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Legal Persons – â€K¤mpfe“ und die organisationale Form

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Thomas Matys

Legal Persons – „Kämpfe“ und die organisationale Form

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Thomas Matys

Legal Persons – „Kämpfe“ und die organisationale Form

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Klaus Türk

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Bibliografi sche Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Dissertation Bergische Universität Wuppertal, 2011

1. Aufl age 2011

Alle Rechte vorbehalten© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Lektorat: Dorothee Koch | Sabine Schöller

VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.www.vs-verlag.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspei-cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-531-18343-5

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für Luca Marie

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Geleitwort Die Entstehung und Entwicklung von Organisation als eine historisch spezifische und zunehmend dominante Form der Regulierung menschlicher Kooperation hat zwar frühe Wurzeln im Altertum und in bürokratischen Großreichen der Antike, ist aber bezüglich wesentlicher Strukturmerkmale auf die Frühe Neuzeit des Abendlandes und dann insbesondere nach der sog. „Dekorporierung“ auf das 19. Jahrhundert zu datieren. Keineswegs verläuft die Entwicklung konfliktfrei; viel-mehr handelt es sich um eine umkämpfte Form, was heute weitgehend in Verges-senheit geraten ist, zu selbstverständlich ist den Menschen der Gegenwart „Orga-nisation“ geworden. Dies gilt insbesondere für die Konstruktion von Organisati-on als ein eigenständiges Gebilde, das losgelöst von konkreten unvertretbaren Subjekten existiert und selbst Träger von Handlungen, Rechten und Pflichten sein kann und insofern den Status einer Person erhält. Insbesondere in den Verei-nigten Staaten von Amerika, die durch eine stark am menschlichen Individuum orientierte Weltauffassung gekennzeichnet waren und sind, musste diese Perso-nenform irritieren. Vor diesem Hintergrund ist die Befassung mit der Konstituti-onsgeschichte der „legal person“ in den USA, die ja nichts weniger bedeutet als auch Organisationen die verfassungsmäßigen Grundrechte – ggf. auch gegen die natürlichen Personen – zu gewähren, hoch interessant und für das Verständnis der modernen Gesellschaft unverzichtbar. In einer Reihe von diesbezüglichen Gerichtsprozessen werden vor dem Hintergrund zunehmender Macht und Rele-vanz von Großunternehmen solche Fragen von Thomas Matys verhandelt. Letzt-lich setzt sich die heute gültige Konstruktion der „Juristischen Person“ durch, die in Deutschland sogar durch das Grundgesetz explizit geschützt ist. Der Verfasser widmet sich also einem hochgradig interessanten und relevanten Thema anhand einer hoch komplexen empirischen Materie. Die Arbeit zeigt in aller Deutlich-keit, dass man mit nominalistischen Definitionen des Phänomens „Organisation“ nicht weiterkommt, sondern den Gehalt des Konstrukts „Organisation“ nur empi-risch-historisch erfassen kann. Dies materialreich überzeugend entfaltet zu haben – darin liegt der wesentliche Ertrag der Untersuchung von Thomas Matys. Der Verfasser hat damit auch eine Grundlage für weitere Forschungen geschaffen. Der Arbeit wünsche ich die verdiente Aufnahme in die sozialwissenschaftlichen Diskurse.

Klaus Türk

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Vorwort

„Ich geh’ meine eigenen Wege, ein Ende ist nicht abzusehen. Eigene Wege sind schwer zu beschreiben, sie entstehen ja erst beim Gehen!“ (Heinz Rudolf Kunze, 1992)

Dieses Buch stellt eine unwesentlich überarbeitete Fassung der Dissertations-schrift dar, die ich im Oktober 2010 am Fachbereich Bildungs- und Sozialwis-senschaften der Bergischen Universität Wuppertal eingereicht habe. Beides hätte allerdings nicht zustande kommen können ohne die Hilfe einiger zentraler Perso-nen, denen hier zu danken ist: Ganz besonders herzlich möchte ich Herrn Prof. Dr. Klaus Türk danken. Nicht nur viele wichtige inhaltliche Hinweise in Bezug auf Konzeption und Forschungszuschnitt dieser Arbeit verdanke ich ihm; beson-ders dankbar bin ich Herrn Türk für sein stetes Zuverfügungstehen und seine Art der Ermunterung. Diese war – und das hat bei mir im wahrsten Sinne des Wortes „nachhaltige“ Wirkung hinterlassen – immer mit einer strengen sachlichen Kritik verbunden; es war eine durchaus harte Schule in Sachen Stringenz, Kohärenz und Konzentration auf das Wesentliche. Des Weiteren danke ich Herrn Prof. Dr. Wieland Jäger für die Bereitschaft, diese Arbeit ebenfalls zu betreuen und zu begutachten. Für Hinweise wissenschaftlicher Art danke ich v. a. Dr. Klaus Kuh-nekath: Sein analytischer Blick war mir stets eine große Hilfe. Auch Dr. Michael Bruch, Prof. Dr. Martin Endreß sowie Dr. Monika Lengelsen sind für korrigie-rende Hinweise zu danken. Für das Korrekturlesen und für Formatierungshilfen bedanke ich mich bei Kerstin Drewe und Agnes Dobrowolski.

An dieser Stelle soll auch nicht meine Familie vergessen werden, der ich ebenfalls herzlich danken möchte; ein ganz besonders lieber Dank geht an meine Frau – Simone: sine qua non!

Wuppertal im Juni 2011

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Inhaltsverzeichnis Geleitwort ............................................................................................................. 7 Vorwort ................................................................................................................. 9 Inhaltsverzeichnis ............................................................................................... 11

Einleitung ............................................................................................................ 15

1. Organisation in der modernen Gesellschaft .................................................. 27

Vorbemerkung ............................................................................................... 27 1.1 Organisation als historisches Phänomen ............................................... 28 1.2 Die Diskursivität des „Konstrukts“ Organisation .................................. 30 1.3 Herrschaft durch Organisation .............................................................. 37 1.4 Organisation als Gebilde ....................................................................... 42

1.4.1 Eine von drei Dimensionen ......................................................... 42 1.4.2 Der Forschungsstand zur Gebilde-Dimension ............................. 48

Vorbemerkung ...................................................................................... 48 1.4.2.1 Rechtswissenschaft: Von corpora zu „zusammengesetzten

Moral-“ und Juristischen Personen ...................................... 49 1.4.2.2 Ökonomie: „Sondervermögen“ und „Solidarhaftung“ .......... 63 1.4.2.3 Soziologie: Machasymmetrie, „reelle Subsumtion“ und institutionalisierte Agentschaft ...................................... 68 Erträge für den weiteren Fortgang der Untersuchung ........................... 79

2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext ............................... 85

2.1 Die aktuelle Corporations-kritische Bewegung ...................................... 85 2.1.1 Kritikformen – Zivilgesellschaft – Bürgerrechte .......................... 85 2.1.2. Die Corporations-Kritik der Protagonisten Hartmann und Nace ...................................................................... 90 2.1.3 Drei zentrale Corporations-kritische Organisationen .................... 93

2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert ............ 104 Vorbemerkung ....................................................................................... 104 2.2.1 East India, Repräsentation und Revolution ................................. 105 2.2.2 Unabhängigkeit, Verfassung, königliche Charter ....................... 113 2.2.3 Industrialisierung und gesellschaftliches Klima im 19. Jahrhundert ...................................................................... 116 2.2.4 Arbeiterbewegung, Gewerkschaften und Parteien ...................... 121

