Lautstark! #19 / Oktober 2011

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  • 8/3/2019 Lautstark! #19 / Oktober 2011

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    Lange galt in der Deutsch-

    schweiz Genf als eine linke

    Stadt mit vielen besetzten Hu-

    sern und kaum Problemen mit

    Rechtsextremismus. Nicht nur,

    dass inzwischen viele Huser

    gerumt wurden und sich die

    SVP auch in Genf etablierte es

    spriessen immer neue rechtsex-

    treme Gruppierungen hervor.

    Durch ihre Wahlerfolge hat es dierechtspopulistische Mouvement desCitoyens Genevois (MCG) zudeutsch etwa Genfer Brgerbewe-gung bis in die Schlagzeilen der

    Deutschschweizer Medien geschafft.So gelang ihnen im April 2011 durchihren Einzug in das Stadtparlamentvon Genf die langjhrige Mehrheitder Sozialdemokraten, Grnen undkleineren linken Gruppierungen zubrechen.

    Gepunktet hat die lokale Gruppie-rung, welche von einer Expansion indie ganze Romandie trumt, wie vie-le ihrer europischen Kameraden,mit Hetzte gegen Auslnder_innen.Speziell bei der MCG ist, dass sie vorallem auch gegen die Frontarliers die Grenzgnger, welche im nahenFrankreich leben und in Genf arbei-ten verbal schiesst, dies auch weil

    Auslnder, welche seit acht Jahre inGenf leben abstimmen knnen. Dawirkt sich Hetze gegen Auslnder_in-nen die in Genf leben weniger positivauf das Wahlergebnis aus als anders-wo.

    Obwohl die Postionen der Partei klarmit denen anderer rechtsextremerParteien vergleichbar sind, propa-giert die MCG, dass sie weder linksnoch rechts seien, sondern einfachfr Genfer sind.

    Dies gipfelt in einem weinerlichenAufruf des KantonsparlamentariersMonsieur Mauro Poggia, in dem erder Welt mitteilt, dass er es satt habe,als Faschist bezeichnet zu werden.Dies steht sogar prominent zuoberstauf ihrer Internetseite. Wir knnenihm nur raten, seine politischen Posi-tionen mit derer Rechtsextremen zuvergleichen und dann hoffentlich zuberdenken, aber solange dies nichtgeschehen ist, sagen auch wir: Fasci-ste!

    Weltuntergangszenen per Video

    In das einfache Weltbild der MCGpasst auch ein Video, das von der

    Jugendsektion der MCG produziertwurde. Es zeigt mit apokalyptischenBildern und dramatischer Musik einevllig stereotypische Drogenhandel-geschichte, in der die junge Drogen-abhngige stirbt. So weit so tragisch,kommt leider fters mal vor. Aber dieeinzige Lsung, die sie im Videoanbieten, ist eine bessere Grenzkon-trolle. So wre alles wieder in Ord-nung. Dass eine bessere Aufklrungoder Drogenanlaufstellen, welche das

    Leben htten retten knnen, der vondem MCG geforderten rigorosenSparkurs zum Opfer fiel, wird zyni-scherweise nirgends erwhnt.

    Der Erfolg des MCG erstaunt inso-fern, als dass die meisten anderenkleinen rechtsaussen Partien in denneunziger Jahren von der SVP aufge-saugt wurden. Und es ist nicht etwaso, dass die SVP im Kanton Genfweniger extrem wre. So schaltetensie Inserate in einem Abstimmungs-kampf um eine neue Eisenbahnver-bindung zwischen dem franzsischenAnnemasse und Genf zu verhindern,in welchem sie alle Einwohner undEinwohnerinnen der savoyischen

    Stadt als Racaille, also Gesindelbezeichneten. Dieses Wort drftensie der Wahlkampagne von NicolasSarkozy geklaut haben, der damit dieEinwohner und Einwohnerinnen derVorstdte beleidigte. In rassistischenund populistischen Belangen ist dieSVP also sehr europisch.

    Im Zuge des Erfolges der MCG willsich nun der ehemalige Nationalratder Schweizer Demokraten, Bern-hard Hess, mit ihnen und der Legadei Ticinesi verbnden um das ber-bleibsel seiner Partei zu retten.

    Jeunes Identitaires genevois eine Kopie aus Frankreich

    Mit durch ein Megafon kreischendenLauten, welche einen Muezzin nach-ahmen sollten, wollten einige Mitglie-der der jeune identitaires genevoisdie Anwohner des Genfer QuartiersLe-Petit-Saconnex fr die Minarett-initative gewinnen. In ihrem Kantonstimmte zwar im Gegensatz zur Rest-

    schweiz die Mehrheit nicht so, wie essich die Identitaires vorstellten. DieseAktion lenkte jedoch schweizweit denBlick der Medien auf diese kleineGruppe rechtsextremer Genfer undGenferinnen.

    Diese Gruppierung entstand inAnlehnung an die vielen regionalenIdenditaires-Gruppen in Frank-reich. Somit haben sie viel Kontaktins westliche Nachbarland und wer-den stark von dort beeinflusst. DerChef der Genfer Truppe, Jean-DavidCattin, der einen Bachelor in Wirt-schaft hat, ist als erster Nicht-Franzo-se im Vorstand des bloc identitairevertreten. Jean-David Cattin war

    auch Redner an einer Antiislamisie-rungsdemonstration am 14. Mai2011 in Lyon. Im Rahmen dieserDemonstration griffen Faschos vieleLinke und Auslnder_innen an, da-bei wurden duzende Leute teilweiseschwer verletzt. Passend dazu gratu-lierte Cattin, Oberleutnant derSchweizer Armee, in seiner Rede dengriechischen Neonazis, welche aufgrausamste Weise Mirgant_innen inAthen attackierten.

    Auch sie geben sich modern undsprechen um ihre Abneigung gegenandersfarbige Menschen kundzutunnicht mehr davon, dass sie die weisseRasse schtzen wollen, sondern frei

    AKW ADE

    Warum der Schrottreaktor Mhleberg noch immeram Netz ist und wer damit Geld verdient. schwinden.

    Christliche Rechte

    Christen fr die Wahrheit und Gesocks: Htte Ma-ria abgetrieben, wrt ihr uns erspart geblieben.

    Stagnation am rechten Rand

    Ein Blick auf das Jahr 2010 zeigt, dass die ExtremeRechte dahinsiecht whrend die SVP triumphiert.

    Liebe Leserin, Lieber Leser

    Wo wir stehen und gehen treffen wir in den

    letzten Tagen und Wochen auf Wahlplaka-

    te in sonderbarem Einklang. Von links bis

    rechts werden nationalistische Tne ange-

    schlagen: Fr die Schweiz Aus Liebe

    zur Schweiz und Wir kmmern uns um

    die Schweiz sind die Parolen des diesjhri-

    gen Wahlkampfes. Wenn man die mobilisie-

    rende und zerstrerische Kraft des Nationa-

    lismus nicht kennen wrde, knnte man sich

    eines fragen: Glauben die eigentlich wir sei-

    en schwer von Begriff ? Es ist doch klar, dasshier das Schweizer Parlament und nicht

    das deutsche, schwedische oder nigerianische

    Parlament gewhlt wird. Und wenn unbe-

    dingt fr die Schweiz warum eigentlich

    nicht fr die Menschen in der Schweiz?

    Die Kandidierenden wollen ganz offensicht-

    lich nicht fr Menschen jedenfalls nicht fr

    alle da sein. Mindestens zwanzig Prozent

    der Gesamtbevlkerung sind fr die Parteien

    momentan sowieso vllig uninteressant. All

    diejenigen ohne Schweizer Pass, die vom po-

    litischen System ausgeschlossen sind, fallen

    auch als potentielle Whlerinnen und Wh-

    ler weg. Und bei den restlichen achtzig Pro-

    zent sind die Parteien offenbar davon ber-

    zeugt, dass sich diese (wieder) einen starken

    Bezug zum Nationalen wnschen. Und ha-

    ben damit wahrscheinlich sogar recht. Hin-zu kommt eine Prise Opportunismus, eine

    Prise Werbestrategie und Prise eigene Angst

    vor der globalisierten Welt: Und schon ist

    die nationalistische Suppe wieder gehrig am

    kcheln. Alarmierend dabei ist, dass in die-

    sem Gebru mittlerweile Slogans und politi-

    sche Anliegen von sogenannten Mitteparteien

    vertreten werden, die frher noch ein Exklu-

    sivanliegen von Neonazis und Rechtspopuli-

    sten waren. Insbesondere in der Flchtlings-

    und Auslnderpolitik. So erstaunt es nicht,

    dass der Blick zurck auf das Jahr 2010

    (4 bis 6) vor allem deutlich macht, dass der

    hrteste Konkurrent (oder der engste Partner)

    der Neonazis je nachdem wie man es be-

    trachtete die SVP ist.

    Viel Spass beim Lesen!

    Antifa Bern

    Antifa Bern

    Postfach 5053

    3001 Bern

    [email protected]

    www.antifa.ch

    Editorial

    19

    Oktober 2011

    Seite 7Seite 4-6

    Rechte Renaissance in GenfMehrere Gruppen rechts der SVP probieren in Genf Fuss zu fassen

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    Ob es bei Erscheinen dieses

    Artikels die Mhleberg AUSsit-

    zen-Sitzblockade vor dem

    Schrottreaktor zwecks Verhin-

    derung der Wiederinbetriebs-

    nahme durch Blockierung der

    Revisions-, Nachrstungs- und

    Reparaturarbeiten noch gibt, ist

    unklar. Klar ist nur, dass das

    AKW Mhleberg wohl trotz gra-

    vierender Mngel, unsinnigen

    Flickarbeiten und mit dem

    zweifelhaften Segen des

    ENSIschon fast wieder am Netzist und dass am 28. September

    der Stnderat den vom Natio-

    nalrat beschlossenen (langfri-

    stigen) Atomausstieg wohl mas-

    siv verwssern wird. Und dass

    bis zum nchsten ENSI-Sicher-

    heitsnachweis-Termin im Mrz

    2012*ENSI, BKW und die Atom-

    lobby tun werden, was sie im-

    mer tun: Mhleberg aussitzen.

    Das einzig Schne am Schrottreak-tor Mhleberg und der herrschendenAtomenergie-Politik: Die Enthllun-gen, Skandale, Behauptungen undfaulen Ausreden sind trotz des ernstenHintergrundes eigentlich sehr unter-haltsam und berraschen selbst hart-gesottene AKW Gegner_innen immerwieder aufs Neue. In der Bananenre-publik der Energiekonzerne und derAtomlobby ist im Prinzip alles mg-lich. Der Aufsichtsbehrde, dem Eid-genssischen Nuklearsicherheitsin-spektorats ENSI, wird dabei die Rolledes zigarrenrauchenden und reden-

    schwingenden korrupten El Presiden-te in Gardeuniform zuteil, der sich wiein unzhligen miesen B-Movies vonden Energiekonzernen BKW, Axpo,Alpiq und der Atomlobby Luxus-Le-bensstil und Altersvorsorge finanzie-ren lsst und dafr die Bevlkerungmit Zuckerbrot und Peitsche inSchach hlt.

    Good News von BABS + Co.

