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6 ÜBERSCHRIFT Am Tag vor dem 1. Einstein-Triathlon wurden die heißesten Temperaturen des gemessen. Doch sowohl die Veranstalter mit ihren über 600 unermüdlichen Hel Teilnehmer trugen alles dazu bei, dass die Triathlon-Premiere in Ulm und El Teilnehmer und rund 10.000 Zuschauer ein voller Erfolg war.

Laufmagazin 2015

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ÜBERSCHRIFTAm Tag vor dem 1. Einstein-Triathlon wurden die heißesten Temperaturen des ganzen Jahres gemessen. Doch sowohl die Veranstalter mit ihren über 600 unermüdlichen Helfern als auch die Teilnehmer trugen alles dazu bei, dass die Triathlon-Premiere in Ulm und Elchingen für fast 2000 Teilnehmer und rund 10.000 Zuschauer ein voller Erfolg war.

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Der zehnte Einstein Marathon, ein Jubiläum mit Rekordzah-len. Vor fünf Jahren ging ich hier schon einmal an den Start. Warum ich nicht öfters in dieser Stadt laufe, muss ich mich selbst fragen, zumal ich nur gut 100 Kilometer fahren muss. Aber 2014 wird hier das Zehnjährige gefeiert und der ASC Ulm/Neu-Ulm und die SUN Sportmanagement lassen es ordentlich krachen.

Ich bin ein Freud von Synergien. Am Tag vor dem Marathon findet noch in der Umgebung, genauer gesagt in Ichenhau-sen, das nur der einheimische Schwabe kennt, ein Ehemali-gentreffen meiner Soldatenkameraden statt. Und ich glau-be, da habe ich einige neue Leser gefunden. Besonders mein erster Kompaniechef Rudi Hartmann blieb der Mund offen, als ich erzählte, dass ich neben dem Marathonlaufen auch noch eine Kamera mitschleppe und einen Bericht verfasse.

Ein leckerer Schweinebraten ersetzt die Pastaparty. Da braucht man bloß unseren Mann mit dem Spitznamen „Ente cross“ fragen. Stimmt‘s Joe? In der Donauhalle (im Osten von Ulm, Böfinger Straße) können bereits am Samstag die Unterlagen abgeholt werden. Eine gar nicht so kleine Lauf-messe komplettiert das Angebot. Schon beim Abholen der Startunterlagen geht das Prozedere flugs vonstatten. Viele freundliche Helfer stehen parat und beantworten auch noch Fragen, wenn es sein muss. Für spezielle Auskünfte gehst du an den Info-Schalter. Wer noch Zeit und Muße hat, kann den inkludierten Pasta-Gutschein für eine Portion Spätz-le nutzen, die am Münsterplatz, dem morgigen Ziel aller Läufe, ausgegeben werden.Die Startunterlagen sind schnell empfangen. Der gelbe Chip kann gleich nebenan noch kon-trolliert werden. Was ist denn morgen alles möglich? Nun, neben dem Marathon auf einer großen Schleife sind ein Hal-ber (Laufen und Nordic Walking) sowie ein Fünf- und Zehn-Kilometer-Lauf möglich. Inliner und Handbiker gehen auf den Halbmarathon. Die Jugend- und Schülerläufe wurden bereits eine Woche vorher durchgeführt. Und da waren eini-ge Tausend Kinder unterwegs. Mit unserem Lauftag sollen es in Summe rund 20000 Sportler werden.

Eine Anreise mit dem Auto würde ich nur dem empfeh-len, der frühzeitig vor Ort ist. Ich komme zwar auch mit dem Auto, parke aber bereits einen halben Kilometer vor der Messe an einem Supermarkt, da sind nämlich noch Plätze frei. Die meisten Straßen jedoch schon dicht. Im Übrigen können die Teilnehmer die öffentlichen Verkehrsmittel un-ter Vorlage der Startnummer kostenlos benutzen. Und der Rücktransport vom Ziel ist ebenfalls gratis.Nachmeldungen können nur am Samstag für die an der Messe startenden Läufe getätigt werden. Wer sich auf den letzten Drücker für den Marathon entscheidet, legt 45 EUR hin und erhält die üblichen Dinge für den Lauf, zusätzlich Medaille, Urkunde (im Internet oder gleich nach dem Zieleinlauf), Massage sowie Baumwollshirt. Die Zeitmessung führt Mika-Timing durch.

