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5 Kapitel 5 Komplexe Zahlen

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5Kapitel 5

Komplexe Zahlen

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5

5 Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

5.1 Darstellung komplexer Zahlen ................................. 194

5.1.1 Algebraische Normalform ....................................... 194

5.1.2 Trigonometrische Normalform ................................. 195

5.1.3 Exponentielle Normalform ...................................... 196

5.1.4 Umformungen der Normalformen ............................. 197

5.2 Komplexe Rechenoperationen.................................. 200

5.2.1 Addition ............................................................ 200

5.2.2 Subtraktion ........................................................ 200

5.2.3 Multiplikation ..................................................... 201

5.2.4 Division............................................................. 203

5.2.5 Potenz .............................................................. 205

5.2.6 Wurzeln ............................................................ 206

5.2.7 Fundamentalsatz der Algebra .................................. 207

5.3 Anwendungen ..................................................... 209

5.3.1 Beschreibung harmonischer Schwingungen im Komplexen 209

5.3.2 Superposition gleichfrequenter Schwingungen .............. 210

5.3.3 Beschreibung von RCL-Gliedern bei Wechselstromen ..... 214

5.3.4 Beispiele fur RCL-Wechselstromschaltungen................ 216

5.4 Aufgaben zu komplexen Zahlen ............................... 219

Zusatzliche Abschnitte auf der Homepage

5.5 Komplexe Zahlen mit MAPLE .................................. web

5.5.1 Darstellung komplexer Zahlen mit MAPLE .................. web

5.5.2 Komplexes Rechnen mit MAPLE .............................. web

5.6 Ubertragungsfunktion fur RCL-Filterschaltungen .......... web

5.6.1 Ubertragungsfunktion fur lineare Ketten .................... web

5.6.2 Dimensionierung von Hoch- und Tiefpassen ................ web

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5 Komplexe Zahlen

Die komplexen Zahlen stellen bei der Beschreibung von elektrischen Wechselstrom-

schaltungen ein unverzichtbares Hilfsmittel dar. Fast jedes Lehrbuch uber die Be-

schreibung von elektrischen Schaltkreisen hat als einleitendes Kapitel eine Einfuh-

rung in die komplexen Zahlen. Einer der Grunde liegt darin, dass einfache Regeln

von Gleichstrom-Netzwerken sich auf Wechselstrom-Schaltungen ubertragen, wenn

man komplexe Widerstande einfuhrt.

Hinweis: Auf der Homepage befindet sich ein zusatzlicher Abschnitt uber die Anwen-

dung der komplexen Zahlen bei der Beschreibung von RCL-Filterschaltungen.

Zunachst behandeln wir die Grundlagen der komplexen Zahlen innerhalb der

Mathematik und beginnen mit einer mathematischen Problemstellung: Wie

wir im Abschnitt 4.2 uber Polynome bereits festgestellt haben, besitzt jedes

Polynom vom Grade n in IR hochstens n verschiedene Nullstellen. Aber schon

beim quadratischen Polynom p (x) = x2 + 1 zeigt sich, dass dieses Polynom in

IR keine Nullstellen besitzt. Lost man die Gleichung x2 + 1 = 0 formal nach x

auf, so erhalt man

x1/2 = ±√−1 /∈ IR.

Es hat sich als außerordentlich erfolgreich erwiesen, den Zahlenbereich der

reellen Zahlen zu erweitern, indem man√−1 als eine neue Einheit einfuhrt:

i :=√−1 (imaginare Einheit).

Die Bezeichnung imaginare Einheit ruhrt daher, dass sich die Wurzel jeder

negativen reellen Zahl als reelles Vielfache dieser Einheit darstellen lasst:

√−5 =

√−1 · 5 =

√−1 ·√

5 =√

5 i.

Alle reellen Vielfachen von i nennt man die imaginaren Zahlen. Die Kombina-

tion von reellen und imaginaren Zahlen liefern die komplexen Zahlen:

Definition: Ausdrucke der Form

c := a+ i b mit a, b ∈ IR

nennt man komplexe Zahlen und IC := c = a + i b; a, b ∈ IR die

Menge der komplexen Zahlen.

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194 5. Komplexe Zahlen

Fur b = 0 ist die Zahl c = a + 0 i = a ∈ IR. Die reellen Zahlen sind also in

den komplexen enthalten. Die mathematische Bedeutung der komplexen Zah-

len liegt darin, dass jedes Polynom vom Grade n genau n Nullstellen besitzt

(→ 5.2.7 Fundamentalsatz der Algebra).

5.1 5.1 Darstellung komplexer ZahlenJede reelle Zahl entspricht einem Punkt auf der Zahlengeraden:

Durch die Definition der komplexen Zahlen als ”Paare” c = a + i b hat eine

komplexe Zahl zwei ”Komponenten”: eine rein reelle Komponente a und eine

imaginare Komponente i b. Zur Darstellung von komplexen Zahlen geht man

also in die Zahlenebene uber.

5.1.1 Algebraische Normalform

Komplexe Zahlen

c := a+ i b mit a, b ∈ IR

lassen sich mit Hilfe von zwei Zahlengeraden veranschaulichen (Abb. 5.1):

Wahlt man ein Koordinatensystem mit Abszisse a (Vielfaches der Einheit 1)

und Ordinate i b (Vielfaches der Einheit i), so ist jede komplexe Zahl ein Punkt

dieser Ebene, der sog. Gaußschen Zahlenebene.

Abb. 5.1. Darstellung der komplexen Zahl c = a + i b.

Man nennt

a = Re (c) den Realteil von c

b = Im (c) den Imaginarteil von c.

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5.1 Darstellung komplexer Zahlen 195

4! Achtung: Sowohl der Real- als auch der Imaginarteil einer komplexen Zahl

sind reelle Zahlen. Man beachte daher: Der Imaginarteil einer komplexen Zahl

c = a+ i b ist nicht i b, sondern nur die reelle Große Im (c) = b !

Man bezeichnet die Darstellung der komplexen Zahl

c = a+ i b (Algebraische Normalform)

durch Realteil und Imaginarteil als algebraische Normalform. Als den Betrag

einer komplexen Zahl definieren wir den Abstand zum Nullpunkt

|c| :=√a2 + b2 =

√(Re (c))2 + (Im (c))2 (Betrag von c ).

Beispiele 5.1:

©1 c1 = 4 + 3 i → |c1| = 5.©2 c2 = −

√2 + 2 i → |c2| =

√6.

©3 c3 = − 32 − 3 i → |c3| =

√454 .

©4 c4 = 1− 3 i → |c4| =√

10.

Bemerkungen:

(1) Zwei komplexe Zahlen c1 = a1 + i b1 und c2 = a2 + i b2 sind genau dann

gleich, wenn a1 = a2 und b1 = b2. Realteil und Imaginarteil sind also zwei

eindeutig bestimmte Kenngroßen einer komplexen Zahl.

(2) Eine komplexe Zahl ist also nichts anderes als ein Punkt in der komplexen

Zahlenebene.

(3) Es ist ublich, den vom Ursprung O zum Punkte c weisenden Zeiger (Orts-

vektor) ebenfalls mit c zu bezeichnen.

5.1.2 Trigonometrische Normalform

Fuhrt man den Winkel ϕ zwischen dem komplexen Zeiger c und der positiven

IR-Achse ein, so gilt nach Abb. 5.1

cosϕ =a

|c|und sinϕ =

b

|c|.

Ersetzt man in der algebraischen Normalform a = |c| cosϕ und b = |c| sinϕ,

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196 5. Komplexe Zahlen

gilt fur die komplexe Zahl

c = a+ i b = |c| cosϕ+ i |c| sinϕ

c = |c| (cosϕ+ i sinϕ) (Trigonometrische Normalform).