    Doch es gibt auch gute Nachrichten:

    eine interdepartementale Arbeits-gruppe untersucht dieser Tage imLichte der Ereignisse in Japan, oballenfalls neue Notfallschutzmassnah-men im Falle eines AKW-Unfallsergriffen werden mssten. Anhandder geprften Unfallszenarien sollenKonsequenzen bezglich Zonenein-teilung, Evakuierungsplanungen undder Vorbereitung von Einsatzkrftengezogen werden. Whrenddessenber- und erarbeitet das BABS (Bun-desamt fr Bevlkerungsschutz) nachmehr als 40 Jahren Schweizer AKW-Betrieb Vorgaben fr die Evakuie-rung der Bevlkerung, die neu auchdie hunderttausenden Menschen derZone 2 (20km-Radius um AKW)bercksichtigen. Gemeinsam mit derETH Zrich simuliert das BABSgrossrumige Evakuierungenanhand von Computermodellen...

    Nach uns die Sintflut luftkom-paktgekhlt

    Whrend sich die Pro-AKW-Politi-

    ker_innen dieser Tage mit der Aus-sicht auf AKWs der 4. Generationtrsten auch bekannt als das Tho-rium-Mrchen und damit erneutversuchen, die Erneuerbaren Ener-gien zu sabotieren, werkelt und wur-stelt die BKW gedeckt und ermun-tert vom ENSI vor sich hin und amSchrottreaktor Mhleberg herum.Sie ergreift Hochwasserschutzmass-nahmen anhand eines veraltetenHochwasser-Szenarios, weigert sich(aus Kostengrnden), den pro forma

    mit Zuganker reparierten Kern-mantel mit Rissen zu ersetzen, basteltan einer untauglichen Notkhlwas-ser-Zufuhr und prsentiert diese alssinnvolle Lsung. Der als Notkh-lung gedachte Luft-Kompaktkhlerhngt an der gleichen Notstromlei-tung wie die Hauptkhlung und dieFrage, woher die mobilen Notfall-Wasser-Pumpen bei einem Hoch-wasser oder Erdbeben dass Wasserher nehmen wrden, wird mit demvertraueneinflssenden Satz Manwrde das Wasser dort nehmen, woman es noch findet, beantwortet...

    Geld und Prestige

    Der Reaktor soll wieder ans Netz koste es, was es wolle und wenn ntigauch halblegal. Die Chance auf eineLaufzeitverlngerung trotz gravie-renden Mngeln winkt verlockend.Kein Wunder, bei einem dank bun-desrtlichem Pseudo-Atomausstiegnoch fr mindestens 10 Jahre zu er-wartenden Jahresgewinn von plusmi-

    nus 100 Mio CHF, also grosszgigabgerundeten 250 270000 Fran-ken pro Tag... Das wre bis 2022 der vermutlich endgltigen Ausser-betriebnahme eine flotte MilliardeGewinn.

    Die BKW (ebenso das ENSI) inve-stiert aber nicht nur in den Schrottre-aktor, sondern auch in die eigene me-diale Vermarktung. Whrend sichdie BKW allein die PR-Arbeit imZusammenhang mit der Wiederinbe-

    triebnahme von Mhleberg zustz-lich mindestens 1,2 Mio kosten lsst,hat sich das ENSI einige neuePR-Leute geholt. Eine erfolgreicheStrategie: mit ganzseitigen Inseraten,neuen Internetauftritten und regel-mssigen Communiqus wird diegutglubige ffentlichkeit eingelulltund besnftigt.

    Mhleberg besetzen?

    Angesichts der Bedrohung fr ber500'000 Menschen aus den RegionenBern, Biel und Fribourg msstemensch ja eigentlich das AKW Mh-leberg besetzen und selbstbestimmtendgltig ausser Betrieb nehmen.Angesichts des mit Schusswaffen be-waffneten Werkschutzes ist das aberwohl keine so gute Idee. Deshalbmssen wir uns andere Strategieneinfallen lassen. Und vor allem vieleneue Leute motivieren, mitzuhelfen,Druck aufzubauen und den Druck zusteigern.Fokus Anti-Atom knnte neue, tech-

    nisch versierte und recherche-gedul-dige Mitglieder gebrauchen, die mit-helfen, technische Analysen zu ma-chen, Vortrge zu halten und dieskandalse Praxis der Atomenergie-konzerne, des ENSI, der Behrdenund der Atomlobby in der ffent-lichkeit zu thematisieren.

    Auch AKW-ADE und MhlebergAUSsitzen sowie andere Gruppenknnten Verstrkung gebrauchen,denn angesichts der herrschenden

    Realitt wird es in Zukunft wohlnoch viele Aktionen und einige Sitz-blockaden bentigen. Oder Artikelwie diese.

    Bleibt zu hoffen, dass das AKW ent-weder nie mehr ans Netz gehen darfoder sptestens Ende Mrz 2012 we-gen zu grosser Mngel wieder ausserBetrieb genommen wird. Das wreder Fall, wenn das ENSI korrekt ar-beiten und alles mit rechten Dingenzu und her gehen wrde. Aber b...

    AKW-ADE.CHAG Grindcore

    * Nachweis der Beherrschung des10000-jhrlichen Erdbebens undNachweis der Beherrschung derKombination von Erdbeben underdbebenbedingtem Versagen derStauanlagen im Einflussbereich desAKW.

    Rechtspopulismus Schweizlautstark! Ausgabe Nr. 19 Oktober 2011

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    nach Huntington, dass ihnen dieeuropische Kultur am Herzen liege.Sie waren es auch, die den jurassi-schen SVP-Nationalrat und Ex(?)-Neofaschisten Dominique Bttig2010 zum Identitaire-Treffen insprovenzalische Orange mitnahmen.

    Nach eigenen Angaben besteht dieseGruppe aus lediglich 25 Mitgliedern,deren Ziel es ist, alles nicht europ-ische auszuschaffen. Wrde man

    Jean-David Cattin, ein glhenderVerehrer der Mrchenfigur Winkel-ried, glauben, drfte dies kein Pro-blem darstellen, da die Schweizerein Volk von Krieger seien. Dies istein weiterer Beleg dafr, dass sie ineiner selbstkonstruierten Scheinweltleben.

    Erfolglose Wahlteilnahme

    Im April 2011 kandidierten zwei Per-sonen fr die Identitaires in der

    Genfer Vorstadt Grand-Saconnexfr das kommunale Parlament. Dochweder die 21-jhrige zweifache Mut-ter Megan Kelly, noch ihr 22-jhri-ger Lebenspartner Benjamin Perret,welcher sich im Wahlkampf selber alsAnstifter der weiter oben erwhntenMuezzinaktion bezeichnet, schafftendie Wahl. Benjamin Perret gilt auchals Mitbegrnder der Genfer Sektionder franzsischen Identitaires. Sie

    kandidierten fr die, aus der JeuneIdentitaire hervorgegangenen Mou-vement Identitaires Genevois. Wenndie nicht mehr bei den Jungen mit-machen, wie jung sind dann die Mit-glieder der Jeunesse?

    Da sind sie ihren Kameraden derPNOS, welche seit Jahren einenTrottel ins Langenthaler Parlamentschicken knnen, einen Schritt hin-terher. Sie arbeiten auch nur partiellzusammen und geben es auch nichtgerne zu. Dass eine Zusammenarbeitder beiden Grppchen existiert,musste sich das waadtlndischePNOS-Mittglied Phillippe Brennen-stuhl gegenber der WestschweizerTageszeitung le matin eingestehen.Speziell an den Aussagen ist, dassBrennenstuhl meint, der grsste Un-terschied sei, dass die PNOS in lnd-lichen Gebieten aktiv sei, die Identi-taires jedoch eine urbane Gruppie-rung darstellten.

    Ihr Ziel ist es nun, in Grand-Sa-connex eine Volksinitiative gegennach Mekka gerichtete Grabfelderzu lancieren, sich somit besser inder Stadt zu verankern um dannbei den kantonalen Wahlen 2013gewhlt zu werden. In diesem Jahrbleiben sie uns bei den National-ratswahlen erspart. In ihrem Hassfhlen sie sich scheinbar schon

    durch Tote bedroht und hetzen ge-gen Leichen.

    Eine Spezialitt der Identitaire-Be-wegung ist das Erffnen von vielenWebsites mit jedoch immer gleichemInhalt, sei es auf den einzelnen regio-nalen Seiten oder auf speziellenKampagnenseiten, wie die derAutre Jeunesse. Nicht nur onlinesondern auch mit ihrer CorporateIdentity wollen die Identitairesmodern wirken und so vor allem

    Jugendliche mit ihrer tdlichen Ideo-logie anstecken.

    Kleine unkonforme Ex-Red-skins

    Am 25. Mrz 2011 hielt GianlucaIannone als Vertreter des von italie-nischen Faschisten in Rom besetztenHauses Casa Pound einen Vortragin Genf. Dieser Vortrag wurde durchdie GNC organisiert, da zeigt sich

    schnell wer ihre Vorbilder sind. Siebrachte ausser einem kleinen Kon-zert, das auf Grund antifaschistischenDrucks in einem kleinen klandestinenKeller abgehalten werden musste,nicht viel zu Stande.Sie behaupteten bisweilen auch, dasssie ihrem italienischen Beispiel fol-gend, Huser besetzten. Diese Squatsexistieren zum Glck nur in denTrumen der Faschos.

    Die Gruppe besteht aus rund einemDutzend Neonazis, darunter sindeinige ehemalige Redskins, welche zuden Faschisten berliefen.Fr die Gruppe sprach am 8 Mai inFrankreich Christophe Sigg an derersten inter-national-Solidariste-Veranstaltung. Diese Tagung glie-dert sich an die alljhrlich am 9. Maiin Paris stattfindenden Nazidemo an.Sigg ist einer unter fnf Rechtsextre-men aus vier Lndern, die den drit-ten Weg feiern wollen. Sie konstruie-ren aus ihrer faschistischen Ideologieheraus eine Querfront um ihr anti-quiertes Weltbild zu kaschieren undsich als neue unverbrauchte Kraft zuprofilieren. Das Konzept des Ich-bin-weder-rechts-noch-links, wel-ches schon Benito Mussolini verwen-dete, scheint in der Calvinstadt envogue zu sein.

    Christophe Sigg zeichnet mit grosserWahrscheinlichkeit auch fr den

    Blog Cercle Futur, der den GNCnahe steht, verantwortlich. Erschreibt nicht nur viele Artikel, son-dern registrierte auch die Adresse desBlogs bei weiteren Blogsoftwarean-bietern auf seinen Namen. Auf denersten Blick sieht man auf dem Blogdie Links zu anderen faschistischenOrganisationen. Es sind vor allemfranzsische Gruppierungen, desweiteren verweist die Seite auch auf

    die PNOS und zur Homepage deserwhnten besetzten Hauses in Rom.

    Die Schreiber des Blogs sehen sich alsrechte Intellektuelle an, wohl weil siepro Artikel ungefhr drei Zeilenmehr als die PNOS schreiben kn-nen. Sie kleben deshalb ihre Flyer anWnde der Universitt und prsen-tieren stolz Bilder ihrer heroischenAktion im Internet.Aber in ihren Texten schreiben sievllig unwissenschaftlich. Sie bewei-nen einen bevorstehenden Unter-gang des Abendlandes. Und natr-lich fehlt auch hier die Prise Antise-mitismus nicht.