Im Vorraum der Halle sehe ich die Luftballons für die Pacer. Da sind mehr als zehn Zeitläufer auf dem Halbmara-thon und Marathon eingesetzt. Ein paar Meter weiter steht die Augsburger Fraktion von Team Tomj. Ohne Bernie, denn der hat offenbar mehr am Trailrunning Gefallen gefunden. „Der ist nur noch da unterwegs. Was Flaches mag der nicht mehr!“ Die Kleidung kann in einige Lkws verladen werden. Die Rückgabe wird später im Umfeld des Ulmer Münsters unter Vorlage der Startnummer stattfinden.

Vor den Hallen der Messe sind die Startblöcke ausgeschil-dert. Mich zieht es jedoch schon an die Startlinie. Frühzei-tig höre ich die bekannte Stimme von Artur Schmidt, die Leichtathletik-Koryphäe am Mikrophon. Es werden einige Sportler, unter anderen auch Handbiker, von ihm vorge-stellt.

Doch dann kommt eine Neuigkeit. Ein Unfall auf der Do-naubrücke, wo unser Kurs drüber geht. Zehn Minuten Ver-zögerung. Später wird der Countdown angekündigt. Dabei bleibt es, denn der Startchef kommt angelaufen und schüt-telt den Kopf. Weiteres Warten.

Schließlich werden die Handbiker und Inliner mit einer gut 30minütigen Verspätung ins Rennen geschickt. Und wir werden bis zur Startlinie vorgelassen. Alles wartet auch das Kommando. Dann dürfen wir nochmals einige Minuten warten. Hunderte Männer erleichtern sich für ein kleines Geschäft an einer Hecke. Die Meute, die nicht muss, lacht.Mit einer 37minütigen Verspätung lässt man uns mit einem Knall aus der Startpistole und unter Konfettiregen auf die Strecke. Ich bleibe noch drei, vier Minuten an der Seite ste-hen, versuche noch den einen oder anderen Schnappschuss zu erhaschen und mache mich dann im Umfeld des 3.45er Pacers auch auf den Weg.Gerade im Umfeld der Messe sind noch viele Zuschauer vorhanden, doch schon nach wenigen Hundert Meter Laufstrecke sind wir auf der Thalfinger Ufer-straße allein unterwegs. Es ist nicht kalt, etwa 12, 13 Grad, aber keine Sonne, dafür Nebel satt. Aber windstill, gut für jene, die schnell laufen wollen.

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Schnell laufen wird man genau zur gleichen Zeit in unse-rer Bundeshauptstadt. Und da soll es in Rekordzeit ablau-fen.

Kilometer eins, jeder kann nun frei laufen, lediglich bei den Pacern ist noch leichtes Gedränge zu sehen. In Ober-talfingen, der ersten Ort auf der Uferstraße, kurz nach Kilo-meter drei stehen Anwohner an der Strecke und feiern den Marathon. Wahrscheinlich ist auf dieser Straße nur einmal im Jahr so viel Betrieb.

Am Ende der Ortschaft wechseln wir das Bundesland. Von Baden-Württemberg nach Bayern, du merkst das gar nicht. Kein Hinweisschild, nix. Und die Leute drüben wie herüben schwäbeln. Wenn die mal anfangen, dann ver-stehst du nix. Höchstens unser Bernie, oder der Greppi. Ja, ich weiß nicht, wie oft wir die Grenze hinüber und herüber-wechseln. Schon früher wurde hier und woanders ein klei-ner Grenzverkehr betrieben.

