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Landtag Ausschussprotokoll Nordrhein-Westfalen APr 16/873 16. Wahlperiode 16.04.2015 Haushalts- und Finanzausschuss 70. Sitzung (öffentlicher Teil) 1 16. April 2015 Düsseldorf Haus des Landtags 13:30 Uhr bis 16:50 Uhr Vorsitz: Christian Möbius (CDU) Protokoll: Franz-Josef Eilting, Thilo Rörtgen, Karin Wirsdörfer Verhandlungspunkte und Ergebnisse: Vor Eintritt in die Tagesordnung 7 a) Nachruf auf den verstorbenen Abgeordneten Volker Jung 7 b) Zur heutigen Tagesordnung 8 Der Ausschuss beschließt einvernehmlich, die Tagesord- nungspunkte 1, 2, 3 und 16 abzusetzen. 9 1 Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung entlasten Nordrhein-Westfalen als Impulsgeber für mutigen und konsequenten Bürokratieabbau 10 Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/5755 1 vertraulicher Teil mit TOP 21 siehe vAPr 16/43

Landtag Ausschussprotokoll Nordrhein-Westfalen APr 16/873 16. … · 2016. 5. 20. · 3 Eckpunkte für eine Reform des Länderfinanzausgleichs und der bundes-staatlichen Finanzbeziehungen

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Landtag Ausschussprotokoll Nordrhein-Westfalen APr 16/873 16. Wahlperiode 16.04.2015

Haushalts- und Finanzausschuss

70. Sitzung (öffentlicher Teil)1

16. April 2015

Düsseldorf – Haus des Landtags

13:30 Uhr bis 16:50 Uhr

Vorsitz: Christian Möbius (CDU)

Protokoll: Franz-Josef Eilting, Thilo Rörtgen, Karin Wirsdörfer

Verhandlungspunkte und Ergebnisse:

Vor Eintritt in die Tagesordnung 7

a) Nachruf auf den verstorbenen Abgeordneten Volker Jung 7

b) Zur heutigen Tagesordnung 8

Der Ausschuss beschließt einvernehmlich, die Tagesord-nungspunkte 1, 2, 3 und 16 abzusetzen. 9

1 Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung entlasten – Nordrhein-Westfalen als Impulsgeber für mutigen und konsequenten Bürokratieabbau 10

Antrag

der Fraktion der FDP

Drucksache 16/5755

1 vertraulicher Teil mit TOP 21 siehe vAPr 16/43

Page 2: Landtag Ausschussprotokoll Nordrhein-Westfalen APr 16/873 16. … · 2016. 5. 20. · 3 Eckpunkte für eine Reform des Länderfinanzausgleichs und der bundes-staatlichen Finanzbeziehungen

Landtag Nordrhein-Westfalen - 2 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei

Ausschussprotokoll 16/829 (Anhörung vom 25.02.2015)

– Abschließende Beratung und Abstimmung (Votum an AWEIMH)

2 Ausweitung gebührenpflichtiger Polizeieinsätze prüfen 10

Antrag

der Fraktion der CDU

Drucksache 16/6856

Ausschussprotokoll 16/867 (Anhörung vom 24.03.2015) (erwartet)

– Abschließende Beratung und Abstimmung (Votum an IA)

3 Eckpunkte für eine Reform des Länderfinanzausgleichs und der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen 10

Antrag

der Fraktion der CDU

Drucksache 16/1911

Ausschussprotokoll 16/274 (Anhörung vom 13.06.2013) Ausschussprotokoll 16/521 (Auswertung)

– Abschließende Beratung und Abstimmung

In Verbindung damit:

Bund-Länder-Finanzbeziehungen transparent und fair weiterent-wickeln!

Antrag

der Fraktion der SPD und

der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/8103

Und:

Politik muss Wort halten und den Solidaritätszuschlag abschaffen – Bürger und Unternehmen haben eine steuerliche Entlastung verdient

Entschließungsantrag

der Fraktion der FDP

Drucksache 16/8202

– Verfahren

TOP 1, 2 und 3 sind von der Tagesordnung abgesetzt (siehe Seite 8).

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 3 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei 4 Finanzielle Auswirkungen des neuen Tarifabschlusses für Ange-

stellte auf den Landeshaushalt der davon betroffenen Jahre und Umgang der Landesregierung mit der Übertragung des Tarifergeb-nisses für die nordrhein-westfälischen Landesbeamten 12

Bericht des Finanzministeriums

Vorlage 16/2809

Es ergibt sich eine kurze Diskussion. Zu den aufgeworfenen Fragen nimmt der Finanzminister Stellung.

5 Kommunalfinanzagentur zur Unterstützung der Kommunen im Zins- und Schuldenmanagement gründen 17

Antrag

der Fraktion der CDU

Drucksache 16/8121

In Verbindung damit:

Gesetz zum Schutz der nordrhein-westfälischen Kommunen vor Risiken aus Fremdwährungskrediten und spekulativen Finanzge-schäften

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und

der Fraktion der FDP

Drucksache 16/8131 (2. Neudruck)

– Verfahren

Der Haushalts- und Finanzausschuss beschließt ein-vernehmlich, sich an der Anhörung des Ausschusses für Kommunalpolitik nachrichtlich zu beteiligen.

6 Aktueller Status des Verkaufsprozesses der Westdeutschen Immobilienbank AG durch die Erste Abwicklungsanstalt 18

Vorlage 16/2716

Sich aus der Vorlage ergebende Fragen werden von den Vertretern des Finanzministerums beantwortet.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 4 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei

7 Konkrete Ergebnisse und neue Erkenntnisse von der Asienreise des Finanzministers 22

Bericht des Finanzministers

Bericht von Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM) 22

Aussprache 25

8 Hintergründe der Verzögerungen bei der Erstellung von Steuerbescheiden für Einkünfte aus Kapitalvermögen 26

Bericht des Finanzministers

Bericht von Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM) 26

Aussprache 27

9 Mittelabfluss für Vertretungsunterricht 28

Bericht der Landesregierung

Vorlage 16/2805

Sich aus der Vorlage ergebende Fragen werden vom Vertreter des MSW und vom Finanzminister beantwortet.

10 Unterbringung von Flüchtlingen 30

Bericht der Landesregierung

Vorlage 16/2806

Auf ergänzende Fragen antworten die zuständigen Vertreter des FM und des MIK.

11 Jahresabschluss 2014 WestSpiel 32

Bericht der Landesregierung

Vorlage 16/2812

Ergänzende Fragen beantwortet MR Dr. Dirk Warnecke (FM).

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 5 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei

12 Warhol-Erlöse 34

Sachstandsbericht der Landesregierung

Vorlage 16/2813

Der Finanzminister beantwortet ergänzende Fragen.

13 Richtlinien der NRW.BANK zur Förderung von Kunst und Kultur 36

Bericht der Landesregierung

Vorlage 16/2814

Der Ausschuss nimmt den Bericht ohne Diskussion entgegen.

14 Umsatzsteuerpflicht von städtischen Betriebskostenzuschüssen 37

Sachstandsbericht der Landesregierung

Vorlage 16/2810

Der Bericht wird ebenfalls ohne Diskussion entgegenge-nommen.

15 Proaktive Verkaufsempfehlung für Frankenkredite an öffentliche Kunden als vermeintlich attraktive Finanzierungsalternative durch die WestLB und denkbare Ansprüche gegenüber Portigon AG bzw. EAA aus Fremdwährungsgeschäften 38

Bericht des Finanzministeriums

Vorlage 16/2815

Es ergibt sich eine längere Debatte. Zu den aufgeworfenen Fragen nehmen Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans und StS Dr. Rüdiger Messal (FM) Stellung.

16 Sachstand der Programmentwicklung von BeihilfeNRWplus sowie Beteiligungsmöglichkeiten und Vertragsgestaltung für nutzungsin-teressierte nordrhein-westfälische Kommunen 52

Bericht des Finanzministeriums

Vorlage 16/2816

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 6 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei

Der Punkt ist abgesetzt (siehe Seite 8 f.).

17 Planungen und Haltung des Finanzministers für beabsichtigte Änderungen bei den zukünftigen Abgabefristen für Steuererklä-rungen 53

Bericht des Finanzministeriums

Vorlage 16/2811

Sich aus der Vorlage ergebende umfangreiche Fragen werden vom Finanzministerium beantwortet.

18 Rechtliche und politische Bewertung sowie Aktivitäten der Landesregierung im Umgang mit dem österreichischen Sondergesetz über einen Schuldenschnitt bei der Hypo Alpe Adria 59

Bericht des Finanzministers

Bericht von Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM) 59

Aussprache 60

19 Faire Besteuerung ermöglichen und Existenz von Familienun-ternehmen in Nordrhein-Westfalen sichern – Für eine zukunftsfeste und verfassungskonforme Ausgestaltung der Erbschaftsteuer 66

Antrag

der Fraktion der FDP

Drucksache 16/8134

– Verfahrensantrag (Anhörung)

Der Ausschuss beschließt einvernehmlich, eine Anhörung durchzuführen und die Zahl der Sachverständigen auf zwei pro Fraktion zu begrenzen.

20 Verschiedenes 67

Keine Wortmeldungen.

* * *

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 7 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo

Aus der Diskussion

Vor Eintritt in die Tagesordnung

a) Nachruf auf den verstorbenen Abgeordneten Volker Jung

Vorsitzender Christian Möbius: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 70. Sitzung des Haushalts- und Fi-nanzausschusses, und ich darf Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich.)

Am Dienstag der vorigen Woche ist das Mitglied unseres Ausschusses, unser Kolle-ge Volker Jung, im Alter von 46 Jahren von uns gegangen. Sein Tod macht fas-sungslos, und wir sind zutiefst bestürzt. Er ist eine Mahnung, dass wir uns von aller Hektik, von Stress und Termindruck nicht besiegen lassen dürfen. Wir müssen ab und zu innehalten.

Ich bitte Sie nun, innezuhalten, und um ein stilles Gedenken an Volker Jung.

(Kurze Stille)

– Ich danke Ihnen.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 8 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo

b) Zur heutigen Tagesordnung

Vorsitzender Christian Möbius begrüßt sodann alle Erschienenen und teilt mit, zu einigen Tagesordnungspunkten hätten sich Änderungen ergeben.

Zu TOP 1 – Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung entlasten …, Antrag der FDP-Fraktion, Drucksache 16/5755 – habe der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk zwar die öffentliche Anhö-rung durchgeführt und das Ausschussprotokoll liege auch vor; allerdings sei dort die Auswertung der Anhörung noch nicht erfolgt, und diese sei auch für die nächste Sit-zung des Wirtschaftsausschusses noch nicht vorgesehen.

Er schlage deshalb vor, die abschließende Beratung auf die nächste HFA-Sitzung zu verschieben, sobald der federführende Ausschuss die Auswertung vorgenommen habe. – Der Ausschuss beschließt dies einvernehmlich.

Zu TOP 2 – Ausweitung gebührenpflichtiger Polizeieinsätze prüfen, Antrag der CDU-Fraktion, Drucksache 16/6856 – stellt Vorsitzender Christian Möbius fest, der federführende Innenausschuss habe am 24. März hierzu eine öffentliche Anhörung durchgeführt. Das Ausschussprotokoll darüber liege noch nicht vor. Deshalb schlage er auch hier vor, die Beratung auf eine der nächsten Sitzungen zu verschieben. – Der Ausschuss beschließt dies ebenfalls einstimmig.

Der Vorsitzende fährt fort, bei TOP 3 – Eckpunkte für eine Reform des Länderfi-nanzausgleichs …, Antrag der CDU-Fraktion, Drucksache 16/1911, in Verbindung mit: Bund-Länder-Finanzbeziehungen transparent und fair weiterentwickeln!, Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 16/8103 – liege zwar zum Antrag der CDU-Fraktion das Votum des mitberatenden Ausschusses für Kommu-nalpolitik vor; allerdings fehle noch dessen Votum zum Antrag der Koalitionsfraktio-nen. Insofern schlage er vor, hier zunächst das Votum des Ausschusses für Kommu-nalpolitik abzuwarten. – Der Ausschuss beschließt einvernehmlich, auch diesen Punkt zu vertagen.

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) beantragt, die Beratung von TOP 16 – Sachstand der Programmentwicklung von BeihilfeNRWplus sowie Beteiligungsmöglich-keiten und Vertragsgestaltung für nutzungsinteressierte nordrhein-westfä-lische Kommunen – nicht im HFA, sondern im Unterausschuss Personal vorzu-nehmen, weil die fachlichen Aspekte im Vordergrund stünden und dort besser be-handelt werden könnten.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 9 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo Ralf Witzel (FDP) bemerkt dazu, die FDP-Fraktion habe diesen Tagesordnungs-punkt für heute beantragt, weil es sich um einen Vorschlag handele, der dem Bericht des Effizienzteams entnommen werden könne und deshalb für den HFA von Interes-se sein sollte. Er sei aber einverstanden, den Punkt zunächst im Unterausschuss Personal zu beraten, wenn er anschließend in den HFA zurückkomme und dort zu-mindest noch eine kurze Würdigung erfahren könne.

Nicolaus Kern (PIRATEN) äußert die Bitte, dieses Thema dann aber nicht in der nächsten Sitzung des Unterausschusses Personal, sondern in einer der darauf fol-genden Sitzungen dort zu beraten.

Es sei Sache des Unterausschusses, dort ein entsprechendes Benehmen herzustel-len, bemerkt Vorsitzender Christian Möbius. Er habe den Antrag von Herrn Abel so verstanden, dass TOP 16 heute von der Tagesordnung genommen und zur Bera-tung in den Unterausschuss Personal verwiesen werde, der ihn gegebenenfalls an den HFA zurückverweisen könne. – Auch dies beschließt der Ausschuss einver-nehmlich.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 10 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo

1 Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung entlasten – Nordrhein-Westfalen als Impulsgeber für mutigen und konsequenten Bü-rokratieabbau

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/5755

Ausschussprotokoll 16/829 (Anhörung vom 25.02.2015)

– Abschließende Beratung und Abstimmung (Votum an AWEIMH)

2 Ausweitung gebührenpflichtiger Polizeieinsätze prüfen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/6856

Ausschussprotokoll 16/867 (Anhörung vom 24.03.2015) (erwartet)

– Abschließende Beratung und Abstimmung (Votum an IA)

3 Eckpunkte für eine Reform des Länderfinanzausgleichs und der bundes-staatlichen Finanzbeziehungen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/1911

Ausschussprotokoll 16/274 (Anhörung vom 13.06.2013) Ausschussprotokoll 16/521 (Auswertung)

– Abschließende Beratung und Abstimmung

In Verbindung damit:

Bund-Länder-Finanzbeziehungen transparent und fair weiterentwickeln!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/8103

Und:

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 11 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo

Politik muss Wort halten und den Solidaritätszuschlag abschaffen – Bürger und Unternehmen haben eine steuerliche Entlastung verdient

Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/8202

– Verfahren

TOP 1, 2 und 3 sind von der Tagesordnung abgesetzt (siehe Seite 8).

Page 12: Landtag Ausschussprotokoll Nordrhein-Westfalen APr 16/873 16. … · 2016. 5. 20. · 3 Eckpunkte für eine Reform des Länderfinanzausgleichs und der bundes-staatlichen Finanzbeziehungen

Landtag Nordrhein-Westfalen - 12 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo

4 Finanzielle Auswirkungen des neuen Tarifabschlusses für Angestellte auf den Landeshaushalt der davon betroffenen Jahre und Umgang der Lan-desregierung mit der Übertragung des Tarifergebnisses für die nordrhein-westfälischen Landesbeamten

Bericht des Finanzministeriums Vorlage 16/2809

Vorsitzender Christian Möbius legt dar, dieser Tagesordnungspunkt sei vom Kol-legen Witzel mit Schreiben vom 30. März 2015 beantragt worden. Der erbetene schriftliche Bericht sei am 14. April 2015 zugegangen.

Ralf Witzel (FDP) bedauert, dass die von seiner Fraktion rechtzeitig übermittelte Frage, wie sich eine Eins-zu-eins-Umsetzung des Tarifabschlusses für den Beam-tenbereich auswirken würde, nicht beantwortet worden sei, sondern ausschließlich das kassenmäßige Ergebnis für den Tarifbereich übermittelt worden sei. Weil es von Persönlichkeitsmerkmalen und Laufbahnen abhänge, sei die Zahl nicht mit vertretba-rem Aufwand präzise aus den Stellenplänen herleitbar. Er meine, dass es das Recht des Parlaments sei, als Faktenbasis eine solche Simulationsrechnung mitgeteilt zu bekommen – unabhängig davon, mit welchem ersten Vorschlag die Landesregierung dann auf das Parlament zukomme.

Zweitens bedauere die FDP-Fraktion, dass der Finanzminister keine Zielsetzungen oder Haltungen der Landesregierung im Umgang mit der Problematik andeute. In den meisten anderen Bundesländern sei das anders; nach entsprechenden Veröf-fentlichungen habe sich die Mehrzahl der anderen Landesregierungen in ihrer grund-sätzlichen Haltung bereits festgelegt: Bayern, Hamburg und Rheinland-Pfalz hätten eine echte Eins-zu-eins-Übernahme zugesagt; Niedersachsen, Saarland und Hessen hätten klargestellt, dass es andere Werte für die Erhöhung geben werde; Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Bremen hätten eine zeitliche Verzögerung bei der Übernahme angekündigt.

Er meine, dass der Landtag für die politische Debatte – wissend, dass noch keine abschließende Entscheidung im Kabinett getroffen worden sei – erwarten könne, von der Landesregierung mehr zu erfahren, was die Leitplanken angehe. Er bitte deshalb den Minister, die Überlegungen und Zielsetzungen für die anstehenden Gespräche darzustellen.

Es spreche ja vieles dafür, dass eine einfache Eins-zu-eins-Übertragung nicht ange-dacht sei; sonst würde es ja nicht weiterer Gespräche bedürfen. Anfang des Jahres habe der Finanzminister ja angekündigt, im Personalbereich einen Beitrag zur Haus-haltskonsolidierung erbringen zu wollen. Wie sich dieser errechne, sollte er dem Ausschuss darlegen; die deskriptiven Daten könnten ja kein Geheimnis sein.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 13 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo Dr. Marcus Optendrenk (CDU) führt aus, der Finanzminister habe seinerzeit nach-vollziehbar erklärt, er wolle den Spielraum im Haushalt nicht offenlegen, solange ver-handelt werde. Das habe die CDU-Fraktion akzeptiert. Inzwischen gebe es aber eine andere Situation, denn jetzt führe der Finanzminister mit den Verbänden keine Ver-handlungen, sondern Gespräche. Die Spielräume im Haushalt und in der mittelfristi-gen Finanzplanung seien ja nicht Gegenstand von „Verhandlungen“ mit den Verbän-den; mit ihnen werde jetzt sicherlich über andere Dinge geredet. Von daher bitte er den Minister, dies auch im Rückblick auf die Verhandlungen einmal zu erläutern.

Zweitens sei auch er darüber verwundert, dass der Finanzminister nicht die Berech-nung vorgelegt habe, was eine Eins-zu-eins-Übernahme des Tarifergebnisses auf die Landesbeamten koste. Der Finanzminister Baden-Württembergs habe gestern in einer Presseerklärung – unabhängig davon, was die dortige Landesregierung konkret tue – sehr transparent deutlich gemacht, was eine Eins-zu-eins-Umsetzung das Land Baden-Württemberg kosten würde, nämlich 258 Millionen € für 2015 und 603 Millio-nen € für 2016. Diese Zahlen könnte man eventuell auf Nordrhein-Westfalen hoch-rechnen; da NRW aber eine hochleistungsfähige Verwaltung habe, bitte er diese, gegenüber dem Besoldungsgesetzgeber die Serviceleistung zu erbringen, die ent-sprechenden Zahlen zeitnah mitzuteilen.

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM) sieht keinen Anlass für einen offenen oder versteckten Vorwurf, Zahlen geheim zu halten. Was die Besoldung insgesamt koste, stehe im Haushalt, und insofern könne sich jeder ausrechnen, wie viel eine Erhöhung um 2,1 % oder 2,3 % ausmache.