    Insgesamt nehmen die Aktivittenvon Gruppierungen rechts der SVPin Genf stark zu. Dies steht im Wi-derspruch zur Situation in derDeutschschweiz, wo die allmchtigeSVP alles rechts von ihr aufsaugt indem sie ihre Forderungen ber-

    nimmt oder sogar bertrifft.

    Es braucht in Calvingrad eine neueBewegung, die sich dem Vormarschder Rechten vehement in den Wegstellt.

    AKW MhlebergJusquici tout va bien in Zone 1 + 2

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    Seit Wochen macht es den Anschein, als werde dieSchweiz von einer Einheitspar-tei regiert. An jeder Strassenek-ke, jeder Bushaltestelle und anjeder grauen Mauer diktiert dieSchweizerische Volkspartei wasder Schweizer zu denken undzu whlen hat: Er muss dieMasseneinwanderung stop-pen!, das ist offenbar ein Be-fehl. Und er muss die SVP wh-len ...sonst passiert was? DassFrauen auch zum Urnengangzugelassen sind, ist der SVPdabei glatt entgangen.

    Dies ist aber auch der einzige Licht-blick im Dunkeln. Die Plakatoffensi-ve nervt gewaltig und konfrontierteinmal mehr mit der hetzerischen,selbstherrlichen und diskriminieren-den Politik der SVP. Und nebenbeifragt man sich, ob dem ein oder an-deren nicht doch noch ein Lichtleinaufgeht: Wenn diese volksnahePartei der kleinen Leute mitgeschtzten 15 Millionen Franken(die SP hat im Vergleich 1,5 Millio-nen fr den Wahlkampf zur Verf-gung) praktisch alle APG-Plakatwn-de ber Wochen aufkaufen kann.Aber Reichtum blendet und auf dieVernunft der Menschen ist leider

    auch kein Verlass.

    Kleiner Aufwand grosseWirkung

    Drum werden wir selber aktiv. Zutun gibt es genug. Diese Plakate sol-len nicht unkommentiert bleiben.Hierbei sind der Kreativitt keineGrenzen gesetzt. Die Aussagen vonWahlplakaten lassen sich meist mitkleinem Aufwand verndern.Manchmal reicht ein Wort, um den

    hetzerischen Inhalt in sein Gegenteilzu umzuwandeln. Mit Edding hinge-kritzelt oder mit eine Schablone auf-gesprht,. Vernderungsprofiskleistern vorbereitete Plakatstreifenpassgenau auf die Originalplakate, sodass der kleine Unterschied mit gros-ser Wirkung erst auf den zweitenBlick auffllt.

    Wenn du beispielsweise die Buchsta-ben Mas en- nw ung toppen rotbermalst, bleiben die Worte Seianders! brig. ber die PlakateSchweizer whlen SVP kann ein-fach ein Balken mit den Worten ich

    nicht!" geklebt werden. Oder manmache es so grndlich, wie die Mit-glieder der alternative Liste Schaff-hausen: Sie zogen mit Farbe undRollen los und haben die SVP-Plaka-te von oben bis unten komplett weissbermalt.

    Ideen zum Nachmachen findest duunter

    http://svpplakateverhunztexten.tumblr.com/

    Noch leichter geht es mit dem fixfer-tigen Kleberset (bestellbar unterhttp://www.halts-maul.ch), das denwahren Kern aus den SVP-Plakatenschlt: Massenverbldung stop-

    pen!.

    Halts Maul Schweizlautstark! Ausgabe Nr. 19 Oktober 2011

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    Massenverbldung stoppen!SVP Plakate verhunzen

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    Die SVP triumphiert, Europas

    extreme Rechte applaudiert.

    Und trotzdem sind die organi-

    sierten Neonazis weiter am

    Grbeln: Sie knnen aus dem

    generellen Rechtsruck in der

    Schweiz kaum Kapital schla-

    gen.

    Ein streng hierarchisch aufgebauter,leaderorientierter und eingespielterParteiapparat, eine prall gefllte Par-teikasse, eine fr Schweizer Verhlt-nisse ungewohnt aggressive und auf-dringliche Politwerbung und nichtzuletzt die Fhigkeit, die Mittel der

    direkten Demokratie geschickt alsDruckpotenzial und Mobilisierungs-moment zu nutzen: Dies sind dieErfolgsbausteine der nationalkonser-vativen und rechtspopulistischenSchweizerischen Volkspartei (SVP),die sich 2010 in blendender Verfas-sung zeigte und mit einem klugenAgenda-Setting sowie einem unver-blmt fremdenfeindlichen und natio-nalistischen Campaigning eines ihrerliebsten Agitationsfelder, die Asyl-und Auslnderpolitik, klar dominier-te. Mit durchschlagendem Effekt:52,9 Prozent der Schweizerinnenund Schweizer haben am28. November der vlkerrechtswidri-gen SVP-Initiative fr die Ausschaf-

    fung krimineller Auslnder zuge-stimmt. Whrend sich ChristophBlochers SVP in ihrem Erfolg sonnenund sich ein Jahr vor den National-und Stnderatswahlen als attraktiveSiegerpartei feiern lassen konnte,blieben der Linken und dem brger-lichen Lager nur das gemeinsameWundenlecken und der schmerzhafteAufarbeitungsprozess.

    Lob aus zweifelhafter Ecke

    Lngst verfolgt die extreme Rechte inEuropa die Erfolgsgeschichte derSVP mit Bewunderung und versucht,deren Polit-Rezepte zu kopieren.Gross waren die Begeisterungsstrme

    aus den Parteizentralen des franzsi-schen Front National (FN), der Na-tionaldemokratischen ParteiDeutschlands (NPD) und der Frei-heitlichen Partei sterreichs (FP)auch nach dem 28. November. DieFN-Chefin Marine Le Pen sah in derAnnahme der Ausschaffungsinitiative

    einen Sieg des Volkes ber die Eli-ten. Die NPD warb auf Flugbltternund Postkarten umgehend mit demVorbild Schweiz und dem Wahl-spruch Mit kriminellen Auslndernkurzen Prozess machen. Und derEU-Delegationsleiter der FP, An-dreas Mlzer, lobte: Den Schwei-zern ist zu ihrem Vorstoss im Frem-denrecht zu gratulieren.

    Auch das einheimische Politspektrumrechts der SVP jubelte oder klopftesich wie die Schweizer Demokraten(SD) ganz unbescheiden gleich selberauf die Schulter: Ohne unsere

    Untersttzung (die Schweizer Demo-kraten haben im Abstimmungskampfweit ber 200000 Sonderzeitungenzugunsten der Ausschaffungsinitiati-ve unter die Leute gebracht!) wredas Endergebnis wohl kaum so her-ausgekommen. Auch wenn die SVP-Direktion diese Tatsache vermutlichnicht wahrhaben will ist dies dieungeschminkte Wahrheit! Die Par-tei National Orientierter Schweizer(PNOS) freute sich ber das solide

    Ja und sah sich in ihren Positionengestrkt: Die Annahme der Initiati-ve ist ein deutliches Zeichen fr einUmdenken in der Auslnderpolitik,das sicher auch der Partei zugute-kommt. Die Gruppierung Jeunes

    Identitaires Genevois liess sich, befl-gelt vom Abstimmungsresultat, garzur folgenden Hetztirade hinreissen:Die aussereuropischen Migrations-strme sind zu stoppen. Die Schweizmuss die Bevlkerungsgruppen, diein der Schweiz niemals ihren Platzfinden werden, wieder in ihren Her-kunftslndern ansiedeln.

    bermchtige Volkspartei

    Faktisch ist die Luft fr SchweizerDemokraten, Autopartei, PNOS &Co. aber dnn geworden. EinzigeAusnahmen: die rechte ProtestparteiLega dei Ticinesi, die im Tessin seit1991 mehr oder weniger erfolgreich

    politisiert, und das MouvementCitoyens Genevois (MCG), das linkeSozialpolitik mit rechter Auslnder-politik kombiniert und seine Fhlervon Genf aus nun auch in andereKantone der Romandie ausstreckt.Die rechtsextremen und nationalisti-schen Kleinparteien und Splitter-gruppen haben angesichts der ber-mchtigen, mitglieder- und finanz-starken SVP wenig zu lachen undstemmen sich gegen den Absturz indie politische Bedeutungslosigkeit.Die rechtspopulistische Partei ber-trifft die extreme Rechte nicht seltenan Radikalitt und Tonalitt, kenntnur leichte Berhrungsngste undsaugt ungeniert auf, was am rechtenRand zu holen ist. Bereits im Jahr2000 gab Christoph Blocher in derNeuen Zrcher Zeitung diesbezg-lich den Takt vor: Wenn die brger-lichen Parteien richtig politisieren,darf es rechts von ihnen keine Parteigeben.Auch machen sich verschiedeneSVP-Exponenten kaum mehr die

    Mhe, sich ffentlich von Neonazisund Naziskins abzugrenzen oderlegen bei Auftritten im Ausland gar

    jede Scheu ab. Einige Beispiele: Ineiner im Februar lancierten und auchvon Bundesrat Ueli Maurer unter-zeichneten Petition zum Erhalt dertraditionellen Schlachtfeier in Sem-pach etwa betitelte die Luzerner SVPdie jeweils am Umzug mitmarschie-renden Neonazis grob verharmlo-send als friedliche und anstndige

    junge Patrioten. In der Debatte imLuzerner Kantonsrat Ende Januarhatte der SVP-Vertreter GuidoLuternauer sogar von guten Eidge-

    nossen gesprochen. Anfang Mrzprotestierte die Junge SVP KantonWaadt in Lausanne mit einer Kund-gebung zum Schutz unserer Leh-ren gegen die Ankndigung derLausanner Stadtregierung, jugendli-chen Sans-Papiers Lehrstellen in derVerwaltung zu ermglichen. DemAufruf folgten rund 20 Personen, dieHlfte davon waren Naziskins undMitglieder der Jeunes IdentitairesGenevois.

    Der Prsident der Jungen SVP Kan-ton Luzern, Anian Liebrand, bedientsich regelmssig krudester Neonazi-Rhetorik, so auch 2010: An der Dele-giertenversammlung der Jungen SVP

    Schweiz am 8. Mai in Luzern polter-te er in seiner Erffnungsrede gegenDrogenabhngige, Roma-Bettlerund weitere Fremdvlker, die dasLuzerner Stadtbild prgten. Mitpatriotischen Grssen versandte eram 18. August das neue Positionspa-pier seiner Sektion. Eine unappetitli-che Kostprobe des fremdenfeindli-chen Elaborats: Die unkontrollierteZuwanderung kulturfremder Ausln-der, insbesondere Muslime, fhrt zuParallelgesellschaften und Ghettobil-dungen und beschert unserem Landein immer grsseres Schlamassel.

    Mit einer Sprengfallen-Drohung undder Aussetzung einer Belohnung von

    500 Schweizer Franken hatte derVorsitzende der PNOS-Sektion Wil-lisau, Michael Vonsch, auf denFarbanschlag gegen das Winkelried-Denkmal in Sempach Ende Juni undden Klau eines dort niedergelegtenGedenkkranzes Anfang Juli reagiert.Sukkurs erhielt Vonsch umgehendvon der SVP: In der von Liebrandredaktionell betreuten ParteizeitungSVP Kurier war Simon Ineichen ebenfalls aus Willisau des Lobesvoll fr die PNOS, welche der Lu-zerner Justiz unter die Arme greift,das Denkmal zu wrdigen weiss undOrdnung und Sitte wieder hergestelltsehen will.