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12 Inhaltsverzeichnis

3. Corporations in der Rechtsprechung zu US-amerikanischen

Zusatzartikeln – Urteile und Diskurse ......................................................... 131 Vorbemerkung und Leitfragen .................................................................... 131 3.1 Vor dem „Santa Clara-Urteil“ – Die Dartmouth- und Slaughterhouse-Fälle ........................................... 133

3.1.1 Nachträgliche Eingriffe in staatliche Charters ............................ 133 3.1.2 Metzger-Monopol und „police power“ ....................................... 136

3.2 Das „Santa Clara-Urteil“ – Steuerstreit, Verschwörungstheorie oder „equal protection“ innerhalb des „due process of law”? ............. 140

3.3 „Zwischenfall“ Plessy – Der sachliche Kern des 14. Zusatzartikels: Die schwarze „Personenklasse“ ............................ 152

3.4 Durchgesetzte Ansprüche auf Grundrechte für Corporations – weitere Gerichtsfälle und Diskurse ....................... 155

Vorbemerkung ....................................................................................... 155 3.4.1 Ordentliche Gerichtsverfahren für „korporative Personen“? ..... 155 3.4 2 Sonderdurchgangsrecht und ordentliches Gerichtsverfahren ..... 158 3.4.3 Das „Bürgerrecht“ „Schutz vor staatlichen Übergriffen“ .......... 158 3.4.4 Geschworenen-Jurys in Strafsachen .......................................... 161 3.4.5 Entschädigung für „enteignetes“ Eigentum................................ 163 3.4.6 Keine unterschiedliche Besteuerung bei natürlichen Personen – so auch nicht bei Corporations ....... 165 3.4.7 Keine doppelte Anklage wegen ein und desselben Delikts ........ 166 3.4.8 Geschworenen-Jurys in Zivilsachen........................................... 167 3.4.9 Meinungsfreiheit bei „commercial speech“ ............................... 169 3.4.10 Meinungsfreiheit bei „political speech“ ..................................... 170 3.4.11 „Negative freie Rede“ oder: „Das Recht, schweigen zu dürfen“ ............................................ 172 3.4.12 „Das Recht zu lügen?“ – pervertierte Meinungsfreiheit? .......... 173 3.4.13 Parteispenden – Politische Einflussnahme durch Corporations? ................................................................. 175

4. Ergebnisse und Ausblick .............................................................................. 181

4. 1 Schlüsse: Antworten auf die drei Fragenkomplexe und Gesamtfazit .................................................................................. 181 4. 2 Anschlüsse: Internationale Vergleiche und „Corporate Crime“ ......... 201

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Inhaltsverzeichnis 13

Literaturverzeichnis .......................................................................................... 211 Abbildungsverzeichnis ...................................................................................... 237 Tabellenverzeichnis .......................................................................................... 237 Anhang .............................................................................................................. 239

1. Dargelegte Gerichtsfälle mit entsprechenden Fall-Problematiken (Kurzform) ................................... 239 2. Auszug auf der Unabhängigkeitserklärung (4. Juli 1776) ..................... 245 3. Übersicht über die Zusatzartikel ............................................................ 247 4. Der 14. Zusatzartikel (in Deutsch) ........................................................ 249 5. Das Santa Clara-Urteil im Original-Wortlaut ........................................ 251 6. Weitere Corporations-kritische Bewegungen (tabellarisch) .................. 270 7. „Timeline of Personhood Rights and Powers“ ...................................... 275

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Einleitung

„Das Gesetz mußte also in Ermangelung von Besitzern aus Fleisch und Blut jemand anderen finden, der die Rechte und Pflichten übernahm, die Firmen für ihre Aktivitäten brauchten. Diese „Person“ war die Kapitalgesellschaft selbst, wie sich herausstellte.“ (Bakan 2005, S. 23; Herv. i. Orig.)

Grundrechte nicht nur auf Menschen, sondern auch auf Organisationen beziehen zu können, ist in Deutschland verfassungsgemäß möglich. Nicht alle Organisati-onen sind zwar Juristische Personen, doch immerhin lautet Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes: „Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Perso-nen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind“ – dieses lässt sich derart explizit in keiner anderen Staatverfassung eines europäischen Landes fin-den (vgl. Dietmair 1988, S. 3 ff.), auch nicht in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Vor diesem Hintergrund bilden US-amerikanische Gerichtsfälle den Gegen-stand dieser Arbeit, die durch zwei zentrale Gemeinsamkeiten verbunden sind: Zum Einen sind sie durch die Inanspruchnahme von Rechten aus den Zusatzarti-keln der US-Verfassung durch Organisationen („Corporations“) gekennzeichnet. Zum Anderen standen bzw. stehen diese Gerichtsfälle für eine Konfliktkonstella-tion zwischen Corporations-Befürwortern und -gegnern. Es ist allerdings als defizitär zu bezeichnen, dass beide Aspekte in der internationalen Organisations-soziologie als so gut wie unbekannt gelten können. Dies vorausgesetzt lautet die zentrale Frage der Untersuchung: Wie lassen sich die anhand der Gerichtsfälle darzulegenden Konflikte und Kämpfe organisationstheoretisch strukturiert do-kumentieren? Mit der Beantwortung dieser Frage möchte ich einen ersten Schritt tun, der als Beitrag verstanden werden kann zu analysieren, wie es historisch möglich wurde, dass sich die korporative Form – das meint, heute wie selbstver-ständlich Organisation als Gebilde, als Ganzes, als Einheit zu denken und zu vollziehen – strukturell weltweit durchsetzen konnte.

Der Anstoß, sich mit dieser Frage zu befassen, ging von dem empirisch auf-fälligen Sachverhalt aus, dass eine stetig wachsende Corporations-kritische1 Be-

1 Da „Corporations“ innerhalb dieser Arbeit durchgehend groß geschrieben wird, werde ich

auch das zusammengesetzte Adjektiv „Corporations-kritisch“ groß schreiben. Man könnte

T. Matys, Legal Persons – „Kämpfe“ und die organisationale Form, DOI 10.1007/978-3-531-94147-9_1© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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16 Einleitung

wegung in den USA das Konzept der legal person, also der Juristischen Person, welches vielen Organisationen (aber eben nicht allen) zu Grunde liegt, kritisiert, ja regelrecht bekämpft. Was kritisiert diese Bewegung? Bei aller Differenziertheit der Argumentationen lässt sich eine Hauptkritiklinie ausmachen: Die Bewegung kritisiert, d. h. wortursprünglich: sie scheidet, sie unterscheidet, den Sachverhalt, dass US-amerikanische Corporations es nach einem jahrhundertlangen Kampf erreicht haben, den Personen-Status zu erhalten, welches sich für (allerdings nicht alle) Organisationen im Rechtsstatus der Juristischen Person niederschlägt. Thom Hartmann (2002), einer der Protagonisten der Corporations-kritischen Bewe-gung, bezeichnet den Prozess, Corporations Menschenrechte aus den Zusatzarti-keln („Amendments“) der US-amerikanischen Verfassung, wie bspw. Meinungs-freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Anspruch auf Geschworenen-Jury und ande-res mehr, zuzugestehen, als „einen Raub von Menschenrechten“. Autor dieser Handlung sei das juristisch-politische System; die Gewährung von Grundrechten müsse rückgängig gemacht werden. Der immer wieder genannte Bezugspunkt ist das berühmte Santa-Clara-Urteil aus dem Jahre 1886, ein eigentlicher Steuerfall, bei dem die Richter in einer Vorrede zur Urteilsverkündung den Corporations quasi unaufgefordert den im 14. Zusatzartikel zugesicherten Schutzgrundsatz zugesprochen hätten. Dieses Recht, so die Corporations-Kritiker, stehe nur natür-lichen Personen, also Menschen, und nicht Corporations zu. Die zahlreichen weiteren besonders durch die Corporations-kritische Bewegung immer wieder erwähnten Gerichtsfälle, die ebenfalls eine Grundrechtsgewährung beinhalten, haben zunächst den Charakter von Einzelereignissen. Gerade deshalb kann auch an den jeweils einzelnen Fällen nicht erkannt werden, dass sie als Teil eines langwierigen und friktionsreichen Prozesses der Auftrennung, eben der (Unter-) Scheidung, zwischen einem organisationalen Zustand von Noch-nicht-Person zu Juristischer Person rekonstruiert werden müssen. der wiederum nur durch seinen polit-ökonomischen Kontext, also seine Struktur, verstehbar und erklärbar ist. An diesem Punkt setzt ein Fragen nach dem Sinn des steten Bezugnehmens auf legal person ein, denn die darin enthaltene Person-Semantik verweist auf die Unter-scheidung einer Form. Eine organisationale Person zu kreieren heißt dann zum Einen, Organisation innerhalb des legal person- bzw. „corporate personhood“2-