Würde man das Tarifergebnis eins zu eins übertragen, kämen zu den 100 Millio-nen €, die der Tarifabschluss koste, rund 330 Millionen € hinzu, sodass die Perso-nalmehraufwendungen für 2015 rund 430 Millionen € ausmachen würden. Kämen am 1. März 2016 weitere 2,3 % hinzu – unter Berücksichtigung der 75 € Mindester-höhung –, würde das bedeuten, dass im Jahre 2016 zu den 230 Millionen € für die Tarifbeschäftigten rund 760 Millionen € für die Beamten dazukämen, was einen Per-sonalmehraufwand von insgesamt rund 990 Millionen € ergäbe.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bleibe er dabei, dass zwar die Tarifverhandlungen be-endet seien, dass man aber mit den Gewerkschaften im letzten Jahr verabredet ha-be, auf der damals gefundenen Grundlage Gespräche zu führen, die zwar keine „Verhandlungen“ seien, weil letztlich der Landtag entscheide, aber mehr seien als ei-ne bloße Information. Es sei letztlich dann ein Ringen um Positionen. Insofern wolle er jetzt nicht über Spielräume berichten, sondern nur sagen, dass es Gesprächsbe-darf darüber gebe, wie das Ergebnis mit den Zielsetzungen, die die Landesregierung benannt habe, in Übereinstimmung gebracht werden könne. Er sei sicher, dass man gut miteinander reden könne, und er glaube auch, dass man sich einigen werde, wol-le aber nicht vorwegnehmen, wie die Einigung im Einzelnen aussehe.

Eine wichtige Größe werde dabei sein, wie das Urteil des Bundesverfassungsge-richts zum Thema der Sonderleistungen aussehe, das für den 5. Mai erwartet werde. Deshalb habe man verabredet, erst danach mit den Gesprächen zu beginnen. Er

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 14 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo würde das als Gesamtpaket sehen und dann darüber ernsthafte Gespräche führen wollen.

Stefan Zimkeit (SPD) bedankt sich dafür, dass jetzt auch die Zahlen genannt wor-den seien. Die CDU-Fraktion habe ja danach gefragt, aber schon vorher eine Eins-zu-eins-Übernahme gefordert, ohne zu wissen, was das koste. Er wisse nicht, ob das ein sinnvolles Vorgehen sei.

Die SPD-Fraktion halte es für sinnvoll, das zu tun, was die Landesregierung vorher angekündigt habe und auch von Oppositionsfraktionen gefordert worden sei, nämlich zuerst den Austausch mit den Betroffenen zu suchen. Es sei richtig, keine Vorfestle-gungen zu treffen, sondern erst die Gespräche abzuwarten. Danach werde die Lan-desregierung sicherlich einen Vorschlag vorlegen, der zum einen die Interessen der Betroffenen, zum anderen aber auch die Notwendigkeiten des Haushalts unter Ein-beziehung des angesprochenen Urteils berücksichtige.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) möchte wissen, wann ungefähr mit einem Gesetz-entwurf der Landesregierung gerechnet werden könne. Im Hinblick darauf, dass es am 5. Mai das Urteil geben werde und das Gesetzgebungsverfahren bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein sollte, dürfte es bei der Landesregierung doch einen Zeitplan geben.

Ralf Witzel (FDP) weist darauf hin, dass seine Fraktion nicht nur nach Beträgen, sondern auch nach Kriterien gefragt habe, die den Korridor für die Anpassung bilden könnten. Weil letztlich das Parlament entscheiden müsse, meine er schon, dass der Finanzminister bestimmte Zielvorstellungen habe, und diese müsste er dem Parla-ment eigentlich auch mitteilen können.

Ihn interessiere noch, wie groß der Anteil derjenigen sei, deren Besoldungserhöhung 2016 gegebenenfalls auf 75 € aufgerundet werde.

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM) stellt zunächst fest, er habe eine mittel-fristige Finanzplanung vorgelegt, die eindeutig darauf ausgerichtet sei, im Jahre 2020 den Haushalt ohne Kredite auszugleichen. Die Finanzplanung enthalte auch Ansätze dazu, wie sich die Personalkosten entwickelten. Er beabsichtige, diese Planung ein-zuhalten. Daran gemessen müsse man mit den Gewerkschaften reden.

Auf der anderen Seite sei er jemand, der wisse, was die Arbeit der Beamtinnen und Beamten wert sei und dass man eine Einkommensperspektive bieten müsse, wenn man gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen wolle. Deshalb müsse man sensibel miteinander reden, um unter Beachtung einerseits der Ansprüche der Be-amtinnen und Beamten und andererseits der Anforderungen der mittelfristigen Fi-nanzplanung und der Schuldenbremse das richtige Maß zu finden.

Selbstverständlich werde der Landtag entscheiden. Der Gesetzentwurf werde auch eine Begründung enthalten, aber er wolle den Gesprächen, die nach dem 5. Mai be-ginnen sollten, nichts vorwegnehmen. Man müsse schauen, wie schnell man damit

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 15 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo vorankomme, und daran knüpfe sich das Gesetzgebungsverfahren für die Anpas-sungen von Besoldung und Versorgung in den kommenden Jahren an.

StS Dr. Rüdiger Messal (FM) ergänzt, die Zahl derer, die 2016 den Mindestbetrag von 75 € bekämen, habe das Ministerium nicht präsent. Eine solche Regelung wirke sich bis in die erste Erfahrungsstufe von A12 hinein aus.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) bittet den Finanzminister noch einmal, dem Aus-schuss zumindest ein Gefühl für den Zeitplan des Beratungsverfahrens zu geben. Das Anliegen des Parlaments sei es ja, dieses nicht parallel mit dem Haushaltsbera-tungsverfahren, sondern möglichst schon früher durchzuführen.

Das hänge davon ab, wie man bei den Gesprächen mit DBB und DGB zu Rande komme, antwortet Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM). Er vermute, dass sich das nicht so lange hinziehen werde, wisse aber nicht, wie viele Runden man benöti-ge. Danach werde man zügig ins Gesetzgebungsverfahren einsteigen.

Ralf Witzel (FDP) äußert die Bitte, die Zahl der von der 75-€-Regelung Betroffenen und das zusätzliche Volumen gegenüber einer rein prozentualen Erhöhung dem Ausschuss nachzureichen.

Da das für den 5. Mai erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Richterbe-soldung betreffe, wüsste er gerne, warum das für den Finanzminister einen so prä-genden Charakter habe und ob er die Grundsätze der R-Besoldung dann für alle Landesbeamten anwenden wolle.

Außerdem bitte er den Finanzminister mitzuteilen, wie er das von ihm selbst genann-te Einsparziel von 160 Millionen € im Personalbereich angesichts dieses drastischen Tarifabschlusses realisieren wolle.

StS Dr. Rüdiger Messal (FM) antwortet auf die Frage zur Bedeutung des Bundes-verfassungsgerichtsurteils, aus der mündlichen Verhandlung Anfang Dezember habe man durchaus den Eindruck gewinnen können, dass das Bundesverfassungsgericht die anstehenden Fälle in einem etwas generellen Licht beleuchte, nämlich nach wel-chen Kriterien eine Anpassung stattfinden könne. Insofern sei nicht auszuschließen, dass sich das Gericht über die Richterbesoldung hinaus zu Sonderzahlungen oder zu Kriterien äußere, die bei einer Anpassung zu berücksichtigen wären. Deshalb müsse man abwarten, ob sich aus dem Urteil über die Richterbesoldung hinaus Kon-sequenzen ergäben.

Zur Konkretisierung des Einsparziels von 160 Millionen € im Personalbereich kann Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM) noch nichts Genaues mitteilen. Gemes-sen an dieser der Finanzplanung zugrunde gelegten Erwartung müsse man schauen, welche Form der Anpassung dem nachkomme. Das Finanzministerium habe intern die Erwartungen für die Jahre 2015 und 2016 um die Restbestände von 160 Millio-

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo nen bzw. 320 Millionen € gekürzt, sodass im Hintergrund eine kleinere Masse zur Verfügung stehe. Die Gespräche müssten jetzt mit dem Ziel geführt werden, auf die-ser neuen Grundlage die Planungen einhalten zu können.

Dabei seien zwei Verfassungsziele zu beachten: die angemessene Besoldung der Beamtinnen und Beamten und die Einhaltung der Schuldenbremse. Er glaube, dass die Planung so solide sei, dass vor diesem Hintergrund Lösungen gefunden werden könnten.

* * * * * * *

Außerhalb der Tagesordnung führt Vorsitzender Christian Möbius aus:

Ich freue mich, dass Frau Hagelstein von unserem Ausschusssekretariat und un-serer Geschäftsstelle gerade zu uns in den Haushalts- und Finanzausschuss ge-kommen ist; denn heute ist die letzte Gelegenheit, um sich von ihr zu verabschie-den. Sie geht in den Ruhestand. Sie war 35 Jahre hier im Landtag beschäftigt. Sie war die gute Seele des Ausschusssekretariates und der Geschäftsstelle und arbei-tete immerhin 20 Jahre für den Haushalts- und Finanzausschuss. Dafür haben wir ihr zu danken.

(Allgemeiner Beifall)

Zum anderen wünschen wir Ihnen, Frau Hagelstein, für den Ruhestand alles er-denklich Gute und vor allem viel Gesundheit. Und wenn Ihnen im Ruhestand langweilig wird – Sie wissen, die Sitzungen hier sind öffentlich.

(Heiterkeit)

Sie können also jederzeit gerne wieder hierherkommen. – Vielen Dank, Frau Ha-gelstein!

(Der Vorsitzende überreicht Waltraud Hagelstein [Landtagsver-waltung] einen großen Blumenstrauß. – Allgemeiner Beifall)

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo

5 Kommunalfinanzagentur zur Unterstützung der Kommunen im Zins- und Schuldenmanagement gründen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/8121

In Verbindung damit:

Gesetz zum Schutz der nordrhein-westfälischen Kommunen vor Risiken aus Fremdwährungskrediten und spekulativen Finanzgeschäften

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 16/8131 (2. Neudruck)

– Verfahren

Vorsitzender Christian Möbius teilt mit, der Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/8121 sei vom Plenum am 18. März 2015 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Kommunalpolitik und zur Mitberatung an den HFA überwiesen wor-den.

Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen Drucksache 16/8131 sei am 18. März 2015 ebenfalls zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Kommunalpolitik und zur Mitberatung an den HFA überwiesen worden.

Der federführende Ausschuss beabsichtige, eine öffentliche Anhörung durchzufüh-ren. – Er schlage vor, sich daran nachrichtlich zu beteiligen.

Der Haushalts- und Finanzausschuss beschließt einver-nehmlich, sich an der Anhörung des Ausschusses für Kommunalpolitik nachrichtlich zu beteiligen.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo

6 Aktueller Status des Verkaufsprozesses der Westdeutschen Immobilien-bank AG durch die Erste Abwicklungsanstalt

Vorlage 16/2716

(Wortprotokoll auf Wunsch der SPD-Fraktion)

Vorsitzender Christian Möbius: Die Vorlage hierzu hat uns bereits am 2. März 2015 erreicht. Vonseiten der SPD-Fraktion wurde Beratungsbedarf angemeldet. Be-steht der Beratungsbedarf immer noch? Sollen wir die Vorlage hier behandeln oder in einer späteren Sitzung aufrufen?

Stefan Zimkeit (SPD): Die können wir jetzt behandeln.

Vorsitzender Christian Möbius: Gut, dann behandeln wir jetzt diese Vorlage. Gibt es Wortmeldungen? – Herr Kollege Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Wir hatten das Thema von unserer Seite aus in der Januar-Sitzung des HFA schon einmal zur Diskussion gestellt. Aus der Vorlage mit den mit-geteilten Ergebnissen des Finanzministers ergeben sich zunächst drei Fragen.

Erstens. Weil es ja offenbar noch keine aufsichtsrechtliche Genehmigung für die Transaktion gibt – ist diesbezüglich mit irgendwelchen Hürden zu rechnen?

Zweitens wäre es schön, wenn Sie den Mechanismus erläutern würden, der hier nur mit einer „Kaufpreisanpassung“ sehr allgemeiner Art angegeben ist. Sie kommunizie-ren ja das Signing über 350 Millionen €, verbunden mit dem nebulösen Hinweis, dass hier nach bestimmten, nicht näher ausgeführten Mechanismen noch Preiskorrekturen erfolgen können. Das spricht ja dafür, dass auch denkbar ist, dass sich nachher beim tatsächlichen Vollzug auch ein geringerer Erlös ergibt, wenn man die Vorlage liest. Was gibt es da für einen dahinterstehenden Mechanismus, und was ist die Begrün-dung dafür?

Drittens wird uns aus dem, was hier kommuniziert wird, die Bilanzwirkung für die EAA und auf der Seite des Erwerbers, der Aareal Bank, nicht klar. In der Vorlage wird von einem unmittelbaren Wertzugang mit Beginn der Transaktion gesprochen. Das kann in der logischen Folge eigentlich ja nur bedeuten, dass es einen bilanziel-len Abschlag hinsichtlich des bisherigen Wertes aufseiten des Veräußerers gibt. Wie ist das zu verstehen?

StS Dr. Rüdiger Messal (FM): Sie haben drei Fragen gestellt. Die ersten beiden be-antworte ich wie folgt.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo Was die aufsichtsrechtliche Genehmigung betrifft, sind uns keine Hinweise bekannt, dass es irgendwelche Schwierigkeiten geben könnte. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass der Termin für das Closing – 31. Mai – bestehen bleibt.

Hinsichtlich des angesprochenen Kaufpreismechanismus sehen wir uns gegenwärtig wegen der gebotenen Vertraulichkeit nicht in der Lage, Ihnen weitere Informationen zu geben. Ich will aber nicht ausschließen, dass der Vorstand der EAA bereit wäre, nähere Informationen nach dem Closing-Termin zu geben. Wenn dann der endgülti-ge Kaufpreis feststeht und es möglicherweise Abweichungen gibt, könnte das von-seiten des Vorstandes dargelegt werden. Heute können wir dazu keine weitere In-formation geben.

Zu den Bilanzwirkungen beim Käufer können wir natürlich nichts sagen. – Im Übrigen kann Herr Stapf dazu eine Information geben.

LMR Joachim Stapf (FM): Ich kann das gern ergänzen. Wie Herr Staatssekretär Dr. Messal schon gesagt hat, können wir zu den Auswirkungen auf der Käuferseite nichts sagen. Wir können nur der Pressemitteilung entnehmen, dass es dort gewisse Effekte gibt, die wahrscheinlich darauf beruhen, dass einmal ein Buchwert abgebildet werden muss – das ist bei der Bank der Faktor 0,6, 0,7 oder 0,8 vom Kapital – und dass nach IFRS das Kapital dargestellt wird. Da kann es dann gewisse positive Ef-fekte geben, die wir aber nicht nachvollziehen können. Das ist einzig und allein der Pressemitteilung der Aareal zu entnehmen und insofern an dieser Stelle nicht ab-schließend zu erklären.

Bei der EAA ist es so, dass der Pressemitteilung zu entnehmen ist, dass man insge-samt Kapitalrückflüsse und Erträge von deutlich mehr als 800 Millionen € gehabt hat. Der Maßstab, der für uns entscheidend ist, ist der Abwicklungseffekt, und der ist bei der EAA bei dieser Transaktion ausgesprochen positiv gewesen.

Man kann aber die beiden Betrachtungsweisen bei Aareal und EAA insofern nicht vergleichen.

Ralf Witzel (FDP): Wenn der Erwerber von sich aus publiziert, dass mit dem Zugang bei ihm 150 Millionen € Zugangsgewinn entstehen, ist ja die Frage nicht unberech-tigt: Ist das Maximum für den Bestandsabgang bei der EAA erzielt worden?

Zweitens müsste es ja, weil Sie auf Seite 1 der Vorlage schreiben, dass in jedem Fall das Verkaufsszenario im Gesamtpaket positiver ist, als wenn man einzelne Essays veräußert hätte, eine Berechnung geben, die dahintersteht. Das eine ist – das habe ich der Vorlage entnommen –, dass sich hier unter dem Strich ein positiver Effekt ergibt, nach den Jahren und nach den Zahlungsflüssen, die in den letzten Jahren dort stattgefunden haben. Trotzdem ist ja, wenn der Erwerber das so bei sich aus-weist, die Frage: Wäre nicht noch mehr drin gewesen? Deshalb meine Frage: Was besagt denn die alternative Berechnung, auf die Sie Bezug nehmen, zu der Vorteil-haftigkeit im Vergleich zum Verkauf einzelner Essays?

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo LMR Joachim Stapf (FM): Die 350 Millionen €, die hier genannt worden sind, sind alleine von Käuferseite genannt worden. Von EAA-Seite ist bisher gar kein Betrag genannt worden. Ich würde mich gerne dem anschließen, was der Staatssekretär gesagt hat: dass der Vorstand der EAA, wenn er in Kürze im Ausschuss ist und das Closing dann stattgefunden hat, diese Effekte noch einmal erläutert. Solange die Transaktion nicht abgeschlossen ist, können wir an dieser Stelle auf Einzelheiten nicht eingehen.

Stefan Zimkeit (SPD): Wenn wir jetzt vertieft diskutieren, Herr Witzel: Sie haben hier mehr als einmal die Prognose aufgestellt, dass der angestrebte Verkauf der West-Immo nicht funktionieren wird und alles zur nachteiligen Entwicklung der EAA verlau-fen würde. Die jetzt dargestellten Fakten zeigen aber, dass es anders funktioniert und anders läuft. Ich denke, das ist unter den schwierigen Bedingungen – nämlich: ein Unternehmen zu verkaufen, das sowieso schon ein Enddatum hatte – als Erfolg zu bewerten. Vor allen Dingen ist es als Erfolg zu bewerten, dass es positive Ergeb-nisse der EAA gibt, weil wir alle wissen, dass negative Ergebnisse der EAA unseren Haushalt belasten können. Insofern ist das eine positive Entwicklung, die unter schwierigen Bedingungen erzielt worden ist.

Bei allem Verständnis zu Nachfragen sollte man immer dann, wenn man immer das Gegenteil prophezeit hat, vielleicht auch das einmal zur Kenntnis nehmen.

Ralf Witzel (FDP): Herr Kollege Zimkeit, ich freue mich über jede positive Entwick-lung. Ich kenne die schwierigen Rahmenbedingungen. Ich habe zu keinem Zeitpunkt bestritten, dass es zu einem Verkauf kommen kann. Es gab ursprünglich einen ande-ren Zeitplan, der vor zwei Jahren anders ausgesehen hat, was bei uns zu Nachfra-gen geführt hat, warum das, was seinerzeit kommuniziert worden ist, nicht eingetre-ten ist. Ich glaube, das ist auch berechtigt.

Ich habe noch die Frage, ob Sie heute etwas dazu sagen können, ob mit der Veräu-ßerung auch ein voller Risikoübergang stattfindet oder ob es möglicherweise nach-laufende Verpflichtungen aus den Geschäften, den Haftungszusagen, was auch im-mer, für bestimmte Teile im Nachgang für die EAA gibt, die zurückbleiben.

LMR Joachim Stapf (FM): Die Transaktion ist so angelegt, dass die nachlaufenden Haftungsverpflichtungen weitestgehend erledigt sind. Das war auch Sinn der Sache. Das war auch der Vorteil dessen, dass man das Unternehmen als Ganzes verkaufen konnte und dann beispielsweise Refinanzierungsmittel und Haftungsinstrumente auch vom Erwerber übernommen worden sind.

Ich darf vielleicht einmal zitieren, wenn Sie die Vorteilhaftigkeit der Transaktion an-sprechen. Herr Wargers wird in der Pressemitteilung zu Recht wie folgt zitiert:

„Dieser Betrag übersteigt bei weitem den Buchwert zum Übernahmezeit-punkt im Jahre 2012.“

Es ist also ein deutlich positiver Abwicklungseffekt durch die Transaktion entstanden.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo Die Frage, die Sie vorhin gestellt haben, ob nicht noch mehr drin gewesen wäre, soll-te man vielleicht beim Vorstand adressieren.

Michael Hübner (SPD): Herr Vorsitzender, ich würde gerne zu diesem Tagesord-nungspunkt ein Wortprotokoll beantragen.

Vorsitzender Christian Möbius: Das wird seitens des Stenografischen Dienstes zugesichert. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann können wir diesen Ta-gesordnungspunkt verlassen.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo

7 Konkrete Ergebnisse und neue Erkenntnisse von der Asienreise des Fi-nanzministers

Bericht des Finanzministers

Dieser Tagesordnungspunkt sei vom Kollegen Witzel mit Schreiben vom 29. März 2015 beantragt worden, erläutert Vorsitzender Christian Möbius. Zum Vortrag des mündlichen Reiseberichts erteile er dem Finanzminister das Wort.

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM) trägt vor:

Ich habe in meiner Amtszeit zum dritten Mal eine sogenannte Roadshow unter-nommen. Wir haben sehr regelmäßige Kontakte zu den Finanzmärkten an vielen Stellen der Welt, die im Regelfall auf der Fachebene wahrgenommen werden. Da geht es um technische Fragen, welche Anleihen das Land auszugeben beabsich-tigt und wie im Einzelnen die Konditionen aussehen können.