    Der Walliser Messias

    Der grsste Medienrummel war2010 zweifellos dem Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger gewiss,der mit seiner Anti-Islam-Haltunggerne auf Europatournee geht undsich dabei von seiner rechtsextremenZuhrerschaft wie ein Popstar emp-

    fangen und beklatschen lsst. Am9. Oktober hielt Freysinger im belgi-schen Parlament in Brssel ein Refe-rat mit dem Titel Der Islam eineBedrohung?. Als Trffner amteteFilip Dewinter, Prsident der rechts-extremen Partei Vlaams Belang. Am18. Dezember war Freysinger Star-gast am Pariser Kongress gegen dieIslamisierung unserer Vlker, zudem der franzsische neofaschisti-sche Bloc Identitaire geladen hatte.Er prsentierte sich dem Publikumals helvetischer Asterix und warn-te, dass die imperialistische Ideolo-gie des Islam in Europa auf eine

    geistige und spirituelle Wste stosseund deshalb ein leichtes Spiel habe.

    Und der SVP-Lehrer Freysinger hatfleissige Schler in seinem Heimat-kanton: Die beiden CO-Prsidentender Jungen SVP Unterwallis, Grgo-ry Logean und Patrice Thomas, nah-men am 2. November einenAnschlag auf eine Kirche in Bagdadzum Anlass, in einer Medienmittei-lung ein Monitorium fr die Ein-wanderung von Muslimen, die ausLndern kommen, in denen solchebarbarische Akte verbt werden, zufordern.

    PNOS:

    Zehnjhrige Kontinuitt

    Die extreme Rechte im engeren Sin-ne PNOS, Naziskin-Subkultur undder Kreis der Holocaustleugner schwchelte auch 2010 und besttig-te den bereits im Vorjahr diagnosti-zierten Trend zur Stagnation. Die im

    Jahr 2000 gegrndete PNOS kannfr sich zwar reklamieren, seit zehn

    Jahren ununterbrochen im Polit-Ge-schft zu sein eine Kontinuitt mithchstem Seltenheitswert innerhalbder Neonazi-Szene. Dennoch mach-te die rechtsextreme Partei, derenharter Kern aus einer Handvoll Akti-vistinnen und Aktivisten besteht, im

    Jubilumsjahr keine besonders gute

    Figur. Das sah ihr Vorstandsprsi-dent Dominic Lthard freilich zu Jahresbeginn anders. Der Gratiszei-tung 20 Minuten erklrte er voll-mundig: So stark wie jetzt waren wirnoch nie. Und: Wir sind jetzt deut-lich mehr Aktivisten, vor allem jungeLeute interessieren sich fr uns.

    Von diesem frischen Wind war spte-stens bei den Grossratswahlen EndeMrz nichts mehr zu spren: DiePartei war mit zwei Kandidaten(Dominic Lthard, Raphael Wrg-ler) und einer Kandidatin (DeniseFriederich), alle drei wegen Deliktenwie Landfriedensbruch oder Verstossgegen die Rassismus-Strafnorm vor-bestraft, in die Wahlen gestiegen, umsich fr eine konsequente Rckfh-rung krimineller Auslnder stark zumachen. Offensichtlich rechnete sichdas PNOS-Trio gewisse Chancenaus, wie die Januar-Ausgabe des Par-teiblatts Zeitgeist verrt: Es stehtausser Frage, dass es kein Ding derUnmglichkeit ist, einen der 160 Sit-

    ze () zu erringen. Der Wahlsonn-tag, 28. Mrz, brachte ein bsesErwachen: Die PNOS fuhr eine fetteWahlschlappe ein. Bloss 1,8 Prozent(Wahlkreis Oberaargau) bzw. 0,6Prozent (Wahlkreis Emmental) derWhlerInnen hatten ein Herz fr deneidgenssischen Sozialismus.

    Anfang Mrz wenige Wochen vorden Wahlen machte Lthard nichtgerade Werbung in eigener Sache:Als Snger der Band Indiziert ht-te er, der sich im Wahlkampf auffl-lig brav und bieder gab, am rechtsex-tremen No surrender-Konzert im

    Osten Deutschlands auftreten sollen.Die Polizei machte Indiziert einendicken Strich durch die Rechnungund lste den vom internationalenNeonazi-Netzwerk Blood &Honour organisierten Anlass kur-zerhand auf.

    Neues Fhrungsmodell unkonventionelles Directmar-keting

    Am 17. April hat die PNOS in derAlten Mhle in Langenthal ihre ersteGeneralversammlung abgehaltenund sich als Verein konstituiert. Dierund 30 Anwesenden verabschiede-ten die neuen Statuten, whlten

    Dominic Lthard zum neuen Partei-prsidenten und Denise Friederichzu seiner Stellvertreterin. Bislang hat-te ein Bundesvorstand mit drei bisfnf Mitgliedern die Geschicke derPartei geleitet ein offenbar wenigerfolgreiches Modell. Denn: Durchdie Umstrukturierung erhofft sich diePNOS, einen einschlgigen Kurs zufinden und diesen dann auch geradli-nig zu fahren.

    Im Frhling betrieb die PNOSzudem unkonventionelles, wennauch sehr zielgruppenspezifischesMitgliedermarketing: Rund 1000Schweizer Adressen hat ein Antifa-Hack gegen den Online-Versand des

    deutschen Nazi-ModeherstellersThor Steinar an die ffentlichkeitgezerrt. 600 von ihnen erhieltenWerbepost vonDominic Lthard, inklusive PNOS-Gadgets und Einzahlungsschein.Lthard suhlte sich danach in Selbst-geflligkeit: Die Rckmeldungenwaren enorm. Unser Medienspre-cher hatte Anfrage um Anfrage zubeantworten fast ausschliesslichpositive.

    Die PNOS instrumentalisiert denTag der Arbeit gerne fr ihre Zwek-ke, im Berichtsjahr jedoch mitbescheidenem Erfolg: Ein kleinesHufchen von PNOS-Aktivistenmachte sich am 1. Mai in Thun dar-an, anlsslich der offiziellen Gewerk-schaftsdemonstration Flugbltter zuverteilen. Die verhaftungswtigeThuner Polizei (Originalton PNOSBerner-Oberland) stoppte die Provo-kation unverzglich und hielt dieRechtsextremisten, die ihre Aktionzuvor auf Facebook vollmundig

    Jahresrckblick 2010lautstark! Ausgabe Nr. 19 Oktober 2011

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    Stagnation am rechten RandDie extreme Rechte der Schweiz im Jahr 2010

    2008er Wahlplakt der NPD

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    angekndigt hatten, mehrere Stun-den fest. Besser in Szene setzen konn-te sich der Basler PNOS-Sektionspr-sident Philippe Eglin, der am 1. Maials Redner an einer NPD-Kundge-

    bung im bayerischen Schweinfurtauftrat. Dabei soll er, so der Eintragin einem Neonazi-Forum, fr dieEinigkeit zwischen Deutschland,sterreich und der Schweiz einge-standen sein.

    Bildung fr Naziskins

    Ihren hohen Anspruch, als ernsthaftepolitische Partei aufzutreten und diezuweilen bierselige wie gewaltttigeNaziskin-Subkultur zu politisieren,versucht die PNOS, unter anderemmit Bildungsveranstaltungen einzul-sen. So auch am 6. Juni: Gemeinsammit ihrer Jugendorganisation, derHelvetischen Jugend (HJ), fhrte

    die PNOS-Sektion Berner Oberlandeinen Schulungsnachmittag zu denAufgaben und Pflichten eines natio-naldenkenken (sic!) Menschendurch. Der langjhrige Berner Neo-nazi-Aktivist und Kopf der vlkisch-heidnischen Avalon-Gemeinschaft,Adrian Segessenmann, hielt denrund 30 Zuhrerinnen und Zuhrerneine eigentliche Standpauke. EinAuszug: National denken, handelnund fhlen umfasst mehr als einabenteuerreiches Wochenende, derKonsum von Rechtsrock oder dasTragen szenetypischer Kleidung.Dasselbe Referat hielt Segessenmannam 24. Oktober auch an einemSchulungsnachmittag der PNOS-

    Sektion Schwyz in Goldau.

    Seit dem 6. Juni verfgt die PNOSber ein Infoportal fr den KantonZrich, das die Politik der PNOS inden bevlkerungsstrksten Kantontragen soll. Verantwortlich zeichnet

    Jrg Vollenweider, der, so diePNOS, weltanschaulich voll auf derLinie der Partei politisiert. Mit dem-selben Modell der Vorstufe zurSektionsgrndung ist die PNOS seitNovember 2009 auch im KantonAargau prsent.

    Sempach: Aufmarsch ohnePublikum

    Die PNOS nutzt offizielle Schlacht-und Gedenkfeiern gerne als Platt-form fr medienwirksame Auftritte.Der Kanton Luzern beschrnkte sei-ne Festivitten deshalb am 26. Juni inSempach auf einen schlichten Got-tesdienst. Dieses Trauerspiel wolltedie PNOS nicht auch noch durchihre Anwesenheit untersttzen und

    rief zu einer Ersatzveranstaltungauf. Rund 200 Neonazis marschier-ten am 3. Juli in totaler Isolationund bei widrigen Wetterbedingungen

    zum Winkelried-Denkmal, das

    wenige Tage zuvor mit roter Farbeversprayt worden war. Adrian Seges-senmann hielt eine Ansprache, dieAnwesenden sangen die alte Landes-hymne und legten einen Gedenk-kranz nieder den linke Aktivistin-nen und Aktivisten noch am selbenTag entfernten.

    Die PNOS antwortete mit einererneuten Kranzniederlegung, sekun-diert von der Kameradschaft Inner-schweiz, die ihrerseits in Sempacheine Flugblattverteilaktion startete. O-Ton: So nicht. Duldet keine linkenSchandtaten. Und: Der Vorsitzendeder PNOS Willisau, Michael Von-sch, liess sich in einer Medienmittei-

    lung vom 7. Juli zu einer blen Dro-hung hinreissen (siehe auch oben):Wir berlegen uns im nchsten Jahreine Sprengfalle an der gestoh-lenen Sache anzubringen. Auch kn-digte er an: Weiter werden Linksakti-visten in den nchsten Monaten imKanton Luzern nichts zu lachen ha-ben. Sie werden Sippenhaft berneh-men mssen. Die Luzerner Strafun-tersuchungsbehrden leiteten darauf-hin eine Voruntersuchung gegen diePNOS Willisau ein. Tage spter stell-te das Amtsstatthalteramt das Verfah-ren ein. Begrndung: Der TatbestandSchrecken der Bevlkerung seinicht erfllt.