Dann sehen wir an einem Abzweig frische Ölflecken und Ölbindemittel auf der Straße liegen. Das dürfte der Unfall-ort sein, der uns die Verspätung bescherte. Zumindest gab es keine schweren Verletze, so die Info vor dem Start.Kilo-meter acht. In der Ortsmitte Pfuhl unterhält die örtliche Feuerwehrkapelle das Läuferfeld. Die erste Darbietung. Und haltet Euch fest, über 30 Bands und Tanzgruppen werden links und rechts der Strecke stehen und ihre Leistung er-bringen, so wie wir. So eine Dichte gibt es nirgends. Seit 60 Jahren gibt es den Klangkörper, der damals von einigen Feu-erwehrmännern gegründet wurde. Rund 40 Aktive stehen heute hinter den Instrumenten. Und der Nachwuchs steht auch schon in den Startlöchern. Dirigent Rainer Trometer (ohne p) geht noch einen Schritt zurück für ein passendes Bild.Ein paar Meter weiter steht an einer Ecke ein Vater mit vier Kindern, sie warten auf Mami und Schnucki. Er hat sich heute der Kinderaufsicht verschrieben und die Mutter hat Auslauf. Beim Striebelhof, einem Gehöft, muss ich lachen. Denn einer ist für jeden Scheiß zu haben. Der Michael lacht, als ich ihn für den Spruch anspreche. Oder heißt der Georg, denn vorne auf dem Shirt steht Bierschorsch.

Kilometer 10, jetzt laufen wir direkt an der Donau. Links sind geschätzte 20, 30 von Kindern selbst bemalte Trans-parente zu sehen. „Mama, schneller, schneller“ oder „Papa, flitz“ ist zu lesen. Auf der gesperrten Augsburger Straße nähern wir uns der Innenstadt von Neu-Ulm. Die Gruppe Farmer Sally unterhält mit Cover Rock.

Am Augsburger Torplatz sind noch Reste der Bundes-festung Ulm zu sehen. Man muss nur wissen, wo man hin-zuschauen hat. Die sogenannte Halbbastion 1 war Teil der Umwallung von Neu-Ulm. Sie wurde vor knapp 60 Jahren zum Zweck der Straßenverbreiterung bis auf wenige Reste abgebrochen. Die Staiger Guggabätscher spielen genau das, was ihr Name verspricht: schräg, schnell und rhythmisch, genau richtig für uns. Die Gänstorbrücke führt uns nach Norden zurück ins Ländle. Ein kleiner Grenzverkehr ist das nicht mehr. Und jetzt steigt die Stimmung, nein, die brodelt.Auf der anderen Straßenseite kommen die Läufer von der

ersten Ulmer Stadtrunde zurück. Die Kapellen, die hier un-terhalten, können wir auf dem Rückweg erneut hören. Die sind clever platziert. Rechts sehen wir das CongressCent-rum. Auf der Münchener Straße erreichen wir nach wenigen Minuten die St. Georgs-Kirche, die gerade außen renoviert wird. In den Jahren 1902 bis 1904 wurde sie als katholische Garnisonskirche errichtet.Durch das Zundeltor führt unser weiterer Weg wieder in die Innenstadt von Ulm. Das Tor wurde im 14. Jahrhundert als Teil der Befestigung erbaut. Links davon ist der Seelturm zu sehen, auch Zundeltorturm genannt. Benannt wurde der nach dem Seelengraben, einem Wassergraben, an dem früher sich Ordensschwestern um Kranke und Bedürftige gekümmert haben, um „arme See-len“. Im Turm wurde auch früher Zunder gelagert, das leicht brennbare Material, daher also der Name.

Ausgangs der Griesbadgasse, nun kurzzeitig Kopfstein-pflaster, kann man das Läuferfeld abermals in einem Gegen-verkehrsbereich beobachten. Und dann gleich nochmal auf der Gänstorbrücke. Im 18. Jahrhundert wurde dieser Über-gang immer wieder provisorisch durch einen Bau ermög-licht, meist, wenn die weiter westlich liegende Herdbrücke verbreitert wurde. 1910 wurde die jetzige Brücke nach lan-gen Verhandlungen über Finanzierung und der wechseln-den Verkehrsströme wieder neu errichtet. Die Band Ramba Samba macht hier Ramba Zamba, echt klasse, mit ihrem Trommelsound. Und, schwupps, sind wir wieder in Bayern.