Es hat sich nicht erst in meiner Amtszeit, sondern auch vorher schon als sehr hilf-reich erwiesen, dass man insbesondere in den ost- und südostasiatischen Finanz-plätzen hin und wieder auch politische Einschätzungen zum Besten gibt. Das hat damit zu tun, dass unsere Erfahrung ist – die wir jetzt wieder gewonnen haben –: Man trifft in den Banken der Länder im Regelfall auf sehr gut ausgebildete Fach-leute in Sachen Finanzen, die in der Lage sind, einen anzusprechen beispielswei-se auf die Erste Abwicklungsanstalt, auf Portigon, auf alle Details, die Finanzdinge bei uns angehen. Trotzdem gibt es aber eine Lücke, dass nämlich im Regelfall die Staatsverfassung der Bundesrepublik Deutschland dort nicht durch konkrete Kenntnis in die Überlegungen einfließt, sondern dass dort Analogschlüsse ge-macht werden. Man sagt sich: Wir kennen die USA; das ist ein Bundesstaat. Ver-mutlich funktioniert die Bundesrepublik Deutschland ähnlich.

Vor dem Hintergrund, dass Nordrhein-Westfalen auf diesen Märkten kein kleiner Player ist, sondern dass die Bruttokreditaufnahme, über die wir hier reden müs-sen, um die 20 Milliarden € herum pendelt, die wir jährlich aufnehmen, kommt es natürlich darauf an, dass man die wachsende Kapitalmenge auf den Weltmärkten, die nach Anlagen sucht, nutzt, weil damit natürlich auch der Preis für Geld, sprich der Zins, den man erzielen kann, weiter nach unten gedrückt werden kann, um damit auch die Zinsbelastung zu senken.

Wenn man sich überlegt, dass eine Benchmarkanleihe in der Größenordnung von 1 Milliarde € nur einen einzigen Basispunkt, also ein Hundertstel Prozent, günsti-ger würde durch diese Gespräche, dann wäre das bei einer Laufzeit von zehn Jahren schon 1 Million €, die man eingespart hätte. Und wir reden hier durchaus über die Möglichkeit, das auch über mehrere Basispunkte hinzubekommen.

Die jetzige Reise war natürlich durch mehrere Rahmenbedingungen gekennzeich-net. Zum einen waren es Rahmenbedingungen mehr technischer Natur, dass man

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo

sich sagt: Wir haben eine Menge Kapital anzulegen, wir haben Portfolien, bei de-nen schon zu überlegen ist, einen Teil in sicheren Gebieten, wenn auch zu etwas schlechteren Konditionen, anzulegen. Dann muss man wissen: Es kommt ja nicht nur auf unsere Einschätzung, sondern auf die Einschätzung der Gegenseite an. Die Einschätzung der Gegenseite ist die, dass die chinesischen oder die koreani-schen Bänker die chinesischen oder die koreanischen Anleihen auch nicht für un-sicher halten. Es ist also nicht so, dass die sagen: „Das ist bei uns risikobehaftet“, sondern die haben schon ein enormes Zutrauen in ihre wirtschaftliche Entwicklung und ihre Solvenz. Die haben aber im Regelfall einen deutlich höheren Zinssatz.

Das heißt also: Die Überlegung, warum ein Teil ihres Kapitals zu einem deutlich niedrigeren Zinssatz in Europa angelegt wird, führt natürlich zu der Frage, ob da-mit tatsächlich die Sicherheit, die das zur Erklärung notwendig machen würde, auch gegeben ist. Das gilt erst recht deshalb, weil diese Banken im Regelfall die Grundlinie haben, dass sie am Ende nicht zu einem negativen Zins anlegen dür-fen, sondern dass das auf jeden Fall im positiven Bereich sein muss. Das gleichen sie dadurch aus, dass sie dann präferieren, längere Laufzeiten einzugehen.

Wenn man längere Laufzeiten eingeht, um einen erträglichen positiven Zins zu bekommen, dann hat man natürlich noch mehr Fragen, wie sich denn über diese längere Laufzeit die Stabilität in dem entfernt liegenden Europa darstellt. Dann hat man auch vor Augen, dass es eben in den US-Staaten durchaus sein kann, dass einzelne Staaten nicht so solvent sind wie der Gesamtstaat. Hier hatten wir die zusätzliche Situation, dass gerade in einem Nachbarstaat der Bundesrepublik Deutschland in Mitteleuropa, der auch als Bundesstaat verfasst ist, offenbar im Moment Gerüchte kursieren, dass ein wenn auch sehr kleiner Bundesstaat seinen Verpflichtungen, die er eingegangen ist, nicht mehr gerecht wird. Da ergeben sich Fragen und auch interessante Diskussionen. Diese wurden noch überlagert dadurch, dass man viele Fragen hatte zu der Einschätzung, was mit Griechenland wird, und vor allem auch dazu, wie sich die Bundesrepublik Deutschland durch ih-re Stärke innerhalb der Europäischen Union und die damit übernommene Verant-wortung möglicherweise überlastet.

Es ist also nicht nur eine Frage, sondern es ist zweierlei. Zum einen: Wie viel Si-cherheit können Sie uns geben für die Bundesrepublik Deutschland als Gesamt-staat? Und zum anderen: Wie viel Sicherheit gibt es für einzelne Länder innerhalb dieses Gesamtstaates?

Wir haben da immer eine sehr offene Gesprächskultur. Zum Teil sind es neue Ge-sprächspartner, zum Teil sind es auch Gesprächspartner, die wir wiedergetroffen haben. Wir waren diesmal in China nicht bei der staatlichen Anleiheinstitution, sondern bei einer privaten Bank. Wir waren dann noch bei der Bank of Korea, in Taipeh und bei der Bank Indonesia. Bei der Bank of Korea und bei der Bank Indo-nesia waren wir zum zweiten Mal; allerdings ist es zum Teil wechselndes Perso-nal, das uns dann gegenübersitzt. Das war insofern sehr interessant, weil man es, wenn man offen miteinander redet, am besten so macht, dass man den Blickwin-kel umkehrt. Wenn wir die Überlegung hätten, 100 Millionen € in Australien anzu-legen, und Australien ist uns als solventes, stabiles Land bekannt, in dem man an-

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo

legen kann, und wir wüssten, dass in Australien die einzelnen Provinzen mit dem Staat so verbunden sind, dass die auch vertrauenswürdig sind, und die hätten gleiche Zinsen, dann würden wir vermutlich aus der Entfernung trotzdem sagen: Dann gehen wir doch lieber in den Gesamtstaat. – Also selbst dann, wenn man es theoretisch weiß, sagt man sich bei Gleichstand, dass man eher das, was man kennt, bevorzugt. Das heißt, es muss auf der anderen Seite im Regelfall ein klei-nes Plus geben, um das Interesse auch auf einen Teilstaat zu ziehen.

Genau dieser Spread – wie viel müssen wir über dem Bund sein, um das Interes-se auf das Land Nordrhein-Westfalen zu ziehen? – ist am Ende natürlich ent-scheidend für die Größenordnung unserer künftigen Zinsbelastungen. Genau da spielt auch ein Vertrauensverhältnis eine Rolle, wenn jemand zu Besuch kommt und sich Gesprächen stellt. Die sind ja auch alle gut genug vernetzt, um das, was ein Minister sagt, der aus dem fernen Ausland kommt, zu hinterfragen: Ist das denn auch technisch belegbar, oder hat der uns eine Geschichte erzählt? – Das können die sofort überprüfen. Aber die Tatsache, dass jemand sie überhaupt ein-mal jemand auf diese Dinge stößt und auf die Konstruktion, wie es bei uns funkti-oniert, ist schon enorm wichtig.

Das Ergebnis kann man nicht in Heller und Pfennig messen. Das Ergebnis ist, dass bei uns Anleihen im Regelfall aus diesen Regionen und vor allem von den Banken, die wir besucht haben, in einem deutlich positiven Umfang gezeichnet worden sind, sodass man den Eindruck haben kann, dass man diese Pflege durchaus weiter betreiben sollte bei dem Volumen, was wir haben und was man nicht alleine auf Europa beziehen kann.

Bezüglich aller weiteren technischen Überlegungen verweise ich gerne an Herrn Bendick, der das bei uns im Haus zu größter Zufriedenheit macht und das zwi-schen den Besuchen, bei denen die politische Spitze dabei ist, den routinemäßi-gen, regelmäßigen Ablauf ohnehin pflegt.

Vielleicht noch eine Bemerkung dazu: Ich habe nach wie vor auch aus der eige-nen Biografie heraus großes Interesse, in diesen Ländern auch deutsche Unter-nehmen zu treffen, wo das möglich ist. Das war in Taipeh möglich; dort bin ich vom Leiter des Deutschen Institutes eingeladen gewesen. Es gibt dort keinen deutschen Botschafter, weil es keine direkte diplomatische Anerkennung gibt, sondern den Leiter des Deutschen Instituts, der zu einem Mittagessen eingeladen hatte, bei dem eine Reihe von deutschen Wirtschaftsvertretern war. Ich nenne Evonik, TÜV, VW – große deutsche Unternehmen, die diesen Austausch schät-zen, wenn aus ihrem Heimatland jemand da ist.

Wir haben das auch zum Anlass genommen, im dortigen Finanzministerium Ge-spräche zu führen über deren Art von Besteuerung bzw. deren Art von Sicherstel-lung, dass Finanztransaktionen und Geldströme für die Besteuerung erfasst wer-den können. Das war mehr oder weniger ein Nebeneffekt, aber durchaus ein sehr erhellender.

Das ist mein bisheriges Ergebnis. Bezüglich der Frage, inwiefern es schon Rück-meldungen gegeben hat, müsste ich auf Herrn Bendick verweisen.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) ei-jo Ralf Witzel (FDP) bezieht sich auf den angesprochenen Erfahrungsaustausch zu Steuerehrlichkeit und zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung und fragt, ob es be-richtenswerte Ergebnisse bzw. Vereinbarungen dazu gebe.

Vereinbarungen gebe es nicht, antwortet Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM). Er nutze solche Reisen für Gespräche, wobei man gesehen habe, dass die Steuer-verwaltungen auch in weit entfernten Industriestaaten vor dem Problem stünden, die für die Besteuerung relevanten Finanzströme erfassen zu können. Im Finanzministe-rium in Taipeh sei dargestellt worden, wie man Anreize schaffe, den bargeldlosen Zahlungsverkehr auszubauen, um die Möglichkeit zu haben, bei den Geldempfän-gern die Zahlungen in nachvollziehbarer Weise zu registrieren; der Absender bleibe dabei anonym. Demnächst sei vorgesehen, sich zusammen mit den Sparkassenver-bänden und der Bundesbank solche Verfahren auch in Skandinavien einmal anzuse-hen. Im Vergleich dazu sei Deutschland ja ein Land, das noch in ungewöhnlich ho-hem Umfang Barzahlungsverkehr habe.

Es gehe dabei auch um die Frage, wie man bei all den Möglichkeiten und den Zielen, Schlupflöcher zu schließen, auch sicherstelle, dass der Datenschutz gewährleistet bleibe und man das in einem gesunden Verhältnis hinbekomme. In Taiwan habe er feststellen können, dass dies alles in die dortigen Überlegungen einbezogen werde.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) rt-beh 8 Hintergründe der Verzögerungen bei der Erstellung von Steuerbescheiden

für Einkünfte aus Kapitalvermögen

Bericht des Finanzministers

Vorsitzender Christian Möbius leitet ein, dieser Tagesordnungspunkt sei ebenfalls vom Abgeordneten Witzel mit Schreiben vom 31. März 2015 beantragt worden. Zur mündlichen Berichterstattung erteile er dem Finanzminister das Wort.

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM) trägt vor:

Dazu kann ich Ihnen mitteilen, dass die Einkommensteuererklärungen mit inländi-schen Einkünften aus Kapitalvermögen mittlerweile von den Finanzämtern bear-beitet werden. Diesbezüglich hat es Probleme gegeben. Die dafür erforderlichen Programmanpassungen sind erfolgt. Standardfälle von Kapitaleinkünften sind ab sofort in der Bearbeitung.

Die Standardfälle, über die ich jetzt spreche, machen 85 % der Einkommensteu-ererklärungen mit Kapitaleinkünften aus. Vor dem Hintergrund, dass Einkommen-steuererklärungen grundsätzlich erst ab März bearbeitet werden können, weil Ar-beitgeber, Versicherungen und andere Institutionen wegen der bundesgesetzli-chen Regelungen bis dahin Zeit haben, die Bescheinigungen auszustellen und zu ermitteln, hat es de facto eine verhältnismäßig kurze Verzögerung gegeben. Der Grund für die Verzögerung war: Für die Bereitstellung des Programms waren um-fangreiche Änderungen bei der Verlustverrechnung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 nötig, die im Wegfall der sogenannten Altverlustverrechnung begründet sind. Bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2013 konnten sogenannte Altver-luste, die zum Beispiel aus der Veräußerung von Aktien innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist vor 2009 entstanden sind, für eine Übergangszeit mit Veräuße-rungsgewinnen, die ab 2009 der Abgeltungssteuer unterliegen, verrechnet wer-den. Weil sich da also Veränderungen ergeben haben, mussten Programmände-rungen vorgenommen werden, die offenbar nicht ganz reibungslos vonstattenge-gangen sind.

Der Wegfall dieser Verrechnungsmöglichkeit hat umfangreiche Neuprogrammie-rungen ausgelöst, wesentlich komplexer als angenommen. Die sind nicht vor dem Februar und März 2015 bereitgestellt worden. Um eine Verzögerung bei der Bear-beitung von Steuererklärungen so gering wie möglich zu halten, ist, wie bereits erwähnt, eine Programmversion für Standardfälle bereits umgesetzt. Die haben wir damit erledigt.

Es bleiben aber noch Fälle, rund 15 %, die ich eben beschrieben habe, für die ei-ne weitere Programmversion entwickelt wird. Das befindet sich kurz vor dem Ab-schluss. Es handelt sich hier um Fälle, die steuerrechtlich sehr komplex sind und deswegen in der Regel damit verbunden sind, dass sie über ein Mitglied der steu-erberatenden Berufe abgewickelt werden, sodass diese Steuererklärungen meis-tens nicht vor Ende Mai abgegeben werden. Das heißt, auch hier wird es so sein, dass nach den gegenwärtigen Planungen die Programmierung so rechtzeitig ab-

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) rt-beh

geschlossen wird, dass es hier nicht zu großen Verzögerungen kommt. Gleich-wohl ist es immer, wenn es solche Änderungen gibt und solche Friktionen auftre-ten, nicht gut.

Ralf Witzel (FDP) bittet um eine Mitteilung über die absolute Anzahl der von der An-lage KAP betroffenen Steuerpflichtigen.

Darüber hinaus ist der Abgeordnete interessiert zu erfahren, ob sich für die verblie-benen 15 % finanzielle Nachteile ergeben könnten.

MDgt Jörg Hansen (FM) lässt wissen, Zahlen lägen nicht vor, da die Fälle nicht ge-zählt würden. Rückmeldungen aus Finanzämtern, dass es erhebliche Fälle gebe, habe man nicht bekommen. Diesbezüglich habe man auch einmal nachgefragt und erfahren, dass es in dem Zeitraum zwischen Veranlagungsstart und dem gestrigen Tag keine zählbaren Fälle gegeben habe.

Im Juni werde das Gesamtprogramm stehen, also auch für die Nichtstandardfälle. Verluste könnten natürlich durch die Bearbeitung entstehen. Letztendlich könnten diese nicht ausgeglichen werden. Diesbezüglich gelte die Abgabenordnung. Danach könnten Verluste erst ausgeglichen werden, wenn die Fristen wesentlich überschrit-ten würden. Dass dies geschehe, sei jedoch nicht absehbar.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) rt-beh 9 Mittelabfluss für Vertretungsunterricht

Bericht der Landesregierung Vorlage 16/2805

Vorsitzender Christian Möbius teilt mit, dieser Tagesordnungspunkt sei vom Abge-ordneten Dr. Optendrenk mit Schreiben vom 2. April 2015 mit der Bitte um einen schriftlichen Bericht beantragt worden. Dieser Bericht sei am 14. April 2015 zuge-gangen.

Robert Stein (CDU) führt aus, seines Wissens würden diese Mittel auf die Regie-rungsbezirke aufgeteilt. Er fragt, welcher Regierungsbezirk wie viel von den 7,22 Mil-lionen € zurückgezahlt habe, welche Planungen des Schulministeriums es in 2014 gegeben habe, die globale Minderausgabe zu erwirtschaften, und welche Rolle dabei die Vertretungsmittel gespielt hätten.

RD Thomas Brand (MSW) antwortet, 1,17 Millionen € seien für den Regierungsbe-zirk Arnsberg, 409.000 € für den Bezirk Detmold, 1.057.000 € für den Bezirk Düssel-dorf, ein Minusbetrag von 302.000 € für den Bezirk Köln und 1.060.000 € für den Re-gierungsbezirk Münster übriggeblieben.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) sagt, zum Haushaltsvollzug 2013 habe es eine Auf-listung der zehn größten Minderausgabepositionen gegeben. Sicherlich gebe es Pla-nungen darüber, wie die Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers umgesetzt werden sollten, globale Minderausgaben zu erwirtschaften. Von daher stelle sich die Frage, welche Planungen es gegeben habe, die globale Minderausgabe im Jahre 2014 im Vollzug zu erwirtschaften, und ob dies so eingetreten sei, wie man sich das vorge-stellt habe.

Robert Stein (CDU) verweist mit Blick auf den Rückfluss von 1,17 Millionen € für den Regierungsbezirk Arnsberg auf Hinweise aus der Stadt Hamm, wo nach Anfrage von Vertretungslehrern mitgeteilt worden sei, dass die Gelder aufgebraucht seien. Der Abgeordnete bittet um eine Erläuterung.

RD Thomas Brand (MSW) kann zu den Ausgaben für die Bezirksregierung Arns-berg im Detail nichts sagen. Es könnten auch andere Möglichkeiten in Anspruch ge-nommen werden. Beispielsweise könnten freie Stellen, die nicht besetzt seien, befris-tet für Vertretungsunterricht genutzt werden.

Für die GMA seien im Haushaltsjahr 2014 bei den flexiblen Mitteln für Vertretungsun-terricht 4 Millionen € eingeplant gewesen. Die Erwirtschaftung der gesamten globa-len Minderausgabe könne erst ermittelt werden, wenn die Haushaltsrechnung 2014 vorliege.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 29 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) rt-beh Dr. Marcus Optendrenk (CDU) hält es in Anbetracht der in den vergangenen Jahren entstandenen Schwierigkeiten, die GMA zu erwirtschaften, für sinnvoll, schon bei der Haushaltsaufstellung titelscharfe Kürzungen vorzunehmen, anstatt über den Boden-satz hinaus auch noch mit GMA zu arbeiten. Bei den Haushaltsberatungen könnten dann auch die Parlamentarier besser entscheiden, wie das Geld eingesetzt werden solle. Darüber hinaus führe es doch immer zu Ärger in den Wahlkreisen und gegen-über den Interessenverbänden, wenn aufgrund der Erwirtschaftung von globalen Minderausgaben Erwartungen, gerade was den Vertretungsunterricht betreffe, ent-täuscht würden.

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM) würde das im Prinzip befürworten. Dass sich eine globale Minderausgabe auf den sogenannten Bodensatz beziehen solle, sei unstrittig. Grundsätzlich betrage die globale Minderausgabe etwas mehr als 1 % des Haushaltsvolumens. Eine Ausgabequote von etwa 99 % sei in allen Betrieben auch jenseits der öffentlichen Verwaltung eine Punktlandung. Aufgrund der Erfah-rungen in der Vergangenheit darüber nachzudenken, wann mit einer globalen Min-derausgabe gearbeitet werden könne und wann nicht, halte auch er für richtig. Am Ende werde man aber auf das Instrument der globalen Minderausgabe nicht völlig verzichten können. Im Übrigen mache er darauf aufmerksam, dass in den vergange-nen Jahren die globale Minderausgabe insgesamt nicht falsch eingeschätzt worden sei. Dadurch bestehe ja auch die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 30 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) rt-beh 10 Unterbringung von Flüchtlingen

Bericht der Landesregierung Vorlage 16/2806

Vorsitzender Christian Möbius leitet ein, dieser Tagesordnungspunkt sei ebenfalls vom Abgeordneten Dr. Optendrenk mit Schreiben vom 2. April mit der Bitte um einen schriftlichen Bericht beantragt worden. Dieser sei mit am 14. April 2015 zugegangen.

Ina Scharrenbach (CDU) fragt, wie hoch die Mieten seien, die das Land dem BLB für die befristete Zurverfügungstellung von entsprechenden Gebäuden zahle und wo diese etatisiert seien.

StS Dr. Rüdiger Messal (FM) gibt zur Antwort, es gebe die Ermächtigung, den Kommunen die in Rede stehenden Liegenschaften mietzinsfrei zur Verfügung zu stellen. Insofern gebe es keine Mietzahlungen.