auch die eingedeutschte Variante „korporationskritisch“ verwenden, allerdings möchte ich Irritationen vermeiden: Im Mittelalter wurde in Europa der Begriff der „Korporation“ ver-wendet. Er beinhaltete eher assoziative Vergemeinschaftungsformen und eben (noch) nicht moderne Organisationen (wozu ja auch die hier behandelten US-amerikanischen Corporati-ons zählen; vgl. dazu ausführlich Kap. 1.4.2.1).

2 So nennt die Corporations-kritische Bewegung den Diskurs um die Person-Eigenschaft von Organisationen.

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Einleitung 17

Diskurses nicht als Objekt, auch nicht als eine Art von Objekten oder eine Eigen-schaft von Objekten zu verstehen, sondern als eine besondere Art der Unter-scheidung, die als Form mit zwei Seiten das Beobachten leitet. Der Gegenstand Organisation ist dann nicht einfach nur etwas Anderes als Mensch oder Individu-um, sondern eine andere Form, mit der man Gegenstände wie menschliche Indi-viduen beobachtet (vgl. Luhmann 1991). Zum Anderen verweist der Begriff „Person“, abgeleitet vom lateinischen Wort persona; deutsch: Maske (vgl. Dah-rendorf 1974, S. 21 ff.), etymologisch bereits „ … auf das Überwinden des bloß kreatürlichen Zustands und bezeichnet die selbstbestimmte Formung zum kompe-tenten und verantwortlichen Handlungszentrum und -adressaten“ (Neuberger 1997, S. 492). Dagegen wird die Bezeichnung „Mensch“ eher verwendet, wenn auf das Gattungswesen Mensch mit seinen universellen, unveräußerlichen Men-schenrechten verwiesen werden soll (vgl. ebd.). Exakt diese Unterscheidung macht sich die Corporations-kritische Bewegung zunutze, indem sie die Künst-lichkeit von korporativen Personen kritisiert und die ihnen gewährten Rechte natürlichen Personen (sprich: Menschen) „zurückgeben“ möchte. Dass jene kor-porativen Personen zudem durch einen eigenständigen Subjekt- bzw. Akteurscha-rakter (vgl. Kap. 1.4.1) ausgestattet sind, steigert noch einmal die Konstruktions-abstraktion „Organisation“: Akteur „ … steht für den Versuch einer möglichst neutralen Bestimmung eines Handlungszentrums“ (Neuberger ebd., S. 493; Herv. i. Orig.). Wenn im Verlaufe dieser Arbeit von einer Organisation als „korporati-vem Akteur“ gesprochen wird, soll damit angezeigt sein, dass ein „aktiver“ Ad-ressat geschaffen wird, dem Handlungen und Handlungsfolgen zugerechnet wer-den können. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff des Subjekts, welcher eine Doppelbedeutung enthält: Einerseits ist das Subjekt das Unterworfene, anderer-seits die eigenmächtige Instanz des Unterworfenseins, der Souverän als Ausdruck des bürgerlichen Subjekts, dasjenige, was sich selbst und damit der Welt zugrun-de liegt (vgl. Luhmann 1994b, S. 44) und damit eine eigene Zurechnungseinheit wird. Dass nun Organisationen einen derartigen Souveränitätsanspruch genießen sollen, ihnen durch den Personenstatus eine Rolle, eine gesellschaftliche Form zukommen soll, empört die Corporations-kritische Bewegung.

Das Ziel meiner Arbeit lässt sich zusammengefasst wie folgt umreißen: Die in den Gerichtsurteilen angeführten Argumentationen in Bezug auf Corporations sind freizulegen; es ist also das herauszuarbeiten, was jeweils in Bezug auf die Durchsetzung der legal person als Teil der Institutionalisierung der organisationa-len Form „Gebilde“ rekonstruiert und organisationssoziologisch analysiert wer-den kann. Was ist die andere Seite der Unterscheidung Person – Nicht-Person bzw. Organisation – Nicht-Organisation? Was wird als zur Organisation nicht zugehörig benannt? Wie wird Organisation zu einer gesellschaftlichen Form?

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18 Einleitung

Was sind die Besonderheiten der Entwicklung des US-amerikanischen Corpora-tions-Phänomens? Welche Differenzen zur kontinental-europäischen Entwicklung können ausgemacht werden? Verkürzt formuliert geht es mir darum, einen doku-mentarischen, organisationstheoretisch anschlussfähigen Beitrag zum Verständnis der historischen Emergenz und gesellschaftlichen Persistenz – von Genese und Geltung – des modernen Organisationsphänomens zu leisten.

Der theoretische Bezugsrahmen dieser Arbeit orientiert sich im Wesentlichen an Klaus Türks „Kritik der politischen Ökonomie der Organisation“ (Türk 1995a). Dieser Ansatz begreift Organisation als „Schlüsselphänomen der Moder-ne“ (ebd., S. 93) und enthält mit Blick auf die hier verfolgte Fragestellung zu-sammengefasst (zumindest) vier zentrale Referenzpunkte (vgl. dazu ausführlich Kap. 1.1 - 1.4):

1. Organisation ist ein modernes Phänomen, weshalb eine zwingend histori-sche Perspektive eingenommen werden muss. Im „langen 16. Jahrhundert“ (Braudel 1986) etablieren sich grundlegend gewandelte gesellschaftliche Produk-tionsverhältnisse, welche getragen von den Imperativen der Aufklärung und eines technologischen Schubes die Prinzipien der Machbarkeit, Gestaltbarkeit und Herstellbarkeit der Gesellschaft verankern und damit rationale Organisationskon-zepte institutionalisieren helfen. Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert werden diese Konzepte mit der Erschließung der USA auch zunehmend dorthin expor-tiert und gelangen sogar dort zu struktureller Dominanz (als Beispiel können Handels- und Eisenbahngesellschaften gelten; vgl. Kap. 2.2).

