösungsweg könnte sein, die Kreisumlagesätze, die hierzulande
bundesweit vergleichsweise niedrig sind, zu erhöhen. Die Gemeinden haben zudem ausrei-
chend Spielraum, erhöhte Kreisumlagen durch erhöhte Realsteuerhebesätze auszugleichen.
Das Innenministerium verweist darauf, dass nicht nur die Höhe der Kreisumlagesätze ent-
scheidend sei, sondern auch die unterschiedlichen Umlagegrundlagen und Schlüsselmassenan-
teile für Kreisaufgaben sowie der nicht durchgängig vergleichbare kommunale Aufgabenbe-
stand.
(48) Die divergierende finanzwirtschaftliche Entwicklung der einzelnen kommunalen Ge-
bietskörperschaftsebenen wird auch beim Saldo der laufenden Rechnung offensichtlich, der in
der Tabelle 4 dargestellt wird. Die Differenz der laufenden Einnahmen und laufenden Ausga-
ben der Kommunen ist eine maßgebliche Kennziffer zur Bewertung der strukturellen Lage des
laufenden Haushaltes. Zusätzlich macht sie deutlich, ob und inwieweit die Kommunen Inves-
titionen aus selbst erwirtschaften Mitteln tätigen können.
18 Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich die finanzielle Lage einzelner Kommunen auf dieser Gebiets-körperschaftsebene negativ darstellt.
21
(49) Für die kommunalen Haushalte Mecklenburg-Vorpommerns ist 2012 insgesamt ein
positiver Saldo der laufenden Rechnung in Höhe von 18 Euro je Einwohner feststellbar, der
jedoch im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist.
Die kreisfreien Städte und großen kreisangehörigen Städte haben 2012 ein Defizit in der lau-
fenden Rechnung von 57 Euro je Einwohner erzielt. Dieses Ergebnis macht deutlich, dass de-
ren investive Ausgaben vollständig durch investive Zuweisungen des Landes, Vermögensver-
äußerungen sowie Schuldenaufnahmen finanziert wurden.
Überschüsse im Berichtsjahr konnte wiederum der kreisangehörige Raum mit 53 Euro je Ein-
wohner erzielen. Beachtenswert ist, dass der kreisangehörige Raum seit 2008 durchweg posi-
tive Salden ausweisen kann, wenngleich das Niveau gesunken ist.
Tabelle 4: Salden der laufenden Rechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklen-burg-Vorpommerns, 2008-2012, in Euro je Einwohner
2008 2009 2010 2011 2012 2008-2012 2011-2012
in Euro je Einwohner Veränderung in %
Kommunaler Gesamthaushalt
Einnahmen 2.088 2.083 2.038 2.119 2.162 3,6 % 2,0%
Ausgaben 1.913 1.965 2.001 2.071 2.144 12,1 % 3,6%
Saldo der laufenden Rechnung 175 117 38 48 18 -89,8 % -62,9%
Kreisfreie Städte*
Einnahmen 2.190 2.190 2.186 2.295 1.893 -13,6% -17,5%
Ausgaben 2.163 2.199 2.175 2.273 1.951 -9,8% -14,2%
Saldo der laufenden Rechnung 27 -10 11 22 -57 x x
Kreisangehöriger Raum
Einnahmen 2.041 2.034 1.971 2.037 2.288 12,1% 12,3%
Ausgaben 1.801 1.859 1.921 1.977 2.235 24,1% 13,1%
Saldo der laufenden Rechnung 241 175 50 60 53 -77,9% -11,3%
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen.* Im Jahr 2011 und 2012 auch die großen kreisangehörigen Städte.
(50) Im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung sind wachstumsfördernde Ausgaben
der Kapitalrechnung, wie die Sachinvestitionsausgaben, besonders bedeutsam. Auf der kom-
munalen Ebene prägen diese neben dem Erhalt und Ausbau der kommunalen Infrastruktur
auch die zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklungen.
In nachfolgender Tabelle 5 sind die Investitionsausgaben der kommunalen Gebietskörper-
schaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns dargestellt.
22
Tabelle 5: Ausgaben der Kapitalrechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklen-burg-Vorpommerns, 2008-2012, in Euro je Einwohner
2008 2009 2010 2011 2012 2008-2012
in Euro je Einwohner Summe
Kommunaler Gesamthaushalt
Ausgaben der Kapitalrechnung 338 343 358 349 253 1.641
darunter:
Sachinvestitionen 244 252 263 267 211 1.237
Kreisfreie Städte*
Ausgaben der Kapitalrechnung 271 298 373 315 220 1.477
darunter:
Sachinvestitionen 150 157 196 176 193 872
Kreisangehöriger Raum
Ausgaben der Kapitalrechnung 369 362 351 366 269 1.717
darunter:
Sachinvestitionen 287 295 293 309 219 1.403
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; Kassenstatistik, eigene Berechnungen.* Im Jahr 2011 und 2012 auch die großen kreisangehörigen Städte.
(51) Die kommunalen Haushalte Mecklenburg-Vorpommerns haben 2012 insgesamt Aus-
gaben in der Kapitalrechnung in Höhe von 253 Euro je Einwohner getätigt. Dies entspricht ei-
nem Rückgang von rd. 27,5 Prozent oder -96 Euro je Einwohner. Dabei reduzierten die kreis-
freien und großen kreisangehörigen Städte diese Ausgaben im Jahr 2012 deutlich auf 220
Euro je Einwohner, was einen Rückgang von 95 Euro je Einwohner entspricht. Im kreisange-
hörigen Raum wurden die einwohnerbezogenen Ausgaben um 97 Euro je Einwohner auf 269
Euro ebenfalls reduziert.
Ferner ist auf die bestehende Unwucht bei den aufsummierten Sachinvestitionen hinzuweisen.
Während die Gemeinden des kreisangehörigen Raumes im Zeitraum 2008 bis 2012 je Ein-
wohner 1.403 Euro investierten, gaben die kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte le-
diglich 872 Euro je Einwohner aus.
Das Innenministerium verweist darauf, dass die aus der Kassenstatistik entnommenen Ausga-
ben für Sachinvestitionen nicht diejenigen Investitionen enthalten, die von Eigenbetrieben und
kommunalen Unternehmen sowie Städtebaulichen Sondervermögen vorgenommen wurden.
Anders als im kreisangehörigen Raum seien in den kreisfreien und großen kreisangehörigen
Städten Investitionen in erheblichem Umfang an kommunale Unternehmen oder Städtebauli-
che Sondervermögen ausgelagert worden. Die dargestellte Entwicklung der Investitionstätig-
keit der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sei dadurch unterzeichnet.
(52) Die insgesamt rückläufige Tendenz der Investitionstätigkeit, die ein Indiz für die ange-
spannte finanzielle Lage der Kommunen ist, war für alle Gebietskörperschaftsebenen in
23
Mecklenburg-Vorpommern festzustellen. Dies wird in Abbildung 10 zum Ausdruck gebracht,
in dem die Investitionsquote, die den Anteil der Sachinvestitionsausgaben an den bereinigten
Ausgaben insgesamt abbildet, für den Zeitraum von 1995 bis 2012 skizziert wird.
Abbildung 10: Entwicklung der Sachinvestitionsquoten bei einzelnen Gebietskörperschaftsebenen in Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2012, in Prozent
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen.
(53) Beachtenswert ist, dass 2012 die Sachinvestitionsquote der kreisangehörigen Gemein-
den sowie der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte19 im Vergleich zum Vorjahr zu-
genommen hat, während die der Landkreise gesunken ist.
(54) Weil die kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte im ländlich geprägten Land
Mecklenburg-Vorpommern die Aufgabe von Wachstumskernen wahrzunehmen und hochwer-
tige Daseinsvorsorgeaufgaben zu erfüllen haben, sind die hier aufgezeigten und schon mehr-
fach thematisierten Unwuchten zwischen den kommunalen Gebietskörperschaftsebenen be-
denklich. Diese Unwuchten stellen ein zentrales Problem der Kommunalfinanzen in Mecklen-
burg-Vorpommern dar, die den kreisangehörigen Raum zulasten der kreisfreien Städte bevor-
teilen.
Diesbezüglich verweist das Innenministerium in seiner Stellungnahme auf die geplante Begut-
achtung des horizontalen Finanzausgleichs. Es werde analysiert, inwieweit im derzeitigen Fi-
nanzausgleichssystem die Zuweisungen für die einzelnen kommunalen Gruppen sachlich an-
gemessen sind oder eine Bevorteilung der kreisangehörigen Gemeinden besteht. Der Landes-
19 Die Entwicklung für das Jahr 2012 dürfte für die kreisfreien und die großen kreisangehörigen Städte über-zeichnet sein, da sich das Haushaltsvolumen wegen der auf die Landkreise übertragenen Aufgaben der großenkreisangehörigen Städte verkleinert hat.
24
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
40% Kreisf reie und große kreisangehörige Städte
Landkreise
Kreisangehörige Gemeinden
rechnungshof begrüßt das Vorhaben, den horizontalen Finanzausgleich finanzwissenschaftlich
untersuchen zu lassen (siehe dazu auch die Ausführungen zum kommunalen Finanzausgleich
im Abschnitt III.2).
(55) Diese besorgniserregende langjährige Entwicklung ist im Wesentlichen auf die stetige
Steigerung der konsumtiven Ausgaben bei gleichzeitiger Vernachlässigung der eigenen Ein-
nahmepotenziale zurückzuführen, was zu einer Reduzierung der kommunalen Eigeninvestitio-
nen geführt hat. Die ausgelassenen Investitionen in die kommunale Infrastruktur sind als „Le-
ben auf Verschleiß“ nicht dauerhaft hinnehmbar und werden erhebliche Folgeprobleme mit
sich bringen, sofern nicht geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die Entwicklung umzu-
kehren.
3 Die kommunale Finanzwirtschaft im Vergleich
(56) Den im nachstehenden Abschnitt dargestellten Analysen zur relativen Entwicklung der
kommunalen Finanzwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns wird zunächst ein kurzer Über-
blick über den Stand des öffentlichen Gesamthaushaltes vorangestellt. Damit soll verdeutlicht
werden, dass aufgrund der angespannten finanziellen Situation aller Ebenen eine Umvertei-
lung von Finanzmitteln zwischen Bund, Ländern und Kommunen zur Lösung finanzwirt-
schaftlicher Probleme der Kommunen nicht möglich ist.20 Folglich kommt es verstärkt darauf
an, dass alle Ebenen Konsolidierungsmaßnahmen ergreifen.
(57) Die Haushaltslage des Bundes und der Länder ist weiterhin angespannt. Im Jahr 2012
betrug das kassenmäßige Finanzierungsdefizit der Kern- und Extrahaushalte des öffentlichen
Haushaltes (Bund, Länder, Gemeinden/Gv. und Sozialversicherungen) in Abgrenzung der
Finanzstatistik rd. 10,5 Mrd. Euro. Das Defizit hat sich im Vergleich zum Vorjahr damit um
1,6 Mrd. Euro verringert, macht aber unmissverständlich deutlich, dass die fiskalischen
Handlungsspielräume noch immer begrenzt sind.
(58) Die Haushaltslage des Bundes hat sich im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Das
kassenmäßige Defizit stieg gegenüber 2011 um rd. 6,0 Mrd. Euro auf 18,4 Mrd. Euro (vgl.
dazu Abbildung 11).
20 Die Entwicklung des öffentlichen Finanzierungssaldos wird an dieser Stelle anhand der Veröffentlichung„Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts“ (Fachserie 14, Reihe 2) des Statisti-schen Bundesamtes analysiert.
25
Abbildung 11: Finanzierungssalden der Körperschaften des öffentlichen Gesamthaushaltes, 2010-2012, in Mrd. Euro21
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 2; eigene Berechnungen.
(59) Der Finanzierungssaldo der Länder hat sich von rd. -10,8 Mrd. Euro im Jahr 2011 auf
-8,8 Mrd. Euro verbessert. Die Entwicklung der Landesfinanzen von Mecklenburg-Vorpom-
mern ist dabei besonders positiv hervorzuheben, da das Land Mecklenburg-Vorpommern mit
seinen Kern- und Extrahaushalten einen positiven Finanzierungssaldo erreicht hat
(rd. 219,1 Mio. Euro) und dieser im Vergleich zum Vorjahr um 56,3 Mio. Euro angestiegen
ist.
(60) Die kommunalen Kern- und Extrahaushalte Deutschlands haben sich im Vergleich zu
den Vorjahren positiv entwickelt. Während im Jahr 2011 insgesamt noch ein Defizit von
2,9 Mrd. Euro festzustellen war, konnte das Jahr 2012 mit einem Überschuss in Höhe von
rd. 0,9 Mrd. Euro abgerechnet werden, wobei die Extrahaushalte ein Finanzierungsdefizit von
0,9 Mrd. Euro aufwiesen.22 Zu beachten ist allerdings, dass neben den Kommunen Mecklen-
burg-Vorpommerns auch die in Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein
Finanzierungsdefizite zu verzeichnen hatten.
(61) Die günstige Finanzentwicklung ist größtenteils auf höhere Einnahmen zurückzufüh-
ren. Für den Anstieg der bereinigten Einnahmen auf rd. 197,8 Mrd. Euro (+3,2 Prozent,
+6,1 Mrd. Euro) sind die höheren Steuereinnahmen (+6,6 Prozent, +4,6 Mrd. Euro) und die
21 Das in der Abbildung 11 ausgewiesene kassenmäßige Finanzierungsdefizit „Insgesamt“ beinhaltet defini-tionsgemäß auch den Überschuss der Sozialversicherung.
22 Mit den für Mecklenburg-Vorpommern nachbereiteten Daten ergibt sich 2012 ein Finanzierungsüberschussvon rd. 1,2 Mrd. Euro.
26
2010 2011 2012
-100
-80
-60
-40
-20
0
20
-80,6 -12,2 -10,5-51,6 -12,4 -18,4-23,1 -10,8 -8,8-8,8 -2,9 0,9
Insgesamt
Bund
Länder
Gemeinden/Gv .
in M
rd.
Eu
ro
gestiegenen Zuweisungen der Länder im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs
(+4,7 Prozent, +1,2 Mrd. Euro) verantwortlich.
(62) Mit der guten kommunalen Einnahmeentwicklung ging 2012 eine moderate Steigerung
der Gemeindeausgaben auf 196,9 Mrd. Euro (+1,2 Prozent, +2,3 Mrd. Euro) einher. Die Ent-
wicklung ist insbesondere auf eine Steigerung der Sozial- (+2,6 Prozent, +1,1 Mrd. Euro) und
Personalausgaben (+3,9 Prozent, + 2,0 Mrd. Euro) zurückzuführen. Stark gesunken sind hin-
gegen die kommunalen Sachinvestitionen (-11,2 Prozent, -2,6 Mrd. Euro). Damit beruhte die
Ausgabenentwicklung vor allem auf einer Steigerung der Konsumausgaben.
(63) Dass es sich bei der zuvor für die kommunale Ebene Deutschlands beschriebene Ent-
wicklung nicht um einen bundesweiten Trend handelt, zeigt die nachfolgende Abbildung 12
für die beiden Vergleichsgruppen. Die Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer
erzielten im Sog der guten Konjunkturlage erstmals seit 2008 wieder einen positiven Finan-
zierungssaldo. Mit einem einwohnerbezogenen Überschuss von rd. 1 Euro hat sich 2012 die
Finanzlage damit im Gegensatz zu den Krisenjahren deutlich verbessert.
Abbildung 12: Finanzierungssalden der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2000-2012, in Euro je Einwohner
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(64) Die Finanzlage der Kommunen der übrigen ostdeutschen Länder hat sich im selben
Zeitraum verschlechtert. Der Pro-Kopf-Überschuss reduzierte sich von 39 Euro auf 8 Euro je
Einwohner.
Lediglich die kommunalen Ebene in Mecklenburg-Vorpommern wies mit 25 Euro je Einwoh-
ner in dieser Vergleichsgruppe einen negativen Finanzierungssaldo auf. Damit hat sich der
Trend der letzten Jahre fortgesetzt.
27
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
-200
-150
-100
-50
0
50
100
150
200 MV FO FFW
in E
uro
je E
W
(65) In Tabelle 6 werden die Einnahmen im Benchmarkvergleich dargestellt. Die Daten in
diesen Darstellungen werden jeweils als Pro-Kopf-Werte ausgewiesen, um die einzelnen Posi-
tionen länderübergreifend vergleichen zu können. Zur Verdeutlichung von potenziellen oder
realisierbaren Einsparungen werden für die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns ferner
Einnahmen- und Ausgabendifferenziale errechnet. Dabei zeigt eine positive Differenz Mehr-
einnahmen bzw. -ausgaben und eine negative Differenz Mindereinnahmen bzw. -ausgaben an.
Tabelle 6: Einnahmen der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2012, in Euro je Einwohner
MV FFW FO Mehr-(+)/Mindereinnahmen(-)
Bevölkerung am 30. Juni 2012 1.630.598 15.770.892 11.138.253 FFW FO
Einnahmeart in Euro je Einwohner in Mio. Euro
Einnahmen der laufenden Rechnung 2.082 2.114 2.013 -52 113
darunter:
Steuereinnahmen 529 895 607 -598 -127
Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit 157 134 128 37 47
Laufende Zuweisungen und Zuschüsse vom Land
1.084 780 999 495 139
Verwaltungs- und Benutzungsgebühren sowie zweckgebundene Abgaben
155 153 162 3 -12
Einnahmen der Kapitalrechnung 210 141 224 113 -23
darunter:
Vermögensveräußerungen 27 48 28 -35 -2
Vermögensübertragungen vom Land23 141 45 161 156 -32
Vermögensübertragungen von anderen Bereichen
33 41 28 -13 8
Bereinigte Einnahmen 2.292 2.255 2.237 60 90
nachrichtlich: Zahlungen vom Land 1.225 826 1.159 651 107
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(66) Wie der Tabelle 6 zu entnehmen ist, lagen die bereinigten Pro-Kopf-Einnahmen mit
2.292 Euro der hiesigen Kommunen 1,6 Prozent über denen der finanzschwachen Westflä-
chenländer bzw. 2,5 Prozent höher als in den übrigen ostdeutschen Flächenländern. Hochge-
rechnet auf die Einwohnerzahl des Landes ergeben sich hieraus für 2012 gegenüber den bei-
den Benchmarks Mehreinnahmen von rd. 60 Mio. bzw. von rd. 90 Mio. Euro.
(67) Dies korrespondiert mit den Zahlungen vom Land Mecklenburg-Vorpommern, wo-
nach die kommunale Ebene im Jahr 2012 rd. 1.225 Euro je Einwohner erhalten hat. Im Ver-
gleich zu den finanzschwachen Westflächenländern tätigte das Land damit rechnerische
Mehrausgaben in Höhe von rd. 651 Mio. Euro bzw. in Relation zu den übrigen ostdeutschen
23 Darunter sind auch investive Zuweisungen und Zuschüsse zu verstehen.
28
Ländern von 107 Mio. Euro. Damit hat das Land wie im Vorjahr vergleichsweise die höchsten
Zahlungen an die Kommunen geleistet.
(68) Wenn unterstellt wird, dass die Kommunen hierzulande keine systemisch höheren
Aufgaben- und Ausgabenlasten im Ländervergleich zu tragen haben, kann festgehalten wer-
den, dass die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns noch immer mit überproportional ho-
hen Zuweisungen vom Land ausgestattet sind.24 Derzeit gleicht das Land die ungenutzten
Spielräume der Kommunen bei den Realsteuern und Entgelteinnahmen auf der Einnahmeseite
über erhöhte Zuweisungen und Zuschüsse aus. Dies wird besonders gegenüber den übrigen
ostdeutschen Ländern deutlich, wenn die hiesigen Steuermindereinnahmen (-127 Mio. Euro)
den Mehreinnahmen aus laufenden Zuweisungen und Zuschüssen (+139 Mio. Euro) gegen-
übergestellt werden.
(69) Bei der Analyse der Einnahmepositionen wird deutlich, dass die Kommunen Mecklen-
burg-Vorpommerns nur einen geringen Teil der laufenden Einnahmen mit ihrem Steuerauf-
kommen bestreiten konnten. Lediglich 25,4 Prozent der laufenden Einnahmen finanzierten sie
durch Steuern, bei den übrigen ostdeutschen Kommunen betrug diese Relation schon
30,1 Prozent. Noch wesentlich deutlicher wird die Eigenfinanzierungsschwäche in Bezug auf
die Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer. Dort beträgt die Quote 42,3 Prozent.
Tabelle 7: Einnahmen aus der Grundsteuer A und B im Vergleich der Flächenländer, 2008-2012, in Euro je Einwohner
BB MV SN ST TH NI RP SL SH FO FFW
2008 93 90 104 93 78 143 109 106 119 94 128
2009 95 93 105 94 78 146 111 107 123 95 130
2010 97 97 107 96 82 150 116 110 127 98 134
2011 99 101 114 100 92 152 120 112 135 103 139
2012 101 102 116 102 98 158 127 115 138 106 144
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(70) Die relative Steuerschwäche, die den Kommunen der ostdeutschen Länder zuvor un-
terstellt wurde, ist in der Tabelle 7 deutlich ersichtlich: 2012 konnten diese aus der Grundsteu-
er A und B ein Pro-Kopf-Aufkommen von 106 Euro verzeichnen, während der Wert bei den
Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer bei 144 Euro lag. Die westdeutschen
Vergleichskommunen nahmen damit 42 Euro je Einwohner mehr ein als die Kommunen hier-
24 Für diese These sprechen empirische Untersuchungen, vgl. u. a. Bertelsmann Stiftung (2008): KommunalerFinanz- und Schuldenreport Deutschland 2008 - Ein Ländervergleich - , S. 105 ff. und Bertelsmann Stiftung(2013): Kommunaler Finanzreport - Einnahmen, Ausgaben und Verschuldung im Ländervergleich - , S. 50 ff.Dort wird gezeigt, dass der Kommunalisierungsgrad der ostdeutschen Länder nahezu identisch ist. Darauskann geschlossen werden, dass auch die Aufgaben- und damit auch die Ausgabenverteilung zwischen derLandes- und Kommunalebene weitestgehend übereinstimmen, so dass die kommunalen Ausgaben länderüber-greifend vergleichbar sind.
29
zulande. Aufgrund unterschiedlicher Bewertungsvorschriften zwischen Ost- und Westdeutsch-
land ist die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer B in Ostdeutschland grundsätzlich
niedriger. Sofern gleiche Pro-Kopf-Einnahmen erreicht werden sollen, müssen die Hebesätze
in Ostdeutschland regelmäßig höher sein und wie in Tabelle 8 abgebildet ist, noch deutlich er-
höht werden.25
Tabelle 8: Gewogene durchschnittliche Hebesätze der Grundsteuer A und B im Vergleich der Flä-chenländer, 2011, in v. H.26
BW BY BB HE MV NI NW RP SL SN ST SH TH
Hebesatz in v. H.
Grundsteuer A 349 339 273 282 264 354 231 295 249 303 299 294 271
Grundsteuer B 383 380 383 337 381 391 457 355 353 479 386 355 383
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 10.1; eigene Berechnungen.
Eine Weiterentwicklung der für die Kommunen wichtigen Besteuerung der Einwohner
(Grundsteuer B) ist notwendig, um einerseits den Kommunen Einnahmepotenziale zu eröff-
nen und um andererseits diese fiskalisch wichtige originäre (Kommunal-)Steuer zukunftsfest
zu machen.27
Vom Finanzministerium wird die Auffassung vertreten, dass der vom Landesrechnungshof ge-
wählte Bezug der Grundsteuer A und B zur Einwohnerzahl die Einnahmen der Gemeinden
Mecklenburg-Vorpommerns überzeichnet.
In der nachstehenden Tabelle 9 sind die Einnahmen der Kommunen aus der Grundsteuer A in
Euro je Landwirtschaftsfläche (km²) dargestellt. Die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns
bilden im Ländervergleich mit den Kommunen von Brandenburg gemeinsam die Schluss-
lichter.
Damit lässt sich die Aussage zusätzlich stützen, dass das Einnahmepotenzial der Grundsteuer
A durch die Gemeinden Mecklenburg-Vorpommern nicht ausgeschöpft wird. Die Gemeinden
Schleswig-Holsteins haben pro 100 ha doppelt so hohe Einnahmen wie die hiesigen Gemein-
den. Die geringen Einnahmen stehen im Widerspruch zu der hohen Produktivität der Land-
wirtschaft hierzulande. Der Landesrechnungshof sieht hier Handlungsbedarf in Form einer
deutlichen Hebesatzsteigerung der Grundsteuer A.
25 Tendenziell korreliert die Höhe der Hebesätze mit der Größe der Gemeinden. Es ist daher möglich, dass grö-ßere Städte unter Umständen wegen ihres überdurchschnittlichen Finanzbedarfs ungleich höherePro-Kopf-Einnahmen generieren müssen, als die in der Tabelle 7 angegebenen Werte.
26 Zum Zeitpunkt der Erstellung des Kommunalfinanzberichtes 2013 lag der Realsteuervergleich (Fachserie 14,Reihe 10.1) vom Statistischen Bundesamt für das Jahr 2012 noch nicht vor.
27 Siehe dazu auch Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht des Landesrech-nungshofes 2011 (Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2011, S. 32.
30
Tabelle 9: Einnahmen aus der Grundsteuer A im Vergleich der Flächenländer, 2011, in Euro je ge-nutzter Landwirtschaftsfläche (km²)28
BB MV SN ST TH NI RP SL SH FO FFW
2011 901 978 1.412 1.791 1.228 2.297 2.251 1.176 1.834 1.319 2.160
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK und Fachserie 3, Reihe 5.1; eigene Berechnungen
(71) Tabelle 10 stellt die Pro-Kopf-Einnahmen aus der Gewerbesteuer im Vergleich der
Flächenländer dar. Insbesondere zu den Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer
fallen niedrigere Einnahmen ins Gewicht. Diese hatten 2012 rd. 88 Prozent bzw. 177 Euro je
Einwohner höhere Einnahmen aus Gewerbesteuern als die Kommunen Mecklenburg-Vorpom-
merns. Der Abstand hat sich damit in den letzten vier Jahren stets vergrößert.
Bemerkenswert ist dabei auch, dass die ostdeutschen Vergleichskommunen signifikant höhere
Einnahmen aus der Gewerbesteuer verzeichnen können, obwohl sie tendenziell gleiche öko-
nomische Rahmenbedingungen aufweisen.
Tabelle 10: Einnahmen aus der Gewerbesteuer im Vergleich der Flächenländer, 2008-2012, in Euro jeEinwohner
BB MV SN ST TH NI RP SL SH FO FFW
2008 250 164 278 243 239 347 323 402 287 257 334
2009 222 158 231 195 184 273 254 294 242 212 264
2010 230 175 257 214 191 315 299 285 254 229 298
2011 211 190 278 246 227 359 334 367 300 246 343
2012 238 201 286 258 253 416 377 310 298 263 378
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
(72) Der Grund dafür ist das nur unzureichend ausgeschöpfte Einnahmepotenzial aus der
Gewerbesteuer. Dies wird beim Blick auf die Streuung innerhalb der Gemeinden offensicht-
lich (vgl. Abbildung 13). Rund 71 Prozent der hiesigen Gemeinden hatten 2011 einen Hebe-
satz von lediglich bis zu 300 v. H. festgelegt. Eine fiskalisch unvorteilhafte Ballung in diesem
Bereich ist bei den Kommunen der Vergleichsländer nicht festzustellen. So setzten die Kom-
munen in Brandenburg (rd. 41 Prozent), Sachsen-Anhalt (rd. 27 Prozent), Thüringen (25 Pro-
zent) und Sachsen (rd. 0,4 Prozent) derartig niedrige Hebesätze deutlich weniger fest.
Dies weist daraufhin, dass in Mecklenburg-Vorpommern Hebesatzerhöhungen bei der Gewer-
besteuer durchaus möglich sind, ohne bei erhöhten Hebesätzen einen Standortnachteil für die
hiesigen Unternehmen befürchten zu müssen.
Nach Angaben des Innenministeriums wurde im Jahr 2012 der Grundsteuer A-Hebesatz in 93
Gemeinden, der Grundsteuer B-Hebesatz in 105 Gemeinden und der Gewerbesteuer-Hebesatz
28 Zum Zeitpunkt der Erstellung des Kommunalfinanzberichtes 2013 lagen noch keine Daten für das Jahr 2012vor.
31
in 102 Gemeinden angehoben. Trotzdem läge der Hebesatz für die Gewerbesteuer bei 140 Ge-
meinden noch unter dem Wert von 300 v. H., davon in 15 Fällen unter 250 v. H. Weitere 620
Gemeinden hätten im Jahr 2012 einen Gewerbesteuer-Hebesatz zwischen 300 v. H. und 400
v. H. festgelegt.
(73) Die Häufung der Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns im Hebesatzbereich von bis
zu 300 v. H. ist nicht nur wegen der angespannten finanziellen Lage der Kommunen proble-
matisch, sondern auch wegen der möglichen Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkom-
mensteuer. Die hebesatzberechtigten Gemeinden müssen bei der Hebesatzfestlegung berück-
sichtigen, dass durch die Anhebung des Anrechnungsfaktors auf 3,8 in § 35 Einkommensteu-
ergesetz (EStG) seit dem Veranlagungszeitraum 2008 für Einzelunternehmen und Personen-
gesellschaften bei einem Hebesatz bis zu 400 v. H. im Rahmen der Einkommensteuerveranla-
gung in der Regel eine vollständige Entlastung von der Gewerbesteuer erreicht werden kann.
Ziel aller Ebenen und der Kommunalaufsicht sollte daher sein, dass Gewerbesteuerhebesätze
in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr unter 400 v. H. festgelegt werden.
Abbildung 13: Streuung der gewogenen Hebesätze der Gewerbesteuer im Ländervergleich, 2011, in v. H.29
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 10.1; eigene Berechnungen.
(74) Im Benchmarkvergleich wird zudem deutlich, dass die Mindereinnahmen aus Steuern
(-598 Mio. Euro) im Vergleich zu der kommunalen Ebene der finanzschwachen Westflächen-
länder durch laufende Zuweisungen und Zuschüsse vom Land (+495 Mio. Euro) deutlich
überkompensiert werden (vgl. nochmals Tabelle 6).
29 Zum Zeitpunkt der Erstellung des Kommunalfinanzberichts 2013 lagen noch keine Daten für das Jahr 2012vor.
32
1-250 251-275 276-300 301-325 326-350 351-375 376-400 401-500
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%BB MV SN ST TH
gew ogene Gew erbesteuerhebesätze in v. H.
An
teil
der
Ge
me
ind
en
je H
ebe
sa
tzg
rup
pe
Darüber hinaus ist beachtenswert, dass sich die in den Vorjahren festgestellte ungünstige Re-
lation von laufenden und investiven Zuweisungen vom Land verbessert hat. Während im Jahr
2012 gegenüber den Kommunen der übrigen ostdeutschen Länder hochgerechnete investive
Mindereinnahmen von rd. 32 Mio. Euro laufende Mehreinnahmen in Form von Zuweisungen
und Zuschüssen von rd. 139 Mio. Euro entgegenstanden, war die Differenz 2008 nahezu dop-
pelt so groß.
(75) Es ist festzuhalten, dass die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns in einem hohen
Maß von Finanzhilfen des Landes abhängig sind, die auch durch die vergleichsweise geringe
Steuerquote der hiesigen Kommunen begründet sind. Die perspektivisch sinkenden Landes-
einnahmen (u. a. Degression der Mittel aus dem Solidarpakt II, Verringerung der Einnahmen
aus dem Länderfinanzausgleich aufgrund des absehbaren Einwohnerrückgangs infolge der de-
mografischen Entwicklung etc.) werden aufgrund des im Finanzausgleichsgesetz Mecklen-
burg-Vorpommern (FAG M-V) verankerten Gleichmäßigkeitsgrundsatzes zu kommunalen
Einnahmeverlusten führen.
Der Gleichmäßigkeitsgrundsatz ist Ausdruck der Schicksalsgemeinschaft von Land und Kom-
munen, indem er eine gleichmäßige Verteilung von Be- bzw. Entlastungseffekten bei verän-
derten Einnahmen garantiert.
(76) Der derzeit noch bestehende Einnahmevorsprung (Land und Kommunen) zu den FFW
wird schrittweise bis 2020 zurückgehen. Perspektivisch werden dann hierzulande
Pro-Kopf-Einnahmen erreicht, wie sie derzeitig bei den Vergleichsländern erzielt werden. Die
Kommunalzuweisungen innerhalb und außerhalb des FAG M-V werden demnach zwangsläu-
fig sinken, sofern das Land bei seinen originären Aufgaben, wie etwa Bildung, Justiz und In-
nere Sicherheit, keine Abstriche macht. Die Kommunen müssen daher einnahme- und ausgabe-
seitige Konsolidierungsmaßnahmen ergreifen. Echte Konsolidierung heißt insbesondere Ver-
zicht und/oder Abgabenerhöhung. Das Land muss bei der Ausgestaltung seiner Kommunalzu-
weisungen darauf achten, dass diese den kommunalen Anpassungsprozessen nicht zuwider-
laufen.
(77) Mit Sorge sieht der Landesrechnungshof daher die mit den kommunalen Landesver-
bänden geschlossene Vereinbarung über ein 100 Mio. Euro Hilfspaket (siehe dazu auch die
Ausführungen im Abschnitt III.3).30 So erachtete es der Landesrechnungshof schon im Kom-
30 Vgl. Vereinbarung zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Städte- und Gemeindetag Meck-lenburg-Vorpommern e. V. sowie dem Landkreistag Mecklenburg-Vorpommern über finanzielle Hilfen desLandes für die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Juni 2013 („Kommunalgipfel“).
33
munalfinanzbericht 201131 als wesentliches Ziel des kommunalen Haushaltskonsolidierungs-
fonds32, Landkreisen und kreisfreien Städten Anreize zu geben, mit Hilfe von Konsolidie-
rungskonzepten bestehende strukturelle Haushaltsdefizite zu verbessern und damit die kom-
munale Selbstverwaltung langfristig zu erhalten.
Als Voraussetzung für die Gewährung von Zuweisungen wurde vorgeschlagen, in den Konso-
lidierungsvereinbarungen die Absenkung des strukturellen, jahresbezogenen Haushaltsaus-
gleichs sowie einen schrittweisen Abbau von Altfehlbeträgen zu vereinbaren. Diese Ziele soll-
ten erreicht werden, indem Konsolidierungshilfen ausschließlich zur Finanzierung nachhalti-
ger struktureller Konsolidierungsmaßnahmen wie zum Beispiel demographieabhängige Infra-
strukturanpassungen oder Abbau freiwilliger Aufgaben geleistet werden. Wesentliche Vor-
schläge des Landesrechnungshofes wurden in der KHKFondsVO M-V vom 17. Dezember
2012 berücksichtigt.
Derartige Maßgaben über die Ziele und die Verwendung der Zuweisungen hätten auch im
100 Mio. Euro-Hilfspaket sichergestellt werden sollen. 100 Mio. Euro unkonditioniert in das
Zuweisungssystem zu geben, führt dazu, dass das Land mit seinem Hilfspaket den notwendi-
gen Anpassungsprozess der Kommunen verzögert. Dadurch wird der Druck nach einnahme-
und ausgabeseitigen Konsolidierungsmaßnahmen zumindest reduziert und damit notwendige
Anpassungen in die Zukunft verlagert.
(78) Diesbezüglich führt das Innenministerium in seiner Stellungnahme aus, dass aufgrund
der hohen Steuereinnahmen des Landes 100 Mio. Euro als Soforthilfe für die Kommunen be-
reitgestellt wurden, die ab dem Jahr 2014 über drei Jahre ausgezahlt werden sollen (2014:
40 Mio. Euro, 2015: 30 Mio. Euro und 2016: 30 Mio. Euro). Die Aufteilung der
100 Mio. Euro erfolge unabhängig vom Finanzausgleichssystem auf Basis der Einwohnerzah-
len, wobei sich die Landkreise diesen Betrag je zur Hälfte mit den kreisangehörigen Gemein-
den teilen. Somit komme die Verteilung der 100 Mio. Euro Soforthilfe allen Einwohnern des
Landes gleichermaßen zu Gute. Die Kommunen können diese Mittel zum Schuldenabbau,
aber auch für Investitionen und Modernisierungen einsetzen. Bei den hoch defizitären Land-
kreisen und kreisfreien Städten werde im Rahmen der rechtsaufsichtlichen Entscheidung zur
Haushaltsüberprüfung die Verwendung der Mittel zum Schuldenabbau eingefordert. Der Lan-
desrechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass das wesentliche Ziel eines derartigen
31 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2011(Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2011, S. 73 ff.
32 Vgl. dazu die Verordnung zum Kommunalen Haushaltskonsolidierungsfonds Mecklenburg-Vorpommern(Kommunale Haushaltskonsolidierungsfondsverordnung - KHKFondsVO M-V) vom 17. Dezember 2012.
34
Hilfsprogramms die Beseitigung strukturell unausgeglichener Haushalte sein muss, in dem die
Mittel wirksam und nachhaltig als Hilfe zur Selbsthilfe ausgegeben werden.
(79) Wie der Tabelle 11, die die Ausgaben der Kommunen im Benchmarkvergleich zeigt,
zu entnehmen ist, lagen die bereinigten Pro-Kopf-Ausgaben mit 2.317 Euro der hiesigen
Kommunen rd. 2,8 Prozent über denen der finanzschwachen Westflächenländer bzw. rd.
3,9 Prozent höher als in den übrigen ostdeutschen Flächenländern. Hochgerechnet auf die Ein-
wohnerzahl des Landes ergeben sich hieraus für 2012 gegenüber den beiden Benchmarks Aus-
gabenüberhänge von rd. 103 Mio. oder 144 Mio. Euro.
(80) Im Einklang steht dies mit den vergleichsweise höheren konsumtiven Ausgaben. Wäh-
rend die hiesigen Kommunen insgesamt 2.064 Euro je Einwohner für laufende Aufwendungen
ausgaben, war der Wert für die Kommunen der anderen ostdeutschen Länder mit 1.905 Euro
je Einwohner deutlich geringer. Auch die Kommunen der finanzschwachen Westflächenlän-
der gaben mit 1.963 Euro pro Kopf weniger aus. Dies hatte rechnerische Mehrausgaben zwi-
schen 165 Mio. Euro (FFW) und 260 Mio. Euro (FO) zur Folge.
Tabelle 11: Ausgaben der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2012, in Euro je Einwohner
MV FFW FO Mehr-(+)/Minderausgaben(-)
Bevölkerung am 30. Juni 2012 1.630.598 15.770.892 11.183.253 FFW FO
Ausgabenart in Euro je Einwohner in Mio. Euro
Ausgaben der laufenden Rechnung 2.064 1.963 1.905 165 260
darunter:
Personalausgaben 578 586 646 -13 -110
Laufender Sachaufwand 491 468 445 38 75
davon Verwaltungs- und Betriebsaufwand 363 374 356 -18 11
davon Erstattungen an andere Bereiche,Zuschüsse an übrige Bereiche, weitere Fi-nanzausgaben
128 94 89 56 64
Zinsausgaben 41 59 32 -28 16
Allgemeine Zuweisungen und Zuschüsse 344 433 289 -145 90
Sonstige Zuweisungen und Zuschüsse für lau-fende Zwecke
218 243 332 -41 -186
Sozialausgaben 698 618 486 130 346
Ausgaben der Kapitalrechnung 253 291 324 -62 -116
darunter:
Sachinvestitionen 210 227 275 -27 -105
Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen 12 33 41 -34 -47
Gewährung von Darlehen 2 11 5 -14 -4
Erwerb von Beteiligungen, Kapitaleinlagen 2 21 10 -30 -13
Bereinigte Ausgaben 2.317 2.254 2.229 103 144
Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen.
