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Konformationsanalyse durch Photoelektronen-Spektroskopie Von Martin Klessinger und Paul Rademacher"' Professor Wolfgang Luttke zum 60. Geburtstag gewidmet Die Konformation organischer Molekiile laRt sich durch Photoelektronen-(PE-)Spektroskopie bestimmen, wenn vom Diederwinkel abhangige Orbitalwechselwirkungen vorliegen. Die An- wendung des Verfahrens setzt voraus, daB sich die entscheidenden Ionisationsbanden eindeu- tig zuordnen lassen und induktive Effekte sowie sekundare Orbitalwechselwirkungen ausge- schlossen oder beriicksichtigt werden konnen. In vielen Fallen ist das Verfahren komplementar zu den konventionellen Methoden. Die PE-spektroskopische Konformationsanalyse eignet sich insbesondere fur Verbindungen mit benachbarten freien Elektronenpaaren oder rr-Sy- stemen. 1. Einleitung Um die Struktur eines organischen Molekiils zu beschrei- ben, ist es erforderlich, neben der Konstitution und der KonJi- gurution auch seine Konformution anzugeben. Wahrend die Konstitution nur festlegt, welche Atome miteinander ver- kniipft sind, bilden unterschiedliche raumliche Anordnun- gen der Bindungen beziiglich einzelner Atome oder Atom- gruppen (z. B. C-C-Doppelbindungen, Ringe) verschiedene Konfigurationen; zur Umwandlung einer Konfiguration in eine andere miissen Bindungen gelost und neu geschlossen werden. Unter den Konformationen eines Molekiils definierter Konstitution und Konfiguration versteht man nach Barton['' ,,diejenigen raumlichen Anordnungen des Molekiils, die sich nicht zur Deckung bringen lassen". Samtliche Molekiile konnen demnach durch Anderung der Bindungslangen und/ oder -winkel beliebig viele Konformationen einnehmen. Meistens unterscheidet man jedoch nur die durch Rotation um Einfachbindungen erhaltenen verschiedenen Atoman- ordnungen als Konformationen. Diese Konformationen sind ihrem Energieinhalt entsprechend populiert. Den wenigen ,,stabilen" Konformeren kommt naturgemaB das groBte In- teresse zu, doch sind insbesondere fur chemische Reaktionen auch energiereichere Formen von Bedeutung. Da die stabilen Konformere einer Verbindung durch rela- tiv energiearme Prozesse (Rotation um Einfachbindungen, Inversion nichtebener Gruppierungen) ineinander iiberge- hen kdnnen, lassen sie sich nur in Ausnahmefallen bei Raumtemperatur isolieren. Die Grenze zwischen Konforma- tions- und Konfigurationsisomerie ist fliefiend als Orientie- rungswert werden 80 kJ/mol angesehen. Die Konformutionsundyse untersucht als Teilgebiet der Stereochemie die physikalischen und chemischen Eigen- schaften der Konformere eines Molekiils. Uber die Prinzi- ~ien['.~l, die geschichtliche E n t w i c k l ~ n g [ ~ ~ ~ l sowie die experi- mentellen[31 und theoreti~chen[~,~] Methoden der Konforma- [*I Prof. Dr. M. Klessinger Organisch-chemisches lnstitut der Universitat Orleansring 23, D-4400 Miinstrr Prof. Dr. P. Rademacher Fachbereich Chemie der Universitat UniversitatsstraBe 5-7, D-4300 Essen tionsanalyse wurde in zahlreichen Monographien und Zu- sammenfassungen ausfuhrlich berichtet. Die Geometrie oder Symmetrie der stabilen Konformatio- nen eines Molekiils erhalt man mit statischen Methoden; das sind vor allem Beugungsmethoden und spektroskopische Methoden wie etwa lR/Raman- und NMR-Spektroskopie, aber auch Dipolmomentmessungen. Zur Bestimmung der Aktivierungsenergien von Umwandlungsprozessen eignen sich dynamische Methoden wie Kalorimetrie, akustische Re- laxation sowie Mikrowellenspektroskopie fur Barrieren von 2-20 kJ/mol und vor allem die dynamische NMR-Spektro- skopie fur Barrieren von 20-100 kJ/mol. Insbesondere die letztgenannte Methode ermoglichte die Aufilarung einer Fiille interessanter Konformationsprobleme der organischen Chemie. Wegen der Komplexitat der inneren Bewegungen mehr- atomiger Molekiile kann haufig ein genaues Bild der konfor- mativen Eigenschaften einer Verbindung erst durch Kombi- nation mehrerer Methoden gewonnen werden; vollstandige Diagramme der potentiellen Energie fur innere Rotationen und Ringinversionen sowie ,,Konformationskarten" von Molekiilen rnit mehreren Moglichkeiten der inneren Um- wandlung sind nur rnit theoretischen Methoden zuganglich. 2. Theoretische Grundlagen der Konformationsanaly- se durch PE-Spektroskopie 2.1. Die Koopmans-Naherung Die Photoelektronen-(PE-)Spektroskopie[61 ermoglicht die Bestimmung von vertikalen Ionisationspotentialen IP(i), die nach dem Koopmans-Theorem['' IP(i)= --E~ (1) den negativen Orbitalenergien - E, gleichgesetzt werden konnen. Die PE-Spektroskopie eignet sich daher zur Unter- suchung von Orbitalwechselwirkungen[81. Schon friih er- kannte man, daB Orbitalwechselwirkungen und damit PE- Spektren konformationsabhangig sein konnen"]. Voraussetzung fur die Konformationsanalyse durch PE- Spektroskopie ist also einerseits die Giiltigkeit des Koop- Angew. Chem. 91, 885-896 (1979) 0 Vedag Chemie. GmbH, 0.6940 Weinheim, 1919 0044-8249/79/1111-08SS S 02 50/0 885

Konformationsanalyse durch Photoelektronen-Spektroskopie

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Konformationsanalyse durch Photoelektronen-Spektroskopie

Von Martin Klessinger und Paul Rademacher"'

Professor Wolfgang Luttke zum 60. Geburtstag gewidmet

Die Konformation organischer Molekiile laRt sich durch Photoelektronen-(PE-)Spektroskopie bestimmen, wenn vom Diederwinkel abhangige Orbitalwechselwirkungen vorliegen. Die An- wendung des Verfahrens setzt voraus, daB sich die entscheidenden Ionisationsbanden eindeu- tig zuordnen lassen und induktive Effekte sowie sekundare Orbitalwechselwirkungen ausge- schlossen oder beriicksichtigt werden konnen. In vielen Fallen ist das Verfahren komplementar zu den konventionellen Methoden. Die PE-spektroskopische Konformationsanalyse eignet sich insbesondere fur Verbindungen mit benachbarten freien Elektronenpaaren oder rr-Sy- stemen.

1. Einleitung

Um die Struktur eines organischen Molekiils zu beschrei- ben, ist es erforderlich, neben der Konstitution und der KonJi- gurution auch seine Konformution anzugeben. Wahrend die Konstitution nur festlegt, welche Atome miteinander ver- kniipft sind, bilden unterschiedliche raumliche Anordnun- gen der Bindungen beziiglich einzelner Atome oder Atom- gruppen (z. B. C-C-Doppelbindungen, Ringe) verschiedene Konfigurationen; zur Umwandlung einer Konfiguration in eine andere miissen Bindungen gelost und neu geschlossen werden.

Unter den Konformationen eines Molekiils definierter Konstitution und Konfiguration versteht man nach Barton['' ,,diejenigen raumlichen Anordnungen des Molekiils, die sich nicht zur Deckung bringen lassen". Samtliche Molekiile konnen demnach durch Anderung der Bindungslangen und/ oder -winkel beliebig viele Konformationen einnehmen. Meistens unterscheidet man jedoch nur die durch Rotation um Einfachbindungen erhaltenen verschiedenen Atoman- ordnungen als Konformationen. Diese Konformationen sind ihrem Energieinhalt entsprechend populiert. Den wenigen ,,stabilen" Konformeren kommt naturgemaB das groBte In- teresse zu, doch sind insbesondere fur chemische Reaktionen auch energiereichere Formen von Bedeutung.

Da die stabilen Konformere einer Verbindung durch rela- tiv energiearme Prozesse (Rotation um Einfachbindungen, Inversion nichtebener Gruppierungen) ineinander iiberge- hen kdnnen, lassen sie sich nur in Ausnahmefallen bei Raumtemperatur isolieren. Die Grenze zwischen Konforma- tions- und Konfigurationsisomerie ist fliefiend als Orientie- rungswert werden 80 kJ/mol angesehen.