Auf dem geteerten Uferweg fällt mir ein langhaariger, mit einem weißen Hemd bekleideter Läufer auf, der eine kleine Gitarre mitschleppt. Tobias Spöcker vom Radio 7 Laufteam gibt sich als Fan von AC/DC aus und wird im Ziel ein „High-way to Hell“ anstimmen.

An der Herdbrücke endet der zweite Ausflug in Neu-Ulm, wir wechseln wieder nach Ulm, die Stadt mit knapp 120000 Einwohner. Im Jahr 854 wurde die Stadt erstmals urkundlich als „Hulma“ genannt, war Freie Reichsstadt, ab 1802 bayrisch und wenige Jahre später württembergisch. Das Gebiet rechts der Donau verblieb damals in Bayern und entwickelte sich zu Neu-Ulm.

„Grüß Dich Anton“, höre ich dann vom Vanman Jochen Heringhaus übers Mikro und der schiebt gleich noch Infos über unser Portal nach. Durch den Zeitverlust ob meiner

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Beeindruckende Massenbewegung: Die Läufer und die begleitenden Radfahrer beim Start des Einstein-Marathons.

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Arbeit werde ich von einer Pacerin überholt. 1.55 Stunden zeigt ihr Ballon an. An der Tankstelle vorher gibt es bereits das volle Programm mit Wasser, Iso, Obst und später auch noch mit Cola, Riegel und Bier.

Nur wenige Schritte davon sehen wir den im Jahr 1360 erbauten Gänsturm. Damals wurden die städtischen Gänse zum Grasen auf die Wiesen vor der Stadt getrieben. Unser weiterer Weg führt dann durch Ulms Neue Mitte, wo uns dann die Sambaband Beo Beo die Rhythmen Brasiliens nahe bringt. Die drei angekündigten Tänzerinnen habe ich nicht gesehen, war es denen zu kalt? Kilometer 16. Weiter geht es mit der tollen Stimmung am Ulmer Rathaus im Herzen der Stadt. Natürlich stehen die Zuschauer dicht beieinander. Das Rathaus gilt heute wegen seiner Fresken und wegen der astronomischen Uhr als „Must See“ bei den Touristen und auch bei uns. Im 14. Jahrhundert wurde es erbaut und damals auch als Kaufhaus bezeichnet und benutzt. Eisen, Salz und später auch Fleisch gingen über den Tresen. Zwar wurde das Innere des Rathauses im Zweiten Weltkrieg zum großen Teil zerstört, doch das Äußere blieb stehen und so konnte in den ersten Jahren nach Weltkriegsende die Schä-den beseitigt werden. Die wichtigsten Ämter und der Ober-bürgermeister konnten 1951 wieder einziehen. Wir biegen auf die Herdbruckerstraße ein, im Hintergrund kann ich die Spitzen des Ulmer Münsters gerade im Nebel noch erken-nen. Wer weiß, ob die Suppe sich heute noch auflösen wird. Temperaturmäßig mit knapp unter 15 Grad sind die äuße-ren Bedingungen weiterhin klasse. Auf der Herdbrücke, wie-der ein Gegenverkehrsbereich, laufen wir nach Neu-Ulm.

Am Petrusplatz wartet Helles oder Weizen. Nein, nicht wie ihr denkt ein Ausschank edlen Getränkes aus Hopfen, Hefe, Malz und Wasser, sondern eine Band, die uns Rock, Balladen und Folk vorträgt. Und das in der Nähe der evan-gelischen Petruskirche, die 1863 errichtet wurde.