35
(81) Insbesondere zu den Kommunen der übrigen ostdeutschen Länder fallen höhere Aus-
gaben beim laufenden Sachaufwand (+75 Mio. Euro) und die Mehrausgaben im Sozialbereich
(+346 Mio. Euro) ins Gewicht. Bemerkenswert ist dabei, dass sich der Ausgabenüberhang im
Sozialbereich im Vergleich zum Vorjahr nochmals deutlich erhöht hat.
(82) Auffällig sind ebenso die vergleichsweise geringeren Sachinvestitionen (-105 Mio.
Euro) und Personalausgaben (-110 Mio. Euro), die tendenziell auf Ausgliederungen aus dem
Kernhaushalt und zunehmender Übertragung von öffentlichen Aufgaben auf Fonds, Einrich-
tungen und Unternehmen mit eigenem Rechnungswesen (FEU) zurückzuführen sind.
(83) Beachtlich ist auch die Gegenüberstellung von Sachinvestitionen und Vermögensüber-
tragungen vom Land (vgl. dazu nochmals Tabelle 6). Für die Kommunen Mecklenburg-Vor-
pommerns ergibt sich ein Saldo von 69 Euro je Einwohner, für die Kommunen der finanz-
schwachen Westflächenländer ein Saldo von 114 Euro je Einwohner. Dies verdeutlicht den
sehr geringen Eigenbeitrag der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern zur Finanzierung
von Sachinvestitionen.
Diese sehr geringe Aktivierung von kommunalen Eigenmitteln aus dem laufenden Haushalt
resultiert neben den erhöhten laufenden Ausgaben der kommunalen Ebene aus den vergleichs-
weise hohen investiven einwohnerbezogenen Zuweisungen durch das Land.
(84) Den signifikanten Konsolidierungsbedarf der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns
zeigen die dargestellten Ausgabenüberhänge im konsumtiven Bereich, die Eigenfinanzie-
rungsschwäche und auch die geringe Investitionstätigkeit im Vergleich zu den Kommunen der
finanzschwachen Westflächenländer und den übrigen ostdeutschen Ländern auf.
(85) Die hiesigen Kommunen sind daher gehalten, schnelle und effiziente Konsolidierungs-
maßnahmen zu ergreifen, um die konsumtiven Ausgaben zu reduzieren und die eigenen Ein-
nahmen zu erhöhen. Andernfalls wird sich die finanzielle Lage der Kommunen wegen der
perspektivisch wegfallenden höheren Finanzausstattung in Zukunft weiter verschärfen. Dabei
wird der Einnahmevorsprung, der gegenüber den Kommunen der finanzschwachen Westflä-
chenländer besteht, spätestens mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II wegfallen.
4 Kommunale Verschuldung
(86) Ende 2012 stand für Mecklenburg-Vorpommern mit 1.063 Euro die höchste
Pro-Kopf-Verschuldung im Vergleich mit den übrigen ostdeutschen Kommunen zu Buche.
Mit Kassenkrediten war die kommunale Ebene mit 249 Euro je Einwohner am zweithöchsten
verschuldet. Wie bereits in den Vorjahren bildeten die Kommunen Mecklenburg-Vorpom-
36
merns und Sachsen-Anhalts im ostdeutschen Vergleich des Schuldenstandes die Schlusslich-
ter (vgl. Tabelle 12).
Tabelle 12: Schuldenstand der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 31.12.2012, in Euro je Einwohner
Quelle: Statistisches Bundesamt, Sonderauswertung; eigene Berechnungen.
(87) Für die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns war in der Zeit von 2005 bis
2012 ein mit 3,6 Prozent durchschnittlicher Rückgang der Kreditmarktschulden und Schulden
bei öffentlichen Haushalten festzustellen. Den Kommunen Sachsens gelang es dagegen, die
Verbindlichkeiten mit 6,9 Prozent deutlich stärker zu reduzieren.
Zusätzlich war in dieser Zeit bei der kommunalen Ebene Mecklenburg-Vorpommerns mit rd.
11,7 Prozent der höchste prozentuale Anstieg der Kassenverstärkungskredite festzustellen.
(88) Vor allem unter den ostdeutschen Kommunen ist eine klare „Zwei-Klassengesell-
schaft“ erkennbar. Während sich die Pro-Kopf-Verschuldung mit Kassenverstärkungskrediten
in Sachsen und Thüringen seit Jahren stabil auf niedrigem Niveau verstetigt hat, ist das Kas-
senkreditvolumen bei den anderen ostdeutschen Kommunen wesentlich höher.
(89) Zu beachten ist, dass die angegebenen Schulden tendenziell nur einen Teil der realen
Verschuldung darstellen. Wegen der in den vergangenen Jahren begonnenen Auslagerungen
aus den Kernhaushalten ist ein wesentlicher Teil der Verschuldung in Tabelle 12 nicht darge-
stellt. Es ist davon auszugehen, dass die dort dargestellte Verschuldung unterzeichnet ist.
(90) Die Abbildung 14 zeigt für die gesamte kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpom-
merns die Entwicklung des Kassenkreditbestandes. Obwohl sich die finanzwirtschaftliche
Lage der Kommunen 2012 gemessen am Finanzierungssaldo negativ darstellt, ist eine leichte
37
Rang Rang
Flächenländer Ost
MV 1.063 5 -3,6% 249 4 +11,7%
FO 795 - -5,0% 191 - +3,4%
BB 534 1 -3,1% 313 3 +2,8%
SN 764 2 -6,9% 23 1 -10,3%
ST 981 4 -4,3% 470 5 +5,5%
TH 951 3 -3,4% 76 2 +10,4%
finanzschw ache Flächenländer West
FFW 1.156 - +1,3% 857 - +7,1%
NI 1.086 2 +1,0% 586 2 +2,0%
RP 1.379 4 +2,1% 1.526 3 +12,2%
SL 1.154 3 +4,3% 1.869 4 +9,7%
SH 1.036 1 0,0% 313 1 +6,3%
Kreditm arktschulden und Schulden bei sonstigen öffentlichen Haushalten
Kassenverstärkungskredite und innere Darlehen
Stand 31.12.2012, in
Euro je EW
durchschnittliche Veränderung
2005-2012, p.a.
Stand 31.12.2012, in
Euro je EW
durchschnittliche Veränderung
2005-2012, p.a.
Entspannung bei der besorgniserregenden Entwicklung der Kassenkredite festzustellen. Das
Volumen sank gegenüber dem Vorjahr von 524 Mio. Euro auf 406 Mio. Euro.33
Abbildung 14: Kommunale Kassenverstärkungskredite in Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2012, je-weils zum 31.12., in Mio. Euro
Quelle: Statistisches Bundesamt; Sonderauswertung; eigene Berechnungen.
(91) Die Landeshauptstadt Schwerin wies zum Jahresende 2012 einen Kassenkreditbestand
von 121,8 Mio. Euro aus, die Stadt Neubrandenburg von 85,6 Mio. Euro und der Landkreis
Vorpommern-Greifswald von 79,0 Mio. Euro. An dem gesamten kommunalen Kassenkredit-
bestand Mecklenburg-Vorpommerns in Höhe von rd. 406 Mio.34 Euro hatten diese drei Kom-
munen damit einen Anteil von 70 Prozent. Die hohen Kassenkreditbestände dieser Kommu-
nen weisen auf strukturelle Defizite in deren Haushalten hin.
In Mecklenburg-Vorpommern und vor allem bei den drei zuvor genannten Kommunen spielen
Kassenkredite in der inzwischen erreichten Höhe längst nicht mehr nur eine Rolle zur De-
ckung kurzfristiger Liquiditätsbedarfe, sondern dienen den Kommunen in rechtlich unzulässi-
gerweise als Finanzierungsinstrument, um Haushaltsfehlbeträge auszugleichen. Die Rechts-
aufsicht ist gefordert, die aufsichtlichen Maßnahmen rechtzeitiger als bisher zu intensivieren.
Beanstandungen reichen in diesen Fällen nicht mehr aus. Haushaltsrechtliche Anordnungen
sowie die Bestellung von zunächst beratenden Beauftragten sind notwendig und folgerichtig.
(92) In Abbildung 16 ist der Schuldenstand der kreisfreien und großen kreisangehörigen
Städte sowie der Landkreise abgebildet. Deutlich erkennbar ist, dass es erheblich Unterschiede
33 In der durch das Statistische Bundesamt veröffentlichten Fachstatistik „Schulden der öffentlichen Haushalte –Fachserie 14, Reihe 5“ wird der Kassenkreditbestand der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns einschließ-lichen deren Extrahaushalten sogar mit 630 Mio. Euro (386 Euro je Einwohner) ausgewiesen.
34 Die Daten basieren auf den Erhebungen zur Kassenstatistik 2012.
38
19951996
19971998
19992000
20012002
20032004
20052006
20072008
20092010
20112012
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
500
550
600
54 6431 30 26
56
151
62
143
224197
477
547
497 485499
524
406
davon 2012 Neubrandenburgdavon 2012 Schwerindavon 2012 Vorpommern-Greifswald
in M
io.
Eu
ro
in den beiden Gruppen gibt. In der Gruppe der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte
ist die Hansestadt Wismar mit 3.406 Euro je Einwohner am höchsten verschuldet, während
die Hansestadt Greifswald einwohnerbezogen lediglich mit 1.165 Euro verschuldet ist.
Abbildung 15: Schuldenstand der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sowie der Landkrei-se, 31.12.2011, in Euro je Einwohner
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Schulden der öffentlichen Haushalte in Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berech-nungen.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Landkreisen. Der Landkreis Mecklenburgische-Seeplat-
te bildet im Vergleich von Schuldenstand je Einwohner rechnerisch mit 1.604 Euro das
Schlusslicht. Ludwigslust-Parchim ist hingegen nur mit 607 Euro je Einwohner verschuldet.
Abbildung 16: Schuldenstand der höchst verschuldeten Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns, 31.12.2011, in Euro je Einwohner
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Schulden der öffentlichen Haushalte in Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berech-nungen.
39
Ludw igslust-Parchim
Rostock
Landkreisdurchschnitt
Vorpommern-Greifsw ald
Nordw estmecklenburg
Vorpommern-Rügen
Mecklenburgische Seenplatte
Hansestadt Greifsw ald
Hansestadt Rostock
Hansestadt Stralsund
städtischer Durchschnitt
Landeshauptstadt Schw erin
Neubrandenburg
Hansestadt Wismar
0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000
607
741
1.179
1.338
1.344
1.437
1.604
1.165
1.897
1.942
2.421
2.748
3.367
3.406
in Euro je EW
Malchow
Beggerow
Krien
Sellin
Neu Gaarz
Moltzow
Lübesse
Putgarten
Hohen Wangelin
Wiek
Lohme
Eggesin
0 1 500 3 000 4 500 6 000 7 500 9 000 10 500 12 000 13 500
4.760
5.274
5.873
5.920
6.103
6.259
7.695
8.412
9.360
9.846
9.924
12.681
in Euro je EW
(93) Bedenklich müssen die in Abbildung 16 dargestellten einwohnerbezogenen Schulden-
stände der höchst verschuldeten Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns stimmen. So ist je-
der Eggesiner Einwohner per 31. Dezember 2011 rechnerisch mit 12.681 Euro verschuldet ge-
wesen. Die Einwohner von Lohme sind mit 9.924 Euro, von Wiek mit 9.846 Euro und von
Hohen Wangelin mit 9.360 Euro verschuldet.
Das Innenministerium teilt in seiner Stellungnahme mit, dass es im Rahmen der rechtsauf-
sichtlichen Überprüfung der Haushalte die Schuldenstände der hoch defizitären Landkreise
und kreisfreien sowie großen kreisangehörigen Städte im Blick hat und fordert entsprechend
die Haushaltskonsolidierung. Bei den hochverschuldeten kreisangehörigen Gemeinden werde
die Konsolidierung des Haushalts im Rahmen der Gewährung von Fehlbetrags- oder Sonder-
bedarfszuweisungen eingefordert.
40
III. Aktuelle Themen
1 Abfrage zum Umsetzungsstand des NKHR M-V
(94) Die Haushalte aller Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns müssen seit dem Haus-
haltsjahr 2012 unter Berücksichtigung der Vorgaben des Neuen Kommunalen Haushalts- und
Rechnungswesens (NKHR M-V) geführt werden. Das NKHR M-V selbst beruht auf der An-
wendung der doppelten Buchführung in Konten, kurz Doppik.
(95) Bereits in den Kommunalfinanzberichten 2008, 2011 und 2012 behandelte der Landes-
rechnungshof diese Thematik und gab diesbezüglich auch Empfehlungen.35
(96) Um einen aktuellen Überblick über den Umsetzungsstand des NKHR M-V bei denje-
nigen kommunalen Körperschaften (im nachfolgenden kurz „Kommunen“) zu gewinnen, für
deren überörtliche Prüfung der Landesrechnungshof zuständig ist, führte er eine Befragung
durch.
Alle zwölf befragten Kommunen beantworteten den Fragebogen des Landesrechnungshofes.
1 Befragungsergebnisse
(97) Im Folgenden werden die wesentlichen Ergebnisse der Befragung, unterteilt in
verschiedene Themengebiete, dargestellt.
1.1 Zeitpunkt der Einführung des NKHR M-V
(98) Die Kommunen hatten die Möglichkeit, das NKHR M-V abweichend vom vorge-
schriebenen Start zum 1. Januar 2012 bereits ab dem Haushaltsjahr 2008 als sogenannte Früh-
starter einzuführen.
Von dieser Möglichkeit haben nach Angaben des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpom-
mern mehr als ein Viertel aller Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern Gebrauch gemacht.
(99) Von den befragten Kommunen zählen die Stadt Neubrandenburg (2008), die Hanse-
stadt Stralsund (2011) sowie die Altkreise Ludwigslust (2010), Parchim (2010) und Nordwest-
35 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2008): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2008(Teil 2) – Kommunalfinanzbericht, S. 23 ff.; Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahres-bericht des Landesrechnungshofes 2011 (Teil 2) – Kommunalfinanzbericht, S. 72 f.; LandesrechnungshofMecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012 (Teil 2) – Kommunal-finanzbericht, S. 57 ff.
41
mecklenburg (2010) zu den Frühstartern. Die übrigen Umfrageteilnehmer wenden das NKHR
M-V seit dem 1. Januar 2012 an.
Damit haben alle Kommunen das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungswesen zum
gesetzlich vorgeschrieben Zeitpunkt eingeführt.
(100) Die letzte kamerale Jahresrechnung liefert wichtige Daten für das NKHR M-V und
macht daher deren zeitnahe Erstellung notwendig. Eine verspätete Aufstellung führt im
weiteren Verlauf zu zeitlichen Verschiebungen und ist daher zu vermeiden.
Im Zuge der Umfrage stellte sich heraus, dass die letzte Jahresrechnung nach kameraler
Rechnungslegung bislang nicht flächendeckend aufgestellt bzw. festgestellt wurde.
Die betroffenen Kommunen sind angehalten, für das letzte Jahr mit kameraler Rechnungs-
legung unverzüglich die erforderliche Jahresrechung zu erstellen.
1.2 Eröffnungsbilanz
(101) Nach § 2 Gesetz zur Einführung der Doppik im kommunalen Haushalts- und Rech-
nungswesen (KomDoppikEG M-V) haben die Gemeinden zu Beginn des ersten Haushalts-
jahres mit einer Rechnungslegung nach den Regeln der doppelten Buchführung eine Eröff-
nungsbilanz aufzustellen.
(102) Bislang wurde die Eröffnungsbilanz nur in drei Kommunen von deren Vertretungskör-
perschaft festgestellt. In einem weiteren Fall wird die Eröffnungsbilanz durch das Rechnungs-
prüfungsamt geprüft. Bei einer fünften Kommune wurde die Eröffnungsbilanz aufgestellt,
jedoch noch nicht von der zuständigen Vertretung festgestellt. Bei vier dieser fünf Kommunen
handelt es sich um Doppik-Frühstarter.
Für die verbleibenden sieben Kommunen liegen bislang keine prüffähigen Eröffnungsbilanzen
vor. Jedoch erkennt der Landesrechnungshof die Bemühungen dieser Kommunen an, die
umfangreichen Arbeiten kurzfristig zum Abschluss bringen zu wollen.
(103) Gleichwohl ist die Eröffnungsbilanz Grundlage für eine den gesetzlichen Vorgaben
entsprechende Haushaltssatzung und die Basis für die Aufstellung von Jahres- und
Gesamtabschlüssen, daher kommt ihr eine besondere Bedeutung zu.
Eine verspätete Aufstellung der Eröffnungsbilanz ist nicht zu akzeptieren, da eine
rechtmäßige Haushalts- und Wirtschaftsführung nicht gewährleistet ist und weitere
Verzögerungen hinsichtlich der auf ihr basierenden Abschlüsse absehbar sind.
42
1.3 Jahresabschluss/Gesamtabschluss
(104) § 60 KV M-V schreibt die Aufstellung eines Jahresabschlusses für den Schluss eines
jeden Haushaltsjahres vor.
Jahresabschlüsse unter Anwendung des NKHR M-V wurden bisher nur von der Stadt
Neubrandenburg, welche das NKHR M-V bereits 2008 eingeführt hatte, für die Haushalts-
jahre 2008 und 2009 aufgestellt. Der Jahresabschluss 2008 wurde von der Stadtvertretung
festgestellt.
(105) Der erstmalige Gesamtabschluss nach dem NKHR M-V ist spätestens für das dritte
Haushaltsjahr nach Doppik-Einführung zu erstellen (§ 13 Abs. 1 KomDoppikEG M-V).
Dieser ist so rechtzeitig aufzustellen, dass er spätestens bis zum Ablauf des folgenden Haus-
haltsjahres der Gemeindevertretung zur Kenntnis vorgelegt werden kann
(§ 13 Abs. 2 KomDoppikEG M-V).
Damit hätte ein erster Gesamtabschluss bislang nur durch die Stadt Neubrandenburg erstellt
und der Vertretungskörperschaft zur Kenntnis vorgelegt werden müssen. Nach Aussage der
Stadt wird der erste Gesamtabschluss derzeit vorbereitet.
(106) Die Aufstellung und Feststellung der Jahresabschlüsse und Gesamtabschlüsse ist, wie
die Erfahrungen zeigen, sehr zeitintensiv. Nur ein planvolles Vorgehen und frühzeitige
Vorbereitungsarbeiten können die gesetzmäßige Vorlage des Gesamtabschlusses und damit
auch einen effizienten Ressourceneinsatz sicherstellen.
Unabhängig davon sind alle Kommunen in der Pflicht, den haushaltsrechtlichen Maßgaben
Rechnung zu tragen.
1.4 Inventur/Inventar
(107) Mit der Durchführung einer Inventur nach § 30 Abs. 1 Gemeindehaushaltsver-
ordnung-Doppik36 (GemHVO-Doppik) werden die Kommunen verpflichtet, nach den
Vorgaben der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ihr Vermögen, ihre Sonderposten,
Rückstellungen und Verbindlichkeiten sowie Haftungsverhältnisse und Verpflichtungen aus
kreditähnlichen Geschäften ebenso wie alle Sachverhalte, aus denen sich sonstige finanzielle
Verpflichtungen ergeben können, zu verzeichnen.
Gemäß § 30 Abs. 5 GemHVO-Doppik ist die Durchführung der Inventur vom Bürgermeister
bzw. Landrat in einer Dienstanweisung zu regeln.
36 Gemäß § 62 GemHVO-Doppik gilt diese Verordnung für die Landkreise entsprechend.
43
(108) In den meisten Kommunen wurde eine Dienstanweisung zur Durchführung einer
Inventur erlassen. In einigen Fällen liegen noch die Dienstweisungen der Altkreise vor.
(109) Die Inventur ist die Grundlage für die Bewertung der Vermögenverhältnisse der
Kommunen, die Dienstanweisung bildet dabei die Basis für deren einheitliche und
ordnungsgemäße Durchführung.
Die Kommunen sind angehalten, die Dienstanweisungen zu erlassen bzw. im Falle der
Landkreise bei mehreren Dienstanweisungen diese zu vereinheitlichen und gegebenenfalls zu
aktualisieren.
1.5 Organisation des Rechnungswesens
(110) Um die ordnungsgemäße Durchführung und Organisation des Rechnungswesens zu
sichern, gibt die GemHVO-Doppik u. a. den Erlass von Dienstanweisungen zur Sicherung des
Buchungsverfahrens (§ 26 Abs. 13 GemHVO-Doppik) sowie zur ordnungsgemäßen Erledi-
gung der Aufgaben des Kassen- und Rechnungswesens (§ 28 Abs. 1 GemHVO-Doppik) vor.
(111) Vier Verwaltungen haben eine Dienstanweisung über die Sicherung des Buchungsver-
fahrens erlassen. Eine weitere Kommune arbeitet mit der Dienstanweisung eines Altkreises.
Diese Dienstanweisungen traten jedoch erst nach bereits erfolgter Umstellung auf das doppi-
sche Rechnungswesen in Kraft.
Darüber hinaus besitzt eine Verwaltung eine vorläufige Arbeitsanweisung, die bis zum
Inkrafttreten einer Dienstanweisung gilt.
(112) Dienstanweisungen über die ordnungsgemäße Erledigung des Kassen- und Rechnungs-
wesens liegen in fünf Verwaltungen vor, wobei eine bereits für einen Altkreis erlassen wurde.
Vier Dienstanweisungen traten erst nach der Umstellung auf das doppische Rechnungswesen
in Kraft. Lediglich im Landkreis Nordwestmecklenburg lag die Dienstanweisung für die
Geschäftsbuchhaltung vor Umstellung auf das doppische Rechnungswesen vor. Eine
Kommune arbeitet mit einer vorläufigen Arbeitsanweisung, die bis zum Inkrafttreten einer
Dienstanweisung gilt.
(113) Da ein ordnungsgemäßes Haushalts- und Rechnungswesen entsprechende
verwaltungseinheitliche Regelungen voraussetzt, hätten die zu diesem Zweck zu erlassenden
Dienstanweisungen zur Organisation des Rechnungswesens (Anlage 4 der VV des Innen-
ministeriums vom 8. Dezember 2008) vor der Umstellung vom kameralen auf das doppische
Haushalts- und Rechnungswesen vorliegen müssen.
44
Alle Kommunen sind angehalten, entsprechende Dienstanweisungen als notwendige Voraus-
setzungen der Sicherheit und Ordnungsmäßigkeit der Organisation des Rechnungswesens zu
erlassen.
1.6 Kosten- und Leistungsrechnung
(114) § 27 GemHVO-Doppik schreibt die Durchführung einer Kosten- und Leistungsrech-
nung (KLR) für alle Bereiche der Verwaltung nach den örtlichen Bedürfnissen vor. Sie dient
zur Verwaltungssteuerung sowie zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähig-
keit der Verwaltung.
Art und Umfang der KLR sind vom Bürgermeister bzw. Landrat in einer Dienstanweisung zu
regeln (§ 27 Abs. 3 GemHVO-Doppik).
(115) Bisher haben sechs Kommunen die Kosten- und Leistungsrechnung eingeführt.
Entsprechende Dienstanweisungen über die Art und den Umfang der KLR liegen in drei
Verwaltungen vor. Davon wurde eine Dienstanweisung bereits für einen Altkreis erlassen.
Eine andere Dienstanweisung trat erst zwei Jahre nach Einführung der KLR in Kraft.
(116) Die KLR bildet eine wesentliche Grundlage der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit und damit der gesamten Verwaltungssteuerung. Bei deren verzögerter oder
unterlassener Einführung fehlen den kommunalen Entscheidungsträgern relevante Informa-
tionen für einen effizienten und effektiven Ressourceneinsatz. Damit können die mit der
Einführung des NKHR M-V verfolgten Ziele nicht bzw. nur teilweise erreicht werden.
1.7 HKR-Verfahren
(117) § 26 Abs. 10 Nr. 1 GemHVO-Doppik schreibt für das verwendete HKR-Verfahren
eine Freigabe durch den Bürgermeister bzw. Landrat vor.
(118) In den wenigsten Fällen wurde eine entsprechende Freigabeerklärung des Verfahrens
erteilt, einige Kommunen bereiten diese gegenwärtig vor. Es lag in weiteren Verwaltungen
zwar eine Freigabeerklärung nach § 19 Landesdatenschutzgesetz (DSG M-V) vor, diese
ersetzt jedoch nicht die Freigabeerklärung nach § 26 Abs. 10 Nr. 1 GemHVO-Doppik.
(119) Die Freigabeerklärung durch den Bürgermeister bzw. Landrat ist für die
entsprechenden HKR-Verfahren nachzuholen, um die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens zu
dokumentieren.
45
1.8 Statistik über das Haushaltsjahr 2012
(120) Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 FPStatG haben die Kommunen die Ein- und Auszahlungen,
jeweils nach Arten sowie Aufgabenbereichen oder Produktgruppen entsprechend der für die
Finanzstatistik maßgeblichen Systematik, einmal jährlich zu melden.
§ 3 Abs. 2 Nr. 2 a FPStatG regelt darüber hinaus die vierteljährliche Meldung der Ein- und
Auszahlungen, jeweils nach Arten, entsprechend.
(121) In der Mehrheit der Fälle wurde der Meldepflicht gemäß FPStatG im Wesentlichen
nachgekommen.
(122) Eine fristgerechte und inhaltlich korrekte Übermittlung der Daten für die Zwecke der
Finanzstatistik ist auch aufgrund ihrer hohen Bedeutung für die Haushalts- und Finanzpolitik
auf Bundes- und Landesebene sicherzustellen.
2 Fazit
(123) Mehr als eineinhalb Jahre nach dem Stichtag zur verpflichtenden Doppik-Einführung
haben die Landkreise, kreisfreien Städte und großen kreisangehörigen Städte teilweise immer
noch erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung des NKHR M-V.
Der Landesrechnungshof betrachtet diese Entwicklung mit Sorge. Schon in früheren Jahresbe-
richten wies er im Zusammenhang mit der Einführung des NKHR M-V auf die zeitliche Über-
schneidung mit der Umsetzung der Kreisgebietsreform hin. Unter Umständen wurden durch
dieses Aufgabenfeld personelle Kapazitäten gebunden, die auch bei der Einführung des
NKHR M-V benötigt wurden.
Dessen ungeachtet sind die Kommunen in der Pflicht, den gesetzlichen Maßgaben insbeson-
dere hinsichtlich
• der Aufstellung und Feststellung der Eröffnungsbilanzen sowie der Jahresabschlüsse,
• des Erlasses der notwendigen Dienstanweisungen,
• der Erteilung von Freigabeerklärungen sowie
• der Einführung der KLR
nachzukommen und die hier aufgezeigten Versäumnisse schnellstmöglich abzustellen. Nur so
kann ein ordnungsgemäßes und effizientes Verwaltungshandeln auf Basis des NKHR M-V
sichergestellt werden.
46
(124) Das Innenministerium führte in seiner Stellungnahme aus, dass es in den vergangenen
Monaten u. a. durch Schreiben an die unteren Rechtsaufsichtsbehörden oder entsprechende
rechtsaufsichtliche Fristvorgaben an die der Rechtsaufsicht des Ministeriums unterstehenden
Körperschaften verstärkt und konsequent darauf gedrungen habe, dass die Eröffnungsbilanzen
und Jahresabschlüsse aller Kommunen nunmehr zeitnah festgestellt werden. „Insgesamt steht
die Fortführung der Doppik gleichwohl nicht in Frage. Sie ist eine wesentliche Voraussetzung
dafür, dass die kommunalen Körperschaften auf der Basis umfassender Informationen und
solider Zahlen verantwortungsbewusst die erforderlichen Entscheidungen für die Zukunft
treffen können. Damit trägt die Doppik wesentlich dazu bei, dass die kommunalen Körper-
schaften ihrer Verantwortung für künftige Generationen gerecht werden können.“
47
2 Reform des Finanzausgleichsgesetzes
1 Gutachtenauftrag zur Novellierung des FAG M-V
(125) Der Landesrechnungshof hat sich in den vergangenen Jahren in seinen Kommunal-
finanzberichten wiederholt zum kommunalen Finanzausgleich (KFA) bzw. zum FAG M-V37
geäußert, Handlungsbedarfe aufgezeigt und Reformvorschläge unterbreitet.
Der Landesrechnungshof hält noch immer eine grundlegende Novellierung des FAG M-V für
erforderlich. Er sieht daher dem durch das Innenministerium angekündigten Gutachten zur
Novellierung des FAG M-V mit großem Interesse entgegen und erhofft sich zahlreiche um-
setzbare Vorschläge für weitreichende Reformschritte.
Bei der Vergabe des Gutachtens sollte darauf geachtet werden, dass die an die Weiterentwick-
lung des kommunalen Finanzausgleichs gestellten Anforderungen präzise herausgearbeitet
werden. Aus Sicht des Landesrechnungshofes sollte das FAG M-V u. a. statistisch begründet,
nachvollziehbar, transparent, gerichtsfest, sachgerecht und anreizkompatibel sein.
(126) Mit Sorge sieht der Landesrechnungshof allerdings, dass neben dem horizontalen Fi-
nanzausgleich, der u. a. wegen der Kreisgebietsreform dringend einer Neufassung bedarf,
auch der vertikale Finanzausgleich untersucht werden soll.38 Dieser wurde schon mit dem im
Frühjahr 2007 in Auftrag gegebenen finanzwissenschaftlichen Gutachten abschließend unter-
sucht.39 Der vertikale Finanzausgleich mit dem in § 7 Abs. 3 FAG M-V spezifizierten Gleich-
mäßigkeitsgrundsatz ist schon jetzt zukunftsfest und geeignet, eine sachgerechte Finanzvertei-
lung zwischen Land und Kommunen zu gewährleisten. Eine erneute Untersuchung ist daher
nicht notwendig, da keine wesentlichen neuen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(127) Sofern die Entwicklungen in Bezug auf die Untersuchung des vertikalen Finanzaus-
gleichs auf Forderungen der kommunalen Landesverbände zurückgehen, könnten diese ein ei-
genes Gutachten zur Novellierung des vertikalen Finanzausgleichs in Auftrag geben, da be-
reits ein Gutachten aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde. Daher ist § 7 LHO zu beachten.
37 Die Ausführungen zum FAG M-V beziehen sich nachfolgend, wenn nichts anderes angegeben, auf die im Ge-setz- und Verordnungsblatt M-V (GVOBl. M-V), S. 606; zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom22. Juni 2012 (GVOBl. M-V, S. 208) veröffentlichte Version.
38 Vgl. u. a. Innenministerium (2013): Pressemitteilung vom 20.06.2013 - Rede des Innenministers Lorenz Caf-fier zum Antrag der Fraktion DIE LINKE; Neugestaltung des kommunalen Finanzausgleichs bis Anfang 2016-Drucksache 6/1948-.
39 Vgl. dazu Büttner, T. et al. (2008): Der kommunale Finanzausgleich in Mecklenburg-Vorpommern: Lang-fristige Entwicklung und Reformperspektiven. Teil I: Der vertikale Finanzausgleich.
48
Das Finanzministerium teilt die Bewertung des Landesrechnungshofes, dass der vertikale Fi-
nanzausgleich gemäß dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz im geltenden FAG M-V zukunftsfest
und sachgerecht geregelt ist. Angesichts dessen ist auch aus Sicht des Finanzministeriums kei-
ne erneute Untersuchung notwendig. Allerdings muss es die dazu ergangene politische Ent-
scheidung zum Gegenstand des Gutachtens zur Kenntnis nehmen. Das Finanzministerium
kündigt an, die Prüfung der vertikalen Finanzverteilung kritisch zu begleiten.
Das Innenministerium weist darauf hin, dass durch das 2007 vergebene Gutachten nicht die fi-
nanzwirtschaftlichen Aspekte des vertikalen Finanzausgleich berücksichtigt worden seien.
2 Institutionelle Zuständigkeit
(128) In Mecklenburg-Vorpommern sind sowohl das Innen- als auch das Finanzministerium
für das FAG M-V zuständig. Das Finanzministerium vollzieht dabei die vertikale Verteilung
der Finanzausgleichsmasse und ist für deren regelmäßige Überprüfung zuständig. Dem Innen-
ministerium obliegen der horizontale Finanzausgleich sowie die Behandlung von Grundsatz-
angelegenheiten (Referat II 320), die Begleitung des Gesetzgebungsverfahrens (Referat II 320)
und die Bewirtschaftung der FAG-Mittel (Referate II 320 und II 330). Ob und inwieweit die
personellen Ressourcen (1 Stelle Laufbahngruppe 2, 1. Einstiegsamt, geringe Stellenanteile
Laufbahngruppe 2, 2. Einstiegsamt) für die Betreuung und Weiterentwicklung des FAG M-V
ausreichen, bleibt fraglich.
(129) Aus Sicht des Landesrechnungshofes ist dies auch mitursächlich dafür, dass das
FAG M-V in den letzten Jahren nicht wesentlich weiterentwickelt wurde. Zur Novellierung
des FAG M-V bedarf es aus Sicht des Landesrechnungshofes neben rechts- auch finanzwis-
senschaftlicher Expertise, um das Gesetz, dessen Methodik auf einem mathematischen Modell
basiert, empirisch derart zu fundieren, dass es weniger streitanfällig und „gerichtsfester“ wird.
Das Finanzministerium widerspricht der Einschätzung, dass die personellen Ressourcen die
Weiterentwicklung des FAG M-V gebremst haben. Notwendige Anpassungen an aktuelle Ent-
wicklungen wurden in der Vergangenheit und werden auch künftig im Zusammenwirken von
Innen- und Finanzministerium vorgenommen.
(130) Der Landesrechnungshof empfiehlt, die Aufgabenfelder des kommunalen Finanzaus-
gleichs in der nächsten Wahlperiode beim Finanzministerium anzusiedeln, welches auch für
Fragen des Länderfinanzausgleichs zuständig ist. Dort würde der entsprechende Sachverstand
gebündelt. Dem Innenministerium sollte die Bewirtschaftung der FAG-Mittel übertragen blei-
ben, die als finanzielle Maßnahmen eine enge Konnexität mit den rechtlichen Maßnahmen der
49
Finanzaufsicht haben (Konsolidierungshilfen, Sonderbedarfszuweisungen). Damit würde auch
in Mecklenburg-Vorpommern, wie bereits in drei anderen ostdeutschen Ländern, eine engere
Verzahnung des kommunalen Finanzausgleichs mit der Haushaltspolitik erreicht.
Die Verteilung der Zuständigkeiten für den kommunalen Finanzausgleich ist in Mecklen-
burg-Vorpommern aus Sicht des Finanzministeriums durch den geltenden Organisationserlass
des Ministerpräsidenten sachgerecht und abschließend geregelt. Vor diesem Hintergrund seien
Veränderungen erst in der nächsten Wahlperiode zu erreichen. Für die geltende KFA-Zustän-
digkeit gebe es im Übrigen gute Gründe. Diese lägen insbesondere in der einheitlichen Ge-
samtverantwortung auf Seiten des Landes für die kommunalen Haushaltsangelegenheiten. Die
Trennung von Zuständigkeiten für das FAG M-V einerseits und Haushaltsvollzug der Kom-
munen andererseits hält das Finanzministerium nach wie vor für nicht zielführend. Von Innen-
und Finanzministerium wird an der Einschätzung festgehalten, dass die derzeitige Aufgaben-
verteilung im Bereich KFA zwischen den beiden Ministerien zweckmäßig und die Zusam-
menarbeit konstruktiv sei.
3 Reformbedarf
(131) Mit Sorge sieht der Landesrechnungshof, dass durch das Urteil des Landesverfassungs-
gerichtes vom 23. Februar 2012 (LVerfG 37/10) die sogenannte Stadt-Umland-Problematik
nun endgültig ungelöst bleibt. Das Landesverfassungsgericht hat auf die Verfassungsbe-
schwerden der Gemeinden Gägelow, Dorf Mecklenburg, Lübow, Metelsdorf, Barnekow,
Hornstorf, Krusenhagen und Zierow die Stadt-Umland-Umlage nach § 24 FAG M-V für un-
vereinbar mit Art. 72 Abs. 1 Satz 1, Art. 73 Abs. 2 Verf M-V und nichtig erklärt.
Die Stadt-Umland-Umlage ist aus fiskalischen Gründen von Bedeutung. So halten die Kern-
städte (Hansestädte Rostock, Wismar, Greifswald und Stralsund, Landeshauptstadt Schwerin
sowie Neubrandenburg) Infrastruktur- und Leistungsangebote vor, die nicht nur von den Ein-
wohner dieser Städte, sondern auch von den Einwohnern der Umlandgemeinden ohne ausrei-
chende Beteiligung an der Finanzierung genutzt werden. Mit der Stadt-Umland-Umlage wur-
de dieser Problematik entgegengewirkt.
(132) Zur Lösung hat das Innenministerium Prof. Korioth beauftragt, eine Urteilsanalyse ein-
schließlich eines Vorschlages einer Neuregelung sowie eine Machbarkeitsstudie vorzuneh-
men. Ziel war es, eine Neuregelung mit Wirkung zum Jahr 2014 zu erreichen. Dazu wurde
entgegen der Anmerkung des Landesrechnungshofes aufgrund zeitlicher Probleme beschlos-
sen, die Stadt-Umland-Problematik von der FAG-Gesamtproblematik zu trennen. Das Gutach-
50
ten wurde im April 2013 fertiggestellt. Im Gesetzentwurf der Landesregierung zum FAG M-V
2014 ist jedoch keine entsprechende Neuregelung enthalten, weil nach Aussagen des Gutach-
ters noch ein finanzwissenschaftliches Gutachten zur Bestimmung der Umlagehöhe notwen-
dig sei.
(133) Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass das Innenministerium die notwendigen
Untersuchungen in den Gutachtenauftrag zur Novellierung des FAG M-V aufnimmt, um eine
zügige Neuregelung zu gewährleisten. Alternativ sollte es nochmals Eingemeindungen als Lö-
sungsweg prüfen.
(134) Das angekündigte Gutachten zur Novellierung des FAG M-V nimmt der Landesrech-
nungshof zum Anlass, auf einige Probleme hinzuweisen und zu ausgewählten Punkten, insbe-
sondere zum Schlüsselzuweisungssystem, eigene Empfehlungen auszusprechen.
In der nachfolgenden Abbildung wird das FAG M-V in der Fassung aus dem Jahr 2012 sche-
matisch veranschaulicht.
51
Abbildung 17: Schematische Darstellung des FAG M-V, 2012
52
Quelle: Lenk, T. et al. (2013): Synoptische Darstellung der kommunalen Finanzausgleichssysteme der Länder aus finanzwissenschaftlicher Perspektive.
(135) Wie die Abbildung zeigt, ist die derzeitige Ausgestaltung des FAG M-V von einer ho-
hen Anzahl von Vorwegabzügen gekennzeichnet:
• 207 Mio. Euro für den Ausgleich der Wahrnehmung der Aufgaben des übertragenen
Wirkungskreises und der unteren staatlichen Verwaltungsbehörden (§§ 14 und
15 FAG M-V),
• 137,3 Mio. Euro für Zuweisungen für übergemeindliche Aufgaben (§ 16 FAG M-V),
• 11 Mio. Euro für Zuweisungen für die Träger der Schülerbeförderung in den Land-
kreisen (§ 17 FAG M-V),
• 18 Mio. Euro für Zuweisungen für die Träger des öffentlichen Nahverkehrs (§ 18
FAG M-V),
• 35,8 Mio. Euro für Zuweisungen für Theater und Orchester (§ 19 FAG M-V),
• 19 Mio. Euro für Sonderbedarfszuweisungen (§ 20 FAG M-V),
• 7 Mio. Euro für Zuweisungen an den kommunalen Aufbaufonds Mecklenburg-Vor-
pommern (§ 21 FAG M-V) sowie
• 15 Mio. Euro für ergänzende Hilfen zum Erreichen des dauerhaften Haushaltsaus-
gleichs in kreisangehörigen Gemeinden, kreisfreien Städten und Landkreisen
(§ 22 FAG M-V).
Mit einer Summe von 450,1 Mio. Euro sind diese zudem fiskalisch bedeutsam. Problematisch
ist, dass bei den perspektivisch rückläufigen Finanzausgleichsleistungen die Vorwegabzüge
zuungunsten der Schlüsselzuweisungen relativ an Gewicht gewinnen.