Die Konformutionsundyse untersucht als Teilgebiet der Stereochemie die physikalischen und chemischen Eigen- schaften der Konformere eines Molekiils. Uber die Prinzi- ~ien['.~l, die geschichtliche En twick l~ng[~~~l sowie die experi- mentellen[31 und theoreti~chen[~,~] Methoden der Konforma-

[*I Prof. Dr. M. Klessinger Organisch-chemisches lnstitut der Universitat Orleansring 23, D-4400 Miinstrr Prof. Dr. P. Rademacher Fachbereich Chemie der Universitat UniversitatsstraBe 5-7, D-4300 Essen

tionsanalyse wurde in zahlreichen Monographien und Zu- sammenfassungen ausfuhrlich berichtet.

Die Geometrie oder Symmetrie der stabilen Konformatio- nen eines Molekiils erhalt man mit statischen Methoden; das sind vor allem Beugungsmethoden und spektroskopische Methoden wie etwa lR/Raman- und NMR-Spektroskopie, aber auch Dipolmomentmessungen. Zur Bestimmung der Aktivierungsenergien von Umwandlungsprozessen eignen sich dynamische Methoden wie Kalorimetrie, akustische Re- laxation sowie Mikrowellenspektroskopie fur Barrieren von 2-20 kJ/mol und vor allem die dynamische NMR-Spektro- skopie fur Barrieren von 20-100 kJ/mol. Insbesondere die letztgenannte Methode ermoglichte die Aufilarung einer Fiille interessanter Konformationsprobleme der organischen Chemie.

Wegen der Komplexitat der inneren Bewegungen mehr- atomiger Molekiile kann haufig ein genaues Bild der konfor- mativen Eigenschaften einer Verbindung erst durch Kombi- nation mehrerer Methoden gewonnen werden; vollstandige Diagramme der potentiellen Energie fur innere Rotationen und Ringinversionen sowie ,,Konformationskarten" von Molekiilen rnit mehreren Moglichkeiten der inneren Um- wandlung sind nur rnit theoretischen Methoden zuganglich.

2. Theoretische Grundlagen der Konformationsanaly- se durch PE-Spektroskopie

2.1. Die Koopmans-Naherung

Die Photoelektronen-(PE-)Spektroskopie[61 ermoglicht die Bestimmung von vertikalen Ionisationspotentialen IP(i), die nach dem Koopmans-Theorem[''

IP(i)= - - E ~ (1)

den negativen Orbitalenergien - E , gleichgesetzt werden konnen. Die PE-Spektroskopie eignet sich daher zur Unter- suchung von Orbitalwechselwirkungen[81. Schon friih er- kannte man, daB Orbitalwechselwirkungen und damit PE- Spektren konformationsabhangig sein konnen"].

Voraussetzung fur die Konformationsanalyse durch PE- Spektroskopie ist also einerseits die Giiltigkeit des Koop-

Angew. Chem. 91, 885-896 (1979) 0 Vedag Chemie. GmbH, 0.6940 Weinheim, 1919 0044-8249/79/1111-08SS S 02 50/0 885

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mans-Theorems oder der Koopmans-Naherungffol und ande- rerseits die Zuordnung der beobachteten Ionisationsbanden zu bestimmten Orbitalen. Eine solche Zuordnung ist bei groBeren organischen Molekulen im allgemeinen nur fur we- nige, deutlich voneinander abgesetzte Banden im Bereich niedriger Ionisationspotentiale rnoglich.

In diesem Energiebereich ist die Gultigkeit des Koop- mans-Theorems in guter Naherung gesichert: Jedem Ionisa- tionspotential entspncht eine Orbitalenergie und umgekehrt, da die Wellenfunktion des Systems sich rnit hinreichender Genauigkeit durch ein Produkt von Orbitalen darstellen lafit; erst bei hoheren Energien konnen zur Beschreibung ei- nes Zustandes auch Orbitalprodukte erforderlich werden, welche im einfachen MO-Model1 angeregten Konfiguratio- nen des Ions entsprechen. Durch diese Konfigurationswech- selwirkung konnen mehr Zustande auftreten als aufgrund der Orbitalenergien zu erwarten waren, so daB die Intensitat einer Ionisation sich wie in Abbildung 1 durch ,,shake-up"- oder ,,shake-off'-Prozesse auf mehr oder weniger viele Ban- den verteiltfl'l.

w I P

Abb. 1. Schematische Darstellung eines PE-Spektrums mit ,,shake-up"- und .,shake-off'-Prozessen am Beispiel der Ionisation eines Is-Elektrons aus einem Ne-Atom. Die durchgezogene senkrechte Linie kennzeichnet die Ionisations- grenze.

Weiterhin heben sich bei Valenzelektronen die in der Koopmans-Naherung vernachlassigten Korrelations- und Reorganisationseffekte nahezu weg, die von einer Anderung der Anzahl der Elektronenpaare bzw. von einer Anderung des effektiven Feldes fur die einzelnen Elektronen bei der Io- nisation herruhren" ' 3 '*I. Abweichungen treten vor allem in- folge der Elektronenumordnung bei Ionisationen aus stark lokalisierten Orbitalen aufIf4I, aber auch solche Abweichun- gen konnen vernachlassigt werden, wenn nur die relative Lage der Ionisationspotentiale in den verschiedenen Konfor- mationen interessiert und der Charakter des entsprechenden Orbitals beim Ubergang einer Konformation in eine andere sich nicht andert. Im folgenden wird daher angenommen, daB die Voraussetzung fur die Deutung der PE-Spektren auf der Grundlage des Koopmans-Theorems erfullt sind.

2.2. Orbitalwechselwirkungen

2.2.1. Berechnungen von Orbitalenergien in Abhangigkeit vom Diederwinkel

Im Pnnzip lassen sich die Orbitalenergien fur die Konfor- mationen eines Molekuls durch Variation eines (oder mehre- rer) Diederwinkels unter gleichzeitiger Relaxation der restli- chen Geometrie des Molekiils berechnen. Auf diese Weise

erhalt man die Orbitalenergien als Funktionen des Dieder- winkels 4; das ist in Abbildung 2 fur das Beispiel von Me- thyl-vinyl-ether dargestellt. Durch solche Rechnungen 1aBt sich leicht entscheiden, welche Ionisationspotentiale fur eine Konformationsanalyse in Frage kommen. SOU jedoch durch einen Vergleich der beobachteten Differenz AIP von Ionisationspotentialen mit den berechneten Orbitalenergie- differenzen A& der Diederwinkel ermittelt werden, so ist eine auBerordentlich hohe Rechengenauigkeit erforderlich. In diesem Fall ist eine Parametrisierung des theoretisch errnit- telten Zusammenhanges zwischen AIP und Diederwinkel 6 gunstiger["] (vgl. Abschnitt 3.2).

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-12

Abb. 2. Berechnete Energien (CNDO/S) der vier hochsten besetzten Orbitale van Methyl-vinyl-ether (I) in Ahhangigkeit vom Diederwinkel 6. (la), +=On; (lb), 6 = 180".

2.2.2. Orbitalwechselwirkungen zwischen Molekulfragmen- ten

Ein wesentlicher Nachteil der direkten Berechnung von Orbitalenergien liegt darin, daB das Verfahren trotz der Vor- aussagen nicht notwendigerweise auch das Verstandnis der Wechselwirkungen ermoglicht, auf denen die Konforma- tionsabhangigkeit der Orbitalenergien beruht. So ist bei- spielsweise die aus den berechneten Orbitalenergien in Ab- bildung 2 ersichtliche unterschiedliche Aufspaltung A& der n-Orbitale der syn- (la) und anti-Konformation (lb) des Me- thyl-vinyl-ethers nicht ohne weiteres zu verstehen.

Detaillierte Informationen iiber die konformationsabhan- gige Orbitalwechselwirkung erhalt man, wenn man den Be-

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trachtungen Orbitale zugrunde legt, die in den Teilsystemen oder Molekulfragmenten lokalisiert sind, wie etwa bei Me- thyl-vinyl-ether die Orbitale der Vinylgruppe sowie diejeni- gen der einsamen Elektronenpaare am Sauerstoff und der Methylgruppe. Eine SCF-Rechnung auf der Grundlage sol- cher lokalisierten Orbitale fuhrt zu den gleichen Ergebnissen wie eine konventionelle Rechnung rnit einer Basis von AOs, doch laBt sich bei Verwendung von Fragmentorbitalen leicht erkennen, welche Orbitale in welchem AusrnaB miteinander in Wechselwirkung getreten sind.