Man nennt diese Darstellung die trigonometrische Normalform, mit

|c| dem Betrag der komplexen Zahl c und

ϕ dem Winkelargument (Winkel, Argument, Phase) von c.

Fur c = 0 ist ϕ nicht erklart! Die Phase einer komplexen Zahl ist nicht ein-

deutig, denn bei jeder vollen Umdrehung wird die Phase um 2π bzw. um 360

verandert.

Beispiele 5.2:

©1 c5 = 3 (cos 45 + i sin 45) .

©2 c6 = 4 (cos 150 + i sin 150) .

5.1.3 Exponentielle Normalform

Ersetzen wir in der trigonometrischen Normalform (cosϕ + i sinϕ) durch die

von Euler (1707-1783) eingefuhrten Abkurzung

eiϕ := cosϕ+ i sinϕ (Eulersche Formel),

dann lasst sich jede komplexe Zahl schreiben als

c = |c| eiϕ (Exponentialform).

Zunachst sehen wir die Eulersche Formel nur als Abkurzung an. Per Kon-

vention wird das Argument ϕ bei der Exponentialform immer im Bogenmaß

angegeben.

Beispiele 5.3:

©1 Exponentielle Normalform von c5: ϕ = 45=π4 → c5 = 3 ei π

4 .©2 Exponentielle Normalform von c6: ϕ = 150= 5

6π → c6 = 4 ei 56 π.

©3 Exponentielle Normalform von speziellen komplexen Zahlen:

ei π2 = i ; eiπ = −1 ; ei 3

2 π = −i ; e2π i = 1.

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5.1 Darstellung komplexer Zahlen 197

5.1.4 Umformungen der Normalformen

Im Folgenden geben wir die Rechenschritte zur Umformung von den einzelnen

Normalformen an. Bei den komplexen Rechenoperationen wahlen wir dann ei-

ne geeignete Normalform aus.

Exponentialdarstellung Trigonometrische Normalform:

Ist eine komplexe Zahl c in der Exponentialform c = |c| eiϕ gegeben, so folgt

mit der Eulerschen Formel direkt die trigonometrische Normalform

c = |c| (cosϕ+ i sinϕ) .

Ist die komplexe Zahl c = |c| (cosϕ+ i sinϕ) in der trigonometrischen Normal-

form gegeben, so folgt mit der Eulerschen Formel c = |c| eiϕ. Gegebenenfalls

muss ϕ vom Grad- ins Bogenmaß umgerechnet werden.

Beispiele 5.4:

©1 c7 = 5 ei 34 π → ϕ = 3

4π=135. ⇒ c7 = 5 (cos 135 + i sin 135) .©2 c8 =

√2 (cos 60 + i sin 60) → ϕ = 60=π

3 . ⇒ c8 =√

2 ei π3 .

Trigonometrische Normalform Algebraische Normalform:

Ist die komplexe Zahl c = |c| (cosϕ+ i sinϕ) in der trigonometrischen Normal-

form gegeben, folgt durch Ausmultiplizieren und Auswerten der trigonometri-

schen Funktionen die algebraische Normalform:

c = |c| cosϕ+ i |c| sinϕ

mit dem Realteil |c| cosϕ und dem Imaginarteil |c| sinϕ.

Ist die komplexe Zahl in der algebraischen Normalform c = a + i b gegeben,

folgt die trigonometrische Normalform, indem der Betrag |c| und der Winkel

ϕ bestimmt werden:

|c| =√a2 + b2

tanϕ =b

a⇒ ϕ.

4! Achtung: Bei der Berechnung des Winkels tanϕ = ba durch die Um-

kehrfunktion arctan ist zu beachten, dass der Winkel nur im Bereich

[−π2 ,

π2 ] angegeben wird (siehe Kap. 4.7). Der Winkel ϕ muss dann an-

hand einer Skizze im Bereich [0, 2π] spezifiziert werden.

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198 5. Komplexe Zahlen

Beispiele 5.5:

©1 c9 = 5 (cos 135 + i sin 135) = 5(− 1

2

√2)

+ i 5 12

√2 = − 5

2

√2 + i 5

2

√2.

©2 c10 = 4√

2 + i 4√

2.→ |c10| =

√16 · 2 + 16 · 2 =

√64 = 8,

& tanϕ = 4√

24√

2= 1 → ϕ = 45=π

4 .

⇒ c10 = 8 (cos 45 + i sin 45) = 8 ei π4 .

©3 c11 = −4√

2− i 4√

2.→ |c11| =

√16 · 2 + 16 · 2 =

√64 = 8,

& tanϕ = −4√

2−4√

2= 1 → ϕ = 45 + 180 = 225= 5

4π.

⇒ c11 = 8 (cos 225 + i sin 225) = 8 ei 54 π.

©4 c12 =√

3− i.→ |c12| =

√3 + 1 = 2,

& tanϕ = −1√3

= − 13

√3 → ϕ = −30 = 330= 11

6 π.

⇒ c12 = 2 (cos 330 + i sin 330) = 2 ei 116 π.

Die komplex konjugierte Zahl

Abb. 5.2. c und c*

Um die Division von zwei komplexen Zah-

len zu bestimmen, benotigen wir noch einen

neuen Begriff. Wir fuhren hierfur zu der kom-

plexen Zahl c die komplex konjugierte

Zahl c∗ ( bzw. c) ein, die aus c durch Spie-

gelung an der reellen Achse hervorgeht:

Definition:

c∗ := a− i b heißt die zu c = a+ i b komplex konjugierte Zahl.

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5.1 Darstellung komplexer Zahlen 199

Aufgrund der Definition der komplex konjugierten Zahl folgt

c = a+ i b ⇒ c∗ = a− i b.c = |c| (cosϕ+ i sinϕ) ⇒ c∗ = |c| (cosϕ− i sinϕ) .c = |c| eiϕ ⇒ c∗ = |c| e−iϕ.

Tipp: Man erhalt also die zu c komplex konjugierte Zahl sehr einfach,

indem man formal i durch −i ersetzt. Es gilt damit naturlich (c∗)∗ = c.

Zusammenfassung:

Die imaginare Einheit i :=√−1 ist definiert durch die Ei-

genschaft i2 = −1.

Fur komplexe Zahlen gibt es 3 Normalformen:

(1) c = a+ i b algebraische Normalform

mit a = Re (c) (Realteil) und b = Im (c) (Imaginarteil).

(2) c = |c| · (cosϕ+ i sinϕ) trigonometrische Normalform

mit |c| =√a2 + b2 (Betrag) und tanϕ =

b

a(Winkel).

(3) c = |c| eiϕ Exponentialform

ϕ wird hierbei im Bogenmaß angegeben.

Komplexe Zahlen lassen sich in der Gaußschen Zahlenebene graphisch

darstellen.

Die zu c komplex konjugierte Zahl c∗ lautet

c∗ = a− i b = |c| (cosϕ− i sinϕ) = |c| e−iϕ.

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200 5. Komplexe Zahlen

5.2 5.2 Komplexe RechenoperationenWas unter Summe, Differenz, Produkt und Quotient zweier komplexer Zahlen

zu verstehen ist, wird nicht durch die Konstruktion der komplexen Zahlen fest-

gelegt. Man muss diese Verknupfungen neu definieren; aber naturlich so, dass

fur den Spezialfall Imaginarteil gleich Null die bereits festgelegten Verknup-

fungen in IR herauskommen.