(136) Die Vorwegabzüge sind hinsichtlich ihrer Verwendung an die Erfüllung bestimmter
Aufgaben/Sachziele gebunden. Im Zentrum eines „guten“ Finanzausgleichssystems sollte hin-
gegen aufgrund des verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgrundsatzes vorrangig das
Schlüsselzuweisungssystem stehen. Die Schlüsselzuweisungen dienen als allgemeine De-
ckungsmittel nicht nur der kommunalen Finanzausstattung, sondern entsprechen durch die fi-
nanzkraftabhängige Gewährung den distributiven Zielen des Finanzausgleichs, wodurch die
interkommunalen Finanzkraftunterschiede ausgeglichen werden sollen.
(137) In nachstehender Abbildung 18 ist die Struktur der Zuweisungen innerhalb des kom-
munalen Finanzausgleichs (netto) dargestellt. Das Verhältnis von Zweckzuweisungen und
Schlüsselzuweisungen zeigt den subsidiären Charakter der kommunalen Finanzausgleichs-
53
systeme. Mit einem hohen Anteil von Schlüsselzuweisungen an der Ausgleichsmasse können
hohe Ausgleichseffekte hervorgerufen werden.
Abbildung 18: Zuweisungsarten auf Basis der Haushaltspläne im Ländervergleich (netto), 2013, in Euro je Einwohner
Quelle: Lenk, T. et al. (2013): Synoptische Darstellung der kommunalen Finanzausgleichssysteme der Länder aus finanzwissenschaftli-cher Perspektive.
(138) Deutlich zu erkennen ist, dass die FAG-Zuweisungen je Einwohner in den ostdeut-
schen Ländern regelmäßig höher ausfallen als in den westdeutschen Ländern. Während diese
in letzterer Ländergruppe im Bereich von 371 bis 585 Euro je Einwohner liegen, schwanken
die einwohnerbezogenen FAG-Zuweisungen in den ostdeutschen Ländern zwischen 665 Euro
und 841 Euro.
Der Vergleich unter den ostdeutschen Ländern hinsichtlich der Zuweisungsarten unterstreicht
das Strukturproblem des FAG M-V. In Mecklenburg-Vorpommern werden lediglich 318 Euro
je Einwohner (rd. 46 Prozent) in Form von Schlüsselzuweisungen gewährt. 367 Euro je Ein-
wohner (rd. 54 Prozent) werden hingegen in Form von zweckgebunden Zuweisungen inner-
halb des FAG M-V an die Kommunen ausgeschüttet. Positiv hervorzuheben ist die klare Do-
minanz der Schlüsselzuweisungen in den Finanzausgleichen von Sachsen (84 Prozent) und
Brandenburg (71 Prozent).40 Dieses Verhältnis sollte als Benchmark für die Novellierung des
FAG M-V herangezogen werden.
(139) Ein hoher Anteil an Zweckzuweisungen („goldener Zügel“) sollte vermieden werden,
da dies tendenziell bei den Kommunen eine Prioritätensetzung in der Haushaltspolitik ver-
40 Der kommunale Finanzausgleich von Thüringen (2008) und von Sachsen-Anhalt (2010) wurde auf ein soge-nanntes bedarfsorientiertes Verfahren umgestellt. Infolgedessen ist die Vergleichbarkeit mit den anderen Län-dern eingeschränkt.
54
BW BY HE NI NW RP SL SH BB MV SN ST TH
0
100
200
300
400
500
600
700
800
90020
7
141 23
0
60 71
224
71 84
241
367
111
312
588
264
230
355
350 41
2
253
451
338
600
318
582
354
240
470
371
585
410
483 477522
422
841
685 693665
828 Schlüsselzuweisungen
Zweckzuweisungen
in E
uro
je E
W
zerrt. Zudem wird die zum Teil notwendige Haushaltskonsolidierung erschwert, weil Aufga-
ben- und Ausgabenbeschränkungen kommunalpolitisch umso schwerer durchsetzbar sind, so-
fern sie mit entsprechenden Einnahmeverlusten verbunden sind. Aus Sicht des Landesrech-
nungshofes sollten die Schlüsselzuweisungen durch Umschichtungen im bestehenden Finanz-
ausgleich durch Auflösung der Vorwegabzüge gestärkt werden.
Zusätzlich sollte in Erwägung gezogen werden, bisher außerhalb des kommunalen Finanzaus-
gleichs gewährte Zuweisungen (unter betragsmäßiger Kürzung) in das FAG M-V zu überfüh-
ren und als Schlüsselzuweisungen auszureichen (siehe dazu auch die Ausführungen im Ab-
schnitt III.3, Tz. 151).
(140) In der Abbildung 19 sind die Zuweisungen an die Kommunen innerhalb und außerhalb
des kommunalen Finanzausgleichs (netto) 2013 im Ländervergleich dargestellt. Offensichtlich
ist, dass in Baden-Württemberg, Hessen, Saarland und Thüringen die Zuweisungen an die
Kommunen zum größten Teil innerhalb des kommunalen Finanzausgleichs geregelt werden.
In den anderen Ländern erhalten die Kommunen einen großen Teil der Finanzzuweisungen
außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs (sogenannte Fachförderung aus den Landeshaus-
halten).
Abbildung 19: Leistungen der Länder an die Kommunen auf Basis der Haushaltspläne (netto), 2013, inEuro je Einwohner41
Quelle: Lenk, T. et al. (2013): Synoptische Darstellung der kommunalen Finanzausgleichssysteme der Länder aus finanzwissenschaftli-cher Perspektive.
41 Für die Summe aus Schlüsselzuweisungen und Zweckzuweisungen wurden die nachfolgenden Positionen ausden Gruppierungsübersichten der Haushaltspläne addiert: 213, 217, 233, 237, 333 und 337. Davon wurdendie Gruppierungsnummern für die Zuweisungen der Gemeinden an die Länder subtrahiert: 613, 623, 627,633, 637, 883 und 887.
55
BW BY HE NI NW RP SL SH BB MV SN ST TH
0
200
400
600
800
1.000
1.200
1.400
1.600
470
371
585
410 48
3
477 522
422
841
685
693
665
828
180 48
2 124
512 45
9
353
91
525
492
651
619
386
266
650
853
709
922 942
830
613
947
1.333 1.337 1.312
1.0521.094
außerhalb der Finanzausgleichsmasse
innerhalb der Finanzausgleichsmasse Gesamtzuweisungen
in E
uro
je E
W
Festzustellen ist weiterhin, dass die Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns mit 1.337 Euro
vergleichsweise die höchsten einwohnerbezogenen Gesamtzuweisungen erhalten und damit
die Spitzenposition einnehmen. Um das Schlüsselzuweisungssystem weiter zu stärken, sollten
Landeszuweisungen, die zur Zeit außerhalb des FAG M-V gewährt werden, in den Finanzaus-
gleich überführt werden.
(141) Wenn die Vorwegabzüge reduziert und das Finanzausgleichssystem insgesamt stärker
auf Schlüsselzuweisungen und einen horizontalen Finanzausgleich ausgerichtet werden soll,
ist aus Sicht des Landesrechnungshofes ein Zwei-Schlüsselmassen-Modell mit einer Haupt-
und Nebenansatzstaffel einzuführen. Die Aufteilung der Schlüsselmasse von drei auf zwei
Teilschlüsselmassen leitet der Landesrechnungshof aus der bestehenden Gemeinde- und
Kreisstruktur Mecklenburg-Vorpommerns mit nur zwei kreisfreien Städten ab.
Im Einzelnen würden bei diesem Modell eine Aufteilung der Schlüsselmasse in eine Teil-
schlüsselmasse für:
• Gemeinden (Gemeinden, kreisangehörige und kreisfreie Städte) und
• Landkreise
erfolgen.
In der Teilmasse für den Landkreisausgleich wären nur die Mittel, die die Landkreise erhalten
sollen und nicht die Mittel für die Erfüllung von Kreisaufgaben der kreisfreien Städte enthal-
ten. Deren Finanzbedarfe würden im Gemeindeausgleich berücksichtigt. Die Quotierung der
Teilschlüsselmassen ist mithilfe von empirisch basierten, finanzwissenschaftlichen Methoden
festzulegen.
Abbildung 20: Schema des Zwei-Schlüsselmassen-Modells
Quelle: eigene Erstellung.
56
Schlüsselzuweisungsmasse
Gemeindeschlüsselmasse(Gemeinden, große kreisangehörige
Städte, kreisfreie Städte)Landkreisschlüsselmasse
Hauptansatz:„veredelter Einwohner“
Nebenansatz:Gewichteter Schüler,
Soziallasten,Fläche
Hauptansatz:„unveredelter Einwohner“
Nebenansatz:Gewichteter Schüler,
Soziallasten,Fläche
(142) Innerhalb der beiden Säulen sollten die Finanzmittel anhand von Bedarfsindikatoren
über eine Haupt- und Nebenansatzstaffel zugewiesen werden. Der Hauptansatz sollte dabei
auf größenklassengewichtete „veredelte“ Einwohner basieren. Dem liegt zugrunde, dass die
Pro-Kopf-Ausgaben und somit der Finanzbedarf mit wachsender Einwohnerzahl überpropor-
tional ansteigen. Die Hauptansatzstaffel ist mithilfe einer modernen und empirischen Regres-
sionsanalyse auf Basis finanz- und fachstatistischer Daten zu ermitteln. Hierbei sind insbeson-
dere die Stärke und Richtung des Zusammenhangs zwischen Pro-Kopf-Ausgaben der Kom-
munen und ausgabedeterminierenden Parametern zu schätzen.
(143) Die Einführung ergänzender bedarfsorientierter Nebenansätze wäre erforderlich, wenn
der Hauptansatz objektiv bestehende (Finanz-)Bedarfe nur unzureichend widerspiegelt. Ne-
benansätze könnten „Kinder“/„Schüler“, „Soziallasten“ und „Einwohnerdichte“ sein. Auch
hierzu wären Regressionsanalysen erforderlich.
Mithilfe einer Regressionsanalyse lässt sich untersuchen, welchen Einfluss hinsichtlich u. a.
Richtung und Stärke des Zusammenhangs die gewählten Nebenansätze haben. Diese können
zum Beispiel Schüleranzahl, Fläche, Soziallasten sein, die als sogenannte unabhängige Varia-
blen Einfluss auf die abhängige Variable Finanzbedarf haben.42 Die Anwendung eines solchen
Verfahrens führt zu einer Objektivierung des Finanzbedarfs.
(144) Die Vorteile des oben skizzierten Zwei-Schlüsselmassen-Modells mit der Integration
von Bedarfsindikatoren liegen vor allem in der Stärkung der Schlüsselzuweisungen und damit
der kommunalen Selbstverwaltung und in der Erhöhung der Transparenz und der Sachgerech-
tigkeit durch regelgebundene Bemessung des Finanzbedarfs anhand belastbarer Indikatoren.
42 Vgl. für eine ausführliche Einführung in dieses Thema Goerl, C. et al. (2013): Weiterentwicklung des kom-munalen Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen.
57
3 Entwicklung, Stand und Abrechnung aller Maßnahmen zur Verbesserung der kommunalen Einnahmen über den Gleichmäßigkeitsgrundsatz und dasFAG M-V hinaus
(145) Die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern finanzierten ihre Ausgaben in 2012 im
Wesentlichen über drei Einnahmequellen:
1. Einnahmen aus Gebühren und Beiträgen (rd. 252,0 Mio. Euro),
2. Steuereinnahmen (rd. 862,1 Mio. Euro) und
3. Einnahmen aus Finanzzuweisungen (rd. 1.828,0 Mio. Euro).
Die Höhe der Gebühren und Beiträge können die Kommunen im Rahmen der Gesetze selbst
festlegen und sollten sich an der Höhe der Kosten für die bereitgestellte Leistungserbringung
durch die Kommune orientieren.
Bei den Steuereinnahmen muss differenziert werden:
• Die Einnahmen beispielsweise aus Grund- und Gewerbesteuer fließen den Kommu-
nen direkt zu. Über die Gestaltung der Hebesätze können die einzelnen Kommunen
selbst Einfluss auf die Höhe der Steuereinnahmen nehmen.
• Aus dem Steueraufkommen aus der Lohn- und Einkommensteuer oder der Umsatz-
steuer erhalten die Kommunen zum Beispiel einen bestimmten festgelegten Prozent-
satz. Die Höhe dieser Einnahmen ist daher für die Kommunen nicht beeinflussbar.
Gemessen am gesamten kommunalen Steueraufkommen waren die Gewerbe- (rd. 38,1 Pro-
zent) und Grundsteuer (rd. 19,3 Prozent) sowie der Einkommensteueranteil (rd. 34,3 Prozent)
die bedeutsamsten Steuereinnahmequellen in 2012 für die Kommunen in Mecklenburg-Vor-
pommern. Darüber hinaus steht den Kommunen das Recht zu, weitere örtliche Verbrauch-
oder Aufwandsteuern (rd. 0,1 Mio. Euro) zu erheben43 – wie zum Beispiel eine Zweitwohn-
sitz- oder Hundesteuer.
Die dritte Säule der Einnahmen für die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern stellten in
2012 die Finanzzuweisungen von Bund und Land dar, wovon rd. 1.114,8 Mio. Euro aus dem
kommunalen Finanzausgleich stammten. Dem kommunalen Finanzausgleich liegt das Subsi-
diaritätsprinzip zugrunde. Dies besagt, dass die Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich
43 Vgl. § 3 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) vom 12. April 2005 (GVOBl.M-V, S. 146). Letzte berücksichtigte Änderung der §§ 1 und 6 geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom13. Juli 2011 (GVOBl. M-V, S. 777, 833).
58
die eigenen Einnahmequellen der Kommunen lediglich ergänzen – die Kommunen aber zu-
nächst ihre eigenen Steuer- und weiteren Einnahmeerhebungspotenziale ausschöpfen müssen,
um die Finanzierung der Aufrechterhaltung der kommunalen Daseinsvorsorge zu sichern.
(146) Die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs ist im FAG M-V44 geregelt. Es
legt fest, wie sich die Finanzausgleichsmasse berechnet und wie sich diese auf die verschiede-
nen Zuweisungsarten und Verwendungszwecke aufteilt. Darüber hinaus sieht das FAG M-V
Regelungen für weitere Zweckzuweisungen des Landes an seine Kommunen vor, die aller-
dings über separate Ansätze im Haushaltsplan des Landes und damit außerhalb der Finanzaus-
gleichsmasse bzw. des Kommunalen Finanzausgleichs finanziert werden (sog. Überschnei-
dungsbereich – rote Fläche in Abbildung 21). Außerhalb des FAG M-V geregelte kommunale
Zuweisungen des Landes werden außerhalb der Finanzausgleichsmasse und damit außerhalb
des Kommunalen Finanzausgleichs finanziert.
Abbildung 21: Zuweisungen an die Kommunen innerhalb und außerhalb des FAG M-V
Zuweisungen an die Kommunen
im FAG M-V geregelt außerhalb des FAG M-V geregelt
innerhalb der Finanzausgleichsmasse außerhalb der
Finanz-ausgleichs-
masseSchlüssel-
zuweisungen
Zweckzuweisun-gen/ Bedarfszuwei-
sungen
innerhalb des KFA außerhalb des KFA
Quelle: Lenk, T. et al. (2013): Synoptische Darstellung der kommunalen Finanzausgleichssysteme der Länder aus finanz-wissenschaftlicher Perspektive.
In Mecklenburg-Vorpommern zählen zum Überschneidungsbereich u. a. die aus dem Sonder-
vermögen Kommunaler Aufbaufonds Mecklenburg-Vorpommern45 (§ 21 FAG M-V) ausge-
reichten Mittel. Der Fonds vergibt Zinshilfen und Darlehen zur Finanzierung von investiven
Maßnahmen zur Aufgabenerfüllung im eigenen Wirkungskreis, die zu einer Erneuerung, Ver-
besserung oder Erhaltung der kommunalen Infrastruktur beitragen, sowie Zinshilfen und Dar-
lehen für Umschuldungen im Rahmen der Haushaltskonsolidierung und in Ausnahmefällen
auch Zuschüsse für Nebenkosten im Zusammenhang mit Umschuldungsmaßnahmen. Die Re-
finanzierung des Fonds erfolgt über
• die Rückflüsse aus Zins- und Tilgungsleistungen der Kommunen,
44 Vgl. FAG M-V vom 10. November 2009 (GVOBl. M-V, S. 606).45 Vgl. Richtlinie zum Kommunalen Aufbaufonds Mecklenburg-Vorpommern, Verwaltungsvorschrift des In-
nenministeriums vom 6. August 2010 - Az. II 330-175.40000, (AmtsBl. M-V, S. 526).
59
• die jährliche Zuweisung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 g FAG M-V aus den Vorweg-
abzügen der Finanzausgleichsmasse (7 Mio. Euro in 2012)46 sowie
• Kreditaufnahmen und damit außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs: Nach
§ 21 Abs. 3 FAG M-V verfügt das Sondervermögen über eine jährliche Kreditauf-
nahmeermächtigung in Höhe des Fünffachen der nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 g FAG M-V
erhaltenen, jährlichen Zuweisungen.
In 2010 wurde das Sondervermögen Kommunaler Fonds zum Ausgleich konjunkturbedingter
Mindereinnahmen Mecklenburg-Vorpommern (Kommunaler Ausgleichsfonds)47 eingerichtet.
Aus dem Fonds erhielten die Kommunen kreditfinanziert 67,1 Mio. Euro in 2010 und
70,2 Mio. Euro in 2011 zusätzlich48 – außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs. Die Sum-
men setzten sich aus zwei Beträgen zusammen:
• Zum einen wären aufgrund der November-Steuerschätzung 2009 die Leistungen des
Landes an die Kommunen im Rahmen des Finanzausgleichs für 2010 um
rd. 27,1 Mio. Euro und für 2011 um rd. 30,2 Mio. Euro geringer ausgefallen, als ur-
sprünglich im Haushaltsplan 2010/2011 veranschlagt waren. Diese Differenz sollte
über den Fonds ausgeglichen werden.
• Zum anderen wurde beschlossen, den Kommunen für die Jahre 2010 und 2011 je-
weils weitere 40,0 Mio. Euro zur Verfügung zu stellen.
Die Kredite sind gemäß § 3 Abs. 3 KAFG M-V spätestens innerhalb von fünf Jahren zurückzu-
zahlen. Die Zinszahlungen über rd. 11,2 Mio. Euro für die in 2010 und 2011 aufgenommenen
Kredite übernimmt bis einschließlich 2016 das Land.49
46 Die Gesamtzuführungen aus dem Landeshaushalt summieren sich auf rd. 222,6 Mio. Euro seit Auflegung desSondervermögens in 1993 (vgl. Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern (2012): Haushaltsrechnungund Vermögensübersicht für das Haushaltsjahr 2012 – Kurzfassung, S. 190). Zahlen für das Haushaltsjahr2012 lagen zum Zeitpunkt des Erstellung dieses Berichtes noch nicht vor.
47 Vgl. Gesetz über die Errichtung eines Sondervermögens des Landes „Kommunaler Fonds zum Ausgleichkonjunkturbedingter Mindereinnahmen Mecklenburg-Vorpommern“ (Kommunales AusgleichsfondsgesetzMecklenburg-Vorpommern KAFG M-V) vom 5. Februar 2010 (GVOBl. M-V, S. 46).
48 Vgl. Zahlungen an Gemeinden und Gemeindeverbände für die Verstärkung der Schlüsselzuweisungen ausMitteln des Sondervermögens Kommunaler Ausgleichsfonds M-V (Titel 1102 613.06) und Zahlungen an Ge-meinden und Gemeindeverbände für die Verstärkung der investiven Schlüsselzuweisungen aus Mitteln desSondervermögens Kommunaler Ausgleichsfonds M-V (Titel 1102 883.05) in den Haushaltsrechnungen für dieHaushaltsjahre 2010 und 2011.
49 Vgl. Erstattungen an das Sondervermögen Kommunaler Ausgleichsfonds M-V für Zinslasten (Titel 1102634.01) von rd. 2,7 Mio. Euro in 2011 und (geplant) 2,8 Mio. Euro in 2012 in der Haushaltsrechnung für dasHaushaltsjahr 2011 und dem Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012.
60
Darüber hinaus wurden in 2012 zwei weitere Finanzierungsinstrumente für die Kommunen
mit einem außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs bereitgestellten Volumen von insge-
samt 150 Mio. Euro50 geschaffen:
• Die Mittel des Sondervermögens Kommunaler Haushaltskonsolidierungsfonds
Mecklenburg-Vorpommern (§ 22 Abs. 5 FAG M-V) sollen als „Hilfe zur Selbsthilfe“
für hochdefizitäre Kommunen, für die ein Haushaltsausgleich aus eigener Kraft im
Finanzplanungszeitraum als aussichtslos erscheint, verwendet werden51.
• Das Sondervermögen Kommunales Kofinanzierungsprogramm52 (§ 21 Abs. 6 FAG
M-V) soll besonders strukturschwachen Kommunen bis Ende 2016 Zuschüsse ge-
währen, um die Beteiligung dieser Kommunen an den Investitionsprogrammen des
Landes, des Bundes oder Europäischen Union weiterhin zu gewährleisten. Die Mittel
sollen als Komplementärfinanzierung bewilligt werden, sofern die Kommune ihre
notwendigen und geforderten Eigenanteile nicht selbst erbringen oder erwirtschaften
kann.
(147) Für Mecklenburg-Vorpommern ist seit Jahren ein deutlicher Trend weg von der Finan-
zierung innerhalb des kommunalen Finanzausgleichs hin zur Leistungsgewährung an die
Kommunen außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs erkennbar. Ausgehend von den in
den Haushaltsplänen des jeweiligen Haushaltsjahres ausgewiesenen Bruttozuweisungen53 be-
trugen die Leistungen des Landes an seine Kommunen im Rahmen des kommunalen Finanz-
ausgleichs im Verhältnis zu den kommunalen Gesamtzuweisungen des Landes noch
rd. 55 Prozent, während sich dieses Verhältnis auf rd. 45 Prozent in 2012 verschob (vgl. Ab-
bildung 22).
50 Vgl. in 2012 betrugen die Zuweisungen aus dem Landeshaushalt an das Sondervermögen Kommunaler Haus-haltskonsolidierungsfonds Mecklenburg-Vorpommern 100 Mio. Euro (Titel 1102 634.02) und die Zuweisun-gen an den Kommunalen Aufbaufonds für Zwecke des Kommunalen Kofinanzierungsprogramms50 Mio. Euro (Titel 1102 893.01).
51 Vgl. Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern: Haushaltsplan Mecklenburg-Vorpommern 2012/2013für Einzelplan 11 – Allgemeine Finanzverwaltung, Anmerkungen zu Titel 1102 634.02, S. 23.
52 Vgl. Richtlinie für die Gewährung von Finanzhilfen aus dem Kofinanzierungsprogramm, Verwaltungsvor-schrift des Innenministeriums vom 29. Juni 2012 (Az. II 330-175-9600).
53 In die Auswertung wurden die in den Positionen 613, 623, 633, 637, 853, 883 und 887 ausgewiesenen Zah-lungen an die Kommunen aus dem Landeshaushalt einbezogen. Darüber hinaus wurden an die Kommunenausgereichte Darlehen aus dem Kommunalen Aufbaufonds und die vom Land getragene Erstattung der Zins-lasten aus dem Kommunalen Ausgleichsfonds berücksichtigt. Die Zahlen entsprechen den in den Haus-haltsplänen des entsprechenden Haushaltsjahren veröffentlichten Angaben.
61
Abbildung 22: Anteil der Leistungen des Landes an die Kommunen innerhalb des kommunalen Fi-nanzausgleichs im Verhältnis zu den Gesamtleistungen des Landes an die Kommunen, 2008-2012
Quelle: Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen.
Maßgeblichen Einfluss auf diese Verschiebung hatten in 2010 und 2011 die Bereitstellung der
Mittel im Rahmen des Kommunalen Ausgleichsfonds sowie in 2012 die Schaffung der vorge-
nannten beiden Sondervermögen von insgesamt 150 Mio. Euro.
Abbildung 23: Leistungen des Landes an die Kommunen außerhalb des kommunalen Finanzaus-gleichs – Verteilung nach Ressorts, 2008-2012, in 100 Mio. Euro
Quelle: Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen.In 2012 kam es aufgrund des Wechsels in den Ressortzuständigkeiten in Folge der Wahlen in 2011 zu einer Verschiebung von Leistungendes Landes an die Kommunen außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs zwischen dem Ministerium für Wirtschaft, Bau und Touris-mus und dem Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Fördermittel im Rahmen des Städtebaus und für energetische Maßnahmen.
Dieser Effekt zeigt sich in Abbildung 23 in dem sprunghaften Anstieg der Ausgaben im Be-
reich „Allgemeine Finanzverwaltung“ von rd. 5 Prozent in 2008 auf rd. 19 Prozent in 2012.
62
2008 2009 2010 2011 2012
40%
45%
50%
55%
60%
2008 2009 2010 2011 2012
0
2
4
6
8
10
12
14
16Staatskanzlei
Finanzministerium
Ministerium f ür Bildung, Wissenschaf t und Kultur
Ministerium f ür Inneres und Sport
Ministerium f ür Landwirtschaf t, Umwelt und Verbraucherschutz
Allgemeine Finanzv erwaltung (ohne KFA)
Ministerium f ür Wirtschaf t, Bau und Tourismus
Ministerium f ür Energie, Inf rastruktur und Landesentwicklung
Ministerium f ür Arbeit, Gleichstellung und Soziales
in 1
00
Mio
. E
uro
Auffällig ist, dass die Höhe der anderen Ausgaben des Landes außerhalb des kommunalen Fi-
nanzausgleichs relativ konstant geblieben sind. Die Leistungen im sozialen Bereich nehmen
mit rd. 60 Prozent den größten Anteil ein.
(148) In 2012 und auch in 2013 sind bis zum Redaktionsschluss dieses Berichtes keine Mit-
tel aus dem Kommunalen Haushaltskonsolidierungsfonds abgerufen worden. Dies legt den
Schluss nahe, dass die Kommunen sich scheuen, Finanzmittel zur Sanierung ihrer Haushalte
zu beantragen, wenn die Bereitstellung der Gelder an strenge Sparauflagen und an konkrete
Maßnahmen zur Schaffung dauerhaft nachhaltiger Strukturen (Anpassungsprogramm) ge-
knüpft ist. Die Landesregierung hat jedoch nicht die notwendigen Anträge auf Programmmit-
tel forciert, sondern sich Anfang 2013 auf ein weiteres Hilfspaket über 100 Mio. Euro mit den
Kommunen geeinigt. Die Mittel sollen der Finanzierung von nachhaltigen Investitionsvorha-
ben, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen, zur Schuldentilgung und für die Kosten
der Landkreisneuordnung dienen. Es bleibt abzuwarten, an welche Kriterien die Auszahlung
der Mittel konkret gebunden wird und wie die Finanzierung erfolgt.
Das Innenministerium weist darauf hin, dass die Antragsfrist für Zuweisungen aus dem Kom-
munalen Haushaltskonsolidierungsfonds noch bis zum 31. Dezember 2013 läuft. Nach Ablauf
der Frist wird dann über die Quotierung der Mittelzuweisungen entschieden. Bisher liegen
dem Innenministerium drei Anträge vor. Darunter fallen die Anträge auf Kostenübernahme
für die beratenden Beauftragten in der Landeshauptstadt Schwerin und im Landkreis Vorpom-
mern-Greifswald und die dann abzuschließenden Konsolidierungsvereinbarungen.
(149) Das Verbundquotenfestlegungsgesetz 2012/2013 (VQFG M-V)54 bestimmt in § 2, dass
für 2012 keine Mittel und für 2013 insgesamt 34,0 Mio. Euro für die Tilgung der vom Kom-
munalen Ausgleichsfonds aufgenommenen Kredite verwendet werden sollten. Die
34,0 Mio. Euro wurden als Vorentnahmen von der Finanzausgleichsmasse abgezogen und
beinhalteten 15,0 Mio. Euro aus dem positiven Abrechnungsbetrag der Ist-Abrechnung der Fi-
nanzausgleichsleistungen für 2011 nach § 7 Abs. 5 FAG M-V. Im Rahmen der Verhandlun-
gen zum vorgenannten 100 Mio. Euro Soforthilfepaket wurde auch beschlossen, dass die
Kommunen bereits in 2013 weitere 55 Mio. Euro als Abschlag aus der vorläufigen Abrech-
nung des kommunalen Finanzausgleichs für 2012 nach § 7 Abs. 5 FAG M-V erhalten. Davon
sollen 16 Mio. Euro als Ausgleich für besondere Sozial- und Jugendhilfelasten nach
§ 7 Abs. 5 Satz 7 FAG M-V an die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt werden. Die
54 Vgl. Gesetz zur Festlegung der Verbundquoten des Kommunalen Finanzausgleichs und der Höhe der Zufüh-rungen sowie der Kreditaufnahmen nach dem Kommunalen Ausgleichsfondsgesetz Mecklenburg-Vorpom-mern in den Jahren 2012 und 2013 (VQFG M-V) vom 22. Juni 2012 (GVOBl. M-V, S. 188, 197).
63
restlichen 39 Mio. Euro soll der Gesamtschlüsselmasse nach § 11 FAG M-V zugeführt und an
die Kommunen verteilt werden. Die vereinbarte Tilgungsrate für 2014 von 33,1 Mio. Euro zur
Rückführung der durch den Kommunalen Ausgleichsfonds aufgenommenen Kredite sei hier-
durch nicht gefährdet.
(150) Der Landesrechnungshof sieht die steigende Tendenz, die Kommunen außerhalb des
kommunalen Finanzausgleichs zu finanzieren, mit Sorge. Das System der finanziellen Aus-
stattung der Kommunen durch das Land wird dadurch zunehmend intransparent. Mittlerweile
erhält die kommunale Ebene mehr Mittel aus „Sondertöpfen“ des Landeshaushaltes als über
den kommunalen Finanzausgleich. Dessen Zweck ist es, die Kommunen mit ausreichend fi-
nanziellen Mitteln auszustatten, damit diese ihre kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben
wahrnehmen können. Die dem FAG M-V zu Grunde liegende Idee des Gleichmäßigkeits-
grundsatzes, der die parallele Entwicklung der Einnahmen von Land und Kommunen sicher-
stellen und Be- bzw. Entlastungseffekte bei einer veränderten Einnahmesituation gleichmäßig
verteilen soll, wird durch diese Verschiebung systematisch zu Lasten des Landes unterlaufen.
Das kann auch verfassungsrechtliche Probleme hervorrufen.
(151) Alle Aufgaben, die dauerhaft durch die Kommunen zu erfüllen sind, sollten in den
kommunalen Finanzausgleich einbezogen werden. Dazu gehören beispielsweise die Bereit-
stellung und Unterhaltung der technischen und sozialen Infrastruktur (Straßen, Schulen, Kin-
dertagesstätten, Kultureinrichtungen) sowie die Aufgaben der untersten Verwaltungsbehör-
den.55 Dies würde die Eigenverantwortung der kommunalen Akteure stärken und den Konsoli-
dierungsdruck auf die Kommunen erhöhen. Einmalige Finanzierungserfordernisse sollten hin-
gegen tendenziell außerhalb des KFA berücksichtigt werden.
(152) Die fehlende Konkretisierung der Rückführung der durch den Kommunalen Aus-
gleichsfonds aufgenommenen Kredite zeigt, dass die kommunalen Akteure wenig Anreiz ha-
ben, die bestehenden Verpflichtungen zeitnah abzubauen, um die daraus entstehenden Zinslas-
ten – auch wenn diese durch das Land getragen werden – zu minimieren. Nur wenn die Kre-
dite in konjunkturell guten Zeiten schnellstmöglich getilgt werden, ist es möglich, eine ent-
sprechende Vorsorge zur Verstetigung der kommunalen Finanzausstattung aufzubauen. An-
dernfalls sieht der Landesrechnungshof – wie bereits in seinem Kommunalfinanzbericht
201156 dargestellt – die Gefahr eines dauerhaft über Kredite finanzierten Ausgleichsfonds. Der
55 Lenk, T. et al. (2013): Synoptische Darstellung der kommunalen Finanzausgleichssysteme der Länder aus fi-nanzwissenschaftlicher Perspektive.
56 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2011(Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2011, S. 68 f.
64
Landesrechnungshof kritisiert daher, dass die 55 Mio. Euro aus der vorläufigen Abrechnung
des kommunalen Finanzausgleichs für 2012 nach § 7 Abs. 5 FAG M-V nicht zur Tilgung der
Kredite des Kommunalen Ausgleichsfonds eingesetzt wurden, sondern als Abschlagszahlung
an die Kommunen ausgezahlt wurden.
Das Finanzministerium teilt die Kritik des Landesrechnungshofes nicht vollumfänglich.
Schließlich seien den Kommunen mit dem Finanzplan 2011-2015 bereits die vorgesehenen
Tilgungen mitgeteilt und mit dem VQFG M-V 2014/2015 rechtlich umgesetzt worden. Nach
Aussage des Finanzministeriums stehe die Rückführung der Kredite bis 2016 im Vordergrund
und es werde am Ziel festgehalten, mittels des Kommunalen Ausgleichsfonds Vorsorge für
konjunkturell schlechte Zeiten zu treffen.
Der Landesrechnungshof begrüßt, dass in der mittelfristigen Finanzplanung die mindestens
notwendigen Tilgungsraten zum Abbau der aufgenommenen Kredite transparent dargestellt
werden. Allerdings hat diese keinen verbindlichen Charakter. Darüber hinaus zeigen diese
Werte nur die Untergrenze der notwendigen Rückführungsrate an. Somit wurde in einem kon-
junkturell guten Jahr wie 2013 die Chance vergeben, eine höhere als die geplante Tilgungsrate
zu leisten und damit die Kreditlast des Fonds schneller zurückzuführen.
(153) Darüber hinaus lässt die Vielzahl der vorhandenen Finanzierungsinstrumente für die
Kommunen klare Ziele der Landesregierung vermissen, den Kurs der Haushaltskonsolidie-
rung auf kommunaler Ebene voranzutreiben.
Zudem sollte die Landesregierung Maßnahmen zur ressortübergreifenden Koordinierung von
Fachförderprogrammen ergreifen. Die Förderziele der Ministerien sollten aufeinander abge-
stimmt und aus Landessicht insgesamt priorisiert werden.
(154) Der Landesrechnungshof hält es für geboten, die für die Genehmigung der kommuna-
len Haushalte zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden (Finanzaufsicht) in ihren Rechten zu stär-
ken, indem die Finanzaufsicht zukünftig in jedem Fall vor Bewilligung der Fördermaßnahme
in geeigneter Weise zu beteiligen ist. Wenn die Prüfung der Finanzaufsicht ergibt, dass die
(Folge-)Kosten für das geplante Vorhaben die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommune
übersteigt, sollte die Finanzaufsicht berechtigt und verpflichtet sein, die Maßnahme zu versa-
gen. Für dieses Vetorecht sollten entsprechende gesetzliche Regelungen getroffen werden.
65
4 Kommunalwirtschaftliche Betätigung im Bereich der erneuerbaren Energien
1 Rechtliche Rahmenbedingungen
(155) Von verschiedener Seite wird den Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern eine
wichtige Funktion bei dem energiewirtschaftlichen Transformationsprozess hin zur Nutzung
der erneuerbaren Energien zugedacht. Insbesondere die Vertreter der Branche der erneuerba-
ren Energien werben unter Hinweis auf eine aus ihrer Sicht gegebene Schlüsselrolle der Kom-
munen bei der Energiewende und Chancen für die Erzielung zusätzlicher Einnahmen für die
Gemeindehaushalte um ein verstärktes Engagement der Kommunen in diesem Sektor.
(156) Nach den dem Landesrechnungshof vorliegenden Erkenntnissen befindet sich die
große Mehrzahl der Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien mit kommunaler Beteili-
gung noch im Planungs- bzw. Frühstadium. Beschlüsse der zuständigen Organe der Kommu-
nen oder der kommunalen Unternehmen liegen regelmäßig noch nicht vor. Bereits jetzt wird
jedoch deutlich, dass in der kommunalpolitischen Diskussion im Allgemeinen die finanziellen
bzw. haushalterischen Risiken eines möglichen gemeindlichen Engagements bei Projekten der
erneuerbaren Energien in den Hintergrund treten.
(157) Der Landesrechnungshof muss deshalb darauf aufmerksam machen, dass auch ein En-
gagement der Gemeinden im Bereich der erneuerbaren Energien und der dezentralen Energie-
versorgung als kommunale wirtschaftliche Betätigung verbindlichen rechtlichen Rahmenbe-
dingungen unterliegt. Die wirtschaftlichen Chancen und Risiken müssen durch die Gemeinden
und die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgaben und Zu-
ständigkeiten vor einer Entscheidung über das kommunale Engagement sorgfältig und umfas-
send ermittelt und abgewogen werden.
(158) Zunächst wird die kommunalrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens zu prüfen sein.
Sollen mit dem Engagement bei den erneuerbaren Energien vorrangig Einnahmen für den
kommunalen Haushalt erzielt werden, wird von der Unzulässigkeit des Vorhabens auszugehen
sein (§ 68 Abs. 2 Satz 2 KV M- V). Allerdings gilt für die wirtschaftliche Betätigung von
Kommunen in der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung das Örtlichkeitsprinzip nicht mehr in
seiner strikten Ausprägung (§ 68 Abs. 2 Satz 3 KPG M- V). Grundsätzlich dürfen sich danach
Gemeinden auch außerhalb ihres Gemeindegebietes im Bereich der erneuerbaren Energien
wirtschaftlich betätigen. Allerdings müssen sie dann im Anzeigeverfahren im Einzelnen darle-
66
gen und nachweisen, dass ihr Vorhaben gleichwohl in einem angemessenem Verhältnis zu ih-
rer Leistungsfähigkeit steht (§ 68 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 KV M- V). Ferner darf die Gemeinde
mit ihren gemeindegebietsübergreifenden wirtschaftlichen Betätigung nicht in das Selbstver-
waltungsrecht einer anderen Gemeinde eingreifen, so dass nach § 68 Abs. 2 Satz 3 KV M- V
auch im Bereich der erneuerbaren Energien im Allgemeinen nur eine interkommunale Zusam-
menarbeit zulässig sein wird.
(159) Insbesondere im Falle eines kommunalen Engagements gemeinsam mit Partnern aus
der Privatwirtschaft (beispielsweise in einer Gesellschaft in privater Rechtsform) müssen die
wirtschaftlichen und juristischen Risiken des jeweiligen Projekts sorgfältig geprüft werden.
Hierzu gehört eine erschöpfende Analyse der abzuschließenden Verträge, notfalls unter Hin-
zuziehung externen Sachverstands. Es ist hierbei auf eine ausgewogene Verteilung der Chan-
cen, der Risiken und finanziellen Verantwortung für das öffentlich-private Joint Venture zu
achten.
Auch die derzeit nicht hinreichend geklärten Rahmenbedingungen der Förderung erneuerbarer
Energien, beispielsweise der Einspeisungsvergütung für Solarstrom nach dem Gesetz für den
Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG), müssen hier berücksichtigt werden.
Ferner wird auch eine Prüfung auf beihilferechtliche Risiken erforderlich sein, vor allem wenn
sich eine Gemeinde zur direkten finanziellen Unterstützung von Projekten, zur Übernahme ei-
ner Bürgschaft oder zur Abnahme von Strom, Gas und Wärme aus regenerativen Energien zu
bestimmten Konditionen verpflichten soll.
(160) Eine kommunale wirtschaftliche Betätigung in einem Unternehmen in Privatrechts-
form setzt auch im Bereich der erneuerbaren Energien ein effizientes und effektives Beteili-
gungsmanagement und Risikocontrolling voraus. Nur wenn eine aktuelle Information und Be-
richterstattung über die wirtschaftliche Entwicklung sowie eine effektive Kontrolle und Auf-
sicht über die Beteiligung gewährleistet sind, kann die Gemeinde die mit der wirtschaftlichen
Betätigung verbundenen Risiken eingehen.
