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Kurze Technik des Cellospiels von Miklos Kleszky Inhalt 1.Kapitel: Die Haltung des Instruments 2.Kapitel: Die linke Hand 3.Kapitel: Bogenführung 4.Kapitel: Cellospiel der Kinder Nachwort Im Gedenken an meinen geliebten Professor Lajos Frank

Kurze Technik des Cellospiels

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A very short discussion about technique of playing cello - in German.

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Page 1: Kurze Technik des Cellospiels

Kurze Technik des Cellospiels

von Miklos Kleszky

Inhalt

1.Kapitel: Die Haltung des Instruments 2.Kapitel: Die linke Hand 3.Kapitel: Bogenführung 4.Kapitel: Cellospiel der Kinder Nachwort Im Gedenken an meinen geliebten Professor Lajos Frank

Page 2: Kurze Technik des Cellospiels

Ich bedanke mich herzlichst: bei Janos Jankovics für die Graphiken und bei Helga Nador für die deutsche Lektorarbeit.

Erstes Kapitel Die Haltung des Instruments

Man darf sich normalerweise so locker wie möglich hinsetzen. Sonst kann man ja keine „Meistersinger” zu Ende spielen; die körperliche Unbequemlichkeiten lenken vom Spiel ab.

Der Winkel der Haltung des Instruments scheint mir nicht allzu wichtig zu sein.

Ein jeder Künstler hält es zu seiner Brust, die Fassade des Instruments in einem stumpfen Winkel zur eigenen Schulterlinie. Dieser Winkel ist variabel je nach der individuellen Technik des Künstlers. Bei manchen Künstlern verändert sich dieser Winkel sogar während des Spiels. Entweder um besser auf der A- Saite spielen zu können, oder um ein Fortissimo leichter hervorzubringen kehrt man die Fassade ein bisschen mehr nach rechts als sonst.

Eine grosse Variabilität bietet sich da nicht an. Manchmal sieht man Künstler, die das Instrument ganz parallel zu ihrer

Schulterlinie halten. Diese Haltung sieht schön diszipliniert aus, ich bin aber überzeugt, dass man dann beim Spiel auf der A-Saite an der oberen Hälfte des Bogens das Gewicht seines rechten Armes nicht mehr leicht auf den Bogen bzw. auf die Saite übertragen kann.

Andererseits: hält man das Instrument „steiler” als etwa 135 Grad nach rechts, d.h. 45 Grad nach links, dann kann man auf der C-Saite natürlich nicht mehr spielen.

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Den genannten Winkel stellt man mit Hilfe seiner Knie ein. Ich habe noch niemanden gesehen, der dieser Einstellung eine allzu grosse Aufmerksamkeit geschenkt oder dafür zu viel Kraft aufgebracht hätte.

Viel mehr Aufmerksamkeit schenkt man heutzutage dem Winkel

zwischen dem eigenen senkrechten oder leicht vorgebeugten Rumpf und der Achse des Cellos selbst. Da können die Unterschiede der Einstellungen viel grösser sein. Auch dem kann ich keine besondere Bedeutung beimessen, trotzdem könnte man sich darüber auseinandersetzen.

Darf ich hier nur darauf hinweisen, dass die einstigen weltberühmten Virtuosen manchmal auf einem praktisch senkrecht stehenden Instrument gespielt haben, und wie!

Darf ich weiter erwähnen, dass sich diese Frage in einem anderen Zusammenhang, bei der Bogenführung, wieder stellen wird, ohne dass ich darauf nochmals hinweise.