2. Organisation ist kein ubiquitäres Naturphänomen, sondern ein diskursiv-umkämpftes und damit immer ein kontingentes Konstrukt: Trotz der oberflächli-chen Differenziertheit des Organisationsphänomens zeichnet sich doch die Form Organisation durch etwas Gleiches, etwas Einheitliches aus, welches auch in der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung von Organisation enthalten ist. Die Her-stellung dieses Gleichen ist ein abstrakter Prozess im Sinne einer „gesellschaftli-chen Konstruktion von Wirklichkeit“ (Berger/Luckmann 1970). Doch ein so entstandener Deutungsvorrat in Bezug auf das Phänomen Organisation muss stets aktualisiert werden, um in seiner Existenz Bestand zu haben. Dies geschieht diskursiv in Form eines politischen Arrangements von Themen, Argumenten, Zeichen und TeilnehmerInnen. So gelangt man zu der zentralen Frage, wie diese subjektiv-diskursiv hergestellte Organisations-„Wirklichkeit“ – ganz im Sinne Bergers und Luckmanns – zu „objektiver Faktizität“ wird. Eine derartige De-konstruktion von Organisation zu betreiben, bedeutet eben nicht zu bestreiten, dass im Denken und Handeln von Menschen so etwas existiert, was jene dann Organisation nennen; es heißt also etwa nicht, Organisation für scheinhaft zu erklären, sondern schließt ein anzuerkennen, dass das, was produziert wurde und

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Einleitung 19

wird (die Gebildevorstellung einer amorphen Organisation), als Ergebnis dieses Produktionsprozesses (aber eben nicht: qua „Natur der Sache“) tatsächlich exis-tiert. Auf diese Weise Organisation zu dekonstruieren, bestreitet nicht die Reali-tät der Wirkmächtigkeit des Organisationsphänomens für Menschen, sondern zielt auf die Analyse der Schaffung und Aufrechterhaltung dieser – dann zu einer Selbstverständlichkeit gewordenen – Realität sui generis.

3. Die Bedeutungskonstellation des Gebildes verweist – neben den Dimensi-onen der Ordnung und der Vergemeinschaftung – auf ein empirisch-induktives Organisationsverständnis. Gebilde assoziiert Einheit, Ganzes, Zusammenfassung: Hier wird der soziale und semantische Raum markiert, innerhalb dessen Ord-nungs- und Vergemeinschaftungsphänomene überhaupt erst entfaltbar werden. Rechtlich findet die Gebildedimension ihren Niederschlag in der Form der Juris-tischen Person. Eine adressierbare Einheit mit klaren Grenzen wird erzeugt, die einerseits Produktivität zurechenbar und andererseits Akkumulation von Reich-tum, Macht und Wissen erst möglich macht. Rollenbündel und agentschaftliches Handeln erlauben Verantwortungsentlastung (die Gebildedimension ist, wie ge-sagt, die zentrale Dimension innerhalb dieser Arbeit).

4. Der Kampf-Topos in Bezug auf Organisation erfordert einen herrschafts-soziologischen bzw. polit-ökonomischen Ansatz: Der vorn bereits angedeutete Begriff der strukturellen Dominanz (quantitativ: vor allem durch den zahlenmä-ßigen weltweiten Einsatz von Organisation; qualitativ: durch die weltweite orga-nisationale Weise weiter Teile von Arbeits-, Entscheidungs- und Aneignungs-strukturen) erfordert es, Organisation als eine gesellschaftliche strukturelle Form zu konzeptualisieren, durch die Menschen anderen Menschen gegenüber Herr-schaft auszuüben in der Lage sind. Der Modus Organisation erlangt neben ande-ren wesentlichen Strukturmerkmalen der Moderne, wie bspw. funktionale Diffe-renzierung oder kapitalistische Produktionsweise, hegemoniale Qualität: Er ver-drängt, formiert, entmutigt und delegitimiert andere Nutzungsformen menschli-cher Arbeit und lässt auf Weltniveau isomorphe Strukturen entstehen. Eine „Kri-tik der politischen Ökonomie der Organisation“ (Türk) untersucht zentral die gesellschaftliche Formbestimmtheit des Sozialen, und als jene gesellschaftlichen Prozesse der Herausbildung vorn genannter struktureller Dominanz von Organi-sation(en), die ihre Herrschaftsqualität gerade dadurch erhält, dass Organisation als Herrschaftsmittel eingesetzt wird. Im Foucault’schen Sinne Organisation als Möglichkeitsraum, als Dispositiv von ermöglichenden und ausschließenden Prak-tiken, als ein Arsenal von Wissensbeständen, zu begreifen bedeutet, die Genealo-gie der Denk- und Handlungsformen der historischen Institutionalisierung von Organisation zu untersuchen. Insofern stellt die Arbeit einen ersten dokumentari-schen und empirischen Schritt dar, indem sie in Bezug auf die legal person in den

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20 Einleitung

USA den jeweils historischen typischen Konflikt- und Problemlagen, Brüchen und Friktionen, verstärkt im 19. Jahrhundert bis heute, nachspürt und dadurch versucht, „Gründungsmythen, Feindbilder und Schwellennarrative“ (Koschorke et al. 2007) zu beschreiben. Man gelangt an eine Schwelle zwischen noch nicht vollzogener und gerade eben gelungener Institutionalisierung von Organisation.

Forschungsansätze zur Gebildedimension gibt es durchaus und diese lassen sich verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen zuordnen, und zwar den Rechtswis-senschaften, der Ökonomie oder der Soziologie (vgl. Kap. 1.4.2). Sie alle eint jedoch das Defizit, eine systematische organisationssoziologisch angeleitete Ana-lyse des vorn genannten (diskursiven) Prozesses der Auftrennung von Noch-nicht-Person zu Juristischer Person anhand des US-amerikanischen Corporati-ons-Phänomens (noch) nicht geleistet zu haben; sie bleiben – bei wenigen Aus-nahmen, die dann jeweils auch nur Teilaspekte oder eben ganz andere Aspekte behandeln – zumeist auf Europa beschränkt. Diesen Mangel zu beseitigen und zugleich die US-amerikanischen Besonderheiten bei der historischen Herausbil-dung der organisationalen Form herauszuarbeiten, begründet die Relevanz mei-ner Arbeit.

Am Anfang steht die Frage von Text und Kontext. Das hier zu verarbeitende empirische Material in Bezug auf die historische Herausbildung der organisatio-nalen Form bedurfte zunächst angesichts aufgrund seines Umfangs einer Vora-bentscheidung. Da der analytische Fokus dieser Arbeit auf der soziologisch struk-turierten Dokumentation eben jener historischen Herausbildung der korporativen Form anhand von historischen (und teilweise aktuellen) Gerichtsfällen liegen soll, die die Kämpfe, Konflikte und Machtkonstellationen der verschiedenen beteiligten Individuen, Gruppen und Organisationen darstellen, ist dieser Teil des Materials zum Text, zum Kern-Material erklärt worden. Kein Text allerdings kann ohne seinen Kontext, d. h. hier konkret ohne seinen Sach- bzw. Situations-zusammenhang, aus dem heraus die Dokumentation von Gerichtsfällen verstan-den werden kann, erschlossen werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Kon-text-Material etwa minderwertiges Material wäre, im Gegenteil. Dieses Material ist besonders wichtig als Hintergrundfolie. In der Kapitelstruktur dieser Arbeit schlägt sich diese Unterscheidung wie folgt nieder: Kap. 1 steckt zunächst den theoretischen Bezugsrahmen dieser Arbeit ab. Hier ist es vor allem die „Kritik der politischen Ökonomie der Organisation“ von Klaus Türk, die die Herausbil-dung des Phänomens Organisation im Allgemeinen und die der Gebildedimensi-on von Organisation im Besonderen als herrschaftserzeugenden, diskursiven Prozess kennzeichnet. In diesem Kapitel ist auch eine umfangreiche Darlegung des Forschungsstandes zur Gebildedimension von Organisation enthalten, der aber im Prinzip das hier vorgestellte Material (bislang) so gut wie gar nicht be-

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Einleitung 21

rücksichtigt. Die Präsentation des Forschungsstandes insgesamt muss auch als ziemlich umfangreich beschrieben gelten. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass es nahezu unmöglich wäre, die Breite der Forschungen auf wenigen Seiten darzu-stellen. Hinzu kommt noch, dass eine Annäherung an das Corporations-Phänomen in den USA eine umfangreiche Entfaltung der Forschungen zur Gebil-dedimension von Organisation eine Vorgehensweise erforderlich erscheinen lässt, die induktiv vorgeht, indem sie sich im Rahmen des Forschungsprozesses entwickelt und dafür sensibilisiert, welches die im Forschungsstand enthaltenen Elemente sind, die auch für die im Weiteren erfolgende Darlegung der Gerichts-fälle von Relevanz sein könnten.