2 Stellungnahme des Innenministeriums
(161) Das Innenministerium vertritt die Auffassung, dass der Vorschrift des
§ 68 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 KV M-V die gesetzgeberische Wertung zugrunde liege, dass im Rah-
men der energiewirtschaftlichen Betätigung der Kommunen eine Gewinnerzielungsabsicht
dem öffentlichen Zweck nicht grundsätzlich entgegenstehe. Die Erzielung von Gewinnen dür-
fe aber nicht alleiniger Beweggrund für das energiewirtschaftliche kommunale Engagement
67
sein. Vielmehr müsse die Betätigung auch der Versorgung der Kommunen bzw. ihrer Einwoh-
ner und Betriebe mit Energie dienen.
Der Landesrechnungshof tritt der Auffassung des Innenministeriums mit der Maßgabe bei,
dass die Versorgung mit Energie der maßgebliche Beweggrund der kommunalen energiewirt-
schaftlichen Betätigung sein muss.
3 Stellungnahme des Energieministeriums
(162) Das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung hält diesen Jahres-
berichtsbeitrag für überflüssig, weil bereits das Innenministerium mit Rundschreiben vom
9. Juni 2013 die Möglichkeiten für eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen im Bereich
der erneuerbaren Energien aufgezeigt habe. Zudem seien auch die Risiken der energiewirt-
schaftlichen Betätigung in der Kommunalpolitik diskutiert worden, was sich im enorm gestie-
genen Beratungsbedarf der Kommunen zeige.
(163) Hierzu bemerkt der Landesrechnungshof, dass Adressat seiner Jahresberichte der
Landtag ist, der als Verfassungsorgan Verantwortung für die finanzielle und wirtschaftliche
Lage der Kommunen trägt und dessen Mitglieder in vielen Fällen kommunale Mandatsträger
sind. Das Rundschreiben des Innenministeriums richtet sich demgegenüber an diejenigen
Kommunen und Zweckverbände, die seiner Rechtsaufsicht unterliegen, sowie an die unteren
Rechtsaufsichtsbehörden. Eine gesonderte Information des Landtags ist mithin durchaus ange-
zeigt.
Wenn die Kommunen wegen der erheblichen finanziellen und haushalterischen Risiken einer
energiewirtschaftlichen Betätigung in den vergangenen Monaten verstärkt Beratungsbedarf
angezeigt haben, dann wird dieser Berichtsbeitrag, mit dem die Gegenstände einer möglichen
Beratung im Detail beschrieben werden, von kommunaler Seite als nützlich aufgenommen
werden.
68
5 Korruptionsprävention/- bekämpfung bei den Landkreisen, kreisfreien und großen kreisangehörigen Städten – Ergebnis einer Abfrage
1 Einführung
(164) Die Beschäftigten57 im öffentlichen Dienst erfüllen grundsätzlich ihre Pflichten gegen-
über dem Staat loyal und nehmen die Aufgaben unparteiisch und zum Wohl der Allgemein-
heit wahr. Dies vorangestellt ist es dennoch von besonderer Bedeutung, mit geeigneten Rege-
lungen wirksam der Korruption und deren Begleitdelikten vorzubeugen bzw. sie zu ahnden;
denn Korruption verursacht einen erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden, weil sie einen
fairen Wettbewerb behindert und das Vertrauen in die Integrität und Funktionsfähigkeit der
öffentlichen Verwaltung untergräbt.
Die Landesregierung hat im Jahr 2005 die Verwaltungsvorschrift „Bekämpfung von Korrupti-
on in der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern“ (VV-Kor) erlassen. Sie hat eine ent-
sprechende Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift u. a. auch den Landkreisen, kreisfreien
Städten und Ämtern empfohlen. Dabei gelten die unter Ziffer 4.1 der VV-Kor genannten
Grundsätze des Vergabeverfahrens auch für den kommunalen Bereich auf Grundlage der je-
weils geltenden Fassung des § 29 Gemeindehaushaltsordnung (GemHVO)58.
Der Landesrechnungshof berichtete bereits im Kommunalfinanzbericht 2012 über seine Prüf-
erkenntnisse zur unzureichenden Korruptionsvorbeugung und -bekämpfung bei den kreisange-
hörigen Städten Güstrow, Neustrelitz, Parchim und Waren. Angesichts der grundsätzlichen
Bedeutung für die Haushalts- und Wirtschaftsführung hat der Landesrechnungshof dieses
Thema nunmehr auch bei den Kommunen geprüft, für deren überörtlichen Prüfung er zustän-
dig ist.59
Der Landesrechnungshof hat dabei im Rahmen einer überörtlichen Prüfung gemäß
§ 5 KPG M-V mittels einer standardisierten Abfrage erhoben, inwieweit diese kommunalen
Körperschaften der Empfehlung zur Anwendung der VV-Kor gefolgt sind und welche Rege-
57 Beamte, Richter und Tarifbeschäftigte.58 Landesverordnung über die Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplanes der Gemeinden des Landes
Mecklenburg-Vorpommern vom 27. November 1991 (GVOBl. M-V, S. 454), zuletzt geändert durch Gesetzvom 7. Juli. 2011 (GVOBl. M-V, S. 411).
59 Kreisfreie Städte (Rostock (HRO) und Schwerin (SN)), große kreisangehörige Städte (Neubrandenburg (NB),Greifswald (HGW), Stralsund (HST) und Wismar (HWI)) und Landkreise (Mecklenburgische Seenplatte(MSP), Rostock (LRO), Ludwigslust-Parchim (LP), Nordwestmecklenburg (NWM), Vorpommern-Rügen(VR) und Vorpommern-Greifswald (VG)).
69
lungen/Vorschriften darüber hinaus ergangen sind, um Korruption vorzubeugen und zu be-
kämpfen.
2 Regelungen/Vorschriften zur Korruptionsprävention
(165) Die VV-Kor dient dem Ziel, Korruptionserscheinungen sowohl repressiv als auch prä-
ventiv zu bekämpfen. Sie soll der Korruption wirkungsvoll vorbeugen und es erleichtern, kor-
rupte Praktiken aufzudecken, zu verfolgen und zu ahnden. Sie soll allen Beschäftigten Richt-
schnur ihres Verhaltens sein und zugleich Handlungsanleitungen und Hilfestellung bieten, um
behörden- und fachspezifisch die notwendigen Maßnahmen zur Korruptionsprävention
und -bekämpfung treffen zu können.60 Insofern trifft die von der Landesregierung erlassene
Verwaltungsvorschrift mit den entsprechenden Begleitvorschriften eine Vielzahl wesentlicher
Regelungen zur Korruptionsprävention und -bekämpfung. Soweit die kommunalen Körper-
schaften nicht unmittelbar die VV-Kor anwenden, hält es der Landesrechnungshof für not-
wendig, dass zumindest die mit der VV-Kor benannten Regelungsschwerpunkte in den eige-
nen Regelungen aufgegriffen werden. Regelungsschwerpunkte der VV-Kor sind die Sensibili-
sierung der Beschäftigten für Korruptiongefahren, die Identifikation korruptionsgefährdeter
Bereiche in der öffentlichen Verwaltung und spezielle Vorgaben für besonders gefährdete Be-
reiche wie etwa das Sponsoring.
Ein zentraler Aspekt der Korruptionsvorsorge, das Verbot der Annahme von Belohnungen
und Geschenken, ist im Beamtenstatusgesetz, im Landesbeamtengesetz und im für die Be-
schäftigten der Kommunen geltenden Tarifvertrag festgelegt. Auch hierzu sollten die Rege-
lungen der kommunalen Körperschaften nähere Bestimmungen treffen.
Von den zwölf geprüften kommunalen Körperschaften gaben vier61 an, dass sie der Empfeh-
lung der Landesregierung, die VV-Kor anzuwenden, gefolgt seien. Damit finden zugleich die
Hinweise zur Risikoanalyse für besonders korruptionsgefährdete Arbeitsplätze auf mögliche
Korruptionsindikatoren sowie die Grundsätze für Sponsoring, Werbung, Spenden und mä-
zenatische Schenkungen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben Anwendung. Auch das Ver-
bot zur Annahme von Belohnungen und Geschenken wird einbezogen.62
60 Nr. 1.2 VV-Kor.61 NWM, VG, NB, HGW; im Nachgang der Umfrage teilte MSP mit, dass die VV-Kor dort ab 1. Septem-
ber 2013 gelten soll.62 Hinweis auf den Erlass des Innenministeriums zum Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken
in der öffentlichen Verwaltung vom 6. Mai 1999 (AmtsBl. M-V, 1999, S. 558) in Nr. 6 VV-Kor.
70
Die verbleibenden acht geprüften kommunalen Körperschaften haben sich im Rahmen der
Korruptionsprävention und -bekämpfung eigene Regelungen gegeben. Auffallend dabei ist,
dass die eigenen Vorschriften nicht in jedem Fall den vollen empfohlenen Regelungsumfang
der VV-Kor abdecken. Im Wesentlichen beschränken sich die eigenen Regelungen auf die
Umsetzung des Verbotes zur Annahme von Belohnungen und Geschenken in der öffentlichen
Verwaltung. Wiederholt fehlen insbesondere Vorgaben für eine Risikoanalyse für besonders
korruptionsgefährdete Arbeitsplätze, zu möglichen Korruptionsindikatoren und zu Grundsät-
zen für Sponsoring, Werbung, Spenden und mäzenatische Schenkungen zur Finanzierung öf-
fentlicher Aufgaben.63 Lediglich die Landeshauptstadt Schwerin und die Hansestädte Rostock
und Stralsund sichern mit den eigenen Regelungen im Wesentlichen die Regelungsschwer-
punkte der VV-Kor ab.
Unabhängig davon, dass der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht 2012 – Teil 2 – dar-
auf hingewiesen hat, dass die VV-Kor und ihre Begleitvorschriften der Überarbeitung bedür-
fen, empfiehlt er den geprüften kommunalen Körperschaften, die bisher ausschließlich eigene
Regelungen erlassen haben, zumindest die mit der VV-Kor benannten Regelungsschwerpunk-
te in den eigenen Vorschriften zu berücksichtigen.
3 Sensibilisierung der Beschäftigten für Korruptionsgefahren
(166) Eine wesentliche Maßnahme, um die Beschäftigten für Korruptionsgefahren zu sensi-
bilisieren, sind Belehrungen. Das betrifft vor allem die regelmäßige Belehrung zum Verbot
der Annahme von Belohnungen und Geschenken in der öffentlichen Verwaltung. Bei der An-
wendung der VV-Kor sind die Beschäftigten zudem über den Inhalt dieser Verwaltungsvor-
schrift jährlich fortlaufend aktenkundig zu belehren. Ergänzend dazu ist auf den Anti-Korrup-
tions-Verhaltenskodex für die Mitarbeiter der Landesverwaltung hinzuweisen.64
3.1 Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken in der öffentlichen Verwaltung
(167) Die Begleitvorschrift zur VV-Kor – der Erlass über das Verbot der Annahme von Be-
lohnungen und Geschenken – sieht eine regelmäßige Belehrung der Beschäftigten zu diesem
Verbot ebenso vor wie die eigenen Regelungen der kommunalen Körperschaften.
Nach Auswertung der Angaben werden in sieben der zwölf geprüften kommunalen Körper-
schaften die Beschäftigten nicht regelmäßig zum Verbot der Annahme von Belohnungen und
63 LRO, LP, VR, MSP, HWI.64 Nr. 2.1 Satz 2 VV-Kor.
71
Geschenken belehrt. Danach führt eine kommunale Körperschaft grundsätzlich keine Beleh-
rungen65 durch. Zwei kommunale Körperschaften belehren ihre Beschäftigten nur bei der Ein-
stellung und danach nicht mehr.66 Vier kommunale Körperschaften67 belehren zwar regelmä-
ßig, aber nicht alle Beschäftigten.
Die geprüften kommunalen Körperschaften haben zwar das Verbot der Annahme von Beloh-
nungen und Geschenken in Dienstanweisungen, Dienstordnungen oder auch Allgemeinen
Dienst- und Geschäftsanweisungen verankert, was jedoch nicht die unmittelbare Belehrung zu
der Thematik ersetzen kann.
Der Landesrechnungshof hält es für geboten, dass die vorgesehene regelmäßige Belehrung zur
Sensibilisierung der Beschäftigten künftig durchgehend vorgenommen wird. Darüber hinaus
empfiehlt er, die Belehrung der Beschäftigten zu dieser zentralen Bestimmung der Korrupti-
onsvorsorge durchgängig gegen aktenkundige Unterschrift vorzusehen, um den Beschäftigten
die besondere Bedeutung dieser Vorschrift vor Augen zu führen.
(168) Vor dem Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages 2005 und der neuen Beamtenrechtsge-
setze in Bund und Land 2009 bzw. 2010 durften Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf
die dienstliche Tätigkeit nur mit Zustimmung des Dienstherrn bzw. des Arbeitgebers ange-
nommen werden. Mit der Geltung der neuen Bestimmungen ist im Wortlaut eine Verstärkung
des Verbots zu verzeichnen. Die Tarifparteien sowie der Gesetzgeber haben geregelt, dass kei-
ne Belohnungen, Geschenke oder sonstigen Vorteile in Bezug auf das Amt bzw. auf die
dienstliche Tätigkeit angenommen werden dürfen. Ausnahmen bedürfen der Zustimmung.
Hiermit ist die generelle Gestattung unter einer Bedingung nunmehr durch ein allgemeines
Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ersetzt worden.
Eigene Regelungen zum Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken in Dienstan-
weisungen, Dienstordnungen oder auch Allgemeinen Dienst- und Geschäftsanweisungen zei-
gen, dass das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken unterschiedlich ausge-
legt und umgesetzt wurde.
Mehrere geprüfte kommunale Körperschaften haben – als Ausnahme vom generellen Verbot
der Annahme – eigene Wertgrenzen eingeführt. Dabei gilt die Annahme von üblichen und
65 HGW.66 LP, SN (die Stadt hat im Nachgang zur Umfrage erklärt, dass sie ihre Beschäftigten künftig regelmäßig, jähr-
lich fortlaufend aktenkundig belehren wird).67 MSP und HRO (diese belehren allerdings durchgängig bei Einstellung, aber danach nur noch teilweise); au-
ßerdem VG und NB.
72
nach allgemeiner Auffassung nicht zu beanstandenden geringwertigen Aufmerksamkeiten
(Werbegeschenke) mit einem Wert zwischen 5 Euro bis zu 20 Euro als genehmigt.68
Die Einführung einer allgemeinen Bagatellgrenze hält der Landesrechnungshof für bedenk-
lich. Zum einen wird das Gefühl vermittelt, dass „Kleinigkeiten“ immer erlaubt seien, zum
anderen stellt sich die Frage, auf welchen Zeitraum sich die Bagatellgrenze bezieht.69
Vor dem Hintergrund des aktuellen Beamten- und Tarifrechts sollten die Ausnahmen vom
Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken deutlich restriktiver als bisher und
zudem ausdrücklich geregelt werden.
3.2 Belehrungen zur Korruptionsprävention und -bekämpfung
(169) Von den zwölf geprüften kommunalen Körperschaften haben sechs angegeben, dass
Belehrungen zur Korruptionsprävention und -bekämpfung nicht regelmäßig bzw. nur teilweise
regelmäßig durchgeführt werden.70 Die sechs weiteren geprüften kommunalen Körperschaften
gaben an, jährlich Belehrungen zu eigenen Regelungen bzw. zur VV-Kor und zum Anti-Kor-
ruptions-Verhaltenskodex durchzuführen, wobei zwei kommunale Körperschaften71 mitteil-
ten, dass die Belehrungen nicht durchgängig aktenkundig dokumentiert seien.
Zur Anleitung der Beschäftigten und zu deren Schutz hält der Landesrechnungshof auch hier
regelmäßige Belehrungen für erforderlich. Die Belehrungen könnten zugleich auch genutzt
werden, um allgemein zum Beispiel über Erscheinungsformen der Korruption, Gefährdungs-
lagen, praktische Handlungsmöglichkeiten in korruptionsgefährdeten Situationen bzw. auch
über generelle Gegenmaßnahmen zu informieren.72
4 Prävention
(170) Im Rahmen der Korruptionsprävention nach der VV-Kor wird empfohlen, die Ar-
beitsplätze auf Korruptionsgefährdung zu bewerten und eine Risikoanalyse für besonders kor-
ruptionsgefährdete Arbeitsplätze durchzuführen. In allen korruptionsgefährdeten Bereichen ist
ein Ansprechpartner für Korruptionsvorsorge zu bestellen. Als Vorsorge in besonders korrup-
68 MSP, LRO, VR, SN, HWI, HGW.69 Vgl. Maiwald, J. et al. (2012): Beamtenrecht des Bundes und der Länder, 341. Aktualisierung, § 42 Rdnr. 67.70 MSP (bei Einstellung durchgängig, danach aber nur teilweise), VG, LP (nur bei Einstellung), HRO (bei Ein-
stellung durchgängig, danach aber nur teilweise), NB, HGW (bei Einstellung durchgängig, danach aber nurteilweise).
71 VR (teilweise), NB, SN (teilweise, die Stadt hat im Nachgang zur Umfrage erklärt, dass sie ihre Beschäftigtenkünftig regelmäßig, jährlich fortlaufend aktenkundig belehren wird).
72 Vgl. Bekemann, U. (2007): Kommunale Korruptionsbekämpfung, S. 43.
73
tionsgefährdeten Bereichen sollte die Verwendungsdauer des Personals nach Möglichkeit be-
grenzt werden. Das „Mehr-Augen-Prinzip“ ist durch Beteiligung oder Mitprüfung durch meh-
rere Beschäftigte oder Organisationseinheiten anzustreben.
Der Landesrechnungshof hat im Rahmen der Prüfung eine Abfrage zu den vorgenannten Prä-
ventionsmaßnahmen durchgeführt. Danach ist bei acht73 der zwölf geprüften kommunalen
Körperschaften keine Bewertung der Arbeitsplätze auf Korruptionsgefährdung und keine Risi-
koanalyse für besonders korruptionsgefährdete Arbeitsplätze erfolgt. Drei der geprüften kom-
munalen Körperschaften haben ihre Arbeitsplätze teilweise bewertet.74 Die Benennung eines
Antikorruptionsbeauftragten bzw. die Einrichtung einer Antikorruptionsstelle haben vier75 ge-
prüfte kommunale Körperschaften verneint. Keine der geprüften kommunalen Körperschaften
begrenzt zur Korruptionsprävention die Verwendungsdauer des Personals.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass die geprüften kommunalen Körperschaften nicht durchgän-
gig ausreichende Vorkehrungen zur Korruptionsprävention getroffen haben. Der Landesrech-
nungshof sieht im Erfassen und Bewerten korruptionsgefährdeter Arbeitsplätze die Grundlage
für eine erfolgreiche Korruptionsvorsorge und die Voraussetzung dafür, dass überhaupt Maß-
nahmen gegen Korruptionsgefahren vorgenommen werden können. Damit haben – und das
gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Feststellungen zur nicht ausreichenden Sensibili-
sierung für Korruptionsgefahren (Textzahlen 166 bis 169) – die geprüften kommunalen Kör-
perschaften wichtige Möglichkeiten der Prävention weitgehend ungenutzt gelassen.
5 Umgang mit Spenden, Schenkungen und ähnliche Zuwendungen
(171) Eine gesetzliche Normierung von Grundsätzen zur Einwerbung von Spenden, Schen-
kungen und ähnlichen Zuwendungen durch die Gemeinden erfolgte erstmalig im
Jahr 2011 durch die neue KV M-V76. Danach dürfen die Gemeinden gemäß § 44 Abs. 4 KV
M-V77 zur Erfüllung ihrer Aufgaben Spenden, Schenkungen und ähnliche Zuwendungen ein-
werben und annehmen oder an Dritte vermitteln, wenn diese sich an der Erfüllung von Aufga-
ben der Gemeinden beteiligen.
73 VG, VR, LP, LRO und NWM, sowie HRO, HWI und HST.74 MSP, SN und HGW.75 LP, LRO, VR und MSP.76 Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (KV M-V) vom 13. Juli 2011 (GVOBl. M-V,
S. 777).77 Gemäß § 120 Abs. 1 KV-M-V gelten die Bestimmungen für die Landkreise entsprechend.
74
Nach § 44 Abs. 4 KV M-V78 sind für Spenden, Schenkungen und ähnliche Zuwendungen u. a.
die folgenden Grundsätze zu beachten:
(172) In einem jährlich zu erstellenden Bericht sind die Geber, Zuwendungen und Zuwen-
dungszwecke zu Spenden, Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen festzuhalten und der
Bericht ist der Rechtsaufsichtsbehörde zu übersenden. Darüber hinaus ist der jeweils aktuelle
Bericht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen
Für die Jahre 2011 und 2012 haben nicht alle geprüften kommunalen Körperschaften Berichte
erstellt. Auch haben nicht alle geprüften kommunalen Körperschaften den gefertigten Bericht
dem Innenministerium als Rechtsaufsichtsbehörde übersandt. Zum Beispiel hat eine Körper-
schaft79 angegeben, zwar Spenden in den Jahren 2011 und 2012 entgegengenommen zu haben,
jedoch keinen Bericht erstellt zu haben.
Für die geprüften kommunalen Körperschaften, die keinen Bericht erstellt haben, führt dies im
Ergebnis zu mehreren Verstößen gegen § 44 Abs. 4 KV M-V. Es fehlt nicht nur am Bericht
selbst, der ausnahmslos anzufertigen ist, sondern die betreffenden kommunalen Körperschaf-
ten sind auch ihrer Berichtspflicht gegenüber dem Innenministerium als Rechtsaufsichtsbehör-
de nicht nachgekommen – § 44 Abs. 4 Satz 5 KV M-V. Darüber hinaus wurde in diesen Fäl-
len der Bericht der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht – § 44 Abs. 4 Satz 6 KV M-V.
Daher konnte der Zweck der Neuregelung, u. a. auch ein transparentes Verfahren zu gewähr-
leisten, nicht erreicht werden.
Ob den Landkreisen als Rechtsaufsichtsbehörden alle entsprechenden Berichte ihrer kreisan-
gehörigen Kommunen – kreisangehörige Ämter und kreisangehörige amtsfreie Gemeinden –
übersandt wurden80, konnte im Rahmen dieser Prüfung nicht festgestellt werden. Der Landes-
rechnungshof hat jedoch Zweifel an der Vollständigkeit, soweit aus zwei der 12 kreisangehö-
rigen Kommunen81 oder auch nur aus einer kreisangehörigen Kommune von 1982 entsprechen-
de Berichte zu Spenden, Schenkungen und ähnliche Zuwendungen an ihre Rechtsaufsichtsbe-
hörde vorliegen.
Vor dem Hintergrund, dass die Berichtspflicht und die Veröffentlichung der Berichte insbe-
sondere der Erhöhung der Transparenz beim Umgang mit Spenden, Schenkungen und ähnli-
che Zuwendungen dient und damit auch zur Korruptionsprävention beiträgt, sollten sowohl
78 Gemäß § 120 Abs. 1 KV-M-V gelten die Bestimmungen für die Landkreise entsprechend.79 HGW.80 Überwiegend liegen in allen Fällen Berichte mehrerer amtsangehöriger Gemeinden aus einem Amt vor.81 NWM.82 VG.
75
das Innenministerium als auch die Landkreise als jeweilige Rechtsaufsichtsbehörde künftig
verstärkt darauf hinwirken, dass die unter ihrer Aufsicht stehenden kommunalen Körperschaf-
ten die Berichte durchgängig erstellen und übersenden.
Hinsichtlich der Berichtspflicht weist der Landesrechnungshof zudem auf Folgendes hin: We-
der in der Kommunalverfassung selbst, noch in den Hinweisen zu § 44 KV M-V83 ist eine
Frist für die Übersendung der Berichte festgelegt. Dies hat möglicherweise dazu geführt, dass
die Berichte nicht vollständig vorliegen. Vor diesem Hintergrund regt der Landesrechnungs-
hof an, dass das Innenministerium die Hinweise zu § 44 KV M-V um eine Frist für die Vorla-
ge der Berichte ergänzt.
6 Umgang mit Sponsoring
(173) Das Innenministerium sieht bei seiner Auslegung von § 44 KV M-V mit der Formulie-
rung „Spenden, Schenkungen und ähnliche Zuwendungen“ das „echte“ Sponsoring, das eine
Gegenleistung des Gesponsorten beinhaltet, als nicht erfasst an. Einheitliche Grundsätze für
Sponsoring zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben sind daher in Mecklenburg-Vorpommern
für die kommunalen Körperschaften nicht normiert.
Nach der Anlage 3 zu Nr. 7 VV-Kor ist unter Sponsoring die Zuwendung von Geld oder einer
geldwerten Leistung durch eine natürliche oder juristische Person mit wirtschaftlichen Interes-
sen zu verstehen, die neben dem Motiv zur Förderung einer öffentlichen Einrichtung auch an-
dere Interessen verfolgt. Dem Sponsor kommt es vor allem auf seine Profilierung in der Öf-
fentlichkeit an.
Vier84 der zwölf geprüften kommunalen Körperschaften haben angegeben, dass sie keine
Grundsätze für die Zulässigkeit und den Umgang von Sponsoring zur Finanzierung öffentli-
cher Aufgaben festgelegt haben. Vier85 weitere gaben an, dass sie die VV-Kor und damit die
dort geregelten Grundsätze zum Sponsoring anwenden. Die übrigen vier86 haben zum Sponso-
ring eigene Regelungen – Geschäftsanweisungen – erlassen.
Die geprüften kommunalen Körperschaften haben Sponsoring bisher nur zurückhaltend ge-
nutzt. Sponsoring aus privaten Finanzierungsquellen dürfte aber auf Grund immer knapper
83 Bekanntmachung des Innenministeriums vom 26. August. 2011 (AmtsBl. M-V, S. 526).84 LP, LRO, MSP, HWI.85 NWM, VG, NB, HGW.86 HRO, SN, HST, VR.
76
werdender Haushaltsmittel auch in den kommunalen Körperschaften zur Finanzierung öffent-
licher Aufgaben künftig an Bedeutung gewinnen.
Der Landesrechnungshof empfiehlt aus korruptionspräventiver Sicht den vier geprüften kom-
munalen Körperschaften ohne Regelungen zum Sponsoring, eigene Grundsätze zum Sponso-
ring zu erlassen, die dem Regelungsgehalt der VV-Kor entsprechen. Insbesondere sollte eine
hohe Transparenz gewährleistet sein.
Darüber hinaus empfiehlt der Landesrechnungshof den Landkreisen als jeweilige Rechtsauf-
sichtsbehörde, die unter ihrer Aufsicht stehenden kommunalen Körperschaften beratend dar-
auf hinzuweisen, dass – soweit noch nicht geschehen – eigene Grundsätze für Sponsoring er-
lassen werden sollten. Diese sollten – wie in der Begründung zu § 44 KV M-V zu Spenden,
Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen – ausgeführt, die grundsätzliche Zulässigkeit der-
artiger Unterstützung charakterisieren und gleichzeitig ein möglichst transparentes Verfahren
gewährleisten, um ein rechtssicheres Agieren der verantwortlichen kommunalen Entschei-
dungsträger zu ermöglichen. Damit wird in der Öffentlichkeit jedem Anschein korrupten Ver-
haltens entgegengewirkt.87
Der Landesrechnungshof regt darüber hinaus an, dass das Innenministerium überprüft, ob es
an seinem Verständnis, dass sogenanntes echtes Sponsoring nicht von § 44 KV M-V erfasst
wird, festhalten will. Sofern dies der Fall ist, sollte das Innenministerium erwägen, eine Ände-
rung der Vorschrift anzustoßen:
Der in § 44 KV M-V verwendete Begriff „ähnliche Zuwendung“ könnte durchaus so verstan-
den werden, dass er das Sponsoring umfasst. Dem Sponsoring liegt nämlich nicht die Vorstel-
lung des Austausches gleichwertiger Leistungen zugrunde, sondern der Gedanke, dass die –
hinreichend bekannt gemachte – Förderung eines guten (öffentlichen) Zwecks dem Sponsor
einen Imagegewinn bringen möge. Je nach Gestaltung im Einzelfall kann die Gegenleistung
des Gesponsorten im Verhältnis zur Höhe der Förderung eher den Charakter einer Schenkung
erhalten. Vor dem Hintergrund dieses fließenden Übergangs und angesichts des nicht ganz un-
erheblichen Korruptionsrisikos, das beim Sponsoring bestehen kann, hält der Landesrech-
nungshof eine für die Kommunen verbindliche Bestimmung für sinnvoll, die nicht nur reine
Schenkungen und Spenden, sondern auch das Sponsoring umfasst.
87 Vgl. Drs. 5/4173 zu § 44 KV M-V.
77
7 Zusammenfassung
(174) Die Abfrage führte letztlich zu den folgenden Ergebnissen:
• Die überwiegende Zahl der geprüften kommunalen Körperschaften hat sich dagegen
entschieden, die VV-Kor anzuwenden, obwohl die Anwendung in den Kommunen in
der Regelung selbst ausdrücklich empfohlen wird.
• Die eigenen Regelungen der geprüften kommunalen Körperschaften greifen die
grundsätzlichen Regelungsschwerpunkte der VV-Kor nicht immer im erforderlichem
Umfang auf. Insbesondere fehlt es an Vorschriften bzw. Vorgaben zur Beurteilung
von Korruptionsgefährdung und -risiken.
• Die Sensibilisierung von Beschäftigten erfolgt nicht immer in ausreichendem Maß.
Soweit noch nicht geschehen, sollten die geprüften kommunalen Körperschaften eigene Rege-
lungen zum Sponsoring erlassen.
78
6 Zustandserfassung und -bewertung sowie Bedarfsplanung zur Erhaltung kommunaler Straßen – Ergebnis einer Abfrage
1 Einführung
(175) Unter den Einwirkungen von Klima und Verkehr sind Straßen Beanspruchungen aus-
gesetzt, die zunächst zu Ermüdungs- und Verschleißerscheinungen und später zu ihrer Zerstö-
rung führen können. Durch vorbeugende Maßnahmen kann dieser Prozess zwar nicht zum
Stillstand gebracht, aber zumindest deutlich verlangsamt werden. Die theoretische Nutzungs-
dauer einer Straße kann nur durch zeit- und fachgerecht durchgeführte Erhaltungsmaßnahmen
erreicht werden. Unterbleiben hingegen diese notwendigen Maßnahmen, so ist mit vorzeitigen
Verfallserscheinungen zu rechnen.
Um das Anlagevermögen nachhaltig und wirtschaftlich zu sichern, müssen Mittel für die Stra-
ßenerhaltung bedarfsgerecht ermittelt und bereitgestellt werden. Eine Unterfinanzierung führt
zu einem schnelleren Werteverlust.
(176) Straßenerhaltung ist ein Sammelbegriff für Maßnahmen an Verkehrsflächen, die der
Substanzsicherung und der Wiederherstellung des Gebrauchswertes dienen.88
Die folgende Tabelle zeigt die Abgrenzung der Straßenerhaltung zu den anderen Bereichen
des Straßenbaus:
Abbildung 24: Übersicht zu den verschiedenen Bereichen des Straßenbaus
Quelle: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen / Arbeitsausschuss (2003): Systematik der Straßenerhaltung: Empfehlung für das Erhaltungsmanagement von Innerortsstraßen (E EMI), Tabelle 3, Blatt 3; eigene Erstellung.
88 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen / Arbeitsausschuss (2003): Systematik der Straßener-haltung: Empfehlung für das Erhaltungsmanagement von Innerortsstraßen (E EMI), FGSV Verlag, Köln.
79
Erh
altu
ng
Bauliche Erhaltung
Bauliche Unterhaltung
Instandsetzung
Erneuerung
Um- und Ausbau (Veränderung der Qualität)
Erw eiterung (Erhöhung der Kapazität) z. B. Anbau von Fahrstreifen
Neubau (Neuanlage von Verkehrsf lächen)
Betriebliche Unterhaltung(Kontrolle und Wartung)
z. B. Straßenentw ässerung, Markierung, Verkehrsbeschilderung
z. B. akute Kleinstreparaturen
z. B. Fräsen/Neueinbau der Deckschicht
z. B. Aufbruch + Neueinbau der De-cke bzw . des Oberbaues
z. B. Querschnittsänderungen
(177) Auf Grund der finanziellen Möglichkeiten der Kommunen und der damit einhergehen-
den Verschlechterung des Straßenzustandes ist ein systematisches Erhaltungsmanagement
notwendig.
Das Erhaltungsmanagement umfasst nach einer Zustandserfassung und -bewertung im We-
sentlichen
• das Bewerten des Bemessungszustandes,
• das Bilden homogener Abschnitte,
• die Zustandsprognose,
• das Zuordnen sinnvoller bautechnischer Maßnahmen zu den Abschnitten,
• eine Nutzen-Kosten-Ermittlung sowie
• das Ermitteln kurz- und mittelfristiger Erhaltungspläne.
(178) Der Landesrechnungshof ermittelte durch Abfrage im April 2013 bei den zwei kreis-
freien Städten sowie den sechs Landkreisen u. a.,
• wer die Aufgaben des Trägers der Straßenbaulast wahrnimmt,
• wie viele Kilometer Straße, Radwege, etc. und wie viele bauliche Anlagen sich in ih-
rer Baulast befinden,
• ob eine Straßendatenbank erstellt wurde,
• ob und wann eine Zustandserfassung und -bewertung durchgeführt wurde,
• ob eine Bedarfsplanung und/oder ein Erhaltungskonzept vorliegen und
• in welcher Höhe Haushaltsmittel veranschlagt bzw. verausgabt wurden.
(179) Zu berücksichtigen ist, dass mit der Kreisgebietsreform89 mit Wirkung zum 4. Septem-
ber 2011 in Mecklenburg-Vorpommern zwei kreisfreie Städte und sechs Landkreise gebildet
wurden. Zuvor waren es zwölf Landkreise und sechs kreisfreie Städte.
(180) Alle kreisfreien Städte und Landkreise nahmen zu den o. g. Fragen Stellung.
2 Aufgabenwahrnehmung, Baulast und Haushalt
(181) Die kommunalen Straßenbaulastträger nehmen die Erhaltungsaufgaben an ihren Ver-
kehrsflächen wie folgt wahr:
89 Gesetz zur Schaffung der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreis-strukturgesetz) vom 12. Juli 2010 (GVOBl. M-V, S. 366).
80
Tabelle 13: Aufgabenwahrnehmung
Stadt/Landkreis Wahrnehmung der Erhaltungsaufgaben durch
Landeshauptstadt SchwerinEigenbetrieb Stadtwirtschaftliche Dienstleistungen Schwerin (SDS)
Hansestadt Rostock Straßenmeisterei des Tief- und Hafenbauamtes
Landkreis Nordwestmecklenburg Kreisstraßenmeisterei, beauftragte Dritte
Landkreis Ludwigslust-Parchim Kreisstraßenmeistereien, beauftragte Dritte
Landkreis Rostock2 Kreisstraßenmeistereien, 2 Straßenmeistereien des Landes,beauftragte Dritte
Landkreis Vorpommern-Rügen Straßenmeistereien des Landes, beauftragte Dritte
Landkreis Vorpommern-GreifswaldKreisstraßenmeisterei, Straßenmeistereien des Landes, be-auftragte Dritte
Landkreis Mecklenburgische Seenplatte4 Kreisstraßenmeistereien, Straßenmeisterei des Landes, be-auftragte Dritte
Quelle: Kreisfreie Städte und Landkreise.
Die Aufgaben der baulichen und betrieblichen Unterhaltung nehmen überwiegend entweder
die kreiseigenen Straßenmeistereien oder die Straßenmeistereien des Landes wahr. Hingegen
werden Instandsetzung und Erneuerung der Straßen nahezu vollständig an Fremdfirmen ver-
geben.
(182) Der Umfang der Straßenbaulast ist der folgenden Tabelle zu entnehmen:
Tabelle 14: Straßenbaulast
Stadt/LandkreisBaulast
Straße Radweg Brücke
in km Anzahl
Landeshauptstadt Schwerin 286 140 32
Hansestadt Rostock 695 653 91
Landkreis Nordwestmecklenburg 385 48 25
Landkreis Ludwigslust-Parchim 978 136 82
Landkreis Rostock 617 56 38
Landkreis Vorpommern-Rügen 326 70 12
Landkreis Vorpommern-Greifswald 821 30 34
Landkreis Mecklenburgische Seenplatte 1.008 k. A. k. A.
Quelle: Kreisfreie Städte und Landkreise; eigene Berechnungen.
(183) In der folgenden Tabelle ist in der zweiten Spalte dargestellt, welche Mittel im Haus-
haltsjahr 2012 für die Gesamtheit der Erhaltungsaufgaben veranschlagt wurden. Der Landes-
rechnungshof geht davon aus, dass in diesen Ansätzen die Sach-, Personal-, und Gemeinkos-
81
ten (überwiegend für bauliche und betriebliche Unterhaltung) und die Fremdleistungskosten
(überwiegend für Instandsetzung und Erhaltung) enthalten sind:
Tabelle 15: Haushaltsansätze 2012 sowie pro km Straße
Stadt/Landkreis Soll 2012 Soll je km Straße
in Euro
Landeshauptstadt Schwerin 2.822.000 9.867,13
Hansestadt Rostock 3.300.000 4.748,20
Landkreis Nordwestmecklenburg 2.944.800 7.648,89
Landkreis Ludwigslust-Parchim 4.621.79590
Landkreis Rostock 3.241.500 5.253,65
Landkreis Vorpommern-Rügen 1.528.000 4.688,34
Landkreis Vorpommern-Greifswald 4.850.000 5.904,46
Landkreis Mecklenburgische Seenplatte 5.236.700 5.195,14
Quelle: Kreisfreie Städte und Landkreise; eigene Berechnungen.
Beispielsweise teilte der Landkreis Nordwestmecklenburg mit, dass auf Grund der angespann-
ten Haushaltslage die finanziellen Mittel nicht entsprechend eines zu ermittelnden Bedarfes
sondern entsprechend der Haushaltslage zur Verfügung gestellt würden. Der Landkreis Vor-
pommern-Greifswald verwies darauf, dass die Höhe der Mittel von der Kämmerei vorgegeben
werde und diese sich an den Beträgen abzüglich einer prozentualen Kürzung zur Haushalts-
konsolidierung orientiere. Auch beim Landkreis Mecklenburgische Seenplatte werde der Be-
darf an Haushaltsmitteln an Hand der Vorjahre fortgeschrieben. Der fachintern ermittelte tat-
sächliche Bedarf liege weit über den in den Haushalt eingestellten Mitteln.
(184) Die Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ (sog. Daehre-Kom-
mission)91 weist in ihrem Bericht vom Dezember 2012 jährliche Kosten für die Erhaltung der
Bundesstraßen in Höhe von 3,85 Euro/m2 und für die Landesstraßen in Höhe von
2,10 Euro/m2 aus.92 Für die Kreisstraßen konnten auf Grund fehlender Angaben im Bericht
keine Beträge genannt werden.93 Ausgehend von einem ähnlich hohen Erhaltungsaufwand für
Kreisstraßen wie für Landesstraßen und von einer mittleren Breite von 6 m ergeben sich erfor-
derliche jährliche Erhaltungskosten in Höhe von 12.600 Euro/km.
90 Zahl nicht verwendbar, da die Ausgaben für vier Kreisstraßenmeistereien fehlen.91 Die Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, sog. „Daehre-Kommision“ wurde durch
Beschluss der Verkehrsministerkonferenz vom 1. Dezember 2011 mit dem Ziel, Vorschläge für eine zukünfti-ge Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur auf der Ebene von Bund, Ländern und Kommunen zu unterbreiten,eingesetzt.
92 Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ vom Dezember 2012, S. 19.93 Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ vom Dezember 2012, S. 18.