    Keine gute Prognose frEglin

    Gerichtstermine waren auch 2010fester Bestandteil des PNOS-Jahres-

    kalenders. Am 22. Juli verurteilte dasStrafgericht Basel Philippe Eglinwegen Widerhandlung gegen dieRassismus-Strafnorm zu 90 Tages-stzen 120 Schweizer Franken.Eglin hatte im Juni 2009 das Tage-buch der Anne Frank als geschicht-liche Lge bezeichnet, die zur Ho-locaust-Indoktrination von Kinderndiene. Ein knapper Monat vor demviel beachteten Prozess war Eglin alsPrsident der PNOS-Sektion Baselzurckgetreten und hatte dem bishe-rigen Kassier Michael HerrmannPlatz gemacht. Ein fr die PNOStypisches Verhaltensmuster: IhreExponenten rcken oft in die zweiteReihe, sobald sie in ein Strafverfah-ren verwickelt sind und damit demParteiimage schaden. Eglin zeigtesich nach der Gerichtsverhandlungvllig uneinsichtig. Es sei traurig frdie Schweizer Eidgenossenschaft,dass man die freie Meinung unter-drcken lasse.

    Weitere bad news fr PhilippeEglin: Am 25. August schloss ihn der

    Jugendrat in Liestal von den Sitzun-gen des Baselbieter Jugendparla-ments aus. Begrndung: Eglins Ver-halten ausserhalb des Parlaments seinicht mit dessen Kodex vereinbar.Dieser besagt, dass rassistische undbeleidigende Statements in krassenFllen auch ausserhalb der Sitzungeneinen Ausschluss rechtfertigen.

    Rufst du mein Vaterland

    In gewohnten Bahnen verlief daszweite fixe Aufmarschdatum derPNOS. Gegen 150 Rechtsextreme

    weniger als auch schon spulten am8. August auf dem Rtli ihre Versionder Nationalfeier ab und missachte-ten einmal mehr die Hausordnungder Rtlikommission. Die Ingredien-zien der PNOS-Party, zu welcherdieses Jahr auch der Waldsttterbundgeladen hatte: Patriotische Reden,patriotisches Liedgut und dieErneuerung des Rtlischwurs. AlsRednerinnen und Redner tratenDani Herger, Vorsitzender derPNOS Schwyz und Exponent desWaldsttterbund, Roland Renggli,ehemaliges Mitglied des PNOS-Bun-desvorstandes, Jrg Vollenweider,der Betreuer des PNOS-InfoportalsZrich (siehe oben), sowie die PNOS-

    Vizeprsidentin Denise Friederichauf.

    Kein Aufwand gescheut: Ihr 10-Jah-re-Jubilum beging die PNOS ganz

    offiziell mit einem reich befrachtetenParteitag am 4. September in Biel.Die unter anderem vom JSVP-MannAnian Liebrand betreute Internetzei-tung info8.ch jedenfalls war inihrem Exklusivbericht hell begei-stert: Das abwechslungsreiche Pro-gramm liess die gegen 250 anwesen-den nationalen Herzen (aus demIn- und Ausland, d.A.) hher schla-gen. Der Reihe nach traten derPNOS-Prsident Dominic Lthard,Pascal Trost, einst Mitglied der Frei-heitspartei und der SVP und heuteVerantwortlicher des PNOS-Info-portals Aargau, sowie Robert Faller,Bundesgeneralsekretr der sterrei-chischen Nationalen Volkspartei(NVP) ans Rednerpult. Fr musikali-sche Unterhaltung sorgten die sd-deutsche Balladensngerin Tanjaund Frank Rennicke, der bekanntesterechtsextreme Liedermacher ausDeutschland und Mitglied der NPD.

    Am 1. Oktober sah sich die jubilie-rende PNOS bereits wieder in einschiefes Licht gerckt: Das UrnerObergericht besttigte ein erstin-stanzliches Urteil gegen MarkusMartig, einstiger Exponent derPNOS Emmental und Hammerskin,und berband ihm die Verfahrensko-sten von 4900 Schweizer Franken.Martig hatte in seiner Ansprache ander PNOS-Feier am 5. August 2007auf dem Rtli zuerst seinen Vorred-ner, den Westschweizer Holocaust-Leugner Philippe Brennenstuhl,gelobt und spter behauptet, die Ras-sismus-Strafnorm sei installiert wor-den, um eine geschichtliche Lge zusttzen. Das Landgericht Uri hatte

    ihn deswegen am 16. September2009 zu einer bedingten Geldstrafeund einer Busse verurteilt ein Ent-scheid, den Martig nun vor Oberge-richt vergeblich anfocht.

    Mssig erfolgreiche Trittbrett-fahrt

    Am 9. Oktober machte ein breitabgesttztes, berparteiliches Komi-tee (Eigenwerbung) aus PNOS,Autopartei und Schweizer Demokra-ten gegen den geplanten Bau einesMinaretts in Langenthal mobil undversuchte so, aus der aufgeheiztenStimmung im Oberaargau Profit zuschlagen: Der Kanton Bern hatte

    zuvor grnes Licht fr den Bau desMinaretts gegeben, da die Baubewil-ligung noch vor dem Minarettverboterteilt worden war. Die Akteure amrechten Rand blieben weitgehendunter sich. Rund 150 Personen,hauptschlich Neonazis und Nazis-kins, folgten dem Aufruf zur Kundge-bung. Neben PNOS-Chef DominicLthard wandten sich Markus Bor-ner, Prsident der Schweizer Demo-kraten des Kantons Basel-Stadt,Autopartei-Exponent Willi From-menwiler sowie Pierre Singer, ehe-maliges Mitglied der Freiheitspartei,per Megafon ans Publikum. AmSchluss der Kundgebung fegte Lt-hard mit einem Besen unter Applausfnf Papierminarette von einemroten Tablett mit Schweizerkreuz.

    Eine Aktion mit juristischem Nach-spiel: Eine Privatperson hat Lthardwegen Verstosses gegen die Rassis-mus-Strafnorm angezeigt. DieBegrndung: Dessen Handlung stelleein Plakat der Nationalen Front aus

    den 1930er-Jahren nach, auf dem eingrosser Besen unter dem Motto Wirsubern Juden, Freimaurer undLinke aus dem Land wischt. Im Jahr2003 war bereits die damalige PNOSAargau mit einer Adaption diesesPlakats in den Wahlkampf gestiegen.Nachtrag Mai 2011: Das Verfahrenwurde in der Zwischenzeit eingestellt.

    Zweite Wahlpleite

    Auch Dominic Lthards zweiter Ver-such 2010, ein politisches Amt zuergattern, war chancenlos: Der ange-peilte Sitz in der Roggwiler Bildungs-kommission blieb ihm verwehrt. DerPNOS-Prsident hatte sich vor denWahlen am 31. Oktober ganz un-verfnglich als Familienmensch,Musiker und engagiertes Vereinsmit-glied prsentiert. Die Biedermann-Masche zog nur mssig: 68 von 2664Stimmberechtigten warfen eineunvernderte PNOS-Liste ein, von

    anderen Listen erhielt Lthard 147Zusatzstimmen.

    Gegen 100 Rechtsextremistinnenund -extremisten beteiligten sich am13. November an der Schlachtfeier inMorgarten. Zum Heldengedenkenaufgerufen hatten PNOS und Wald-sttterbund. Im Schein der Fackelnergriffen Daniel Herger, PhilippeEglin sowie zwei Kameraden ausder Urschweiz das Wort. DerPNOS-Berichterstatter war nachvollendeter Eidgenossen-Huldigungganz entflammt: Nicht nur unsereFackeln brannten in einer sternklarenNacht, sondern auch unsere Herzennahmen das Feuer auf, das Feuer fr

    eine bessere Zukunft! Das angekn-digte musikalische Abendpro-gramm in Goldau bestritt dieRechtsrock-Band Indiziert umSnger Dominic Lthard.

    Naziskins:Gedenken, schulen, singen

    Still geworden ist es zumindest inder Schweiz um die beiden traditio-nellen Naziskin-OrganisationenHammerskins und Blood &Honour. Markant mehr Aktivittenentfalteten hingegen zwei Gruppie-rungen aus dem direkten Umfeld derPNOS: die Helvetische Jugend(HJ) und der Waldsttterbund. Die

    HJ lud am 13. Mai zum Plauschhor-nussen ins Emmental 30 Neonazisfrnten dem urschweizerischenMannschaftsspiel und am 6. Junizum Schulungsnachmittag ins Ber-ner Oberland (siehe oben). Am5. September gedachten ein DutzendHJ-Aktivisten im Berner Oberlandden gefallenen Berner OberlnderSoldaten des Ersten Weltkrieges.

    Der Waldsttterbund wartete inder zweiten Jahreshlfte mit einembunten Mix aus Gedenkanlssen,Vortrgen und geselligen Events auf.Am 3. Oktober fhrte er bereits zumdritten Mal in Stans eine Gedenkfei-er zum Franzosenberfall von 1798durch. Am 11. Dezember veranstal-tete er ebenfalls im Kanton Nidwal-den einen Vortrag zum ThemaEuropas Bedrohungen einst undheute, am 17. Dezember einenLieder- und Kameradschaftsabendin einer Waldhtte bei Kssnacht amRigi. Am 30. Dezember unternah-men Aktivisten des Waldsttter-

    Jahresrckblick 2010lautstark! Ausgabe Nr. 19 Oktober 2011

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    Philippe Eglin am 1 Mai 2011 im bayrischen Schweinfurt.

    Adrian Segessenmann (rechts) auf dem Weg zum Sempacher Denkmal

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    Jahresrckblick 2010lautstark! Ausgabe Nr. 19 Oktober 2011

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    bund einen fnfstndigen Nacht-marsch von Kssnacht am Riginach Sempach mit Zwischenstationbeim Schlachtfeld von 1386.

    Das Epizentrum der WestschweizerNeonazis lag auch 2010 in Genf:Hier waren es vor allem die JeunesIdentitaires Genevois, die sichimmer wieder in Szene zu setzenwussten. Am 23. Oktober trat ihrSprecher, Jean-David Cattin, alsRedner an einer rechtsextremenKundgebung in Paris auf. CattinsAuftritt an der Seine kommt nichtvon ungefhr: Die Gruppierung un-terhlt enge Beziehungen zu franz-sischen Gesinnungsgenossen. Am 16.November im Vorfeld der SVP-Ausschaffungsinitiative befestigtenMitglieder der Jeunes IdentitairesGenevois in der Nhe des Genfer

    Justizgebudes ein Transparent mitder Aufschrift Assez de juges laxi-stes! Oui aux renvois!.

    Erstmals in Erscheinung trat 2010mit diversen kleinen Aktionen dienational-revolutionre GruppierungGenve Non Conforme. Zwei Bei-spiele: Am 20. Oktober wollte dierund zwlf Mitglieder zhlende Cli-

    que in einer Genfer Altstadtbar eineRock n Roll Party veranstalten.Nach Medienberichten und Aufrufenzu Gegenprotesten wich sie in ein bis-lang unbekanntes Lokal aus. Am4. Dezember rief die Gruppe zu einerKundgebung gegen den Rassismusder Linken. Gemeinsam fr dieBefreiung der Vlker in Genf auf.

    Die rund zehn Teilnehmenden wur-den von linken Gegendemonstrantin-nen und -demonstranten erwartet und vertrieben.