Zweites Kapitel Die linke Hand Für den schönen Klang ist ein sicherer und starker Druck auf die klingende Saite und damit auf das Griffbrett eine Voraussetzung. Obertöne bilden natürlich die Ausnahme. Die meisten Künstler werden beipflichten, dass dies fachgerecht nur mit der Spitze der Finger unserer linken Hand geschehen kann. Es ist nützlich, sich an die Physik zu erinnern, es zählt dabei nur der rechtwinkelige Vektor! Darum ist es am besten, wenn man dem rechten Winkel entsprechend, mit seiner Fingerspitze entschieden auf die klingende Saite und aufs Griffbrett greift, und zwar mit einer Stärke, bei der der Klang schon schön ist, sogar nicht mehr schöner sein kann. Jeder Künstler verweist darauf, man solle auf die Saiten draufklopfen. Das ist ein guter Ausdruck, und ich bin überzeugt, dass es beim Üben

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tatsächlich erforderlich ist. Dieses Klopfen wird auch beim Spiel von zahlreichen weltberühmten Virtuosen gut hörbar. Es sei mir jedoch erlaubt, kleinlaut zu bemerken, dass die meisten musikalischen Zuhörer dieses Klopfen, das wir sonst für richtig halten, - speziell beim Cellospiel - im Konzert sehr ungerne hören. Nur zu oft bewerten sie es als einen möglichen Fehler. Ich bediene mich bei der Beschreibung der Technik der linken Hand wie ein jeder andere mit dem Vergleich des Griffes der Raubvögel. Nur mit einem wichtigen Unterschied: bei den Raubvögeln zählt der starke Griff , beim Cellospiel nur das präzise Draufklopfen unserer Finger auf die Saiten. Daher glaube ich, die genaue Haltung des Daumens - solange er nicht ins Spiel kommt - ist nicht so wichtig.

Man kann immer wieder ein Spiel mit flach an die Saiten gelegten linken Fingern , besonders in den höheren Lagen, sehen und hören. Es ist offenbar möglich auch auf diese Weise zu spielen. Ich glaube nur, dass dies schwieriger sein muss, als oben beschrieben; zumindest könnte dies auf Kosten der Leichtigkeit des Spieles erfolgen. Man müsste ja mit den flach angelegten Fingern viel mehr Kraft für dieselbe Schönheit des Klanges aufbringen.

Haltung des linken Unterarmes

Über die Haltung des linken Unterarmes in den unteren Lagen stehen sich zwei gleichmässig starke Auffassungen gegenüber.

Entweder hält man den Unterarm in der gleichen Ebene wie die Handoberfläche, damit der linke Unterarm oberhalb der Kante des Instruments wie auf einem Gleis ohne Hindernisse zu den höheren Lagen gleiten kann.

Oder man hält den Unterarm sowie die linke Hand gebeugt, in Raubvogelhaltung, wie auf das Griffbrett aufgehängt, damit man mit den Fingern mehr automatisch auf die Saiten draufklopfen kann, und man gewöhnt sich einfach an, den Ellbogen immer automatisch über die Kante zu heben, Richtung höhere Lagen.

Vibrato

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Man ändert die Tonhöhe wellenartig ein wenig, um einen noch schöneren Klang zu erreichen. Ich frage mich manchmal, warum eigentlich das menschliche Ohr den vibrierenden Ton als so angenehm empfindet; es ist jedenfalls eine Tatsache. Wegrutschen darf man von der originellen Tonhöhe nicht. Darum, und weil hier die Rede ausschliesslich vom schönen Klang sein soll, ist der sichere, ideale Druck auf die Saite besonders erforderlich. Es gibt da auch einen weiteren Aspekt. Vibrato wird weitverbreitet so gelehrt, dass man hauptsächlich die Tonqualität verändert, nicht die Tonhöhe, durch eine absichtliche wellenartige Druckänderung. Das heisst, nach dem sicheren Antasten auf den gewünschten Ton vibriert man selbst den Druck mit einer federnden Bewegung des Fingers; der linke Unterarm ist dabei behilflich. Es wird oft so praktiziert: man hält den Ton schön und rein, zuerst ohne Vibrato, und nur nach beträchtlicher Zeit fängt man mit dem Vibrato stufenweise an. Das ist in mehrerer Hinsicht praktisch; - was die Ästhetik betrifft, bin ich mir nicht mehr so sicher. Eines steht ganz fest: Vibrato und Druck hängen eng zusammen. Ohne einen entsprechenden Druck ist das Vibrato einfach gefährlich. Dafür halte ich das Amplitudo und die Geschwindigkeit des Vibrato für eine völlig individuelle Angelegenheit und für ein überflüssiges Diskussionsthema. Man wechselt sie ja auch nach dem Charakter des musikalischen Textes. Triller

Es wird allgemein betont, man solle mit dem „unteren” Finger den Druck wie üblich sichern, und mit dem „oberen” locker arbeiten.