82
Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) weist in ihrem „Merk-
blatt über den Finanzbedarf der Straßenverwaltung in den Gemeinden“94 einen jährlichen Fi-
nanzbedarf in Höhe von 10.200 Euro/km aus.
3 Straßendatenbank
(185) Voraussetzung für ein zielgerichtetes Erhaltungsmanagement ist eine aktuelle Straßen-
datenbank, die nachfolgende Datengruppen umfassen kann: Ordnungs-, Leit-, Aufbau-, Quer-
schnitts-, Erhaltungs-, Zustands-, Verkehrs- und Funktionsdaten.
(186) Mehrheitlich teilten die zwei Städte und die sechs Landkreise mit, dass die Straßen-
und Brückenverzeichnisse gemäß § 8 der Verordnung über die Straßenverzeichnisse für die
öffentlichen Straßen nach dem Straßen- und Wegegesetz des Landes Mecklenburg-Vorpom-
mern (Straßenverzeichnis-Verordnung)95 vorlägen würden, bei den Landkreisen jedoch ge-
trennt für jeden Altkreis. Allerdings gebe es bei keinem eine vollständige Straßendatenbank.
So teilte beispielsweise der Landkreis Ludwigslust-Parchim mit, dass er keine spezielle Da-
tenbank zur Durchführung eines Erhaltungsmanagements habe. Der Landkreis Vorpom-
mern-Greifswald habe zumindest die Straßenkataster der Altkreise zusammengeführt, so dass
wesentliche Daten für die Durchführung eines Erhaltungsmanagements bereits erfasst seien.
Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte teilte mit, dass die Qualität der vorhandenen Da-
ten sehr unterschiedlich und miteinander nicht kompatibel sei. Die jeweils in den Altkreisen
vorhandenen Datenbanken sollen bis Ende 2014 zusammengeführt und vervollständigt wer-
den. Die zu erstellende Straßendatenbank werde die Grundlage sein, ein Erhaltungskonzept zu
erarbeiten.
4 Zustandserfassung und -bewertung
(187) Ein erster Schritt auf dem Weg zur systematischen Straßenerhaltung stellt die Zustand-
serfassung und -bewertung dar.
Die Zustandserfassung kann visuell oder messtechnisch erfolgen. Die visuelle Erfassung sollte
durch entsprechend geschulte und ausreichend qualifizierte Mitarbeiter in Eigenregie durchge-
führt werden. Die Zustandserfassung für das Erhaltungsmanagement ist auf folgende Oberflä-
chenmerkmale zu beschränken: Spurrinnen, allgemeine Unebenheiten, Risse, Flickstellen,
sonstige Oberflächenschäden, Borde/Rinnen.
94 Dem Merkblatt aus 2004 liegen Mittelwerte aus repräsentativen Umfragen unter deutschen Städten zugrunde.95 Straßenverzeichnis-Verordnung vom 21. Juni 1995 (GVOBl. M-V, S. 339).
83
Eine Bewertung der Befestigungssubstanz kann dann vorgenommen werden, wenn die dazu
notwendigen Informationen, wie Art, Dicke und Einbaujahr der gebundenen Schichten zur
Verfügung stehen.
(188) Weder die zwei kreisfreien Städte noch die sechs Landkreise haben Zustandserfassun-
gen mit dem Ziel vorgenommen, ein Erhaltungsmanagement durchführen zu können. Aus-
schließlich im Rahmen der Vermögensbewertung zur Einführung der Doppik wurde zum
1. Januar 2012 der Straßenzustand überwiegend durch eigene Mitarbeiter visuell erfasst.
Eine Bewertung des Straßenzustandes fand teilweise statt.
Der Landkreis Vorpommern-Greifswald wies beispielsweise darauf hin, dass das Innenminis-
terium den Landkreisen bei der Bewertung der Kreisstraßen eigene Gestaltungsmöglichkeiten
gelassen habe. Damit hatten die drei Altkreise drei unterschiedliche Bewertungsverfahren. In
der Folge seien die Ergebnisse nun nicht miteinander vergleichbar. Darüber hinaus sei der Zu-
stand der Straßen in den Altkreisen unterschiedlich. Der Altkreis Uecker-Randow habe von
den sich aus der Grenznähe ergebenden Vorteilen (INTERREG-Fördermittel der EU) profi-
tiert. Der Altkreis Ostvorpommern habe bis vor rd. zehn Jahren in seine Straßen investiert.
Danach hätten sich die Haushaltsprobleme massiv bei der Mittelbereitstellung für die Kreis-
straßen bemerkbar gemacht. Da für den Altkreis Demmin schon lange feststand, dass er geteilt
werde, seien für die Straßenerhaltung in den letzten Jahren offensichtlich kaum noch Mittel
bereitgestellt worden.
Auch im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte liege bisher keine Zustandsbewertung für
den neu gebildeten Kreis vor. Die vor Bildung des Landkreises erfassten Daten der Altkreise
im Rahmen der Doppik seien nicht kompatibel.
Der Landkreis Ludwigslust-Parchim teilte auf die Frage zur Entwicklung des Straßenzustan-
des in den letzten Jahren mit, dass bei den kontinuierlich stattfindenden Straßenbefahrungen
ein sich ständig verschlechternder Zustand der Kreisstraßen festzustellen sei.
Auch der Landkreis Vorpommern-Rügen geht davon aus, dass der Anteil der sehr schlechten
und schlechten Straßenabschnitte stetig zunimmt.
5 Bedarfsplanung
(189) Im Rahmen des Erhaltungsmanagements folgt aufbauend auf der Zustandserfassung
und -bewertung die Erstellung einer Bedarfsplanung und eines Erhaltungsprogramms.
84
Eine Bedarfsplanung kann sowohl kurzfristig, das heißt für ein Haushaltsjahr, als auch mittel-
fristig für bis zu fünf Jahren erstellt werden. Dazu werden aus den Zustands- und Bestandsda-
ten Erhaltungsabschnitte ermittelt. Diese Erhaltungsabschnitte werden auf Grund ihres Zu-
standes in Mängelklassen eingeteilt und geeigneten bautechnischen Maßnahmen zugeordnet.
Aus einer Kosten-Nutzen-Abwägung wird dann sowohl für den einzelnen Erhaltungsabschnitt
als auch für alle Erhaltungsabschnitte im Straßennetz eine unter wirtschaftlichen Aspekten op-
timale Rangfolge für das Erhaltungsprogramm festgelegt.
(190) Weder die zwei kreisfreien Städte noch die sechs Landkreise haben eine Bedarfspla-
nung, aufbauend auf einer Zustandserfassung und -bewertung und auf Grundlage einer Stra-
ßendatenbank. Zum Teil liegen Prioritätenlisten vor.
Der Landkreis Vorpommern-Greifswald teilte zum Beispiel mit, dass die Unterlagen (Bedarfs-
planung, Erhaltungskonzept) zur Zeit erarbeitet würden. Dies sei nach einer Kreisgebietsre-
form, in der sich vier ehemalige Landkreise zusammengefunden haben, auch nicht früher zu
erwarten gewesen. Zunächst seien die Grundlagen für jegliche Planungen und Konzepte ge-
schaffen worden. Erst danach könne man dazu übergehen, Konzepte zu erarbeiten, die den ge-
samten Großkreis umfassen und gegebenenfalls vorhandene Konzepte aus den Altkreisen er-
setzen.
Auch der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte habe auf Grund der fehlenden Straßenda-
tenbank und der nicht in der geforderten Qualität vorhandenen Daten keine Erhaltungskonzep-
te erarbeiten können. Die grundhafte Erneuerung der Kreisstraßen erfolge jedoch auf der Basis
einer Prioritätenliste.
6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
(191) Das Abfrageergebnis zeigt auf, dass
1. den zwei kreisfreien Städten und den sechs Landkreisen Erkenntnisse über den Zu-
stand ihrer Straßen lediglich zum einen durch die laufenden Zustandskontrollen zur
Abwicklung des Straßenbetriebsdienstes und zum anderen durch die Erfassung des
Straßenzustandes im Rahmen der Doppik vorliegen. Regelmäßige systematische
Zustandserfassungen mit dem Ziel, Veränderungen des Straßenzustandes abbilden
und eine Zustandsbewertung der Straßen als Grundlage für eine Bedarfsplanung
vornehmen zu können, liegen hingegen nicht vor.
2. Konzepte für den Erhalt eines funktionsfähigen Straßennetzes wurden nicht erarbei-
tet. Die Erstellung derartiger Konzepte scheitert schon auf Grund der fehlenden
85
Straßendatenbanken und darauf aufbauend der nicht regelmäßig stattfindenden Zu-
standserfassungen und -bewertungen.
(192) Der Landesrechnungshof geht davon aus, dass auch für die kommunalen Straßen in
Mecklenburg-Vorpommern die Erhaltungsbedarfe bei Weitem nicht gedeckt sind.
Wie in Tz. 184 dargestellt, wären jährliche Erhaltungskosten in Höhe von 12.600 Euro/km für
die Kreisstraßen erforderlich. Fünf Landkreise96 veranschlagten dem entgegen durchschnittlich
nur 5.738,10 Euro/km. Die sechs Landkreise hätten ausgehend von erforderlichen jährlichen
Erhaltungskosten in Höhe von 12.600 Euro/km und einer Gesamt-Kreisstraßenlänge von
4.135,352 km insgesamt rd. 52 Mio. Euro veranschlagen müssen. Unter Zugrundelegung der
durchschnittlich veranschlagten 5.738,10 Euro und der v. g. Gesamt-Kreisstraßenlänge wur-
den dem entgegen lediglich rd. 24 Mio. Euro veranschlagt.
Somit fehlten allein für das Haushaltsjahr 2012 rd. 28 Mio. Euro für die ordnungsgemäße Er-
haltung der Kreisstraßen.
Für die Erhaltung der Straßen in den zwei kreisfreien Städten wären jährliche Erhaltungskos-
ten in Höhe von 10.200 Euro/km erforderlich (siehe Tz. 184). Bei einer Gesamtstraßenlänge
von 981 km hätten die beiden Städte insgesamt rd. 10 Mio. Euro veranschlagen müssen. Tat-
sächlich veranschlagten sie zusammen lediglich rd. 6 Mio. Euro.
Somit fehlten allein für das Haushaltsjahr 2012 rd. 4 Mio. Euro für die ordnungsgemäße Er-
haltung der innerstädtischen Straßen.
Die durchschnittliche Lebensdauer von Verkehrsanlagen liegt zwischen 40 und 45 Jahren. Die
Daehre-Kommision stellte in ihrem Bericht vom Dezember 201297 fest, dass bei nicht sach-
und zeitgerechter Deckung des Erhaltungsbedarfes im Laufe der Zeit entweder ein massiver
Ausfall von Infrastrukturkomponenten oder eine abrupte Steigerung der Reparaturnotwendig-
keiten im Netz eintreten könne. In der Konsequenz könne es zu erheblich höheren Kosten und
zu Störungen der Verkehrsabläufe kommen. Die Kommission mahnt deshalb an, dass es drin-
gend notwendig sei, den Zustand der Verkehrsinfrastruktur regelmäßig zu erfassen und deren
Veränderungen abzubilden. Hierzu seien Zustandsberichte erforderlich, die einer Standardisie-
rung unterliegen müssen. Diese Berichte würden eine Kontrolle des Erfolgs der eingesetzten
Mittel ermöglichen und eine Basis für vergleichende Betrachtungen schaffen. Durch Darstel-
96 Vgl. Tabelle 15, Die Daten des Landkreises Ludwigslust-Parchim konnten nicht einbezogen werden (sieheFn. 88).
97 Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ vom Dezember 2012, S. 11.
86
lung der Erhaltungsbedarfe und damit der einhergehenden Unterfinanzierung könne das Be-
wusstsein bei Entscheidungsträgern für die Mittelbereitstellung geweckt werden.
(193) Aus dem Dargestellten ergibt sich, dass die Einführung eines Erhaltungsmanagements
dringend notwendig ist.
Hierzu hat der Landkreis Vorpommern-Greifswald beispielsweise mitgeteilt, dass das Thema
Erhaltungsmanagement bereits in der Vergangenheit eine Rolle gespielt habe. Die Aufgabe,
mit den wenigen verfügbaren Mitteln die jeweils wirtschaftlich optimalen Bauarbeiten durch-
zuführen, sei wichtig und notwendig. Letztendlich sei ein solches System nicht eingeführt
worden, da die für die Umsetzung des Erhaltungsmanagements erforderlichen Mittel nicht be-
reitgestellt werden konnten.
Um ein Erhaltungsmanagement einführen zu können, haben die zwei kreisfreien Städte und
sechs Landkreise zeitnah folgende Schritte zu unternehmen:
1. Eine Straßendatenbank ist zu erstellen bzw. zu vervollständigen. Dabei haben die
Landkreise die aus den Altkreisen vorhandenen Daten zusammenzuführen.
2. Regelmäßige Zustandserfassungen und -bewertungen sind einzuführen. Dabei kann
auf die Ergebnisse der im Rahmen der Doppik durchgeführten Zustandserfassungen
aufgebaut werden.
3. Auf Grundlage der Zustandserfassungen und -bewertungen ist eine Bedarfsplanung
durchzuführen. Von den Landkreisen sind dabei die ggf. getrennt nach Altkreisen
vorhandenen Prioritätenlisten zusammenzuführen.
Der Landesrechnungshof empfiehlt, die umfangreichen Erfahrungen bzgl. Zustandserfassung/-
-bewertung und Erhaltungsbedarfsprognose der Straßenbauverwaltung des Landes zu nutzen.
Seit 1994 führt sie im vierjährigen Rhythmus Zustandserfassungen nach FGSV-Regeln durch.
In Zusammenarbeit mit dem Innenministerium sollte das Ministerium für Energie, Infrastruk-
tur und Landesentwicklung beratend bzw. empfehlend tätig werden in Bezug auf:
• die Eignung von EDV-Programmen für Straßendatenbanken,
• die Durchführung der visuellen Erfassung der Straßen und
• die Anwendung eines standardisierten Bewertungsverfahren mit dem Ziel landesweit
vergleichbarer Ergebnisse.
Der Landesrechnungshof regt zudem an, gemeinsame Schulungen der stadt- und kreiseigenen
Mitarbeiter durchzuführen, um zum Beispiel subjektive Einflüsse bei der Zustandserfassung
87
zu vermeiden. Hierbei sollten Erfahrungsträger der Straßenbauverwaltung des Landes und der
Kommunen einbezogen werden.
Erst wenn Ergebnisse einer auf einer Zustandserfassung/-bewertung aufbauenden Bedarfspla-
nung vorliegen, wird eine Aussage darüber möglich sein, wie groß der jährliche Erhaltungsbe-
darf und der mit Sicherheit vorhandene Nachholbedarf tatsächlich sind und welcher Finanzie-
rungsbedarf sich daraus ableitet. Je eher die Finanzausstattung für die Erhaltung der Infra-
struktur bereitgestellt wird, desto eher können das Erhaltungsdefizit und damit einhergehend
das weitere Ansteigen der Reparaturnotwendigkeit gestoppt werden. Vorrangiges Ziel bei der
künftigen Einführung eines Erhaltungsmanagements sollte sein, die Lebensdauer der Straßen
voll auszuschöpfen.
(194) Das in der Tz. 192 dargestellte Haushaltsdefizit von rd. 32 Mio. Euro allein für das
Haushaltsjahr 2012 macht den dringenden Handlungsbedarf auf der kommunalen Ebene deut-
lich. Zukünftig wird der Erhaltung der Infrastruktur eine höhere Priorität einzuräumen sein.
(195) Das Innenministerium hat im Rahmen der Beteiligung zum Jahresberichtsentwurf kei-
ne Stellungnahme abgegeben.
88
IV. Ergebnisse der überörtlichen Prüfungen
1 Querschnittsprüfung der Ordnungsmäßigkeit des Vergabewesens bei vier kreisangehörigen Städten
Der Landesrechnungshof hat bei den Städten Güstrow, Neustrelitz, Parchim und Waren
geprüft, ob die Verwaltung die Vorschriften im Vergaberecht bei der Vergabe von Bau-
und sonstigen Leistungen beachtet und richtig anwendet. Bei 44 Vergabevorgängen hat
der Landesrechnungshof in 41 Fällen (93,2 Prozent) insgesamt 116 Fehler festgestellt.
Dies entspricht einem Durchschnitt von 2,6 Fehlern pro geprüftem Fall. Der Landes-
rechnungshof hat vorgeschlagen, nach Möglichkeit zentrale Vergabestellen einzurichten
und die Mitarbeiter im Umgang mit dem Vergaberecht zu schulen.
1 Prüfungsgegenstand
(196) Das Vergabeverfahren ist ein streng formalisiertes Verfahren. Bei Verfahrensverstößen
können erhebliche Folgen für den öffentlichen Auftraggeber eintreten. Diese reichen von Ver-
zögerungen bei der Erfüllung wichtiger Aufgaben bis zu Schadensersatzforderungen unterle-
gener Bieter. Die Nichteinhaltung zwingend vorgegebener Vergabevorschriften birgt die Ge-
fahr, dass Vergabeverfahren nicht rechtmäßig und unzweckmäßig sind, zu einem unwirt-
schaftlichen Ergebnis führen, sogenannte „Haus- und Hoflieferanten“ begünstigt werden oder
einer möglichen Korruption Vorschub geleistet wird.
(197) Der Landesrechnungshof hat bei den vier Städten insgesamt 44 Vergaben aus den Jah-
ren 2010 und 2011 hinsichtlich ihrer Übereinstimmung (Rechtmäßigkeit) mit den Maßgaben
der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) und der Vergabe- und
Vertragsordnung für Leistungen Teil A (VOL/A) geprüft. Ein besonderes Augenmerk wurde
auf den Inhalt der Vergabevermerke gelegt.98
Die geprüften Vergaben gliederten sich nach der gewählten Vergabeart wie folgt:
98 Falls bei Vergaben von Bauleistungen und sonstigen Leistungen die Wertgrenzenerlasse vom 30. Januar 2009und 7. Dezember 2010 Grundlage für die Begründung der jeweiligen Vergabeart waren, hat der Landesrech-nungshof die Einhaltung dieser Verwaltungsvorschrift ebenfalls geprüft.
89
Tabelle 16: Übersicht der gewählten Vergabearten
Vergabeart VOL/A VOB/A
EU-weite Ausschreibung 1 0
Öffentliche Ausschreibung 1 4
Beschränkte Ausschreibung 4 19
Freihändige Vergabe 10 1
Vergabeart nicht feststellbar 4 0
Gesamt 20 24
Quelle: Eigene Berechnungen.
Bei der Auswahl der zu prüfenden Fälle hat sich der Landesrechnungshof in erster Linie am
Auftragswert orientiert. Der geschätzte Auftragswert der ausgewählten Vergaben beträgt ins-
gesamt 4.747.740,88 Euro (nach Angabe der Verwaltung), davon entfallen auf Vergaben ge-
mäß VOL/A 858.192,28 Euro und auf Vergaben gemäß VOB/A 3.889.548,60 Euro.
Dabei lagen die Auftragswerte bei den geprüften Vergaben gemäß VOL/A zwischen 10.400
und 237.900 Euro (Durchschnitt: 42.900 Euro), bei Vergaben gemäß VOB/A zwischen 21.500
und 448.600 Euro (Durchschnitt: 162.100 Euro).
2 Fehlerarten und Fehlerhäufigkeiten
(198) Bei 44 Vergabevorgängen hat der Landesrechnungshof in 41 Fällen (dies entspricht ei-
nem Anteil von 93,2 Prozent) insgesamt 116 Fehler festgestellt. Dies entspricht einem Durch-
schnitt von 2,6 Fehlern pro geprüftem Fall. Damit wurde nahezu keine Vergabe im Einklang
mit dem geltenden Recht durchgeführt. Insofern sind für alle vier Kommunen erhebliche
Mängel im Vergabewesen zu konstatieren.
Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ordnungsmäßigkeit bzw. Rechtmäßigkeit von
Vergabeverfahren nicht gegeben ist. Die Vergabepraxis bei allen geprüften Kommunen ist
durchgehend als fehlerbehaftet anzusehen.
(199) Der Landesrechnungshof hat folgende Fehlerarten festgestellt:
• Die Leistungsbeschreibung (nur VOL/A) ist nicht eindeutig und erschöpfend.
• Die Schätzung des Auftragswertes ist nicht vorhanden oder nicht nachvollziehbar.
• Die Vergabeart ist nicht benannt und auch nicht feststellbar.
• Die Begründung der Vergabeart ist nicht dokumentiert.
90
• Die Begründung der Vergabeart ist wegen fehlerhafter Anwendung der Wertgrenzen-
erlasse fehlerhaft.
• Die Veröffentlichung gemäß Wertgrenzenerlass (ab 2009) ist nicht dokumentiert.
• Die Form der Angebote entspricht nicht den Anforderungen.
• Die Bindefrist fehlt.
• Die Eingangskennzeichnung der vorhandenen Umschläge der Angebote ist unvoll-
ständig. Angebote sind nicht oder nicht durchgängig gekennzeichnet.
• Der fristgerechte Eingang von Angeboten ist wegen fehlender Nachtbriefkästen nicht
sichergestellt.
• Der Prüfvermerk für die rechnerische Prüfung der Angebote fehlt.
• Die Wertung der Angebote fehlt.
• Es fehlt die Mitteilung an Bieter über nicht berücksichtigte Angebote.
• Der Vergabevermerk fehlt vollständig.
• Die VOL/B wurde nicht als Bestandteil des Vertrages vereinbart.
(200) Bei den Vergaben nach VOB/A wurden bei 24 geprüften Vergaben insgesamt 59 Feh-
ler festgestellt, dies entspricht durchschnittlich 2,5 Fehlern pro Fall. Fehlerarten und -häufig-
keiten für den Bereich der VOB sind in Tabelle 17 aufgeführt.
Tabelle 17: Gesamtübersicht der Fehlerhäufigkeit (VOB)
Vergabeart Öffentlich Beschränkt Freihändig Gesamt
Anzahl der Vergaben 4 19 1 24
Vorschrift Fehleranzahl
§ 3 VOB/A 2006/2009Begründung der Vergabeart (einschl. der Anwendung der Wertgrenzenerlasse)
0 15 1 16
§ 22 VOB/A 2006 bzw. § 14 VOB/A 2009Kennzeichnung des PosteingangesSubmission
4 15 1 20
§ 23 VOB/A 2006 bzw. § 16 VOB/A 2009Prüfung der Angebote
3 10 0 13
§ 17 VOB/A 2006 bzw. § 12 VOB/A 2009Versand/Bekanntmachung Vergabeunterlagen
1 0 0 1
§ 27 VOB/A 2006 bzw. § 18 VOB/A 2009Nachweis über die Mitteilung an unterlegene Bieter
3 6 0 9
Fehler VOB gesamt 11 46 2 59
Quelle: Eigene Berechnungen.
91
(201) Bei den Vergaben nach VOL/A wurden bei 20 geprüften Vergaben insgesamt 57 Feh-
ler festgestellt, dies entspricht einem Durchschnitt von 2,9 Fehlern pro Fall.
Fehlerarten und -häufigkeiten für den Bereich der VOL sind in Tabelle 18 aufgeführt.
Tabelle 18: Gesamtübersicht der Fehlerhäufigkeit (VOL)
Vergabeart Offen Öffentlich Beschränkt FreihändigNicht
benanntGesamt
Anzahl der Vergaben 1 1 4 10 4 20
Vorschrift Fehleranzahl
§ 1 VOL/A 2006/2009Schätzung Auftragswert
0 0 1 0 0 1
§ 3 VOL/A 2006/2009Begründung Vergabeart (einschl. der Anwendung der Wert-grenzenerlasse)
0 0 2 10 4 16
§ 9 Nr. 2 VOL/A 2006VOL/B Bestandteil des Vertrages
0 0 2 2 1 5
§ 17 Nr. 3 Abs. 2n VOL/A 2006Bindefrist
0 1 0 0 0 1
§ 13 VOL/A 2009§ 18 VOL/A 2006Form und Frist der Angebote
0 0 0 2 1 3
§ 22 VOL/A 2006§ 14 VOL/A 2009Öffnung der Angebote
1 0 6 5 1 13
§ 16 VOL/A 2009Rechnerische Prüfung Wertung derAngebote§ 25 Nr. 3 a VOL/A 2006Ausschlussprüfung
0 1 2 2 0 5
§ 17 VOL/A 2009Prüfung Aufhebung der Ausschrei-bung
0 0 0 2 0 2
§ 30 Abs. 1 VOL/A 2006§ 20 VOL/A 2009Vergabevermerk
0 0 3 4 4 11
Fehler VOL gesamt 1 2 16 27 11 57
Quelle: Eigene Berechnungen.
3 Weitere Prüfungsfeststellungen
(202) Ausgehend von den in Tabelle 17 (VOB-Vergaben) und Tabelle 18 (VOL-Vergaben)
aufgeführten Fehlerhäufigkeiten werden im Folgenden weitere Feststellungen vertiefend dar-
gestellt.
3.1 Organisation des Vergabewesens
(203) Wesentliche Gründe für die zahlreich festgestellten Fehler sieht der Landesrechnungs-
hof in der gegenwärtigen Organisation des Vergabewesens sowie in der bislang unzureichen-
den Schulung der mit dem Vergabewesen betrauten Mitarbeiter.
92
Beispiele:
1. Ein Mitarbeiter der Fachverwaltung, der über keine wesentlichen Kenntnisse des
Vergaberechts verfügte, wurde beauftragt, ein Kleinfahrzeug für seinen Arbeitsbe-
reich im Wert von ca. 30.000 Euro zu beschaffen. Während er fachlich die notwen-
digen Eigenschaften und die Ausstattung des Fahrzeuges unproblematisch benennen
konnte, hat er bei der Durchführung der Beschaffung fast sämtliche Vorschriften der
VOL (2009) missachtet. Weder hat er Alternativen zum Kauf geprüft (zum Beispiel
Leasing) noch legte er eine Vergabeart (§ 3 VOL/A) fest. Er führte lediglich eine
„Preisabfrage“ bei ihm bekannten Händlern ohne Hinweise zum weiteren Verfahren
durch. Eingehende Angebote waren nicht in einem verschlossenen Umschlag einzu-
reichen (§ 13 Abs. 2 Satz 2 VOL/A 2009), mit der Folge, dass die „Bieter“ die An-
gebote offen – teilweise per Fax – eingereicht haben. Eingangsvermerke fehlten
(§ 14 Abs. 1 Satz 1 VOL/A). Eine Niederschrift über die Öffnung der Angebote ent-
fiel damit naturgemäß. Bei der Bewertung wurden auch diejenigen Angebote berück-
sichtigt, die erst nach Fristende eingegangen waren. Ein Vergabevermerk
(§ 20 VOL/A) fehlte. Lediglich in der Auftragserteilung fand sich erstmals ein Hin-
weis darauf, dass die Beschaffung nach VOL erfolgt sei.
2. Im Fall einer Beschränkten Ausschreibung erfolgte die Öffnung der Angebote ohne
Begründung vor Ablauf der Angebotsfrist, obwohl noch nicht alle Bewerber ein An-
gebot abgegeben hatten.
(204) Aufgrund der hohen Fehlerquoten besonders im Bereich der VOL-Vergaben sollten
die Städte prüfen, inwieweit die Einrichtung einer zentralen Vergabestelle zu einer Verringe-
rung der festgestellten Mängel beitragen könnte. Ein erheblicher Vorteil einer solchen Stelle
ist die Bündelung des vorhandenen und des durch Schulungen zu vertiefenden Fachwissens
ausgewählter Mitarbeiter.
Sowohl bei der derzeitig bestehenden dezentralen Organisation der Beschaffung als auch bei
einer vom Landesrechnungshof favorisierten zentralen Organisation ist es dringend erforder-
lich, die Mitarbeiter, die mit Vergaben befasst sind, entsprechend zu schulen.
3.2 Einbeziehung Dritter in Vergabeverfahren
(205) Insbesondere im Bereich der Vergaben gemäß VOB/A haben die Städte wiederholt au-
ßen stehende Dritte, wie zum Beispiel Architektur- oder Ingenieurbüros, einbezogen, die sie
bei der Durchführung der Maßnahme beraten und unterstützen sollten.
93
Beispiele:
1. In einigen Fällen haben ohne entsprechende Ermächtigung Beauftragte von Inge-
nieurbüros an Eröffnungsterminen teilgenommen und sogar teilweise die Nieder-
schrift über die Öffnung der Angebote mit unterzeichnet.
2. In mehreren Fällen haben Ingenieurbüros die technische und rechnerische Richtig-
keit festgestellt, ohne dass dies von der Fachverwaltung überprüft wurde.
(206) Der Landesrechnungshof weist darauf hin, dass auch bei Einbeziehung privater Dritter
in das Vergabeverfahren ohne eine entsprechende Ermächtigung die Verantwortung gegen-
über den Bietern bei dem öffentlichen Auftraggeber verbleibt. Diese beschriebene und in der
Verwaltung allgemein übliche Vorgehensweise kann daher zu Schwierigkeiten führen, wenn
diese Dritten faktisch das Vergabeverfahren übernehmen. Verstöße von als Ansprechpartner
benannten Architektur- oder Ingenieurbüros im Vergabeverfahren können ohne entsprechende
Verpflichtung eines Dritten nach dem Verpflichtungsgesetz99 dazu führen, dass ein Vergabe-
verfahren aufgehoben werden muss. Die ist zum Beispiel der Fall, wenn nur einem Bewerber
auf dessen Nachfrage eine Auskunft erteilt worden ist, die für das Vergabeverfahren wesent-
lich war.
(207) Der öffentliche Auftraggeber muss auch die Leistungen seiner beauftragten Erfüllungs-
gehilfen überwachen, um über das gesamte Verfahren einen fairen Wettbewerb zu sichern.
3.3 Einhaltung der Maßgaben der Wertgrenzenerlasse
(208) Die Einhaltung der Vorgaben der jeweils geltenden Wertgrenzenerlasse ist bei deren
Anwendung Grundlage für die Begründung der Vergabeart und deshalb im Vergabevermerk
zu dokumentieren. Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, ist die Wahl einer anderen Ver-
gabeart als die der Öffentlichen Ausschreibung im Nachhinein als unzulässig zu bewerten.
Bei der Anwendung des Wertgrenzenerlasses ist ferner zu berücksichtigen, dass
• gemäß Nr. 3.1 bei Beschränkten Ausschreibungen und Freihändigen Vergaben ab ei-
nem Auftragswert von 25.000 Euro vor der Entscheidung über die Auftragsvergabe öf-
fentlich zu informieren und gemäß Nr. 3.2 nach der Zuschlagserteilung für die Dauer
von mindestens einem Monat ergänzend der Name des beauftragten Unternehmens zu
veröffentlichen sind,
99 Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz vom 2. März 1974(BGBl. I, S. 469, 547) i. d. F. des Gesetzes vom 15. August 1974 (BGBl. I, S. 1942).
94
• gemäß Nr. 5 der Erlass über die Zubenennung von Unternehmen aus Mecklen-
burg-Vorpommern durch die Auftragsberatungsstelle Mecklenburg-Vorpommern e. V.
bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nach der VOB/A und der VOL/A vom 20. Okto-
ber 2006 (Amtsblatt [AmtsBl. M-V], S. 837) anzuwenden ist,
• gemäß Nr. 6 des Wertgrenzenerlasses vom 7. Dezember 2010 bzw. Nr. 7 des Wert-
grenzenerlasses vom 30. Januar 2009 vom Bieter zur Angebotsabgabe eine Erklärung
darüber zu verlangen ist, ob sein Unternehmen ein mittleres, kleines bzw. Kleinstun-
ternehmen ist (sogenannte KMU-Erklärung).
Diese Vorschriften wurden in allen Fällen nicht vollständig beachtet.
Beispiel: Eine Stadt stellte fest, dass eine Einschaltung der Auftragsberatungsstelle nicht not-
wendig sei, da „genügend geeignete Fachfirmen bekannt“ seien.
Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Stadt damit den Zweck der Einschaltung dieser Stelle
verkennt. Ziel der Beteiligung ist es gerade, neben den bereits bekannten Firmen, mögliche
weitere potentielle Auftragnehmer zu vermitteln. Dies dient nicht zuletzt der Vermeidung ei-
ner Kartellbildung vor Ort oder einer ungerechtfertigten Bevorzugung bekannter Firmen.
4 Stellungnahmen der geprüften Städte
(209) Die betroffenen Städte haben die Hinweise des Landesrechnungshofes bereits im Zuge
des Prüfungsverfahrens aufgegriffen. Auch wurden die Empfehlungen teilweise bereits umge-
setzt und entsprechende – auch organisatorische – Maßnahmen getroffen, um Fehler bei der
Einhaltung der rechtlichen Maßgaben künftig zu vermeiden.
(210) In ihrer Stellungnahme zum Berichtsbeitrag wies die Stadt Parchim auf die „Unter-
scheidung zwischen Fehlern und Rechtsfehlern“ hin. Beispielsweise handele es sich bei der
Feststellung, dass die sogenannte KMU-Bescheinigung nicht in der Akte abgelegt wurde,
zweifelsfrei um einen Fehler. „Ein Rechtsfehler dahingehend, dass der jeweilige Bieter je-
doch nicht den Zuschlag hätte erhalten können, ergab sich daraus nicht.“
Der Stadt Parchim ist dahingehend zuzustimmen, dass nicht jeder im Zuge des Prüfungsver-
fahrens festgestellte (Form-)Fehler auch ein Rechtsfehler ist, der bei einer Vergabebeschwerde
zu einer Aufhebung der Vergabeentscheidung führen würde.
95
5 Folgerungen und Empfehlungen
(211) Der Landesrechnungshof muss davon ausgehen, dass viele Kommunen des Landes er-
hebliche Vollzugsdefizite im Bereich von Vergaben aufweisen. Er empfiehlt daher den
Rechtsaufsichtsbehörden sowie den gemäß KPG M-V zuständigen örtlichen und überörtlichen
Prüfungseinrichtungen, den Themenbereich des Vergaberechts verstärkt in den Fokus ihrer
Aufsichts- und Prüfungstätigkeit zu stellen.
(212) Der Landesrechnungshof empfiehlt allen Kommunen sowie den Landkreisen und dem
Innenministerium, im Rahmen derer Rechtsaufsichtspflicht, insbesondere zum Schutz der
Mitarbeiter, die mit Vergaben betraut sind, dafür Sorge tragen, dass Vergabeverfahren recht-
mäßig durchgeführt werden.
96
2 Prüfung der Hansestadt Rostock, Hilfen zur Erziehung
Die Hansestadt Rostock verausgabt jährlich rund 20 Mio. Euro netto (pro Jugendein-
wohner 2011: 669 Euro) für Leistungen der Hilfen zur Erziehung. Eine kontinuierliche
Optimierung der Leistungssteuerung ist unabdingbar. Bislang liegen der Hansestadt
Rostock keine ausreichenden Erkenntnisse vor, welche Leistungen von den freien Trä-
gern im Rahmen der Hilfen konkret erbracht werden. Dadurch kann die Hansestadt
Rostock nur erschwert Rückschlüsse ziehen, ob die vorgehaltenen Angebote den beste-
henden Bedarfen tatsächlich entsprechen. Die Hansestadt Rostock hat zudem im Be-
reich der Hilfen zur Erziehung kein wirksames Controlling eingerichtet. Sie kann daher
Auffälligkeiten aus Kennzahlen nicht feststellen, erforderliche vertiefte Untersuchungen
erfolgen nicht.
(213) Der Landesrechnungshof hat in der Hansestadt Rostock die Leistungen der Hilfen zur
Erziehung nach den §§ 27 bis 35 SGB VIII einschließlich der Hilfen für junge Volljährige
nach § 41 SGB VIII geprüft. Prüfungsschwerpunkt war, ob die Hansestadt Rostock die Ge-
währung dieser Hilfen ausreichend steuert. Der Landesrechnungshof hat hierbei sowohl die
strategische Steuerung als auch die Steuerung im Einzelfall untersucht.
1 Nettoausgaben Soziale Sicherung, Jugendhilfe und Hilfen zur Erziehung
(214) Die Hansestadt Rostock leistete in den Jahren 2008 bis 2011 für Hilfen zur Erziehung
nach den §§ 27 bis 35 SGB VIII und Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII jährli-
che Nettoausgaben (Ausgaben abzüglich Einnahmen) in Höhe von rund 20 Mio. Euro.
97
Abbildung 25: Nettoausgaben in den Jahren 2008-2011 in der Hansestadt Rostock, in Mio. Euro
Quelle: Hansestadt Rostock, Jahresrechnungen; eigene Berechnungen.
(215) Die Ausgaben für Leistungen der Hilfen zur Erziehung sind damit im Vergleich zu den
kontinuierlich steigenden Ausgaben im Einzelplan 4 relativ konstant geblieben. Ebenso ver-
hält es sich mit der Zahl der gewährten Hilfen. Hilfen sind dabei nicht Fallzahlen gleichzuset-
zen, da in einem Fall mehrere Hilfen gewährt werden können.
Abbildung 26: Entwicklung der Hilfen in den Jahren 2008-2011 in der Hansestadt Rostock
Quelle: Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kinder- und Jugendhilfestatistik, eigene Berechnungen.
(216) Leicht abweichend hat sich die Inanspruchnahme der Hilfen (Prozentsatz der Jugend-
einwohner von 0 bis unter 21 Jahren, die Hilfen zur Erziehung in Anspruch nehmen) entwi-
ckelt:
98
2008 2009 2010 2011
0
15
30
45
60
75
90
105
120
135
150
128,1135,4
142,6 144
50,1 52,1 50,4 52,9
21,8 22,4 19,5 20
Einzelplan 4 Soziale SicherungAbschnitt 45 Jugendhilf e nach dem SGB VIIIUnterabschnitte 455 Hilf e zur Erziehung (§§ 27 bis 35 SGB VIII) und 4561 Hilf en f ür junge Volljährige § 41 SGB VIII
in M
io.
Eu
ro
2008 2009 2010 2011
0
200
400
600
800
1.000
1.200
1.400
1.600
1.800
2.000
2.2001.998 1.953 1.964 2.000
1.738 1.698 1.714 1.750
260255 250 250
Hilf en insgesamt
Hilf en f ür unter 18-Jährige
Hilf en f ür junge Volljährige
Tabelle 19: Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung in der Hansestadt Rostock in den Jahren 2008-2011
2008 2009 2010 2011
Inanspruchnahme Jugendeinwohner (0 bis unter 21 Jahre)
6,4% 6,3% 6,4% 6,7%
davon:
Inanspruchnahme Kind und Jugendlicher(0 bis unter 18 Jahre)
7,6% 7,3% 7,2% 7,1%
Inanspruchnahme Junger Volljähriger(18 bis unter 21 Jahre)
3,0% 3,3% 3,8% 4,8%
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kinder- und Jugendhilfestatistik, Bevölkerungsstatistik; eigene Berechnungen
Obwohl sich die Anzahl der Hilfen insgesamt in der Hansestadt Rostock nahezu auf dem glei-
chen Niveau bewegte wie 2008, stieg deren Inanspruchnahme von 2008 bis 2011 von 6,4 Pro-
zent auf 6,7 Prozent leicht an. Dies ist durch den Rückgang der Jugendeinwohner insgesamt
bedingt.
Tabelle 20: Bevölkerungsentwicklung in der Hansestadt Rostock in den Jahren 2008-2011
2008 2009 2010 2011
Bevölkerung insgesamt 201.096 201.442 202.735 204.260
davon:
Jugendeinwohner (0 bis bis unter 21 Jahre)
31.311 30.881 30.506 29.897
Kind (0 bis unter 14 Jahre) 18.731 19.395 20.099 20.663
Jugendlicher (14 bis unter 18 Jahre)
4.035 3.785 3.833 4.015
Junger Volljähriger (hier: 18 bis unter 21 Jahre)
8.545 7.701 6.574 5.219
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Bevölkerungsstatistik; eigene Berechnungen.
