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» WISSEN & VERSTEHEN 14 GESUNDHEIT GESUNDHEIT 15 F rüher fand man Gespräche über ihn hochnotpeinlich, heute werden seine Lebenszeichen von Bauchgrummeln bis Blähungen sogar beim Small Talk und auf Partys diskutiert – der Darm hat es aus der Tabuzone offenbar in die Öffentlichkeit ge- schafft. Sein größter PR-Erfolg bisher: die Ver- öffentlichung des Bestsellers „Darm mit Charme“ der jungen Wissenschaftlerin Giulia Enders. Gut so, denn erst die Aufmerksamkeit verschaffte unserem größten inneren Organ die verdiente Anerkennung. Forscher sind sich inzwischen nämlich sicher: Der Darm kann mehr als Verdauung und die damit verbunde- ne Umwandlung der Nahrung in Lebensener- gie; tatsächlich ist er die vielleicht wichtigste Schaltzentrale unserer Gesundheit. Er besitzt sogar ein eigenes Nervensystem, das eine Art zweites Gehirn in unserer Körpermitte bildet. Und: In unserem Darm sitzt ein Großteil un- seres Immunsystems. Stress, falsche Ernährung, Übergewicht, Be- wegungsmangel, Umweltgifte – das alles setzt unserer Verdauung mächtig zu. Kein Wunder, dass Nahrungsunverträglichkeiten und Darm- entzündungen zugenommen haben. Mehr als zehn Prozent der Bevölkerung leiden am Reiz- darmsyndrom – ein Krankheitsbild mit immer noch ungeklärter Ursache. Wissenschaftler forschen mit Hochdruck daran, die Zusam- menhänge zu erkennen und damit Lösungen für das Gesundheitsproblem anbieten zu kön- nen. Aber es gibt schon jetzt Hoffnung für Menschen mit chronischen Darmerkrankun- gen; neue Diagnoseverfahren und Therapie- ansätze sind entwickelt worden, und auch Unser größtes Organ kann mehr als Verdauung: Es verwaltet einen Großteil unseres Immunsystems und beeinflusst sogar unsere Stimmungen. Aber auf manche Dinge reagiert es äußerst empfindlich. Neue Erkenntnisse aus dem Reich der Mitte Was den krank macht DARM BAUCHSCHMERZEN Blähungen, gereizter Darm: Sieben von zehn Bundesbürgern kennen das Unwohlsein, das aus unserer Mitte kommt Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack Die Fachärztin für Innere und Ernährungsmedizin hat sich in ihrer Münchner Praxis auf die ganzheitliche Behandlung von Darmerkrankungen spe- zialisiert. Sie ist u. a. Autorin des Buchs „Was passiert im Darm?“ (Südwest Verlag) FOTOS: SELF/ALAMY (GR.), GUENTNER

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Fotoredakteur: ChristineLayouter: Andreas

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W I S S E N & V E R S T E H E N

14 GESUNDHEIT GESUNDHEIT 15

Früher fand man Gespräche über ihn hochnotpeinlich, heute werden seine Lebenszeichen von Bauchgrummeln bis Blähungen sogar beim Small Talk

und auf Partys diskutiert – der Darm hat es aus der Tabuzone offenbar in die Öffentlichkeit ge-schafft. Sein größter PR-Erfolg bisher: die Ver-öffentlichung des Bestsellers „Darm mit Charme“ der jungen Wissenschaftlerin Giulia Enders. Gut so, denn erst die Aufmerksamkeit verschaffte unserem größten inneren Organ die verdiente Anerkennung. Forscher sind sich inzwischen nämlich sicher: Der Darm kann mehr als Verdauung und die damit verbunde-ne Umwandlung der Nahrung in Lebensener-gie; tatsächlich ist er die vielleicht wichtigste Schaltzentrale unserer Gesundheit. Er besitzt sogar ein eigenes Nervensystem, das eine Art zweites Gehirn in unserer Körpermitte bildet. Und: In unserem Darm sitzt ein Großteil un-seres Immunsystems.