Es sei nur beiläufig erwähnt, ich selber kann zum Beispiel geschwind nur trillern, wenn ich von dem üblichen Druck auch beim „unteren” Finger doch ein wenig abnehme.

Doppelgriff Es versteht sich von selbst, dass der schöne Klang den nötigen Druck von beiden spielenden Fingern erfordert.

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Findet jemand, dass die doppelte Stimme für ihn gelegentlich zu laut sei, soll er mit dem rechten Arm lockerer spielen. Möglicherweise klingen sie dann auch freier und schöner. ( Siehe fortissimo im nächsten Kapitel. )

Bei Doppelgriffen arbeitet die linke Hand mit fast doppelter Aktivität. Doppelgriffe zu üben mag ermüdend und langweilig sein. Diese Übung bringt aber gleich einen doppelten Nutzen. Übt man sie fleissig, wird sich nicht nur die Intonation, sondern auch die immer ideale Haltung der linken Hand, nämlich dass der vierte Finger gegebenenfalls in einer jeden Lage normal an die Saite klopfen könne, automatisch einstellen.

Eine reine Quinte zu spielen ist am Cello eine Qual. Ich konnte für mich

keine Regel ausarbeiten, wann ich sie mit einem und wann mit zwei Fingern abdrücke.

Um die Quinte mit einem Finger ohne Ach und Weh drücken zu können, mache ich regelmässig Gymnastik für diesen Zweck, um mich nicht der lächerlichen Ansicht anzuschliessen , die Komponisten sollten etwas aufmerksamer sein, und für das Cello wenigere Quinten schreiben.

Reinheit Ich will Begriffe nicht vermischen. Unter Reinheit als technisches Mittel

verstehe ich nur, wenn man sich die ganz reine Intonation ab seiner frühen Kindheit angewöhnt hat, so erreicht man gleich zwei Ziele.

Erstens wird man sich das angewöhnen, was man sich sowieso angewöhnen muss. Zweitens wird sich die ganze Spieltechnik der linken Hand irgendwie automatischer einstellen. Spielt man immer sorgfältig rein, kommt man technisch irgendwie besser drauf, wie und warum mit der linken Hand.

Noch eins, was unter der vielen Arbeit und den Triumphen bei virtuosen

Stücken manchmal vergessen wird; die Zuhörer können mit Sicherheit nur eines beurteilen: die reine Intonation. Das tun sie auch immer.

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Drittes Kapitel

Die Bogenführung Dies sollte der eigentliche Kern dieser Arbeit sein. Was dem Sänger die gute Atemtechnik bedeutet, das ist für einen Streicher die geschickte Bogenführung: unerlässlich für einen gesunden Klang. Es gibt sogar einen Unterschied zwischen beiden. Wie die schöne Färbung der Stimme des Sängers durch seine angeborenen Eigenschaften bestimmt wird, erreicht dies der Streicher teilweise auch durch seine Technik der Bogenführung. Die Haltung des Bogens Alle Cellisten halten den Bogen grundsätzlich auf die selbe Weise. Nach meiner Interpretation spricht das dafür, dass man anders wahrscheinlich nicht leicht genug spielen könnte. Aufsetzen des Bogens Man setzt den Bogen auf die Saite irgendwo zwischen dem Steg und dem Ende des Griffbretts. Zwar zählen da bereits Millimeter, was die Stimmfarbe angeht, beträchtlich, doch glaube ich, das ist Geschmackssache. Meiner Beobachtung nach zum Beispiel, spielen Frauen im allgemeinen lieber nahe zum Griffbrett, Männer dagegen näher zum Steg. Komponisten des 20. Jahrhunderts haben sich in das stegnahe Spiel beinahe verliebt. Hat man den Bogen auf die Saite gesetzt, bleibt dieser dort dank zweier Kraftkomponenten. Würde dabei nur das Gewicht eine Rolle spielen, so fiele der Bogen auf den Boden; fällt er ja auch laut genug, falls wir den Griff am Frosch zufällig verlieren. Es wirken gegen die Gravitation:

ein Komponent des Gewichts selbst, da die Saiten des Cellos mehr oder weniger steil ablaufen, - man darf sich an die Physik erinnern, und der Reibungskoeffizient.