Noch aufschlufireicher ist es, wenn man diese Orbital- wechselwirkungen in zwei Anteile zerlegt, die als ,,indukti- ve" und ,,konjugative" Wechselwirkungen bezeichnet wer- den konnen. Sie ergeben sich dadurch, daB man zunachst die Orbitale eines Fragmentes im Feld der iibrigen Fragmente betrachtet und erst im zweiten Schritt die bindenden Wech- selwirkungen zwischen den Fragmenten beriicksichtigt. In dem speziell fur die Interpretation von PE-Spektren entwik- kelten und als LCFO-SCF-MO-Methode (LCFO = Linear- kombination von Fragmentorbitalen) bezeichneten Rechen- verfahren["' lassen sich auf der Grundlage des verallgemei- nerten Produktansatzes[181 und der starken Orthogonalitats- forderung[l'], die fur semiempirische Rechenverfahren bei Anwendung der ZDO-Naherung automatisch erfullt ist, die induktiven Effekte fur den ersten Schritt quantitativ berech- nen. Dadurch wird es moglich, bei der Bestimmung der kon- jugativen Wechselwirkungen fur die Orbitalenergien der Fragmente experimentelle Ionisationspotentiale und Elek- tronenaffinitaten sowie die berechneten induktiven Korrek- turen zu verwenden. Auf diese Weise laRt sich die Wechsel- wirkung der Fragmentorbitale direkt und in guter Uberein- stimmung mit den experimentellen Daten berechnen. Die Methode wurde zunachst innerhalb der rr-Elektronen-Nahe- rung entwickelt und auf die Wechselwirkung von rr-Sy- stemen angewendetf201 und anschlieBend auf cr-Systeme aus- gedehntl2I1, wobei z. B. bei der Verkniipfung zweier Methan- fragmente zu einem Ethanmolekiil die veranderte Zahl der Kerne und Elektronen zu berucksichtigen ist.

Die Rechnungen nach dem LCFO-Verfahren zeigen, daB in der Regel nur wenige antibindende Orbitale der Fragmen- te fur eine korrekte Beschreibung des kombinierten Systems erforderlich sind. Bei unpolaren Systemen, wie etwa bei der Wechselwirkung der T-Systeme zweier ungesattigter alter- nierender Kohlenwasserstoffe oder bei der Wechselwirkung zweier Alkylgruppen, konnen die antibindenden Orbitale ganz vernachlassigt werden. In diesem Fall reduziert sich das LCFO-Model1 auf die Wechselwirkung bindender (oder be- setzter) Orbitale, d. h. das LCFO-Model1 geht in das LCBO- Modell in der HMO-Naherung iiber, das von Hall eingefuhrt wurdef2'] und bei der Interpretation der Photoelektronen- spektren sehr vielseitige Anwendungen gefunden hat[Z31.

2.2.3. Zusammenfassung und Beispiele

Die Untersuchungen mit dem LCFO-Verfahren konnen als Rechtfertigung fur die Anwendung des LCBO-Verfah- rens dienen, deuten aber zugleich auch die Grenzen der Me- thode an. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen kann man wie folgt zusammenfassen:

Der EinfluB der Konformation auf das PE-Spektrum laBt sich rnit dem LCBO-Model1 anhand der Winkelabhangigkeit der Orbitalwechselwirkungen erfassen, vorausgesetzt daB

a) induktive Storungen der Ausgangsorbitale b) sekundare Orbitalwechselwirkungen und c) Wechselwirkungen mit unbesetzten Orbitalen entweder ausgeschlossen oder in angemessener Weise be- riicksichtigt werden konnen. Die Punkte b) und c) sind vor allem deshalb von entscheidender Bedeutung, weil diese Wechselwirkungen ebenfalls winkelabhangig sein konnen.

Einige Beispiele mogen diese drei Punkte erlautern: Fur 1,2-Dimethylen-cyclobutan (2)[241 und 1,2-Dimethylen-cy- clopentan (3)[251 ist die Differenz AIPI,2 der ersten beiden Io- nisationspotentiale, die den n-Orbitalen zugeordnet werden konnen, vergleichbar mit derjenigen von 1,3-Cyclohexa- dien[26]; es liegt ein ebenes Diensystem vor.

Fur 1,2-Dimethylen-cyclohexan (4)["1 dagegen ist AIP1.2 nur etwa halb so groB, da die Sesselkonformation des Cyclo- hexanringes zu einem Diederwinkel #I z 55" zwischen den C-C-Bindungen und damit zu einer verminderten konjuga- tiven Wechselwirkung fuhrt. Hier ist das einfache LCBO- Modell anwendbar. Es ergibt eine Aufspaltung AIP1.2 = 2p = 2P0c0s 4, wenn p = p0cos #I das winkelabhangi- ge Resonanzintegral fur die a-n-Wechselwirkung ist; der in- duktive Effekt laBt sich durch Vergleich des Schwerpunktes der n-Banden in 1,2-Dimethylen-cyclohexan (4) rnit dem er- sten Ionisationspotential von Methylen-cyclohexan["] zu z 0.3 eV abschatzen.

Bei Methyl-vinyl-ether (1) kann der Unterschied zwischen der Aufspaltung A1PI,2 in der syn- (la) und der anti-Form (lb) nach Abbildung 3 durch sekundare Wechselwirkungen rnit den Orbitalen der Methylgruppe erklart werden: Wech- selwirkungen durch den Raum zwischen dem rrCH,-Orbital und dem vcc-Orbital destabilisieren das zweite MO, das im wesentlichen dem no-Orbital des Sauerstoffs entspricht, und stabilisieren das hochste MO, das vorwiegend n,,-Charakter besitzt. Da diese Wechselwirkung in der syn-Form aus geo- metrischen Grunden groBer ist als in der anti-Form, ist die

H 2 C =CH

' 0 H3C '

Ahb. 3. Orbitalkorrelationsdiagramm von Methyl-vinyl-ether ( I ) in der LCBO- Naherung. Mitte: Energien des vCc- und no-Orhitals ohne (+=90") und mil Wechselwirkung (6=0" und += 180"); Links: EinflulJ des n,,,-Orbitals in der nnri-Form (Ib) (+= 180") und rechts mil den zusiitzlichen ncc/mcH,-Wechse1- wirkungen durch den Raum in der syn-Form (la) (@=Om).

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Energiedifferenz A s bzw. AIP zwischen den entsprechenden Orbitalen bzw. Ionisationspotentialen in der syn-Form klei- ner als in der unti-Form1*'].

Die a,@-ungesattigten Carbonyl~erbindungen[~~] schliefl- lich bilden ein Beispiel dafur, daR Wechselwirkungen mit antibindenden Orbitalen zum Versagen des LCBO-Modells fuhren konnen. Das erkennt man leicht daran, da8 entgegen den Erwartungen aufgrund des LCBO-Modells etwa das erste Ionisationspotential fur Acrolein groljer ist als fur Ethy- fen, entsprechend einer Stabilisierung des nCc-MOs durch die Wechselwirkung mit dem tieferliegenden nco-MO.

2.0

1.6

1.2

0.8

0.4

0

3. Konformationsanalyse durch PE-Spektroskopie

-

- /' - !A ( 5 )

!A - !/b

1''

,,* e ~ ,'

0.2 0.L 0.6 0.8 1.0 cos@ I I 1

i I -

Konformationsabhangige Wechselwirkungen treten in er- ster Linie zwischen Orbitalen an benachbarten Atomen auf. Je nachdem, ob diese Orbitale einsame Elektronenpaare oder aber p-Orbitale eines n-Systems sind, kann man daher durch PE-Spektroskopie Konformationsprobleme untersu- chen, die iiber a) n/n-Wechselwirkungen b) n/n-Wechselwirkungen und c) n/n-Wechselwirkungen interpretiert werden konnen.

3.1. Biphenyle

Das erste Beispiel fur eine systematische Konformations- analyse durch PE-Spektroskopie bilden die von Maier und Turner untersuchten Biphenyle[']. In kristallinem Biphenyl (5) sind die beiden Benzolringe rnit optimaler Delokalisie- rung der 7r-Elektronen coplanar angeordnet, in der Gaspha- se dagegen ist Biphenyl nicht eben, sondern um die zentrale

CC-Bindung um ca. 45" verdrillt. Das AusmaR der Verdril- lung wird durch Substituenten beeinflufit; bei ortho-Substi- tution wie in (6) kann die Barriere der inneren Rotation so groR werden (2 ca. 80 kJ/mol), daR sich Konformere isolie- ren lassen (Atropis~rnerie)[~'~.

Abbildung 4 zeigt, daR sich die paanveise Aufspaltung der besetzten n-MOs n, bis n 6 von (5), die sich schematisch von den n-MOs des Benzols ableiten, in unterschiedlichem MaR mit dem Torsionswinkel 4 andert. Die groRten Effekte zei- gen erwartungsgemafi n3 und n6, deren Aufspaltung sich aufgrund der LCBO-Beziehung zu

ergibt; 2B entspricht dem Maximalwert bei coplanarer An- ordnung der beiden Benzolnnge (+=O").