Der vorn erwähnte Kontext wird in Kap. 2 vorgestellt. Dabei geht es um zweierlei: Erstens gehe ich auf die aktuelle Anti-Corporations-Bewegung ein, da innerhalb dieser der vorn erwähnte empirische Anstoß für diese Arbeit zu finden ist, nämlich die fortwährende und teilweise heftige Kritik an der legal person. Hier werde ich zwei zentrale Protagonisten der Corporations-kritischen Bewe-gung sowie drei ausgewählte Anti-Corporations-Organisationen und deren Hauptarbeitsgebiete bzw. -thesen kommentiert vorstellen. Zweitens geht es um das historische polit-ökonomische Terrain, innerhalb dessen sich die US-amerikanischen Corporations ab dem 17. Jahrhundert entfalteten. Denn viele der später behandelten Gerichtsfälle spielen auf Details dieser historischen Phase an, wodurch die Herausarbeitung dieser historischen Bedingungen der Corporations-Aktivitäten angezeigt ist. In diesem Kapitel lege ich besonders Wert darauf, be-reits ebenfalls auf Konflikte zwischen Befürwortern und Gegnern der korporati-ven Form einzugehen, allerdings sind dies eher allgemeine Kampfkonstellatio-nen.

Dies ist dann in Kap. 3 anders, welches auf den Text dieser Untersuchung eingeht: Die Kämpfe um die organisationale Form, die sich anhand von Gerichts-fällen dokumentieren lassen, die ihrerseits die Inanspruchnahme von Zusatzarti-keln der US-amerikanischen Corporations zum Inhalt haben3.

Kap. 4 ist dann wieder zweigeteilt: Zunächst wird eine inhaltliche Zusammen-fassung erfolgen, welche die beteiligten Akteure, ihre Argumentationen und Be-gründungen für ihre Positionen ordnet und organisationssoziologische Relevan-zen herausstellt; sodann zeige ich weitere Anschlüsse auf, die – im Anschluss an

3 An dieser Stelle ist eine ganz wesentliche Beschränkung dieser Arbeit angezeigt: Es wäre

zweifelsohne schier unmöglich und auch forschungspragmatisch problematisch gewesen, sämtliche – rechtlichen – Auseinandersetzungen um die korporative Form aufzunehmen. Selbstverständlich stellen nicht nur Gerichtsfälle Kämpfe um die organisationale Form dar, allerdings fanden sie von der Corporations-kritischen Bewegung so häufig Erwähnung, dass mir zunächst ihre Dokumentation geboten erschien (zu Anschlüssen vgl. Kap. 4.2).

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22 Einleitung

diese erste Dokumentation des Materials – organisationssoziologisch von For-schungsinteresse sein könnten.

Das empirische Material ist von Heterogenität geprägt. Es speist sich aus Ge-richtsurteilen, Fallbeschreibungen, Diskurssträngen, Aufsätzen, berühmten Vor-reden bei Gerichtsprozessen, die – angeblich oder nachweisbar – gehalten wor-den sind usw. Es handelt sich stets um Phänomene, mit denen ich mich als For-scher vertraut machen muss, zu denen ich im Laufe des Forschungsprozesses auf vorn angedeutete induktive Weise vordringen muss. Es ist daher im Rahmen dieses ersten dokumentarischen Schritts innerhalb des Prozesses der Annäherung an das US-amerikanische Corporations-Phänomen auch nicht notwendig gewe-sen, neue Daten im strengen Sinne, etwa Interviews, zu erheben. Das konkrete Material, welches zur Dokumentation der Gerichtsfälle herangezogen wird, be-darf zunächst einmal einer Sortierung, Aufbereitung und Ordnung. Es speist sich aus Texten, die höchst unterschiedlich sind: Zum Einen werden seitens des Sup-reme Courts der USA zusammengestellte Dokumentationen bzw. Fallverläufe von Gerichtsfällen, die Streitigkeiten zwischen Corporations und Staat oder Cor-porations und anderen Organisationen bzw. Privatpersonen darstellen, als zu analysierendes Material herangezogen. Stets ist das entscheidende Kriterium für die Fallauswahl, dass jeder Fall Auskunft geben kann über konfliktreiche, herr-schaftsstrukturierte Aspekte des Übergangs vorn beschriebener Schwelle von Noch-nicht-Person zu Person. Zudem bieten sich diverse Dokumentationsquellen verschiedener Universitäten (z. B. Cornell University Law School) als Fundstel-len für geeignetes Material an. Zum Anderen ist allerdings die Präsentation eini-ger Gerichtsfälle aus der Sekundärliteratur unerlässlich. Dies liegt erstens darin begründet, dass es nicht für jeden hier ausgewählten Gerichtsfall auch eine Do-kumentation seitens eines Gerichtes o. ä. gibt; zweitens dient(e) die Sekundärlite-ratur dem Verfasser häufig zunächst immer auch zum besseren Verständnis bzw. überhaupt zur Erschließung des inhaltlichen Zusammenhangs eines Falls. Die hier dargelegten Fälle stellen sowohl in historischer als auch in inhaltlicher Hin-sicht eine erhebliche Bandbreite dar: Historisch sind Fälle vom 19. Jahrhundert bis heute enthalten; inhaltlich reichen die Justizfälle von Auseinandersetzungen zwischen Bundesstaaten der USA und einzelnen Corporations bzw. ihrer Agenten bis zu Fällen von Privatpersonen, die Corporations verklagt haben. Auch die Heterogenität der Klagegegenstände ist beachtlich: Sie reicht von Eigentumsfra-gen über das Einfordern von Rechten wie bspw. einer freien (ökonomischen und politischen) Rede über eine Entschädigung bei Enteignung bis hin zu der Forde-rung von Corporations, Anderen (Individuen, Organisationen) bestimmte Rechte – ausdrücklich gegen deren Willen – untersagen zu können. Dass eine derartige empirische Vorgehensweise eine forschungstechnische Grundproblematik enthält,

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Einleitung 23

liegt auf der Hand: Man interpretiert durch ein derartiges Vorgehen stets seiner-seits bereits interpretiertes bzw. interpretierendes Material.

Das Verweisen darauf, dass diese Untersuchung ein erster dokumentarischer Schritt ist, der als Beitrag zur historischen Herausbildung der organisationalen Form verstanden werden kann, soll nicht bedeuten, dass andere, hier nicht be-handelte Schritte etwa als nicht ebenso relevant eingestuft werden könnten. Im Gegenteil: Es lässt sich ein sehr weiter Fragenkatalog erstellen, den man in Be-zug auf den Gegenstand der Gerichtsurteile, die die Inanspruchnahme von Zu-satzartikeln der US-amerikanischen Verfassung durch Corporations in mindestens vier Kategorien aufteilen könnte:

Kategorie A: Fragen nach den Gegenständen der Gerichtsurteile: • Was sind die Diskursgegenstände, die zentralen Themen? Worum geht es? • Sind die jeweiligen Gerichtsfälle als Ursachen oder als Folgen bereits vorher

entstandener Konflikte zu beschreiben? Kategorie B: Fragen nach den vorgebrachten Argumenten und den in diese einge-lassenen Diskurse: • Mit welchen Argumenten wird jeweils begründet, welchen Wesenscharakter

(künstlich, natürlich, fiktiv, real etc.) eine Corporation als Juristische Person aufweist bzw. aufweisen soll? Wie genau (wenn überhaupt) wird die Unter-scheidung privater v. öffentlich-institutionalisiertem Raum bzw. noch nicht Juristische Person/noch natürliche Person v. Juristische Person thematisiert?