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Bleibt also der Bogen auf der Saite nur dadurch, dass ich ihn senkrecht draufsetze und das Gewicht meines rechten Armes leicht drauflasse? - Ja, gewiss. Ist es nun genug um einen guten Klang zu bekommen, den Bogen jetzt nur horizontal zu bewegen ? - Ja, es genügt. Lässt man den Bogen mit unserem darauf hängenden rechten Arm schwunghaft gleiten, hört man eine gute Stimme und zwar ungefähr forte. Jetzt sind wir bei den wichtigsten Details, die übrigens miteinander zusammenhängen. Draufhängen des Bogens Man muss nur das Gewicht des rechten Armes mittels Bogen auf die Saite herablassen, um einen starken Ton zu bekommen; einen immer stärkeren Klang hervorzuzaubern, genügt es den Bogen immer schwunghafter zu ziehen. Unser Arm ist aber schwer, warum fällt er nicht gleich herunter? Die Pronatormuskulatur unseres Unterarmes lässt ihn, durch Vermittlung des Bogens auf der Saite hängen. Pronation heisst die Bewegung, wenn wir unsere Handfläche „nach innen”, „nach unten” drehen. ( Der Gegensatz heisst Supination, wenn wir unsere Handfläche „nach aussen”, „nach oben” drehen). Diese Aufgabe wird durch die Muskulatur unseres Unterarmes gelöst. Da unser Arm schwer ist, muss unsere Pronatormuskulatur des Unterarmes fürs Aufhängen stark genug sein, hauptsächlich beim Spiel nahe der Spitze. Wenn man will, kann man sich dabei auch trainieren. Eines ist aber sehr wichtig dabei, die Muskulatur des Unterarmes darf nur das Gewicht des Armes draufhängen lassen! Trägt man mehr und noch so wenig mehr Kraft nach unten über, läuft man unmittelbar Gefahr des schrecklichen Kratzens! Man soll dabei bedenken: die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Ich finde es ganz natürlich, hat man ein fortissimo zu spielen, will man von sich - wenn schon, denn schon - einen äusserst starken, alles hinwegfegenden Klang hören lassen. Andererseits ist es ebenso natürlich, dass ein jedes Musikinstrument - die menschliche Stimme inbegriffen - in dieser Hinsicht eine obere Grenze seiner Fähigkeit hat. Unter den gleichen Instrumenten sind die Unterschiede der oberen Grenzen eigentlich nicht enorm gross. Apfelbäume bleiben für immer Apfelbäume, sie werden nie zu Tannen; Cellos bleiben für immer Cellos, sie werden nie zu Posaunen.

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Darüber werde ich im nächsten Kapitel innerhalb des Symphonieorchesters noch ein Wort fallen lassen.