Ebenfalls bedingt durch den Rückgang dieser Bevölkerungsgruppe, stieg auch bei den jungen
Volljährigen die Inanspruchnahme trotz leicht sinkender Hilfezahlen an. Dagegen ist die Inan-
spruchnahme bei der Altersgruppe der 0- bis unter 18-Jährigen durch steigende Kinderzahlen
leicht rückläufig, obwohl die Anzahl der Hilfen im Betrachtungszeitraum leicht zunahm.
(217) Bei der Bildung und Auswertung von Kennzahlen hat der Landesrechnungshof festge-
stellt, dass die Belastbarkeit der Kinder- und Jugendhilfestatistik nicht durchgehend sicherge-
stellt ist. Im Jahr 2009 hat die Hansestadt Rostock 131 Hilfen nach § 27 SGB VIII gemeldet.
In der Kinder- und Jugendhilfestatistik abgebildet wurden aber nur 13 Hilfen. Aufgefallen ist
dieses der Hansestadt Rostock nicht. Zudem kann nach einem Vergleich mit der Landeshaupt-
stadt Schwerin nicht ausgeschlossen werden, dass Daten abweichend voneinander gemeldet
werden. So meldet die Hansestadt Rostock die von Erziehungsberatungsstellen erbrachten
Hilfen selbst, während in Schwerin die Meldung durch die Erziehungsberatungsstellen erfolgt.
99
Ob und welche Daten durch diese gemeldet wurden, konnte nicht geklärt werden. Für inter-
kommunale Vergleiche ist eine einheitliche Datenbasis unumgänglich.
2 Kostensatzsteuerung
(218) Für stationäre Hilfen werden Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinba-
rungen nach den §§ 78a ff. SGB VIII und für ambulante Leistungen Kostenvereinbarungen
nach § 77 SGB VIII geschlossen. Sowohl bei den ambulanten als auch bei den stationären Hil-
fen war der Vertragsabschluss teilweise nicht mit vertretbarem Zeitaufwand prüfbar. Dies war
dadurch bedingt, dass die den Kosten zugrunde liegenden begründenden Unterlagen nicht ent-
sprechend zugeordnet waren.
(219) Beispielsweise war im Leistungsvertrag für eine Erziehungsberatungsstelle nach
§ 28 SGB VIII nicht eindeutig geregelt, welche Stelle in welchen Fällen für das Hilfeplanver-
fahren und die Leistungsbewilligung zuständig ist. Dies ist aber gerade auch in Hinblick dar-
auf erforderlich, dass das Hilfeplanverfahren das zentrale Steuerungsinstrument im Einzelfall
darstellt. In diesem Vertrag war nicht nachvollziehbar, warum ein bereits 2006 vereinbarter
Stundensatz beibehalten wurde, obwohl die Gesamtkosten gemäß einer Neukalkulation im
Jahr 2009 gesunken waren. Vom Träger anzufertigende Erfassungsbögen wurden nicht ausge-
wertet, obwohl sich hieraus wesentliche Steuerungsimpulse ergeben können. Gleiches gilt für
den ebenfalls anzufertigenden Jahresbericht. Im Vertrag mit einem anderen Träger wurde der
veranschlagte Leistungsumfang (Zahl der zu erbringenden Leistungsstunden) deutlich unter-
schritten. Dieses ist bei den von der Hansestadt Rostock ohnehin beabsichtigten Neuverhand-
lungen zu berücksichtigen. Zu diesem Vertrag lagen zum Zeitpunkt der örtlichen Erhebungen
ebenfalls keine Unterlagen vor, aus denen sich Rückschlüsse zum Erfolg der erbrachten Leis-
tungen oder zu möglichen Erstattungsansprüchen des Jugendamtes ziehen ließen.
(220) Zum Leistungsvertrag eines Trägers für Soziale Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII
waren begründende Unterlagen zu den einzelnen Positionen der Kostenkalkulation nicht mehr
auffindbar. Schon bei kursorischer Durchsicht der wenigen vorliegenden Übersichten ergaben
sich jedoch Auffälligkeiten, die dazu hätten führen müssen, die seit 2005 unverändert geregel-
te Finanzierung zu überprüfen. Die laut Vertrag zur Selbstevaluation dieses Trägers vorzule-
genden Unterlagen waren in der geprüften Akte nicht enthalten.
Bei einem anderen Träger war die praktizierte Rückzahlung nichtverbrauchter Mittel nicht in
die vertraglichen Regelungen aufgenommen worden. Angesichts sinkender Hilfezahlen bei
100
zugleich bestehenden Pauschalvergütungsregelungen sollte die Hansestadt Rostock die tat-
sächlich bestehenden Bedarfe zum Leistungsangebot bei der Sozialen Gruppenarbeit prüfen.
(221) Auch bei weiteren Leistungsverträgen konnten die vereinbarten Kostensätze nicht
nachvollzogen und festgestellte Unstimmigkeiten nicht aufgeklärt werden.
(222) Die kommunalen Spitzenverbänden haben auf Landesebene mit den Verbänden der
freien Jugendhilfe und den Vereinigungen sonstiger Leistungserbringer am 9. September 1999
den Rahmenvertrag Kinder- und Jugendhilfe geschlossen. Ausgehend von dessen Anlage 3
sollte über das Landesjugendamt eine landesumfassende Datenbank mit Angaben aus abge-
schlossenen Leistungs- und Entgeltvereinbarungen geschaffen werden. Dieses wurde aber
nicht umgesetzt. Die örtlichen Jugendämter recherchieren bei der Suche nach Hilfsangeboten
selbst bzw. im Austausch mit Nachbarkreisen. Der Landesrechnungshof hält eine landesweite
Datenbank für ein wichtiges Steuerungsinstrument. Der Aufbau einer solchen sollte daher
wieder aufgenommen werden.
(223) Zur Vorbereitung von Vertragsverhandlungen sollte die Hansestadt Rostock für den
Bereich der Sachkosten Finanzierungseckwerte erarbeiten. Damit kann im Rahmen der Ver-
handlungen über einzelne Kostenpositionen zeitnah beurteilt werden, ob es sich um notwendi-
ge und angemessene Aufwendungen handelt.
(224) Auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Feststellungen liegen die Stärken der
Hansestadt Rostock bei den Hilfen zur Erziehung im Bereich der strategischen Steuerung.
Dies betrifft den Abschluss von Leistungs-, Entgelt und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen
mit den Leistungserbringern. Die Hansestadt Rostock hat hier, insbesondere im ambulanten
Bereich, den Bereich der Vertragsverhandlungen bereits sukzessive überarbeitet und einheitli-
che Standards entwickelt. Dieser Prozess sollte unter Berücksichtigung der Feststellungen des
Landesrechnungshofes fortgeführt werden. Der Landesrechnungshof begrüßt zudem das Vor-
haben der Hansestadt Rostock, die Jugendhilfeplanung entsprechend den Vorgaben des von
ihr erarbeiteten „Rahmenkonzepts für eine integrierte Jugendhilfeplanung“ zu entwickeln.
3 Controlling
(225) Im Rahmen des Controllings beteiligt sich die Hansestadt Rostock an verschiedenen
Projekten. Bislang fehlt allerdings eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den ermittelten
Kennzahlen und deren Umsetzung in steuerungsrelevante Maßnahmen. Bei Erhebung und
Auswertung einer Vielzahl von Eckdaten lassen sich Auffälligkeiten erkennen, welche die
Hansestadt Rostock vertieft untersuchen sollte.
101
4 Organisation der Fallbearbeitung
(226) Die Wirtschaftliche Jugendhilfe, also die für die Erbringung finanzieller Leistungen
des Jugendamtes zuständige Stelle, ist gegenwärtig nicht kontinuierlich in den Prozess der
Hilfegewährung eingebunden. Dieses würde aber Abstimmungsprozesse erleichtern und ist er-
forderlich, um auch Kostenaspekte angemessen in Entscheidungen einfließen zu lassen.
(227) Die gegenwärtig von der Hansestadt Rostock für die Gewährung von Hilfen zur Erzie-
hung eingesetzte Software ermöglicht die Erstellung von Hilfeplänen nach § 36 SGB VIII. Bei
der Zielformulierung kann dabei allerdings nur auf bereits hinterlegte Ziele zurückgegriffen
werden. Eine Auswertung der Zielerreichung ist über das Programm nicht möglich. Gleiches
gilt für Auswertungsmöglichkeiten zu den Kosten der gewährten Hilfen.
(228) Das Wissens- und Fehlermanagement im Jugendamt sollte weiter ausgebaut werden.
5 Leitungsvorgaben
(229) Da das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales trotz der in
§ 24 Abs. 2 Landesjugendhilfeorganisationsgesetz geregelten Verpflichtung bislang keine
Verordnung zur Festsetzung des Barbetrages nach § 39 Abs. 2 SGB VIII erlassen hat, hat die
Hansestadt Rostock eigene Festlegungen getroffen. Sie hat sich hierbei weitgehend an die
Empfehlungen des Landesjugendamtes gehalten. Bei ihrer Festlegung sind ihr kleinere Re-
chenfehler unterlaufen. Zur Festsetzung monatlicher Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege
nach § 39 Abs. 4 SGB VIII hat das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales von
der Verordnungsermächtigung keinen Gebrauch gemacht. Zu möglichen Grundlagen für eine
Festsetzung hatte auch hier das Landesjugendamt einen Rundbrief veröffentlicht, in dem zwei
Möglichkeiten vorgeschlagen waren. Bei einer Orientierung an der anderen statt der bisher
herangezogenen könnte die Hansestadt Rostock Einsparungen erzielen. Die Hansestadt Ro-
stock sollte zudem zur Optimierung ihrer Vorgaben zur Übernahme von Beiträgen zu Unfall-
versicherung und Alterssicherung der Pflegepersonen diese klarstellen bzw. konkretisieren.
6 Einzelfallsachbearbeitung
(230) In der Einzelfallsachbearbeitung zeigte sich eine Reihe verschiedener Mängel. So war
nicht dokumentiert, aus welchen Gründen ein bestimmter freier Träger für eine Leistungser-
bringung ausgewählt wurde. In die Druckversion der nach § 36 Abs. 2 SGB VIII erstellten
Hilfepläne sollte ein Kostenplan aufgenommen werden, um einen Bezug zwischen der zu er-
bringenden Hilfe und den anfallenden Kosten herzustellen. Die in den Hilfeplänen enthaltenen
102
Ziele waren häufig nicht smart (spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch, terminiert) formu-
liert. Die Hilfepläne wurden in einigen Fällen nicht in dem in den amtsinternen Regelungen
festgelegten Zeitrahmen erstellt. Eine Evaluierung der Hilfepläne erfolgte nicht. Die Kontrol-
le, ob die erbrachten Leistungen wirksam sind, war unzureichend. Die Heranziehung kosten-
beitragspflichtiger Personen kann verbessert werden. Gründe, die zu Hilfeabbrüchen führen,
sollten genau evaluiert werden, um diese weitmöglichst zu vermeiden. Bei beendeten Fällen
sollten die Akten der Wirtschaftlichen Jugendhilfe mit Abschlussverfügungen versehen wer-
den, um insbesondere offen bleibende Kostenbeitragspflichten zu vermeiden.
(231) Die Hansestadt Rostock sollte die Personalbemessung und die konkreten Aufgabenzu-
weisungen im Jugendamt überprüfen. Teilweise waren in den geprüften Bereichen fehlende
personelle Ressourcen als Ursache für die Prüfungsfeststellungen benannt worden.
7 Stellungnahme der Hansestadt Rostock
(232) Die Hansestadt Rostock hat gegen die Feststellungen des Landesrechnungshofes keine
Einwendungen erhoben. Sie hat angekündigt, die Feststellungen zu den Potenzialen der Steue-
rung in der weiteren Planung und Durchführung der Prozesse im Bereich der Hilfen zu Erzie-
hung zu berücksichtigen.
(233) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
103
3 Prüfung der Landeshauptstadt Schwerin, Hilfen zur Erziehung
Die Nettoausgaben der Landeshauptstadt Schwerin für Leistungen der Hilfen zur Erzie-
hung sind von rund neun Mio. Euro im Jahr 2008 auf rund 13 Mio. Euro im Jahr 2011
(pro Jugendeinwohner 2011: 897 Euro) gestiegen. Eine Verbesserung der strategischen
Leistungssteuerung ist dringend erforderlich. Der Landeshauptstadt Schwerin liegen
keine ausreichenden Erkenntnisse vor, welche Leistungen von den freien Trägern im
Rahmen der Leistungserbringung konkret erbracht werden. Gravierende Mängel zeig-
ten sich im Bereich der Kostensatzsteuerung, deren Ziel es ist, sowohl unter qualitativen
als auch wirtschaftlichen Aspekten ein ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis zu er-
reichen. Die bestehenden Finanzierungsinstrumente bergen die Gefahr in sich, dass
falsche Anreize gesetzt werden. Die den Leistungsentgelten zugrunde liegenden Kalkula-
tionen waren vielfach nicht nachvollziehbar und teilweise fehlerbehaftet. Für die Aus-
handlung der Vereinbarungen mit den freien Trägern sollte eine mit betriebswirtschaft-
lichem und sozialpädagogischem Sachverstand ausgestattete Organisationseinheit ge-
schaffen werden.
Die Landeshauptstadt Schwerin hat zudem im Bereich der Hilfen zur Erziehung kein
wirksames Controlling eingerichtet. Sie kann daher Auffälligkeiten aus Kennzahlen
nicht feststellen, erforderliche vertiefte Untersuchungen erfolgen nicht. Eine Steuerung
der Hilfen zur Erziehung hin zu einer möglichst wirkungsvollen Leistungserbringung ist
damit erheblich erschwert bzw. unmöglich.
Bei Umsetzung des bereits von der Stadt erarbeiteten „Handlungskonzepts Controlling
im Amt für Jugend, Schule und Sport“ sind wesentliche Verbesserungen der Leistungs-
steuerung zu erwarten.
(234) Der Landesrechnungshof hat in der Landeshauptstadt Schwerin die Leistungen der Hil-
fen zur Erziehung nach den §§ 27 bis 35 SGB VIII einschließlich der Hilfen für junge Voll-
jährige nach § 41 SGB VIII geprüft. Prüfungsschwerpunkt war, ob die Landeshauptstadt
Schwerin die Gewährung dieser Hilfen ausreichend steuert. Der Landesrechnungshof hat hier-
bei sowohl die strategische Steuerung als auch die Steuerung im Einzelfall untersucht.
1 Nettoausgaben Soziale Sicherung, Jugendhilfe und Hilfen zur Erziehung
(235) Die jährlichen Nettoausgaben (Ausgaben abzüglich Einnahmen) der Landeshauptstadt
Schwerin für Hilfen zur Erziehung nach den §§ 27 bis 35 SGB VIII und Hilfen für junge Voll-
104
jährige nach § 41 SGB VIII sind von rund 9 Mio. Euro im Jahr 2008 bis zum Jahr 2011 konti-
nuierlich auf bis zu rund 13 Mio. Euro angestiegen.
Abbildung 27: Nettoausgaben in den Jahren 2008-2011 in der Landeshauptstadt Schwerin, in Mio. Euro
Quelle: Landeshauptstadt Schwerin, Jahresrechnungen; eigene Berechnungen.
(236) Der Anteil der Hilfe zur Erziehung an den Jugendhilfeausgaben insgesamt betrug 2008
rd. 81 Prozent und ist bis 2011 auf rd. 76 Prozent gesunken. Dagegen ist der Anteil der Hilfe
zur Erziehung an den Ausgaben des Einzelplans 4 von rd. 16 Prozent im Jahr 2008 auf rd.
20 Prozent in 2011 gestiegen.
(237) Die Anzahl der Hilfen insgesamt ist in der Landeshauptstadt Schwerin von 2008 zu
2009 um 25,1 Prozent gestiegen und blieb mit leichten Schwankungen bis 2011 nahezu kon-
stant. Hilfen sind dabei nicht Fallzahlen gleichzusetzen, da in einem Fall mehrere Hilfen ge-
währt werden können.
105
2008 2009 2010 2011
0
10
20
30
40
50
60
70
55,3
59,3
64,9 65,3
10,912,6
14,516,9
8,8 9,6 10,412,9
Einzelplan 4 Soziale SicherungAbschnitt 45 Jugendhilf e nach dem SGB VIIIUnterabschnitte 455 Hilf e zur Erziehung (§§ 27 bis 35 SGB VIII) und 4561 Hilf en f ür Junge Volljährige (§ 41 SGB VIII)in
Mio
. E
uro
Abbildung 28: Entwicklung der Hilfen insgesamt in den Jahren 2008-2011 in der Landeshauptstadt Schwerin
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kinder- und Jugendhilfestatistik, eigene Berechnungen
(238) Diese Entwicklung spiegelt sich bei der Inanspruchnahme der Hilfen (Prozentsatz der
Jugendeinwohner von 0 bis unter 21 Jahren, die Hilfen zur Erziehung in Anspruch nehmen)
insgesamt wider.
Tabelle 21: Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung in der Landeshauptstadt Schwerin in den Jah-ren 2008-2011
2008 2009 2010 2011
Inanspruchnahme Jugendeinwohner (0 bis unter 21 Jahre)
5,8% 7,5% 7,8% 7,8%
davon:
Inanspruchnahme Kind und Jugendlicher(0 bis unter 18 Jahre)
6,9% 8,7% 8,5% 8,3%
Inanspruchnahme Junger Volljähriger(18 bis unter 21 Jahre)
2,7% 3,5% 4,6% 5,1%
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kinder- und Jugendhilfestatistik, Bevölkerungsstatistik; eigene Berechnungen.
(239) Der leichte Rückgang der Inanspruchnahme bei der Altersgruppe unter 18 Jahren ab
2009 ist bedingt durch steigende Kinderzahlen bei relativ gleichbleibender Hilfezahl. Obwohl
sich die Anzahl der Hilfen für die jungen Volljährigen 2008 und 2011 nahezu auf gleichem
Niveau bewegte, verdoppelte sich die Inanspruchnahme von Hilfen für diese Altersgruppe von
2008 bis 2011. Bedingt wird diese Entwicklung durch den starken Bevölkerungsrückgang die-
ser Altersgruppe.
106
2008 2009 2010 2011
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1.000
1.100
1.200
901
1.127 1.141 1.125
794
1.009 1.016 1.016
107 118 125 109
Hilf en insgesamt
Hilf en f ür unter 18-Jährige
Hilf en f ür junge Volljährige
Tabelle 22: Bevölkerung in der Landeshauptstadt Schwerin 2008-2011
2008 2009 2010 2011
Bevölkerung insgesamt 95.551 95.041 95.220 95.300
davon:
Jugendeinwohner (0 bis unter 21 Jahre)
15.556 14.972 14.707 14.364
Kind(0 bis unter 14 Jahre)
9.355 9.613 9.930 10.097
Jugendlicher (14 bis unter 18 Jahre)
2.165 2.029 2.073 2.122
Junger Volljähriger (hier: 18 bis unter 21 Jahre)
4.036 3.330 2.704 2.145
Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Bevölkerungsstatistik; eigene Berechnungen.
(240) Bei der Auswertung und Bildung von Kennzahlen hat der Landesrechnungshof festge-
stellt, dass die Belastbarkeit der Kinder- und Jugendhilfestatistik nicht durchgehend sicherge-
stellt ist. Nach einem Vergleich mit der Hansestadt Rostock kann nicht ausgeschlossen wer-
den, dass Daten abweichend voneinander gemeldet werden. So meldet die Hansestadt Rostock
die von Erziehungsberatungsstellen erbrachten Hilfen selbst, während in Schwerin die Mel-
dung durch die Erziehungsberatungsstellen erfolgt. Ob und welche Daten durch diese gemel-
det wurden, konnte nicht geklärt werden. Für interkommunale Vergleiche ist eine einheitliche
Datenbasis unumgänglich.
2 Kostensatzsteuerung
(241) Für stationäre Hilfen werden Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinba-
rungen nach den §§ 78a ff. SGB VIII und für ambulante Leistungen Kostenvereinbarungen
nach § 77 SGB VIII geschlossen.
(242) Die Landeshauptstadt Schwerin fördert zudem präventive Angebote sowie Angebote
der Erziehungberatung (§ 28 SGB VIII) und der sozialen Gruppenarbeit (§ 29 SGB VIII) über
Zuwendungen. Die Leistungssteuerung ist dabei unzureichend. Insbesondere ergeben sich
vielfach weder aus den im Rahmen der örtlichen Erhebungen vorgelegten Akten noch aus den
Zuwendungsbescheiden Informationen bzw. Vorgaben, wie genau die geförderte Leistung
vom Träger erbracht werden soll. Dementsprechend erfolgt auch keine bzw. keine ausreichen-
de Evaluation der geförderten Angebote.
(243) Andere ambulante Angebote werden nach einer Rahmenvereinbarung über ein fach-
leistungsbezogenes Fallbudget finanziert. Bei der Prüfung der Kalkulation des Fachleistungs-
stundensatzes konnte dieser teilweise nicht nachvollzogen werden. Dieses hatte seinen Grund
darin, dass weder die Entgeltverhandlungen dokumentiert waren, noch begründende Unterla-
gen zu den von den freien Trägern geltend gemachten Kosten vorlagen. Letztlich erfolgte die
107
Vergütung von elf Trägern nach einem einheitlichen fachleistungsbezogenen Fallbudget auf
Grundlage dieser Kalkulation. Um einen Wettbewerb zu erzeugen, sollten aber jeweils einzel-
ne Vereinbarungen geschlossen werden. Für eine wirksame Steuerung sollten darin, anders als
bisher, insbesondere auch die Anzahl und Qualifikation des eingesetzten Personals sowie der
zur Leistungserbringung notwendige Personalschlüssel vertraglich geregelt sein. Die Landes-
hauptstadt Schwerin hat erkannt, dass Finanzierungsinstrumente direkten Einfluss auf die
Qualität der Hilfen zur Erziehung haben.
(244) Zu den Vertragsverhandlungen im stationären Bereich lagen zu von den freien Trägern
geltend gemachten Kostenpositionen ebenfalls vielfach nur unzureichende begründende Un-
terlagen vor. Bei der Ausweitung der Angebote der Erziehung in einer Tagesgruppe nach
§ 32 SGB VIII hat die Landeshauptstadt Schwerin den dem SGB VIII zugrunde liegenden
Wettbewerbsgedanken nicht hinreichend beachtet. Die Möglichkeit der Ausschreibung von
Leistungen bzw. Interessebekundungsverfahren wurde nicht genutzt. Die Berechnung des Ta-
gessatzes eines Angebotes der Heimerziehung nach § 34 SGB VIII für das Jugendamt war
fehlerhaft, da unzutreffende Belegungstage zugrunde gelegt wurden. Der Tagessatz hätte nied-
riger ausfallen müssen. In Unterlagen zu einer anderen Entgeltvereinbarung bestanden Wider-
sprüche bei dem der Kalkulation zugrunde gelegten Personal, die durch die vorgelegte Akte
nicht aufgeklärt werden konnten. Bei einem anderen freien Träger, der mehrere Angebote vor-
hält, wurden zum Teil einheitliche Kostensätze festgelegt, obwohl davon auszugehen ist, dass
die Kosten der einzelnen Angebote unterschiedlich sind. Bei wieder einem anderen Träger
war auffällig, dass sich der vereinbarte Tagespflegesatz von 2003 bis zum Zeitpunkt des Ab-
schlusses der örtlichen Erhebungen im Januar 2013 nicht mehr verändert hat.
Bei konsequenter Beachtung der einschlägigen Dienstanweisung hätte sich eine Vielzahl der
getroffenen Prüfungsfeststellungen erübrigt.
(245) Die kommunalen Spitzenverbänden haben auf Landesebene mit den Verbänden der
freien Jugendhilfe und den Vereinigungen sonstiger Leistungserbringer am 9. September 1999
den Rahmenvertrag Kinder- und Jugendhilfe geschlossen. Ausgehend von dessen Anlage 3
sollte über das Landesjugendamt eine landesumfassende Datenbank mit Angaben aus abge-
schlossenen Leistungs- und Entgeltvereinbarungen geschaffen werden. Dieses wurde aber
nicht umgesetzt. Die örtlichen Jugendämter recherchieren bei der Suche nach Hilfsangeboten
selbst bzw. im Austausch mit Nachbarkreisen. Der Landesrechnungshof hält eine landesweite
Datenbank für ein wichtiges Steuerungsinstrument. Der Aufbau einer solchen sollte daher
wieder aufgenommen werden.
108
(246) Zur Vorbereitung von Vertragsverhandlungen sollte die Landeshauptstadt Schwerin
für den Bereich der Sachkosten Finanzierungseckwerte erarbeiten. Damit kann im Rahmen
der Verhandlungen über einzelne Kostenpositionen zeitnah beurteilt werden, ob es sich um
notwendige und angemessene Aufwendungen handelt.
3 Controlling und Jugendhilfeplanung
(247) Derzeit besteht in der Landeshauptstadt Schwerin kein wirksames Controlling zur
Steuerung der Hilfen zur Erziehung. Erste Ansätze enthält zwar der „Entwicklungsbericht Hil-
fen zur Erziehung in der Landeshauptstadt Schwerin für den Zeitraum 2007 - 2010“, in dem
verschiedene Kennzahlen abgebildet sind. Es sollten aber weitere Kennzahlen in den Control-
lingprozess einbezogen werden. Insbesondere fehlt bislang auch eine Analyse der beendeten
Hilfen.
(248) Für eine umfassende Jugendhilfeplanung fehlt den bislang gefertigten Ausarbeitungen
in o. g. Entwicklungsbericht insbesondere die Bestandsfeststellung von Einrichtungen der ver-
schiedenen Träger der Jugendhilfe in der Landeshauptstadt Schwerin und die inhaltliche Aus-
einandersetzung darüber, ob die vorhandenen Angebote den Bedarf decken. Bei einer Einbin-
dung von Aussagen hierzu könnte daran anknüpfend auch eine zielgerichtete Steuerung über
eine am Bedarf orientierte Maßnahmeplanung erfolgen.
4 Organisation der Fallbearbeitung
(249) Die Wirtschaftliche Jugendhilfe (die für die Erbringung finanzieller Leistungen des Ju-
gendamtes zuständige Stelle) ist gegenwärtig nicht kontinuierlich in den Prozess der Hilfe-
gewährung eingebunden. Dieses würde aber Abstimmungsprozesse erleichtern und ist erfor-
derlich, um auch Kostenaspekte angemessen in Entscheidungen einfließen zu lassen. Die Be-
arbeitung der mit den freien Trägern auszuhandelnden Leistungsverträge wies erhebliche De-
fizite auf. Sie sollte in einem gemeinsamen Entgeltbereich für die Sozial- und Jugendhilfe
(einschließlich Kindertageseinrichtungen) zusammengefasst werden. Personell sollten sowohl
betriebswirtschaftliche als auch sozialpädagogische Aspekte abgedeckt sein.
(250) Die für die Gewährung von Hilfen zur Erziehung eingesetzte Software wird weder für
die Erhebung statistischer Daten noch für die Zahlbarmachung der Leistungen genutzt. Daher
können keine automatisierten Abfragen bzw. Auswertungen hinsichtlich der anfallenden Kos-
ten generiert werden. Für ein wirksames Controlling ist jedoch eine valide Datengrundlage un-
abdingbar.
109
(251) Ein kontinuierliches Fehlermanagement zur Steuerung der Hilfen zur Erziehung ist im
Jugendamt nicht implementiert.
5 Leitungsvorgaben
(252) Einige der im Bereich der Hilfen zur Erziehung geltenden Leitungsvorgaben sind be-
reits seit mehreren Jahren nicht aktualisiert worden und weichen zum Teil deutlich von aktu-
ellen Empfehlungen des Landesjugendamtes ab. Neben einigen Konkretisierungen ist eine
Überprüfung erforderlich, inwiefern diese Vorgaben einer Überarbeitung bedürfen.
6 Einzelfallsachbearbeitung
(253) Verbesserungspotenzial zeigte sich auch in der Einzelfallsachbearbeitung. So waren
bereits bei der Auswahl geeigneter Hilfearten spätere Leistungserbringer beteiligt. Dieses steht
nicht im Einklang mit der dem Jugendamt obliegenden Steuerungsverantwortung. Die Lan-
deshauptstadt Schwerin hat bereits eine Änderung angekündigt.
Weiter fehlte eine Dokumentation der Auswahlentscheidung für den mit der Leistungserbrin-
gung betrauten Träger. Die Hilfepläne waren nicht von allen Verfahrensbeteiligten unterzeich-
net. Dieses würde aber deren Verbindlichkeit und Akzeptanz erhöhen. Die Leistungsbescheide
waren nicht hinreichend präzisiert, insbesondere war der Umfang der bewilligten Hilfen nicht
ausgewiesen. Hierdurch ist eine Kontrolle der Leistungserbringung durch den Leistungsbe-
rechtigten erschwert. Bei der sozialpädagogischen Familienhilfe wurde auch nach mehrjähri-
ger Leistungserbringung nicht hinterfragt, ob der Zweck der Hilfegewährung noch erreicht
werden kann.
7 Stellungnahme der Landeshauptstadt Schwerin
(254) Die Landeshauptstadt Schwerin hat grundsätzlich keine Einwendungen gegenüber den
Feststellungen des Landesrechnungshofes erklärt. Sie hat mitgeteilt, Verbesserungen bereits
begonnen zu haben bzw. hat diese auch unter Hinweis auf ihr Handlungskonzept jedenfalls in
Aussicht gestellt. So hat sie den im Bereich der ambulanten Hilfen bislang geltenden Rahmen-
vertrag gekündigt. Auch für die präventiven Angebote werde die Leistungssteuerung verbes-
sert. Im Rahmen der Überarbeitung des Hilfeplanverfahrens nach § 36 SGB VIII sei vorgese-
hen, die Möglichkeiten des Softwareprogramms verstärkt zu nutzen, das vorgeschlagene Feh-
lermanagement zu verbessern und die Leitungsvorgaben zu aktualisieren. Die bei der Einzel-
fallsachbearbeitung dargestellten Verbesserungspotenziale seien erkannt worden und würden
ebenfalls Berücksichtigung finden. Für den Bereich der teilstationären und stationären Hilfen
110
werde geprüft, eine Organisationseinheit mit betriebswirtschaftlichen und sozialpädagogi-
schem Sachverstand zu schaffen. Eine externe Besetzung einer Stelle für Controlling sei be-
reits angestoßen. Eine stärkere Beteiligung der Wirtschaftlichen Jugendhilfe in den Prozessen
der Hilfegewährung sei mit den gegebenen personellen Ressourcen nicht leistbar.
(255) Der Landesrechnungshof begrüßt die bereits vorgenommenen Schritte zu einer verbes-
serten Leistungssteuerung und erwartet deren konsequente Fortführung. In Bezug auf die
Schaffung einer zentralen Organisationseinheit mit betriebswirtschaftlichem und sozialpäd-
agogischem Sachverstand merkt er an, dass diese nicht nur für den Bereich der teilstationären
und stationären Hilfen Einsatz finden sollte, sondern auch für den der ambulanten Hilfen. So-
weit die Landeshauptstadt Schwerin erklärt, dass bestimmte Maßnahmen mangels Personal
nicht umgesetzt würden, weist der Landesrechnungshof darauf hin, dass die Personalbemes-
sung nicht Gegenstand der Prüfung war. Die Landeshauptstadt Schwerin sollte die Vorschläge
des Landesrechnungshofes allerdings zum Anlass nehmen, um den Einsatz des vorhandenen
Personals und die konkrete Aufgabenzuteilung einer kritischen eigenen Prüfung zu unterzie-
hen, um dann ggf. erforderliche Maßnahmen durchzuführen.
(256) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
111
4 Planung und Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen an kommunalen Straßen (Landeshauptstadt Schwerin)
Inwieweit die von der Landeshauptstadt Schwerin zugewiesenen finanziellen Mittel für
die Wahrnehmung der Straßenerhaltungsaufgaben ausreichend sind, lässt sich nicht
feststellen. Um Aussagen zur Höhe der erforderlichen Haushaltsmittel treffen zu kön-
nen, müsste einerseits der Straßenzustand erfasst und bewertet sowie andererseits der
erforderliche Finanzbedarf für einen angestrebten Zielzustand ermittelt werden. Beides
ist nicht erfolgt.
(257) Der Landesrechnungshof prüfte, wie die Landeshauptstadt Schwerin die Erhaltung ih-
rer kommunalen Straßen in den Haushaltsjahren 2008 bis 2011 plante und umsetzte.
(258) Straßenerhaltung ist ein Sammelbegriff für Maßnahmen an Verkehrsflächen, die der
Substanzsicherung und der Wiederherstellung des Gebrauchswertes dienen.100 Hinsichtlich der
Definition der Straßenerhaltung siehe Tz. 176.
(259) Träger der Straßenbaulast ist die Landeshauptstadt Schwerin, vertreten durch das Amt
für Verkehrsmanagement (Amt 69). Die Landeshauptstadt Schwerin übertrug zum 1. Janu-
ar 2006 die Straßenerhaltungsarbeiten auf den Eigenbetrieb Stadtwirtschaftliche Dienstleistun-
gen Schwerin (SDS).
1 Erhaltungsmanagement
1.1 Wahrnehmung der Erhaltungsaufgaben durch die SDS
(260) Bei der Aufgabenübertragung auf die SDS hat die Landeshauptstadt Schwerin keine
klare Aufgabenabgrenzung vorgenommen. Da sie selbst die Aufgaben des Um-, Aus- und
Neubaus der kommunalen Straßen wahrnimmt, hätte sie die zur Erhaltung gehörenden Aufga-
ben (bauliche und betriebliche Unterhaltung, Instandsetzung und Erneuerung) auf die SDS
übertragen müssen. Aus keiner Unterlage geht hervor, wer die Aufgaben der Erneuerung
wahrnimmt.
Die SDS erhielten bei der Aufgabenübertragung von der Landeshauptstadt Schwerin keine ak-
tuelle Zustandserfassung und -bewertung der Straßen. Zudem legte die Landeshauptstadt
Schwerin nicht fest, in welchem Umfang und in welcher Qualität die Straßenerhaltungsarbei-
100 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen / Arbeitsausschuss (2003): Systematik der Straßener-haltung: Empfehlung für das Erhaltungsmanagement von Innerortsstraßen (E EMI), FGSV Verlag, Köln.
112
ten (Erhaltungsstandards) durchzuführen sind. Derartige Zielvorgaben sind für die Durchfüh-
rung eines Erhaltungsmanagements und einer Erfolgskontrolle unabdingbare Voraussetzung.
1.2 Straßenverzeichnis/Straßenbestandsdaten
(261) Nach § 8 Straßenverzeichnis-Verordnung101 hätte die Landeshauptstadt Schwerin ein
Straßen- und Brückenverzeichnis bis zum 1. Januar 1999 anlegen müssen. Gleichwohl verfügt
sie über kein vorschriftenkonformes Straßenverzeichnis. Über die bereits vorliegenden Eintra-
gungen hinaus hätten Widmungsinhalt/Widmungsbeschränkung, Bauwerke und ein Karten-
auszug mit Gemeinde- und sonstigen Straßen erfasst sein müssen.
Um ein Erhaltungsmanagement durchführen zu können, bedarf es darüber hinaus einer aktuel-
len Straßendatenbank. Die Landeshauptstadt Schwerin verfügt über keine vollständige Stra-
ßendatenbank. Für die Durchführung eines Erhaltungsmanagements ist es erforderlich, alle
Daten aus dem Straßenverzeichnis, alle neu hinzugekommenen Straßendaten und den voll-
ständigen Schichtenaufbau für alle Straßen zu erfassen.
Die Landeshauptstadt Schwerin konnte nicht abschließend klären, über wie viele Straßen und
Straßenkilometer sie verfügt und von der SDS zu unterhalten sind. Die hierzu vom Amt 69
gemachten Angaben waren widersprüchlich.
1.3 Zustandserfassung und -bewertung der Straßen
(262) Die Kenntnisse über den Straßenzustand und dessen Bewertung sind wesentliche Vor-
aussetzungen für ein Erhaltungsmanagement. Der Zustand der Straßen muss regelmäßig alle
drei bis fünf Jahre erfasst und mittels Zustandsnoten bewertet werden, um Aussagen über sei-
ne Entwicklung treffen zu können.
Die Landeshauptstadt Schwerin hat den SDS nicht vorgegeben, in welchem Rhythmus und
nach welchem Muster die Zustandserfassung und -bewertung der kommunalen Straßen erfol-
gen soll. Ebenso hat die SDS nicht festgelegt, mit welcher Systematik sie diese durchführen.
Begründende Unterlagen bezüglich der Zustandserfassungen und -bewertungen, die die Lan-
deshauptstadt Schwerin vor 2006 bzw. nach Aufgabenübertragung die SDS in 2006 vorge-
nommen haben, konnten nicht vorgelegt werden. Eine „Benotung“ von Straßenabschnitten
waren dem Straßenverzeichnis (zum Beispiel mit Stand 1998, Noten 1 bis 5) und der Straßen-
101 „Verordnung über die Straßenverzeichnisse für die öffentlichen Straßen nach dem Straßen- und Wegegesetzdes Landes Mecklenburg-Vorpommern (Straßenverzeichnis-Verordnung)“ vom 21. Juni 1995 (GVOBl. M-V,S. 339).
113
datenbank (zum Beispiel Stand Juni 2012, Noten 1 bis 4) zu entnehmen. Bei der Erfassung
und Bewertung der Straßen durch die SDS im Rahmen der Einführung der Doppik erfolgte
mit dem Ziel der Vermögensbewertung ebenfalls eine „Benotung“ (zum Beispiel Stand 2008,
Noten 1 bis 3). Allein die unterschiedlichen „Benotungssysteme“ lassen eine Auswertung und
Beurteilung der Entwicklung des Straßenzustandes nicht zu. Eine Zustandserfassung und -be-
wertung, auf deren Grundlage ein Erhaltungsmanagement erarbeitet werden kann, liegt folg-
lich nicht vor.
1.4 Bedarfsplanung/Erhaltungsprogramm
(263) Sowohl die Landeshauptstadt Schwerin als auch die SDS konnten weder eine Bedarfs-
planung (Bewertung der Befestigungssubstanz, Prognose der Zustandsentwicklung, Bewer-
tung von Erhaltungsstrategien und die Ermittlung optimierter Erhaltungsstrategien) noch ein
Erhaltungsprogramm (Festlegung von Erhaltungsmaßnahmen) vorlegen. Die zwei als Präsen-
tation erstellten „Straßenunterhaltungskonzepte“102 der SDS enthalten nicht die Informationen,
die für eine Bedarfsplanung und ein Erhaltungsprogramm notwendig wären.
Die „Straßenunterhaltungskonzepte“ weisen einen jährlichen „Bedarf“ von rd. 3,8 Mio. Euro
aus. Die SDS ermittelten den Bedarf nicht auf Grundlage einer Zustandserfassung und -bewer-
tung. Vielmehr errechneten sie diesen nach einer Methode der Forschungsgesellschaft für
Straßen- und Verkehrswesen (FGSV)103, indem sie eine Gesamtstraßenfläche104 von
ca. 3,5 Mio. m² mit einem „jährlichen durchschnittlichen Finanzbedarf“ von 1,10 Euro/m²
multiplizierten. Das Ergebnis ist in Frage zustellen. Die SDS hätten prüfen müssen, ob die
von der FGSV vorgegebenen Rahmenbedingungen gegeben und inwieweit Preissteigerungen
seit 2002, aber auch die höhere Mehrwertsteuer (statt 16 Prozent nunmehr 19 Prozent) zu be-
rücksichtigen waren. Zudem ist angesichts der unvollständigen Erfassung der Straßen105 frag-
lich, ob die zugrunde gelegte Gesamtstraßenfläche korrekt war.
Die SDS legten Maßnahmen nicht nach Prioritäten auf Basis einer Zustandserfassung und -be-
wertung fest. Vielmehr verteilten sie die zu erwartenden Haushaltsmittel nicht nachvollzieh-
bar auf einzelne Straßen bzw. Ortsteile, ohne konkrete Straßenbaumaßnahmen zu benennen.
102 Präsentationen „Straßenunterhaltungskonzept 2008 bis 2012“ vom 30. September 2009 und „Straßenunter-haltungskonzept 2011 bis 2014“ vom 30. August 2010.
