Klaus Matzka

EIN DREILÄNDERECKoder

ZIPFELN ALLER ARTENZwischenbemerkung: Empfehlenswert, da praktisch und zumeist auch sehr preiswert ist das Euro-Neisse-Ticket.

Für 10 Euro pro Tag (20 Euro für 5 Reisende) kann man - ohne zeitliche Beschränkung am Morgen - im Dreiländereck sowohl deutsche, tschechische und polnische Bahnen und Busse benutzen. Inklusive der Straßenbahnen in Görlitz und Liberec. Sogar die Ještěd (Jeschken) -Seilbahn ist inkludiert. Ebenfalls dabei ist auch die kürzlich wiedereröffnete Verbindung übers Isergebirge via Harrachov. Vorsichtig sollte man allerdings bei einer Runde durch Polen sein. Erwartet man sich z. B. von der Verbindung von Jelenia Gora nach Węgliniec und weiter nach Görlitz wie in Deutschland und Tschechien stündliche oder zumindest zweistündliche Züge, so täuscht man sich gewaltig. Auf der Website des ZVON (Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz - Niederschlesien) gibt's glücklicherweise alle Fahrpläne. Auf Deutsch!

Hier drei deutsche Varianten der Euro-Neisse-Tageskarte, wie die Einpersonenversion offiziell heißt. Das Angebot gibt's natürlich in Tschechien unter dem Titel EURO NEISSE / Libnet+ und in Polen, namens Bilety całodzienne EURO-NYSA.

2. Fugau & Ebersbach

Der Fall Fugauoder Der Fall Fugaus

Ankunft aus Zittau in Taubenheim. Der Bahnhof sah schon bessere Zeiten. Aber kaum ein besseres Zugsangebot als jetzt. Zweistündliche Regionalbahnen von Dresden nach Zittau und vice versa, gefahren mit Desiros, bedienen den kleinen Ort Taubenheim. Gewählt als Ausgangspunkt für eine Wanderung nach Alt-Österreich.

Links oben Taubenheim. Rot: Bahnlinie Dresden - ZittauBlau: Nur Güterverkehr. Wenn überhaupt. (Google Maps, ergänzt).

Was man so zufällig entdeckt. Erstens einmal, dass dieser von der Schneeschmelze angeschwollene Bach die berühmte Spree ist. Sie entspringt in der Lausitz und verendet in Berlin. Interessant sind auch die Brückenpfeiler. Sie gehörten zu einer Schmalspurbahn von Taubenheim nach Dürrhennersdorf. Sie segnete das Zeitliche 1945; ihr Fahrpark verschwand als Reparation in der Sowjetunion.

Man wird informiert. Viel hat Taubenheim nicht zu bieten; da sind auch ein paar Brückenpfeiler erwähnenswert.

Ebenfalls eine Brücke über die Spree. Eine internationale sogar. Einst von Deutschland nach Österreich führend. Jetzt nach Tschechien. Sicherheitsüberlegungen wegen Geländern dürften niemanden interessieren. Menschenmassen queren sie auch kaum. Sie ist Teil eines Fußwegs nach Šluknov (Schluckenau). Ein Grenzübergang, der nach dem Verschwinden der Grenzkontrollen durch das Schengener Abkommen eröffnet wurde. Vermutlich nach Jahrzehnten hier gesperrter Grenze zwischen den „befreundeten sozialistischen Nationen" DDR und ČSSR.

Früher war das eine Straße nach Fugau.

Fugau. Mit "F" in obiger Karte markiert. Besser gesagt, der Ort, wo es einst war. Die nördlichste Ansiedlung Österreich-Ungarns. Gelegen im nach ihm benannten Fugauer Zipfel (Ha, schon wieder ein Zipfel - einer kommt noch!). Oder in der Fuge. Gegründet 1788. Um 1900 hatte Fugau ca. 850 Einwohner. Ab 1918 hieß es auf tschechisch auch Fukov. 1945 ereilte die Fugauer das übliche bittere Los aller Bewohner der Sudetenländer: Sie wurden vertrieben. 1960 wurden Kirche und der Rest des Dorfes von tschechischem Militär dem Erdboden gleichgemacht. (Bild: Archiv Gottfried Engel).