Ich will mich nicht in Allgemeinheiten bewegen, aber ich denke, fortissimo bedeutet schon an sich einen schmalen Grat zwischen der schönen Kunst und der lächerlichen Anstrengung. Ich spiele daher fortissimo immer nur mit Draufhängen des Gewichts meines rechten Armes, dafür aber mit sehr schwungvoller Bogenführung. Das ist eben technisch am wundervollsten am Cello; ein starker Klang kommt auf diese Weise immer automatisch, ohne Anstrengung, ohne Kratzen ! Das ist wichtig, denn das Publikum reagiert auf kratzende Töne ebenso empfindlich, wie auf falsche Töne. Schwieriger finde ich es für mich selber, ein schönes und dauernd gleichmässiges piano zu spielen. Da muss man das Gewicht des rechten Armes von der Saite teilweise abheben, und zwar leicht und gleichmässig. Ich benütze dabei hauptsächlich meinen rechten Bicepsmuskel, also nicht den Oberarm. Die Schulter und der Oberarm sind sozusagen „nur” zum Führen des Bogens da. Schnittpunkt an der Saite Unser Ton wird nur dann schön bleiben, wenn wir den Bogen während des Spiels grundsätzlich immer quer durch den selben Punkt der Saite führen. Es ist zum Beispiel kein Zufall, dass an chinesischen Streichinstrumenten die Bögen am Schnittpunkt der Saiten befestigt sind. Diesen letzteren Trick können wir uns nicht erlauben, da wir mit der linken Hand über mindestens vier Oktaven, das ganze Griffbrett entlang, spielen. Wir sind genötigt den Schnittpunkt, je kürzer die klingende Saite, um so näher zum Steg zu schieben. Man sollte aber jedes unnötige Schieben möglichst vermeiden, - es ist ja selbstverständlich, man hört die Nachteile gleich. Der rechte Winkel zur Saite Damit man beim Spiel immer an dem gleichen Schnittpunkt auf der Saite bleibe, - das, wie erwähnt, sine qua non der schönen Klang ist - soll man den Bogen genau rechtwinkelig auf der Saite bewegen. Das gilt insbesondere für jedweden Saitenwechsel während des Spieles.

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Sitzt man nun wie gewohnt und spielt, glaubt man, den rechten Winkel zur Saite mit dem eigenen Auge beurteilen zu können. Das ist ein Irrtum. Das merkwürdige ist dabei, dass man eigentlich nur darauf zu achten hätte, der Bogen sollte immer nur parallel zur oberen Kante des Steges laufen. Doch kann man das wegen dessen Rundung von oben nicht genau beurteilen. Spielt man vor einem Spiegel, wundert man sich, wie anders der Winkel wirklich aussieht, als man ihn von oben her beurteilt. Man wird sich noch mehr wundern, wenn man den Winkel vor dem Spiegel korrigiert, und dem unmittelbar viel schöner werdenden Klang zuhört! Ich glaube, dieses Verhältnis zur Saite ist eines der wichtigsten Dinge, die man durch Übung automatisieren sollte. Ich bediene mich dabei als Hilfsmittel eines Vergleiches. Ich stelle mir vor, ich würde die rechte Hand mit den Fingerspitzen auf einer unsichtbaren Tischplatte halten, gemäss dem Verhältnis des Bogens zur aktuellen Saite (1.Abb.).

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Wenn ich den Bogen bewege, stelle ich mir vor, die rechte Hand immer, in jeder Situation auf dieser unsichtbaren Tischplatte mit dem Gewicht an den Fingerspitzen nach rechts und links zu schieben - wobei in der Wirklichkeit das Gewicht natürlich am rechten Zeigefinger und am Bogen hängt. Ich bin mir sicher, so können die richtigen Vertikalebenen - wenn man so will, die Strichrichtungen - automatisiert werden ( 2. Abb.).

Vom Ergebnis kann man sich durch einen Spiegel, - aber viel, viel mehr durchs eigene Ohr überzeugen. ( Ich wage es hier als Kontrolle auch auf die Gesichtszüge der Zuhörer zu verweisen. )

Da halte ich mich, mit Verlaub, aus einer ewigen Auseinandersetzung der Cellokünstler heraus, ob man nämlich den Saitenwechsel mit Hilfe des rechten Handgelenks oder aber des rechten Armes ausführen solle. Die richtige Strichrichtung muss man, wenn man mit einem schönen Klang spielen will, sowieso einnehmen, und zwar automatisch und manchmal sehr schnell.

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Strichwechsel

Da lässt sich eine einfache Frage stellen, doch die Antwort darauf scheint schwierig zu sein.

Bei dauerhafter Bewegung des Bogens gibt es unvermeidlich einen toten Punkt, nämlich den Moment des Strichwechsels. Wechselt man die Strichrichtung nur mit einer Armbewegung und benützt dabei das Handgelenk nicht, so wird der Wechsel leider, überflüssiger Weise, hörbar.

Wie lässt sich das vermeiden? Dieser Frage wird im allgemeinen grosse Bedeutung beigemessen. In der

Tat, überwindet ein Streichkünstler den toten Punkt geschickt, so wird sein Spiel fliessender und sanfter klingen.