Seien im Folgenden c1 = a1 + i b1 und c2 = a2 + i b2 zwei beliebige komplexe

Zahlen. Dann definiert man:

5.2.1 Addition

c1 + c2 := (a1 + a2) + i (b1 + b2)

Die Addition zweier komplexer Zahlen bedeutet die Addition der Realteile und

die Addition der Imaginarteile. Die Addition wird in der algebraischen Nor-

malform durchgefuhrt.

Beispiele 5.6:

©1 c1 = 9− 2 i, c2 = 4 + i.

c1 + c2 = (9 + 4) + i (−2 + 1) = 13− i.

©2 c1 = 3(cos 30 + i sin 30), c2 = 4 + i. Um c1 und c2 zu addieren, muss die

Zahl c1 erst in die algebraische Normalform umgeformt werden:

c1 = 3 cos 30 + i 3 sin 30 = 2, 598 + 1, 5 i.⇒ c1 + c2 = (2, 598 + 1, 5 i) + (4 + i) = 6, 598 + 2, 5 i.

5.2.2 Subtraktion

c1 − c2 := (a1 − a2) + i (b1 − b2)

Die Subtraktion zweier komplexer Zahlen bedeutet die Subtraktion der Real-

teile und die Subtraktion der Imaginarteile. Die Subtraktion wird in der alge-

braischen Normalform durchgefuhrt.

Beispiele 5.7:

©1 c1 = 9− 2 i, c2 = 4 + i.

c1 − c2 = (9− 2 i)− (4 + i) = 9− 4 + i (−2− 1) = 5− 3 i.

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5.2 Komplexe Rechenoperationen 201

©2 c1 = 2 eπ4 i, c2 = 4− 2 i. Um c1 und c2 voneinander zu subtrahieren, wird

c1 erst in die algebraische Normalform umgeformt:

ϕ = π4 =45 → c1 = 2 e

π4 i = 2 (cos 45 + i sin 45)

= 212

√2 + i 2

12

√2 = 1, 414 + i 1, 414.

⇒ c1 − c2 = (1, 414 + i 1, 414)− (4− 2 i) = −2, 586 + 3, 414 i.

Geometrische Interpretation. Da die Addition und Subtraktion zweier

komplexer Zahlen analog den entsprechenden Regeln der Vektorrechnung er-

folgen (namlich komponentenweise), entspricht die graphische Darstellung der

Rechenoperationen dem Krafteparallelogramm, also der Vektoraddition bzw.

-subtraktion.

Abb. 5.3. Addition und Subtraktion von komplexen Zahlen

Bemerkung: Obwohl eine komplexe Zahl nur einen Punkt in der komplexen

Zahlenebene darstellt, wird wegen obiger Interpretation der ”Vektoraddition”

eine komplexe Zahl oftmals mit dem Zeiger (Ortsvektor) identifiziert.

5.2.3 Multiplikation

c1 · c2 := (a1 a2 − b1 b2) + i (a1 b2 + b1 a2)

Diese Formel fur die Multiplikation ergibt sich, wenn (a1 + i b1) · (a2 + i b2)nach dem Distributivgesetz fur reelle Zahlen gliedweise ausmultipliziert und

die Definition von i2 = −1 ausgenutzt wird:

c1 · c2 = (a1 + i b1) · (a2 + i b2)= (a1 a2 + a1 i b2 + i b1 a2 + i b1 i b2)= a1 a2 + i2 b1 b2 + i a1 b2 + i b1 a2

= (a1 a2 − b1 b2) + i (a1 b2 + b1 a2) .

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202 5. Komplexe Zahlen

Beispiele 5.8:

©1 c1 = 9− 2 i, c2 = 4 + i.

c1 · c2 = (9− 2 i) (4 + i) = (36 + 2) + i (9− 8) = 38 + i.

©2 Fur das Produkt von c = a+ i b mit der komplex konjugierten Zahl c∗ =a− i b gilt

c · c∗ = (a+ i b) (a− ib) = a2 + b2 = |c|2 .

Damit erhalt man folgende wichtige Formel fur |c|:

|c| =√a2 + b2 =

√c · c∗

Geometrische Interpretation: Zur geometrischen Interpretation fuhren wir

die Multiplikation nochmals aus, jetzt allerdings gehen wir von der trigonome-

trischen Normalform von

c1 = |c1| (cosϕ1 + i sinϕ1) und c2 = |c2| (cosϕ2 + i sinϕ2)

aus. Gliedweises ausmultiplizieren liefert

c1 · c2 = |c1| (cosϕ1 + i sinϕ1) · |c2| (cosϕ2 + i sinϕ2)

= |c1| |c2| [cosϕ1 cosϕ2 − sinϕ1 sinϕ2] + i [sinϕ1 cosϕ2 + cosϕ1 sinϕ2].

Wenden wir nun die Additionstheoreme fur cos (ϕ1 + ϕ2) und sin (ϕ1 + ϕ2)aus Kapitel 4.6.4 an:

cos (ϕ1 + ϕ2) = cosϕ1 cosϕ2 − sinϕ1 sinϕ2

sin (ϕ1 + ϕ2) = sinϕ1 cosϕ2 + cosϕ1 sinϕ2,

so erhalten wir als Produkt

c1 · c2 = |c1| · |c2| · (cos (ϕ1 + ϕ2) + i sin (ϕ1 + ϕ2)) .

Tipp: Die Multiplikation zweier komplexer Zahlen bedeutet die Multi-

plikation der Betrage und die Addition der Winkel. Dadurch kann

der Punkt c1 · c2 leicht in der Gaußschen Zahlenebene konstruiert werden.

Fur die Darstellung in der Exponentialform folgt

c1 · c2 = |c1| eiϕ1 · |c2| eiϕ2 = |c1| |c2| ei(ϕ1+ϕ2).

Dies entspricht genau der Eigenschaft der reellen Exponentialfunktion:

ex1 · ex2 = ex1+x2 .

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5.2 Komplexe Rechenoperationen 203

Abb. 5.4. Multiplikation zweier komplexer Zahlen

5.2.4 Division

c1c2

:=a1 a2 + b1 b2(a2)2 + (b2)2

+ ib1a2 − a1b2(a2)2 + (b2)2

fur c2 6=0

Diese Formel fur die Division ergibt sich, wenn man formal c1c2

mit c∗2 erweitert

und Zahler bzw. Nenner ausmultipliziert:

c1c2

=c1c2· c∗2

c∗2=a1 + i b1a2 + i b2

· a2 − i b2a2 − i b2

=(a1 + i b1) (a2 − i b2)(a2 + i b2) (a2 − i b2)

=(a1 a2 + b1 b2) + i (b1 a2 − a1 b2)

(a2)2 + (b2)2.

4! Auch in IC ist die Division durch 0 = 0 + i 0 nicht erlaubt!

Geometrische Interpretation: Fuhrt man die Division in der trigonometri-

schen Normalform durch, so erhalt man unter Verwendung der trigonometri-

schen Formeln fur cos (ϕ1 − ϕ2) und sin (ϕ1 − ϕ2) analog dem Vorgehen unter

Abschnitt 5.2.3

c1c2

=|c1| (cosϕ1 + i sinϕ1)|c2| (cosϕ2 + i sinϕ2)

=|c1||c2|

(cos (ϕ1 − ϕ2) + i sin (ϕ1 − ϕ2))

sowie

c1c2

=|c1| eiϕ1

|c2| eiϕ2=|c1||c2|

ei(ϕ1−ϕ2).

Tipp: Bei der Quotientenbildung zweier komplexer Zahlen werden die

Betrage dividiert und die Winkel subtrahiert. Damit ist c1c2

ebenfalls

in der Gaußschen Zahlenebene geometrisch zu konstruieren.

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204 5. Komplexe Zahlen

Beispiele 5.9:

©1 c1 = 9− 2 i, c2 = 4 + i.