    Rare Rechts-Rock-Konzerte

    Nazi-Rockers spielten 2010 hierbesttigt sich ein weiterer Trend vomVorjahr nur selten in hiesigen Fest-slen und Mehrzweckhallen auf.Zumindest die bekannt gewordenenKonzerte lassen sich an einer Handabzhlen. Am 16. Januar trat dieNeonazi-Band Vargr i Veum, diesich der altgermanischen Musik ver-schrieben hat, in ihrem Proberaumin Kradolf an einer von 70 Personenbesuchten Geburtstagsparty (sieheunten). Die Berner Rechts-Rock-Combo Indiziert, derzeit mehr mitFamilienleben beschftigt, brachte esauf zwei Auftritte: im Mrz in Wan-gen an der Aare und am 13. Novem-ber in Goldau (siehe oben).Unter Ausgewhlten Ereignissenlistet der Nachrichtendienst des Bun-

    des in seinem Jahresbericht 2010zudem ein Neonazi-Konzert am13./14. Mrz in Amriswil auf. Rund120 bis 150 Personen aus demIn- und Ausland besuchten den An-lass. Die Naziskins hatten den Party-raum unter dem Vorwand gemietet,ein Geburtstagsfest zu feiern. Dierechtsextreme Gruppe Noie Werteschliesslich, die zu den ltesten underfolgreichsten Nazi-Rock-BandsDeutschlands zhlt und sich 2010aufgelst hat, fhrt auf ihrer Websiteauf, am 23. April in der Schweiz auf-getreten zu sein.

    Ein Lebenszeichen von sich gaben2010 die Zrcher Rechts-Rocker vonAmok: Sie verffentlichten imHerbst ihren Zweitling Kraft ausdem Herzen. Produziert wurde dasAlbum, das mit Fr Blut und Bo-den auch eine Ehrung fr das Nazis-kin-Netzwerk Blood & Honourenthlt, von HRD Records aus

    Roggwil. Das Lied Rcken fr Rk-ken spielte Amok gemeinsam mitIndiziert ein. Zuvor, am 2. Juni,hatte das Amtsstatthalteramt Luzerndie vier 22- bis 29-jhrigen Band-Mitglieder wegen Drohung, ffentli-

    cher Aufforderung zu Verbrechenoder Gewaltttigkeit und Rassendis-kriminierung mit hohen Geldbussenverurteilt. Grund: Auf ihrem 2007erschienenen Album VerboteneWahrheit hatten sie den Rechtsex-tremismus-Experten Hans Stutzbeschimpft und bedroht und auchden Holocaust geleugnet.

    Erfolgreich etabliert hat sich der imBerner Oberland beheimateteOnline-Musikversand Holy WarRecords, der laut EigenwerbungMusik gegen den Zeitgeist feilbie-tet. Das breite Angebot von Rechts-Rock (Rock against Communism,RAC) ber Hard-Core bis zu Natio-nal Socialist Black Metal (NSBM) stsst offensichtlich auf eine hoheNachfrage. Viele der angebotenenCD-Titel sind ausverkauft. Wenigaufschlussreich ist der Blick ins Im-pressum des Versandes: Dort sind ein

    bislang unbekannter VereinMeinungs- und Redefreiheit inKunst und Medien und der PNOS-Aktivist Marcel Gafner bloss alsStrohmann? aufgefhrt, als Kon-taktadresse fungiert ein Postfach inBrienz. Holy War Records ist fe-ster Bestandteil der Oberlnder Neo-nazistrukturen. So trug der Musik-versand die Kosten des PNOS-Schu-lungsnachmittags am 6. Juni (sieheoben). Auch vertreibt er die deutsche

    Nazi-Rap-Aktions-CD Sprechge-sang zum Untergang, die PNOS-und HJ-Aktivisten seit letztem Herbstunter die Leute bringen.

    Licht aus bei Nazi-Treffs

    Treffpunkte und Versammlungsloka-le spielen eine eminent wichtige Rol-le bei der Bildung und Entwicklungvon Nazi-Subkulturen. Im Jahr 2010mussten gleich drei Neonazi-Projektedichtmachen zum Teil auch dankantifaschistischer Kampagnenarbeit.Ende Februar schlossen die Langen-thaler Behrden den Neonazi-TreffRAC-Caf auf dem Areal der ehe-maligen Porzellanfabrik. Das von derPNOS und Umfeld betriebene Lokalhatte monatelang viel rechtsextremesParty-Publikum angezogen und warauch zum Politikum mutiert dieNachbarn hatten sich wiederholtber den nchtlichen Lrm beklagt.Bis Ende Mrz musste die Thurgau-

    er Band Vargr i Veum ihren Pro-be- und Clubraum in einer ehemali-gen Teigwarenfabrik in Kradolf ver-lassen. Die rechtsextremen Musikerhatten das Lokal seit ber sieben Jah-ren gemietet. Mehrere grssere Par-tys mit Gsten aus dem In- und Aus-land brachten das Fass nun zumberlaufen. Dazu der Vermieter imSt. Galler Tagblatt: Nach denTreffen hatten wir die Gemeindebe-hrde am Hals. Zudem sind solcheMieter und die Schlagzeilen in denMedien eine negative Publicity frunsere Gewerbe- und Wohnliegen-schaft.

    Eine Premiere: Mit der Royal Aces

    Tattoo-Bar ffnete Mitte Mai inBurgdorf der erste ffentliche Treff-punkt fr Neonazis in der Schweiz.Die Fangemeinde der Bar auf Face-book sprach Bnde: Neben AdrianSegessenmann, Cdric Rohrbach,Schlagzeuger bei Indiziert, oderMichael Herrmann, Prsident derPNOS-Sektion Basel, zhlte auch dasPNOS-Fhrungsduo Dominic Lt-hard und Denise Friederich zumFreundeskreis. Sophie Gntensper-ger, die damalige Freundin des lang-

    jhrigen Burgdorfer Naziskins RetoSiegenthaler fhrte das Lokal, demauch ein Tattoo-Studio betriebenvom Rechtsextremisten ChristianRiegel angeschlossen war. Zwei

    Monaten nach der Erffnung warder Spuk bereits wieder vorbei: Nacheiner hartnckigen antifaschistischenGegenkampagne und zwei direktenAktionen schlossen die Behrden dasLokal aus Sicherheitsgrnden. Am19. Oktober wurde gegen SophieGntensperger der Konkurs erffnet.

    Seit Anfang September lockt inKleinbasel der auf Streetwear undKampfsportartikel spezialisierteShop Power Zone rechtsextremeKundschaft an: Mit Thor Steinarund Pro Violence hat er gleichzwei Nazi-Kleidermarken im Sorti-ment. Trotz teils militanter Gegen-proteste halten die beiden Shop-In-haber Benjamin Winzeler undLorenzo Zanolari weiterhin an ihremAngebot fest.

    Bist du ein Nazifeind?

    Auch 2010 zog die rechtsextremeSzene mit bergriffen, Spray-Aktio-nen und Wehrsportbungen die Blik-

    ke auf sich. Allerdings zhlte derNachrichtendienst des Bundes imBerichtsjahr nur 13 Flle rechtsextre-mistisch motivierter Gewalt einlangjhriger Tiefststand. Zwei An-griffe von erschreckender Brutalitttrugen sich gleich zu Jahresbeginnzu: Am 23. Januar schlugen dreirechtsextreme Hooligans in einemBerner Pub zwei andere Gstezusammen diese mussten in Spital-pflege gebracht werden. Bei zwei Be-teiligten nahm die Polizei Haus-durchsuchungen vor und stellte Waf-fen und Munition sicher. Mehrerevermummte Nazi-Skins verprgeltenam 30. Januar am Lismerball inSchwanden GL einen 20-Jhrigen,sie hatten ihn zuvor mit Bist du einNazifeind? angesprochen. DasOpfer musste mit Gesichtsverletzun-gen und einer Riss-Quetschwundeam Augen-Oberlid ins Universitts-spital Zrich eingeliefert werden. AufYouTube feierte sich der rechtsex-

    treme Klngel selbstbewusst alsDivision Glarnerland Combat 18

    Combat 18 war in den 1990er-Jahren als bewaffneter Arm des Neo-nazi-Netzwerks Blood & Honourbekannt geworden. Das Filmchen der Urheber hat es mittlerweile wie-der von der Plattform entfernt ent-hielt reichlich Nazi-Symbolik undwar mit einem Song der deutschenNazi-Rock-Band Landser unter-malt.

    Am 1. Mrz kam es in Basel zu einembergriff an einem dunkelhutigenAuslnder. Das Opfer der Aggressionwurde erheblich verletzt und musstehospitalisiert werden. Mindestens

    einer der beiden Angreifer ist ein po-lizeilich bekannter Rechtsextremist.Mitte Oktober schlugen Nazi-Skinsin der St. Galler Metzgergasse mitFusten grundlos auf mehrereSchwarze ein, die in der Bar nebenihrem Stammlokal verkehrten. DieSchlgerei, bei der auch die Ein-gangstre der Bar zertrmmert wur-de, war der traurige Hhepunkt eineswochenlang schwelenden Konflikts.Am 2. November griffen mehrereNeonazis in Genf drei Personen an,die am Rande eines Streitgesprchszwischen Flavio Pelli und ChristophBlocher gegen die SVP-Ausschaf-fungsinitiative demonstrierten. DiePolizei nahm zwei Angreifer fest.

    Relativ hoch war 2010 die Anzahlder publik gewordenen Sprayereien.Anfang Mai verbten Neonazis einenSpray-Anschlag auf die neue maze-donisch-orthodoxe Kirche in Trien-gen. Sie brachten Hakenkreuze undeinschlgige Zahlencodes an, einmaldie Zahl 88 (steht fr Heil Hit-ler), einmal 848 (Heil Dir Helve-tia). Auch demolierte die Tter-schaft das automatische Fensterff-nungssystem der Kirche. Am16. Oktober sprhten Unbekanntean diversen Orten in der BrigerInnenstadt Nigger und SiegHeil. Mitte Dezember hinterliessenGesinnungsgenossen in Moosleerauihre Spuren: Sie verschmierten eineBushaltestelle und deren Umgebungmit Zeichen und Parolen, darunterauch mit Hakenkreuzen. ber dieFesttage schliesslich drangen rechts-extreme Jugendliche in eine Liegen-schaft in Meisterschwanden ein: Siebeschdigten Fensterschieben undhinterliessen Sprayereien: die

    Inschrift NSDAP, ein Hakenkreuzund die Waffen-SS-Runen.Die Affinitt der Neonazis zu Waffenund Kampfsport manifestiert sichimmer wieder auch in Wehrsport-bungen und Kampftrainings. Am25. April beispielsweise spielten ineinem Kieswerk im Kanton St. Gal-len neun Rechtsextreme Softair.Dabei kmpften mit Druckluftwaffenausgerstete Teams nach militri-schen Szenarien gegeneinander.

    Holocaust-Leugner:Fleissige Editoren

    In die Jahre gekommen: Dem kleinenKreis der Schweizer Holocaust-Leugner ist es zuletzt kaum gelungen,sich zu erneuern. Einige der zentra-len Figuren drften bald das Zeitlichesegnen der Lausanner PublizistGaston-Armand Amaudruz etwa fei-erte 2010 seinen 90. Geburtstag und damit ihre kruden Theorien mit

    ins Grab nehmen. Weiterhin gibt dieSzene emsig und regelmssig Periodi-ca und Schriften heraus: den Cour-rier du Contintent (Gaston-ArmandAmaudruz) beispielsweise, Le pam-phlet (Claude und MariettePaschoud) oder auch Recht + Frei-heit (Ernst Indlekofer). Es ist einWirken im Stillen die Publikationenerreichen nur ein eng begrenztesPublikum.