Stress, falsche Ernährung, Übergewicht, Be-wegungsmangel, Umweltgifte – das alles setzt unserer Verdauung mächtig zu. Kein Wunder, dass Nahrungsunverträglichkeiten und Darm -entzündungen zugenommen haben. Mehr als zehn Prozent der Bevölkerung leiden am Reiz-darmsyndrom – ein Krankheitsbild mit immer noch ungeklärter Ursache. Wissenschaftler forschen mit Hochdruck daran, die Zusam-menhänge zu erkennen und damit Lösungen für das Gesundheitsproblem anbieten zu kön-nen. Aber es gibt schon jetzt Hoffnung für Menschen mit chronischen Darmerkrankun-gen; neue Diagnoseverfahren und Therapie-ansätze sind entwickelt worden, und auch

Unser größtes Organ kann mehr als Verdauung: Es verwaltet einen Großteil

unseres Immunsystems und beeinflusst sogar unsere Stimmungen.

Aber auf manche Dinge reagiert es äußerst empfindlich. Neue

Erkenntnisse aus dem Reich der Mitte

Was den

krank macht

DARM

BAUCHSCHMERZENBlähungen, gereizter Darm: Sieben von zehn Bundesbürgern kennen das Unwohlsein, das aus unserer Mitte kommt

Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack

Die Fachärztin für Innere und Ernährungsmedizin hat sich in ihrer Münchner Praxis auf die ganzheitliche Behandlung von Darmerkrankungen spe­zialisiert. Sie ist u. a. Autorin des Buchs „Was passiert im Darm?“ (Südwest Verlag) FO

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Fotoredakteur:Layouter:

die Vorsorgemaßnahmen sind differenzierter geworden. Hier ist ein Überblick über die häu-figsten Darmprobleme.

Mehr als nur heiße LuftJe nachdem, was wir essen, produziert jeder Mensch täglich etwa zwei Liter Darmgas. Ein Teil gelangt über den Darmausgang nach draußen. Chemisch gesehen setzt sich solch ein Pups vor allem aus Stick- und Wasserstoff, Kohlendioxid und Methan zusammen. Dazu kommen diverse Schwefelverbindungen, die für den Geruch verantwortlich sind. Was die wenigsten wissen: Die Gase werden zum gro-ßen Teil von der Darmwand aufgenommen und über den Blutkreislauf zu den Lungen transportiert, wo sie abgeatmet werden. Wenn aber zu viel Gas produziert wird, entstehen schmerzhafte Blähungen, weil die Darmwand durch die übermäßige Luft stark gedehnt wird. Auslöser sind oft bestimmte Nahrungsmittel wie Hülsenfrüchte oder Kohl, vor allem, wenn die Darmbakterien die unverdaulichen Nah-rungsanteile und Zuckerverbindungen abbau-

Fenchel, Kümmel, Anis oder Pfefferminze. Wärme beruhigt das Nervensystem des Darms und entspannt so die Darmmuskulatur.

Es geht einfach nicht weiterFür etwa 20 Prozent der Bundesdeutschen sind Verstopfungen ein tägliches Problem. Für Frauen öfter als für Männer, und ältere sind häufiger davon betroffen als jüngere Men-schen. Die Behauptung, man müsse dagegen nur genügend Ballaststoffe essen, ausreichend trinken und sich bewegen, hält sich hartnä-ckig, ist aber nicht klar belegt. Was die Medi-zin heute weiß: Der Darm ist ein sensibles Or-gan, das direkt auf Stress reagiert. Wer in der Hektik des Tages den Stuhldrang unterdrückt, erzieht dadurch den Enddarm, keine weiteren Signale an das Nervensystem zu senden. Die Folge: Das Gefühl, auf die Toilette zu müssen, stellt sich nicht mehr so oft ein. Die Speiseres-te bleiben länger im Darm liegen und trocknen immer weiter ein – die Schwierigkeit, den In-halt nach außen zu bringen, wird noch größer. So simpel es klingt: Wer Verdauung und Stuhl-gang mehr Aufmerksamkeit schenkt, löst da-mit seine Verstopfungsprobleme. Oft spielt sich dann sogar ein fester Rhythmus ein. Denn eigentlich passiert im Darm alles mit schöner Regelmäßigkeit: Dehnungsrezeptoren aus dem Magen geben die Information über die Nah-rungsaufnahme an den Dickdarm weiter – und lösen damit rund 30 Minuten nach dem Essen den gastrokolischen Reflex aus: Die Res-te werden in den Enddarm geschoben, und wir müssen auf die Toilette.