Um c1c2

zu berechnen, erweitern wir den Quotienten mit c∗2 und multipli-

zieren Zahler und Nenner aus:

c1c2

=9− 2 i4 + i

· 4− i4− i

=(9 · 4− 2 · 1) + i (−2 · 4− 9 · 1)

17= 2− i.

©2 c1 = 8 ei 43 π, c2 = 4 (cos 60 + i sin 60) .

Um c1c2

zu berechnen, stellen wir c2 in der Exponentialform dar. Da 60=π3

gilt

c2 = 4 (cos 60 + i sin 60) = 4 ei π3 .

Damit folgt

c1c2

=8 ei 4

3 π

4 ei π3

= 2 ei( 43 π−π

3 ) = 2 eiπ = −2.

Beispiel 5.10. Gegeben seien c1 = 1+ i√

3 und c2 = −√

3+3 i. Man berechne

(i) c1 · c2 und (ii) c1c2. (iii) Man bestimme die exponentielle Normalform der

Zahlen und fuhre nochmals die (iv) Multiplikation bzw. (v) die Division durch.

(i) c1 · c2 =(1 + i

√3) (−√

3 + 3 i)

=(−√

3− 3√

3)

+ i (3− 3) = −4√

3.

(ii)c1c2

=1 + i

√3

−√

3 + 3 i· −√

3− 3 i−√

3− 3 i=−√

3 + 3√

3− 3 i− 3 i3 + 9

=√

36− 1

2i.

(iii) Darstellung von c1 und c2 in exponentieller Normalform

|c1| =√

1 + 3 = 2; tanϕ =√

31 =

√3⇒ ϕ = 60=π

3 ⇒ c1 = 2 ei π3 .

|c2| = 2√

3; tanϕ = − 3√3⇒ ϕ = π − π

3 = 23π ⇒ c2 = 2

√3 ei 2

3 π.

(iv) c1 · c2 = 2 ei π3 · 2√

3 ei 23 π = 4

√3 eiπ = −4

√3.

(v)c1c2

= 22√

3ei(π

3−23 π) = 1

3

√3 e−i π

3 .

Zusammenfassung:

Addition, Subtraktion und Multiplikation werden formal wie bei reellen

Zahlen ausgefuhrt, wobei i2 = −1 zu ersetzen ist.

Die Division c1c2

wird durch Erweiterung mit c∗2 berechnet. Die Ergebnisse

werden in die Form a+ i b (a, b ∈ IR) gebracht.

Multiplikation und Division lassen sich in der trigonometrischen bzw. ex-

ponentiellen Normalform sehr einfach ausfuhren: Bei der Multiplikation

werden die Betrage multipliziert und die Winkel addiert, wahrend bei der

Division die Betrage dividiert und die Winkel subtrahiert werden.

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5.2 Komplexe Rechenoperationen 205

5.2.5 Potenzen

Die Potenz cn (n ∈ IN) einer komplexen Zahl gestaltet sich in der trigonome-

trischen bzw. exponentiellen Normalform als besonders einfach. Gehen wir von

der komplexen Zahl c in der exponentiellen Normalform aus: c = |c| eiϕ. Dann

gilt

c2 = c · c = |c| eiϕ |·c| eiϕ = |c|2 ei 2 ϕ

c3 = c2 · c = |c|2 ei 2 ϕ · |c| eiϕ = |c|3 ei 3 ϕ

usw.

Durch vollstandige Induktion weist man direkt nach, dass gilt

c = |c| (cosϕ+ i sinϕ) ⇒ cn = |c|n (cos (nϕ) + i sin (nϕ))

bzw.

c = |c| eiϕ ⇒ cn = |c|n ei n ϕ.

Diese sog. Moivresche Formel besagen, dass man cn dadurch erhalt, indem der

Betrag potenziert und der Winkel mit n multipliziert wird.

Beispiele 5.11:

©1 Gesucht ist(2√

2 + i 2√

2)5.

Um die komplexe Zahl c = 2√

2 + i 2√

2 mit 5 zu potenzieren, mussen wir

sie zuerst in der exponentiellen Normalform darstellen:

|c| =√

4 · 2 + 4 · 2 =√

16 = 4tanϕ = 2

√2

2√

2= 1 → ϕ = π

4

⇒ c = 4 ei π

4

Anschließend konnen wir die Potenzformel verwenden: Der Betrag wird

mit 5 potenziert und der Winkel mit 5 multipliziert:

⇒ c5 = 45 ei π4 ·5 = 1024 ei 5

4 π.

©2 Gesucht ist(√

3− i)6.

Nach Beispiel 5.5 ©4 ist c =√

3− i = 2 ei 116 π.

Entsprechend der Potenzformel erhalt man

c6 =(2 ei 11

6 π)6

= 26 ei 116 π·6 = 64 ei 11π = −64.

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206 5. Komplexe Zahlen

5.2.6 Wurzeln

Fur c = |c| (cosϕ+ i sinϕ) = |c| eiϕ ist die n-te Wurzel (n ∈ IN) gegeben

durch

c1n = n

√|c|(

cos(ϕ+ k · 360

n

)+ i sin

(ϕ+ k · 360

n

));

k = 0, 1, . . . , n− 1

= n√|c| ei ϕ+k·2π

n ; k = 0, 1, 2, . . . , n− 1, (∗)

wenn n√|c| die reelle n-te Wurzel von |c| ≥ 0.

Begrundung: Um zu zeigen, dass die komplexen Zahlen

Wk := n√|c| ei ϕ+k 2π

n ; k = 0, 1, 2, . . . , n− 1

n-te Wurzel von c sind, genugt es zu zeigen, dass (Wk)n = c. Denn die

n-te Wurzel einer komplexen Zahl hat die universelle Eigenschaft, dass sie

zur n-ten Potenz genommen genau c ergeben muss! Dies ist aber aufgrund

der Rechenregeln fur das Potenzieren offensichtlich:

(Wk)n =(

n√|c|)n

ei ϕ+k 2πn ·n = |c| ei(ϕ+k 2π) = |c| eiϕ,

wenn man beachtet, dass ei(ϕ+k 2π) = eiϕ fur k ∈ IN ist.

Die n-ten Wurzeln Wk sind fur k = 0, . . . , n− 1 voneinander verschieden, wie-

derholen sich aber fur k ≥ n. Man beachte also, dass die n-te Potenz einer

komplexen Zahl eindeutig, die n-ten Wurzeln aber mehrdeutig sind.

Beispiele 5.12:

©1(4√

2 + i 4√

2) 1

3 =(8 ei π

4) 1

3 = 3√

8 eiπ4 +k·2π

3 ; k = 0, 1, 2= 2 ei π

12 , 2 ei 912 π , 2 ei 17

12 π.

©2 (−1)15 =

(1 eiπ

) 15 = 5

√1 ei π+k·2π

5 ; k = 0, 1, 2, 3, 4= ei π

5 , ei 35 π , eiπ , ei 7

5 π , ei 95 π.

Sonderfall: Die n-ten Wurzeln aus 1: Jede komplexe Losung von zn = 1heißt n-te Einheitswurzel. Mit Formel (∗) folgt fur c = 1:

11n =

(1 ei0

) 1n = 1 , ei 2π

n , ei 4πn , . . . , ei 2π (n−1)

n .

Der Betrag dieser Zahlen ist jeweils 1, d.h. die n-ten Einheitswurzeln liegen auf

dem Einheitskreis. Die Differenz der Winkel ist jeweils 2πn , so dass sie nachein-

ander durch Drehung um 2πn aus der 1 hervorgehen.