• Inwieweit können Argumente und Positionen der Diskursteilnehmer, die in mehreren der dargestellten Gerichtsfälle vorkommen, zu Argument- bzw. Po-sitionsketten, zu Argumentationsstrukturen verdichtet werden?

• Welches sind die argumentativen Rationalitäten, die die Akteure in den Dis-kurse einbringen?

Kategorie C: Fragen nach den Akteuren, die an den Konflikten im Rahmen der Gerichtsurteile beteiligt waren/sind sowie nach den von ihnen angewendeten Strategien und Praktiken: • Wer sind die Diskursteilnehmer, wer sind die Initiatoren der Diskurse? • Gibt es Koalitionen zwischen den am Diskurs Beteiligten und wenn ja, wo-

rauf gründen sie sich? • Können Kampf- oder Verhandlungsstrategien sowie Diskursdramaturgien

(story lines) beschrieben werden? • Welche organisationalen Steuerungstechniken und Praktiken können ausge-

macht werden, die ihre argumentative Plausibilität gerade entweder durch die

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24 Einleitung

Berufung auf Sozialität (= die Organisation) oder aber auf Individualität (= agentschaftliches Handeln von Rollinhabern) erhalten?

• Können Praktiken der Ermöglichung, Ausschließung sowie Verbote, Ein-schränkungen oder Ausgrenzungen – als Prozeduren der Diskurskontrolle – anderer Diskursteilnehmer ausgemacht werden (z. B. die Verengung auf öko-nomische Organisationen o. ä.)? Und daran anschließend: Sind immer wieder ausgeschlossene Themen, die aber dennoch evident mit dem Gegenstand ei-nes jeweiligen Falls zu tun haben, beschreibbar?

• Gibt es abstrakte Ideen, wie z. B. das moderne Subjekt, westliche Demokra-tie, Schutz der Bürgerrechte o. ä., in deren Namen die Beteiligten vorgeben zu handeln?

• Lassen sich Diskursrituale, Doktrinen sowie Systeme der gesellschaftlichen Aneignung wie bspw. Schulen oder Hochschulen ausmachen, die dafür sor-gen, dass die Verbreitung und Zirkulation der Diskurse begrenzt wird? Kom-men analog Anstachelungs-, Stimulations- und Anreizprozeduren hinzu, die bestimmte Diskurse „anheizen“ und erst in Gang bringen?

• Welches Arsenal an Praktiken lässt Organisation immer selbstverständlicher werden?

• Wie soll soziales oder politisches Handeln durch Diskurse legitimiert werden bzw. welche Deutungen sollen als legitime Deutungsvorgaben institutionali-siert werden?

Kategorie D: Fragen nach den gesellschaftlichen Bedingungen und Effekten der dargelegten Fälle: • Erfolgen (gelungene?) Normalisierungen (i. S. der Schaffung einer regelge-

rechten Ordnung)? • Wie lassen sich Form und Inhalt der den Gesamtdiskurs bildenden Teildis-

kurse bzw. Diskursstränge beschreiben? Können Ursachen und Folgen der unmittelbar evidenten Verschränkung zwischen den Diskurssträngen Juristi-sche Person, Grundrechte und Corporations (i. S. v. Organisation) ausge-macht werden?

• Gibt es weitere ständige Verschränkungen zwischen Teildiskursen bzw. Dis-kurssträngen oder Diskursen insgesamt?

• Hat die kampfreiche Etablierung der korporativen Form in den USA interna-tionale Effekte (immerhin gelten die USA als „mächtigster“ Staat der Welt)?

• Wie zeigen sich organisationale Grundrechtsbezüge in anderen Ländern? • Auf welche (zumindest nicht immer expliziten) nicht-organisationalen Dis-

kursfelder (gesellschaftliche, politische oder kulturelle Kontexte) wird durch die Diskursteilnehmer verwiesen?

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Einleitung 25

• Wie wird der Akteur „Staat“ in den Diskursen konzeptualisiert, welche Trans-

formationsprozesse kennzeichnen das Gebilde Staat? Wie werden jeweils Forderungen nach mehr oder weniger staatlicher Regulierung begründet? Und warum haben so viele diskursive Auseinandersetzungen innerhalb der Dis-kursformation Organisation – Staat das, im weitesten Sinne, semantische Feld „Eigentum“ zum Inhalt?

• Welches sind die gesellschaftlichen Bedingungen, die der Ausbildung von Organisation als Regierungsdenken und -wissen zugrunde liegen?

• Welche Prozesse der Isomorphierung können ausgemacht werden? • Kann man – zusammengefasst – eine Art Diskursordnung ausmachen, in die

sich Diskursbeiträge einschreiben? Wie bereits angedeutet, wäre es mehr als vermessen anzunehmen, dass eine Un-tersuchung wie die hier vorliegende, die ja zunächst das Material organisations-theoretisch strukturiert bekanntmachen möchte, alle Fragen der oben genannten Kategorien bearbeiten könnte. Dies kann eine Person im Rahmen eines zeitlich begrenzten Forschungszeitraumes bei Weitem nicht leisten. Die präsentierte Bandbreite der Fragen soll vor allem verdeutlichen, wie komplex das empirische Terrain der historischen Herausbildung der korporativen Form mit besonderem Bezug zu den Gerichtsfällen bei US-amerikanischen Corporations bestellt ist. Von daher beschränke ich mich auf ganz konkrete, erste Fragen, die ich weitest-gehend aus vorn dargelegter Aufstellung ausgewählt habe und sich zu drei Fra-genkomplexen verdichten lassen, welche sich a) auf die zu identifizierenden Themen und Inhalte, b) auf die Techniken und Strategien von Corporations-Gegnern und -Befürwortern und c) auf die angeführten Argumentationen der beteiligten Akteure der jeweils vor Gericht ausgetragenen Konflikte beziehen (vgl. konkret Beginn Kap. 3).

Das Ergebnis dieser organisationstheoretisch strukturierten Dokumentation soll an dieser Stelle abstrahiert angedeutet werden: Die seitens der Corporations-kritischen Bewegung vorgebrachte Argumentation, Corporations hätten Men-schenrechte erlangt, kann durchaus empirisch bestätigt werden. Organisationen in den USA sind im Verlaufe der letzten 200 Jahre durchaus zentrale Rechte der Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung, wie bspw. das Recht auf einen ordentlichen Gerichtsprozess, dass Recht auf freie Meinungsäußerung oder das Recht, nicht zweimal wegen desselben Delikts verklagt werden zu können – so genannte „corporate rights“ – zugesprochen worden. Damit trug das juristisch-politische System der USA erheblich dazu bei, die beiden zentralen privatrechtli-chen Elemente des Kapitalismus, nämlich Privateigentum und Vertragsfreiheit, zu Grundrechten, und zwar auch für Corporations gültige, zu erheben. Während