Er liegt geschützt in unserem Innern? Weit gefehlt: Tatsächlich hat der Darm täglich Kon-

takt mit der Außenwelt. Über die Nahrung, das Trinkwasser, unsere Finger, die wir nach dem Händeschütteln vielleicht selbstvergessen an die Lippen legen, gelangen Bakterien, Viren oder gar Parasiten in unseren Körper. Und durch verdorbene Lebensmittel.

Höchste GefährdungsstufeInfektionen des Magen-Darm-Traktes zählen deshalb zu den weltweit häufigsten Erkran-kungen – in Deutschland werden sie oft durch Noro- oder Rotaviren sowie durch die Bakte-rien E. coli, Campylobacter und Salmonellen ausgelöst. Bei Auslandsreisen in hygienisch kritische Gebiete lauern auch Parasiten oder Erreger wie Cholera, Typhus oder Hepatitis A. Die Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Bauch-schmerzen – und Durchfall. Der Körper ver-sucht damit, die Eindringlinge möglichst schnell wieder loszuwerden. Die aber agieren unterschiedlich. Einige Keime nisten sich in der Darmschleimhaut ein und schädigen

en. Bohnen enthalten zum Beispiel spezielle Zuckerarten wie Raffinose. Die kann unser Dünndarm aber nicht abbauen, weil ihm die dafür notwendigen Enzyme fehlen. Deshalb müssen die Bakterien im Dickdarm die Arbeit übernehmen und zwar durch Gärungsprozes-se, bei denen dann Darmgase entstehen.

Auch bei Nahrungsmittelunverträglichkei-ten wie Laktose- oder Fruktoseintoleranz ent-stehen vermehrt Gase im Darm (siehe dazu auch S. 30). Ebenso bei Zuckeraustauschstof-fen wie Sorbit oder Xylit. Manchmal sind auch Medikamente wie Antibiotika oder Mittel ge-gen Diabetes Auslöser von Blähungen. Oder schlichtweg Trägheit. Bewegung hingegen regt auf mechanische Weise die Muskeln in der Darmwand an und damit den Abtransport des Nahrungsbreis – ein zügiger Spaziergang nach dem Essen etwa fördert die Darmperis-taltik. Bei leichten Blähungen helfen Tees aus

Von vorne bis hinten: So geht Verdauung

Rund 30.000 Kilo Lebensmittel durchwandern im Laufe unseres Lebens den Verdauungsprozess. Der beginnt im Mund und endet am Ende des Dickdarms am After. Er liefert die Energie, die unser Körper täglich zum Leben braucht. Beim Kauen vermischt die Zunge den Speisebrei mit Speichel, der wichtige Enzyme enthält. Chemische Prozesse besorgen jetzt bereits die Zerlegung kohlenhydrathaltiger Speisen wie Brot, Nudeln, Kartoffeln oder Zucker in einzelne Bestandteile. Dieser Speisebrei rutscht dann mittels Schlucken durch die Speise­röhre in den Magen. Dort setzen ihm etwa zwei Liter stark säurehaltige Magensäfte zu, die ihn weiter aufspalten. Stunden später übernimmt der Dünndarm den wichtigsten Part der Verdauung. Er spal­tet die vorverdaute Nahrung in Kohlen­hydrate, Aminosäuren, Fette, Vitamine, Spurenelemente, Mineralstoffe und Salze auf, die über die Blutgefäße in die ver­schiedenen Regionen des Körpers trans­portiert werden. Was dann über die Ileo­zökalklappe am Übergang vom Dünn­