Wenn Liegenschaften dem Land für Notunterkünfte und Ähnliches zur Verfügung ge-stellt würden, dann komme es auf das konkrete Mietverhältnis an.

MR Ralf Wehrmann (FM) fügt hinzu, für die Notunterbringung der Flüchtlinge sei das Innenministerium zuständig. Dort seien im Haushalt entsprechende Gelder etati-siert. Die dadurch entstehenden Kosten umfassten nicht nur die reinen Betriebskos-ten, sondern sämtliche Kosten, die im Rahmen der Unterbringung der Flüchtlinge entstünden, einschließlich Miete.

Stefan Zimkeit (SPD) weist darauf hin, dass die Regelung zur mietzinsfreien Über-lassung von Liegenschaften an die Kommunen auf eine Initiative der Koalitionsfrakti-onen im Rahmen der Haushaltsberatungen zurückgehe. Leider hätten dies nicht alle Fraktionen mitgetragen. Er halte diese mietzinsfreie Überlassung für richtig, um ei-nen weiteren Beitrag zur Unterstützung der Kommunen zu leisten.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) bittet um Ausführungen dazu, wie es konkret etwa mit dem BLB geregelt werde, wenn das Land, zum Beispiel das MIK, in eine Nutzung eintreten wolle.

MDgt Dr. Patrick Opdenhövel (FM) führt aus, zu den konkreten Gesprächen zwi-schen MIK und BLB könne er nichts sagen. Selbstverständlich bestehe die Möglich-keit, leerstehende Gebäude des BLB dem Land für die Erstaufnahme von Flüchtlin-gen zur Verfügung zu stellen. Da es sich im Normalfall um Zeiträume von lediglich drei bis sechs Monaten handele, werde die Auffassung vertreten, dass dies über eine entsprechende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und Verwaltungsvereinfachungsbe-trachtung innerhalb des bestehenden Regelwerks – es gebe kein spezielles Regel-werk – abgebildet werden könne, um zu erreichen, dass beispielsweise das MIK

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 31 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) rt-beh nach der entsprechenden Einzelfallprüfung mietzinsfrei an die Einrichtungen kom-men könne.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) ist interessiert zu erfahren, inwieweit diese Vorge-hensweise mit den Regelungen der Landeshaushaltsordnung vereinbar sei, und bitte darum, die gesetzliche Grundlage für die mietzinsfreie Überlassung der BLB-Liegen-schaften zu nennen.

StS Dr. Rüdiger Messal (FM) verweist auf § 15 Abs. 7 des Haushaltsgesetzes, wo-nach Grundstücke und Gebäude des Landes mietzinsfrei an Kommunen überlassen werden könnten. Insoweit gebe es keine Probleme, wenn keine Miete erhoben wer-de. Wenn derartige Liegenschaften nicht den Kommunen, sondern dem Land über-lassen würden, dann gelte diese Regelung nicht, sodass grundsätzlich Miete zu zah-len sei. Hierfür stünden dem MIK im Einzelplan 03 entsprechende Finanzmittel zur Verfügung.

Mario Krüger (GRÜNE) kann den seitens der Oppositionsfraktionen aufgebauten Popanz nicht nachvollziehen. Er erinnere an regelmäßige Diskussionen über die ho-hen Leerstandsquoten der BLB-Immobilien und über die Frage der Flüchtlingsunter-bringung. Nun habe man einen Weg gefunden, genau diese beiden Probleme zu lö-sen. Insofern könne er nicht verstehen, weshalb nun seitens der Opposition gefragt werde, inwieweit die mietzinsfreie Überlassung der Liegenschaften mit der LHO ver-einbar sei. Er gebe zu bedenken, dass auch leerstehende Objekte zu Aufwendungen beim BLB führten, beispielsweise Gebäudebewirtschaftung, Grundsteuer, Bewa-chung; es gebe auch Vandalismus. Darüber hinaus müssten Kommunen viele Auf-wendungen in Angriff nehmen, um die Objekte für die Unterbringung von Flüchtlin-gen nutzbar zu machen. Von daher sollte dieses Vorgehen begrüßt und kein Popanz aufgebaut werden.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) erwidert, er habe seine Frage nicht auf die kommu-nale Nutzung, sondern auf die landesseitige Nutzung bezogen, und diese habe der Staatssekretär eben beantwortet.

Die Kernfrage an das MIK sei, warum diese BLB-Gebäude nicht im verstärkten Um-fang für Erstaufnahmeeinrichtungen genutzt würden.

Mario Krüger (GRÜNE) merkt an, in der Tat werde in solchen Fällen üblicherweise ein Mietzins vereinbart. Dieser beginne und ende in der Regel mit einer Null.

OAR Jürgen Lubitz (MIK) legt dar, Grund dafür, warum leerstehende Landesge-bäude nicht im verstärkten Umfang für Erstaufnahmeeinrichtungen genutzt würden, sei, dass es nur wenige geeignete Gebäude gebe. Perspektivisch wolle man 10.000 Plätze schaffen. Hierfür würden Einrichtungen mit etwa 500 Plätzen benötigt. Nur so könne gewährleistet werden, dass die Verfahren zügig abgewickelt, die definierten Standards eingehalten würden und wirtschaftlich gehandelt werde.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 32 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) rt-beh 11 Jahresabschluss 2014 WestSpiel

Bericht der Landesregierung Vorlage 16/2812

Vorsitzender Christian Möbius leitet ein, dieser Tagesordnungspunkt sei ebenfalls vom Abgeordneten Dr. Optendrenk mit Schreiben vom 2. April 2015 mit der Bitte um einen schriftlichen Bericht beantragt worden. Die Vorlage 16/2812 sei am 14. April 2015 zugegangen. Darin teile der Finanzminister mit, dass die Vorlage des Jahres-abschlusses 2014 erst nach der noch ausstehenden Testierung erfolgen könne.

Seines Wissens, so der Vorsitzende, stehe auch der Jahresabschluss 2013 noch aus. Ihn interessiere, wann dieser dem Ausschuss vorgelegt werden könne.

MR Dr. Dirk Warnecke (FM) lässt wissen, die Testierung des Jahresabschlusses 2013 erfolge, sobald der für WestSpiel notwendige Kapitalbedarf ermittelt und die Zu-führung des Kapitals an WestSpiel ausreichend gesichert worden sei. Zur Testierung des Jahresabschlusses benötigten die Wirtschaftsprüfer eine belastbare Aussage dahin gehend, dass der ermittelte und notwendige Kapitalbedarf WestSpiel tatsäch-lich zur Verfügung gestellt werde. Hierzu werde es ein Schreiben des Finanzministe-riums an WestSpiel geben. Auf dieser Basis hätten nun die Wirtschaftsprüfer die schnelle Testierung zugesagt. Noch im Frühjahr werde damit gerechnet.

Vorsitzender Christian Möbius erinnert an die Zusicherung des Ministeriums, dann von sich aus auf den Ausschuss zuzugehen.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) bittet mit Blick darauf, dass das Frühjahr am 20. März begonnen habe, um eine genauere zeitliche Einschätzung. Darüber hinaus möchte er wissen, warum es so lange dauere, seitens des Ministeriums ein entspre-chendes Schreiben zu fertigen.

MR Dr. Dirk Warnecke (FM) antwortet, der Kapitalbedarf für WestSpiel, der noch WestSpiel zufließen müsse, werde gerade ermittelt. Diese Ermittlung befinde sich derzeit in der Endphase. Auf dieser Basis erfolge das Schreiben des Ministeriums an WestSpiel. Gleichzeitig müsse dieser Kapitalbedarf von den Wirtschaftsprüfern noch überprüft werden. Auch das erfolge derzeit. Es werde damit gerechnet, dass das Schreiben in den nächsten Tagen versandt werden könne und dann die Testierung schnell erfolge. Das Frühjahr gehe bis Ende Juni, aber er hoffe, dass die Testierung noch im Mai dieses Jahres erfolge.

Ralf Witzel (FDP) fragt, ob es ökonomische Besonderheiten gebe, die zu dieser Verzögerung geführt hätte.

MR Dr. Dirk Warnecke (FM) gibt zur Antwort, bekanntlich habe WestSpiel in den letzten Jahren erhebliche Verluste erlitten. Diese müssten ausgeglichen werden.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 33 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) rt-beh Hierfür sei die Kapitalzuführung notwendig. Die Kapitalzuführung könne aber erst in diesem Jahr erfolgen. Die Wirtschaftsprüfer wollten am liebsten sehen, dass das Geld geflossen sei. Das Geld werde aber erst nach Abschluss der Testierung und nach Abschluss der Gewinnabschöpfung fließen. Von daher habe man sich darauf verständigt, ein Schreiben an WestSpiel zu schicken, in dem stehe, dass der Kapi-talbedarf zugesichert werde. Auf dieser Basis hätten sich die Wirtschaftsprüfer bereit erklärt, die Testierung durchzuführen.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 34 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr 12 Warhol-Erlöse

Sachstandsbericht der Landesregierung Vorlage 16/2813

Vorsitzender Christian Möbius legt dar, dieser Punkt sei ebenfalls von Herrn Dr. Optendrenk beantragt worden. Der erbetene schriftliche Bericht liege vor.

Robert Stein (CDU) möchte wissen, ob man mittlerweile abschätzen könne, wie viel des Verkaufserlöses an den Haushalt fließen werde.

Das könne man noch nicht abschätzen, antwortet Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM). Es gehe darum – insofern möchte er Herrn Warnecke ergänzen –, dass die Verluste von WestSpiel vor dem Hintergrund der Abgabe, die bezahlt wer-de, entstünden. Das Finanzministerium wolle sicherstellen, dass künftig die Spiel-bankHabgabe auch weiterhin bezahlt werden könne, um die damit verbundenen Auf-gaben erfüllen zu können und sie nicht wieder einstellen zu müssen oder aus ande-ren Quellen des Landeshaushaltes bezahlen zu müssen.

WestSpiel wolle investieren, um sich den veränderten Nutzungsformen anschließen zu können. Dafür seien unter anderem die Warhol-Drucke verkauft worden. Jetzt ge-he es darum, wie die Investitionen aussähen. Sein Interesse sei, dass die Investitio-nen von WestSpiel nicht so vorgenommen würden, dass es am Ende genau so viel koste wie das, was Warhol gebracht habe, sondern dass die wirtschaftlichste Investi-tion getätigt werde, um auch künftig sicherzustellen, dass die Spielbankabgabe be-zahlt werden könne. Dazu müsse WestSpiel noch ein paar Dinge prüfen und Ent-scheidungen treffen, die die Grundlage dafür seien, die Wirtschaftsprüfer zu über-zeugen, dass WestSpiel die Geschäfte ohne Verluste fortsetzen könne.

Daher gehe es jetzt darum, wie zu welchen Kosten und auf welche Art die geplanten Veränderungen umgesetzt würden. Wenn das kostengünstig erfolge, bleibe mehr von dem Warhol-Verkauf im Landeshaushalt, und wenn das nicht möglich sei, dann werde es weniger sein. Jedenfalls verbleibe die Differenz im Landeshaushalt.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) möchte wissen, wann sich die Gremien von West-Spiel und NRW.BANK damit beschäftigten, wie es konkret mit dem fünften Standort aussehe und ob es dazu schon Weichenstellungen gegeben habe.

Der Kontext zu Warhol habe auch noch eine andere politische Dimension, weil im Rahmen des runden Tisches zu der Portigon-Sammlung diskutiert worden sei, ob Er-löse aus dem Warhol-Verkauf auch eingesetzt werden könnten, um insoweit zu einer Lösung zu kommen. Hierzu gebe es viele Nachfragen.

MR Dr. Dirk Warnecke (FM) antwortet, im Moment stehe kein konkreter Abschluss bevor. Die WestSpiel-Gruppe prüfe ständig Alternativen. Wann die endgültige Stan-dortentscheidung getroffen wird, stehe noch nicht fest.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 35 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM) stellt klar, die Warhol-Verkäufe seien er-folgt, um WestSpiel in die Lage zu versetzen, zu investieren. Das ganze Verfahren erfolge unter Einbeziehung des Landeshaushalts, sodass ein Differenzbetrag gege-benenfalls im Landeshaushalt verbleiben könne. Mit dieser Einnahme sei keine Ver-wendung festgelegt, sondern es sei eine Einnahme für den Landeshaushalt.

Am runden Tisch werde gemeinsam überlegt, Lösungen so zu gestalten, um auf der einen Seite die Verpflichtungen von Portigon nicht zu verletzen und auf der anderen Seite Kunstwerke für Nordrhein-Westfalen zu sichern. Aus der Kulturszene kenne er die Überzeugung, dass Erlöse aus Kunst immer nur für Kunst da sein sollten. Dazu habe er grundsätzlich eine andere Auffassung, aber er verschließe sich nicht den Überlegungen, wie man am Ende zu einem gesunden Kompromiss kommen könne. Das hänge auch davon ab, ob unerwartet viel von Warhol im Landeshaushalt bleiben könne. Das wiederum sei das Ergebnis der Planungen bei WestSpiel, die man des-wegen über die NRW.BANK auch begleite, weil er ein Interesse daran habe, dass WestSpiel seine Leistungsfähigkeit mit möglichst wenig zusätzlichen Investitionen erhalte. Über all das werde man am runden Tisch weiter reden; die Gespräche auf allen Ebenen und zwischen den Beteiligten liefen ja auch weiter.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr 13 Richtlinien der NRW.BANK zur Förderung von Kunst und Kultur

Bericht der Landesregierung Vorlage 16/2814

Vorsitzender Christian Möbius stellt fest, den übermittelten Bericht habe Herr Dr. Optendrenk erbeten.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) bedankt sich für die Zusammenstellung.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 37 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr 14 Umsatzsteuerpflicht von städtischen Betriebskostenzuschüssen

Sachstandsbericht der Landesregierung Vorlage 16/2810

Vorsitzender Christian Möbius erläutert, auch hier handele es sich um eine Anfra-ge von Herrn Dr. Optendrenk mit Schreiben vom 2. April 2015. Der schriftliche Be-richt liegt vor.

Aus dem Ausschuss ergeben sich keine Wortmeldungen.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 38 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr 15 Proaktive Verkaufsempfehlung für Frankenkredite an öffentliche Kunden

als vermeintlich attraktive Finanzierungsalternative durch die WestLB und denkbare Ansprüche gegenüber Portigon AG bzw. EAA aus Fremdwäh-rungsgeschäften

Bericht des Finanzministeriums Vorlage 16/2815

(Wortprotokoll auf Wunsch der Piratenfraktion)

Vorsitzender Christian Möbius: Diesen Tagesordnungspunkt hat Herr Kollege Wit-zel mit Schreiben vom 5. April 2015 beantragt. Der schriftliche Bericht liegt uns vor. Gibt es Nachfragen?

Ralf Witzel (FDP): Es gibt sowohl Nachfragen als auch eine politische Bewertung dieses Sachverhaltes, weil wir in Nordrhein-Westfalen ja ausweislich aller Berichte am stärksten bundesweit von diesem Phänomen betroffen sind. Es geht um Milliar-denvolumina, sowohl was den Umfang der kommunalen Engagements mit zweifel-haften Finanzprodukten als auch was die im Raum stehenden Schadensersatzpflich-ten oder Klagerisiken betrifft.

Für jemanden, der selber aus dem Ruhrgebiet kommt, wo eine Vielzahl von Kommu-nen auf fragwürdige Finanzprodukte hereingefallen ist, ist es überaus ärgerlich zu sehen, mit welcher proaktiven Strategie und welchen Verkaufsplänen hier vonseiten der Landesbank vorgegangen worden ist, um den Kommunen diese Produkte anzu-drehen. Auch als meine Stadt Essen damit begonnen hat, war Ursache entspre-chende Verkaufsangebote seitens der WestLB. Das war der Einstieg in diesen Markt. Sie haben ja zu Recht dargestellt, dass seit Ende der 90er-Jahre im größeren Um-fang die Landesbank den Vertrieb von Finanzprodukten an etliche Kommunen vor-genommen hat. Die WestLB hatte damals eine große Werbeoffensive „Die Bank der neuen Antworten“ gestartet und den Bürgermeistern die Produkte mit großen Ver-sprechen nahegebracht, die sich nachher zulasten der Kommunen gedreht haben.

Da wir ja nicht der kommunalpolitische Ausschuss sind, muss es uns interessieren, was das an Folgeverpflichtungen für die Institutionen mit Landesbeteiligung bedeu-tet. Denn in immer mehr Räten wird jetzt auch darüber diskutiert, die Geschäfte zu überprüfen, wobei die Fragen der Inanspruchnahmen und Haftungen eine große Rol-le spielen.

Wir kennen das bereits aus den Swap-Geschäften, bei denen Zinswetten auch ge-gen die Bank abgeschlossen worden sind. Dazu gibt es kritische Urteile auf Bundes-ebene. Nun sind als weiterer Baustein die Fremdwährungsspekulationen hinzuge-kommen.

Die WestLB hat gezielt Werbematerial den Kommunen überreicht und argumentiert – das wird den Finanzminister interessieren –, Schweizer Franken seien deshalb der richtige Weg, weil diejenigen, die ihr Geld in die Schweiz brächten, primär nicht das Interesse hätten, besonders hohe Zinsmargen zu realisieren, sondern vor allem auf-

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 39 - APr 16/873

Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr grund des Schweizer Bankgeheimnisses ihr Geld dort parken wollten; daher seien andere Fragen wie die Maximierung von Zinsmöglichkeiten eher nebensächlich. – Wenn das die Verkaufsargumente der WestLB zusammen mit den Sparkassen ge-genüber den öffentlichen Kunden sind, dann ist das, Herr Kollege, aus meiner Sicht schon fragwürdig, wie im öffentlich-rechtlichen Namen Verantwortung wahrgenom-men wird.

Genau deshalb wird jetzt in vielen Räten darüber diskutiert, vor Ort auch mit großer Kritik seitens der Fraktionen, die Regierungsfraktionen im Land sind,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Oder waren!)

wenn man sich die Berichte anschaut. Man muss ja nur einmal die Presseschau der Staatskanzlei von dieser Woche durchsehen, welche Kommentierungen Sie dort selbst aus kleinen Ortschaften finden und wie viel Unverständnis derer, die heute auch im Land regieren, besteht. Das wirft die Frage auf, ob es auch Sachverhalte von Falschberatungen gibt, da das, was an Unterlagen bekannt ist und vorliegt, nicht den Eindruck vermittelt, dass wirklich so seriös und vollständig informiert worden ist, wie man das angesichts des Risikocharakters erwarten darf und den anderen Ge-pflogenheiten im Markt entspricht.

Es dient sicherlich niemandem, wenn wir jetzt in weitere, jahrelange Prozesse ein-steigen, für die irre Millionenbeträge für die Prozessführungen zu bezahlen sind und wo für die forensischen Untersuchungen von Produkten genauso wie für die Rechts-beratung und Rechtsbegleitung Millionenbeträge aufgewandt werden, um sich letzt-lich zwischen Land und Kommunen auseinanderzusetzen. Deshalb ist schon die Frage berechtigt: Gibt es hier eine Strategie, wie man nach den gerichtlichen Fest-stellungen diese Fälle auf Vergleichsbasis lösen kann, statt hier über Jahre hinweg mit großen Risiken auf beiden Seiten von Kommunen und Land zu operieren?

Zur Informationspolitik des Finanzministeriums! Herr Kollege Zimkeit, der Finanzmi-nister kann sich gleich zu den Rückstellungen äußern, die dafür vorgesehen sind. Ich habe Probleme mit der Informationszurückhaltung, die Sie an verschiedenen Stellen praktizieren und dabei immer pauschal auf das Bankgeheimnis verweisen. Wir haben als FDP-Landtagsfraktion große Sympathie auch für Rechtsstaatlichkeit und Bank-geheimnis, aber es gibt auch ein Auskunftsrecht des Parlaments für Sachverhalte, über die von den Beteiligten öffentlich berichtet wird.

Es gibt keinen Stadtrat, der vor Ort im Geheimen über die Frage berät, was denn ei-gentlich die WestLB verkauft hat und in welche prozessualen Fragen man sich be-gibt, sondern das ist vor Ort Debattengegenstand. Es gibt diverse Veröffentlichun-gen, die in Unterlagen der Staatskanzlei und in Medienauswertungen immer wieder reflektiert und diskutiert werden. Auch aus dieser Woche gibt es Fälle, die dort Ein-gang finden. Sie verweisen pauschal darauf, Sie könnten, ohne geschäftliche Details zu berichten, keine Übersicht liefern, an wen die WestLB was verkauft habe. Schaut man sich nur die Medienlage an, findet man überall die Berichte, in denen die Käm-merer darstellen, was die WestLB mit ihren Produkten den Kommunen eingebrockt hat. Ich halte das für schwierig, vor allem dort, wo es vor Ort öffentlicher Diskussi-onsgegenstand ist.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr Ich möchte auf eine Veröffentlichung, die es zu diesem Komplex gegeben hat, zu sprechen kommen. Am 10. April gab es in der „Rheinischen Post“ einen Bericht, in dem Experten die rechtliche Verfolgung der Ansprüche der Kommunen erklären. Sie sehen Belastungen auf das Land oder die Institutionen mit Landesbeteiligung in der Größenordnung von einer Milliarde zukommen.