Maier und Turner iiberpriiften die Giiltigkeit dieser Bezie- hung anhand einiger Biphenyle rnit bekannter Struktur und erhielten Wertepaare AIP = IP ( n 6 ) - IP (n3) und cos 4, wel- che die lineare Beziehung gemaB GI. (2) eindeutig bestatigen (Abb. 5). Mit der so erhaltenen Eichgeraden konnten die

I I I

0 " 30" 6 0 " 90" @ Abb. 4. Schematische Darstellung der besetzten PMOS 71, bis v6 von Biphenyl (j) und der Variation der Orbitalenergien E , bls E,, nut dem Torsionswinkel 4.

Torsionswinkel 4 zahlreicher Biphenyle aus ihren PE-Spek- tren ermittelt werden.

Abb. 5. Aufspaltung AIP = IP(q,) - I P ( m ) der den n-MOs n, und nh entspre- chenden Ionisationspotentiale von Biphenylen bekannter Konformation in Ab- hangigkeit von C O S ~ . (5): Biphenyl: a: Fluoren: b: 2-Fluor-, c: 2.2-Difluor.. d: Perfluor-, e. 2.2'-Dibrombiphenyl.

Die auf diesem Wege erhaltenen Torsionswinkel stimmen mit experimentell ermittelten Vergleichsdaten (soweit vor- handen) ausgezeichnet iiberein.

Die Gerade in Abbildung 5 folgt der Beziehung

AIP = 1.65 cos 4 +0.35 [eV] (3)

Im Gegensatz zu GI. (2) entspricht GI. (3) also einer Gera- den, die nicht durch den Koordinatenursprung verlauft. Die- ser Befund ist auf die insbesondere bei groBen Torsionswin- keln nicht mehr zu vernachlassigende sekundare Wechsel- wirkung der n-Orbitale mit o-Orbitalen zuriickzufuhren.

Das Verfahren wurde analog auch zur Konformationsana- lyse verwandter Systeme wie Bipyridyle[", Bithienyle[32] und B i p y r r ~ y l e [ ~ ~ ] venvendet.

888 Angew. Chem. 91, 88s-896 (1979)

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3.2. Systeme mit n/n-Wechselwirkungen

3.2.1. Hydrazine

Hydrazine (7) sind die einfachsten Verbindungen rnit vici- nalen einsamen Elektronenpaaren. Die ungewohnlichen

konformativen Eigenschaften solcher Systeme waren Gegen- stand zahlreicher theoretischer und experimenteller Untersu- ~hungen[ '~ "1. Insbesondere die Bevorzugung der gauche- Konformation ($ =: 90') durch die Stammverbindung N2H4 und nahezu samtliche offenkettigen Derivate (7) konnte lan- ge Zeit nicht erklart ~ e r d e n [ ~ ~ ] . Diese Eigenschaft beruht keineswegs auf einer spezifischen ,,AbstoBung" oder ,,Anzie- hung" der einsamen Elektronenpaare, sondern ist eine Folge der Wechselwirkung rnit vicinalen antibindenden Orbitalen @/a*- oder n/~r*-Wechselwirkung)['~~.

Der interessanteste Aspekt der Konformation von Hydra- zinen ist zweifellos die Grofie des Torsionswinkels $. Dabei lassen sich nach ihrer Symmetrie die Konformere ( 7 4 , (7b) und (7c) unterscheiden. Nach e~perimentellen[~~' und theo-

R syn ( C z V I gauche ( C z l anti (C2h)

(7a) ( 7b) (7c)

r e t i ~ c h e n ~ ~ ~ ] Befunden fur Hydrazin und Methylhydrazin entspricht (7b) dem Minimum des Torsionspotentials, wah- rend zu (7a) und (74 Maxima rnit etwa 50 bzw. 15 kJ/mol gehoren. Die Torsionspotentialkurve wird durch Substituen- ten offensichtlich nur wenig beeinflufit; so ergaben Struktur- bestimmungen und spektroskopische Untersuchungen an (7) mit R = H, CH,, CF3 und SiH3 stets gauche-Formen als sta- bile K ~ n f o r m e r e f ~ ~ . ~ ~ ] . Die einzige Ausnahme ist Tetrafluor- hydrazin, das als anti/gauche-Gemisch ~or l ieg t [~~I .

fur (7) ist iiberaus miihsam und erfordert im allgemeinen eine voll- standige Strukturanalyse, da Verfahren wie IR- und NMR- Spektroskopie allenfalls die Symmetrie von (7), nicht aber den Wert von $ ergeben.

Wesentliche Fortschritte auf diesem Gebiet brachte erst die PE-Spektroskopie, durch die zahlreiche interessante Konformationsprobleme von Hy$azinen auf elegante Weise gelost werden k~nnten[ '~ .~ ' - 5 1 1 . D as Verfahren griindet sich auf eine Korrelation der Aufspaltung AIP der Ionisationspo- tentiale der einsamen Elektronenpaare rnit dem Torsions- winkel 4. Die beiden n-MOs von (7) (n, und n-) ergeben sich gemaB GI. (4) als Linearkombinationen der an den Stickstoffatomen lokalisierten n-Orbitale (naherungsweise sp3-Hybridorbitale) n, und n2:

Die zuverlassige experimentelle Bestimmung von

n, =(nl +n,)/ 12 (4)

Die Orbitalenergien ~ ( n + ) und &(n-) zeigen bei der inneren Rotation nach quantenchemischen Berechnungen den in Abbildung 6 schematisch dargestellten Verlauf.

t E t

00 9 00 180° Abb. 6. Anderung der Orbitalenergien .(n+) und f ( n ) von Hydrazinen ( 7 ) in Abhangigkeit vom Torsionswinkel 4.

Fur AIP sind demnach bei $ zs 90", der gekreuzten Anord- nung von n, und n2 rnit minimaler Uberlappung, der Wert 0 und bei 0" bzw. 180" Maximalwerte zu erwarten. Obwohl der funktionale Zusammenhang zwischen AIP = -A& =

.(n+)-&(n-) und $ zweifellos durch die Substituenten R und andere Bindungsparameter beeinflufit wird, ist es in gu- ter Naherung gerechtfertigt, eine einheitliche Beziehung ahnlich G1. (3) zu venvenden['']; rnit den Daten fur Hydrazi- ne bekannter Struktur ergab sich

AIP=2.2Ocos+-O.25 [eV] ( 5 )

Bei unsymmetrischen Hydrazinen fiihrt die Nichtaquivalenz von n, und n2 dazu, dafi n, und n- sich auch bei vollig ver- schwindender Wechselwirkung um einen Energiebetrag unterscheiden (Abb. 7), der vor Anwendung von GI. ( 5 ) vom gemessenen AIP-Wert zu subtrahieren i ~ t [ ~ ~ , ~ ~ 441.

A

E

Abb. 7. Aufspaltung b e der n-Orbitale bei a) symmetrisch und b) unsymmetrisch substituierten Hydrazinen (7).

Mit den entsprechend korrigierten AIP-Werten ergeben sich fur acyclische Hydrazine in allen Fallen Werte von I#I zwischen ca. 90 und ca. IOO", welche die gauche-Konforma- tion dieser Verbindungen eindeutig beweisen.

G1. (5) wurde auBer auf acyclische Hydrazine (7) auch auf cyclische (8) und bicyclische (9) Verbindungen und N , N - verkniipfte Bi(cyc1oamine) (10) sowie auf Molekiile rnit zwei oder drei Hydrazingruppen angewendet (11)-(14). Auf diese Weise konnte eine Vielfalt von Konformationsproblemen gelost werden. In diesem Aufsatz sollen nur wenige typische Beispiele behandelt werden.

Bei cyclischen und bicyclischen Hydrazinen (8) bzw. (9) wurden AIP-Werte bis zu 2.4 eV gefunden~40~41~43~45~47~481, wo- durch grofiere Abweichungen von 90" angezeigt werden: 1,6-

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03 CN-.3 Form mit diaquatorialen Substituenten an der grol3en Auf- spaltung der n-Ionisationsbanden stets leicht zu erkennen ist,

(141

Diazabicyclo[4.4.0]decan (15) sowie das zentrale Hydrazin- fragment in 1,3,4,6,8,9-Hexaazabicyclo[4.4.0]decan (14), R = H, besitzen entsprechend ihrer auch durch die Schwin- gung~spektren[~*~ belegten Zentrosymmetne (Q, = 180") rnit

a3 115)

A & = -2.35 bzw. -2.40 eV eine maximale Aufspaltung der n-Orbitale[4'1. Ahnlich groae Werte konnen nur syn-fixierte (Q, -0') Hydrazine haben. Fur die 1,5-Diazabicyclo[3.3.O]oc- tane (16) und (17) wurden AIP-Werte von 1.57 bzw. 2.21 eV gef~nden[~~.~ ' ] . Die syn-Konformation beider Verbindungen wurde durch NMR-Untersuchungen bekanntls31; fur (16) er- gab eine Elektronenbeugungs-Strukturanalyse Q, = 38"[54]. Dem groReren AIP-Wert entsprechend durfte (1 7) demnach einen Torsionswinkel von ca. 0" besitzen, der offensichtlich durch die AbstoBung der endo-Methylgruppen erzwungen wird. Nach G1. (5) resultiert fur 4=Oo ein As-Wert von 2.05 eV. DaR dieser Wert iiberschritten wird, durfte bei (1 7) auf die weitgehende Einebnung der Stickstoffvalenzen zuruck- zufuhren sein, die eine VergroOerung der Uberlappung von n, und n2 gegeniiber der sp3-Hybridisierung bedingt. Jedoch sind bei Q, = 0" auch groBere n/a-Wechselwirkungen zu er- warten.