zum Dickdarm ankommt, besteht fast nur noch aus unverdaulichen Bestandteilen wie Ballaststoffen, auf die sich unsere Darmbakterien gierig stürzen. Sie dienen ihnen als Nahrung. Als Nebenprodukt las­sen sie wertvolle kurzkettige Fettsäuren wie die Buttersäure entstehen, die nicht nur die Schleimhautzellen versorgen, sondern auch die Darmbarriere stärken und entzündungshemmend wirken. Im Dickdarm bleibt der halbflüssige Speise­brei zwischen zwölf Stunden und mehre­ren Tagen. Hier wird ihm auch allmählich das Wasser entzogen, da er es ins Blut rückresorbiert, damit es nicht aus dem Körper ausgeschieden wird. Was dann noch übrig bleibt, ist halbfester Stuhl – eine Mischung aus Bakterien, Viren, körpereigenen Zellen, Pilzen, Stoffwech­selprodukten und unverdaulichen Nah­rungsbestandteilen. Durch kräftige Darmbewegung wird er geformt. Gleich­zeitig produziert die Schleimhaut des Dickdarms Sekrete, damit er geschmeidig zum Darmausgang, dem After, gleiten und dort ausgeschieden werden kann.

ROTAVIRUS Hochansteckend: Rotaviren lösen Durchfälle aus. Fast jedes Kind bis zum 5. Lebensjahr hat sich schon mal infiziert

CAMPYLOBACTER Die häufigste Ursache von Magen-Darm- Infektionen: Campylobacter, die sich manchmal auf Geflügelfleisch befinden

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Beim Verarbeiten von Nahrung arbeiten Magen, Dünn­ und Dickdarm im besten Fall wie ein eingespieltes Team und erzeugen dabei täglich die Energie, die wir zum Leben brauchen

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KRAFTWERK DARM Ganz ähnlich wie ein Motor verwandelt der Darm Nahrung in Lebensenergie

Wärme beruhigt das Nervensystem des Darms. Und schon kann er entspannen

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sowie Entspannungsübungen. Aktuelle Studi-en zeigen, dass sich schon leichter Sport posi-tiv auf den Reizdarm auswirkt. Übrigens: Die Darm-Hirn-Achse funktioniert auch in der an-deren Richtung: Reizdarmbetroffene leiden überdurchschnittlich oft unter Angstzustän-den und Depressionen.■ Chronisch entzündet Bauchschmerzen und schlimme Durchfälle, Müdigkeit und all-gemeine Schwäche – für etwa 300.000 Bundes-bürger gehört das zum Alltag. Und die Zahl der Betroffenen steigt. Anders als beim Reiz-darmsyndrom entzündet sich bei Morbus Crohn und bei der Colitis ulcerosa die Darm-schleimhaut. Manchmal sind auch weitere Organe betroffen. Die Symptome kommen schubweise, bis zu zehn Prozent der Betroffe-nen haben sogar rheumaähnliche Schmerzen und Schwellungen in den Gelenken oder aber Hautveränderungen. Die Ursache für diese chronischen Darmentzündungen sind bis heute nicht vollständig geklärt. Vermutet wird ein Zusammenspiel aus Lebensweise, Um-welteinflüssen, genetischen Faktoren sowie Darmbakterien. Raucher haben beispielswei-se ein doppelt so hohes Risiko, an Morbus Crohn zu erkranken, wie Nichtraucher. Eine spezielle Therapie gibt es nicht. Meist wird Kortison bei akuten Schüben eingesetzt, weil es die Entzündungsreaktion im Darm unter-bricht. Moderne Therapieformen arbeiten mit speziellen Antikörpern, die sich gegen die Bo-tenstoffe der Entzündung richten. In schweren Fällen kommt der Patient aber nicht um eine Operation herum, bei der Teile des entzünde-ten Dickdarms oder Engstellen entfernt wer-den. Ansonsten können auch pflanzliche Stof-fe wie Weihrauch, Myrrhe oder Gelbwurz die Auswirkungen der chronischen Entzündun-gen lindern, zeigen Studien. ■ Divertikel – eine Alterserscheinung Meist treten die Ausstülpungen in der Darmwand erst im Alter auf – sie finden sich bei jedem zweiten über 70-Jährigen. Meist werden sie eher zufällig bei einer Darmspiegelung ent-deckt und machen selbst keine Beschwerden. Sammelt sich in einem Divertikel allerdings Stuhl, kann die Darmschleimhaut geschädigt werden, Bakterien können sich in der Darm-wand einnisten, es kommt zu einer Entzün-dung, die heftige Bauchschmerzen im linken Unterbauch, manchmal auch noch Fieber,