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5.2 Komplexe Rechenoperationen 207

Beispiel 5.13. Gesucht sind alle 9.-ten Einheitswurzeln:

(1)19 =

(1 ei0

) 19 = 9

√1 ei 0+k 2π

9 ; k = 0, . . . , 8= 1 e0 , ei 2π

9 , ei 4π9 , . . . , ei 16

9 π.

Abb. 5.5. 9.-te Einheitswurzel von c = 1

Satz: Fur n > 1 gilt:

n−1∑k= 0

eiϕ+ k · 2π

n = 0.

Begrundung: Dieser Satz ist aufgrund seiner geometrischen Eigenschaft

offensichtlich, da ei ϕ+k·2πn die n-te Einheitswurzel der komplexen Zahl eiϕ

darstellt. Summiert man alle n Einheitswurzeln auf (Vektoraddition), so

ergibt die Summe Null; formal erhalt man diese Aussage uber die geome-

trische Reihe, dennn−1∑k= 0

ei ϕ+k·2πn =

n−1∑k= 0

ei ϕn ei k 2π

n = ei ϕn

n−1∑k= 0

(ei 2π

n

)k

= ei ϕn

1−(

ei 2πn

)n

1− ei 2πn

= 0,

da 1−(ei 2π

n

)n

= 1− ei2π = 1− 1 = 0.

Visualisierung mit Maple: Auf der Homepage befinden sich Work-

sheets, um komplexe Zahlen und die komplexen Rechenoperationen

graphisch darzustellen bzw. in Form von Animationen zu visualisieren.

5.2.7 Fundamentalsatz der Algebra

Wir interpretieren die Mehrdeutigkeit der n-ten Wurzel folgendermaßen: Jedes

Polynom n-ten Grades der Form p (z) = zn − a (n ∈ IN, a ∈ IC) hat genau

n Nullstellen, namlich die n-ten Wurzeln von a. Diese Eigenschaft lasst sich

auf beliebige komplexe Polynome vom Grade n verallgemeinern. Dies ist der

Inhalt des Fundamentalsatzes der Algebra, der auf F. Gauß (1797) zuruckgeht:

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208 5. Komplexe Zahlen

Satz: Jedes komplexe Polynom n-ten Grades

p (z) = an zn + an−1 z

n−1 + . . .+ a1 z + a0

(ak ∈ IC, an 6= 0, z ∈ IC)besitzt genau n Nullstellen.

Zusatz: Sind die Koeffizienten von p (z) reell (d.h. ak ∈ IR), so sind die

Nullstellen reell oder sie treten paarweise komplex konjugiert auf.

Der Fundamentalsatz stellt zwar sicher, dass jedes Polynom n-ten Grades n

Nullstellen besitzt, er sagt aber nichts daruber aus, wie diese Nullstellen zu

finden sind. Es gibt auch im Komplexen außer in einfachen Spezialfallen keine

allgemeine Formel, wie die Nullstellen berechnet werden konnen. Somit bleibt

wie im Reellen: Entweder die Nullstellen zu erraten und durch Polynomdivi-

sion den Grad zu reduzieren oder sie numerisch zu bestimmen.

Beispiel 5.14. Gesucht sind die Nullstellen von

p(z) = z3 − 2 z − 4.

Der Fundamentalsatz besagt, dass es genau 3 Nullstellen gibt. Um eine

Nullstelle zu erhalten, probieren wir z = 0, ±1, ±2 : → z = 2 ist eine

Nullstelle. Durch Polynomdivision erhalten wir:(z3 −2z −4) : (z − 2) = z2 + 2z + 2.z3 −2z2

2z2 −2z2z2 −4z

2z −42z −4

0

⇒(z3 − 2 z − 4

)= (z − 2)

(z2 + 2 z + 2

).

Die quadratische Formel liefert z2/3 = −1±√

1− 2 = −1± i.Die Nullstellen des Polynoms sind also: 2 , −1 + i , −1− i.

Bemerkung: Der Zusatz zum Fundamentalsatz lasst sich direkt nachrechnen:

Ist p(z) = an zn + an−1 z

n−1 + . . .+ a1 z + a0 ein reelles Polynom und z0 eine

Nullstelle von p, dann ist z∗0 ebenfalls eine Nullstelle von p:

p(z∗0) = an (z∗0)n + an−1(z∗0)n−1 + . . .+ a1 z∗0 + a0

= an (zn0 )∗ + an−1

(zn−10

)∗+ . . .+ a1 (z0)

∗ + a0

=(an z

n0 + an−1 z

n−10 + . . .+ a1 z0 + a0

)∗= (p (z0))

∗ = 0∗ = 0.

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5.3 Anwendungen 209

5.35.3 Anwendungen

5.3.1 Beschreibung harmonischer Schwingungen im Komplexen

Das aus der Mechanik bekannte Federpendel hat die Eigenschaft, dass bei

einer ungedampften Schwingung die Auslenkung aus der Ruhelage s(t) den

zeitlichen Verlauf s(t) = A cos(ωt + ϕ) besitzt. Das System schwingt mit der

Frequenz ω =√

Dm , wenn D die Federkonstante und m die Masse ist. Diese

Funktion besitzt eine zeitlich konstante Maximalamplitude A und die Null-

phase ϕ. Die Schwingungsdauer betragt T = 2πω . Eine periodische Bewegung

mit einer Frequenz ω und zeitlich konstanter Maximalamplitude A nennt man

harmonische Schwingung. Das zum Federpendel elektrische Analogon ist

der Spannungsverlauf U(t) = U0 cos(ωt + ϕ) in einem LC-Wechselstromkreis

mit der Frequenz ω =√

1LC bzw. der Schwingungsdauer T = 2π

√LC.

Zur Beschreibung von harmonischen Schwingun-

gen im Komplexen betrachten wir zunachst die

komplexe Zahl

c = cosϕ+ i sinϕ = eiϕ.

Da |c| = 1, ist c eine Zahl auf dem Einheitskreis.

Projiziert man den Punkt c auf die reelle Achse,

erhalt man den Realteil von c: Re(c) = cosϕ;projiziert man den Punkt c auf die imaginare

Achse, so erhalt man den Imaginarteil von c:

Im(c) = sinϕ.

Variiert der Winkel ϕ als Funktion der Zeit ϕ = ω · t (ω = 2πT konstante

Kreisfrequenz), durchlauft eiϕ = eiωt fur 0 ≤ t ≤ T den Einheitskreis in der

komplexen Ebene.

cosωt und sinωt sind die Projektionen des komplexen Zeigers eiωt

auf die reelle bzw. auf die imaginare Achse.

Visualisierung: Auf der Homepage befindet sich eine Animation,

welche die Projektionen von eiωt auf die x- bzw. y-Achse darstellt.

Der im Einheitskreis laufenden Zeiger eiωt wird zusammen mit seinem Real-

und Imaginarteil animiert dargestellt, indem die Variable t von 0 bis 2πT variiert

(siehe auch Abb. 5.6).

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210 5. Komplexe Zahlen

Abb. 5.6. Real- und Imaginarteil von ei ω t

Eine harmonische Schwingung mit Amplitude A und Nullphase ϕ0 lasst sich

somit darstellen in der Form

A cos (ωt+ ϕ0) = Re(Aei(ωt+ϕ0)

)= Re

(Aeiϕ0 eiωt

)A sin (ωt+ ϕ0) = Im

(Aei(ωt+ϕ0)

)= Im

(Aeiϕ0 eiωt

).

Also ist die komplexe Beschreibung einer harmonischen Schwingung

y (t) = Aeiϕ0 eiωt

mit der komplexen Amplitude Aeiϕ0 und dem reinen Zeitanteil eiωt.