Eingehend untersucht wurden cyclische Verbindungen vom Typ (8)[40,41,43.45.47.481. Hier interessiert neben der Ring- faltung insbesondere die Lage der Substituenten, der EinfluB von Doppelbindungen sowie das Auftreten von Konforme- rengemischen. Fur diese Verbindungen liegt zudem umfang- reiches Material aus NMR-Untersuchungen vor. Uber Hexa- hydropyridazine (18) berichtete Nelsen kurzlich in einer Ubersi~htl~~I.

Bei Verbindungen vom Typ (8) sind stets drei Konforma- tionen zu betrachten (EE, EA und AA)[561. Wahrend die EE-

EE E A A A

@ = 180" @ = SO" @ = 60°

lassen sich die beiden ubrigen Formen wegen ahnlicher 4- Werte insbesondere bei Sechsringen nur schwierig unter- scheiden. Bei diesen Untersuchungen sind offensichtlich PE- und NMR-Spektroskopie komplementar: Mit letzterer Me- thode kann die EA-Form leicht erkannt, nicht aber zwischen EE- und AA-Form unterschieden werden. In Tabelle 1 sind einige Ergebnisse zusammengestellt.

Tabelle I . Konformation cyclischer Hydrazine vom Typ (8)

/ 'N-R (8 )

m R AF [eV] EE EA AA Lit.

3 CH, 4 CH,

5 H i-C3H7

CH? CzH5 r-C,H,

CH? C2H5

7 CHI

6 H

-0.59 -2.12 -2.02. 0.6 0.44, - 1.45

-2.22, 0.70 0.88 0.99 0.70

0.67 0.54

-2.32, 0.77

100% trons 100% vie1 wenig wenig vie1 vie1 wenig

100% 100% 100%

vie1 wenig [a] 100% [a] 100% [a]

- ~

[a] Entscheidung zwischen EA und AA aufgrund der PE-Speklren ntcht moglich (siehe Text)

Ein sehr eindrucksvolles Beispiel fur die Leistungsfa- higkeit der PE-spektroskopischen Konformationsanalyse bietet 1,2,4,5-Tetramethylhexahydro-1,2,4,5-tetrazin (11), R = CH3[4'1. H-NMR-Untersuchungen von Anderson und Rober i~[ '~~ zeigten, dal3 diese Verbindung in einer Konfor- mation rnit zwei axialen und zwei aquatorialen Methylgrup- pen vorliegt. Die Entscheidung zwischen den Moglichkeiten

( l la ) - ( l lc ) folgt unmittelbar aus dem PE-Spektrum: Die vier etwa gleich intensiven n-Ionisationsbanden lassen sich paarweise rnit A&= -2.47 eV (Q,= 180") bzw. 0.55 eV (Q, = 70") dem diaquatorialen bzw. dem diaxialen N,N'-Di- methylhydrazin-Fragment von (1 1 b) z~ordnen[~'].

Eine eingehende Analyse der PE-Spektren von (11) sowie bi- und tricyclischer Derivate mit anellierten Fiinf- und Sechsringen vom Typ (12) und (13) beriicksichtigt auch die 1,3- und 1,4-Wechselwirkung von n-Orbitalen[501. Wahrend bei den Bicyclen (12) wie bei (11) diaquatorial-diaxiale For-

890 Angew. Chem. 91, 885-896 (1979)

Page 7: Konformationsanalyse durch Photoelektronen-Spektroskopie

men bevorzugt werden, liegen die Tricyclen (13) ubenvie- gend in tetraaquatorialen Konformationen v0r150.511.

Die N,N'-verkniipften Bi(cyc1oamine) vom Typ (10) zei- gen einen interessanten Konformationswechsel mit zuneh- mender RinggroBe (Tabelle 2)140.43,45*48,491. Die kleinste Ver- bindung, 1,l'-Biaziridinyl (rn = 3), besitzt nach schwingungs- spektroskopischen und Elektronenbeugungs-Untersuchun- genl5*1 die zentrosymmetrische anti-Form und unterscheidet sich damit vom isoelektronischen Bicyclopropyl, das ein Ge- misch aus gauche- und anti-Form bildeP9I. Ab m = 6 liegen diese Verbindungen in der den offenkettigen Hydrazinen (7) analogen gauche-Form vor. Bei der Vierring- und der Fiinf- ring-Verbindung sind anti- und gauche-Form offensichtlich vergleichbar stabil, so daR sie als Gemische auftreten.

Tabelle 2. Population van anfi- und gauche-Konformation bei N,N'-Bi(cycloam1- nen) vom Typ ( IB .

( C C N - N & W m . ~ /7 ( lo )

m anti [%I gauche [XI 4 (gauche)

3 100 4 40 S 50 6

60 50

100

64 " 99" 94

Dieses Verhalten wird verstandlich, wenn man die Absto- Rung der a-Methylen-Wasserstoffatome zwischen den bei- den Ringen in der gauche-Form beriicksichtigt, die erst ab m = 6 durch die groRere Flexibilitat (Faltung) der Ringe auf- gehoben wird.

3.2.2. H ydrazobenzole

Der Erfolg der PE-spektroskopischen Konformationsana- lyse von Hydrazinen regte auch die Analyse von Hydrazo- benzolen (19) an[6o1. Wegen der Konjugation zwischen n- und v-Elektronen war dabei auch die Orientierung der Phe-

nylgruppen zu beriicksichtigen. Ein Vergleich der Spektren von (19) rnit denen entsprechender Aniline (20) sowie MIN- D0/2-Rechnungen und Modellstudien ergaben einen sy- stematischen Zusammenhang zwischen den Aufspaltungen der beiden ersten sowie der vierten und funften Ionisations- banden und dem Torsionswinkel4. Als bevorzugte Konfor- mation der Hydrazobenzole in der Gasphase wurden For- men rnit anti-standigen Phenylgruppen gefunden, die nur dann nicht auftreten, wenn die Geometrie eines Ringsystems eine andere Anordnung erzwingt.

3.2.3. Andere Verbindungen rnit vicinalen einsamen Elek- tronenpaaren

AuBer den Hydrazinen (7) wurden auch andere Verbin- dungen rnit vicinalen einsamen Elektronenpaaren wie Di- phosphane (21)161-651, Diarsane (22)I6'], Peroxide (23)[66-701, Disulfide (24)f7' 741 und Hydroxylamine (2S)1751 untersucht, jedoch sind hauptsachlich wegen der geringeren Struktur- vielfalt langst nicht so viele Beispiele bekannt. Die Verhalt-

R\ /R /-p\

R\ /R A S-AS / \

nisse werden bei (23) und (24) durch die beiden einsamen Elektronenpaare jedes Sauerstoff- bzw. Schwefelatoms und bei (25) durch die Nichtaquivalenz der miteinander wechsel- wirkenden n-Orbitale kompliziert.

Die bisherigen Untersuchungen an offenkettigen und cy- clischen Peroxiden sowie an Ozoniden legen jedoch auch eine G1. (5) analoge Beziehung zwischen der Aufspaltung der beiden ersten n-Ionisationsbanden und der Verdrillung bezuglich der 0 -0-Bindung nahe1"I. Auch bei Disulfiden besitzen die beiden obersten besetzten MOs offcnsichtlich eine fur die Konformationsanalyse ausreichende systemati- sche Abhangigkeit vom Torsi~nswinkel~~' 741.

Bei den Hydroxylaminen konnte z. B. die Lage der N-Sub- stituenten von Isoxazolidinen (26) und Tetrahydro-1,2-oxa- zinen (27) aus den PE-Spektren ermittelt ~ e r d e n " ~ ] .