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STRESSSorgen, Hektik, Überbelastung – das alles schlägt uns auf den Magen. Und der Darm reagiert darauf empfindlich

HEISSER DRAHTIn unserem Darm sitzt eine zweite Nervenzentrale, die mit dem Gehirn bestens vernetzt ist

Gefühle aus dem Bauch

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Wie eng der Darm mit unserer Psyche vernetzt ist, belegt schon unser Sprachgebrauch: Wir kennen alle das „Bauchgefühl“, auf das man hören sollte. Viele Ent­scheidungen treffen wir „aus dem Bauch heraus“. „Schlechte Nachrichten müssen erst einmal verdaut werden“, denn „das schlägt mir auf den Magen“. Diese Redewendungen kommen nicht von ungefähr. Unser Darm denkt und fühlt tatsächlich mit und steuert auch unsere Empfindungen – auf seine ganz spezielle Weise.Mit einem Geflecht von 100 bis 200 Millionen Nerven­zellen hat er ein eigenes Nervensystem, das zwischen den Muskelschichten der Darmwand sitzt. Das Bauch­ oder Darmhirn steht in enger Verbindung mit unserem zentralen Nervensystem im Kopf und benutzt auch die gleichen Botenstoffe, um Informationen auszutau­schen. Über die Darm­Hirn­Achse wird zum Beispiel übermittelt, ob wir hungrig oder satt sind. Sind Gift­stoffe in der Verdauung gelandet, wird das an die Ner­venzellen im Darm, im Rückenmark und im Gehirn ge­meldet und sofort Durchfall und Erbrechen ausgelöst.Diese Kommunikation erleben wir ganz bewusst. Der größte Teil des Informationsaustauschs geschieht aber unbewusst. Er verläuft zu rund 90 Prozent nur in eine Richtung: vom Darm zum Kopf. Manches entscheidet das Nervensystem des Darms direkt vor Ort: Es passt zum Beispiel selbstständig den Blutfluss an. Bei ande­ren Entscheidungen ist das vegetative Nervensystem beteiligt: So reagiert auch das Darmhirn auf Adrenalin bei Stress oder auf das „Glückshormon“ Serotonin. Das wird übrigens zu 95 Prozent in der Darmschleimhaut gebildet und beeinflusst unsere Stimmung.Ob positive Aufregung oder Ärger – beides wird so­fort via „Datenautobahn“ über Nervenstränge im Rü­ckenmark an unser Körperzentrum gemeldet. Das lässt die berühmten Schmetterlinge im Bauch flattern oder reagiert mit Durchfall auf Angst oder Ärger. Wissen­schaftler nehmen aber auch an, dass durch unser Ess­verhalten oder Darmerkrankungen unsere Psyche be­

einflusst wird – positiv wie negativ. Auch das könnte eine Erklärung für das Reiz­

darmsyndrom sein oder den Anstieg von De­pressionserkrankun­gen durch falsche Er­nährung. Welche Rolle

dabei die Darmbakteri­en spielen, steht derzeit

im Fokus der Forschung.Übrigens: Im Mutterleib entwickeln sich beim Em­

bryo Darm und Gehirn aus denselben Zellen – eine mögliche Erklä­rung dafür, dass die beiden so eng mitein­

ander verbunden sind.