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26 Einleitung

viele staatliche – organisationsförmige – Einheiten Macht und Herrschaft verlie-ren, erlangen viele nicht-staatliche – ebenfalls organisationsförmige Einheiten – erhebliche Machtzuwächse. Dies seitens einer Corporations-kritischen Bewegung zu kritisieren, ist allerdings häufig als affirmatorische Kritik zu kennzeichnen, da eher Praktiken als die organisationale Form selbst als Kritikobjekte behandelt werden bzw. der Inhalt des Terminus „corporate personhood“ unausgefüllt bleibt. Zumeist (ökonomischen) Organisationen in den USA Grundrechtsansprüche zu gewähren, lässt sich als Prozess der schrittweisen historischen Privatisierung von Herrschaft fassen. Dieser Prozess wird im Verlaufe der Arbeit näher beschrieben werden. Weitere Detailergebnisse werden in Kap. 4.1 vorgestellt. Der Aspekt der Verwendungsfähigkeit meiner Ergebnisse soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben: Vorn ist ausgeführt worden, dass die Gebildedimension von Organisation als die am wenigsten beforschte gelten könne. Wie der Begriff der „Dimension“ allerdings bereits anzeigt, handelt es sich beim „Gebilde“-Komplex um ein For-schungskontinuum. Innerhalb einer sehr großen „Lücke“ in Bezug auf die Herausbildung der korporativen Form in den USA habe ich einen ersten wichti-gen dokumentarischen und ordnenden Schritt vollzogen, nicht zuletzt durch die Publizität im deutschsprachigen Raum. Weitere kleine und große „Lücken“ zu schließen, wäre Aufgabe sich an diese Arbeit anschließender Forschungen (hierzu werde ich in Kap. 4.2 einige Anregungen geben). Hinzu kommt, dass die Gebil-dedimension von Organisation ihr forschungsanalytisches Potenzial stets nur in Zusammenhang mit den beiden weiteren Dimensionen von Organisation entfalten kann. Denn gerade weil im Rahmen dieser Arbeit der analytische Fokus auf der Gebildedimension liegt, wird damit betont, dass Ordnungs- und Vergemeinschaf-tungsaspekte in Organisationen stets eines – räumlichen und semantischen – Ortes bedürfen, innerhalb dessen sie sich überhaupt erst entfalten und institutio-nalisieren können – dieser Ort ist das Gebilde Organisation.

Das folgende Einführungskapitel wird nun zunächst den theoretischen Rah-men dieser Untersuchung skizzieren; in ihn ist auch der Forschungsstand zur Gebildedimension eingelassen.

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1. Organisation in der modernen Gesellschaft Vorbemerkung

„Kaum ein Organisationstheoretiker im deutschsprachigen Raum hat sich so intensiv mit der Bedeutung von Vergangenem für Ge-genwärtiges und Zukünftiges beim Organisieren auseinandergesetzt wie Klaus Türk an der Berg-ischen Universität Wuppertal.“ (Sydow 2010, S. 15)

Organisation ist weder ein ubiquitäres noch ein ontologisches Phänomen, son-dern in historischer Perspektive vielmehr ein Produkt der modernen bürgerlichen Gesellschaft, ein „Schlüsselphänomen der Moderne“ (Türk 1995a, S. 93). Orga-nisation muss im konkreten, täglichen Lebensvollzug von Menschen immer wie-der neu, als Reproduktionsmodus, hergestellt werden. Damit ist Organisation als historisch-kontingentes Konstrukt zu fassen. Organisation als Gebilde zu begrei-fen bedeutet, dem empirischen Umstand Rechnung zu tragen, dass Organisation eben in der Alltagserfahrung der Menschen nicht selten mit Einheit, mit etwas Zusammenfassendem, mit etwas Ganzem in Verbindung gebracht wird. Hinzu kommt, dass die empirische Alltagsvorstellung auch allzu häufig mit Organisati-on Machbarkeit, Planbarkeit und Produktivität assoziiert, als eine eher neutrale Form der Koordination arbeitsteiliger Kooperation. Vielmehr handelt es sich allerdings beim Organisationsphänomen um die kampf- und konfliktreiche Etab-lierung einer Sozialform, eines Modus, der die herrschaftsförmige Strukturierung sozialer Kooperationsbeziehungen reguliert.

Damit sind die – in der Einleitung bereits kurz angerissenen – Thesen be-nannt, die die Merkmale Historizität, Diskursivität bzw. Konstruktivität, Gebilde-förmigkeit und Herrschaftsförmigkeit des modernen Organisationsphänomens beinhalten. Der diese Arbeit leitende theoretische Bezugsrahmen, welcher diese Thesen entfaltet und vertieft, ist, wie in der Einleitung bereits angedeutet, der herrschaftssoziologische Ansatz der „Kritik der politischen Ökonomie der Orga-nisation“ (Türk 1995a) von Klaus Türk. Die genannten Merkmale bzw. Elemente dieses Ansatzes werde ich im Folgenden skizzieren.

T. Matys, Legal Persons – „Kämpfe“ und die organisationale Form, DOI 10.1007/978-3-531-94147-9_2© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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28 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

1.1 Organisation als historisches Phänomen Das Hauptmedium der Sozialwissenschaften ist die Sprache. Somit sind Kenntnis und korrekte Verwendung von Begriffen zumeist hilfreiche Elemente einer fun-dierten soziologischen Forschung. Der Begriff Organisation, so wie wir ihn heute kennen, ist erstmals mit der Entstehung der modernen Gesellschaftsforma-tionen vor etwa zweihundert Jahren zu finden und gleichursprünglich mit dem polit-ökonomischen Entstehungskontext der Moderne (vgl. Türk 1990). Die historischen Konstitutionsbedingungen beispielsweise der East India Company (vgl. ausführlich Kap. 2.2.1) als Prototyp der modernen organisationalen Form sind nicht zufällig im 15./16. Jahrhundert verortet, sondern verweisen auf das „lange 16. Jahrhundert“ (Braudel 1986) als das entscheidende polit-ökonomische Milieu, innerhalb dessen moderne Organisationskonstituierung überhaupt erst verstanden werden kann. Der moderne Begriff der Organisation, der in Frank-reich geprägt worden ist, wurde zunächst nur auf die Struktur organischer Körper angewendet (vgl. Türk 1989, S. 474). Später wird sein Gebrauch ausgedehnt; es verfestigt sich die uns heute geläufige Bedeutung als soziales, zweckorientiertes Gebilde, z. B. in Form von Schulen, Verwaltungen, Vereinen usw. Von Frank-reich aus wird dieses Konzept schnell nach Deutschland importiert und dort zü-gig verbreitet. Ein zentrales Motto der Französischen Revolution lautete „Reor-ganisation der Gesellschaft“; dieses war dann auch ein Titel einer Schrift Henri Saint-Simons (1760 - 1825), der auch Herausgeber der Zeitschrift „L’ Organisa-teur“ (1819) war (vgl. Türk 1990). Die Vereinigungsfreiheit und die damit ver-bundene Auffassung der Illegitimität von Zwangsmitgliedschaft in Korporationen sowie Kodifizierungen bspw. einer „negativen Vereinsfreiheit“ sogar, d. h. die Aufhebung einer Zwangsmitgliedschaft, im Rahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen in Preußen, müssen als erste Schübe einer modernen organisationalen Institutionalisierung gelten. Angeregt durch die Ideologie der Aufklärung, die politischen imperativen Forderungen der Französischen Revolution, das gesell-schaftliche Bedürfnis nach technologischer Innovation und den Drang der kapita-listischen Produktionsweise nach Entgrenzung setzt in nahezu allen gesellschaft-lichen Bereichen eine von Fortschrittsglauben, Rationalität und der Reorganisati-on getragene Re- bzw. Neustrukturierung ein. Diese kann im Kern als Ausdruck eines neu entstehenden Bewusstseins der rationalen Gestaltbarkeit, Machbarkeit, Herstellbarkeit von sozialen Strukturen und Beziehungen, einer „physic sociale“ (Saint-Simon) gelesen werden (vgl. Dohrn-van Rossum 1977, S. 330; Türk ebd.; Türk 2001).