Deshalb würde mich schon über die allgemeine Feststellung des Finanzministers hinaus interessieren, ob Sie sich wirklich sicher sind, dass das, was an Belastungen auf das Land zukommen kann, von der Höhe her durch die Rückstellungen bei den Institutionen gedeckt ist. Wie haben sich diese entwickelt? Wenn Sie sagen, die wer-den den laufenden Erkenntnissen angepasst, möchte ich gerne wissen, ob es auf-grund des neuen Themas der Frankenkredite eine substanzielle Erhöhung gegeben hat im Vergleich zu den eher niedriger angesetzten Beträgen, als die Rechtspre-chung in den letzten Urteilen noch nicht so weit entwickelt war. Mittlerweile haben durchaus einige Kommunen in den rechtlichen Auseinandersetzungen gegen die Nachfolger und Zuständigen in der Schadensregulierung bei der WestLB einiges er-reicht.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Herr Minister, ich möchte an den Themenbereich des Kollegen Witzel anschließen. Man kann sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass es vor allem die Kommunen betrifft, die sowieso schon in ihrer Finanzsituation relativ klamm waren und sich in die Frankenkredite begeben haben. Meine Frage: Ist die WestLB da ihren Beratungspflichten voll und ganz nachgekommen und hat die Kämmerer über die besonderen Risiken dieses Geschäfts umfassend aufgeklärt? In der Vorlage 15/1169, Abschnitt III, haben Sie ausgeführt, dass die Kommunen sei-tens der WestLB „umfangreich beraten und anschließend umfassend betreut“ wur-den.

Ich darf fragen: Sind das alles variabel verzinste Geschäfte gewesen, oder war dort immer eine Derivatkomponente enthalten? War es ein variables Produkt, das erst durch das Derivat festverzinslich wurde, oder gab es von vornherein festverzinsliche Frankenkredite? War den Kämmerern bewusst, dass es immer die zwei Seiten des Geschäfts gab? Mit welchen Unterstützungsmaßnahmen rechnen Sie im Haushalt, die auf das Land NRW zukommen könnten? Wie ist Ihre Einschätzung des weiteren Risikos, insbesondere des Wechselkursrisikos Schweizer Franken und Euro?

Stefan Zimkeit (SPD): Herr Kollege Witzel, ich finde es beeindruckend, wie Sie in Ih-rem Glashaus mit Steinen um sich werfen.

Sie haben in Ihrer öffentlichen Darstellung wieder damit angefangen, dass es nur um Staatsbanken geht, als wenn diese die Einzigen gewesen wären, die entsprechende Frankenkredite angeboten hätten. Nein, es ist auch heute noch von denen, die Sie als „Marktteilnehmer“ bezeichnen, dargestellt worden, dass dies ein übliches Vorge-hen aus den verschiedensten Bereichen war, weil zu dem Zeitpunkt eigentlich alle davon ausgegangen sind, dass das ein richtiges Geschäft ist. Ihre ideologische Sichtweise, dies wieder in eine Privat-vor-Staat-Debatte zu ziehen, ist der erste Stein, mit dem Sie um sich werfen und sich selber treffen.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr Der zweite ist, dass es gerade in vielen Räten und Diskussionen FDP-Vertreter wa-ren, die die Kämmerer, die sich nicht an solchen Geschäften beteiligt haben, immer wieder gefragt haben: Warum macht ihr das eigentlich nicht? Das ist doch ein tolles Geschäft, mit dem sich die Städte entlasten können. – Sie tun gerade so, als ob die WestLB oder andere die Kommunen zu den Krediten gezwungen hätten. Wie gesagt, es waren vor allem die FDP-Vertreter, die die Kommunen überreden wollten. Aber es gibt zahlreiche Kommunen, denen es finanziell schlecht geht, die diesen Weg nicht gegangen sind. Warum? – Wenn man sich mit so etwas beschäftigt, sind einem die Risiken aus den Derivaten und Währungsrisiken genauso bewusst wie die besonde-re Schweizer Situation. Daher haben das längst nicht alle Kämmerer getan, obwohl die FDP sie dazu aufgefordert hat.

Der nächste Punkt: Eine Stadt hat dies im ganz großen Rahmen getan, und das war die Stadt Essen, Herr Witzel, und zwar nach unserer Kenntnis mit Unterstützung der FDP-Fraktion. Sie als Parteivorsitzender der Essener FDP waren daran wahrschein-lich überhaupt nicht beteiligt oder sind dazu nicht gefragt worden. Das hat die Frakti-on in so wichtigen Fragen wahrscheinlich ohne Rücksprache mit ihrem Parteivorsit-zenden getan. – Das kann ich mir nur sehr schwer vorstellen.

Der letzte Punkt ist, dass es entsprechende Entwicklungen in den Jahren 2005 bis 2010 gegeben hat, in denen Sie die Regierungsverantwortung in Ihrer Fraktion mit-getragen haben. Schildern Sie uns doch bitte die Initiativen, die Sie zu diesem Zeit-punkt unternommen haben, um diesen Bereich aufzuklären und diesen Bereich zu hinterfragen! Das heißt ganz klar: Sie versuchen sich hier wieder aus der Verantwor-tung zu stehlen, mit den Fingern auf andere zu zeigen und Ihre eigene Vorgehens-weise vollkommen auszublenden. Das halte ich für skandalös.

(Beifall von der SPD)

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM): Eigentlich ist alles gesagt. Ich möchte aber Ihre Seitenbemerkung, Herr Witzel, „Das hat die WestLB denen eingebrockt“, kurz kommentieren. Ich war selbst einmal Kämmerer. Und wenn der Kämmerer nur Befehlsempfänger der Berater einer Bank ist, dann sollte er seinen Job ganz schnell aufgeben. Das gilt genauso für das, was Sie, Herr Kern, eben gesagt haben, dass die das alle nicht wissen konnten. Bei einem Kämmerer, der bei einem Fremdwäh-rungskredit nicht das Gefühl hat, dass dies mit einem Risiko verbunden ist, frage ich mich, was den in diesen Job gebracht hat.

Die Banken haben nicht die Befehle erteilt, wer was zu machen hat, sondern wurden auch von denen getrieben, die immer nach dem Markt gucken. Das ist doch gerade der Markt, dass man Risiken, Preise und Werte miteinander vergleicht, dass man nicht stur nach irgendeiner festgelegten Richtlinie handelt. Dass Banken in diesem Zusammenhang Vorschläge unterbreiten, ist doch selbstverständlich. Wer von uns könnte sich heute hier hinstellen und sagen, dass er vor ein, zwei oder drei Jahren nicht gesagt hätte, dass der Schweizer Franken die sicherste Fremdwährung sei? Sicher ist es nicht; sicherlich hat keiner von der WestLB gesagt: Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen, da kann definitiv nichts passieren. – Sie werden ver-

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr mutlich gesagt haben, dass der Franken aller Voraussicht nach eine ziemlich sichere Angelegenheit ist.

Ich würde sogar heute sagen, dass ich mir nicht sicher bin, ob die Schweiz es durch-hält, den Kurs des Schweizer Franken so zu halten, wie er jetzt ist. Denn das, was da derzeit an Verlusten in der Schweizer Wirtschaft bei diesem Preis des Franken ge-genüber dem Euro eintritt, wird sicherlich mehr Folgen haben als für manche Stadt in Nordrhein-Westfalen oder anderswo. Aber auch dafür kann ich meine Hand nicht ins Feuer legen. Ich kann Ihnen heute nicht garantieren, dass der Kurs des Schweizer Franken schon in wenigen Monaten oder ein, zwei Jahren ein völlig anderer sein wird. Aber Anzeichen dafür, dass es so nicht bleibt, wie es ist, gibt es schon.

Es geht immer um diese Frage: Sind Sie denn sicher, dass das eintritt? – Nein, bin ich nicht. Und sicher war sich auch die WestLB nicht; sicher konnten auch die Käm-merer nicht sein. Und wer sich vor diesem Hintergrund der Unsicherheit, vor dem wir alle Entscheidungen treffen müssen, zu dieser Entscheidung durchgerungen hat, der wird das zu unterschiedlichen Rahmenbedingungen getan haben. Es kann sein, dass klamme Städte bereit waren, ein höheres Risiko einzugehen – in der Meinung, das geht schon gut, weil das, was wir gewinnen können, höher ist – als die, die das nicht nötig hatten und sich mehr auf Sicherheit verlegen konnten. Das mag alles sein.

Hinsichtlich des Landeshaushalts haben wir immer deutlich gemacht, dass wir für unseren Teil sagen: Wenn Fremdwährung, dann bitte Risiko absichern! Das haben offenbar nicht alle gemacht, weil dann ein Stück des Gewinns wieder verloren ge-gangen wäre. Dass sich jetzt Kämmerer hinstellen und sagen, die Folgen will ich nicht tragen und verklage daher denjenigen, von dem ich mich habe beraten lassen, wird zur Folge haben, dass ich nur allen raten kann, keine Beratungen mehr vorzu-nehmen. Das soll dann jeder selber machen. Denn dass ich jedes Mal für den Rat haften soll, den ich gegeben habe, und dafür eine Garantie abgeben muss, ist nicht das, was meines Erachtens auch eine Bank zu tun hat. Sie hat auf die Risiken hin-zuweisen, und diejenigen, die vernünftig handeln, sichern diese Risiken ab, oder sie haben so viel in der Hinterhand, dass sie im Verlustfall damit klarkommen können.

Weder der Landeshaushalt selbst noch die WestLB-Nachfolgerin Portigon AG sind unmittelbar betroffen, sondern es ist die EAA. Vor diesem Hintergrund, den ich eben beschrieben habe, glaube ich – ich bin mir da nicht sicher –, dass Gerichte nicht zu dem Ergebnis kommen, dass alles nur die WestLB zu verantworten hat und alle an-deren zur Willfährigkeit gezwungen gewesen sind.

Nach meiner Kenntnis hat es nicht von vornherein nur variable Kredite gegeben, sondern im Regelfall sogar festverzinsliche. Ich glaube, dass sie nicht erst mit Deri-vaten festverzinslich geworden sind, sondern dass sie über eine bestimmte Laufzeit gehen. Das ist ja auch der Grund, warum wir derzeit sagen, dass die angeblichen 400 Millionen € Verlust, die in die Welt gesetzt wurden, eine absolut fiktive Zahl ist. Das ist eine Zahl, die eingetreten wäre, wenn zu diesem Zeitpunkt alle sofort ihre Kredite hätten zurückzahlen müssen.

Sie haben somit einerseits die Möglichkeit, sich den Zeitraum bis zur Fälligkeit des Kredits anzusehen, und andererseits Zeit, um die Chancen zur Verlängerung des

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr Kredits in Schweizer Franken zu eruieren, um dadurch die Laufzeit noch einmal her-auszuzögern, um zu sehen, was dann passiert. Auch da haben Sie das Risiko, dass der Kurs noch einmal schlechter wird. Zu erwarten ist das zwar nicht, aber wissen tut es keiner.

So bleibt am Ende, dass die Zinszahlungen natürlich teurer werden, weil sie in Schweizer Franken laufend zu zahlen sind. Das muss man dann wieder dem Gewinn entgegensetzen, der dadurch entstanden ist, dass man durch die niedrigeren Zinsen vorher auch eine Entlastung hatte.

Noch einmal: Wir reden hier über eine Beratungstätigkeit. Ich kann mich selbst als Kämmerer noch daran erinnern, wie toll plötzlich von allen das Cross-Border-Leasing gesehen worden ist. Ich habe es definitiv abgelehnt und habe in der Zeit, in der ich Kämmerer von Köln war, jede Gelegenheit beim Schopf ergriffen, um aus diesen Verträgen herauszukommen. Wir haben günstige Ausstiegsfenster gefunden, die an-dere vielleicht nicht hatten oder nicht wahrgenommen haben. Wer sich dafür ent-schieden hat, hat sich nicht dafür entschieden, weil die Bank schuld war, sondern weil er es selber offenbar als eine ganz tolle Option gesehen hat, günstiger wegzu-kommen – in dem Wissen, es geht eigentlich zulasten anderer.

Deswegen bin ich da verhalten zuversichtlich. Es ist aber am Ende keine Frage, die unmittelbar den Landeshaushalt betrifft, sondern die Frage, was der Bank angehängt werden kann und welche Risiken damit verbunden sind, die dann auf die EAA über-gegangen sind.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Zunächst einmal möchte ich für diesen Tagesordnungs-punkt Wortprotokoll beantragen.

Dann möchte ich klarstellen: Zur Sicherheit des Schweizer Franken habe ich mich nicht geäußert und möchte dies nicht diskutieren und erst recht nicht infrage stellen. Auf jeden Fall scheint es nicht sicher zu sein, wie mit Kommunalfinanzen in den letz-ten Jahren hier im Land umgegangen wurde. Für die Piraten kann ich sagen, dass wir weder in der einen noch in der anderen Form daran beteiligt waren. Von daher sind wir da über jeden Zweifel erhaben.

Sie haben das Beispiel Cross-Border-Leasing ja selber genannt. Interessant ist, dass es immer wieder zu krassen Fehlentscheidungen kommt, egal welche Finanzproduk-te seitens der Finanzbranche wieder durchs Dorf getrieben werden. Hinterher sagt man, so wie Sie es getan haben: Ja, das Risiko ist doch klar. – Aber offensichtlich ist das auf breiter Front nicht klar gewesen. Dann muss man sich doch fragen, wo Bera-tungsfehler bestehen und wie da vorgegangen wurde. Es gab schon eine Prozessla-wine bezüglich der Zinsswaps, wo zunächst gesagt wurde, die Kämmerer müssten sich wie Vollkaufleute behandeln lassen, und nachher hat man gesehen, es ist doch nicht so ganz sauber gelaufen. – Deswegen sind solche Fragen meines Erachtens durchaus erlaubt.

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM): Natürlich sind die Fragen erlaubt. Sie führten aus, dass Sie die Voraussetzungen gesichert haben wollen – das Wort „si-

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr chern“ kommt in dem, was Sie sagen, sehr oft vor –, dass kein Risiko mehr besteht. Dann müssen Sie bei der Kreditaufnahme hohe Zinsen bezahlen. Ich kenne es selbst aus unserer Situation: Wir legen Sondervermögen, Versorgungsfonds und an-deres auch an. Wir haben häufiger darüber diskutiert: Man könnte das bei sich selbst tun, indem man sagt, wir nehmen einen Kredit über eine Milliarde € bei uns selber auf, um so gleichzeitig eine Milliarde, die wir haben, anzulegen. So könnte man sich den Kredit ja da holen, und der Versorgungsfonds oder irgendein anderes Vermögen ist hochgradig sicher angelegt, weil es auf Gedeih und Verderb mit der Existenz des Landes Nordrhein-Westfalen verbunden ist.

Es gibt Anlagerichtlinien, die das erschweren, weil das bedeuten würde, dass die Verzinsung für diejenigen, die später daraus Versorgungsbezüge beziehen sollen, eine Katastrophe ist. Deswegen gibt es in der Portfolioplanung auch ganz klare Vor-gaben, einen Teil gewinnbringender anzulegen, um damit auch eine höhere Verzin-sung zu erzielen. In dem Moment haben Sie aber, selbst wenn Sie es in den Nieder-landen oder beim Bund oder wo auch immer anlegen, sofort irgendeine Form von neuem Risiko. Wenn man das ausschließen will, muss man überall die von vornhe-rein schlechtesten Konditionen nehmen. Aber jeder, der sich am Markt orientiert, weiß, dass es ein vernünftiges Maß an Risiko gibt, das man verantwortungsbewusst eingehen kann, um den Gegenwert, der dafür geboten wird, einzunehmen.

Wenn Sie das von vornherein alles ausschließen wollen, glaube ich nicht, dass Sie im Sinne einer verantwortungsbewussten Haushaltspolitik agieren. Und das gilt für den Kämmerer genauso. Dass Kämmerer auch Finanzierungsformen ins Auge fas-sen, die nicht ganz konventionell und auch nicht an die engsten Richtlinien gekoppelt sind, ist klar. Sie müssen sich nur des Risikos bewusst sein und wissen, was pas-siert, wenn das Risiko eintritt, wenn es einen Schaden gibt, ob man den verkraften kann. Es wird immer zu Kritik führen, wenn sie einen Verlust gemacht haben. Aber daraus besteht doch am Ende das Handeln eines Kämmerers oder auch eines Lan-deshaushaltsgesetzgebers. Man wird nicht sagen können: Wir wollen eine völlig risi-kofreie Regelung, und wenn das Risiko eintritt, suchen wir sofort den Schuldigen. – Da muss sich schon jeder an die eigene Nase packen.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Ich weiß: „Life is risky“. Und ich gehöre keiner Partei an, die im Verdacht steht, immer für höchste Sicherheit in allen Lebenslagen zu plädie-ren. Es muss aber doch schon im Landesinteresse liegen, wenn in einem bestimm-ten Bereich der Kämmerei immer wieder Probleme auftreten, Regelungen zu schaf-fen, um präventiv vorzugehen und eine vernünftige Risikovorsorge im Sinne des Landes zu betreiben, damit solche Sachen künftig nicht passieren. Wir leben in der Eurozone, wir haben einen europaweiten Bankenmarkt. Da würde es für eine Kom-mune genügend Möglichkeiten geben, sich zu refinanzieren. Sie muss dann nicht in die USA oder in den Frankenraum ausweichen.

Ich möchte daran appellieren, hier von Landesseite für die Kommunen ein bestimm-tes Reglement vorzuschreiben, weil letztlich das Land für solche Eskapaden haftet. Wenn eine Kommune pleitegeht, haben wir hier wieder damit zu tun. Deshalb bin ich der Meinung, dass man durchaus den einen oder anderen Gedanken daran ver-

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr schwenden darf, dass solche Risikogeschäfte vonseiten des Landes NRW begrenzt werden.

Vorsitzender Christian Möbius: Aber es gibt die kommunale Selbstverwaltung, und darauf pochen natürlich auch die Kommunen. Und das gilt, solange nicht die Rechts-aufsicht ein Einschreiten gebietet. – Frau Kollegin Scharrenbach, bitte.

Ina Scharrenbach (CDU): Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss II zur WestLB wird sich mit den Fragen der kommunalen Swaps und der Frage, inwieweit die WestLB dort Einfluss genommen hat, beschäftigen. Es ist sicher unbestritten, dass die WestLB immer eine besondere Stellung gehabt hat, weil sie Staatsbanken-funktion hatte und Kommunalbank war und ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den öffentlichen Händen bestand.

Ich möchte aber an das anschließen, was der Vorsitzende gerade gesagt hat: Es gibt die kommunale Selbstverwaltung, und jeder, der Entscheidungen zu treffen hat, wägt Chancen und Risiken. Das ist ein ganz normaler Prozess, und jede Entscheidung fällt unter Unsicherheit. Denn man kennt nie alle möglichen Eintrittswahrscheinlich-keiten, die sich in der Zukunft ergeben. Deshalb muss eine kommunale Ebene mit Risiken aus Entscheidungen am Ende des Tages umgehen.

Die entsprechenden Kommentierungen gibt es in der Gemeindehaushaltsverordnung zum Neuen Kommunalen Finanzmanagement. Die sind auch nicht verändert worden. Auf Fremdwährungsrisiken wurde immer hingewiesen. Welche Erforderlichkeiten sich für eine Kommune ergeben, damit gegebenenfalls im Rahmen ihrer Bilanz und ihrer Ergebnisrechnung umzugehen, ist auch niedergelegt. Man kann natürlich die Kommunalaufsicht hinterfragen, warum sie auf die Umsetzung der einen oder ande-ren Regelung nicht eingewirkt hat. Das werden wir sicher im Nachgang im zuständi-gen Fachausschuss, im Kommunalausschuss, erörtern. Und für die Tätigkeit der WestLB gibt es den Untersuchungsausschuss.

Ralf Witzel (FDP): Was die Ausführungen des Kollegen Zimkeit angeht, …

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

– Herr Zimkeit, ich freue mich außerordentlich, dass Sie der FDP so viel kommunales Gewicht zuschreiben, dass Sie sagen, wir hätten da prägend auf viele kommunale Entscheidungen dieser Art Einfluss ausgeübt.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Waren Sie dabei oder waren Sie nicht dabei?)