5.3.2 Superposition gleichfrequenter Schwingungen

Im Folgenden werden wir die Uberlagerung (Superposition) zweier gleichfre-

quenter harmonischer Schwingungen im Komplexen berechnen. Dabei nutzen

wir aus, dass die komplexe Amplitude sowohl die reelle Amplitude A als auch

die Phase ϕ der Schwingung beinhaltet. Gegeben seien zwei Schwingungen

u1(t) = u1 sin (ωt+ ϕ1)u2 (t) = u2 sin (ωt+ ϕ2) .

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5.3 Anwendungen 211

Gesucht ist die Amplitude A und Phase ϕ der Uberlagerung

u (t) = u1 (t) + u2 (t) = A sin (ωt+ ϕ) .

Zur Berechnung der Uberlagerung interpretieren wir u1 (t) als Imaginarteil

der komplexen Schwingung u1 (t) = u1 ei(ωt+ϕ1) und u2 (t) als Imaginarteil

von u2 (t) = u2 ei(ωt+ϕ2) und fuhren die Uberlagerung im Komplexen durch.

Anschließend nehmen wir von dem Ergebnis die imaginare Komponente; sie

entspricht dann u1 (t) + u2 (t) :

u1 (t) + u2 (t) = Im u1 (t) + Im u2 (t) = Im (u1 (t) + u2 (t)) = Im u (t) = u (t) .

Ubergang u1 (t) = u1ei(ωt+ϕ1) = u1e

iϕ1eiωt,−−−−−−−−−−−−→ins Komplexe u2 (t) = u2e

i(ωt+ϕ2) = u2eiϕ2eiωt.

Komplexe−−−−−−−−−→ u(t) = u1 (t) + u2 (t)

Addition = u1 eiϕ1 eiωt + u2 e

iϕ2 eiωt

=(u1 e

iϕ1 + u2 eiϕ2)eiωt

= Aeiϕ eiωt = Aei(ωt+ϕ).

Die komplexe Amplitude der Uberlagerung Aeiϕ ergibt sich aus der Sum-

me der beiden Einzelamplituden u1 eiϕ1 und u2 e

iϕ2 . Die Superposition

entspricht der vektoriellen Addition dieser komplexen Amplituden. Die

komplexe Addition kann sowohl rechnerisch als auch zeichnerisch (siehe

Abb. 5.7) durchgefuhrt werden.

Abb. 5.7. Graphische Addition der komplexen Amplituden

Fuhrt man die komplexe Addition formelmaßig durch, sind A und ϕ be-

stimmt durch

Aeiϕ = u1 eiϕ1 + u2 e

iϕ2

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212 5. Komplexe Zahlen

= u1 (cos(ϕ1) + i sin(ϕ1)) + u2 (cos(ϕ2) + i sin(ϕ2))

= (u1 cos(ϕ1) + u2 cos(ϕ2)) + i (u1 sin(ϕ1) + u2 sin(ϕ2)).

Damit ergibt sich A =√

Re2 +Im2 und tan(ϕ) = ImRe . Unter Verwendung

des Additionstheorems fur die Kosinusfunktion und cos2 α + sin2 α = 1gilt

A2 = u21 cos2(ϕ1) + u2

2 cos2(ϕ2) + 2u1u2 cos(ϕ1) cos(ϕ2) +

u21 sin2(ϕ1) + u2

2 sin2(ϕ2) + 2u1u2 sin(ϕ1) sin(ϕ2)

= u21 + u2

2 + 2u1u2 cos(ϕ1 − ϕ2)

und

tan(ϕ) =u1 sin(ϕ1) + u2 sin(ϕ2)u1 cos(ϕ1) + u2 cos(ϕ2)

.

Ubergang−−−−−−−−−→ins Reelle

u (t) = u1 (t) + u2 (t) = Im(Aei(ωt+ϕ)

)= A sin (ωt+ ϕ) .

Zusammenfassung: Besitzen zwei harmonische Schwingungen u1 (t) =u1 sin (ωt+ ϕ1) und u2 (t) = u2 sin (ωt+ ϕ2) dieselbe Frequenz ω, dann

ist die Superposition wieder eine harmonische Schwingung

u (t) = u1 (t) + u2 (t) = A sin (ωt+ ϕ) .

mit Amplitude

A =√u2

1 + u22 + 2u1u2 cos(ϕ1 − ϕ2)

und Phase

tan(ϕ) =u1 sin(ϕ1) + u2 sin(ϕ2)u1 cos(ϕ1) + u2 cos(ϕ2)

.

Bemerkungen:

(1) Auf dieselbe Weise erhalt man die Uberlagerung zweier Kosinusschwin-

gungen u1 (t) = u1 cos (ωt+ ϕ1) , u2 (t) = u2 cos (ωt+ ϕ2) , indem diese

Schwingungen als Realteil der entsprechenden komplexen Schwingungen

interpretiert werden. u (t) = Re(Aei(ωt+ϕ)

)liefert dann den Kosinusanteil

der Superposition.

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5.3 Anwendungen 213

(2) Ist eine Schwingung in Kosinusdarstellung u1 (t) = a1 cos (ωt+ ϕ1) und

die andere in der Sinusdarstellung u2 (t) = a2 sin (ωt+ ϕ2) gegeben, so

muss eine gemeinsame Darstellungsform gewahlt werden. Entweder man

schreibtu1(t) = a1 cos (ωt+ ϕ1) = a1 sin

(ωt+ ϕ1 +

π

2

)und fuhrt die Uberlagerung in der Sinusform durch oder man schreibt fur

u2(t) = a2 sin (ωt+ ϕ2) = a2 cos(ωt+ ϕ2 −

π

2

)und fuhrt die Uberlagerung in der Kosinusform durch.

(3) 4! Achtung: Die Uberlagerung zweier harmonischer Schwingungen un-

terschiedlicher Frequenzen fuhrt i.A. nicht mehr zu einer periodischen

Funktion. Nur im Fall, dass das Verhaltnis der Frequenzen eine gebrochen-

rationale Zahl ist, erhalt man wieder eine periodische Funktion, aber auch

dann keine harmonische mehr. Siehe auch das zugehorige Worksheet.

Beispiel 5.15 (Mit Maple-Worksheet). Gesucht ist die Uberlagerung der

beiden Wechselspannungen

u1 (t) = 4 sin(2 t) und u2 (t) = 3 cos(2 t− π

6

).

Bevor man diese beiden harmonischen Funktionen uberlagert, stellt man

z.B. u2 (t) als Sinusfunktion dar:

u2 (t) = 3 cos(2 t− π

6

)= 3 sin

(2 t− π

6+π

2

)= 3 sin

(2 t+

π

3

).

Ubergang u1 (t) = 4 ei 2 t

−−−−−−−−−−→ins Komplexe u2 (t) = 3 ei(2 t+ π

3 ) = 3 ei π3 ei 2 t.

Komplexe−−−−−−−−→ u (t) = u1 (t) + u2 (t)

Addition = 4 ei 2 t + 3 ei π3 ei 2 t =

(4 + 3 ei π

3)ei 2 t.

Addition der komplexen Amplituden

c = 4+3 ei π3 = 4+3

(cos π

3 + i sin π3

)= 4+3

(12 + i 12

√3)

= 5, 5+i 2, 6.

Darstellung von c in Exponentialform

|c| =√

5, 52 + 2, 62 = 6, 08 ,tanϕ = Im c

Re c = 2,65,5 → ϕ = 25, 28=0.44 .

⇒ c = Aeiϕ mit A = 6, 08 ϕ = 0.44

⇒ u (t) = 6, 08 ei 0.44 ei 2 t = 6, 08 ei (2 t+0.44).