Es gibt mehrere Erklärungen, wie man sich die korrigierende Handbewegung vorstellen soll. Ich versuche die verschiedenen Auffassungen insofern unter einen Hut zu bringen, dass ich ihre Gemeinsamkeiten hervorheben möchte.

Setzt man den Bogen auf die Saite und beginnt ihn zu streichen, muss man auf jeden Fall seinen rechten Arm benützen. Würde man nur sein Handgelenk bewegen, bedeutete dies eine klägliche drei Zentimeter Fortbewegung des Bogens; das lässt sich hinsichtlich des Striches vernachlässigen. Um so mehr bedeuten eine kleine federnde Bewegung des Handgelenkes und diese Zentimeter beim Anfang der Armbewegung und beim Strichwechsel für die Schönheit des Spiels!

Ich rate daher, sich vorzustellen, man eigentlich nicht den Bogen zieht,

sondern das eigene Handgelenk, und dem folgt die Hand locker „federnd”. Ich stelle mir vor, als würde mein Handgelenk von einem Schnur gezogen ( Abb.3. und Abb.4.), während mein Arm und Bogen quer über die Saite gleiten.

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Über die Einzelheiten der folgenden, feinen Handbewegung gibt’s

mehrere Erklärungen. Was dabei zu wenig und was zu viel sein solle, wage ich ganz im Allgemeinen nicht zu beurteilen.

Der ganze Bogen bietet sich fürs Spiel an. Das war das Steckenpferd zum Beispiel des

unlängst verstorbenen Geigenvirtuosen und Pädagogen Isaac Stern und das ist kein Zufall. Wir Streicher singen statt mit unserer Lunge mit unserem Bogen.

Staccato

Dieses Wort wird hier im technischen Sinne benützt. Kurze und zugleich scharfe Töne werden im allgemeinen und wahrscheinlich am leichtesten so gespielt, dass man im Moment des plötzlichen Beginnes das auf der Saite ruhende Gewicht des Armes mit der Hilfe einer wirklich federnden Handgelenkbewegung abhebt, aufschnellt, da gibt das Cello einen kurzen Ton von sich, anschliessend gleitet der Bogen sehr rasch und fast lautlos weiter. ( Richtung nach oben: eine plötzliche Supination, Richtung nach unten: eine plötzliche Pronation). Die Strecke des Bogens wählt man sich dabei selber, besser gesagt, wählt der Komponist mit dem musikalischen Charakter des Staccato. Es ist keine leichte Strichart, aber wenn man nicht vergisst, dass der Bogen mit dem Arm bewegt wird, d.h. zum beweglichen Strich auch ein beweglicher Arm gehört, wird man es in sein Spiel - sowohl getrennt als auch gebunden - immer schön einbauen können.

Spiccato Bei dieser Strichart nützt man die Elastizität des Bogens aus. Die Technik unterscheidet sich beinahe nicht von der bei normalem Strich. Die Spannkraft des Bogens ist so gross, dass man während des schnellen Spiels fast spürt, der Bogen biete sich für Spiccato an. Nur: lässt man einmal den Bogen noch so wenig in die Luft springen, - was beim Spiccato der Fall ist - besteht gleich die Gefahr, man setzt sein Spiel ungleichmässig, d.h. aus dem Rhythmus fallend, fort.

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Besonders die erfahrenen Streichkünstler betonen immer energisch, das wichtigste sei, um dieser Gefahr zu entgehen, das Spiccato solle möglichst nie von der Luft, sondern von der Saite gestartet werden. Einmal gestartet, wählt man sich selbst eine aktuelle unter den vielen möglichen Spiccato-Arten. Man muss sich nur angewöhnen, die tatsächliche Spielstrecke des Bogens soll in beiden Strichrichtungen gleich lang bleiben, sonst geht es nicht. Und nochmals: die Technik der eigenen Bogenführung muss sich im grossen und ganzen nicht verändern, nur weil man Spiccato spielt.