Stimmungsmacher Darm: das Geheimnis der Bauch­Hirn­Achse

Studien belegen: Leichter Sport wirkt positiv bei Reizdarm

sie dadurch. Andere produzieren Giftstoffe, die zu einem Wasserverlust über die Zellen der Darmschleimhaut führen. Der muss durch reichliches Trinken (Wasser, Kräutertees so-wie Elektrolyten) ausgeglichen werden. Nach überstandener Erkrankung oder einer Anti-biotikagabe helfen Probiotika, die Darmflora wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Bei einer Lebensmittelvergiftung (oft sind Bakterien der Gattung Staphylokokken im Spiel) kommt es zu einer starken Entzündung der Darmschleimhaut. Besonders gefährlich sind Giftstoffe, die von Schimmelpilzen auf verdorbenen Lebensmitteln produziert wer-den. Diese Mykotoxine können die Leber und Niere schädigen, das Immunsystem empfind-lich stören und sogar Krebs auslösen.

Neue Therapieansätze■ Reizdarm – schwierige Diagnose Die Sym-ptome: Bauchschmerzen, Blähungen, Verstop-fungen oder Durchfall: Schätzungsweise zehn bis 20 Prozent der Europäer leiden an einem Reizdarmsyndrom. Meist finden sich keine or-ganischen Ursachen. Mittlerweile vermutet man dahinter eine Störung der Achse von Darm und Hirn, die miteinander verbunden sind (siehe Kasten rechts): Verändert sich der Signalaustausch etwa durch Stress, käme es danach zu Beschwerden.

Andere Forscher haben chronische Mikro-entzündungen, eine defekte Darmflora oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten als Aus-löser im Verdacht. Helfen können bei Reiz-darm eine Umstellung der Ernährung (zum Beispiel eine Low-FODMAPs-Diät), Probiotika, hoch dosierte pflanzliche Wirkstoffkombina-tionen etwa aus Pfefferminz- und Kümmel öl »

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Unsere Darmflora ist ein komplexes Ökosystem und reagiert sensibel auf Störfaktoren. Ein-

seitige Ernährung, Stress sowie Medikamente können die Zu-sammensetzung der Darmbak-terien aus dem Gleich ge wicht bringen. Eine da raus fol gen de Fehlbesiedlung kann das Risiko für ein Reiz darm syndrom er-höhen.

Anzeichen für ReizdarmReizdarm-Patienten quälen sich mit immer wiederkehrenden Darmbeschwerden. Die Symp-tome treten in unterschied-lichen Ausprägungen und Kom-binationen auf. Der irritierte Darm ist überempfindlich ge-genüber Druck und Dehnung und oft liegen keine klaren Ursachen vor.

Die richtige WahlDie Stabilisierung der Darmflora durch die diätetische Behand-lung mit Milchsäurebakterien ist deshalb bei Reizdarmbeschwer-den ein wichtiges Therapie-standbein. Man sollte allerdings auf Bakterien- Kombinationen

zurückgreifen, die sich in wissen-schaftlichen Studien bewährt haben. Als besonders sinnvoll hat sich die Kombination aus Lactobacillus acidophilus und Lactobacillus reuteri erwiesen, die in Darm-Care Biotic Reiz-darm enthalten sind.

In Studie bestätigt Die typischen Reizdarm-Symp-tome wie Verstopfung, Bauch-schmerzen und -krämpfe, Blähungen und Blähbauch ver-besserten sich in nur 2 Monaten deutlich. Erste Ergebnisse waren bereits nach 10 Tagen zu ver-zeichnen. Durch die stabile An-siedlung der Bakterien im Darm hielt der Effekt selbst 30 Tage nach der Einnahme noch an.

Care-Paket für DarmbakterienNeben den aktiven Milchsäure-kulturen enthält Darm-Care Biotic Reizdarm fruktosefreie Guarkernballaststoffe, die den Bakterien als Nahrung dienen und zusätzlich dafür sorgen, dass sich die nützlichen Milch-säurekulturen besser vermehren können.

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Wenn der Darm den Alltag bestimmtAktive Milchsäurekulturen sind wichtig für eine gesunde Darmfl ora. Doch es ist nicht egal, welche Bakterien auf die Reise geschickt werden.