Ubergang−−−−−−−→ins Reelle

u (t) = Im u (t) = 6, 08 sin (2 t+ 0.44) .

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214 5. Komplexe Zahlen

In Abb. 5.8 ist die Uberlagerung der beiden Schwingungen graphisch darge-

stellt:

Abb. 5.8. Uberlagerung zweier gleichfrequenter Schwingungen

Dieses Verfahren lasst sich leicht auf den Fall der Uberlagerung von mehr als

zwei harmonischen Schwingungen mit gleichen Frequenzen ubertragen.

5.3.3 Beschreibung von RCL-Gliedern bei Wechselstromen

Wir betrachten elektrische Netzwerke, die sich aus Ohmschen Widerstanden,

Kapazitaten und Induktivitaten zusammensetzen. In Wechselstromkreisen be-

sitzen die Spannungen U(t) und die Strome I(t) zeitlich einen sinus- oder

kosinusformigen Verlauf:

U(t) = U0 cos(ωt+ ϕ1) , I (t) = I0 cos (ωt+ ϕ2) .

Wir gehen zu der komplexen Formulierung uber und fassen sie als Realteile

der komplexen Funktionen

U(t) = U0 ei(ωt+ϕ1) = U0 e

iϕ1 eiωt = U0 eiωt

I (t) = I0 ei(ωt+ϕ2) = I0 e

iϕ2 eiωt = I0 eiωt

auf. Im Folgenden zeigen wir, dass sich das Ohmsche Gesetz auf die induktiven

und kapazitiven Schaltelemente ubertragt, wenn man diese komplexe Formu-

lierung wahlt.

(1) Ohmscher Widerstand R. Fur einen Ohmschen Widerstand ist der

Zusammenhang zwischen Spannung und Strom gegeben durch U(t) = RI(t).

Dieses Gesetz gilt auch fur einen komplexen Wechselstrom I(t) = I0 eiωt.

→ U (t) = R I0 eiωt = R I (t) .

Ein Ohmscher Widerstand wird durch den reellen Widerstand R beschrieben.

Strom und Spannung sind in Phase.

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5.3 Anwendungen 215

(2) Kapazitat C. Bei einem Kondensator mit Kapazitat C besteht folgender

Zusammenhang zwischen Ladung Q und angelegter Spannung U :

Q = C · U → I(t) =d

dtQ (t) = C · U(t).

Speziell fur U(t) = U0 eiωt folgt

I(t) = C ·(U0 e

iωt)′

= C · U0 eiωt iω = C · iω U(t).

Also ist der komplexe Widerstand

RC :=U(t)I (t)

=1iωC

= −i 1ωC

.

Einer Kapazitat wird der komplexe Widerstand RC = 1iωC zugeordnet. Span-

nung und Strom sind um −90 verschoben. Bei diesen Uberlegungen wurde die

Formel(eiωt

)′ = iω eiωt benutzt. Diese Gesetzmaßigkeit werden wir in Kap.

9.5.5 nachprufen.

(3) Induktivitat L. Bei einer Spule mit Induktivitat L ist der Zusammenhang

zwischen Strom und induzierter Spannung durch das Induktionsgesetz

U(t) = Ld I (t)dt

gegeben. Speziell fur I (t) = I0 eiωt folgt

U (t) = L(I0 e

iωt)′

= L I0 eiωt iω = iωL I (t) .

Einer Spule mit Induktivitat L wird der komplexe Widerstand

RL :=U (t)I (t)

= iωL

zugeordnet. iωL liegt auf der positiven imaginaren Achse. Die Phase zwischen

Spannung und Strom betragt +90; die Spannung eilt dem Strom um 90 vor-

aus.

Zusammenfassung: Fur RCL-Netzwerke gelten bei Wechselspannungen,

U (t) = U0 eiωt, bzw. Wechselstromen, I (t) = I0 e

iωt, Ohmsche Gesetze

der Form U (t) = R I (t) , wenn den einzelnen Schaltelementen komplexe

Widerstande (Impedanzen) R zugeordnet werden:

Ohmscher Widerstand R RΩ = R

Kapazitat C RC = 1iωC

Induktivitat L RL = iωL

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216 5. Komplexe Zahlen

Folgerung: Mit den Kirchhoffschen Regeln ergibt sich fur die Ersatzschal-

tung zweier komplexer Widerstande R1 und R2 durch einen komplexen

Gesamtwiderstand (= Ersatzwiderstand) R :

(a) Reihenschaltung R = R1 + R2.

(b) Parallelschaltung1R

=1R1

+1R2

bzw. R =R1 R2

R1 + R2

.

Re R heißt der Wirkwiderstand, Im R der Blindwiderstand und∣∣∣R∣∣∣ der

reelle Scheinwiderstand.

Im Wechselstromkreis durfen also die bekannten Regeln fur die Ersatzschal-

tung von Widerstanden wie im Gleichstromkreis verwendet werden, wenn bei

Kapazitat und Induktivitat zu komplexen Widerstanden ubergegangen wird!

5.3.4 Beispiele fur RCL-Wechselstromschaltungen

Beispiel 5.16 (RCL-Reihenschaltung, mit Maple-Worksheet):

Nebenstehendes Bild zeigt eine Reihenschaltung aus

Abb. 5.9. RCL-Kreis

je einem Ohmschen Widerstand RΩ, einer Kapazitat

C und einer Induktivitat L. Es addieren sich die kom-

plexen Einzelwiderstande zum komplexen Gesamtwi-

derstand

R = RΩ + RC + RL = RΩ +1iωC

+ iωL

R = RΩ + i(ωL− 1

ωC

).

Die Addition ist graphisch durch das Zeigerdiagramm gegeben.

Zeigerdiagramm Spannungsdiagramm

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5.3 Anwendungen 217

Der Blindwiderstand ist Im R = ωL− 1ωC , der Wirkwiderstand ist Re R = RΩ

und der reelle Scheinwiderstand

R =∣∣∣R∣∣∣ =√R2

Ω +(ωL− 1

ωC

)2.

Die Phase zwischen Spannung und Strom erhalt man aus

tanϕ =Im R

Re R=ωL− 1

ωC

RΩ.

Diskussion: Multipliziert man die Widerstande jeweils mit I , erhalt man das

zugehorige Spannungsdiagramm:

(1) UΩ fallt am Ohmschen Widerstand ab und ist mit dem Strom I in Phase.

(2) UL fallt an der Induktivitat ab. UL eilt dem Strom um 90 voraus.

(3) UC fallt an der Kapazitat ab. UC hinkt dem Strom um 90 nach.

Fur R = 1, L = 1 und C = 1 erhalt man die folgende graphische Darstellung

fur den Ersatzwiderstand R(ω) bzw. die Phase ϕ(ω):

Ersatzwiderstand R(ω) Phase ϕ(ω)

Beispiel 5.17 (LC-Parallelkreis, mit Maple-Worksheet):

Fur die in Abbildung 5.10 gezeichnete Schaltung

Abb. 5.10. LC-Parallelkreis

berechnet man den komplexen Ersatzwiderstand,

indem zuerst L und R2 ersetzt werden durch den

Reihenersatzwiderstand Rr = R2 + iωL. Rr liegt

parallel zu C, so dass sich die Leitwerte addieren

Zp = i ω C +1

i ω L+R2.

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218 5. Komplexe Zahlen

Der komplexe Gesamtwiderstand setzt sich nun zusammen aus der Summe von

R1 und Rp = 1Zp

:

Rges = R1 +1Zp

= R1 +1

i ω C + 1i ω L+R2

Rges =R1 ω

2 C L−R1 ω C R2 i−R1 − ω L i −R2

ω2 C L− ω C R2 i − 1.