103 „Merkblatt über den Finanzbedarf der Straßenerhaltung in den Gemeinden (Ausgabe 2004)“, herausgegebenvon der FGSV.
104 Gesamtstraßenlänge mal mittlere Breite von 10 m.105 Siehe Tz. 261.
114
Darüber hinaus war den geprüften Unterlagen zu entnehmen, dass die SDS die „Straßenunter-
haltungskonzepte“ nicht als Grundlage bei der Entscheidung verwendeten, an welchen Straßen
bzw. in welchen Ortsteilen Maßnahmen durchgeführt werden.
1.5 Anmeldung Mittelbedarf – Mittelbereitstellung
(264) Die SDS errechneten die Mittel, die je Haushaltsjahr für den Substanzerhalt der Stra-
ßen notwendig wären, nicht auf Grundlage der aus einem Erhaltungsprogramm abzuleitenden
Maßnahmen-/Prioritätenlisten, sondern orientierten sich vielmehr an den Zahlen des Vorjah-
res.
Die Frage, ob die bereitgestellten finanziellen Mittel ausreichend waren und sind, können we-
der die Landeshauptstadt Schwerin noch die SDS beantworten, da einerseits der erforderliche
Bedarf für einen konkreten Zielzustand nicht ermittelt und andererseits die Entwicklung des
Straßenzustandes nicht erfasst und bewertet wurde.
1.6 Schlussfolgerungen
(265) Um Aussagen zur Höhe der für die Wahrnehmung der Straßenerhaltungsaufgaben er-
forderlichen Mittel treffen zu können, ist einerseits der Straßenzustand zu erfassen und zu be-
werten sowie andererseits der erforderliche Finanzbedarf für einen angestrebten Zielzustand
zu ermitteln.
Die Landeshauptstadt Schwerin benötigt ein Erhaltungsmanagement, um einerseits ihren Auf-
gaben als Straßenbaulastträger gerecht zu werden und andererseits die zur Verfügung stehen-
den Mittel wirtschaftlich und sparsam einsetzen zu können. Hierzu müssen folgende „Vorleis-
tungen“ erbracht werden:
• klare Aufgabenabgrenzung zwischen Landeshauptstadt Schwerin und SDS; Übertra-
gung zum Beispiel sämtlicher Erhaltungsaufgaben (Unterhaltung, Instandsetzung und
Erneuerung) auf die SDS,
• Aufbau und Pflege einer Datenbank, in der das gesamte Straßennetz mit Bestands-
und Zustandsdaten abgebildet wird,
• Erfassung und Bewertung des Straßenzustandes sowie
• Festlegung eines Zielzustandes.
115
Erst wenn diese Aufgaben erledigt sind, kann als weiterer Schritt ein Erhaltungsprogramm mit
Prioritäten-/Maßnahmelisten (Straßenerhaltungskonzept) erarbeitet werden. Auf Grundlage
der konkreten Maßnahmeplanung kann der benötigte finanzielle Bedarf ermittelt werden.
Nach drei bis fünf Jahren ist nach demselben Maßstab der Zustand erneut zu erfassen und zu
bewerten sowie mit dem angestrebten Zielzustand abzugleichen. Erst damit lässt sich feststel-
len, ob die Höhe der für die Straßenerhaltungsmaßnahmen verwendeten Mittel richtig bemes-
sen wurde.
2 Durchführung der Erhaltungsmaßnahmen
(266) Die SDS führten Leistungen, zum Beispiel Schutzplanken/Leiteinrichtungen, bitumi-
nöser und herkömmlicher Straßenbau und Fahrbahnmarkierungen, nicht mit eigenen Kräften
durch. Für diese sog. Fremdleistungen schloss sie Rahmenverträge ab.
Bei den Ausschreibungen der Rahmenverträge „Bituminöser Straßenbau“ und „Herkömmli-
cher Straßenbau“ mit einem Wertumfang bis zu 800.000 Euro machten die Firmen Angebote
zwischen rd. 30 Prozent und 50 Prozent. Die SDS kamen ihrer Pflicht, unangemessen niedrige
Angebotspreise aufzuklären, jedoch nicht nach.
(267) In den Einzelabrufen der Leistungen gaben die SDS lediglich Termin sowie pauschal
Art der Arbeiten (zum Beispiel „Bituminöse Instandhaltung Werderstraße/Knaudtstraße“)
und Preis (zum Beispiel „ca. 8.000 Euro“) an. Dadurch, dass die SDS die Texte und Einheits-
preise aus dem Leistungsverzeichnis des jeweiligen Rahmenvertrages in den Einzelauftrag
nicht übernahmen sowie die auszuführende Menge nicht angaben, hatten die Auftragnehmer
einen großen Handlungsspielraum.
Aufmaße sind verbindliche Feststellungen zum Nachweis von Art und Umfang der Leistun-
gen und dienen als Abrechnungsgrundlage. Auftraggeber und -nehmer haben diese gemein-
sam zu erstellen. Die Aufmaßunterlagen werden durch Unterschrift zur Urkunde. Gleichwohl
erstellten lediglich die Auftragnehmer allein die Aufmaße und legten diese erst später der SDS
vor.
Die SDS nahmen damit Manipulationmöglichkeiten in Kauf.
(268) Die Landeshauptstadt Schwerin und die SDS werden prüfen müssen, warum in der
Baudurchführung so gravierende Mängel auftraten. Durch geeignete Mittel sind diese künftig
auszuschließen.
116
(269) Das Innenministerium sowie die Landeshauptstadt Schwerin haben im Rahmen der
Beteiligung zum Jahresberichtsentwurf keine Stellung genommen.
(270) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
117
5 Planung und Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen an kommunalen Straßen (Landkreis Rostock)
Die im Haushaltsjahr 2012 bereitgestellten rd. 3,25 Mio. Euro für die Erhaltung der
Kreisstraßen sind nicht auskömmlich. Vielmehr wären jährlich ca. 7,8 Mio. Euro not-
wendig. Diese Unterfinanzierung führt zu einem stetigen Werteverzehr und wird den
technischen und finanziellen Erhaltungsaufwand in der Zukunft steigern. Nur durch ein
ausfinanziertes Erhaltungsmanagement kann der Landkreis dem wirksam entgegenwir-
ken.
(271) Der Landesrechnungshof prüfte, wie der Landkreis Rostock bzw. die ehemaligen
Landkreise Güstrow und Bad Doberan die Erhaltung ihrer kommunalen Straßen in den Haus-
haltsjahren 2008 bis 2012 planten und umsetzten.
(272) Straßenerhaltung ist ein Sammelbegriff für Maßnahmen an Verkehrsflächen, die der
Substanzsicherung und der Wiederherstellung des Gebrauchswertes dienen.106 Hinsichtlich der
Definition der Straßenerhaltung siehe Tz. 176.
(273) Träger der Straßenbaulast ist der Landkreis Rostock, vertreten durch das Amt für Stra-
ßenbau und Verkehr. Der Landkreis Rostock wurde mit der Kreisgebietsreform107 mit Wir-
kung zum 4. September 2011 aus den Landkreisen Güstrow und Bad Doberan gebildet.
Mit Stand 1. Januar 2012 befinden sich in der Straßenbaulast u. a.:
Tabelle 23: Baulast Landkreis Rostock, unterteilt nach den ehemaligen Kreisgebieten Güstrow und Bad Doberan
Landkreis Güstrow Landkreis Bad Doberan
409 km Kreisstraßen 208 km Kreisstraßen
8 km Radwege 48 km Radwege
21.776 Bäume 10.786 Bäume
26 Brücken 12 Brücken
Quelle: Landkreis Rostock; eigene Berechnungen.
1 Aufgabenwahrnehmung
(274) Die beiden Landkreise Güstrow und Bad Doberan nahmen die Erhaltungsaufgaben
(bauliche und betriebliche Unterhaltung, Instandsetzung und Erneuerung) unterschiedlich
wahr.
106 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen / Arbeitsausschuss (2003): Systematik der Straßener-haltung: Empfehlung für das Erhaltungsmanagement von Innerortsstraßen (E EMI), FGSV Verlag, Köln.
107 Gesetz zur Schaffung der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreis-strukturgesetz) vom 12. Juli 2010 (GVOBl. M-V, S. 366).
118
Der Landkreis Güstrow ließ die bauliche und betriebliche Unterhaltung durch die Kreis-
straßenmeistereien in Güstrow und Teterow durchführen. Instandsetzung- und Erneuerungsar-
beiten schrieb der Landkreis Güstrow in den Haushaltsjahren 2008 bis 2011 aus. Die Maßnah-
mendurchführung überwachten die Kreisstraßenmeistereien.
Im Landkreis Bad Doberan führte auf Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung108 das Stra-
ßenbauamt des Landes (Güstrow) mit dem Personal und dem Fahrzeug- und Gerätepark seiner
Straßenmeistereien (Kröpelin und Pastow) die bauliche und betriebliche Unterhaltung durch.
Die Leistungen der Instandsetzung schrieb das Straßenbauamt des Landes im Auftrag des
Landkreises aus und vergab diese an Dritte. Die Leistungen der Erneuerung schrieb der Land-
kreis in eigener Regie aus.
Die unterschiedlichen Formen der Aufgabenwahrnehmung für die bauliche und betriebliche
Unterhaltung (auf dem Gebiet des Landkreises Güstrow durch zwei Kreisstraßenmeistereien
und auf dem Gebiet des Landkreises Bad Doberan durch zwei Straßenmeistereien des Landes)
werden auch nach der Kreisgebietsreform unverändert fortgeführt. Der Landkreis Rostock hat
bisher nicht entschieden, ob die geteilte Form der Aufgabenwahrnehmung dauerhaft fortge-
führt werden oder ob eines der beiden Systeme für den gesamten Landkreis Anwendung fin-
den soll.
(275) Der Landrechnungshof hält eine zeitnahe Entscheidung für erforderlich, um eine wirt-
schaftliche und planbare Arbeitsweise zu gewährleisten.
2 Straßendatenbank
(276) Eine aktuelle Straßendatenbank ist für ein Erhaltungsmanagement unerlässlich.
(277) Der Landkreis Rostock verfügt über keine vollständige Straßendatenbank.
Ein Ingenieurbüro erstellte in 1998/99 eine Straßendatenbank für den Landkreis Güstrow. Der
Landkreis aktualisierte diese Unterlagen aber nicht.
Erstmals 1996 erstellte ein beauftragtes Ingenieurbüro eine Straßendatenbank für den Land-
kreis Bad Doberan. Diese wird jährlich für die Straßenabschnitte, an denen Instandsetzung/Er-
neuerung oder Um- und Ausbau stattfanden, aktualisiert.
108 Der Landkreis Bad Doberan schloss mit dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr Ende 1998 eine „Ver-waltungsvereinbarung zur Unterhaltung und Instandsetzung von Kreisstraßen für die Jahre 2000 bis 2004“ ab.
119
(278) Der Landkreis Rostock sollte zeitnah eine Datenbank einrichten, in die
• alle bereits in den Straßendatenbanken der beiden ehemaligen Landkreise vorhande-
nen Daten einfließen,
• die noch fehlenden Daten (wie Herstellungsjahr, Schichtenaufbau, Verkehrszahlen)
aufgenommen werden und
• die Daten aus Zustandserfassungen nachgetragen werden.
3 Zustandserfassung und -bewertung
(279) Die Kenntnisse über den Straßenzustand und dessen Bewertung sind ebenfalls wesent-
liche Voraussetzungen für ein Erhaltungsmanagement. Der Zustand der Straßen muss regel-
mäßig alle drei bis fünf Jahre erfasst und mittels Zustandsnoten bewertet werden, um Aussa-
gen über seine Entwicklung treffen zu können.
(280) Erstmalig und ausschließlich in Vorbereitung der Einführung der doppischen Haus-
haltsführung erfassten Mitarbeiter der beiden Landkreise Güstrow und Bad Doberan 2008 bis
2011 sämtliche Kreisstraßen. Vor Ort trugen sie die Ergebnisse in Feldkarten ein und ermittel-
ten anschließend auf den vorgegebenen Formblättern die Zustandskennziffern. Das Ergebnis
der Zustandsbewertung der Straßen auf Grundlage einer vom beratenden Ingenieurbüro er-
stellten Werteermittlung sieht wie folgt aus:
Tabelle 24: Zustandsnoten Landkreis Rostock zur Eröffnungsbilanz 2012, unterteilt nach Kreisgebie-ten Güstrow und Bad Doberan
ZustandsnotenLandkreis Güstrow Landkreis Bad Doberan
Länge in km Anteil in Prozent Länge in km Anteil in Prozent
I 56,454 13,81 11,407 5,48
II 47,889 11,71 67,982 32,66
III 85,669 20,95 74,913 35,99
IV 218,824 53,53 53,848 25,87
Summe: 408,836 100,00 208,150 100,00
Quelle: Landkreis Rostock, eigene Berechnungen.
(281) Die Zustandserfassungen und -bewertungen sollten zukünftig nicht nur mit dem Ziel
durchgeführt werden, das Anlagevermögen zu ermitteln, sondern auch, um ein Erhaltungsma-
nagement durchführen zu können. Um Aussagen über die Entwicklung des Straßenzustandes
treffen zu können, sollten künftig im Rahmen eines systematischen Erhaltungsmanagements
die Zustandserfassungen periodisch durchgeführt werden. Die nächste einheitliche Erfassung
sollte 2015/16 erfolgen. Sie kann visuell und in Eigenregie durchgeführt werden.
120
4 Bedarfsplanung
(282) Im Rahmen des Erhaltungsmanagements folgt aufbauend auf der Zustandserfassung
und -bewertung die Erstellung einer Bedarfsplanung und eines Erhaltungsprogramms.
(283) Eine derartige Bedarfsplanung haben weder die beiden Landkreise Güstrow und Bad
Doberan noch der Landkreis Rostock erstellt.
Der Landkreis Güstrow hat zwar in 2008 eine Übersicht über die erforderlichen Instandset-
zungs- und Erneuerungsmaßnahmen erstellt. Allerdings ist diese Übersicht seitdem weder ak-
tualisiert worden noch finden sich die Maßnahmen in den Jahresarbeitsplänen der beiden
Kreisstraßenmeistereien wieder. Der Landkreis Bad Doberan wiederum hat jährlich die In-
standsetzungs- und Erneuerungsmaßnahmen durchgeführt, die jeweils zu Beginn eines Haus-
haltsjahres in Abstimmung mit dem Straßenbauamt des Landes (Güstrow) als notwendig er-
achtet wurden. Die Bedarfe wurden allerdings nicht auf Grundlage einer Zustandserfassung
und -bewertung ermittelt.
(284) Ziel muss sein, für den Landkreis Rostock ein Erhaltungsprogramm zu erstellen. Hier-
zu ist es zuvor erforderlich, nach einer Zustandserfassung und -bewertung den Bemessungszu-
stand festzulegen, eine Zustandsprognose zu erstellen, sinnvolle bautechnische Maßnahmen
den gebildeten Abschnitten zuzuordnen und eine Nutzen-Kosten-Ermittlung durchzuführen.
5 Haushalt
(285) Die Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ (sog. Daehre-Kom-
mission)109 weist in ihrem Bericht vom Dezember 2012 Kosten für die Erhaltung der Bundes-
straßen in Höhe von 3,85 Euro/m2 und für die Landesstraßen in Höhe von 2,10 Euro/m2 aus.110
Für die Kreisstraßen konnten im Bericht auf Grund fehlender Angaben keine Beträge genannt
werden.111 Ausgehend von einem ähnlich hohen Erhaltungsaufwand für Kreisstraßen wie für
Landesstraßen und von einer mittleren Breite von 6 m würden sich erforderliche jährliche Er-
haltungskosten in Höhe von 12.600 Euro/km ergeben.
(286) In den Haushaltsjahren 2008 bis 2011 standen für die Erhaltung der Kreisstraßen dem
Landkreis Güstrow durchschnittlich 4.843,49 Euro/km112 bzw. dem Landkreis Bad Doberan
109 Die Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, sog. „Daehre-Kommision“ wurde durchBeschluss der Verkehrsministerkonferenz vom 1. Dezember 2011 mit dem Ziel, Vorschläge für eine zukünfti-ge Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur auf der Ebene von Bund, Ländern und Kommunen zu unterbreiten,eingesetzt.
110 Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ vom Dezember 2012, S. 19.111 Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ vom Dezember 2012, S. 18.112 bauliche/betriebliche Unterhaltung: 4.393,90 Euro/km + Instandsetzung/Erneuerung: 449,49 Euro/km.
121
5.686,88 Euro/km113 zur Verfügung. Im Haushaltsjahr 2012 veranschlagte der Landkreis Ro-
stock 3.241.500 Euro für die Erhaltung der Kreisstraßen. Dies entspricht 5.254,07 Euro/km.
(287) Um die Lebensdauer der Straßen optimal und somit das Anlagevermögen nachhaltig
und wirtschaftlich nutzen zu können, müssen Mittel für die Straßenerhaltung bedarfsgerecht
bereitgestellt werden.
Gemessen an den erforderlichen Erhaltungsmitteln in Höhe von 12.600 Euro/km sind für die
Erhaltung der 616,950 km Kreisstraßen im Haushaltsjahr 2012 rd. 4,6 Mio. Euro zu wenig
veranschlagt worden. Der Landkreis Rostock wird zukünftig für die Erhaltung der Kreisstra-
ßen (bauliche und betriebliche Unterhaltung sowie Instandsetzung und Erneuerung) jährlich
ca. 7,8 Mio. Euro einplanen müssen, um einem schneller werdenden Werteverlust entgegen-
zuwirken. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Nachholbedarf in diesem Betrag nicht ein-
gerechnet ist. Je später der jetzt „fehlende“ jährliche Betrag bereitgestellt wird, desto mehr
Mittel zur Erhaltung der Kreisstraßen werden in den künftigen Haushaltsjahren erforderlich
sein.
(288) Die Stellungnahme des Landkreises Rostock wurde bei der Erstellung des Jahresbe-
richtes berücksichtigt, das Innenministerium hat keine Stellungnahme abgegeben.
(289) Das Prüfungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
113 bauliche/betriebliche Unterhaltung: 3.866,08 Euro/km + Instandsetzung/Erneuerung: 1.820,80 Euro/km.
122
V. Prüfung kommunaler Beteiligungen
1 Wirtschaftliche Verknüpfungen und Interessenkollisionen bei Mitgliedern von Aufsichtsorganen kommunaler Unternehmen
Wirtschaftliche Verknüpfungen zwischen kommunalen Wirtschaftsbetrieben und Mit-
gliedern ihrer Aufsichtsorgane können Interessenkollisionen hervorrufen. Besteht eine
Interessenkollision, so kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Mitglied
des Aufsichtsorgans seine Überwachungs- und Beratungspflichten gegenüber der Ge-
schäftsführung unabhängig und pflichtgemäß wahrnimmt. Die von den Mitgliedern der
Aufsichtsorgane kommunaler Unternehmen abzugebenden Erklärungen zu vertragli-
chen Beziehungen mit den Unternehmen brachten erneut Interessenkonflikte zu Tage.
(290) Dem Landesrechnungshof obliegt die Aufgabe, die von den Abschlussprüfern verfass-
ten Berichte über die Jahresabschlussprüfung kommunaler Wirtschaftsbetriebe zu prüfen. Die
jährliche Prüfungspflicht und das Verfahren zur Jahresabschlussprüfung sind in Abschnitt III
KPG M-V geregelt. Der Landesrechnungshof gibt den Abschlussprüfern spezielle Prüfungs-
schwerpunkte vor, die er neben zukunftsorientierten Grundsätzen, Standards, Regelungen und
Hinweisen regelmäßig in Rundschreiben veröffentlicht und in seinem Grundwerk zusammen-
fasst.
(291) Zu Schwerpunkten der Jahresabschlussprüfung hatte der Landesrechnungshof seit
2008 die Geschäfte kommunaler Unternehmen mit Aufsichtsratsmitgliedern, Mitgliedern der
Kommunalvertretung und sonstigen der Gesellschaft nahestehenden Personen sowie die Ein-
haltung vergaberechtlicher Bestimmungen erklärt. Der Landesrechnungshof erwartet von den
Aufsichtsorganen kommunaler Unternehmen, dass sie ihre Überwachungs- und Beratungs-
pflicht gegenüber der Geschäftsführung unabhängig und pflichtgemäß wahrnehmen. In Fällen,
in denen Mitglieder von Aufsichtsgremien geschäftliche Beziehungen zu dem prüfungspflich-
tigen Unternehmen unterhalten, die über die Lieferung von Trinkwasser oder anderen Leistun-
gen der Daseinsvorsorge hinaus gehen, kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass sie
ihre Überwachungs- und Beratungspflichten unabhängig und pflichtgemäß wahrnehmen. In-
teressenkollisionen können auftreten, wenn das Unternehmen über seine gewöhnliche Ge-
schäftstätigkeit im Bereich der Daseinsvorsorge hinaus mit einem Mitglied des Aufsichtsrats
Verträge über Ein- oder Verkauf von Leistungen oder Gütern schließt, beispielsweise wenn
ein kommunales Wohnungsunternehmen Immobilien an Mitglieder des Aufsichtsrats veräu-
123
ßert. Um mögliche Verflechtungen aufzuzeigen, erwartet der Landesrechnungshof, dass die
Geschäftsführung von den Mitgliedern des Aufsichtsrats jährlich zum 1. Januar die Abgabe
einer Erklärung zu den geschäftlichen Beziehungen einholt. Vorstehendes gilt entsprechend
für die Mitglieder der Aufsichtsorgane der Zweckverbände und Eigenbetriebe (Grundwerk,
Stand: 24. Juni 2013, Abschnitt A Ziffer 26).
1 Feststellungen des Landesrechnungshofes
(292) Bei Auswertung der Erklärungen von Mitgliedern der Aufsichtsorgane bzw. -gremien
kommunaler Unternehmen hat der Landesrechnungshof in verschiedenen Fällen wirtschaftli-
che Verflechtungen zwischen Mitglied und Unternehmen und hieraus resultierende Interessen-
konflikte aufgedeckt. Der Landesrechnungshof verweist im Einzelnen auf die nachfolgenden
Tzn. 294 bis 313. Dabei zeigt er zunächst die Entwicklung der schon im Kommunal-
finanzbericht 2012 unter Tzn. 312 bis 326 dargestellten Sachverhalte auf. Anschließend wer-
den beispielhaft zwei weitere Fälle geschildert, die signifikante wirtschaftliche Verflechtun-
gen aufweisen.
2 Wirkung
(293) Der Landesrechnungshof hat mit den Erklärungen zu den vertraglichen Beziehungen
zwischen Mitgliedern der Aufsichtsorgane und den kommunalen Unternehmen gute Erfahrun-
gen gemacht. Die Erklärungen sind ein wirksames Instrument zur Vermeidung, Aufdeckung
und Beseitigung von Interessenkollisionen. In mehreren Fällen wurden die wirtschaftlichen
Verflechtungen zwischen einem Mitglied des Aufsichtsorgans und dem kommunalen Unter-
nehmen bereits abgestellt. In Einzelfällen waren das kommunale Unternehmen und das Mit-
glied des Aufsichtsorgans jedoch nicht bereit, den Interessenkonflikt aufzulösen.114
3 Aufträge einer kommunalen Wohnungsgesellschaft für den Sohn des Aufsichtsratvorsitzenden
(294) Ein Interessenkonflikt besteht auch dann, wenn das kommunale Unternehmen regel-
mäßig mit dem Betrieb des Sohnes des Aufsichtsratsvorsitzenden Geschäftsbeziehungen un-
terhält. Das hat auch der Abschlussprüfer in seinem Jahresabschlussprüfungsbericht festge-
stellt. Über diesen Fall hat der Landesrechnungshof bereits im Kommunalfinanzbericht 2012
berichtet.115 Dennoch wurden weder die Geschäftsbeziehungen beendet noch hat der Auf-
114 Vgl. Tzn. 294 bis 308.115 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012
(Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012, S. 111-112.
124
sichtsratsvorsitzende sein Mandat niedergelegt. Die Geschäftsführung sieht in der Unabhän-
gigkeitsproblematik ein „leidiges Thema, das endlich ein Ende finden soll“.
(295) In der Erklärung zu den Geschäftsbeziehungen mit Aufsichtsratsmitgliedern für das
Geschäftsjahr 2010 hatte der Aufsichtsratsvorsitzende eines kommunalen Wohnungswirt-
schaftsunternehmens angegeben, dass der Elektrobetrieb seines Sohnes laufend kleinere Ge-
schäfte mit einem Volumen von insgesamt 26.318 Euro ausgeführt habe. Die Leistungen wur-
den in der Erklärung unzutreffend als geschäftliche Beziehungen im Rahmen der gewöhnli-
chen Geschäftstätigkeit (Lieferungen und Leistungen der Daseinsvorsorge) gekennzeichnet.
Der Abschlussprüfer stellte in seinem Bericht über die Jahresabschlussprüfung zum 31. De-
zember 2010 fest: „Interessenkonflikte lagen, bis auf Tätigkeiten des Sohnes des Aufsichts-
ratsvorsitzenden und zweier weiterer Aufsichtsratsmitglieder, die (als unbedeutend anzuse-
hende) Leistungen an die Gesellschaft erbracht haben, gemäß Befragung nicht vor. Die er-
brachten Leistungen waren geringfügig und wurden nach den Vergabevorschriften vor Auf-
tragsvergabe beurteilt und sind im Überwachungsorgan offen gelegt worden.“ Im Übrigen er-
teilte der Abschlussprüfer einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk.
(296) Am 30. Juli 2012 ist der Bericht über die Jahresabschlussprüfung zum 31. Dezember
2011 mit den Erklärungen bezüglich Geschäftsbeziehungen mit Aufsichtsratsmitgliedern für
das Geschäftsjahr 2011 eingegangen. Gleichzeitig übersandte der Abschlussprüfer einen Son-
derbericht zu diesen Tätigkeiten.
Der Aufsichtsratsvorsitzende gab an, dass sein Sohn (Elektrobetrieb) in 2011 Umsätze in
Höhe von netto 17.616 Euro (Vorjahr: 26.318 Euro) ausgeführt habe. Der Abschlussprüfer er-
läuterte in seinem Sonderbericht, dass für 11.125 Euro dieser Umsätze ein ordnungsgemäßes
Ausschreibungsverfahren durchgeführt worden sei. Die Auswahl der Firma des Sohnes hin-
sichtlich der verbleibenden Aufträge (viele Klein- und Kleinstrechnungen von insgesamt rd.
6.500 Euro) sei unter sachlichen (niedriger Zeitaufwand durch Kenntnis der Objekte) und
preislichen (sehr niedriger Stundensatz) Gesichtspunkten nach Auffassung des Abschlussprü-
fers nicht zu beanstanden. Die Bezeichnung „Dauerbeauftragung“ träfe insoweit zu. Eine Un-
abhängigkeitsproblematik dürfe auch aufgrund des geringen Anteils der mit der Gesellschaft
erzielten Umsätze am Gesamtumsatz des Elektrobetriebs nicht gegeben sein.
(297) Ein Aufsichtsratsmitglied gab an, Dachdeckarbeiten in Höhe von netto 5.537 Euro
(Vorjahr 2.379 Euro) ausgeführt zu haben. Auch in diesem Falle sah der Abschlussprüfer we-
gen des Umfangs keine Unabhängigkeitsproblematik.
125
In seinem Bericht über die Jahresabschlussprüfung zum 31. Dezember 2011 führte der Ab-
schlussprüfer hierzu aus: „Interessenkonflikte lagen, bis auf Tätigkeiten des Sohnes des Auf-
sichtsratsvorsitzenden gemäß Befragung nicht vor.“ Im Übrigen erteilte der Abschlussprüfer
einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk.
(298) Am 9. Oktober 2012 gab der Landesrechnungshof den Bericht über die Prüfung des
Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2011 – wie im Geschäftsjahr zuvor – unter Zurückstel-
lung von Bedenken nach § 14 Abs. 4 KPG M-V frei. Dabei stellte er fest, wenn Aufsichtsrats-
mitglieder oder deren enge Verwandte in nicht unbeträchtlichem Umfang durch Verträge mit
der Gesellschaft, deren Geschäftsführung sie überwachen und kontrollieren sollen, Umsätze
erzielen, eine unwiderlegbare Vermutung dafür bestehe, dass sie ihre Aufgabe als Aufsichtsrat
nicht mit der gebotenen Unabhängigkeit und Objektivität ausüben können. Von Geschäften
mit Aufsichtsratsmitgliedern solle künftig Abstand genommen oder das Mandat niedergelegt
werden. Der Folgebericht solle zu den eingeleiteten Maßnahmen entsprechende Ausführungen
enthalten.
(299) Mit Schreiben vom 13. November 2012 bezog das Wohnungsunternehmen Stellung.
Unter Beifügung von Buchungslisten stellte die Geschäftsführerin klar, dass neben der Elek-
trofirma des Sohnes des Aufsichtsratsvorsitzenden auch eine Fremdfirma Aufträge für Elek-
troarbeiten in Höhe von netto 4.419 Euro erhalten habe. Auch Dachdeckarbeiten (net-
to: 13.778 Euro) habe das Unternehmen an eine Firma vergeben, die nicht mit einem Auf-
sichtsratsmitglied verbunden sei. Sie stellte die Frage, „ob eine ebenfalls ortsansässige Firma
aufgrund der Anmerkungen des Landesrechnungshofes jetzt nicht mehr am Wettbewerb betei-
ligt werden sollte, wo ohnehin hier jeder Handwerker schwer zu kämpfen hat, um am Markt
zu bestehen?“ Sie sei froh, dass sie solche kompetenten Mitglieder im Aufsichtsrat habe, die
ihr stets in fachlichen Fragen kostenlos behilflich seien. Sie hoffe, dass mit diesen Informatio-
nen „dieses leidige Thema endlich ein Ende findet“.
(300) Die Geschäftsführerin verteidigt danach mit Nachdruck ihre Praxis, in erheblichem
Umfang Aufträge an Aufsichtsratsmitglieder und deren nahe Verwandte zu vergeben. Sie
sieht es nach eigenem Bekunden als ihre Aufgabe an, Mitglieder des Aufsichtsrats im Wettbe-
werb mit anderen Handwerksbetrieben durch Auftragsvergaben zu unterstützen. Der Landes-
rechnungshof muss deshalb davon ausgehen, dass die Gesellschaft auch weiterhin umfangrei-
che geschäftliche Beziehungen zu Aufsichtsratsmitgliedern oder deren nahen Verwandten un-
terhält. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2012 hat er den Abschlussprüfer gebeten, die Ge-
schäftsbeziehungen zwischen den Mitgliedern des Aufsichtsrats und dem Unternehmen als
126
Prüfungsschwerpunkt im Rahmen der nach § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) erweiter-
ten Jahresabschlussprüfung zum 31. Dezember 2012 zu untersuchen und im Prüfungsbericht
ausführlich darzustellen.
4 Geschäfte einer kommunalen Liegenschaftsentwicklungsgesellschaft mit ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden
(301) Der Aufsichtsratsvorsitzende der kommunalen Gesellschaft ist gleichzeitig Geschäfts-
führer einer Gesellschaft, die bereits im November 1996 einen Maklervertrag mit der kommu-
nalen Entwicklungsgesellschaft über Versicherungsdienstleistungen abgeschlossen hat. Der
Landesrechnungshof116 hatte im Kommunalfinanzbericht 2011 über seine ernsthaften Zweifel
an der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden und über die Verletzung maßgeblicher
Vergabevorschriften berichtet. Im Kommunalfinanzbericht 2012 zeigte er den Fortgang auf.117
Gleichwohl hat das kommunale Unternehmen am Vertrag festgehalten.
(302) Im Rahmen der Auswertung des Prüfungsberichts für das Geschäftsjahr 2010 hatte der
Geschäftsführer mitgeteilt, dass der Aufsichtsrat über den bestehenden Maklervertrag beraten
habe. Im Ergebnis bestätige der Aufsichtsrat den Maklervertrag; vor Ablauf der jährlichen
Kündigungsfrist werde der Fortbestand geprüft. Der Landesrechnungshof gab den Prüfungsbe-
richt nur unter Zurückstellung von Bedenken frei und machte auf die problematischen ge-
schäftlichen Beziehungen zwischen Aufsichtsratsvorsitzenden und Unternehmen aufmerksam.
(303) Auch der Erklärung zu den Geschäftsbeziehungen mit Aufsichtsratsmitgliedern für das
Geschäftsjahr 2011 war zu entnehmen, dass die seit November 1996 bestehende Geschäftsbe-
ziehung in Gestalt des Maklervertrags fortgesetzt wurde und der Aufsichtsratsvorsitzende auf
sein Mandat nicht verzichtet hat. Der Abschlussprüfer wertete diese Geschäftsverbindung als
„geschäftliche Beziehung im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“ und führte wei-
terhin aus: „Nach den erhaltenen Angaben haben sich keine Interessenkonflikte ergeben. Ge-
genteilige Feststellungen haben wir im Rahmen unserer Prüfung nicht getroffen“. Der Lan-
desrechnungshof gab den Bericht über die Jahresabschlussprüfung 2011 nach eingeschränkter
Prüfung gemäß § 14 Abs. 4 KPG M-V frei und verwies ausdrücklich auf sein Schreiben zur
Freigabe des Jahresabschlussprüfungsberichts 2010. Der Jahresabschlussprüfungsbericht 2012
und die Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden zu den Geschäftsbeziehungen zeigen auf,
116 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2011(Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2011, S. 139-140.
117 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012(Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012, S. 113-114.
127
dass die Gesellschaft und ihr Aufsichtsratsvorsitzender am Maklervertrag und am Aufsichts-
ratsmandat festhalten.
(304) Der Aufsichtsratsvorsitzende kann nicht den Nachweis führen, dass er die Geschäfts-
führung unabhängig und frei von eigenen wirtschaftlichen Interessen als Aufsichtsrat berät,
kontrolliert und überwacht, da er gleichzeitig von den geschäftlichen Beziehungen zur Gesell-
schaft profitiert und ein wirtschaftliches Interesse am Fortbestand dieser mittlerweile 15 Jahre
andauernden Geschäftsbeziehung hat. Die Entscheidung über die Fortsetzung dieser Ge-
schäftsbeziehung trifft die Geschäftsführung, die von dem Aufsichtsratsmitglied zu überwa-
chen ist.
Das Festhalten an Maklervertrag und Aufsichtsratsmandat belegt, dass in der kommunalen
Gesellschaft und deren Organen noch immer das Bewusstsein dafür fehlt, dass sich Interes-
senkollisionen in der Person ihrer Organwächter nachteilig auf das Unternehmen auswirken
können und deshalb aufgelöst werden müssen.
5 Geschäfte einer kommunalen Versorgungsgesellschaft mit dem Vater und Arbeitgeber des Aufsichtsratsvorsitzenden
(305) Ein Interessenkonflikt liegt vor, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende in dem Einzelun-
ternehmen seines Vaters als Arbeitnehmer beschäftigt ist und diese Firma Geschäftsbeziehun-
gen zu dem kommunalen Unternehmen pflegt. Auch nach Beanstandung durch den Landes-
rechnungshof hat die kommunale Gesellschaft diese Geschäftsbeziehungen weiter gepflegt.
(306) Bereits im Kommunalfinanzbericht 2012 hatte der Landesrechnungshof über die ge-
schäftlichen Beziehungen einer kommunalen Versorgungsgesellschaft mit dem Vater und Ar-
beitgeber des Aufsichtsratsvorsitzenden im Geschäftsjahr 2010 berichtet.118 Der Vater des
Aufsichtsratsvorsitzenden, Inhaber einer Elektrofirma, hatte von dem kommunalen Unterneh-
men rd. 15.000 Euro für Elektroarbeiten bezogen. Der Landesrechnungshof hat diesen Interes-
senkonflikt bereits anlässlich der Freigabe des Prüfungsberichts 2010 am 8. August 2011 auf-
gedeckt. Nach Auffassung der Geschäftsführung ist ein Interessenkonflikt des Aufsichtsrats-
vorsitzenden nur mittelbar durch die familiäre Bindung und durch die Beschäftigung in der
Firma des Vaters gegeben. Eine individuelle Einflussnahme des Aufsichtsratsvorsitzenden auf
Entscheidungen zur Auftragsvergabe bestünde nicht.
118 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012(Teil 1) – Kommunalfinanzbericht 2012, S. 109-110.
128
(307) Der Erklärung zu den Geschäftsbeziehungen mit Aufsichtsratsmitgliedern für das Ge-
schäftsjahr 2011 war zu entnehmen, dass zwischen der kommunalen Versorgungsgesellschaft
und dem Vater des Aufsichtsratsvorsitzenden, Inhaber der Elektrofirma, wiederum Geschäfts-
beziehungen bestanden haben. Es wurden Leistungen in Höhe von 9.840 Euro erbracht (davon
entfielen 5.818 Euro auf den Zeitraum nach Aufdeckung der Verflechtungen durch den Lan-
desrechnungshof mit Freigabe vom 8. August 2011). Der Abschlussprüfer bewertete den
Sachverhalt im Rahmen seiner Berichterstattung zum Jahresabschluss 2011 wie folgt: „Die
abgegebenen Erklärungen der Aufsichtsratsmitglieder enthalten keine Anhaltspunkte für das
Vorliegen von Interessenkonflikten“ und „Interessenkonflikte wurden nicht gemeldet“. Der
Landesrechnungshof gab den Bericht über die Jahresabschlussprüfung 2011 nach einge-
schränkter Prüfung gemäß § 14 Abs. 4 KPG M-V frei. Aufgrund der familiären Bindung und
des Anstellungsverhältnisses des Aufsichtsratsvorsitzenden der kommunalen Gesellschaft bei
der Auftragsnehmerin besteht eine Interessenkollision fort, die es aufzulösen gilt.
(308) Es kommt nicht darauf an, ob der Aufsichtsratsvorsitzende zugunsten seines Vaters
und Arbeitgebers direkten Einfluss auf die Auftragsvergaben genommen hat oder hätte neh-
men können. Entscheidend ist, dass der Aufsichtsratsvorsitzende in einem Verwandtschafts-
und Abhängigkeitsverhältnis zu einem Geschäftspartner beziehungsweise Auftragnehmer des
kommunalen Unternehmen steht, das er zu beraten und überwachen hat. Bereits der Anschein
einer Interessenkollision ist zu vermeiden. Zweifellos können auch die Interessen nahe stehen-
der Personen den Aufsichtsratsvorsitzenden in der Wahrnehmung seiner Überwachung- und
Beratungspflichten gegenüber der Geschäftsführung beeinflussen.
6 Geschäfte einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft mit einem Auf-sichtsratsmitglied
(309) Seit mehreren Jahren unterhält ein Aufsichtsrat als Dachdecker umfangreiche Ge-
schäftsbeziehungen zu einem kommunalen Unternehmen, dessen Geschäftsführung er zu be-
aufsichtigen hat.
(310) In seiner Erklärung zu den Geschäftsbeziehungen mit Aufsichtsratsmitgliedern für das
Geschäftsjahr 2011 gab das Aufsichtsratsmitglied einen Gesamtbetrag von rd. 84.000 Euro
(netto) als Gegenleistung für Dachdeckarbeiten an sieben Wohnhäusern an. Ferner erläuterte
er, dass die Vergabe der Aufträge freihändig im Rahmen der Wertgrenzen an den günstigsten
Bieter erfolgt sei. Der Aufsichtsrat habe die Auftragserteilung genehmigt.
Die Gesellschaft erzielte Umsatzerlöse aus der Hausbewirtschaftung in Höhe von rd.
7,6 Mio. Euro und erwirtschaftete einen Jahresfehlbetrag von 308.000 Euro. Der Durch-
129
schnittsbestand (Wohneinheiten, Gewerbeeinheiten und Garagen) betrug im Geschäftsjahr
1.746 Verwaltungseinheiten, sodass auf jeden kaufmännischen Mitarbeiter 291 Einheiten ent-
fielen.
