Kennen Die Bienen Ihren Herrn

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  • 7/29/2019 Kennen Die Bienen Ihren Herrn

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    Kennen die Bienen ihren Herrn?

    (Mai 1867)

    Jeder von uns, der das Glck gehabt hat, seine Kinder- und Jugendjahre im wahren, innigenVerkehr mit der freien Natur zu verleben, sei er nun auf dem Lande erzogen, oder nurzeitweilig hinausgewandert aus der staubigen Stadt, durch Wiesen und Felder, unter dieschattigen Obstbume des Dorfes, jeder von uns, denke ich, wird sich aus der Szenerie jenerTage einer eigentmlich interessanten Gestalt erinnern - der Gestalt des sogenanntenBienenvaters.

    Mit heiterem Staunen und lchelnder Bewunderung sehen wir einen schon bejahrten Mann inZipfelkappe, kurzer blauer Jacke, schwarzen Kniehosen, blauen Strmpfen undLederpantoffeln, die kurze Pfeife im Munde, an einem heimlichen Gartenpltzchen unterflsternden Bltenbumen, abgeschlossen, still und fr sich, inmitten der sumsenden Bienen,

    vor seinen Krben stehen.

    Wir kennen die Bienen zu jener Zeit nur aus hbschen Gedichten, Gleichnissen und ernstenWarnungen; wir sehen sie in Garten und Wiese an den Blten baumeln; aber nur mit scheuemBlick und aus respektvoller Ferne wagen wir auf den Bienenstand eines Imkers zu schauen.Wir knnen nicht umhin, dem khnen Manne, der sich so ungescheut den augenscheinlichstenGefahren aussetzt, unsere aufrichtige Bewunderung zu zollen.

    Kennen denn die Bienen ihren Herrn? pflegten wir dann wohl zu fragen. - Gewi! -lautete die Antwort - die Bienen werden ja doch ihren Vater kennen. Ja, so treu undanhnglich sind sie, da, wenn der Bienenvater stirbt, auch sie gar bald dahinsiechen und

    sterben.

    Dieses Bild der Bienen werden wohl die meisten Menschen, die keine Veranlassung haben,sich nher darber zu unterrichten, aus ihrer Jugendzeit auch in die spteren Jahre mithinbernehmen. Frhlingsblume in Garten und Wiese - der se Geruch des Honigs - warmerSonnenschein und heimliches Summen - Honigkuchen und Pfeffernsse - - eine dunkleAhnung von merkwrdigem Haushalte und wunderbar weiser Einrichtung der Natur - - vorallen Dingen aber ein Heer geschwollener Nasen und roter Ohren - kurz, ein Gemisch vonunbestimmter Bewunderung und heimlichem Grauen - das ungefhr werden die Bilder undGefhle sein, welche vor der Phantasie und im Herzen des Laien auftauchen, wenn vonBienen die Rede ist. - Auch hier wird man uns gar hufig mit der Frage begegnen: Nicht

    wahr, die Bienen kennen ja wohl ihren Herrn?

    Da will ich nun im voraus alle gefhlvollen Seelen um Entschuldigung gebeten haben, wennich hier gegen jenes schne Luftschlo der Poesie einen Angriff unternehmen, wenn ich jenezrtlichen Gefhle den Bienen absprechen und die Frage Kennen die Bienen ihren Herrn?mit einem rauhen, prosaischen Nein! beantworten mu. Auch brauche ich wohl nicht zubemerken, da diese Antwort nur dem Laien und angehenden Apistiker, nicht aber demerfahrenen Bienenfreunde und Beobachter gelten kann, denn der wrde jene Frage nichtstellen, weil er sie lngst selbst beantwortet hat.

    Bei der Begrndung meiner Antwort gedenke ich nun die Knigin nebst den Drohnen sehrkurz abzufertigen und gleich von vornherein auszuschlieen.

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    Was die Drohnen anbelangt, so lungern sie entweder zu Hause bei den Honigtpfen herumoder gehen als muntere Freier auf galante Abenteuer aus. Die Liebe aber ist teilnahmlos,auer in einem Punkte; den geliebten Gegenstand ausgenommen, will sie niemanden sehenund von niemandem gesehen werden.

    Die Knigin ihrerseits lebt im Innern des Stocks, von Bienen umgeben. Fliegt sie aus, so tutsie es beim Schwrmen, also mit der Absicht, ihren Bienenvater bswillig zu verlassen; oderaber in einer der dringendsten Herzensangelegenheiten, nmlich sich zu vermhlen, wobeibegreiflicherweise der Vater Imker keine Bercksichtigung finden kann.

    Es bleiben fr unsere Betrachtung demnach diejenigen Bienen, welche man vorzugsweise sozu benennen pflegt, also die Arbeitsbienen, noch brig.