Ein paar Meter weiter sehen wir die katholische Kirche St. Johann Baptist, die nach Aussagen von Spezialisten in

expressionistischem Stil errichtet wurde. Wer will, kann in einem Spendentor ein kleines Schärflein für einen guten Zweck spenden. Ein Plakat spricht mir aus der Seele, es heißt: „Nach der Qual gibt’s Bier nach Wahl!“

Eine kleine Wendeschleife in der Augsburger Straße, die Tankstelle am Rathaus und noch mal die Petruskirche sind die nächsten Streckenteile. Dann laufen wir über das Do-naucenter ans Jahnufer. Und jetzt steigt nochmals die mu-sikalische Unterhaltung. Diesseits und jenseits der Donau ertönt Musik. Es scheint, als wolle jede Kapelle die andere in Punkto Lautstärke übertreffen. Gänsehaut pur. Wer so etwas erleben will, dem empfehle ich Ulm uneingeschränkt.

Nochmals laufen wir an den Schildern vorbei, die Kinder gemalt haben. Ich kann aber nicht sagen, ob die von vorher kurz eingesammelt und neu aufgestellt wurden, ist ja auch egal. „Bleib dran, der Wille versetzt Berge“, so heißt es. „Für Ulm‘s kleine Spatzen“, lese ich weiter, ein Verein, der sich die Aufgabe einer Unterstützung von Kindern in Notlage ins Handbuch geschrieben hat.

Am Steg bei der Adenauerbrücke überqueren wir ein wei-teres Mal die Donau. Nun laufen wir an der Nordseite der Donau entlang der Oberen Donaubastion und der Stadt-mauer. Musikkapellen im Abstand von 300, 400 Meter lassen die Luft beben. Dann heißt es Streckentrennung in 200 Meter. Die Halbmarathonis links, wir geradeaus. Helfer passen auf, dass keiner in die Irre geht.Unser Laufkollege und Reporter Andreas berichtet mir später über Mail, dass ich ihn in diesem Bereich überholt haben muss. Und keiner hat‘s bemerkt. Entweder ist es der mittlerweile gestiegenen Laufgeschwindigkeit geschuldet, ich gebe jetzt Gas wie eine Wildsau, oder der Andreas hat eine Pause in einer Wirt-schaft eingelegt. Hättest du mir den Fuß gelegt, hätten wir einen kurzen Ratsch gehalten.Das Feld dünnt sich gehörig aus, mindestens fünf zu eins.

Am Tag vor dem 1. Einstein-Triathlon wurden die heißesten Temperaturen des ganzen Jahres gemessen. Doch sowohl die Veranstalter mit ihren über 600 unermüdlichen Helfern als auch die Teilnehmer trugen alles dazu bei, dass die Triathlon-Premiere in Ulm und Elchingen für fast 2000 Teilnehmer und rund 10.000 Zuschau-er ein voller Erfolg war.

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Der schmale Uferweg, vorher mit den Halbmarathonis schon an der Kapazitätsgrenze, reicht nun dicke für uns Ma-rathonis, auch wenn die Schnellsten, darunter die 3.15er Gruppe mir schon entgegenkommen.

Kurz nach dem 21. Kilometer wird die Zeit genommen, einer im Feld redet etwas von 1.56 Stunden. Ich rechne kurz und denke, dass es heute mit einer 3.45 eng werden kann. Aber probieren will es schon noch, denn viele Fotomotive gibt es nicht mehr zu sammeln. Der Bayer sagt „a gmahde Wiesn“, was bedeutet, die meiste Arbeit ist getan.

Es folgt das gut vier Kilometer lange Pendelstück, das uns fast bis zur Donauhalle führt. Auf dem Grünstreifen sehe ich ein paar Schwäne. Mich reitet der Schalk, ich will einen übers Gefieder streicheln. Der Schwan faucht und läuft auf mich zu. Ich haue ab, denn die können zwicken. Frühzeitig kommt mir dann der 3.45er Zielläufer auf der anderen Sei-te entgegen, rund einen Kilometer ist er mit seiner Gruppe voraus.