(26) C{'R

3.3. Systeme rnit n/n-Wechselwirkungen

3.3.1. Diene und Styrole

Die Biphenyle wurden als historisch erste Verbindungs- klasse, fur welche die konformationsabhangigen Orbital- wechselwirkungen untersucht wurden, in einem gesonderten Abschnitt besprochen.

Die einfachsten Systeme rnit v/v-Wechselwirkungen sind die 1,3-Diene, die meist coplanar ~ o r l i e g e n l ~ ~ ~ . Die Differenz der Ionisationspotentiale der beiden v-Banden betragt unab- hangig von der s-cis- oder s-trans-Konformation fur ebene Systeme wie 1,3-B~tadien[~" oder 1,3-Cy~lohexadien'~~.~~~ etwa 2.5 eV; durch Substitution in 2,3-Stellung, vor allem aber durch sekundare Orbitalwechselwirkungen durch den Raum rnit vcH,-Orbitalen, wird dieser Wert im 1,2-Dimethy- len-cyclobutan (2)(241 und ahnlichen Verbindungen auf etwa 1 .? eV reduziert. In 1,2-Dimethylen-cyclohexan (4) dagegen liegt eine Sesselstruktur mit einem Diederwinkel von etwa 55" V O ~ ~ " ' ~ (vgl. Abschnitt 2.2.3).

Die Wechselwirkung zwischen einer Phenyl- und einer Vi- nylgruppe behandelten Maier und Turner["I eingehend am

Beispiel der Styrolderivate (28). Zwischen cos 4 (4 =Tor- sionswinkel) und der etwa durch die van-der-Waals-Radien reprasentierten GroRe der Substituenten X in o,o'-Stellung, welche die coplanare Einstellung der Vinyl- und der Phenyl- gruppe verhindern, besteht eine annahernd lineare Korrela- tion.

Angew. Chem. 91, 88s-896 (1979) 891

Page 8: Konformationsanalyse durch Photoelektronen-Spektroskopie

3.3.2. Cyclopropylverbindungen

Die Fahigkeit des Cyclopropanringes zur Konjugation mit benachbarten n-Zentren rechtfertigt die Behandlung von Vi- nyl- (31) und Phenylcyclopropan (33) als System mit n/m-

Wechselwirkung, wobei eine parallele ( 2 9 ~ ) und eine senk- rechte Konformation (29b)lx2] durch maximale und minimale Wechselwirkung ausgezeichnet sind. Die beiden Anordnun- gen, die diesen Konformationen entsprechen, lassen sich gleichzeitig im Spektrum von Ethinylcyclopropan (30) beob- achtenlx31; fur die parallele Anordnung betragt AIP = 2.60 eV

, , p or all el " ( 290 1

(vergleichbar mit dem Wert fur Butadien), fur die senkrechte Anordnung wird AIP= 1.50 eV gefunden. Fur Vinylcyclo- propan (31) wird ebenso wie fur das sterisch fixierte Derivat Spiro[2.4]hept-4-en (32) AIP = 2.55 bzw. AIP= 2.57 eV ge- mes~en['~]. Eine zweite Konformation kann fur (31) bei Raumtemperatur nicht beobachtet werden; bei Phenylcy- clopropan (33) ergaben sich auch bei hoheren Temperaturen keine Hinweise auf eine zweite Konformation.

was= was- WAS

w; = w s - w ;

0; rw,+w;

w*as =was + Whs

Abb. X. Walsh-Orbilale yon Bicyclopropyl (35)

Fur zwei benachbarte Cyclopropanringe werden die Ver- haltnisse durch die groBere Zahl der in Wechselwirkung tre- tenden Orbitale komplizierter, doch konnen bei sterisch fi- xierten Bicyclopropylen wie (34) die ersten vier PE-Banden

135)

den in Abbildung 8 angegebenen Kombinationen w w , , w: und w:, der Walsh-Orbitale zugeordnet werdenlH5]. Bi- cyclopropyl (35) liegt im Gaszustand in einer trans-

(+ = 180") und i n einer gauche-Konformation (+= 30-40") (40:60) vorrS'l, so daR im Bereich von 9-11 eV acht Ionisie- rungen zu erwarten sind. Damit ist praktisch die Grenze der Konformationsanalyse durch PE-Spektroskopie erreicht: Die Spektren werden zu kompliziert und zu uniibersichtlich. Das aufgrund von MIND0/2-Ergebnissen unter Annahme von Lorentz-Kurven der Halbwertsbreite 0.5 eV fur ein Konfor- merengemisch der angegebenen Zusammensetzung berech- nete PE-Spektrum (Abb. 9) stimmt jedoch gut mit dem ge- messenen Spektrum uberein[xhl.

a1 A

I I I I

a 10 12 [evl 1L Abb. 9. PE-Spektrum van Bicyclopropyl (35); a) gemessen und b) fur ein gauche/trans-Gemisch (60: 40) unter der Annahme van Lorentz-Kurven berech- net.

3.4. Systeme rnit n/m-Wechselwirkung

Die wichtigsten Systeme mit n/m-Wechselwirkungen sind Vinylether (36), X = 0, und Vinylsulfide (36), X = S, sowie die entsprechenden Arylverbindungen. Die Konformation dieser Systeme ist intensiv mit vielen Methoden untersucht worden, wobei sehr unterschiedliche Ergebnisse erhalten wurden. So wird rnit allen Methoden bei den Alkyl-vinyl- ethern und -sulfiden neben der stabilen syn-Konformation (36a) eine zweite Konformation beobachtet, doch ist bei den Alkyl-vinyl-ethern nicht klar, ob es sich hier um eine nicht- planare gauche-Form (36b) handelt, wie aus Elektronenbeu- g ~ n g s - [ ~ ' . ~ ' ~ und Mikrowellenmessungen[xyl geschlossen wur- de, oder um eine planare anti-Form (36c), wie aus den 1R- Spektren'"] gefolgert wurde, wahrend bei den Alkyl-vinyl- sulfiden mehrere Elektronenbeugungsuntersuchungen1x8~y'1 einander widersprechende Daten fur den Anteil der s-cis- (36a) und der s-trans-Konformation (36c) und damit fur den Energieunterschied der beiden Formen ergaben.

Bei den Arylethern (37) schlieBlich lassen I R - [ " O . ~ ~ ~ und MikroweIlen~pektren[~~~ nur eine planare Form erkennen,

7 =\X R /x A

R ( 360) (366)

7 - R JI

892 Angew. Chem. 91, 885-896 (1979)

Page 9: Konformationsanalyse durch Photoelektronen-Spektroskopie

wahrend Elektronenbe~gungsuntersuchungen~~~~ und Mes- sungen des Dipolmoments sowie der Kerr-Kon~tante~'~' auf Anteile eines nichtplanaren Konformers schlieBen lassen.

Informationen uber Gleichgewichte zwischen Konforme- ren sind durch Untersuchungen der PE-Spektren bei unter- schiedlichen Temperaturen zu gewinnen, wie Ames und Tur- nerl6'] sowie Schweig et a1.1y61 als erste fanden. Die folgenden Beispiele zeigen, daB diese Methode geeignet ist, auf einfa- che Weise die offenen Fragen zu klaren und zwischen den widerspruchlichen Ergebnissen anderer Konformationsun- tersuchungen zu entscheiden.

3.4.1. Alkyl-vinyl-ether und Alkyl-vinyl-sulfide

Das zwischen 20 und 600°C von Schweig et al.["l unter- suchte PE-Spektrum von Methyl-vinyl-sulfid (38) wurde durch ein temperaturabhangiges Gleichgewicht zwischen ei-

7SCH3 H3C ACH3 OCH3 & (38) ( 391 (40)

ner syn- und einer gauche-Konformation gedeutet, wobei der Energieunterschied der beiden Formen zu 9.6 _t 0.8 kJ/mol abgeschatzt wurde; das bedeutet, daB bei Raumtemperatur das Verhaltnis von cis- zu gauche-Form 94: 6 betragt.