    Solch eine Arbeitsbiene ist ein merkwrdig in sich verschlossenes, auf ganz bestimmteTtigkeiten erpichtes Geschpf. Geschlechtslos, ohne eigentliche Leidenschaft, tut sie ihrePflicht mit einer Ausdauer, mit einer fatalistischen Todesverachtung, als ob sie dazu beeidigt

    wre. Sie bedient die Knigin, sie stellt die Wachen, sie mit und mauert die wunderbarenPolygone und Weiselwiegen, sie kocht den Kinderbrei fr die heranwachsende Brut, sie lftetdie Gemcher, fegt den Kehricht vor die Tr und begrbt die Toten. - Das wren ihrehuslichen Geschfte. - Aber sie hat auch das Portefeuille der auswrtigen Angelegenheiten. -Schau sie nur an, wie sie am sonnigen Morgen vor dem Flugloche erscheint, sich die Augenausreibt, die Handschuhe anzieht und dann im Zickzack davonsaust auf den gelben Raps derDomne, die duftende Linde des Schloparkes oder die weite rtliche Heide, - wie sie dannzurckkehrt mit dem schweren Honigkruge, dem wohlgefllten Brotkorbe, um sieauszuleeren in die gemeinsamen Zellenmagazine des Staates; und das fort und fort, vomfrhen Morgen bis zum Untergange der Sonne. Diese unausgesetzte Ttigkeit fhrt sie in denmeisten Fllen einem frhzeitigen Tode entgegen. Die Flgel nutzen sich ab, die Krfteerschlaffen; Meisen, Schwalben, Hornissen und sonstige Wegelagerer stellen ihnen nach; derSturm und der Regen schlgt sie nieder, und der verrterische Spiegel des Stromes lockt sie indie Tiefe. So wird die Sommerbiene, wie Dzierzon uns bewiesen, etwa sechs Wochen alt. -Von der Winterbiene kann aber hier natrlich gar nicht die Rede sein, da sie, von jedemAuenverkehr zurckgezogen, nur der stillen Huslichkeit sich widmet. - Wo wrde nun wohldie Flugbiene die Zeit hernehmen, auch noch den guten Bienenvater mit einer besonderenAufmerksamkeit zu beehren?

    Freilich! Diejenigen Arbeitsbienen, welche gerade auf Posten stehen, werden es gewi nichtunterlassen, den Herrn Imker etwas nher zu fixieren. Aber wenn es erlaubt ist, sich in die

    Anschauungsweise eines Insekts zu versetzen und anzunehmen, da es, wie wir, den Mastabseiner eigenen Gre anlegt, so mchte in den Augen einer Biene der genannte Herr etwa wieein bedrohlich dunkler Riese erscheinen, mit listig funkelnden Augen und in eine blaueDampfwolke gehllt, welche die Sonne verfinstert. Also nicht sehr liebenswrdig. brigensfrage ich jeden braven Imker auf sein Gewissen, ob er in derartigen Momenten derAnnherung und Aufmerksamkeit jemals bei der betreffenden Biene eine freundschaftlicheZuneigung oder Bekanntschaft, wie sie die angeregte Frage zu involvieren scheint, beobachtethat oder voraussetzen konnte. Ich glaube nicht, da er Ja! sagen oder gar die erwhnte blaueDampfwolke wird wegleugnen wollen.

    Gut! - wird unser fragender Bienenfreund sagen - Gut! aber der geehrte Bienenvater wird

    doch nicht immer nur so dastehen; er wird doch wenigstens im Frhling unter die Krbeschauen, er wird, wenn er Dzierzonksten hat, hie und da das ganze Ding auseinandernehmen;er wird Ableger machen - kurzum! - in jeder Beziehung nhere Bekanntschaft anzuknpfen

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    suchen. - Ganz recht, mein Freund! werde ich sagen. Aber leider mu ich gestehen, da wirImker in solchen Augenblicken, wo wir mit unseren Bienen wirklich handgemein werden,von der angestaunten Heldenhhe unserer Imkercourage gar bedenklich herniedersteigen. Diemeisten von uns pflegen dann selten anders zu erscheinen, als im allertiefsten Inkognito.Gewappnet mit schnen warmen Fausthandschuhen, das teure Haupt sorgsam vermummt in

    die Bienenkappe, wrden sie im Karneval von ihren besten Freunden schwerlich erkanntwerden; wieviel weniger von den Bienen. Und auch selbst unsere khneren Geister werden essodann kaum verschmhen, den Bienen einen derartigen Tabaksrauch in Nase und Augen zublasen, da ihnen Hren und Sehen vergeht. Es ist unglaublich, wieviel Zigarren der Menschrauchen oder wie oft er seine Pfeife stopfen mu, wenn er Ableger macht; und da nunKonsum und Geld in gleichem Verhltnis stehen, der verstndige Mann aber nicht immer inder Lage ist, sich die beste Qualitt zu akquirieren, so ist es begreiflich, da, abgesehen vonandern Grnden, durch derartige Rucherungen die Sympathie der Bienen wohl schwerlich zugewinnen ist.