– Dazu sage ich Ihnen etwas. Wenn Sie sich die Liste der über zwei Dutzend Städte anschauen, die jetzt in der Falle sitzen

(Stefan Zimkeit [SPD]: Waren Sie in Essen dabei oder nicht?)

und die mit Schwerpunkt aus dem Ruhrgebiet kommen – ich könnte Ihnen die jetzt alle vorlesen –, dann würden Sie mir wahrscheinlich recht geben, dass unser Ein-fluss nicht in allen Städten so meinungsbildend war.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr Wenn Sie nach der Stadt Essen fragen, die jetzt bilanziell überschuldet ist, müssen wir alle gespannt abwarten, wie die Kommunalaufsicht damit umgeht. Dort haben Sie, was Entscheidungen über Fremdwährungskredite angeht, mindestens drei poli-tische Konstellationen von Schwarz-Gelb über Schwarz-Grün bis hin zu Schwarz-Rot gehabt, die alle Befassungen in unterschiedlichen Stellen und zeitlichen Abläufen mit dem Thema hatten. Ich könnte Ihnen – das machen wir jedoch nicht hier, weil es nicht in den HFA gehört – gerne vorrechnen, dass in der Summe aller Vorschläge, die wir gemacht haben, inklusive rechtzeitigem RWE-Aktien-Verkauf, die Stadt Essen heute finanziell ganz anders da stünde, wenn man unseren Vorschlägen gefolgt wä-re. Aber hier geht es ja nicht um die Frage einzelner kommunaler Entscheidungen. Für uns als HFA im Land, zuständig für die Aktivitäten der Landesbank und deren daraus erwachsenen rechtlichen Verpflichtungen und finanziellen Obliegenheiten, geht es um das Thema „öffentliche Anbieterseriösität“.

Was das Land mit unterschiedlichen Regierungen – auch mit unserer – mit seinen warnenden Hinweisen und seinen Richtlinien zu Fremdwährungskrediten für Kom-munen gesagt hat, betrifft bei aller kommunalen Selbstverwaltung eine andere Kate-gorie. Deswegen will ich auch Ihre Frage beantworten, was der Unterschied zwi-schen Öffentlichen und Privaten ist. Sie werden von mir keine einzige Äußerung fin-den, dass nicht auch Private dort fragwürdige Produkte verkauft haben. Ich sage Ihnen – sonst brauche ich ja keine öffentlichen Anbieter –, dass ich schon andere Erwartungen haben muss, ob eine Landesbank die Kommunen mit den Sparkassen im Gepäck aufsucht, wo die Kommune vor Ort entsprechend beteiligt ist, und ihre Hil-fe gepaart mit den eigenen Produkte anbietet, oder ob man sich völlig frei am Markt bewegt. Man muss zu öffentlichen Anbietern und deren Geschäftsmodellen ein ande-res Vertrauen haben dürfen, sonst müssen wir uns grundsätzlich fragen, wofür die Pluralität in allen Bereichen noch entsprechend Sinn macht. Wenn öffentliche Anbie-ter im Rahmen ihrer speziellen Verantwortung mit einem Geschäftsmodell werben, was heißt, die Klientel, die den Schweizer Geschäften zugrunde liegt, will gar keine hohen Zinsen erzielen, sondern hauptsächlich ihr Geld dort unerkannt liegen haben, und deshalb sei es das Richtige, hier ins Geschäft zu kommen, dann halte ich das aus unterschiedlichen Gründen für problematisch.

Deshalb will ich auf die Fragen zurückkommen, die wir im Vorfeld gestellt haben, die ich eben angesprochen habe und die der Finanzminister noch nicht beantwortet hat. Die betreffen schon die Verantwortung des Landes und Fragen des Auskunftsrechts, das wir als Parlament haben. Sie weisen sehr pauschal schriftlich, wie auch sonst mündlich, auf das Bankgeheimnis hin. Wenn wir, ohne irgendeine Spezifikation eines konkreten Vertrages oder Geschäftes kennen zu wollen, Sie nur um eine Liste der Kommunen bitten, die von der WestLB Produkte erhalten haben, was Sie vor Ort in der Lokalpresse nachlesen können, dann sollten Sie uns schon darstellen, warum Sie aus Gründen des Bankgeheimnisses sagen, sich zu den Fragen nicht äußern zu können. Wenn wir Ihnen die Frage stellen, was ganz abstrakt das Transaktionsvolu-men ist, dann meinen wir nicht ein bestimmtes Geschäft und auch nicht konkret ein Zusammenwirken von WestLB und Stadt XYZ, sondern die Höhe der Ausbringungs-menge, die hier öffentlichen Kunden vonseiten der WestLB in den letzten Jahren an-

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr gedreht worden ist. Und wenn Sie dazu auch nichts sagen, halte ich das nicht für be-sonders schützenswürdig.

Wir haben Sie nach dem Kundenkreis gefragt. Gibt es neben den Kommunen auch andere Institutionen mit Bezug zum Land, zum Beispiel Landesbetriebe, Landesbe-teiligungen, die in solche Produkte der WestLB Kapitalanlagen getätigt haben? Auch dazu sagen Sie nichts.

Wenn dann von den entsprechenden Fachleuten aus Marktkreisen dargelegt wird, dass wir hier über ein Milliardenrisiko reden, was Regresse und Forderungen bei Prozessen angeht, dann fragen wir natürlich, ob das gemeint und gedeckt ist, wenn Sie sagen, es gibt hier hinreichende Rückstellungen bei denen, die das zu regulieren haben. Wenn das alles absurd wäre, dass rechtliche Verpflichtungen durch Falsch-beratungen und die Art, wie die Geschäfte gemacht worden sind, auf das Land und die Institutionen, an denen wir beteiligt sind, im Rahmen der WestLB-Abwicklung zu-kommen würden, dann wäre es völlig unsinnig und rechtlich auch gar nicht darstell-bar, dass in den entsprechenden Größenordnungen Rückstellungen gebildet würden. Denn Rückstellungen bilde ich dann, wenn zumindest mit einer gewissen Wahr-scheinlichkeit Verpflichtungen vorhanden sind. Deshalb möchte ich zu diesem ange-sprochenen Fragenkreis von Ihnen gerne mehr als nur Schweigen hören.

Olaf Wegner (PIRATEN): Ich habe noch eine Frage, Herr Minister. Sie sprachen vorhin mindestens zweimal von dem vernünftigen Maß zwischen Risiko und Ertrag. Daraufhin hat sich mir die Frage gestellt, ob Ihrer Meinung nach die Kreditaufnahme in Franken zur damaligen Zeit eine Entscheidung war, die diesem Kriterium des ver-nünftigen Maßes entsprochen hat. Ich kann die Frage auch anders formulieren: Hät-ten Sie nach aller Aufklärung über die Risiken, die bei einem solchen Geschäft vor-liegen, einem Kämmerer empfohlen, einen solchen Kredit aufzunehmen? – Das ist ja die Frage, ob das vernünftige Maß der Abwägung bei der Aufnahme der Kredite vor-gelegen hat.

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM): Um mit der letzten Frage zu beginnen: Ich werde mich jetzt nicht im Nachhinein zum Bankberater machen lassen, der dann auch noch sagt, ich hätte aus heutiger Sicht damals einen falschen Rat gegeben. Die Einschätzung, ob hier ein vernünftiges Maß zwischen Chancen und Risiken gewählt worden ist, hat der Kämmerer und mit ihm der Rat einer Stadt vorzunehmen. Jetzt im Nachhinein, wo alle klüger sind, kann ich mich so weit einlassen, zu sagen: Diese Veränderung im Kurs des Schweizer Franken, wie sie jetzt eingetreten ist, hätte ich so nicht vorausgesehen. Ich behaupte jetzt nicht im Nachhinein, dass man das alles hätte sehen können.

Das war für mich bei den Fragen etwa des Cross-Border-Leasings anders. Das war ganz klar ein Geschäft, von dem Sie wussten, dass dies nur funktioniert, wenn je-mand an einer anderen Stelle über den Tisch gezogen wird, und das geht so lange gut, wie er es nicht merkt. Und irgendwann wird es anders sein, und dann wird etwas passieren.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr Ich bin auch weiterhin der Auffassung, dass der Kurs des Schweizer Franken, wie er jetzt ist, erhebliche Verwerfungen in der Schweiz auslösen wird. Sie brauchen im Moment nur kurz vor dem Sommer Reiseberichte und Empfehlungen zu lesen. Da heißt es immer: Fahren Sie bloß nicht in die Schweiz! Das werden die Schweizer schon merken, und dann wird sich da auch was tun. – Ich kann Ihnen leider nicht sa-gen, inwiefern sich das auf den Kurs auswirkt. Tatsache ist nur, dass Risiken mit Fremdwährungskrediten verbunden sind, dass allgemeine Auffassung war, der Schweizer Franken sei eine sichere Währung. Das meint man ja heute noch, wenn er gegenüber dem Euro steigt. Man dachte, der Schweizer Franken könne sich als Insel im Euroraum nicht allzu weit vom Euro entfernen. Es ist anders eingetreten, das weiß man heute.

Vor diesem Hintergrund wehre ich mich gegen die Formulierung, was die WestLB al-les „angedreht“ habe. Sie hat auf der Basis der damaligen Informationsgüte, wie es andere Banken auch gemacht haben, Einschätzungen abgegeben, auf deren Grund-lage Kämmerer und Räte ihre Entscheidungen getroffen haben. Deswegen bin ich der Meinung, dass es eigentlich nicht sein kann, dass im Nachhinein der WestLB all das, was andere bewusst an Risiken eingegangen sind, angelastet wird. Denn wenn es anders ausgegangen wäre und zu großen Gewinnen geführt hätte, hätten sich al-le mit einem Heiligenschein hingestellt und gesagt, was sie für tolle Hechte sind.

Aus diesem Grund würde ich sagen: Ja, das ist ein Grund, mit den Rückstellungen zurückhaltend zu sein. Sie haben aber selbst vorgetragen, dass Rückstellungen in dem Moment zu bilden sind, wenn es keine Nullwahrscheinlichkeit gibt. Ich würde mich nicht dafür haftbar machen lassen, dass das Risiko null ist. Das wird es nicht sein. Ich kann ja auch nicht in die Tätigkeit eines einzelnen WestLB-Beraters hinein-blicken. Möglicherweise hat irgendjemand abweichend von dem, wie es bei anderen gelaufen ist, Nachweise darüber, dass ihm gesagt wurde: Das musst du so ma-chen. – Ich weiß es nicht. Das wird sich gegebenenfalls im weiteren Verlauf darstel-len lassen.

Nur allgemein muss man sagen: Wenn eine Bank berät, dann ist der zu Beratende immer noch ein Stück selber dafür verantwortlich, wie er damit umzugehen hat, erst recht, wenn es sein Job ist.

Ralf Witzel (FDP): Ich möchte einen letzten Versuch unternehmen, Gefühl dafür zu gewinnen, wie das Land selber involviert war, was die Produkte der WestLB angeht. Deshalb wiederhole ich meine Frage, weil die bislang in jeder Hinsicht, im Vorfeld schriftlich, wie auch bei der Diskussion hier mündlich von Ihnen, Herr Finanzminister, unbeantwortet geblieben ist: Gibt es Landesbetriebe, Landesbeteiligungen, Landes-einrichtungen, die von entsprechenden Kapitalanlagemodellen der WestLB voraus-sichtlich negativ betroffen sind? Und was sind die sachlichen Gründe, warum Sie auch auf mehrfache Nachfrage im Parlament nicht einmal aggregierte Auskünfte zu Transaktionsvolumina erteilen und diese Verweigerung immer mit dem Hinweis auf das Bankgeheimnis verbinden? Ist das, was beispielsweise in dieser Expertenrisi-koprognose von letzter Woche in der „Rheinischen Post“ als Milliardenrisiko beziffert

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr wurde, durch die Rückstellungen abgedeckt? Oder ist es nur eine Frage der Zeit, wann auf den Landeshaushalt neue Belastungen zukommen?

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM): Was jetzt einzelne Landesbeteiligungen angeht, muss ich zugeben, dass mir dies nicht bekannt ist. Nach meinem Kenntnis-stand ist das nicht der Fall. Hinsichtlich der Milliardenbelastungen, die dadurch kom-men, dass man wegen der vermeintlichen Falschberatung jetzt jemanden haftbar machen könnte, sind wir beim Thema EAA. Davon ist der Landeshaushalt nicht un-mittelbar betroffen. Meine Einschätzung habe ich eben ausführlich zur Kenntnis ge-geben, den Rest muss man abwarten. Man muss abwarten, wie die Gerichte ent-scheiden. Meine Grundhaltung dazu ist meines Erachtens deutlich genug geworden.

StS Dr. Rüdiger Messal (FM): Zunächst noch zum Thema Landesbeteiligungen – der Minister hat es gerade gesagt –: Uns liegen dazu keine Informationen vor. Wir nehmen diese Frage mit und prüfen, ob es solche Geschäfte gegeben hat.

Im Zuge der Nachbefüllung der EAA ist dieses Risiko aus diesen Kommunalgeschäf-ten von der WestLB weg auf die EAA übergegangen. Insofern ist jetzt die EAA damit befasst, diese Themen weiter zu bearbeiten, diese gerichtlichen Auseinandersetzun-gen zu führen oder in Vergleichen mit den Kommunen zu Ergebnissen zu kommen. Die EAA hat den Auftrag, diese Abwicklung – nicht nur, was die Kommunalgeschäfte angeht, sondern die Portfolien insgesamt – eigenkapitalschonend vorzunehmen. Hier geht die EAA mit Augenmaß vor. Dort, wo Rückstellungen zu bilden sind, tut sie das. Es wäre jetzt nicht opportun, in aller Öffentlichkeit auszubreiten, in welchem Maße hier Rückstellungen gebildet werden, in welchem Maße Risiken vorhanden sind. Auch die Darstellung aus Sicht der EAA, mit welchen Kommunen möglicherweise ge-richtliche Auseinandersetzungen geführt werden, ist im Sinne der EAA nicht zielfüh-rend.

Das habe ich Ihnen, glaube ich, nach einer HFA-Sitzung auch schon einmal gesagt, und es wird auch nicht besser, wenn Sie es wiederholen. Es ist nicht im Sinne der EAA, damit auch nicht im Sinne der Träger der EAA und damit auch nicht im Sinne des Landes Nordrhein-Westfalen.

Mario Krüger (GRÜNE): Gestatten Sie mir eine Frage, Herr Vorsitzender, weniger an den Finanzminister, sondern an Herrn Witzel gerichtet. – Herr Witzel, ich kann Ih-re Argumentation ein Stück weit nachvollziehen: Wenn hier falsch beraten worden ist und die Kommunen respektive die Kämmerer in eine Situation getrieben worden sind, dann besteht möglicherweise ein Risiko für die EAA und damit letztendlich für das Land.

Jetzt haben Sie eigene persönliche Erfahrungen im Zusammenhang mit der Situation in Ihrer Heimatstadt Essen machen können. Ich erinnere an die zweite Jahreshälfte 2011, als es darum ging, ob die bestehenden Fremdwährungsdarlehen – damals 450 Millionen Schweizer Franken – noch einmal verdoppelt werden sollten, so die Emp-fehlung des Kämmerers. Alle Fraktionen haben davon Abstand genommen, mit Aus-nahme der FDP-Fraktion. Ich gehe davon aus, dass Ihr finanzpolitischer Sachver-

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr stand als Parteivorsitzender im Rahmen der Beratung auch einbezogen worden ist. Insofern interessiert es mich, inwieweit Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit in Essen in diese Situation getrieben worden sind, Ihrer Fraktion zu empfehlen, das Engagement zu verdoppeln – zweite Jahreshälfte 2011.

Michael Hübner (SPD): Ich will mich mit einer Frage anschließen. Herr Witzel hat gerade deutlich gemacht, dass er den Kurs der RWE-Aktien-Anteile der Stadt Essen in der Vergangenheit gut prognostizieren konnte, wie ich in der Rückbetrachtung heute bewerten kann. Mich würde interessieren, wie aus Ihrer Sicht eine Entschul-dung der Stadt Essen durch eine Vermögensveräußerung, indem Sie sich also von Vermögen trennen und Aktiva bekommen, möglich ist.

(Martin Börschel [SPD]: Ein Anlagetipp frei Haus!)

Vorsitzender Christian Möbius: Wir stellen hier Fragen an die Landesregierung; ich glaube aber, es ist nicht der richtige Ort, um die Kolleginnen und Kollegen zu befra-gen. – Es steht Ihnen aber trotzdem frei, darauf zu antworten. Bitte, Herr Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Ich beantworte gerne viele Fragen – auch detaillierter bilateral, denn ich denke, wir müssen die Sitzung nicht mit allen Einzelaspekten überfrachten.

(Michael Hübner [SPD]: Das steht dann nicht im Protokoll!)

– Dann bekommen Sie das hier jetzt auch fürs Protokoll. – Unabhängig davon, dass Herr Krüger Entscheidungen anspricht, die eine Zeit betreffen, in der ich in der Tat nicht Parteivorsitzender in Essen gewesen bin, ist es so, Herr Kollege Hübner, dass ein wesentlicher Teil der Schulden der Stadt Essen nicht bestünde, wenn man zuzei-ten, als RWE-Aktien bei einem Kurs von 80 oder 90 € standen, die Verkäufe getätigt hätte, wie wir es beantragt haben. Die Stadt Essen hat einen immensen Bestand an diesen Aktien und hätte einen Großteil ihrer Entschuldung dadurch alleine bewerk-stelligen können, womit sich andere Fragen gar nicht so gestellt hätten.

(Michael Hübner [SPD]: Dann hat sie doch weniger Vermögen!)

– Ja, klar. Aber sie hätte das zum optimalen Zeitpunkt realisiert. Sie hätte zwar ein paar Dividendenzahlungen in den Folgejahren nicht bekommen, hätte dafür aber den Haushalt wesentlich entschuldet. Wie jetzt das Land mit der in Deutschland am stärksten verschuldeten Kommune umgeht, die jetzt bilanziell pleite ist, mit einem negativen Eigenkapital, werden wir in den nächsten Wochen wahrscheinlich im Aus-schuss für Kommunalpolitik sehen.

Herr Krüger, ich darf Sie nur auf die Presselage in dieser Woche verweisen: Grüne wollen Ende der Geldspekulation. – Da können Sie alles über zweistellige Millionen-schäden lesen, die in der kleinen Gemeinde Bünde in Ostwestfalen entstanden sind, wie sich die Grünen über das Geschäftsgebaren der WestLB vor Ort äußern und was da jetzt alles geschehen müsse, um die kommunalen Interessen wahrzunehmen. Ich gebe Ihnen gleich eine Kopie des Artikels. Nehmen Sie Kontakt mit Ihren Partei-freunden dort auf!

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr

(Zuruf von Mario Krüger [GRÜNE])

– Herr Kollege Krüger, die kommunale Situation ist außerordentlich heterogen. Des-wegen sollten wir sehen, wie wir hier im Land unsere Verantwortung wahrnehmen. Alles andere beantworte ich Ihnen gerne bilateral noch detaillierter.

Vorsitzender Christian Möbius: Jetzt sehe ich auch keine weiteren Wortmeldungen mehr, sodass ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufen kann.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr 16 Sachstand der Programmentwicklung von BeihilfeNRWplus sowie Beteili-

gungsmöglichkeiten und Vertragsgestaltung für nutzungsinteressierte nordrhein-westfälische Kommunen

Bericht des Finanzministeriums Vorlage 16/2816

Der Punkt ist abgesetzt (siehe Seite 8 f.).

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr

17 Planungen und Haltung des Finanzministers für beabsichtigte Änderun-gen bei den zukünftigen Abgabefristen für Steuererklärungen

Bericht des Finanzministeriums Vorlage 16/2811

Vorsitzender Christian Möbius: Dieser Tagesordnungspunkt wurde ebenfalls von Herrn Witzel erbeten, und es wurde ein schriftlicher Bericht angefordert, der uns als Vorlage 16/2811 zugegangen ist.

Ralf Witzel (FDP): Herr Finanzminister, Sie zeigen in der Vorlage, um die wir Sie gebeten haben, dass die Anzahl der Veranlagungsfälle in der Zeitreihe der letzten Jahre durchgängig gestiegen ist. Das, was von Steuerpflichtigen wie auch von den steuerberatenden Berufen beklagt wird, sind Veränderungen, die überwiegend als Verschlechterungen in Laufe der Zeit empfunden worden sind. Sie haben in einem einzigen Punkt aus unserer Sicht auch recht, was das Kontingentierungsverfahren angeht, dass es sicherlich besser ist, diese Möglichkeit zu haben, als gar keine zu haben.

Ungeachtet dessen wird bundesweit die Diskussion geführt, bei der alten Regelung mit dem Abgabetermin 28. Februar des nachfolgenden Jahres im Falle der Beglei-tung durch einen Steuerberater zu bleiben bzw. dorthin zurückkehren. Dafür haben sich schon andere Bundesländer wie Hessen entschieden. Es spricht sehr viel dafür, was auch von Steuerpflichtigen wie von Steuerberatern geschätzt wird, damit nicht die große Bugwelle zum Jahresende hin entsteht.

