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aba Der Kommentar Joachim Schwind, Frankfurt am Main
Europa - Betriebsrenten im Spannungsfeld zwischen Sozialpolitik und Marktinteressen "Ein angemessenes und nachhaltiges Ruhestandseinkommen für EU-Bürger und -Bürgerinnen jetzt und in Zukunft ist eine Priorität für die Europäische Union"l. So lautet der einleitende Satz des am 07. Juli 2010 veröffentlichten Grünbuchs "Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme", mit dem die Europäische Kommission die bestehenden demografischen Herausforderungen für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgezeigt und eine Diskussion über mögliche Lösungsvorschläge eingeleitet hat. Sowohl die Zielsetzung als auch der Handlungsbedarf sind unstreitig. Die demografische Alterung der Gesellschaft in Europa wird zu einer stetigen Abnahme der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bei gleichzeitiger Zunahme der Bevölkerungsteile im Pensions- beziehungsweise Rentenalter führen. So wird bis 2060 ein weiterer Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung um ungefähr sieben Jahre prognostiziert. Diese Entwicklungen werden nach Ansicht der Kommission zwangsläufig dazu führen, dass die staatlichen Rentensysteme aufgrund steigender Finanzierungskosten künftig immer weniger als Systeme der Sozialen Sicherung, sondern zunehmend mehr als ein stetig ansteigender Kostenfaktor für die öffentlichen Haushalte betrachtet werdenz. Dieser Wahrnehmungswandel wird sich zudem infolge der aktuellen Finanz- und Staatsschuldenkrise noch verstärken. Die Kommission regte deshalb mit der Vorlage des Grünbuchs Maßnahmen an, um Effizienz wie Sicherheit der Pensionsund Rentensysteme zu verbessern.
1 EU-Kommission, "Green Paper on Pensions", COM(2010)365 final, p. 1, 7.7.2010.
2 Nordheim Nielsen, EU-Kommission, Global Pensions Forum, 21.6.2011.
Der Kommentar
Damit ist die Diskussion um die zukünftige Ausgestaltung der Pensions- und Rentensysteme in Europa, wie erhofft, angeschoben und in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt worden. Mehr als 1. 700 Stellungnahmen sind im Rahmen der Konsultationsphase bei der Europäischen Kommission eingegangen. Auch die Mitgliedstaaten selbst sowie die nationalen Interessenvertreter haben die Notwendigkeit zum Handeln auf diesem Gebiet erkannt, wie 350 Eingaben staatlicher Stellen, nationaler Parlamente oder von Verbänden, Gewerkschaften, etc. verdeutlichen3•
Aufbauend auf der im März 2011 veröffentlichten Konsultationsauswertung hat die Europäische Kommission nach kontroversen internen Diskussionen am
3 EU-Kommission, 11White Paper on Pensions 11,
COM (2012) 55 final, p. 20, 16.2.2012.
16. Februar 2012 die endgültige Version des Weißbuchs "Eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten" veröffentlicht. In Weiterentwicklung zum Grünbuch identifiziert die Europäische Kommission im Weißbuch drei wesentliche Problemkreise, die im Hinblick auf die demografische Alterung auf europäischer Ebene adressiert werden sollen. Renten und Pensionsansprüche stellen hiernach einen großen und wachsenden Teil der öffentlichen Haushalte beziehungsweise der öffentlichen Ausgaben dar. Während dieser Anteil an den öffentlichen Haushalten im europaweiten Durchschnitt aktuell ungefähr 10% betrage, könnte dieser ohne angemessene Reformen bis 2060 auf über 12,5% ansteigen•. Neben diesem ersten Problemkreis wird als zweiter Problemkreis die demografische Alterung der Bevölkerung in den Fokus der Diskussion gerückt. Ältere Europäerinnen und Europäer machten bereits heute einen erheblichen Anteil an der EU-Bevölkerung (120 Millionen I 24%)5
aus, der in Zukunft weiter anwachsen werde. Pensions- und Rentensysteme dienten diesem Teil der Bevölkerung als Alterssicherung zum Erhalt eines "würdigen Lebensstandards". Zum Schutz vor Altersarmut tritt die Europäische Kommission deshalb ebenso für eine Wahrung der AngemessenheU von Pensionsund Rentenleistungen ein. Als dritter Problemkreis wird die Erhöhung der Erwerbsquote von Frauen sowie älteren Arbeitskräften als notwendig adressiert. Bis zum Jahr 2050 werde sich das Verhältnis des Anteils der Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und älter im Verhältnis zum Anteil der Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren von 26% im
4 EU-Kommission, a.a.O. (Fn. 3), p. 4. 5 EU-Kommission, a.a.O. (Fn. 3), p. 5.
Betriebliche Altersversorgung 3/2012 181