    Aber gesetzt den Fall, wir drften der brigens lblichen Biene eine so bedeutende Intelligenz

    zugestehen, da sie ihre Lage und ihr Verhltnis zu ihrem Herrn in gehrigem Umfangebersehen knnte, so wrde sie sich vermutlich gegen den von der Menschenwelt oktroyiertenNamen des Bienenvaters gar hflichst zu verwahren suchen. Was tut denn auch diesersogenannte Bienenvater in den meisten Fllen eigentlich, um sich diesen so wohllautenden,ehrenwerten Namen zu verdienen?! Er schaut eben der ganzen Geschichte recht gemtlich zu,wartet bis der Herbst kommt, kauft sich den verruchten, mrderischen Schwefel, verpitschiertdie Fluglcher und ruchert, wie der alte Pelissier die Beduinen, das ganze, gute, brave,arbeitsame Vlklein so lange, bis es tot ist. Dann hngt er sich an die Presse, drckt undsiedet, macht sich sodann flugs auf die Sohlen, verkauft Honig und Wachs fr schweres Geldund freut sich, als wenn er den Lork am Stricke htte. - Das wre der Krbler. - Aber derKstler ist auch nicht viel besser. - Da whlt er sich im Herbst seine Opfer aus, nimmt ihnendie Knigin nebst allem Hab und Gut, und, nachdem er den Bienen ihr kmmerliches Bndelgeschnrt, gibt er ihnen den Bettelstab in die Hand: Da! Nun geht und sucht euer Brot vorfremder Leute Tren!

    Kurzum! Wir Imker sind, aufrichtig gesagt, eigentlich die allergrten Honigdiebe unter derSonne; ein Name, bei dem uns die Bienen auch jedenfalls rufen wrden, wenn sie nurknnten.

    Zum Schlusse will ich nicht versumen, jener zu Anfang erwhnten rhrenden SageGerechtigkeit widerfahren zu lassen, jener Sage, da dem hingeschiedenen Bienenvater die

    getreuen Bienen, gewissermaen in untrstlicher Anhnglichkeit an den hochverehrtenFreund, recht baldigst nachzufolgen pflegen. Dieser alten, weitverbreiteten Sage liegtjedenfalls was Wahres zum Grunde, und wre es gar nicht uninteressant, wenn man einigederartige Flle konstatieren knnte. Es wrde sich sodann vermutlich das berraschendeResultat herausstellen, da diese Todesflle samt und sonders in die Zeit des Frhjahrs fallen;da aber von all den betreffenden Imkern die Geschichte etwa folgendes zu vermelden htte:Sie winterten im Herbst lauter schwache Stcke ein; sie kriegten Angst, als der Frhlingherannahte; sie gingen hinaus um zu fttern; sie hatten sich aber unvorsichtigerweise nichtwarm angezogen, obschon ein khler Ostwind wehte; infolgedessen zogen sie sich einenKatarrh zu, woraus eine Lungenentzndung entstand, welche den Tod zur Folge hatte. DieBienen aber, als die wrdigen Vter mit ihren Futtertrgen nicht wiederkamen, verfielen in

    Purganz und Hungersnot und folgten ihrem Herrn und Meister.

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    Demnach und nach allem diesen mssen wir die zarte, wohlgemeinte Frage: Nicht wahr, dieBienen kennen ihren Herrn? am Ende wohl mit Nein! beantworten. Unser ganzes schnesRenommee, mit unsern Bienen in einem gegenseitigen freundschaftlichen Verhltnisse zuleben, wozu die Bienen ihrerseits weder Zeit, Gelegenheit, noch triftige Grnde haben,beschrnkt sich eben auf einige Schliche und Kniffe, ein ruhiges, gesetztes, wrdevolles

    Benehmen, wodurch wir der Kreatur zu imponieren und sie zu behandeln wissen. Dies darfder Wahrheit zu Ehren nicht verschwiegen werden, obschon dadurch unsere sonst allbekannteLiebenswrdigkeit nach der Seite der Bienen hin einen empfindlichen Sto erleidet.

    Der wahre Imker ist der platonische Philosoph auf dem Throne. - Er sagt mit dem groenPolitiker der Gegenwart: Die Immen mssen bedenken, da sie unter einem absolutenRegiment stehen; und darum singen wir mit Sarastro in der Zauberflte:

    Zur Liebe kann ich dich nicht zwingen,Doch geb ich dir die Freiheit nicht.