Sterisch gehinderte und ungehinderte Alkyl-vinyl-ether verhalten sich ver~chieden[~? In (Z)-2-Methoxy-2-buten (39) erscheinen bei hoheren Temperaturen im PE-Spektrum zwei neue Banden bei 9.6 und 10.1 eV (Abb. lo), die ebenso wie die Banden bei 10.4 eV beim Isopropyl-vinyl-ether (36), X = 0, R= i-C3H7, einer nicht ebenen gauche-Form (36b) zu- geordnet werden. Beim Methyl-vinyl-ether (1) dagegen wer- den bei hoheren Temperaturen zwischen 10 und 12 eV keine neuen Banden beobachtet, doch la& die Anderung der Form der zweiten Bande eine neue Ionisation bei 12.35 eV entspre- chend einer groBeren Aufspaltung AIP fur das weniger stabi- le Konformer erkennen. Im Zusammenhang mit dem Orbi- talenergiediagramm der Abbildung 2 folgt daher, daB ste- risch ungehinderte Alkyl-vinyl-ether vorwiegend in der s-cis- Konformation vorliegen, mit geringen Anteilen einer um etwa 9 3 kJ/mol weniger stabilen s-trans-Konformation, wahrend fur die sterisch gehinderten Ether die s-trans-Kon- formation neben einer um 12 1 kJ/mol weniger stabilen nichtebenen gauche-Form dominiert~"]. Diese Verhaltnisse lassen sich durch starke sterische AbstoBungen in der s-cis- Konformation fur den Fall erklaren. da8 die Alkylgruppe

01

I

b l

A 2,

8

I Abb. 10. PE-Spektrum von (2)-2-Methoxy-Z-buten (39) bei a) 293 und b) 508 K; die bei hohen Temperaturen zusatzlich auftretenden Banden der gauche-Konfor- mation sind durch Pfeile markiert.

besonders raumerfullend ist oder die Vinylgruppe einen Substituenten enthalt.

Bei 9-0xabicyclo[3.3.l]non-l-en (40) und der entsprechen- den Schwefelverbindung haben Batich, Heilbronner et al.1"71 durch sorgfaltige Anwendung des LCBO-Modells unter An- nahme einer durch B = B, cos + gegebenen Winkelabhangig- keit des Wechselwirkungsterms fur die Vinylether- bzw. Vi- nylsulfidgruppe Abweichungen von der Coplanaritat von 70-75" bzw. 75-80" abgeleitet.

3.4.2. Alkyl-aryl-ether und Alkyl-aryl-sulfide

Die PE-Spektren der Alkyl-aryl-ether (37) zeigen, daB ste- risch gehinderte Verbindungen wie 2,6-Dirnethylanisol (41)198i oder auch tert-Butyl-phenyl-ether (37), R = t-Bu, in einer nichtebenen Konformation vorliegen, die bei sterisch ungehinderten Verbindungen wie etwa Anisol (37), R = CH,, als zweite, weniger stabile Form erwartet wird. Qualitative Uberlegungen zur Orbitalwechselwirkung12'1 sowie quanten- chemische R e c h n ~ n g e n ~ ~ ~ ' machen plausibel, daB im Gegen- satz zu den Alkyl-vinyl-ethern hier auch die um 90" verdrill- te Form einem Minimum der Potentialflache entspricht. Dan die Alkyl-aryl-ether tatsachlich entweder in der planaren oder in der senkrechten Form auftreten und der Diederwin- kel nicht in Abhangigkeit von der Gro8e der Alkylgruppe beliebige Werte annehmen kann, zeigt die Auftragung der den einsamen Elektronenpaaren am Sauerstoff entsprechen- den Ionisationspotentiale IP(n,) gegen die Ionisationspoten- tiale der analogen Alkyliodide: Mit Ausnahme der tert-Bu- tylgruppe liegen die Punkte auf einer Geraden, d. h. ledig- lich beim tert-Butylether existiert ein sterischer Effekt, in den anderen Fallen wird die Variation von IP(no) allein durch den induktiven Effekt der Alkylgruppe hervorgerufen[2"i.

?R

,?WCH3 &OR

( 4 I1 (421 (431 (44 1

Wahrend eine Methylgruppe in 2-Stellung die Verhaltnis- se gegenuber den unsubstituierten Alkyl-aryl-ethern nicht verandert, liegt o-Dimethoxybenzol (42). R = CH,, nach den PE-Messungen im Gaszustand uberwiegend in einer nicht- ebenen Konformation vor, wahrend im Kristall die meisten o-Dimethoxybenzole planar sind1'""1. Bei den Alkyl-aryl-sul- fiden (43) schlieBlich wird in den PE-Spektren immer neben der ebenen eine nichtebene Konformation beobachtet, deren Bedeutung mit der GroBe der Alkylgruppe zunimmtl'Xl. Bei N,N-Dimethylanilin (44) geniigt bereits eine Methylgruppe in o-Stellung, damit das Molekul uberwiegend eine verdrillte Konformation annimrnt['"'l, wahrend in N-Methylanilin bei- de o-Stellungen substituiert sein mussen, um die Verdrillung zu erzwingen.

4. Grenzen der Methode

4.1. Zuordnung der PE-Spektren

Die PE-Spektroskopie IaBt sich nur dann erfolgreich auf Probleme der Konformationsanalyse anwenden, wenn das Spektrum im interessierenden Bereich hinreichend einfach ist, denn zuverlassige Schlusse auf die GroBe der Orbital-

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Page 10: Konformationsanalyse durch Photoelektronen-Spektroskopie

wechselwirkungen und damit auf die Konformation des Mo- lekuls konnen aus dem Spektrum nur dann gezogen werden, wenn sich die Ionisationsbanden den fraglichen Orbitalen eindeutig zuordnen lassen. Als Beispiel fur eine Verbindung, deren PE-Spektrum bereits so komplex ist, da8 die Grenzen der Methode erreicht sind, war Bicyclopropyl (35) (Abschnitt 3.3.2) erwahnt worden.

Meist wird auch in schwierigen Fallen durch mehr oder weniger aufwendige quantenchemische Rechnungen eine zuverlassige Deutung des PE-Spektrums moglich sein, doch konnen auch durch die Weiterentwicklung der experimentel- len Techniken neue Zuordnungskriterien gewonnen werden. So war im Falle des als Gemisch zweier Konformere vorlie- genden Tetramethyldiphosphans (21), R = CH,, ursprung- lich vorgeschlagen worden[h'l, die Bande bei 8.75 eV beiden n-Orbitalen der energiereicheren Konformation zuzuordnen; dies entspricht einer minimalen Wechselwirkung, wenn die n-Orbitale senkrecht zueinander stehen ( 4 = 90"). Messun- gen bei erhohten Temperaturen, aber auch die Winkelab- hangigkeit des PE-Spektrums sowie eine Simulation des PE- Spektrums durch GauB-Kurven zeigten jedoch, daB nicht die zweite, sondern die erste Bande des Spektrums von zwei verschiedenen Ionisationen herruhrt@'I; sie entspricht dem n_-Orbital beider Konformere, so daB sich fur die energie- reichere Konformation AIP = 0.6 eV entsprechend einer gau- che-Form mit 4 x 60" ergibt.

4.2. Sekundare Orbitalwechselwirkungen

Auch durch sekundare Orbitalwechselwirkungen kann die Konformationsanalyse durch PE-Spektroskopie sehr er- schwert oder unmoglich gemacht werden. So blieb der Ver- such erfolglos, die bei den Enolethern (36) gewonnenen Er- gebnisse["' auf die a-Chlorderivate (45) und (46) zu ubertra- gen; die gemessenen AIP-Werte sind mit den Daten der sta- bilen Konformere der unsubstituierten Verbindungen nicht vergleichbar['021. Einfache Rechnungen zeigen, daR AIP in- folge der moglichen Wechselwirkungen des vcc- und des no- Orbitals mit den Orbitalen der einsamen Elektronenpaare des C1-Atoms einerseits erheblich kleiner als bei den unsub- stituierten Verbindungen und andererseits nahezu konfor- mationsunabhangig ist['021.

/CI

R' . ( 4 5 ) ( 4 6 )

(47Ul (47b)

Ahnliche Schwierigkeiten treten beispielsweise bei den Hydrazonen auf, fur die zwei stabile Konformationen (47a) und (476) zu erwarten sind, in denen das freie Elektronen- paar des Aminostickstoffs mit dem Elektronenpaar des Imi- nostickstoffs bzw. den v-Elektronen der C --N-Bindung in Wechselwirkung treten kann. Als Folge dieser zwei mogli- chen Wechselwirkungen ist der energetische Abstand der er- sten beiden Orbitale nahezu konformationsunabhangig; eine ausgepragte Abhangigkeit vom Diederwinkel zeigt erst die Energie des dritten Orbitals, dessen Ionisationspotential in einem Bereich zu erwarten ist, wo die eindeutige Zuordnung der PE-Banden bereits schwierig ~ i r d I ' ~ ~ l .

4.3. Andere geometrische Anderungen

SchlieRlich sei darauf hingewiesen, daR auch andere An- derungen der Molekulgeometrie die Orbitalenergien beein- flussen und so eine Anderung des Diederwinkels vortau- schen konnen. So wurde beispielsweise unter der Annahme, daR in Dimethylen-norbornan (48) das v-System coplanar ist, fur Dimethylen-bicyclooctan (49) und -nonan (50) mit der Beziehung AIP,,2=2@"c0s 4 fur die Diederwinkel+= 10 bzw. 4 = 20" ermittelt[*'], doch konnte die Nichtplanaritat des v-Systems dieser Verbindungen mit anderen Methoden nicht nachgewiesen werden. Kraftfeldrechnungen zeigten schlieBlich, daB die v-Systeme von (48)-(50) planar sind, daB aber die gesamte Geometrie der Butadieneinheit durch das Ringsystem festgelegt wird'"1.