    Wider den american way of life:Ein neues Bettigungsfeld schuf sichim Berichtsjahr Bernhard Schaub alsMitbegrnder der EuropischenAktion. Die Bewegung fr ein frei-es Europa mit Zentralsekretariat in

    Regensdorf und Sttzpunkten indiversen Lndern will die US-hrigeEU durch eine Europische Eidge-nossenschaft ersetzen, die Europawieder zum handelnden Subjekt stattzum Spielball der Weltpolitik ma-chen wird. Reichlich rger hatteSchaub 2010 privat: Die Freie Wal-dorfschule Schopfheim schloss imNovember seine beiden Kinder Si-gurd und Solveig fristlos vom Unter-richt aus. In einem offenen Briefverlor Schaub die Contenance,er betitelte die anthroposophischenSchulleiter unter anderem als links-alternatives kryptomarxistischesPack.

    Problematischer Gast: Ende Junihielt sich der britische Bischof undHolocaust-Leugner Richard Wil-liamson im Unterwallis auf. Er nahmim Weiler Ecne an Priesterweihender erzkonservativen Pius-Bruder-schaft teil. Gegenber einem schwe-dischen Fernsehsender hatte Wil-liamson 2008 den Massenmord anden Jdinnen und Juden whrendder NS-Diktatur stark relativiert:Ich glaube, es gab keine Gaskam-mern. Das deutsche AmtsgerichtRegensburg hatte ihn deswegen zueiner Busse von 10'000 Euro verur-teilt.

    Aufkleber der Jeunesse Identitaire Genve

  • 8/3/2019 Lautstark! #19 / Oktober 2011

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    Am 17. September 2011 mar-

    schierten rechtskonservative

    Abtreibungsgegner_innen durch

    Zrich. Kurz darauf am

    24.09.2011 besuchte Papst

    Benedikt XVI. die Stadt Freiburg

    im Breisgau. Diese geballte Pr-

    senz christlich-fundamentali-

    stischer, rechtskonservativer

    Krfte im ffentlichen Raum

    soll deshalb zum Anlass genom-

    men werden, einen kritischen

    Blick auf das von ihnen gepre-

    digte Weltbild zu werfen.

    Das Hauptanliegen des Marsches

    fr das Leben das Verbot derAbtreibung ist per se bereits frauen-feindlich. Es leugnet die Entschei-dungshoheit einer Frau ber ihrenKrper und damit deren Recht selbstber Schwangerschaft bzw. denUmgang mit einer ungewollten Schwangerschaft bestimmen zu kn-nen. Stattdessen sollen Frauen ge-zwungen werden bei einer Schwan-gerschaft in jedem Fall ein Kind ge-bren zu mssen, ungeachtet derKonsequenzen und Einschrnkun-gen, welche fr eine Frau damit ver-bunden sind. Dass Mnner, welchein aller Regel bei einer Schwanger-schaft nicht ganz unbeteiligt gewesensind, sich meist einfacher aus der Af-

    fre ziehen knnen, wird wie vielesandere dabei gerne unter den Tep-pich gekehrt. Die Tatsache, dass derlegale Schwangerschaftsabbruch eineder zentralen Errungenschaften derFrauenbewegung ist und damit eine

    jartausendealte Praxis aus dem Um-feld von Illegalitt und Pfuschereibefreit werden konnte, interessiertdabei nicht. Die 68er Bewegungmuss vielmehr als Sndenbockund Ursache aller gesellschaftlichenDegeneration der modernen Zeithinhalten.Aber nicht nur das Selbstbestim-mungsrecht heterosexueller Frauenwird von solchen Kreisen gerne mitFssen getreten. Auch Menschen, die

    sich nicht in das vorherrschendeheteronormative Rollenbild einfgenknnen oder wollen, sind diesenLebenschtzer_innen ein Dorn imAuge. Die Organisation Christenfr die Wahrheit (cft), welche zu denOrganisatorinnen des Marsches frdas Leben gehrt, schreibt auf ihrerHomepage: Nachdem Homosexua-litt bis in die 1970er-Jahre noch alspsychische Strung gegolten hatte,beugte sich die [...] AmerikanischePsychiatrievereinigung APA 1973dem jahrelangen massiven Druck derHomosexuellenlobby und entferntediese Diagnose ohne jegliche wissen-schaftliche Grundlage aus ihrerListe. Die Stigmatisierung homose-xueller Einstellung als psychischeKrankheit wird dabei gerne zu einemAkt der Frsorge und Nchstenliebeerklrt: Dies fhrte [...] dazu, dasshomosexuell empfindende Menschenheute kaum mehr Hilfe erhalten (esist ja keine Strung mehr) [...]. Die-se Verklrung von Homophobie zueiner Haltung von Verstndnis und

    Toleranz spottet jeder Beschreibungund ist nichts anderes als ein Affrontgegenber allen Menschen, welchenicht in das konservative Bild derlebenslangen, heterosexuellen Paar-beziehung passen (wollen).Ein weiterer wichtiger Organisatordes Marsches fr das Leben ist derZrcher SVP-Hardliner DanielRegli, Prsident der Schweizeri-schen Familienlobby. Ein Mann,dessen homophobe Einstellung schonfast misssionarischem Eifer geprgtist. So kmpfte er an vorderster Frontgegen die Durchfhrung der Euro-Pride 2009 in Zrich und brachte

    damit selbst seine eigene Partei, wel-che ja nicht unbedingt durch Weltof-fenheit besticht, in Erklrungsnot-stand.

    Patriarchal und Rckstndig

    Nicht nur Abtreibungen werden vondiesen christlichen Hassprediger_in-nen bekmpft, nein allgemein zeich-net sich ihr Frauenbild durch seit lan-gem veraltete Ansichten aus, diebereits im 18. Jahrhundert von fort-schrittlich denkenden Menschen wie etwa Olympe de Gouges ange-prangert wurden. So propagiert dieArbeitsgruppe Jugend und Fami-lie, eine weitere Organisatorin des

    Anti-Abtreibungsmarsches, ein Fa-milienbild, welches sich am bestenmit dem Leitspruch: Frauen zurckan den Herd, zusammenfassenlsst Orginalton: Wir wenden unsgegen den schleichenden Zwang sei-tens des Staates und der Wirtschaft[...] Mtter zur Aufnahme einer aus-serhuslichen Erwerbsttigkeit zu n-tigen.Nicht nur ausserhusliche Erwerbst-tigkeit von Frauen sind fr dieseOrganisation unchristliche und abzu-lehnende Missstnde einer dekaden-ten Gesellschaft. Auch Prostitution,an Perversitt grenzende HIV-Auf-klrungskampagnen und die staatli-che Drogenabgabe werden explizit

    kritisiert. Dass die Doppelmoralchristlicher Kreise (Ablehnung derVerhtung mit Kondomen durch diekatholische Kirche, unrealistischeForderung lebenslanger treuer Part-nerschaften, etc.) nicht unwesentlicheFaktoren fr die Existenz dieserMissstnde sind wird dabei geflis-sentlich ignoriert. Solche Propagan-da erweckt vielmehr den Eindruck,dass gewisse Kreise wohl lieber Sn-der_innen exorzieren, als gesell-schaftliche Probleme pragmatisch l-sen wrden.Einen weiteren traurigen Hhepunktaufklrungsfeindlicher, religiserVerwirrung postulierten die oft Ende2007. Im Artikel Wenn Gott keinenPlatz mehr haben soll, wurde dieEntfernung der Schpfungslehregemss der Bibel aus dem naturwis-senschaftlichen Unterricht des Kan-tons Bern angeprangert. Gleichzeitigwurde dabei der Kreationismus (Leh-re von der Entstehung der Weltgemss der Bibel) zu einer wissen-schaftlichen Ansicht hochstilisiert.

    Ein pseudowissenschaftlicher Erkl-rungsversuch, welcher der Realittnicht standhalten kann. So leugnenviele Kreationist_innen nicht nur dieExistenz der Dinosaurier, nein auchden Neandertaler kann es nichtgegeben haben. Die Bezeichung derbiblischen Schpfungslehre als daswas es ist, nmlich eine religiseFabel, und deren Verbannung indas entsprechende Unterichtsfach(Religion) kann von diesen religisenSpinner_innen nicht akzeptiert wer-den.

    Islamfeindlich und Antisemi-

    tisch

    Die stets propagierte Toleranz ge-genber verschrobenen religisenAnsichten endet jedoch sptestensdort, wo diese nicht mehr mit christ-lichen Werten und der Bibel alsQuelle begrndet werden. Whrenddie rechtskonservative ChristenlobbyZetter und Mordio schreit, wennchristliche Eltern ihre Kinder nichtmehr von gewissen Schulfchern dis-pensieren lassen knnen, fordern siegleichzeitig insbesondere gegenberdem Islam eine Haltung der Nulltole-ranz.In der letzten Ausgabe der Schwei-zerzeit, dem Hetzblatt von SVP-

    Hardliner Ulrich Schler, verteidigtDaniel Regli seinen Parteikollegenund Gesinnungsfreund in SachenIslamophobie, Oskar Freysinger. Mitder Diffamierung zweier Tagesanzei-ger-Journalisten als kommunistischeSchreibtischtter und Wortklauberei-en versucht Regli dabei die islam-feindliche Haltung von Freysingerschnzureden. Interessant ist auchdie Tatsache, dass Menschen, welcheimmer gegen die Frauenbewegunghetzen, pltzlich zu entschlossenenFrauenrechtler_innen werden, solan-ge damit antiislamische Propagandabetrieben werden kann. So berechtigtKritik am politischen Islam und sei-nen Auswchsen auch ist, so unsg-

    lich ist im Gegenzug die oft prakti-zierte Gleichsetzung von Moslemund Fromm und die Ignorierungforstschritlicher Strmungen inner-halb des Islams. So erfreuten sich bei-spielsweise Jd_innen und Christ_in-nen in moslemischen Lndern einergewissen gesicherten Existenz undReligionsfreiheit, whrend Ketze_in-nenverfolgung und Hexenwahn inEuropa Alltag waren.Zur Abgrenzung vom rckstndi-gen und menschenfeindlichen Islamwird gerne auf die abendlndischeKultur verwiesen, den Bronn vonAufklrung und Zivilisation. EineArgumentation, welche anGeschichtsrevisionsimus wohl nurnoch durch die Leugnung der Scho-ah berboten werden kann. Mit der-selben Argumentation (Verbreitungder Zivilisation) wurde schliesslichauch der Kolonialismus und dieUnterdrckung der halben Weltdurch europische Besatzungsmch-te gerechtfertigt. Ebenfalls gerne Ver-schwiegen wird der Fakt, dass zur

    abendlndischen Kultur auchKreuzzge, die Zwangschristianisie-rung Spaniens und insbesondere derchristliche Antijudaismus, der Vor-lufer des- und ein zentraler Faktorfr den nationalsozialistischen Ras-senantisemitismus, gehrt. Derchristliche Antijudaismus ist dabeiauch Hauptursache fr unzhlige an-tisemitische Pogrome und die Jahr-hundertelange Marginalisierung undStigmatisierung jdischer Menschenin Europa. Unter diesen Vorausset-zungen unkritisch eine abendlndi-sche Tradition als Mass aller Dingezu beschwren, kann deshalb mit

    gutem Gewissen als strukturell antise-mitisch bezeichnet werden.