Etwa bei Kilometer 22,5 ist die Wende, ein paar Helfer passen auf, dass wir nicht abkürzen. Es geht zurück. Ein paar Verrückte der Kreissparkasse Köln laufen auf der an-deren Seite noch in Richtung Wende. Die sind verkleidet wie Napoleon. Ja, heute laufen die Sparkassler ihre Meister-schaften über alle Distanzen aus. Deutlich über 2000 Ban-ker sind nach Ulm gekommen. Am Abend werden die noch eine Siegersause abhalten.Zurück an der Streckentrennung dürfen wir eine kleine Runde am Metzgerturm drehen. Der Turm ist ein noch heute erhaltenes Tor der früheren Stadt-mauer. 1340 wurde der 36 Meter hohe Turm errichtet. Und der ist, so sagt man, ganz schön schepps (schief). Über 2 Meter beträgt die Abweichung zur Senkrechten an der Spit-ze des Turms.

Nur der Schiefe Turm von Pisa ist noch ein wenig mehr aus dem Lot. Der Sage nach entstand die Turmneigung da-durch, als sich dort eingesperrte „wamperte“ Metzger aus Angst vor einer Strafe in die Ecke drängten, als der zornige Bürgermeister eintrat. Die haben minderwertiges Fleisch verkauft und das gute selbst gefressen.Auf unserer kurzen Runde sehe ich an der Musikschule den Ulmer Spatz, das Wahrzeichen schlechthin. Und dafür gibt es auch eine Ge-schichte: Beim Bau des Münsters hatten die Ulmer einen be-sonders großen und langen Balken angekarrt, mit dem sie nicht durch das Stadttor kamen. Als sie schon fast das Tor einreißen wollten, sahen sie einen Spatzen, der für seinen Nestbau einen Zweig längs im Schnabel hatte. Da ging ihnen ein Licht auf und sie legten den Balken der Länge nach auf den Karren.

Durch unsere Spritztour gewinnen wir ein paar Höhen-meter und laufen nun hoch oben auf der Stadtmauer. Unten sehen wie das hintere Feld auf der Halbmarathonstrecke auf ihrem letzten Kilometer dem Münster entgegeneilen. Uns führt nun die Strecke auf einem Radweg unter der Adenau-erbrücke und unterhalb des Galgenberges in die Donauau-en westlich der Stadt. Ein, zwei Personenzüge sind auf den Gleisen rechterhand unterwegs und von der Bundesstraße 311 hören wir Verkehrslärm. Auf der anderen Donauseite erkenne ich kurzzeitig einen Marathonläufer.

Kurz vor Kilometer 30 geht es an dem Donaukraftwerk über das Gewässer. Die folgende Trinkstelle ist wie ge-schaffen für mich, denn hier wird Bier gereicht. Da läuft es sich gleich leichter. „Du Temposau,“ ruft mir Charly Berger hinterher. Ein paar Minuten später laufe ich auf Kathrin Schramm auf, die auch schon mal für M4Y berichtet. „Du kommst wieder zu früh,“ muss ich mir anhören. „Und grüß mir meine Freundin Anja Völler, die ist weiter vorne.“ Mitt-lerweile haben wir den Ortsteil Wiblingen erreicht.Kilome-ter 34, vor dem Klostereingang sitzt einer der unzähligen Helfer. Stellvertretend für alle richte ich meinen und unse-ren Dank aus, dafür, dass er und seine Freunde den heuti-gen Sonntag für die ehrenamtliche Tätigkeit geopfert haben.Wir umlaufen den Klosterbau und biegen dann durch ein Tor auf den Klosterhof ein. Die im Jahr 1093 gegründete ehemalige Benediktinerabtei bestand bis 1806 und gehör-te am Ende zum österreichischen Haus. Herzog Heinrich nutze es fortan als Residenz. Den Wiblingern wurde es ver-boten, den Bau als „Kloster“ zu bezeichnen, „Schloss“ war die richtige Bezeichnung. Noch heute verläuft deswegen an Kloster eine Schlossstraße. Im 19. Jahrhundert wurde die Anlage Teil der Bundesfestung Ulm und daher immer wie-der als Kaserne benutzt.