Die durch ab-initio-Rechnungen nachgewiesene Abhan- gigkeit der Orbitalenergien von der Geometrie der Butadien- einheit[241 sowie die lineare Beziehung zwischen AIPl ,2 und den nach den Kraftfeldrechnungen bestimmten Valenzwin- keln legen nahe, daB die Aufspaltung der ersten beiden IPS von (49) und (50) nicht deshalb kleiner als bei (48) ist, weil das T-System von der planaren Anordnung abweicht, son- dern weil sich die CCC-Bindungswinkel unterscheiden["I.

5. Zusammenfassung und Ausblick

In dieser Ubersicht wurden lediglich Verbindungen mit benachbarten n- und a-Elektronen behandelt. Selbstver- standlich konnen auch die Wechselwirkungen zwischen wei- ter voneinander entfernten Orbitalen (z. B. 1,3- und 1,4- Wechselwirkungen) konformationsabhangig sein. In diesen Fallen ist jedoch keine einfache Beziehung wie G1. (2) und G1. (3) zwischen Konformationswinkel und Ionisationspo- tentialen zu erwarten, da neben dem direkten through-space- Mechanismus stets auch through-bond-Wechselwirkungen uber ,,Relais-Orbitale" zu beriicksichtigen sind[xl. Die Arbei- ten von Sweigart und Turner['"] an Di- und Trioxanen sowie Di- und Trithianen und von Nelsen und B ~ s c h e k ~ ' ~ ~ 1 an cy- clischen 1,3- und 1,4-Diaminen konnen hier als onentierende Untersuchungen genannt werden. Da z. B. bei nicht-aroma- tischen Heterocyclen haufig nur zwischen wenigen Konfor- mationen zu entscheiden ist, sind auch hier von den PE- Spektren wertvolle Informationen zu erwarten.

Zusammenfassend IaBt sich sagen, daR sich die PE-Spek- troskopie vor allem im Zusammenhang mit MO-Rechnun- gen oder qualitativen MO-Uberlegungen als besonders ein- fache und schnelle Methode zur Konformationsanalyse er- wiesen hat und auch in Zukunft noch weitere interessante Anwendungen finden wird.

Bei allen Anwendungen sollte man jedoch prufen, ob und in wieweit sekundare Orbitalwechselwirkungen einen even- tuell zu erwartenden einfachen funktionellen Zusammen- hang zwischen Ionisationspotentialen und Diederwinkel ver- falschen konnen, und ob gegebenenfalls auch andere Geo-

894 Angew. Chem. 91, 885-896 (1979)

Page 11: Konformationsanalyse durch Photoelektronen-Spektroskopie

metrieanderungen als die Rotation um eine Einfachbindung zu diskutieren sind.

Unser Dank gilt den in den eigenen Beitragen genannten Miturbeitern. Das Interesse an Fragen der Molekiilstruktur verdanken wir unserern verehrten Lehrer, Herrn ProJ Liittke. Diese Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemein- schafr, dem Landesamt fur Forschung in Nordrhein- Westfalen und dem Fonds der Chemischen Industrie unterstiitzt.

Eingegangen am 28. August 1979 [A 2921

[I] D. H. R. Barton. R. C. Cookson, Q. Rev. Chem. Soc. 10, 44 (1956). 121 H. H. Lau, Angew. Chem. 73,423 (1961); D. H. R. Barton, Angew. Chem.

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[ lo] Da das Koopmans-Theorem nur innerhalb der SCF-Naherung gilt (vgl. [ I I , 121) und deshalb nur Naherungswerte fur die Ionisationspotentiale lie- fert, spricht man auch van der Koopmans-Naherung.

Ill] K. Wittel, S. P. McGlynn, Chem. Rev. 77, 745 (1977). (121 E. Heilbronner in R. Daudel, B. Pullman: The World of Quantum Chemi-

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Katalytische Reaktionen mit Hydrosilan und Kohlenmonoxid

Von Shinji Murai und Noboru Sonoda"]

Neue synthetische Methoden (30)

I I

Das Reagens Hydrosilan/Kohlenmonoxid eroffnet neue Moglichkeiten fur die organische Synthese. Vier Falle sollen besprochen werden: 1. Die Umsetzung von Olefinen rnit Hydrosi- lan (Trialkylsilan) und Kohlenmonoxid in Gegenwart von Co-, Ru- und Rh-Komplexen fuhrt zu Enolsilylethern mit einem zusatzlichen Kohlenstoffatom. 2. Unter carbonylierender Ring- offnung reagieren cyclische Ether rnit Hydrosilan und Kohlenmonoxid zu w-Siloxyaldehyden; als Katalysator dient CO~(CO)~ . 3. Aldehyde lassen sich je nach Bedingungen in die nachsthohe- ren a-Siloxyaldehyde oder 1,2-Bis(siloxy)alkene umwandeln. 4. Aus Alkylacetaten werden in Abhangigkeit von der Alkylgruppe Bis(si1oxy)alkene oder Alkene erhalten. - Fur die durch C O ~ ( C O ) ~ katalysierten Reaktionen mit Hydrosilan und Kohlenmonoxid werden Mechanis- men diskutiert, bei denen HCo(CO), oder R,SiCo(CO).L als katalytisch wirksame Agentien fungieren. Mit diesen Spezies lassen sich vier katalytische Cyclen ableiten. - Die synthetischen Moglichkeiten dieser katalytischen Reaktionen sind bei weitem noch nicht ausgeschopft.

1. Einleitung

Die Hydroformylierung von Olefinen mit molekularem Wasserstoff und Kohlenmonoxid zu Aldehyden wird seit fast vierzig Jahren intensiv erforscht; das Interessse an der homo- genen Katalyse und die steigende industrielle Bedeutung sti- rnulieren standig neue Untersuchungen.

Vor etwa vier Jahren tauchte bei uns die naive Frage auf, was wohl passiert, wenn bei der Hydroformylierung anstelle rnolekularen Wasserstoffs ein Hydrosilan (HSiR3) verwendet wird. Wir dachten dabei an die bekannte Ahnlichkeit der Reaktionen von molekularem Wasserstoff und von Hydrosi- lanen rnit Ubergangsmetallkomplexen (vgl. Abschnitt 2.1). Wenige Monate spater fanden wir dann glatte, aber etwas verwirrende Reaktionen. Zum Beispiel entstand bei der durch Co,(CO), katalysierten Umsetzung von Cyclohexenen rnit einem Hydrosilan und Kohlenmonoxid ein Silylether des Cyclohexancarbaldehyd-enols (siehe unten). Dieses Er-

1'1 Prof. Dr. S. Murai, Prof. Dr. N. Sonoda Department of Petrdeum Chemistry, Faculty of Engineering Osaka University, Suita, Osaka 565 (Japan)

gebnis fuhrte zur Entdeckung einer ganzen Reihe neuartiger katalytischer Reaktionen mit Hydrosilanen und Kohlen- monoxid und eroffnete damit ein neues Arbeitsgebiet zwi- schen Organosiliciumchemie, homogener Katalyse und syn- thetischer organischer Chemie.

Wir fanden, daB nicht nur Olefine, sondern auch sauer- stoffhaltige Verbindungen wie cyclische Ether und Carbo- nylverbindungen rnit Hydrosilan und Kohlenmonoxid in Gegenwart von Komplexen der Metalle aus der VIII. Ne- bengruppe reagieren. Als Katalysator wurde in den meisten Fallen CO,(CO)~ benutzt. Olefine und sauerstoffhaltige Ver- bindungen nehmen Kohlenmonoxid und die Silylkompo- nente auf und ergeben stabile 0-silylierte Derivate von nor- malerweise instabilen oder anders nicht zuganglichen Hy- droxyverbindungen wie Enolen, Hydroxyaldehyden oder Endiolen.

Wir wollen hier einen Uberblick iiber diese neuen kataly- tischen Reaktionen geben, die fast alle in unserem Laborato- rium entdeckt wurden. Dabei soll das grundsatzliche reakti- ve Verhalten herausgearbeitet werden, damit die Wirkungs- weise der katalytischen Agentien erkennbar wird. AuBerdem soll auf die offenen Fragen hingewiesen werden, denn die Entwicklung durfte sich erst irn Anfangsstadium befinden.

896 0 Verlag Chemie, GmbH, D 6940 Wemherm. 1979 0044-8249/79/1111-0896 $ 0 2 50/0 Angew Chem. 91, 896-905 (1979)