    Und was sagt der Papst dazu?

    Aber nicht nur einige verquereLebensschtzer_innen propagierendieses rechtskonservative, christlich-fundamentalistische Weltbild. Auch

    Joseph Ratzinger, besser bekanntunter seinem Knstlernamen PapstBenedikt XVI., vertritt eine Weltvor-stellung, welche an Rckstndigkeitschwer zu berbieten ist. Das Ober-haupt der katholischen Kirche pre-digt seinen Schflein Werte, welchesich ohne Probleme mit denjenigender Lebenschtzer_innen messen

    lassen, diese in einigen Punkten sogarnoch negativ berbieten. Im rechts-konservativen Mnnerbund derkatholischen Kirche kommt JosephRatzinger eine besondere Rolle alsVertreter der fortschritsfeindlichstenElemente innerhalb dieser Institutionzu. So erschien ein Artikel Ratzingersmit dem Titel Freiheit und Wahr-heit im Buch 1848 Erbe und Auf-trag, publiziert vom extrem rechtenAula-Verlag. Herausgeber des Wer-kes ist unter anderem Otto Scrinzi,ehemaliger SA-Sturmfhrer. Auchsonst ist das Autorenverzeichnis eineArt Hall of Fame deutschsprachigerRechtsextremer. Zitiert wurde Rat-zingers Beitrag etwa von Holocaust-

    leugner Horst Mahler im Prozess ge-gen einen anderen Holocaustleugner.Vor seiner Wahl zum Papst, war Rat-zinger jahrelang Chef der Glaubens-kongregation (Nachfolgeinstitutionder Inquisition) und bekmpfte indieser Funktion die lateinamerikani-sche Befreiungstheologie, eine gesell-schaftkritische, sozialistische Str-mung innerhalb der katholischenKirche. Ebenfalls in seiner Funktionals Chef der Glaubenskongregationunterzeichnete Ratzinger 2005 eineVerfgung, welche Menschen, dieentweder Homosexualitt praktizie-ren, homosexuelle Tendenzenhaben oder eine sogenanntehomosexuelle Kultur untersttzen,von Priesterseminaren und und denheiligen Weihen ausschliesst.

    Auch die Sympathie Benedikt XVI.fr Faschist_innen aus aller Welt istnicht zu leugnen. Im Oktober 2007sprach er 498 Franco-Anhnger se-lig, die Heiligsprechung weitere Fa-schisten, wie etwa diejenige von Pius

    XII. (Papst von Mussolinis Gnaden)ist in Vorbereitung. Lebende Faschi-sten sind beliebte Gste, wie etwa derkroatisch-faschistische Snger MarkoPerkovic im November 2009.In Sachen Antisemitismus ist Ratzin-ger sogar noch eine Stufe schlimmer,als die Lebenschtzer_innen. Mitder Wiedereinfhrung der lateini-schen Messe 2007 wurde auch die

    judenfeindliche Karfreitagsfhrbittefr die perfiden Juden (Oremus etpro perfidis Judae)? wieder einge-fhrt, wobei das perfide nach Prote-sten gestrichen wurde. Dieses Gebetist nicht nur aufs tiefste antisemtisch,

    sondern war auch hufig Auslser frantijdische Pogrome. Ein weitererMeilenstein in dieser Richtung warauch die Wiederaufnahme derrechtsextremen Piusbruderschaft inden Schoss der Mutter Kirche im

    Jahre 2009. Die Piusbruderschaftwidersetzt sich nicht nur denBeschlssen des 2. VatikanischenKonzils, in welchem nach dem zwei-ten Weltkrieg eine Wiederannh-reung der katholischen Kirche anandere Religionen insbesonderedas Judentum beschlossen wurde,sondern beherbergt auch bekennen-de Holocaustleugner, wie etwaRichard Williamson in ihren Reihen.

    Fazit

    Fr alle Menschen, welche sich aufdie fortschrittlichen Errungenschaf-ten christlich-jdischer Tradition(Aufklrung, etc.) beziehen, stellt dieExistenz dieser rechtskonservativenund rckstndigen Fundamentalist

    _innen nichts weniger als eine Belei-digung dar. Ihre vorsintflutlichenAnsichten und emanzipationsfeindli-chen Forderungen mssen entschie-den bekmpft und ihr christlich-reli-gises Deckmntelchen fr die vonihnen gepredigte rechtsradikaleScheisse in der ffentlichkeit zerissenwerden. Selbstihr eigener Anspruch,die Verteidiung fortschrittlicher

    abendlndischer Errungenschaftengegen die islamistische Bedrohung,ist zum Scheitern verurteilt. Denn dieBekmpfung der menschenverach-tenden Ansichten des politischen Is-lams wird niemals mittels einer Ideo-logie gelingen, welche sich nur in ein-zelnen Details (wie den konkretenStrafen fr dieselben Snden oderder maximalen Anzahl zu unterdrk-kender Ehefrauen) von den Ansich-ten etwa der Taliban, unterscheidet.Keine religise Ausrede auf dieserWelt rechtfertigt die UnterdrckungAndersdenkender oder die Indokriti-nierung von Menschen mit solchenWertvorstellungen. Religise ber-zeugungen sind Privatsache undhaben weder im ffentlichen Raumnoch in der Schule oder anderenskularen Institutionen etwas zusuchen.

    Christliche Rechtelautstark! Ausgabe Nr. 19 Oktober 2011

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    Htte Maria abgetrieben,wrt ihr uns erspart geblieben!

  • 8/3/2019 Lautstark! #19 / Oktober 2011

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    Antirep DemoAm Samstag, 4. Juni 2011, mobili-sierten mehrere Gruppierungen freine Anti-Rep-Demo in Bern. Nacheinem lautstarken Umzug durch dieStadt wurde die Demo in der unterenAltstadt eingekesselt, mit Gummi-schrot, Trnengas und Pfeffersprayangegriffen und ber Stunden in der

    Junkerngasse eingekesselt. Die Fol-gen von dieses Angriffs: zahlreicheverletze Demonstrantinnen und De-monstranten. Rund 200 Personenwurden anschliessend auf den Poli-zeiposten im Neufeld gebracht. Dortangekommen mussten die Gefange-

    nen bis zu vier Stunden gefesselt imKastenwagen warten. Sie konntenwhrend dieser Zeit weder auf dieToilette gehen, noch etwas trinken.Diese garstigen Umstnden zeigen,dass der Widerstand gegen die staat-liche Repression berechtigt und ntigist.

    Der Menschenrechtsverein AugenaufBern hat aufgrund von Berichten vonBetroffenen die Geschehnisse doku-mentiert und verlangt nun mittels ei-ner Aufsichtsbeschwerde eine Unter-suchung der Geschehnisse, insbeson-dere der Amts- und Machtmissbru-che.

    Mal richtig abschaltenVom 11. - 13. Juni 2011 hiess es inBern und Mhleberg mal richtigabschalten. Mit Konzerten, Slam

    Poetry, Comedy, Workshops und Fil-men am Pfingstfestival vor der BKWsowie drei Velokarawanen aus denRestrisiko-Regionen Bern, Bielund Fribourg an die Grossdemon-stration vor dem AKW Mhlebergunterstrichen die AktivistInnen undSympathisantInnen der AKW-ADE-Mahnwache beim ViktoriaplatzBern, ein weiteres Mal ihre Forde-rung :sofortige und endgltige Aus-serbetriebnahme des in die Jahre ge-kommenen flut- und erdbebenunsi-cheren AKW Mhleberg. Hhe-punkt dieses Politwochenendes warzweifelsohne die Velo-Karawanen

    nach Mhleberg. ber 3500 Perso-nen folgten dem Aufruf und radeltennach Mhleberg um ihren Missmutgegenber dem maroden Kraftwerkauszudrcken.

    Ganz Fest gegen RassismusAm Samstag, 10. September 2011,verwandelte der als Familien-Festgetarnte SVP-Wahlkampfpropagan-da-Aufmarsch auf dem Bundesplatzdie Berner Innenstadt in einen tem-porren Polizeistaat. ber 1000 Poli-zistInnen und Polizisten schtztenden Anlass der fremdenfeindlichenSVP. Jeglicher Protest gegen diemenschenverachtende Politik der

    SVP wre wohl umgehend im Keimerstickt worden. Unzhlige jungeMenschen und Leute, die nicht in dasSchema der Polizei passten, wurdenkontrolliert, wahlweise mit einer

    schriftlichen oder mndlichen Weg-weisung aus der Stadt verbannt.Nicht so in der Reithalle: Die Reit-schule und halts-maul.ch organisier-ten das Ganz Fest gegen Rassis-mus, eine Gegenveranstaltung zumnationalkonservativen Familien-fest. Zahlreiche Workshops, Vortr-ge, Konzerte und feines Essen wurdeden Gsten geboten. Ein gelungenerMix aus Politik und Kultur. Das Festwar ein voller Erfolg.

    Big City Kick Bern vom24. September 2011Am Samstagnachmittag, 24. Septem-ber 2011, versammelten sich rund 50Menschen, um fr einmal nicht aufRasen, sondern auf Asphalt zu kik-ken. Dafr bot sich die Neuengasse inBern mit ihren zwei Toren die Ein-gnge von Mc Donalds und BurgerKing bestens an. Gespielt wurdemit Softbllen, um keinen grsserenSachschaden zu provozieren. Zieldieser spielerischen Aktion war es,den Konsum in der gesamten Gasse,vor allem in den zwei genanntenLokalen, einzuschrnken, bzw. zuverunmglichen. PassantInnen soll-ten dazu animiert werden mitzukik-ken, statt ihren Teil zum Produkti-ons- und Konsumkreislauf beizutra-

    gen

    Mhleberg wieder am NetzAm Montag 26. September 2011

    wurde der Schrottreaktor Mhlebergwieder hochgefahren und an dasNetz geschlossen. Trotz gravieren-den Mngel an den Sicherheitssyste-men und breitem Protest in der Be-vlkerung will die BKW mit demSchrottreaktor den Aktienindex wie-der auf Kurs bringen.Gut 400 Personen trafen sich spon-tan vor der Heiliggeistkirche in Bern.Die Demo fhrte via Bundesplatzzum Viktoriaplatz, dem Hauptsitzder BKW. Die Forderung der De-monstrantInnen war klar: Schrot-treaktor Mhleberg sofort wiedervom Netz!

    Schluss mit der HeucheleiUnter diesem Motto demonstriertenam Samstag 1. Oktober rund 5000Personen gegen die Haltung derschweizerischen Politik gegenberSans-Papiers: Einerseits nimmt manihre Arbeit gerne in Anspruch, ande-rerseits werden ihnen die Grundrech-te offiziell verweigert. ber 100'000Personen leben in der Schweiz in die-ser Situation. Im Anschluss an diefriedliche Demo fand auf der Scht-zenmatte ein gut besuchtes Openairunter dem Motto Grenzen sprengenstatt.

    Was bisher geschahlautstark! Ausgabe Nr. 19 Oktober 2011

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    Kapital dem Kampf!Zaster, Kohle, Money... Auch wir kommen leider

    nicht ohne aus. Das Magazin lautstark!, die Web-

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