Jetzt schreiben Sie in Ihrer Vorlage, das Land Hessen hätte schlechte Erfahrungen damit gemacht. Das wird mir aus Hessen nicht bestätigt. Sie schreiben, die Erklä-rungseingangszahlen hätten sich nicht verbessert, sondern verschlechtert. – Es ge-ben ja nicht weniger Menschen in Hessen korrekt ihre Steuererklärung ab als in Nordrhein-Westfalen. Sie haben dort eine gewisse Entzerrung, weil sie von vornhe-rein für einen größeren Teil von Steuerpflichtigen und steuerberatenden Berufe ein größeres Zeitfenster haben.

Hier muss es – das hört man auch aus der Finanzverwaltung heraus – bewusst eine restriktiver gewordene Handhabung geben, was die Einzelfallerlaubnisse bezüglich der Fristverlängerung angeht. Gleichzeitig hat sich in den letzten Jahren ein sehr viel stärkerer Durchgriff verbunden mit saftigen Säumniszuschlägen im Falle verspäteter Einreichungen von Steuererklärungen entwickelt.

Selbst bei begründeten Einzelfällen, die Sie für die Verlängerung über den 31. De-zember hinaus anfügen – wie längere Krankheit –, ist es kaum möglich, wenn man nicht eben eine Quote im Rahmen des Kontingentierungsverfahrens erfüllt, zu einer leichten Fristverlängerung zu kommen. So bekommt man es teils aus der Praxis zu-rückgemeldet. Deshalb interessiert mich, warum Sie so negativ mit der Handhabung und den Vorschlägen in Hessen umgehen und die Verlängerungsmöglichkeiten bis zum 28. Februar, die vom Steuerberater beantragt werden müssen und früher im

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr Regelfall genehmigt wurden, nicht zulassen wollen. Das hat jahrzehntelang vernünf-tig funktioniert.

Zum Zweiten: Die Kontingentierung, die Sie in Ihrer Vorlage vorschlagen, schließt nicht Vorabanforderungen aus. Insofern ist das, was eigentlich an Rechtssicherheit für ein solches Kontingentierungsverfahren sprechen könnte, nicht gegeben, da man nicht alle Fälle im Sinne des gleichmäßigen Eingangs und Rückflusses der Steuer-klärungen zurückstellen kann. Dies sollte aber zumindest für einen Teil komplexer Fälle gegeben sein oder wenn Gründe wie Erkrankungen oder andere Sachgründe vorliegen, wo ein Steuerberater es so disponieren kann, dass er einen Teil mit ins neue Jahr nehmen kann. Es hilft ja nichts in puncto Planungssicherheit, wenn es trotzdem zu Vorabanforderungen kommt. Warum sind Sie nicht bereit, das zumindest für den kleinen Teil – da reden wir vielleicht über 20 bis 25 % – auszuschließen, bei dem Sie den Steuerberatern, die am Kontingentierungsverfahren teilnehmen, gestat-ten, über zwei Monate einen Fristaufschub zu bekommen?

Der Steuerpflichtige verlässt sich darauf, dass der Steuerberater im Rahmen der Kontingentierung schon alles termingerecht hinbekommt. Dann wird knapp die Quote des Steuerberaters verfehlt, und die Rechtsfolge ist, dass alle Steuererklärungen dieses Steuerberaters, die zum Jahresbeginn eingehen, als verfristet gelten und mit saftigen Säumniszuschlägen versehen werden. Das gibt dem betroffenen Steuer-pflichtigen nicht die Planungssicherheit, die er sich gern wünscht. Warum sehen Sie von Ihrer Seite aus nicht die Möglichkeit zu etwas mehr Flexibilität? Wir reden ja bei einer Rückkehr zu den früheren Regelungen über wenige Wochen.

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM): Zunächst einmal, Herr Witzel, hat es mich verwundert, warum Sie eine Ihrer Fragen im Vorfeld so formuliert haben: „Aus welchen Gründen hat sich der Finanzminister hierzu bislang in die bundesweite Dis-kussion nicht erkennbar eingebracht?“ – Wenn Sie es nicht erkannt haben, kann ich Ihnen nicht helfen, aber eingebracht haben wir uns, sehr erkennbar für viele. Das fängt damit an, dass wir in der Runde der Abteilungsleiter Steuern von Bund und Ländern diese Position sehr deutlich, und zwar auch sehr kontrovers mit einigen an-deren, zur Kenntnis gebracht haben. – Punkt eins.

Punkt zwei ist, dass ich dazu sogar im Vorfeld der Sitzung der Abteilungsleiter Steu-ern ein Interview gegeben habe. Es war ein Gespräch mit Journalisten, das ich zu-sammen mit Herrn Vinken von der Bundessteuerberaterkammer geführt habe. Wa-rum? – Weil wir an dieser Stelle in einer deutlichen Einigkeit übereinstimmende Wünsche haben! Es hat weder den Steuerberatern noch der Finanzverwaltung gefal-len, dass die Erklärungen immer später abgegeben worden sind und wir dadurch weit in das Zweitfolgejahr hineingekommen sind. Aufgrund dessen hat sich in den Fi-nanzämtern ein enormer Stau entwickelt. Deswegen war allen Beteiligten, auch den Steuerberatern, daran gelegen, das Ganze etwas zu verstetigen. Das hat auch etwas mit Ökonomie zu tun, dass man Personal nicht immer nur an der Spitze orientiert, sondern die Abläufe kontinuierlich organisiert, sodass man mit dem vorhandenen Personal die Arbeit wesentlich besser erledigen kann.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr Deswegen gibt es den Pilotversuch, der zu einem wirklich nicht erwarteten Zuspruch geführt hat, an dem mittlerweile 3.100 Steuerberater teilnehmen, die 30 % der bera-tenden Pflichtveranlagungsfälle haben. Und es ist genau das eingetreten, was sich beide Seiten gewünscht haben: Durch diese enge Setzung auch von Quoten haben wir erreicht, dass es diese stetigere Verteilung gibt.

Die ist schon alleine deshalb flexibel, weil die Steuerberater, um die Prozente zu er-reichen, die sie zu bestimmten Zeitpunkten abgearbeitet haben müssen, die Fälle selber wählen können. Es ist ja nicht vorgegeben, welche 25 % zunächst abgegeben werden müssen. Er muss ja lediglich die Quote erreichen. Wenn also jemand aus ir-gendeinem Grund erkrankt und dadurch seine Steuererklärung nicht abgeben kann, hat er jede Möglichkeit der Flexibilität, diesen Fall auszutauschen.

Würde man an diesen Prozenten oder an der damit verbundenen strikten Einhaltung von Terminen bis hin zu Säumniszuschlägen nicht festhalten, hätten wir das alte System sofort wieder, und es würde erneut passieren, dass alle sagen würden: Du hast ja noch Zeit genug.

Daher sind beide Seiten – das hat uns die Steuerberaterkammer immer wieder ge-sagt –, übrigens zusammen mit Bayern und dem Bund, sehr daran interessiert, dass wir das durchsetzen. Es gibt Länder, die das anders sehen. Wir sind der Auffassung, dass das, was die vorgeschlagen haben, erst wirklich unflexibel ist, weil dort festge-legt wird, welcher Teil der Steuerpflichtigen wann seine Steuererklärung abgeben muss, was durch ein Zufallssystem ermittelt wird. Das bedeutet aber, dass Sie weder für den einzelnen Steuerberater noch für den Betroffenen eine Überschaubarkeit ha-ben. Es kann sein, dass diese Quote, die dann zufällig ermittelt wird, im Extremfall al-les Klienten eines einzelnen Steuerberaters sind, der dann alle Fälle früh abgeben muss, während ein anderer, der per Zufallsauswahl nicht betroffen ist, alles später abgeben kann. Das wollten alle die Steuerberater, mit denen wir zusammengearbei-tet haben, definitiv nicht.

Zweitens kommen Sie damit tatsächlich in eine Rechtsunsicherheit, denn wenn je-mand durch Los praktisch dazu verdonnert wird, seine Steuererklärung früher abzu-geben, und ein anderer später, haben Sie das Risiko, dass derjenige klagt. Wenn der Steuerberater aber selber sagen kann, ich habe 1.000 Mandanten, und ich weiß, dass ich zu bestimmten Terminen meine Quoten zusammenbekomme, und ich kann mit meinen Klienten reden und sie auffordern, ihre Unterlagen früher einzureichen, dann ist das nicht nur eine theoretische Lösung, sondern eine, die auf praktisch ho-hen Zuspruch stößt und die dazu geführt haben, dass wir gesagt haben: Wenn die anderen Länder, die das Zufallsauswahlverfahren anwenden, meinen, bessere Er-fahrungen gemacht zu haben, was wir hochgradig bezweifeln, dann sollen sie das weiter tun, solange sie uns die Möglichkeit lassen, die guten Erfahrungen, die wir gemacht haben, weiter umsetzen zu können. Das war der Hintergrund.

Sie sehen, wir sind auf der Bundesebene unterwegs. Zusammen mit Herrn Vinken und den Steuerberatern wollen wir, dass die, die die guten Erfahrungen gemacht ha-ben, diese weiter umsetzen können. Wenn jetzt andere Länder sehen, dass das Schule macht und sie die Möglichkeiten auch nutzen werden, wird die andere Seite bröseln, erst recht, wenn es möglicherweise Gerichtsurteile gibt, die besagen, dass

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr das gar nicht rechtens war. Aber das soll jeder nach seiner Fasson machen. Wir wol-len jedenfalls die Flexibilität halten und sind guter Dinge, dass wir das auch durch-setzen.

Bernd Krückel (CDU): Herr Finanzminister, ich stimme Ihnen im Großen und Gan-zen zu, sehe aber im System noch zwei Probleme. Ich finde es erstens problema-tisch, dass die Antragsveranlagungen nicht in die Quote eingerechnet werden, ob-wohl die auch Steuerfälle darstellen und von der Finanzverwaltung bearbeitet werden müssen.

Problem zwei ist, dass die Fälle, die ein Berater bis zum 31. Dezember nicht bearbei-tet hat und die sowohl für den Berater als auch für die Finanzverwaltung oft Problem-fälle sind, einem die ganze Quote „kaputt schießen“ können, und dass es nicht mög-lich ist, partiell solche Fälle herauszunehmen, von denen man weiß, dass man sie zwingend auch bis zum 28. Februar nicht bearbeitet haben kann. Das zeigt zumin-dest die Erfahrung.

MR Hermann-Josef Broß (FM): Die erste Frage war: Warum nimmt man die An-tragsveranlagung nicht in die Quote? – Das Problem ist, die Antragsveranlagung heißt deswegen Antragsveranlagung, weil sie aufgrund eines Antrags durchgeführt wird, aber nicht durchgeführt werden muss. Die Finanzverwaltung weiß vorher gar nicht, wie viel Anträge es geben wird. Von daher kann ich nicht sagen: 50 % von ei-ner nicht bekannten Größe. Ich könnte maximal mit Erfahrungswerten rechnen, die sich jedoch jederzeit wieder ändern können. Das ist bisher der Grund, warum man die Antragsveranlagung in die Betrachtung nicht einbezogen hat.

Die nächste Frage war, wenn ich das richtig verstanden habe, ob man nicht einzelne Fälle generell herausnehmen kann, weil sie besonders schwierig sind. Die Abgaben-ordnung sieht bisher den „besonders schwierigen Fall“ nicht vor. Deswegen muss ich mich an die entsprechenden Regelungen der Abgabe halten: grundsätzlich bis zum 31. Mai, danach gibt es die Fristverlängerung. Und zu dem besonders schwierigen Fall gibt es keine Regelung, sondern das vereinbart man gegebenenfalls. Denn man hat ja ständig das Problem: Wann habe ich einen schwierigen Fall, wann nicht? Wir würden uns also über solche Dinge streiten, statt die Fälle zu erledigen. Deshalb gilt bis jetzt die Regelung: Ich habe eine Frist, und im Kontingentierungsverfahren und anderen Verfahren kann ich Fristverlängerungen im Einzelfall begründet beantragen. Dass man aber bei bestimmten Fällen von vornherein sagt, da gelten die Fristen nicht, hielte ich für nicht praktikabel.

Bernd Krückel (CDU): Ich hatte vorhin bewusst den Begriff „problematische Fälle“ und nicht „schwierige Fälle“ gewählt, weil es mir nicht um eine komplexe Materie geht, sondern – ich drücke es einmal locker aus – weil „Luschen“ unterwegs sind, die weder von der Finanzverwaltung noch von uns Steuerberatern eingefangen werden können. Diese Fälle schießen aber einem einfach die Quote kaputt, was für uns Steuerberater uninteressant ist und was dem Finanzamt letztlich nicht hilft. Denn wenn wir diese Fälle nicht begleiten, kommt auch keine Erklärung beim Finanzamt

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr an. Das sind dann die klassischen Schätzungsfälle. – Dass das aufgrund der AO problematisch ist, gestehe ich Ihnen zu.

Was die Quotenerfüllung bei Antragsveranlagung anbelangt, kann ich Ihnen nicht so ganz folgen, weil die Quotenermittlungen die Antragungsveranlagungsfälle auch im-mer wieder ausweisen. Wenn die schon in den Quotenmitteilungen ausgewiesen werden, erschließt es sich mir nicht so ganz, warum die nicht auch in die Quote ein-bezogen werden können. Das ist meines Erachtens aber eine Sache, die wir nicht unbedingt an dieser Stelle vertiefen müssen; das können wir auch bilateral tun.

MR Hermann-Josef Broß (FM): Was die „Luschen-Fälle“ angeht: Wenn man sich den Gesamtzeitraum, in dem man die Steuererklärung abgeben muss, betrachtet und sieht, dass man nach dem Kontingentierungsverfahren bis Ende des Jahres 75 % erledigen muss, bei 100 % Erledigung bis zum 28. Februar, dann müssten das schon enorm viele solcher Fälle sein, damit die Quote überhaupt dadurch gefährdet sein kann. Ich müsste ja rein rechnerisch bis zum Ende des Jahres viel mehr als 75 % erledigt haben, wenn ich anteilig in jedem Monat gleich viele Fälle erledige. Mit den 75 % ist eigentlich der Spielraum für solche Fälle, von denen man sagt, die füh-ren dann zu solchen Problemen, gegeben.

Was den Ausweis der Antragsfälle betrifft: Natürlich können wir, wenn die Antragsfäl-le da sind, Ihnen ausweisen, wie viele Fälle wir davon haben. Aber im Vorfeld zu sa-gen, Sie müssten von den Antragsfällen, die Sie ja nicht einreichen müssen, 50 % oder 75 % zu einem bestimmten Stichtag einreichen – auf welcher Basis soll das er-folgen? Wir müssten ja quasi vorgeben: 75 % wovon – doch dieses „wovon“ ist im Vorhinein offen.

Vorsitzender Christian Möbius: Gut. Im Zweifel kann das noch bilateral geklärt werden. – Herr Kollege Witzel hat noch einmal das Wort.

Ralf Witzel (FDP): Ich möchte noch zwei Anliegen aus der Praxis ansprechen, die auch regelmäßig zu hören sind. Das eine ist eine sehr viel restriktivere Verhängung von Säumniszuschlägen. Da war es früher offenbar sehr viel einfacher, bei Angabe von Gründen zu einer anderen Handhabung zu kommen. Herr Finanzminister, wa-rum wird das so restriktiv gehandhabt?

Zweitens hatten Sie in Ihrer Vorlage selbst gesagt, dass Sie bei allen Vorteilen, die im Kontingentierungsverfahren liegen, eine wirkliche Planungssicherheit in dem Au-genblick nicht haben, wenn Sie darauf bestehen, weiterhin Vorabanforderungen vor-nehmen zu können. Dann wäre es zur Verbesserung dieser Planungssicherheit auch für die steuerberatenden Berufe eigentlich sinnvoll, sich das nicht ausdrücklich weiter vorzubehalten.

Was mich weiterhin politisch interessieren würde: Sie haben gesagt, es gibt keine Ewigkeitsgarantie dafür, dass Sie die kulante Handhabung für Steuerpflichtige, die die digitale Steuererklärung einreichen, was im hohen Maße im Interesse der Fi-nanzverwaltung ist, da sie damit viel unnötigen Erhebungs- und Erfassungsaufwand

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr mit Abtippen von Daten einsparen, nicht automatisch für die Zukunft fortschreiben wollen. Welche Zielquote des digitalen Umstiegs muss denn erreicht sein, damit Sie es für so erfolgreich halten, dass Sie sagen, das bleibt auch noch für die Steuerjahre 2016 und 2017 bestehen?

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM): Ich bin der Auffassung, dass dieser An-reiz gut und richtig ist und dass wir ihn auch beibehalten sollten. Das Problem ist immer wieder, dass dann, wenn Sie solche Neuerungen diskutieren, natürlich solche Einwände kommen: Was machen andere Länder? Wie ist das in den Rahmen von Konsens und der gesamten Debatte, eine bundeseinheitliche Praxis aufrechterhal-ten, einzubringen?

Wir waren ja eben bei dem Thema: Könnte es den Interessen der Steuerberater zu-widerlaufen, die wiederum ihrerseits die Möglichkeit haben, für Mandanten, die sich in ihre Obhut begeben, eine längere Frist zu haben, wenn andere, die nicht beraten werden, auch eine längere Frist bekommen? Ich denke, das haben wir mit den Steu-erberatern hinreichend klären können.

Das waren alles Punkte, die zu diesem kleinen Vorbehalt geführt haben. Mir ging es nicht darum zu sagen: Ich will jetzt eine ganz bestimmte Quote, und wenn das nicht läuft, fällt der Hammer und dann ist es erledigt. – Wir haben die Absicht zu sagen: Wer online authentifiziert seine Erklärung abgibt, hat zwei Monate länger Zeit.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr 18 Rechtliche und politische Bewertung sowie Aktivitäten der Landesregie-

rung im Umgang mit dem österreichischen Sondergesetz über einen Schuldenschnitt bei der Hypo Alpe Adria

Bericht des Finanzministers

Vorsitzender Christian Möbius: Dieser Tagesordnungspunkt wurde von Herrn Kol-legen Witzel beantragt. Zur mündlichen Berichterstattung erteile ich dem Finanzmi-nister das Wort.

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM): Vor dem Hintergrund der Erfahrungen meiner Gespräche in Asien möchte ich unterstreichen, dass Nordrhein-Westfalen, die deutschen Länder einzeln und im Verbund der Bundesrepublik Deutschland zu ihren Verpflichtungen stehen. Das gilt auch gerade bei uns, was die Lasten aus der ehemaligen WestLB angeht. Das ist eine ganz wichtige Botschaft nach draußen. Denn das, was in Österreich passiert, ist nach meinem Dafürhalten nach eine höchst fragwürdige Angelegenheit, die uns nicht nur insoweit betrifft, als es Forderungen gegenüber der HETA bzw. dem dahinter stehenden Garanten Kärnten gibt, sondern weil das am Ende international Fragen aufwirft. Es kann dazu führen, dass sich Kapi-talaufnahmen verteuern, und wenn es sich auch nur um einen Basispunkt mehr han-delt, hat das verheerende Folgen. Deswegen sind wir sehr klar und deutlich in die-sem Punkt aufgetreten.

Wir haben das auch im Verwaltungsrat der NRW.BANK ausführlich diskutiert. Herr Neuhaus hat dazu berichtet. Es geht in diesem Bereich um Forderungen, die aus ei-ner Kapitalanlage kommen, die nach deutschem Recht begeben worden ist und die wirklich definitiv vom Land Kärnten garantiert wird.

Wenn jetzt diese europäische Richtlinie in Österreich so umgesetzt wird, dass Gläu-biger mit in dieses Bail-in-Verfahren einbezogen werden, dann ist das durchaus für die Zukunft etwas, was auch allgemein gewollt war. Wenn jemand Geld anlegt und höhere Zinsen bekommt, muss er wissen, dass er ein höheres Risiko eingeht. Vor diesem Hintergrund kann es eben auch sein, dass er einen Schaden erleidet, dass er einen Teil seines Geldes nicht zurückbekommt.

Wenn jetzt aber rückwirkend für diejenigen, die diese günstigere Verzinsung von ei-ner staatlichen Institution garantiert bekommen haben, gesagt wird, das gilt rückwir-kend nicht mehr, wir machen ein Moratorium und anschließend entscheiden wir, wie viel Prozent wir von dem Rückzahlungsbetrag kappen, halten wir das für etwas, was mit dem Rechtsverständnis nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Deswegen hat die NRW.BANK deutlich gemacht, dass sie dagegen rechtlich vorgehen wird. Wir werden das nicht akzeptieren.