Viertes Kapitel

Cellospiel der Kinder Ich bitte jetzt den verehrten geduldigen Leser mit mir über den Satz nachzudenken: „Er kann natürlich noch nicht so gut Cello spielen, er ist ja ein Kind.” Es sei mir gestattet, nur einige, mir augenblicklich einfallende Umstände aufzuzählen, die bei Kindern anders sind, als bei uns. Die Instrumente, speziell für Kinder gebaut, sind meistens nicht gut. Wer glaubt, er spiele Cello schon auf einem hohen Niveau, daher könne er auch aus einem Kinderinstrument erstklassige Töne hervorzaubern, soll nur mal einen Versuch unternehmen. Er wird sich so fühlen, als habe er zufällig einen schlechten Tag.

Dasselbe bezieht sich ganz besonders auf die Bögen der unglücklichen Kleinen. Wer dem nicht glaubt, dem kann ich einen anderen Versuch empfehlen: er soll auf seinem eigenen Instrument mit einem Kinderbogen spielen. Bald werden seinen Mund Kraftausdrücke verlassen.

Es bleibt mir ein Rätsel, warum man für Kinder überhaupt leichtere Bögen baut. Kürzere schon, aber leichtere wozu? Damit der kleine Unterarm im Laufe des Spiels früher versteife?

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Dazu gesellt sich das geringere Gewicht des Armes eines Kindes. Ich meine: Kinder können aus rein physischen Gründen nur die Töne

hervorbringen, die wir eben hören. Es wäre daher zu begrüssen, wenn die Herren Dirigenten die

Jugendorchester mit genügend Cellisten besetzen würden. Wieviel Cellisten sieht man in einem berühmten symphonischen Orchester? Zumindest soviel wie in einer der Geigenstimmen. Und was sieht man bei einem Jugendorchester? Der Dirigent wendet sich während des halben Konzerts an die drei oder vier Cellisten und die noch wenigeren Kontrabassisten, und mit der linken Hand fuchtelnd beeinflusst er negativ die Spieltechnik dieser Jugendlichen.

Die Muskulatur des kindlichen Unterarmes ist im allgemeinen noch

schwächer, als die eines Erwachsenen. Weiterhin sind die Fingerspitzen ihrer

linken Hände noch empfindlicher, nicht so geübt. Daraus folgend spielen Kinder nur sehr ungern ununterbrochen, so lange wie die Erwachsenen. Es wäre befremdend, ihnen das übelzunehmen.

Die Konzentrationsfähigkeit der Kinder ist viel kürzer, als die der

Erwachsenen. Das ist eine natürliche physiologische Tatsache. Die viel gehörte Mahnung: „Pass auf, was Du da machst!” mag vom Gesichtspunkt des Instruktors nun wirklich wünschenswert erscheinen, für das Kind aber ist sie manchmal nicht mehr ausführbar. Es dafür zu tadeln ist meiner Ansicht nach ebenfalls umstritten.

Über die Seele der Kinder wird viel gesprochen. Schöne Musikwerke

üben auf ein musikalisches Kind sehr oft einen grösseren Eindruck aus, als auf uns. Es ist nur natürlich, dass es bei ihnen regelmässig zu Diskrepanzen zwischen ihren inneren Vorstellungen und deren Ausführbarkeit kommt. Ich denke konkret ans Cellospiel. Spielt ein Kind verkrampft, darf man auch an diesen Hintergrund denken, vielleicht auch des öfteren.

Es sei mir noch ein allerdings trauriger Schlussgedanke erlaubt. Die Leistungserwartungen in den Schulen und die damit verbundenen

Hausaufgaben nehmen ständig zu. Die Übung des Cellospiels ist - nehme man es, wie man will - jedenfalls eine Arbeit, kein Kinderspiel. So wird infolge des Drucks der Schulen die Zeit- und Energiekapazität der Kinder für die Musiklehre immer kleiner. Heute befindet sich ein kleiner Musikschüler in einer viel ungünstigeren Lage als vor fünfzig oder gar hundert Jahren.

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Nachwort Ich bin zuversichtlich, meine Gedanken werden gewiss klarer, wenn man das Cello wieder in den Händen hält.