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auslöst. Die Therapieansätze: von Nahrungs-verzicht, um den Darm zu entlasten, über Antibiotikatherapie bis hin zur Entfernung des betroffenen Darmstücks. ■ Polypen – Vorstufen von Darmkrebs Fast alle bösartigen Tumore im Darm entstehen aus gutartigen Schleimhautverdickungen der Darmwand, den sogenannten Polypen. Sie sind meist nur einige Millimeter groß und können flach an der Darmwand oder an einem Stiel wachsen. Nach Jahren allerdings entarten ihre Zellen dann, und aus ihnen ent-wickelt sich Darmkrebs. Die Frage, warum sie entarten, konnte bislang noch nicht eindeutig beantwortet werden. Man vermutet als mög-liche Gründe erbliche Veranlagung, Ernäh-rung (viel Fett, Fleisch und Alkohol), Über-gewicht sowie äußere Einflüsse wie das Rauchen. Werden Polypen bei einer Darm-spiegelung gefunden, entfernt man sie gleich während der Unter suchung. Eine Langzeit-studie zeigte übrigens, wie Ballaststoffe dage-gen schützen können: Erhöht man ihren An-teil an der Mahlzeit von 15 auf 35 Gramm täglich, reduziert sich das Darmkrebsrisiko um 40 Prozent. BRIGITTE JURCZYK

W I S S E N & V E R S T E H E N

Voller Durchblick

Klassische Koloskopie: Bei der Darmspie­gelung wird ein schlauchartiges, biegsames Endoskop mit dem Umfang eines Fingers durch den After in den Dickdarm eingeführt. Es ist mit Lichtquelle und Videokamera aus­gestattet und liefert bewegte Bilder aus der untersuchten Region. Ist eine Stelle auffällig, werden über winzige Arbeitskanäle am Koloskop weitere Instrumente in den Darm eingebracht und Gewebeproben entnom­men. Polypen lassen sich direkt entfernen. Vor der Koloskopie muss der Darm gereinigt werden. Während der Koloskopie wird der Patient in eine Kurznarkose versetzt. Für gesetzlich Versicherte ab 55 Jahren ist die Koloskopie alle zehn Jahre kostenlos.

Kapselendoskopie: Eine Videokamera in der Größe einer länglichen Tablette wird ge­schluckt. Sie wandert bis zum Darmaus­gang. Dabei sendet sie 50.000 bis 60.000 Bilder. Vorteil: Sie liefert Einsichten auch aus der Region des Dünndarms, wohin das klassische Koloskop nicht gelangt, und die Narkose entfällt, weil die Kapsel absolut schmerzfrei durch den Verdauungstrakt rutscht. Die Untersuchung kostet maximal 1300 Euro und wird in Ausnahmefällen von Krankenversicherungen übernommen.

Die virtuelle Koloskopie: Mithilfe der Com­putertomografie (CT) oder Magnetreso­nanztomografie (MRT) entstehen Schnitt­bilder des Darms, die mit einer speziellen Software in virtuelle, koloskopische Auf­nahmen umgewandelt werden. Vorteil der Methode: Auch umliegende Organe werden mit erfasst. Nachteil: Kleine oder flache Polypen können übersehen werden, Ent­zündungen der Darmwand sind nicht dia­gnostizierbar. Während der Untersuchung ist es nicht möglich, Gewebeproben zu ent­nehmen. Die Kosten von 300 bis 500 Euro für eine virtuelle Darmspiegelung überneh­men die Krankenkassen nur in Einzelfällen.

Entzündete Darmwand, Polypen oder schon Krebs? Eine Koloskopie liefert die Antwort

@ lifeline.de/reizdarmHier finden Sie Informationen zu einer besonderen Form der Darmerkrankung

INNENAUFNAHMENDie Kapselkamera wird geschluckt und durchwandert den Ver-dauungstrakt. Dabei sendet sie 50.000 bis 60.000 Bilder

EINBLICKDer Dünndarm ist 5 bis 6 Meter lang, der Dick­darm 1,5 Meter. Die Minikamera hat alles im Blick

KLASSISCHE & VIRTUELLE KOLOSKOPIEBei der klassischen Darmspiegelung überträgt eine Videokamera Bilder aus dem Inneren des Darms auf einen Monitor. Während der virtuellen Kolo skopie, einer radiologischen Untersuchung, entstehen hauchdünne Schichtaufnahmen der Bauchorgane

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