Und so schau'n die wenigen Überreste von Fugau heute aus.

Dieses 2000 errichtete Kreuz soll an Fugau erinnern.

Durch Fugau fuhr auch eine Eisenbahn. Sie fährt heute noch. Seit 1875 macht die einstige Südlausitzer Eisenbahn einen Abschneider von ca. 1 km Länge durch Österreich. Heute macht ihn die DB durch Tschechien. Eine Station gab's hier nie. Dafür hätte man einst ein dreistöckiges Bahnhofsgebäude wegen der Grenzgschaftlhuberei errichten müssen. Im Bild einer der zweistündlichen Regionalexpresszüge von Zittau nach Dresden. Diese fahren mit RegioSwingern der Baureihe 612.

Zurück wieder über die Spree. Die hier auf einem Stück innerhalb der tschechischen Grenze fließt. Und somit seinerzeit auch durch Österreich floss. Als kleiner Ausgleich, dass die Deutschen ja auch ein beachtliches Stück der „Schönen blauen Donau“ haben.

Wien - Berlin über EbersbachIn der 50er- und 60er-Jahren des vorvorigen Jahrhunderts machten sich gewisse Kreise für den Bau einer Bahnverbindung Wien - Berlin entlang der kürzesten Route stark. Die längere, aber flachere und dadurch schnellere Verbindung entlang von Moldau und Elbe gewann logischerweise.

Darum schaut es jetzt in Ebersbach (Sachsen) so aus. Es wäre entlang der erwähnten Verbindung gelegen.

Eine Verbindung Österreich - Sachsen wurde hier gebaut, blieb aber immer von lokaler Bedeutung. Die Böhmische Nordbahn erreichte Ebersbach, wo mit der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn ein - selbstverständlich - monströser Grenzbahnhof errichtet wurde. Er hieß eigenartigerweise, obwohl in Ebersbach gelegen, Georgswalde-Ebersbach. Georgswalde lag in Böhmen.

Das Empfangsgebäude teilten sich die BNB (Südteil, im Bild näher gelegen) und die Kgl.S.St.E.B. (Nordteil). Auf der jetzigen Brache, rechts im Bild, waren zwei getrennte Lokschuppen mit Drehscheiben, ebenfalls den beiden Bahnen gehörend.

Hier hat sich nicht einmal ein Bahnhofswirshaus gehalten. 106 Meter Geisterbahnhof.

In der Nord-Süd-Richtung, wo die angedachten Schnellzüge Wien - Berlin fahren sollten, ist heute überhaupt Ruhe in Ebersbach. Nach Rumburk in Tschechien fuhren 2010 die letzten Personenzüge, in letzter Zeit nur mehr an Wochenenden. Die Strecke nordwärts nach Löbau wurde für den Personenverkehr schon 2002 stillgelegt. Geblieben sind die jeweils zweistündlch fahrenden RB und RE Dresden - Zittau. Hier die Kreuzung von zwei Desiros als RB.

Noch ein Blick von der Brücke wie in einem der obigen Bilder, aber 180° gedreht. Die deutsch-tschechische Grenze verläuft hier entlang des Grabens in Bildmitte. Links die Strecke Richtung Zittau und ein Verbindungsgleis Richtung Rumburk. In Tschechien rechts der Bahnhof Jiříkov, als Bahnhof Georgswalde 1933 eröffnet. Mit sieben Stutzgleisen. Er war auch eine nicht so sinnvolle Investition, denn er ist heute ebenfalls ein Geisterbahnhof. Im Gegensatz zu Ebersbach mit lauter rostigen Gleisen.

Mehr Details über diese Bahnverbindung gibt's in diesem Buch zu lesen. Der tschechische Rücktitel ist irreführend, es ist nur auf Deutsch. Herausgegeben von und erhältlich bei den Ostsächsischen Eisenbahnfreunden in Löbau.

Diese Villa in Ebersbach wär' preiswert zu haben. Wie hier so viele andere auch. Weil die Schnellzüge Wien - Berlin fehlen.

Werd' mir die Villa aber nicht kaufen. Denn der Heimweg am Abend nach einem Besuch der Wiener Staatsoper würde sich ziehen.