Man erkennt in dieser Darstellung, dass der Gesamtwiderstand eine komplexe

rationale Funktion in ω ist und 2 der hochste auftretende Exponent. Dies spie-

gelt die Tatsache wider, dass der Schaltkreis zwei Energiespeicher, namlich C

und L besitzt. Fur die Werte C = 20 · 10−6, L = 20 · 10−3, R1 = 50, R2 = 500ergibt sich der Gesamtwiderstand als Funktion in ω

Rges =0.8000 10−11 ω4 + 0.004960ω2 + 5500.1600 10−12 ω4 + 0.00009920ω2 + 1

+(−0.8000 10−8 ω3 − 4.980ω ) i

0.1600 10−12 ω4 + 0.00009920ω2 + 1.

Die Kurvenverlaufe von Gesamtwiderstand und Phase in Abhangigkeit von ω

sind gegeben durch

Gesamtwiderstand R(ω) Phase ϕ(ω)

MAPLE-Worksheets zu Kapitel 5

Die folgenden elektronischen Arbeitsblatter stehen fur Kapitel 5 mit

Maple zur Verfugung.

Darstellung komplexer Zahlen mit Maple

Komplexes Rechnen mit Maple

Visualisierung der komplexen Rechenoperationen

Uberlagerung von Schwingungen

RCL-Wechselstromkreise mit Maple

Ubertragungsverhalten von Filterschaltungen

Maple-Losungen zu den Aufgaben

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5.4 Aufgaben zu komplexen Zahlen 219

5.45.4 Aufgaben zu komplexen Zahlen

5.1 Geben Sie die Exponentialform der folgenden komplexen Zahlen an

a) 3√

3 + 3 i b) −2− 2 i c) 1−√

3 i d) 5 e) −5 i f) −1

5.2 Wie lautet die trigonometrische und algebraische Normalform von

a) 3√

2 ei π4 b) 2 ei 2π

3 c) ei π d) 4 ei 4π3

5.3 Welches sind die zugehorigen komplex konjugierten Zahlen

a) 3 +√

2 i b) 4 (cos 125 + i sin 125) c) 5 ei 32 π d)

√3 ei 0.734

5.4 Man bestimme die trigonometrische Normalform von

a) −1 +√

3 i b) −1 + i c)√

2 +√

2i d) −3− 4i

5.5 Berechnen Sie

a) 2 (5− 3 i)− 3 (−2 + i) + 5 (i− 3) b) (3− 2 i)3 c)5

3− 4 i+ 10

4+3 i

d)

(1− i

1 + i

)10

e)

∣∣∣∣2− 4 i

5− 7 i

∣∣∣∣2 f)(1 + i) (2 + 3 i) (4− 2 i)

(1 + 2 i)2 (1− i)

5.6 Sei z1 = 1 − i , z2 = −2 + 4 i , z3 =√

3 − 2 i. Wie lautet die algebraische

Normalform von

a) z21 + 2 z1 − 3 b) |2 z2 − 3 z1|2 c) (z3 − z∗3)5

d) |z1 z∗2 + z2 z∗1 | e)

∣∣∣ z1+z2+1z1−z2+i

∣∣∣ f) 12

(z3z∗3

+z∗3z3

)g) ((z2 + z3) (z1 − z3))

∗ h)∣∣z2

1 + z∗ 22

∣∣2 +∣∣z∗ 2

3 − z22

∣∣2 i) Im z1 z2z3

5.7 Berechnen Sie

a)(−1 +

√3 i)10

b) [2 (cos 45 + i sin 45)]3 c)(3√

3 + 3 i)6

d)(2 ei 5

3 π)7

5.8 Geben Sie im Komplexen alle Losungen an von

a) z4 + 81 = 0 ,

b) z6 + 1 =√

3 i

5.9 Bestimmen Sie alle komplexen Losungen von

a) z5 − 2 z4 − z3 + 6 z − 4 = 0

b) 4x4 + 4x3 − 7x2 + x− 2 = 0

5.10 Losen Sie Aufgaben 5.1 - 5.9 mit Maple.

5.11 Wie lauten der Real- und Imaginarteil der folgenden komplexen Zahlen

a)−2 + 7 i

15 ib)

1 + i

1− ic)

1− i

1 + 2 i− 1 + 3 i

1− 2 id)

2 e

i π

4

(1 + i) (2 + i)e) 2 ei 120

f) 3 ei 5 π6 g) −5 e−i π

2 h) 7 ei π i)2− i

2 + i· e−i π

3

Wie groß sind jeweils Betrag und Winkel?

5.12 Wie heißen die folgenden komplexen Zahlen in Exponentialform? (Verwenden

Sie zur Berechnung Maple.)

a) −1− i b) −1 + i c) 3 + 4 i d) −3− 4 i e) 2 i f) −2 g) 1− 2 i

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220 5. Komplexe Zahlen

5.13 Es sei z = x + i y und z∗ die zu z konjugiert komplexe Zahl. Bestimmen Sie

mit Maple

a) a =∣∣ z

z∗

∣∣ b) b = Rez−2

c) c = Imz∗ 3

d) d = Im(z3)∗

5.14 Berechnen Sie mit Maple

a)(

3+4 i5

)10b)(i+ 1

1+i

)6

c)[(1 + i) · e−i π

6

]95.15 Berechnen Sie mit Maple alle reellen und komplexen Losungen der Gleichun-

gen

a) z3 = i b) z2 = −1 + i√

3 c) 32 z5 − 243 = 0

d) z3 + 41+i

= 0 e) z4 + 1+2 ei π

2

2+e−i π

2= 0 f) z2 − 2 i z + 3 = 0

5.16 Bestimmen Sie mit Maple alle Nullstellen der Funktion z4−3 z3+2 z2+2 z−4.

5.17 a) Berechnen Sie den komplexen und reellen Scheinwiderstand fur die in Abb.

1a skizzierte Reihenschaltung (R = 100Ω, C = 20µF , L = 0.2H, ω = 106 1s).

b) Bestimmen Sie den komplexen und reellen Scheinwiderstand fur die in Abb.

1b skizzierte Parallelschaltung (R = 100Ω, L = 0.5H, ω = 500 1s).

Abb. 1a Abb. 1b

5.18 a) Man berechne den komplexen Scheinwiderstand der in Abb. 2a dargestellten

Schaltung als Funktion von ω.

b) Man berechne den komplexen Scheinwiderstand der in Abb. 2b dargestellten

Schaltung bei einer Kreisfrequenz ω = 300 s−1 fur die Parameter R1 = 50Ω,

L1 = 1H, R2 = 300Ω, C1 = 10µF , R3 = 20Ω, L2 = 1.5H.

Abb. 2a Abb. 2b

5.19 Gegeben sind die beiden Wechselspannungen u1 (t) und u2 (t) . Man bestimme

die durch Superposition entstehende resultierende Wechselspannung(ω = 314 1

s

):

u1 (t) = 100V · sin (ωt) u2 (t) = 150V · cos(ωt− π

4

)und zeichne alle drei Graphen in ein Schaubild.

5.20 Die mechanischen Schwingungen y1 (t) = 20 cm · sin(πt+ π

10

)und y2 (t) =

15 cm · cos(πt+ π

6

)werden ungestort zur Uberlagerung gebracht. Wie lautet

die resultierende Schwingung? (Man rechne in der Kosinusdarstellung!)

5.21 Man zeige zeichnerisch, dass

3 cos(ωt+ π

6

)+ 2 cos

(ωt+ π

4

)= A cos (ωt+ ϕ)

mit A ≈ 5 , ϕ ≈ 36.