Auch in den beiden vorausgegangenen Geschäftsjahren war dieses Aufsichtsratsmitglied für
die kommunale Wohnungsgesellschaft in ähnlichem Umfang tätig (2010: rd. 83.000 Euro,
2009: rd. 72.000 Euro); allerdings jeweils auf der Basis von drei Vergleichsangeboten.
Der Bericht des Abschlussprüfers über die Jahresabschlussprüfung zum 31. Dezember 2011
enthielt zu dem Problemfeld Interessenkonflikte der Mitglieder des Überwachungsorgans nur
die Aussagen, dass „nach den von den Aufsichtsratsmitgliedern abgegebenen Erklärungen
die Gesellschaft in 2011 nach erfolgter Ausschreibung Handwerkerleistungen an ein Auf-
sichtsratsmitglied mit Genehmigung des Aufsichtsrats vergeben hat. Dem Auftrag liegen übli-
che Konditionen wie unter fremden Dritten zugrunde. Darüber hinaus bestehen auskunftsge-
mäß keine Interessenkonflikte“. Im Übrigen erteilte der Abschlussprüfer einen – aus anderen
Gründen mit einem Zusatz versehenen – uneingeschränkten Bestätigungsvermerk.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 gab der Landesrechnungshof den Bericht über die Prü-
fung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2011 unter Zurückstellung von Bedenken nach
§ 14 Abs. 4 KPG M-V frei. Er erwarte von den Aufsichtsorganen kommunaler Unternehmen,
dass sie ihre Überwachungs- und Beratungspflicht gegenüber der Geschäftsführung unabhän-
gig und pflichtgemäß wahrnehmen. Der Landesrechnungshof vertrete die Auffassung, dass
das Aufsichtsratsmitglied aufgrund der seit Jahren bestehenden nicht unbeträchtlichen vertrag-
lichen Beziehungen mit der Gesellschaft und den daraus erwachsenden Umsätzen seine Auf-
gaben als Aufsichtsratsmitglied nicht mehr mit der gebotenen Unabhängigkeit und Objektivi-
tät ausüben könne. Wegen der unwiderlegbaren Vermutung einer Interessenkollision erwarte
er die Auflösung des Konflikts. Um Kollisionen von vornherein auszuschließen, solle von Ge-
schäften zwischen dem kommunalen Unternehmen und dem Aufsichtsratsmitglied Abstand
genommen werden oder das Mandat in dem Aufsichtsgremium niedergelegt werden. Der Fol-
gebericht solle zu den eingeleiteten Maßnahmen entsprechende Ausführungen enthalten.
Eine Reaktion auf das Freigabeschreiben ist nicht bekannt. Der Jahresabschlussprüfungsbe-
richt für das Geschäftsjahr 2012 liegt noch nicht vor.
130
7 Geschäfte einer kommunalen Wohnungsbau- und Wohnungsverwal-tungsgesellschaft mit einem Aufsichtsratsmitglied
(311) Ein Aufsichtsrat hat als Fliesenleger erhebliche Geschäftsbeziehungen zu einem kom-
munalen Unternehmen unterhalten, dessen Geschäftsführung er zu beaufsichtigen hat.
(312) Der Bericht des Abschlussprüfers über die Jahresabschlussprüfung zum 31. Dezem-
ber 2011 einer kommunalen Wohnungsgesellschaft enthielt zu dem Problemfeld „Interessen-
konflikte der Mitglieder des Überwachungsorgans“ nur die Aussagen, dass „unsere Prüfung
keine Anhaltspunkte für derartige Konflikte ergeben hat“, und dass „nach Auskunft der Ge-
schäftsführung zwischen der Gesellschaft und Mitgliedern des Aufsichtsrats im Geschäftsjahr
2011 keine wesentlichen bzw. ungewöhnlichen Geschäftsbeziehungen bestanden haben“ und
weiter „entsprechende Unbefangenheitserklärungen der Mitglieder des Aufsichtsrats wurden
eingeholt“. Im Übrigen erteilte der Abschlussprüfer einen uneingeschränkten Bestätigungs-
vermerk.
Der Landesrechnungshof ließ sich im Rahmen der Auswertung des Prüfungsberichts die Er-
klärungen zu den Geschäftsbeziehungen mit Aufsichtsratsmitgliedern vorlegen. Eine Erklä-
rung enthielt Auffälligkeiten. Das Aufsichtsratsmitglied gab für das Geschäftsjahr 2011 einen
Betrag von rd. 14.300 Euro (netto) als Gegenleistung für Arbeiten als Fliesenleger an. Nach
dem beigefügten Umsatznachweis handelte es sich um 13 Einzelbeträge. Der Nachweis ent-
hielt zudem die Bemerkung, dass die Vergabe auf Grundlage des günstigsten Angebots (be-
schränkte Angebotseinholung) erfolgt sei.
Am 29. Oktober 2012 gab der Landesrechnungshof den Bericht über die Prüfung des Jahres-
abschlusses zum 31. Dezember 2011 nach eingeschränkter Prüfung nach
§ 14 Abs. 4 KPG M-V frei mit den Bemerkungen, dass er die Auffassung, dass keine wesent-
lichen bzw. ungewöhnlichen Geschäftsbeziehungen bestanden hätten, hinsichtlich der Aufträ-
ge an den Fliesenleger nicht teile. Er erwarte von den Aufsichtsorganen kommunaler Unter-
nehmen, dass sie ihre Überwachungs- und Beratungspflicht gegenüber der Geschäftsführung
unabhängig und pflichtgemäß wahrnehmen. Aufgrund der bestehenden, durchaus als nicht un-
beträchtlich einzustufenden vertraglichen Beziehungen mit der Gesellschaft könne das Auf-
sichtsratsmitglied seine Aufgaben nicht mit der gebotenen Unabhängigkeit und Objektivität
ausüben. Wegen der unwiderlegbaren Vermutung einer Interessenkollision erwarte er die Auf-
lösung des Konflikts. Um Kollisionen von vornherein auszuschließen, solle von Geschäften
zwischen dem kommunalen Unternehmen und dem Aufsichtsratsmitglied Abstand genommen
werden oder das Mandat in dem Aufsichtsgremium niedergelegt werden. Der Folgebericht
131
solle dazu entsprechende Ausführungen enthalten, so der Landesrechnungshof in seinem Frei-
gabeschreiben.
Eine Reaktion auf das Freigabeschreiben ist nicht bekannt. Der Jahresabschlussprüfungs-
bericht für das Geschäftsjahr 2012 liegt noch nicht vor.
(313) Der dargestellte Fall zeigt deutlich den Unterschied in der Beurteilung derartiger Ge-
schäfte durch die kommunale Einrichtung und Bewertung durch den Abschlussprüfer auf der
einen Seite zu der Auffassung des Landesrechnungshofes zu Geschäften zwischen einem
kommunalen Unternehmen und dessen Aufsichtsorgan auf der anderen Seite. Interessenkolli-
sionen gilt es zu vermeiden. Der Landesrechnungshof wird solche Geschäftsbeziehungen auch
weiterhin konsequent aufgreifen.
(314) Das Innenministerium pflichtet dem Landesrechnungshof bei. In seiner Stellungnahme
vom 9. August 2013 führt es aus, dass Mitglieder von Aufsichtsräten kommunaler Unterneh-
men Interessenkonflikte, die beispielsweise durch wirtschaftliche Verflechtungen auftreten,
nicht herbeiführen dürfen beziehungsweise beseitigen müssen. Nur so können sie ihr Mandat
auftragsgemäß durch eine wirksame Überwachung und Steuerung allein zum Wohle des kom-
munalen Gesellschafters und des Unternehmens wahrnehmen.
132
2 Optimierung der Strukturen der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung - Festland Wolgast
Der Landesrechnungshof führte eine Prüfung der Organisation der Aufgabendurchfüh-
rung bei der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung beim „Zweckverband
Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Festland Wolgast“ durch.
Die Untersuchung erstreckte sich auch auf die vom Zweckverband erhobenen Gebühren
und Beiträge. Die Gebühren- und Beitragskalkulationen wurden nach den betriebswirt-
schaftlichen Grundsätzen überprüft, die dem KAG M-V zugrunde liegen.
(315) Der am 24. Juni 1992 gegründete Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserbe-
seitigung – Festland Wolgast (Zweckverband) ver- und entsorgt ca. 17.000 Einwohner.
Der Zweckverband betreibt je eine öffentliche Einrichtungen zur Trinkwasserversorgung, zur
zentralen und dezentralen Schmutzwasserbeseitigung sowie zwei öffentliche Einrichtungen
zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung. Die Aufgabenwahrnehmung für die Trinkwas-
serversorgung wird über die Erhebung von Kostenerstattungen für die Hausanschlüsse sowie
von Trinkwassergebühren finanziert. Die Aufgabenwahrnehmung für die Niederschlagswas-
serbeseitigung und Schmutzwasserbeseitigung wird über die Erhebung von Anschlussbeiträ-
gen, Kostenerstattungen für die Grundstücksanschlüsse und Benutzungsgebühren sowie die
Erhebung von Reinigungsgebühren für den Schlamm aus Kleinkläranlagen bzw. für die In-
haltsstoffe aus Sammelgruben finanziert. Für allgemeine Verwaltungsaufgaben werden Ver-
waltungsgebühren erhoben.
Die vom Zweckverband (66,6 Prozent) und der EWE Wasser GmbH (33,3 Prozent), Olden-
burg, errichtete Peenestrom Wasser GmbH (Peewa) hat am 25. August 1993 einen Betriebs-
führungsvertrag mit dem Zweckverband geschlossen. Die Peewa hat dabei die Aufgaben der
technische Betriebsführung, der Projektabwicklung bei Neu- und Erhaltungsinvestitionen, so-
wie die kaufmännische Betriebsführung übernommen. Am 24. Februar 2010 hat die Zweck-
verbandsversammlung eine Verschmelzung des Zweckverbandes mit der Peewa beschlossen.
Die Vermögensübertragung erfolgte rückwirkend zum 1. Januar 2010. Die Übertragung er-
folgte zu fortgeführten Buchwerten. Das Personal ist gemäß § 613 a BGB auf den Zweckver-
band übergegangen.
Die Peewa hat im Laufe ihrer Geschäftstätigkeit Gewinnausschüttungen vorgenommen. Die
Ausschüttungen flossen entsprechend den Gesellschaftsanteilen an die Gesellschafter, sodass
133
33,3 Prozent an die EWE Wasser GmbH und 66,6 Prozent an den Zweckverband gezahlt wur-
den.
Die wirtschaftlichen Grundlagen des Zweckverbandes stellen sich wie folgt dar:
Tabelle 25: Statistische Angaben zum Zweckverband, 31.12.2010
Einwohner Versorgung Anzahl 16.992
Einwohner Entsorgung Anzahl 15.586
Anschlussgrad Trinkwasser % 99,6
Anschlussgrad Zentrale Entsor-gung
% 91,5
Verkaufte Trinkwassermenge Tm³ 606
Zentral entsorgte Schmutzwasser-menge
Tm³ 796
Quelle: Zweckverband; eigene Berechnungen.
Tabelle 26: Technische Grundlagen des Zweckverbandes, 31.12.2010
Bereich Trinkwasser
Wasserwerke Anzahl 2
Netzlänge km 191
Hausanschlüsse Anzahl 8.547
Brunnen Anzahl 10
Installierte Zähler Anzahl 13.309
Bereich Abwasser
Kläranlagen Anzahl 2
Abwasserpumpwerke Anzahl 51
Hausanschlüsse (Schmutzwasser) Anzahl 7.687
Hausanschlüsse (Niederschlags-wasser)
Anzahl 1.347
Installierte Zähler Anzahl 12.431
Klärwerkskapazität
- Kläranlage Lassan EGW 2.800
- Kläranlage Wolgast EGW 40.000
Kanalnetzlänge
- Schmutzwasserkanal km 59
- Niederschlagswasserkanal km 43
- Druckrohrleitungen km 47
Quelle: Zweckverband; eigene Berechnungen.
Das Verwaltungsgericht Greifswald hat am 27. Februar 2010 die Gebührensatzungen des
Zweckverbandes für unwirksam erklärt. Dabei wurden die in die Kalkulation eingeflossenen
Betriebsführungsentgelte der Peewa als zu hoch angesehen. Im August 2010 hat der Zweck-
verband auf Basis von Neukalkulationen neue Gebührensatzungen erlassen, um diesen Fehler
134
zu korrigieren. Mit der Erstellung einer Gebührenkalkulation für die Jahre 2010, 2011 und
2012 für die Bereiche Trinkwasser, Schmutzwasser und Niederschlagswasser wurden externe
Berater beauftragt. Gleichzeitig wurde für die Bereiche Niederschlagswasser und Schmutz-
wasser Beitragskalkulationen als Globalkalkulationen bis 2020 erstellt.
Der Zweckverband hat folgende Satzungen erlassen:
• Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung
(Schmutzwasserbeitragssatzung);
• Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung
(Schmutzwassergebührensatzung);
• Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Niederschlagswas-
serbeseitigung (Niederschlagswasserbeitrags- und -gebührensatzung);
• Satzung über die Erstattung der Kosten für die Trinkwasserhausanschlüsse und die
Erhebung von Gebühren für die Trinkwasserversorgung (Trinkwasseranschluss-
kostenerstattungs- und -gebührensatzung).
1 Prüfungsergebnisse
1.1 Überdimensionierung einer Kläranlage
(316) Die Kläranlage in Wolgast (40.000 EGW) wurde 1993 geplant und bis 1995 fertigge-
stellt. Im Planansatz war eine Abwassermenge je Einwohner und Tag von 180 l enthalten, die-
se hat sich jedoch auf einen heutigen Wert von ca. 120 l entwickelt. Die durchschnittliche
Auslastung der Kläranlage Wolgast beträgt 65 Prozent, die saisonal schwankende Spitzenaus-
lastung wird vom Zweckverband mit 100 Prozent angegeben.
Die demografische Entwicklung im Zweckverbandsgebiet ist negativ. Von 1993 bis 2010 be-
trägt der Bevölkerungsrückgang 22,6 Prozent. Größere Gewerbeansiedlungen hat es seit 1990
nicht gegeben.
Der Wasserverbrauch im Zweckverbandsgebiet ist von 1,2 Mio. m³ im Jahr 1993 auf 606 Tm³
in 2009 zurückgegangen; proportional sank auch das Schmutzwasseraufkommen.
Insbesondere die Kläranlage in Wolgast ist aus heutiger Sicht überdimensioniert.
In einem Urteil vom 6. Februar 2009 hat das Verwaltungsgericht Greifswald festgestellt, dass
die ursprüngliche Planung des Zweckverbandes nicht zu beanstanden ist. Die Planung für die
Ver- und Entsorgungsanlagen war den damaligen Verhältnissen angemessen.
135
Das Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpom-
mern führt in seiner Stellungnahme dazu aus, dass bei einer Auslastung von 80 Prozent in den
Sommermonaten und 100-prozentiger Auslastung an Spitzentagen von einer überdimensio-
nierten Kläranlage auszugehen, nicht sachgerecht wäre, da Kläranlagen die an sie zu stellen-
den Reinigungsanforderungen durchgängig erfüllen müssten.
1.2 Betriebsführung
(317) Aus Sicht des Landesrechnungshofes hatte die Beteiligung der EWE Wasser GmbH
nach der Gründung der Peewa keine erkennbaren Vorteile für den Zweckverband. Es erscheint
deshalb schwer nachvollziehbar, dass der Betrieb der Peewa so lange aufrechterhalten wurde.
1.3 Beitragskalkulation
(318) Der Zweckverband hat die Beitragserhebung im Bereich Niederschlagswasser und
Schmutzwasser in Übereinstimmung mit den geltenden Rechtsvorschriften durchgeführt und
ist den zurzeit allein sachgerechten Weg der Beitragserhebung gegangen.Von der Möglichkeit,
die Zuschüsse Dritter (Fördermittel) zur Refinanzierung des Anlagevermögens in der Kalkula-
tion nicht zu kürzen, hat der Zweckverband entsprechend den fakultativen Regelungen des
KAG Gebrauch gemacht. Wegen des hohen Beitragsanteils an der Finanzierung des Anlage-
vermögens hält der Landesrechnungshof es für angezeigt, zu prüfen, ob die zukünftige wirt-
schaftliche Leistungsfähigkeit des Zweckverbandes dies tatsächlich erfordert, zumal künftige
Investitionen (Kläranlage) wegen bisheriger Überkapazitäten geringer ausfallen könnten.
Die Beitragserhebung für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung für die soge-
nannten Altanschließer ist abgeschlossen.
1.4 Gebührenkalkulation
(319) Das in die Kalkulation einbezogene Vermögen des Zweckverbandes ist vollständig
und entspricht dem handelsrechtlich dem Bereich Schmutzwasser zugeordneten Vermögen.
Die in der Kalkulation angesetzten pagatorischen Kosten entsprechen den Ist-Werten des
Zweckverbandes. Die Aufteilung der nicht direkt zuzuordnenden Kosten auf die Bereiche
Trink- und Abwasser ist üblich und wird in diesem Verhältnis auch von anderen Zweckver-
bänden praktiziert. Die Kalkulation ist insoweit rechnerisch richtig. Die Gebührenkalkulatio-
nen in den Bereichen Trink- und Abwasser sind nach Auffassung des Landesrechnungshofes
KAG-konform.
136
Der Landesrechnungshof empfiehlt dennoch die Höhe der kalkulatorischen Kosten laufend zu
überprüfen, die für die Berechnung der kalkulatorischen Kosten in der Kalkulation angesetz-
ten Beiträge in der richtigen Höhe zu veranschlagen sowie die Behandlung der Einleitungsent-
gelte Dritter in zukünftigen Kalkulationen anzupassen.
Die Spielräume des KAG M-V für die Kalkulation sollten nur dann im Sinne des Gebühren-
zahlers genutzt werden, wenn dabei die zukünftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des
Zweckverbandes nicht gefährdet wird. Bei Leistungen, welche derzeit mit eigenem Personal
durchgeführt werden, sollte geprüft werden, ob eine Vergabe an Dritte günstiger ist.
Der hohe Fremdkapitalbestand sollte mit den vorhandenen liquiden Mitteln zurückgeführt
werden.
Das Verwaltungsgericht Greifswald hat in seinem Urteil vom 4. April 2012 (3 B 1296/11)
festgestellt, dass die Beitragspflicht im Niederschlagswasserbereich bereits dann entsteht,
wenn die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Nie-
derschlagsbeseitigung besteht. In seiner Stellungnahme vertritt das Ministerium für Landwirt-
schaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung, dass ge-
mäß § 40 Abs. 3 Nr. 2 Landeswassergesetz M-V (LWaG) die Niederschlagswasserbeseiti-
gungspflicht entfalle, wenn das Niederschlagswasser tatsächlich versickert wird. Die Novel-
lierung des LWaG soll den Aufgabenträgern die Möglichkeit einräumen, die Abwasser- und
Niederschlagswasserbeseitigungspflicht in ihrer Satzung zu regeln.
1.5 Kooperation und mögliche Fusion mit Nachbarzweckverbänden
(320) Der Landesrechnungshof hat während der Prüfung mit den Zweckverbänden „Insel
Usedom“ und „Wasser/Abwasser Boddenküste“ Gespräche über zukünftig mögliche Zusam-
menarbeit, Betriebsführungsmodelle oder Fusionen geführt.
(321) Eine engere Zusammenarbeit oder Fusion war aus Sicht des Zweckverbandes „Insel
Usedom“ wegen der geographischen Lage gegenwärtig weder geplant noch gewünscht.
In den Zweckverbänden kam es und kommt es kurzfristig zum altersbedingten Ausscheiden
von Mitarbeitern. Im Falle einer Fusion wären demnach im Personalbereich Synergieeffekte
und ein sinkender Personalaufwand zu erwarten.
Auf der Verbandsversammlung des Zweckverbandes („Festland Wolgast“) am 15 Dezem-
ber 2011 wurde einer Fusion mit dem Nachbarverband („Boddenküste“) zum 1. Januar 2013
zugestimmt. Dazu sollten von beiden Zweckverbänden Betriebsentwicklungskonzepte erstellt
137
werden, welche zum Zeitpunkt der geplanten Fusion als Entwurf vom Zweckverband „Bod-
denküste“ vorgelegt wurde.
Aus Sicht des Landesrechnungshofes überwiegen die Synergieeffekte einer Fusion die dabei
entstehenden Kosten. Durch Einsparungen im Bereich der Personalkosten, der Verwaltungs-
kosten und der Kosten der technischen Betriebsführung werden die Fusionskosten kurzfristig
kompensiert.
Obwohl bei einer Fusion eine spürbare Entlastung der Anschlussnehmer mittelfristig erfolgen
könnte, wurde trotz der fortgeschrittenen Verhandlungen die Fusion nicht durchgeführt.
(322) Der Zweckverband „Insel Usedom“ hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen,
dass in seinen Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungskonzepten unter Einbeziehung
der Konzepte der umliegenden Zweckverbände vorzugsweise die wirtschaftlich günstigste Va-
riante gewählt wird. Die Notwendigkeit zukünftig gemeinsame Konzepte mit Nachbarzweck-
verbänden zu erarbeiten, besteht für den Zweckverband „Insel Usedom“ nicht.
(323) Der Zweckverband „Wasser/Abwasser Boddenküste“ schätzte seine Größe und Struk-
tur für die zukünftige Aufgabenerfüllung zwar als geeignet ein, sucht aber nach Lösungen zur
Optimierung der zukünftigen Aufgabenerfüllung. Die Mitglieder der Verbandsversammlung
standen Gesprächen über eine Fusion positiv gegenüber.
Aus Sicht des Zweckverbandes „Boddenküste“ scheiterte die Fusion an den unterschiedlichen
Tarifverträgen, der fehlenden Einigung über die zukünftige Personalbemessung, dem geplan-
ten Neubau eines Verwaltungsgebäudes in Wolgast und der unterschiedlichen Betriebs-
software für die kaufmännische Verwaltung.
(324) Nach Auskunft des Zweckverbandes „Festland Wolgast“ konnten im vorgegebenen
Zeitrahmen keine befriedigenden Lösungen erarbeitet und politische Mehrheiten gefunden
werden.
2 Empfehlungen an die Landesregierung
(325) Der Landesrechnungshof empfiehlt der Landesregierung Folgendes:
1. Aus Sicht des Zweckverbandes „Insel Usedom“ ist die Überleitung von Abwasser
nach Wolgast nur zum derzeit geltenden Entgelt günstiger als der Ausbau oder der
Neubau von Abwasserreinigungskapazitäten auf der Insel Usedom. Der Landesrech-
nungshof hat im Gespräch darauf hingewiesen, dass auch wenn es nicht zu einer Zu-
sammenarbeit oder Fusion zwischen diesen Zweckverbänden kommen sollte, er trotz-
138
dem einen gemeinsamen Planungsraum für den Bereich der Insel Usedom und dem
Zweckverbandsgebiet um Wolgast fordert. Fördermittel des Landes für den Neubau
von Kläranlagen sollten nur dann bewilligt werden, wenn nicht anderweitige unge-
nutzte Kapazitäten zur Verfügung stehen.Ein gemeinsamer Planungsraum ist aus Sicht
des Landesrechnungshofes auch deshalb wichtig, weil die Wasserversorgung auf der
Insel Usedom langfristig nicht sichergestellt ist (Versalzung der Brunnen) und ein ge-
meinsames Konzept zur Wasserversorgung erarbeitet werden muss.
2. Die Landesregierung sollte erwägen, die Kosten der Fusionen von Zweckverbänden,
welche sich nachweislich als vorteilhaft für den Gebühren- und Beitragszahler erwei-
sen, für einen befristeten Zeitraum mit Zuschüssen zu fördern, um den Anreiz dafür zu
erhöhen. Dafür sollte auf bereits bestehende Fördertöpfe zurückgegriffen werden. För-
derungen sollten künftig nur noch an Abwasserbetriebe ausgereicht werden, die sich
um betriebswirtschaftlich sinnvolle Fusionen bemühen.
3. Obwohl die Beitragserhebung, insbesondere der Anschlusszwang, im Bereich Nieder-
schlagswasser vom OVG Greifswald nicht beanstandet wurde, steht das KAG M-V in
einem Wertungswiderspruch zum Wasser- und Naturschutzrecht, das durchgehend
vom Vorrang der Versickerung vor der Ableitung ausgeht. Die Landesregierung sollte
eine Gesetzesänderung dahingehend erwägen, dass Niederschlagswasser, das gesam-
melt, aber nicht abfließt, keine Beitragspflicht begründen soll, auch wenn die Möglich-
keit zur Inanspruchnahme einer Oberflächenentwässerungsanlage gegeben ist.
3 Stellungnahme des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Ver-braucherschutz Mecklenburg-Vorpommern
(326) In der Stellungnahme des Ministeriums wird angemerkt, dass die Mitbenutzung freier
Kapazitäten bei Abwasserbeseitigungskonzepten keine primären Kriterien sein dürfen. Es sei
auch nicht sinnvoll, die Förderung von Maßnahmen zum Gewässerschutz auf fusionswillige
Zweckverbände zu beschränken oder in eine „Hochzeitsprämie“ umzuwandeln.
139
3 Kommunale Mikrogesellschaften
Kommunale GmbHs, die sich nur in geringem Umfang geschäftlich betätigen, existieren
nach wie vor in größerer Zahl. Der Aufwand für Geschäftsführung, Buchhaltung, Steu-
erberatung und Jahresabschlussprüfung steht bei diesen Gesellschaften vielfach außer
Verhältnis zum Ertrag oder zu den Haushaltsrisiken für die kommunalen Gesellschaf-
ter.
(327) Zu den nach Abschnitt III KPG M-V prüfungspflichtigen kommunalen Wirtschaftsbe-
trieben zählen viele Kleinstkapital- oder Mikrogesellschaften. Nach § 267 a Handelsgesetz-
buch (HGB) überschreitet eine Mikrogesellschaft bei mindestens zwei von drei Kennzahlen
eine bestimmte Größe nicht:
• 350.000 Euro Bilanzsumme,
• 700.000 Euro Umsatzerlöse im letzten Geschäftsjahr oder
• 10 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.
(328) Verschiedene kommunale Mikrogesellschaften in Mecklenburg-Vorpommern bleiben
noch deutlich unter diesen ohnehin bescheidenen Größenordnungen. Diese „kleinsten“ Mikro-
gesellschaften sind regelmäßig eine vergleichsweise kostenintensive und unwirtschaftliche
Form kommunaler wirtschaftlicher Betätigung. Zudem treten bei der Verwaltung, Steuerung
und Kontrolle dieser Gesellschaften in verstärktem Maße Probleme auf. Deshalb können die
kommunalen Gesellschafter durch ihre Mikrogesellschaften erheblichen wirtschaftlichen Risi-
ken ausgesetzt werden. Am Beispiel von zwei kommunalen Mikrogesellschaften hat der Lan-
desrechnungshof hierüber bereits mit seinem Kommunalfinanzbericht 2012, Tzn. 368 – 384,
informiert. Die Berichterstattung über kommunale Mikrogesellschaften wird nachfolgend mit
drei weiteren Beispielen fortgesetzt:
1 Kommunales Kino
(329) Die K-GmbH betreibt ein kommunales Kino. Im Geschäftsjahr 2011 erzielte sie Um-
satzerlöse in Höhe von rd. 161.000 Euro (rd. 23 Prozent der Kenngröße des § 267 a HGB).
Wird der Zuschuss der kommunalen Gesellschafterin (2011: 45.000 Euro) herausgerechnet, so
ergibt sich ein Jahresfehlbetrag von rd. 44.000 Euro (2010: rd. 46.000 Euro). Die Bilanzsum-
me belief sich zum 31. Dezember 2011 auf rd. 41.000 Euro (rd. 12 Prozent der Kenngröße).
140
Für 2011 beschäftigte die Gesellschaft durchschnittlich drei Mitarbeiter (ohne Geschäftsfüh-
rer; 30 Prozent der Kenngröße).
(330) Die K-GmbH hat die Buchführung und die Aufstellung ihres Jahresabschlusses extern
vergeben. In steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten nimmt die Gesellschaft ebenfalls
externen Sachverstand in Anspruch. In 2011 entstanden für Buchführung, Rechts- und Steuer-
beratung sowie Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses Aufwand in Höhe von insge-
samt rd. 7.000 Euro. Hätte die kommunale Gesellschafterin das Kino im eigenen Haushalt be-
wirtschaftet, so wären diese Kosten zumindest ganz überwiegend nicht angefallen.
2 Kommunales wohnungswirtschaftliches Unternehmen
(331) Die W-GmbH ist ein kommunales wohnungswirtschaftliches Unternehmen. Sie erziel-
te 2011 Umsatzerlöse in Höhe von rd. 250.000 Euro (rd. 36 Prozent der Kenngröße des
§ 267 a HGB). Davon entfielen rd. 18.000 Euro auf die Eigenverwaltung von gerade einmal
36 Wohnungen, weitere rd. 79.000 Euro auf die Betreuungstätigkeit bzw. Verwaltung von
Wohnungen Dritter (2011: 422 Einheiten) und rd. 91.000 Euro auf Handwerkerleistungen. Im
Geschäftsjahr 2011 erwirtschaftete die Gesellschaft einen Jahresfehlbetrag von rd. 4.000 Euro.
Die Abschluss- und Prüfungskosten beliefen sich demgegenüber auf 7.800 Euro.
Die Gesellschaft beschäftigte 2011 durchschnittlich drei Arbeitnehmer (ohne Geschäftsführer;
30 Prozent der Kenngröße). Wegen der Kündigung eines Vertrags über die Fremdverwaltung
von Wohnungen wurden im Januar 2013 sämtliche Arbeitnehmer mit Ausnahme des Ge-
schäftsführers entlassen. Aufgrund der Kündigung des Verwaltervertrags halten die kommu-
nalen Gesellschafter den Bestand des Unternehmens für gefährdet.
(332) Für bestrittene Verbindlichkeiten der Gesellschaft hat eine kommunale Gesellschafte-
rin eine Ausfallbürgschaft übernommen. Im Hinblick auf laufende Rechtsstreitigkeiten hat die
Gesellschaft für die verbürgten Verbindlichkeiten Rückstellungen in Höhe von 444.000 Euro
gebildet.
Zur Modernisierung eigener Wohnungsbestände hat die Gesellschaft ferner Kommunaldarle-
hen aufgenommen. Hierfür hat eine andere kommunale Gesellschafterin eine Ausfallbürg-
schaft ausgereicht. Die verbürgten Darlehen valutierten zum 31. Dezember 2011 noch mit
rd. 112.000 Euro.
(333) Schon die vergleichsweise hohen Abschluss- und Prüfungskosten (2011: rd. 195 Pro-
zent des Jahresfehlbetrags) belegen, dass die Verwaltung der eigenen Wohnungsbestände
durch eine kommunale Gesellschaft unwirtschaftlich ist. Hätten die Gesellschafter-Gemeinden
141
ihre sehr kleinen Bestände in ihren eigenen Haushalten bewirtschaftet, wären diese externen
Kosten ganz überwiegend nicht angefallen.
(334) Am Beispiel der W-GmbH zeigt sich ferner, dass kommunale Gesellschaften mit ge-
ringer Betriebsgröße dazu neigen, Existenzsicherung durch Akquisition von Fremdgeschäften
zu betreiben. Im Fall der W-GmbH verstößt die Ausweitung der Geschäftstätigkeit über den
kommunalen Aufgabenbereich hinaus nicht nur gegen §§ 69 Abs. 1 Nr. 1, 68 Abs. 2 KV M-V,
da die Verwaltung fremder Wohnungsbestände nicht ein bloßes Annexgeschäft zur Verwal-
tung eigener Wohnungen geblieben ist. Vielmehr sind hiermit auch Risiken für die Hoheits-
haushalte der bürgenden Gesellschafter-Gemeinden begründet worden, die nach Kündigung
eines wichtigen Vertrags über die Verwaltung fremder Wohnungsbestände ihre Inanspruch-
nahme befürchten müssen.
3 Kommunaler Campingplatz
(335) Die C-GmbH betreibt im Auftrag ihrer kommunalen Gesellschafterin einen Camping-
platz. Die Gesellschaft erwirtschaftete in 2011 rd. 538.000 € Umsatzerlöse (rd. 77 Prozent der
Kenngröße des § 267 a HGB). Sie beschäftigte in diesem Geschäftsjahr durchschnittlich
7,75 Arbeitnehmer (rd. 78 Prozent der Kenngröße).
(336) Die C-GmbH hat die Buchführung und die Aufstellung des Jahresabschlusses extern
vergeben. In steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten nimmt sie ebenfalls externe Unter-
stützung in Anspruch. Im Geschäftsjahr 2011 belief sich der Aufwand für Buchführung,
Rechts- und Steuerberatung sowie Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses auf insge-
samt rd. 13.500 Euro (2010: rd. 14.000 Euro). Das sind rd. 139 Prozent des Jahresüberschus-
ses von rd. 9.700 Euro. Auch bei der C-GmbH ist davon auszugehen, dass der Aufwand für
Buchführung, Rechts- und Steuerberatung sowie Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlus-
ses ganz überwiegend nicht hätte getätigt werden müssen, wenn die kommunale Gesellschaf-
terin den Campingplatz in ihrem Hoheitshaushalt bewirtschaftet hätte.
4 Ersatzprüfung bei kommunalen Mikrogesellschaften
(337) Kommunale Mikrogesellschaften stellen vielfach Anträge auf Befreiung von der Jah-
resabschlussprüfung, Zulassung der Ersatzprüfung nach § 12 KPG M-V oder die zusammen-
hängende Prüfung mehrerer Jahresabschlüsse nach § 11 Abs. 2 KPG M-V. Hierdurch sollen
die angesichts des geringen Geschäftsumfangs unverhältnismäßig hohen Kosten der Ab-
schlussprüfung eingespart werden. Die K-GmbH war beispielsweise für die Geschäftsjahre
142
2008 bis 2010 von der Prüfungspflicht befreit. Für die Geschäftsjahre 2012 bis 2014 hat das
Innenministerium auf Antrag der K-GmbH eine zusammenhängende Prüfung genehmigt.
(338) Die Ersatzprüfung von kommunalen Unternehmen ist seit der KPG-Novelle vom
10.11.2009 Aufgabe der örtlichen Prüfung und damit grundsätzlich des Rechnungsprüfungs-
ausschusses der kommunalen Gesellschafter. Da die Anforderungen an eine Ersatzprüfung ge-
mäß §§ 12 Abs. 2, 13, 14 Abs. 2 KPG M-V in der Sache weitgehend denen einer Jahresab-
schlussprüfung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft entsprechen, ist davon auszuge-
hen, dass die Rechnungsprüfungsausschüsse in der Regel nicht über die für eine Ersatzprü-
fung erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Qualifikationen verfügen. Der Landesrech-
nungshof geht davon aus, dass in diesen Fällen regelmäßig Mitarbeiter der Gemeindeprü-
fungsämter der Landkreise oder auch fachlich entsprechend qualifizierte Mitarbeiter der
Amtsverwaltung mit der Durchführung der Ersatzprüfung beschäftigt werden sollen.
(339) Hierzu wäre zunächst anzumerken, dass die Ersatzprüfung nicht mehr Aufgabe der
überörtlichen Prüfung und damit der Gemeindeprüfungsämter der Landkreise ist. Vor allem
aber entsteht auch bei Durchführung der Ersatzprüfung durch Mitarbeiter eines Gemeindeprü-
fungsamtes oder der zuständigen Amtsverwaltung erheblicher Prüfungsaufwand. Damit wür-
den allerdings nicht die kommunale Gesellschaft oder deren Gesellschafter, sondern der Land-
kreis bzw. das Amt und über die Kreis- oder Amtsumlage die jeweiligen kreis- oder amtsan-
gehörigen Gemeinden belastet.
5 Kontroll- und Steuerungsdefizite bei Mikrogesellschaften
(340) Die im Regelfall kleinen Gesellschafter-Gemeinden der Mikrogesellschaften verfügen
entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung (§ 75 a KV M-V) im allgemeinen über kein bzw.
kein effektives Beteiligungsmanagement. Nach Einschätzung des Landesrechnungshofes
scheuen die Gemeinden den hiermit verbundenen beträchtlichen Personalaufwand. Dement-
sprechend fehlt es nach den Prüfungserfahrungen des Landesrechnungshofes beispielsweise
auch an einem funktionierenden unterjährigen Berichtswesen. Auch die allgemein erst mit er-
heblicher Verspätung durchgeführten Ersatz- oder zusammenhängenden Prüfungen tragen er-
heblich dazu bei, dass den kommunalen Gesellschaftern halbwegs aktuelle und belastbare In-
formationen zur Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage in der Regel fehlen. Schon aus diesem
Grunde unterliegen kommunale Mikrogesellschaften im allgemeinen keiner ausreichenden
Kontrolle und Steuerung durch ihre kommunalen Gesellschafter. Hierdurch entstehen in be-
trächtlichem Ausmaße Risiken für deren Haushalte.
143
6 Stellungnahme des Innenministeriums
(341) Das Innenministerium hat mitgeteilt, die vom Landesrechnungshof genannten Beispie-
le ließen die allgemeine Einschätzung nicht zu, dass kommunale Mikrogesellschaften regel-
mäßig eine unwirtschaftliche Form der wirtschaftlichen Betätigung seien und bei ihnen Kon-
troll- und Steuerungsdefizite bestünden. Letztlich müssten die Kommunen im Rahmen ihres
Beurteilungsspielraums selbst entscheiden, welche Rechtsform für ihre wirtschaftliche Betäti-
gung vorzugswürdig sei.
Hierzu merkt der Landesrechnungshof an, dass unstreitig ist, dass die im Kommunalfinanz-
bericht 2012 (Textziffern 368 ff.) und in diesem Bericht vorgestellten fünf kommunalen Mi-
krogesellschaften keine wirtschaftliche unternehmerische Betätigung der Kommunen sind und
hier Steuerungs- und Kontrolldefizite festgestellt wurden. Der Landesrechnungshof wird auch
2014 voraussichtlich über weitere Beispiele unwirtschaftlicher kommunaler Mikrogesellschaf-
ten berichten. Diese Beispielsfälle sind so zahlreich, dass aus ihnen allgemeine Schlussfolge-
rungen gezogen werden können.
(342) Das Innenministerium teilt ferner mit, dass es bei Entscheidungen über die Befreiung
berücksichtigt, ob die ordnungsgemäße Durchführung der Ersatzprüfung durch den Träger der
örtlichen Prüfung gewährleistet sei. Eine generelle Absenkung von Umfang und Tiefe der Ab-
schlussprüfung sei bei Ersatzprüfungen nicht zu befürchten.
Dem Landesrechnungshof ist diese Praxis des Innenministeriums bei der Zulassung von Er-
satzprüfungen bekannt. Er begrüßt sie ausdrücklich.
7 Folgerungen und Empfehlungen
(343) Der Landesrechnungshof empfiehlt, dass die Gemeinden regelmäßig überprüfen, ob sie
sich weiterhin in Mikrogesellschaften wirtschaftlich betätigen. Insbesondere sollte hierbei ge-
prüft werden, ob das Unternehmen auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine wirtschaft-
liche Betätigung in einer Gesellschaft privaten Rechts erfüllt (§§ 69 Abs. 1 Nr. 1, 68 Abs. 2
Satz 1 KV M-V). Je nach den Umständen des Einzelfalls wird eine Wahrnehmung der öffent-
lichen Aufgabe im Hoheitshaushalt, eine Liquidation der Gesellschaft und Verpachtung der
zuvor von der Gesellschaft bewirtschafteten Einrichtung oder eine Veräußerung der Gesell-
schaft und/oder der Einrichtung in Betracht kommen.
144
___________________________________________________________________
Vom Senat des Landesrechnungshofes beschlossen am 3. September 2013.
Dr. Schweisfurth Arenskrieger
Präsident Vizepräsident
Dr. Hempel Dr. Schuelper Dipl.-Ing. Scheeren
Ministerialdirigent Ministerialdirigent Ministerialdirigent
145