Auch da ist es am Ende wieder eine Frage, wie es im Einzelnen eingeschätzt wird. Es hat Töne aus der Europäischen Kommission gegeben, die das – ich vermute, ein wenig schnell – vor dem Hintergrund bewertet haben, dass wir grundsätzlich zur Gläubigerbeteiligung stehen. Aber diese Auslegung, das im Nachhinein zu ändern, halte ich für eine fehlerhafte Umsetzung dieser europäischen Richtlinie in österreichi-

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr sches Recht. Das habe ich auch in der vorletzten Woche in einem Interview im Deutschlandfunk deutlich gemacht. Das hat in Österreich eine ziemliche Welle aus-gelöst – was mich an die ersten Diskussionen, die wir zum Thema Schweiz hatten, erinnert –, in der nordrhein-westfälischen Medienlandschaft allerdings nicht. Tatsa-che war nur, dass in Österreich diese Kritik sehr deutlich wahrgenommen wurde, die im Übrigen von Markus Söder aus der Sicht von Bayern, das direkt noch viel stärker betroffen ist, auch deutlich gemacht wurde.

Vor diesem Hintergrund sagen sowohl das Land Nordrhein-Westfalen als auch die betroffenen Institutionen: Wenn in Zukunft Anlagen in Österreich so gestaltet sind, dass man eine Garantie nicht bekommt, sodass damit gewollt auch ein Risiko beim Gläubiger liegt, dann ist das eine wichtige Botschaft. Dann kann man vor diesem Hintergrund seine Entscheidung treffen, ob man Geld anlegt oder nicht. Ich vermute, das wird dazu führen, dass sich viele Anleger von Österreich fernhalten werden. Es wird auch dazu führen, dass das Rating von Österreich, das ja einmal richtig gut war, ziemlich in den Keller geht. Das von Kärnten ist im Prinzip auf Schrottniveau.

Wir werden aber die Regelungen, die wir vertraglich mit Garantien, und das auch noch nach deutschem Recht, eingegangen sind, einklagen. Das ist jetzt die Vergan-genheitsbetrachtung. Wir werden uns nicht damit abfinden, dass wir bis zum Jahr 2016 keine Bedienung dieser Anlagen bekommen und nach dem Jahr 2016 nicht einmal wissen, welcher Teil einem irgendwie gearteten Haircut unterliegen wird.

Ina Scharrenbach (CDU): Wir haben vor gut einem Jahr von Ihnen einen schriftli-chen wie auch mündlichen Bericht zu Ihrem damaligen Besuch in Österreich be-kommen. Da ging es ja auch um die Hypo Alpe Adria. Sie hatten erläutert, dass Sie in Gespräche eingetreten sind bezüglich der Abwicklung, bei der die Portigon AG möglicherweise hätte unterstützen können. Sie haben damals ausgeführt, dass wei-terführende Gespräche mit Ihren österreichischen Partnern anstehen.

Deshalb stellt sich für uns schon die Frage, inwieweit diese Gespräche stattgefunden und welche Erkenntnisse sich Ihnen aus diesen Gesprächen ergeben haben –möglicherweise im Hinblick auf diese Entscheidung, von der wir Anfang März erfah-ren haben.

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM): Nein, haben sie nicht. Ich finde die Konstellation insgesamt ganz interessant. Die Tatsache, dass Österreich eine Ab-wicklungsgesellschaft einrichtet, war einfach als Nachricht insbesondere zum Zeit-punkt eines dienstlichen Österreich-Besuchs eine interessante Botschaft. Deshalb habe ich mit dem damaligen Finanzminister Spindelegger, der ja nicht mehr im Amt ist, telefoniert und darauf hingewiesen, dass Portigon bei der Abwicklung ein Partner sein kann. Mehr ist daraus bislang nicht geworden.

Eine weitere Nachricht fand ich ganz interessant, die aus etwa der gleichen Zeit stammt, dass nämlich für die Abwicklung in Österreich ein Berater namens Dirk Notheis gewonnen wurde. Ihn kennen wir unter anderem daher, dass er damals Herrn Merz bei dem Versuch, die WestLB zu veräußern, unterstützt hat, was ja nicht von Erfolg gekrönt war. Herr Notheis hatte dann weitere Probleme damit, dass der

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr EnBW-Verkauf am Ende nicht allen rechtlichen Bewertungen standgehalten hat. Das hat dazu geführt, dass er eine eigene Beratungsgesellschaft gegründet hat, mit der er Partner der HETA geworden ist.

Interessanterweise habe ich Herrn Notheis im Januar oder Februar zufällig getroffen und ihn gefragt, ob er noch tätig ist. In Unkenntnis dessen, was damals vorgesehen war, habe ich ihn darauf angesprochen, dass man doch bitte bei der Suche nach Partnern für die Abwicklung daran denken sollte, dass es hier Kompetenz bei der Portigon gibt. Eine Rückmeldung habe ich nicht erfahren. Die nächste Meldung war die, die dann zu lesen war, dass zu diesem Abwicklungskonzept offenbar gehört, dass man einen Teil der Verbindlichkeiten nicht mehr zurückzahlen will.

Man muss das Ganze vor dem Hintergrund sehen, dass die Verbindlichkeiten eine gewisse Größenordnung haben. Darin sehe ich eher das Problem. Es liegt nicht an der Frage „Bail-in ja oder nein“, sondern daran, dass es offenbar zulässig war, Ga-rantien in der Größenordnung von 10 Milliarden € zu übernehmen, in einem Land, das einen Etat von 2 Milliarden € hat. Wenn man das auf nordrhein-westfälische Verhältnisse übersetzt – wir haben 65 Milliarden €; multipliziert mit fünf kämen wir auf ungefähr 325 Milliarden € Garantien, und zwar nicht gestreut über verschiedene Ga-ranten, sondern in einem Klumpen für ein Institut, und wenn diesem Institut etwas passiert, werden diese 325 Milliarden € fällig –, dann weiß man, dass das nicht zu verantworten war. Das ist damals offenbar akzeptiert worden und jetzt eingetreten. Deswegen ist vollkommen klar, dass Kärnten das überhaupt nicht stemmen kann.

Die nächste Frage ist, wie die Republik Österreich mit dieser Frage umgeht. Wenn die sagt, wir haben mit unserem Bundesland Kärnten nichts zu tun, dann kommt die Folge, die wir beschrieben haben, auch im internationalen Finanzsystem, dass man in Zweifel zieht, ob das bei anderen Bundesrepubliken auch ein Problem sein kann.

Die Suche nach Partnern werde ich fortführen. Wenn ich erfahre, dass es in irgend-einem Land einen Abwicklungsbedarf gibt, dann werde ich natürlich auf diejenigen zugehen. Dass wir uns dann immer auf einem Feld riskanter Historien befinden, ist ziemlich klar. Kein Land und keine Institution kommen in die Abwicklung, wenn vor-her alles wunderschön gelaufen wäre. Dass man in einem solchen Fall sagt „Denkt doch an die Portigon“, halte ich für vollkommen richtig – hier allerdings ohne tiefere Kenntnis und ohne weitere Gespräche, die auf diesem Hintergrund erfolgt sind.

Ina Scharrenbach (CDU): Ich habe zwei Anschlussfragen, die sich daraus ergeben. Sie haben dargelegt, inwieweit die NRW.BANK in den entsprechenden Papieren en-gagiert ist. Gibt es einen Gesamtüberblick, wie hoch das Engagement nordrhein-westfälischer Institute bzw. bundesdeutscher Institute ist?

Meine zweite Frage, die sich anschließt: Wie schätzen Sie denn die Wirkung der Dombret-Äußerung in diesem Zusammenhang ein?

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM): Das ist immer zweischneidig. Ich schät-ze sie so ein, dass auf der einen Seite der Sicherheitsgedanke überwogen hat. Ge-rade vor dem Hintergrund der Diskussion, den wir eben hatten, kann ich es jemand

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr nicht verdenken, der sagt: Ihr solltet möglichst viele Rücklagen und Rückstellungen bilden. – Auf der anderen Seite ist das natürlich als Signal für diejenigen, die hinter-her beurteilen sollen, ob das, was Österreich macht, rechtens oder nicht rechtens ist, nicht positiv. Dieses Risiko sehe ich natürlich schon.

Wenn jede Form von realistischer Einschätzung einer solchen möglichen Interpreta-tion unterliegt, wie wir das eben bei den Fällen, die wir diskutiert haben, gesehen ha-ben, dann wüsste ich nicht, wie ich handeln würde, wenn ich bei der EZB einen Rat erteilen sollte. Das ist genau die Konsequenz, in der wir uns im öffentlichen Bereich immer wieder befinden: Dann geht alles auf hundertprozentige Risikovermeidung, und dann man macht man solche Vorschläge und sendet Signale an andere, die ich in ihrer Wirkung nicht abschätzen kann.

Ich bleibe dabei, dass am Ende auch die europäische Ebene wissen muss: Wenn rückwirkend Garantien außer Kraft gesetzt werden, ist das ein fatales Signal für die Weltfinanzmärkte.

Zur ersten Frage: Wir haben, wie mittlerweile in der Öffentlichkeit oder in Pressekon-ferenzen dargestellt worden ist, zwei Bereiche. Das eine ist die NRW.BANK. Laut Pressebericht waren das 276 Millionen €. Im Bereich der EAA sprechen wir von einer Größenordnung von 75 Millionen €. Weitere betroffene Bereiche sind mir nicht be-kannt.

(Ina Scharrenbach [CDU]: Und bei anderen Instituten?)

– Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Ich möchte gerne an Ihre Einschätzung zu der Dombret-Äußerung anschließen. Denn nach dem, was er da tut, werden wahrschein-lich alle Wirtschaftsprüfer sagen: Wenn das einer aus der Aufsicht so sagt, dann sind wir doch auch mal sehr vorsichtig. – Man produziert letztlich den Eindruck, als müsse ein Wirtschaftsprüfer ein Testat unter Bedingungen erteilen oder zumindest voraus-setzen, dass Abschlüsse so aufgestellt werden, dass jedenfalls nach dem, was man bisher erkennen kann, evident rechtswidriges Handeln eines Gesetzgebers, was auch noch vor dem Verfassungsgericht in Österreich verhandelt wird, letztlich Auslö-ser von Maßnahmen ist, mit denen man, wenn man es weiterdenkt, ganz gezielt und auch flächendeckend andere Unternehmen schwächen oder kaputt machen kann.

Wenn das die Folge eines Rates einer Aufsicht ist, dann kann ich nur sagen: „Fröhli-che Reise“; denn damit ist das Gegenteil von Stabilisierung der Finanzmärkte inner-halb von Minuten erreicht. Ich kann nur darum bitten, dass Sie als Landesregierung und vielleicht auch mit Ihren Ministerkollegen in Berlin darüber nachdenken, wie man Signale senden kann, dass dort auch in den Kategorien von Verantwortlichkeit gere-det wird.

Denn auf der anderen Seite haben wir über Basel I usw. Verschärfungen von Eigen-kapitalanforderungen an Banken. Das macht man gerade deswegen, damit bestimm-te Risiken beherrschbarer bleiben. Jetzt dreht man im Grunde an einer weiteren Schraube, womit man möglicherweise Institute massiv überfordert oder ihnen die Kreditvergabemöglichkeiten für breite Schichten von Unternehmen und Bevölkerung

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr in Deutschland mehr oder minder nimmt. Ich habe aus dem einen oder anderen Un-ternehmen – gerade von Banken – Hinweise darauf, dass sie auch engagiert sind und sich die Frage stellen, ob sie dann, wenn sie ohne eine wirkliche Rechtsgrundla-ge für das Verhalten der Österreicher jetzt für 50 % entsprechende Risikovorsorge treffen müssen, ihr Geschäftsmodell sehr grundlegend umstricken müssen, und zwar schon im Laufe dieses Jahres, unabhängig davon, was im Herbst das Verfassungs-gericht in Österreich entscheidet oder eventuell später vom EuGH entschieden wird. Denn die Rechtsauffassung, die dazu in Österreich offensichtlich vertreten wird, ist ja wohl mehr als abenteuerlich.

Sie haben das jetzt als Minister ein Stück weit zurückhaltender formuliert, als ich das als Parlamentarier tue. Aber ich halte es schon für ein ziemliches Ganovenstück, dass man rückwirkend Garantien durch Gesetz entziehen will und dann noch meint, sich auf eine europäische Rechtsgrundlage stützen zu können.

Die zweite Frage, die daneben thematisiert wird, ob überhaupt eine Abwicklungsan-stalt unter die Richtlinie fällt, ist eine fachliche Frage, die man auch sehr deutlich be-urteilen kann und bei der man dazu raten sollte, sich die Genese dieser gesetzlichen Regelung auf europäischer Ebene anzuschauen. Dann ist die Antwort meines Erach-tens auch relativ leicht.

Ich finde schon, dass aus diesem Ausschuss das gemeinsame Signal ausgehen soll-te, dass Sie nicht nur für Deutschlandfunk-Interviews die Rückendeckung dieses Ausschusses haben, sondern auch die FMK ein geeignetes Mittel ist, informell Kon-takte zu setzen.

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM): Ich kann Ihnen nur voll zustimmen. Die Äußerung ist ja noch ziemlich frisch. Es ging jetzt darum, möglichst schnell darauf zu reagieren. Ich sehe das genauso wie Sie. Deshalb wäre das ein Punkt, bei dem man auch als Minister etwas adressieren könnte, bei dem man davon sprechen kann, dass der Haushalts- und Finanzausschuss insgesamt dahintersteht, oder jeder kann das auf seiner Schiene machen. Es ist definitiv so: Dieses zunehmende Bewusstsein auch gut bezahlter Menschen, sich immer nur so zu äußern, dass man auf keinen Fall selber ein Risiko eingeht und damit in Kauf nimmt, dass andere die Risiken ins-gesamt eingehen müssen, kann so nicht weitergehen. In diesem Punkt ist das ein Paradebeispiel.

Ralf Witzel (FDP): Ich möchte mich an dem einen Punkt meinen Vorrednern an-schließen und betonen, dass ich das für einen klaren Bruch des EU-Rechts ansehe. Deshalb denke ich, Herr Finanzminister: So richtig und nachvollziehbar es aus Sicht der Institute ist, in denen die Verantwortlichen ihren Vermögensbetreuungsauftrag er-füllen und Rechtsmittel für ihre Einrichtungen ergreifen müssen, so ist doch die politi-sche Intervention, wenn man faktisch das Problem lösen will, nicht deshalb zurück-zustellen, weil erst einmal für die nächsten Jahre die rechtlichen Verfahren laufen. Bei den Vorgängen, die es in jüngerer Vergangenheit gegeben hat – wenn man auf die Berichte abstellt, was auch noch beabsichtigt ist, soll es, um diesen Rechtsbruch sauberer auszugestalten, sogar noch Folgegesetzgebungen geben, die das im weite-

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr ren Vollzug glätten –, ist neben dem Aspekt, dass man nie weiß, wie viele Jahre rechtliche Instanzen das prüfen, die Einstandspflicht zwischen benachbarten und be-freundeten Staaten, auch die politische Intervention bis hin zu europäischen Instituti-onen, die da Mitverantwortung übernehmen können und dazu auch von uns aus Nordrhein-Westfalen aufgefordert werden sollten, meines Erachtens das Richtige.

Zweitens zur ökonomischen Betrachtung: Es war einer dpa-Meldung zu entnehmen, dass die Aufsichtsbehörden zwingend bei allen betroffenen Kreditinstituten – es gibt ja, wie Kollege Dr. Optendrenk angedeutet hat, nicht nur öffentliche, sondern auch private –, die sich mit diesen Fragestellungen im Hinblick auf Bilanzstichtage be-schäftigen, auch mit Aufhellungsverpflichtungen, wenn bilanzielle Abschlüsse für das letzte Jahr noch nicht gelaufen sind, aber mit den Kenntnissen von heute vielleicht anders bewertet werden müssen, die aufsichtliche Verpflichtung, in jedem Fall 50 % der Forderung abzuschreiben.

Ich kenne viele Einschätzungen aus Marktkreisen, dass man rein ökonomisch die Überlegung anstellt, die Sie angestellt haben, indem man die Haftungsmasse des Landes Kärnten in Relation zu dem Verpflichtungsumfang und gewissen Erlösen, die man für einzelne Portfolien noch erzielen kann, setzt, die von einer angenommenen Verlustwahrscheinlichkeit von mindestens zwei Dritteln der ursprünglichen Beträge ausgehen. Halten Sie das so für realistisch, dass zum heutigen Zeitpunkt, wenn nicht politisch eine andere Lösung – Intervention – gelingt, die Institute wahrscheinlich zwei Drittel des Nennwertes der Papiere werden abschreiben müssen?

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (FM): Ich teile die Auffassung, die Herr Opten-drenk deutlich gemacht hat, dass es wichtig ist, dass wir uns auch auf der politischen Ebene äußern. In der Öffentlichkeit habe ich das schon getan. Das gilt sicherlich auch auf der Ebene der Länder und des Bundes. Wir sitzen in der nächsten Woche in der Finanzministerkonferenz zusammen, wo ich dieses Thema vortragen werde. Ich finde es völlig richtig, dass wir das im Schulterschluss gemeinsam machen.

Was im Einzelnen noch zu befürchten ist, will ich jetzt nicht auch noch befeuern. Ich mache jetzt nicht „Dombret 2“, indem ich sage, ich rechne mit diesem oder jenem. Tatsache ist, dass wir hier über eine ziemlich große Masse reden, die sich auf einen relativ schwachen, kleinen Garantiegeber bezieht. Allerdings sage ich noch einmal: Es geht hier nicht nur um Kärnten, sondern am Ende auch um die Republik Öster-reich. Aber auch die hat nur ein Drittel der Einwohnerzahl von Nordrhein-Westfalen. Insofern ist das eine schwierige Situation.

Ich würde daraus jetzt nur keine Schlüsse ziehen, die am Ende zu der Feststellung Anlass geben könnten: Ihr habt ja ohnehin damit gerechnet, dass dieses oder jenes eintritt. Ich möchte, dass die ihren Verpflichtungen nachkommen. Dafür ist es wichtig, dass die Gläubiger den Schuldner verklagen. Das tun sie gerade. Die NRW.BANK kann sich jetzt auch noch nicht an das Land Kärnten als Garantiegeber wenden, sondern muss ihre Forderung erst einmal an die HETA stellen. Wir werden dann die Flankierung machen, dass nicht noch weitere Gesetze gemacht werden, die dazu beitragen, dass man sich noch weiter aus der Verantwortung stehlen kann. Das habe ich im Übrigen auch so deutlich gesagt, was in Österreich zu einigem Aufruhr geführt

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr hat. Aber ich war sicher nicht der Einzige. Das trifft in Österreich durchaus auch auf eine sehr kontroverse Diskussion.

Es handelt sich um ein Thema, bei dem nicht jedes Land nach Europa oder nach Ös-terreich geht. Das sollten wir in der nächsten Woche zusammen mit dem Bund be-sprechen, aber in ausreichender Deutlichkeit darauf hinweisen, dass es hier um mehr geht als das unmittelbar im Feuer Stehende und was das insgesamt für Kredit-konditionen weltweit bedeutet.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr 19 Faire Besteuerung ermöglichen und Existenz von Familienunternehmen in

Nordrhein-Westfalen sichern – Für eine zukunftsfeste und verfassungs-konforme Ausgestaltung der Erbschaftsteuer

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/8134

– Verfahrensantrag (Anhörung)

Vorsitzender Christian Möbius erläutert, dieser Antrag sei vom Plenum am 18. März 2015 zur federführenden Beratung an den HFA und zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk überwiesen worden. Ihm sei signalisiert worden, dass die FDP-Fraktion hierzu eine Anhörung wünsche. Diese sei zu terminieren, und es sei zu klären, ob ein Begrenzungsbe-schluss erforderlich sei.

Stefan Zimkeit (SPD) äußert, seine Fraktion wünsche einen Begrenzungsbeschluss und stelle einen Sachverständigen pro Fraktion zur Diskussion.

Ralf Witzel (FDP) fände zwei Sachverständige pro Fraktion sympathischer. Es sei ein wichtiges Thema für viele Bereiche der nordrhein-westfälischen Wirtschaft.

Der Ausschuss beschließt einvernehmlich, eine Anhörung durchzuführen und die Zahl der Sachverständigen auf zwei pro Fraktion zu begrenzen.

Der Termin werde noch festgelegt, bemerkt Vorsitzender Christian Möbius ab-schließend.

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Haushalts- und Finanzausschuss 16.04.2015 70. Sitzung (öffentlicher Teil) wr 20 Verschiedenes

Keine Wortmeldungen.

(Die Sitzung wird vertraulich fortgesetzt [siehe vAPr 16/43].)

gez. Christian Möbius Vorsitzender

24.07.2015/03.08.2015

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