Die Klosterkirche St. Martin wurde 1993 von Papst Jo-hannes Paul zur Basilica minor erhoben. Sie kann heute besichtigt werden und dient auch als Pfarrkirche für die Katholiken. Im Gebäudekomplex haben sich eine Akademie der Uni-Klinik und ein Altersheim niedergelassen. Es gibt auch ein Klostermuseum. Eine Tankstelle für uns ist eben-falls eingerichtet.

Unser weiterer Weg führt uns nun durch den Wiblinger Wald und zur Illerbrücke. Jenseits der Iller sind wir wieder in Bayern. Ich weiß nicht mehr, wie oft wir mittlerweile die Landesgrenze überschritten haben. Zwei, drei Kilometer verläuft nun die Marathonstrecke an der Iller entlang.

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Ich versuche nun, das Tempo hoch zu halten und glaube, dass bei jeder Laufgruppe nun endlich der 3.45er Zeitläufer dabei ist. Noch vor Kilometer 40 laufe ich auf Anja Völler auf, die mich gleich weiterschickt. Bei der letzten Versor-gung kommen die Helfer mit mir nicht ins Geschäft. Ich starte durch und laufe nun am Südufer der Donau durch die Halbbastion 9 mit dem Memminger Tor, einem Teil der Bundesfestung Ulm auf Neu-Ulmer Seite. Auf der anderen Donauseite befindet sich die Obere Donaubastion (Roxy).

Wir überqueren nun zum letzten Mal die Donau auf der Eisenbahnbrücke. Bei Kilometer 41 reiße ich eine gelbe Blu-me am Eisenbahndamm ab und stecke mir diese hinters Stirnband. Entlang am Duft- und Tastgarten springe ich zum Omnibusbahnhof und dann nach einer kleinen Berg- und Talfahrt an der Zinglerbrücke biege ich in die Fußgän-gerzone bei der Hirschstraße ein. Ich höre auf den letzten Metern Artur Schmidt am Mikrophon und erkenne der 3.45er-Pacer noch gerade am Auslaufen nach der Ziellinie. Es geht über die roten Matten. Hurra, wieder ist ein Ma-rathon Geschichte. Einer, den ich in guter Erinnerung be-halten werde.Ich fotografiere eine Weile und werde zweimal von einer Securitykraft gebeten, Platz zu machen. Der hat mit dem Laufen wohl wenig zu tun. DieVersorgungsstraße ist reich bestückt, so sagt man. Auch die Ausgabestelle für Freibierletschen wie mich. Zusammen mit zwei fränkischen Freunden sitze ich auf der Bank beim Hopfengenuss, bis ein total verschwitzter Kerl uns vor die Linse nimmt. Und dann sagt der Michael: „Schau mal, das ist ja einer von euch!“ Ja, es ist der Günter Schmidt, der meist den Ostteil unserer Re-publik abklappert. Damit hat er meinen Titel als Ostbeauf-tragter übernommen.Einig sind wir uns, dass der Einstein Marathon mittlerweile zu den großen Läufen gehört. Wer Musik und Stimmung will, wer an vielen Sehenswürdigkei-ten flanieren will, wer auch ruhige Streckenteile braucht, wer eine verrückte Streckenführung mag und wer das Ganze in eine familiäre Organisation verpackt haben will, der ist in Ulm richtig. Meine Empfehlung für den September 2015. Es muss ja nicht gleich der Marathon sein.

Am Tag vor dem 1. Einstein-Triathlon wurden die heißesten Temperaturen des ganzen Jahres gemessen. Doch sowohl die Veranstalter mit ihren über 600 unermüdlichen Helfern als auch die Teilnehmer trugen alles dazu bei, dass die Triathlon-Premiere in Ulm und Elchingen für fast 2000 Teilnehmer und rund 10.000 Zuschau-er ein voller Erfolg war.

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