In ökonomischer Hinsicht beginnt mit dem 16. Jahrhundert das Zeitalter des Frühkapitalismus (vgl. Türk et al. 2006, S. 48). Fernhandel, Agrar- und gewerbli-

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1.1 Organisation als historisches Phänomen 29

che Produktion wurden ausgebaut, Manufakturen und Handelshäuser bildeten unter Einbezug der Aufhebung des Zunftzwanges die Grundlage, neue, rationale Organisationskonzepte zu etablieren, die nicht selten von der Vorstellung getra-gen waren, eine „Organisation der Arbeit“ sei die Grundlage für die „Organisati-on der ganzen Gesellschaft“ (vgl. Dohrn-van Rossum ebd., S. 331). Diese Aspek-te, die zusammengenommen den Prozess der modernen „Organisationsgenese“ (Türk 1995a, S. 126) kennzeichnen, sind es auch, die verdeutlichen, warum Or-ganisation als das zentrale Strukturierungsprinzip des modernen Kapitalismus bezeichnet werden kann: Warenvermittelte Tauschabstraktion manifestiert in Geldwirtschaft gibt es nämlich schon viel länger als den Kapitalismus – das Be-sondere, das Neue am modernen organisationsförmigen Kapitalismus war der Umstand, dass Organisation zum gesellschaftlichen Modus der akkumulativen Aneignung fremder Arbeit wurde (vgl. ebd., S. 127). Damit gelangt man zur zentralen These, Organisation – auch und gerade in ihren Bedeutungs- und Wirk-dimensionen – im Prinzip nur unter Zuhilfenahme historisch-empirischer gesell-schaftlicher Entstehungsbedingungen beschreiben und analysieren zu können. Organisation ist als das historische Phänomen zu rekonstruieren, welches sich im 16. Jahrhundert stabilisierte (hierauf wird in Kap. 2.2 näher eingegangen) und zusammengefasst einen umfassenden gesellschaftlichen Restrukturierungsprozess der modernen Gesellschaft markiert (vgl. Türk 1995a, Bruch 2000). Dieses not-wendige Zusammendenken von Organisation und Gesellschaft können wir auch bei Theodor W. Adorno finden, der in den 1950-er Jahren feststellt: „Ein gesell-schaftliches Phänomen wie die moderne Organisation läßt sich ohnehin bestim-men nur in seiner Stellung im gesamtgesellschaftlichen Prozeß, also eigentlich durch eine ausgeführte Theorie der Gesellschaft“ (Adorno 1954, S. 22). Das bedeutet konkret, dass ein gesellschaftstheoretischer Ansatz gefordert ist, um das Besondere konkreter historischer Gesellschaftsformationen, also die konkret empirisch-historische besondere Stellung von Organisation (bzw. deren semanti-sche Teilbereiche) in der Moderne herauszuarbeiten (vgl. Türk 1997, S. 33). Doch dieses Historizitätspostulat, dem durch die Darlegung der Gerichtsfälle Rechnung getragen wird, welche bis zum Beginn des 19. Jhds. zurückreichen, ist ohne ein weiteres wichtiges Element nicht zu denken, was als die gesellschaftli-che Diskursivität des Konstrukts des Sozialen bezeichnet werden kann – in die-sem Falle dessen, was Organisation genannt wird.

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30 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

1.2 Die Diskursivität des „Konstrukts“ Organisation Greift man nun vorn angeführten Kerngedanken auf, dass Organisation als ein „historisch-kulturell besonderes Phänomen [...], welches an die Entwicklung der europäischen Kultur, Ökonomie und bürgerlichen Gesellschaft, vor allem aber an die Genese des modernen Kapitalismus gebunden ist“ (Türk 1995a, S. 44), zu fassen ist, dann wird deutlich, dass es sich bei Organisation um ein historisch-kontingentes Konstrukt handelt. Diesem Konstrukt kann sich durch die Rekon-struktion des Alltagsverständnisses von Organisation induktiv angenähert wer-den. Zunächst sieht man sich mit dem (scheinbaren) Paradoxon konfrontiert, dass einerseits wie selbstverständlich4 gewusst zu werden scheint, was Organisation ist: Schulen, Krankenkassen, Universitäten, Militär, Vereine und große Einzel-handelsgesellschaften – dies alles kann relativ leicht als Organisation identifiziert werden. Da nun andererseits diese verschiedenen Organisationstypen so unter-schiedlich sind, herrscht nicht selten die Position vor, sie könnten nicht „über einen Kamm geschoren“ werden; ein angeführtes Argument, welches Forderun-gen nach einer differenztheoretischen Perspektive auf Organisationen aufkom-men lässt (vgl. stellvertretend Wex 2004, S. 305). Die von mir in dieser Arbeit vertretene Position behauptet, dass das Paradoxon eigentlich keines ist: Wenn denn die verschiedenen Organisationstypen so unterschiedlich sind, warum be-nutzt dann die Gesellschaft dennoch einen derart vereinheitlichenden Begriff wie Organisation? Diese Frage rechtfertigt die hier praktizierte empirisch-methodische Vorgehensweise (vgl. Einleitung): Es ist doch gerade die Einheit, das allen Organisationen Gemeinsame, ihr Gleiches, ins Zentrum des For-schungsinteresses zu stellen. Mit geht es also darum, die Einheit von Organisati-on trotz (oder gerade wegen?) ihrer empirischen Differenz zu untersuchen (vgl. Bruch 2000, S. 32; Bruch/Türk 2005, S. 90). Gerade das Übereinstimmende oder Gemeinsame eines Phänomens aufzuspüren allerdings, stellt die wissenschaftli-che Herausforderung dar, weil es der natürlichen Alltagspraxis widerspricht, die auf das Erkennen und Bewerten von Differenzen abstellt (vgl. Kleining 1995, S. 243). Organisationen stellen – künstliche – Wirklichkeiten eigener Art dar, mit eigenen spezifischen Gesetzen und Mechanismen, die nicht ontologisch – unhis-torisch – einfach vorhanden, sondern, eigentlich trivial, menschengemacht und damit historisch kontingent sind. Meinen Forschungsprozess also derart nicht-quantitativ zu konzeptualisieren heißt, von der traditionellen naturwissenschaft-lich-geprägten – was nicht abwertend gemeint sein soll – Methode, nach der

4 Seit Max Weber wissen wir: „[...] gerade das „Selbstverständliche“ (weil anschaulich Einge-

lebte) [pflegt] am wenigsten „gedacht“ zu werden [...]“ (Weber 1980, S. 23; Herv. i. Orig.).

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1.2 Die Diskursivität des „Konstrukts“ Organisation 31

Beobachtung und Experiment in der Regel zur Überprüfung einer Hypothese an der Realität herangezogen werden, um dadurch ein besseres Verständnis der Natur zu erlangen, Abstand zu nehmen (vgl. Knorr 1985, S. 157). Ein eher konstruktivistisches Vorgehen beschreibt Knorr (ebd.) wie folgt:

„Das wissenschaftliche Vorgehen kann aber auch als eine Möglichkeit der fortgesetzten Auswahl zwischen dem aufgefaßt werden, das „funktioniert“, weil es bereits in der Ver-gangenheit „funktioniert hat“, und dem, das unter den aktuellen, ideosynkratischen Um-ständen „funktionieren wird“. Sobald wir Ergebnisse als Produkt einer solchen Auswahl, Transformation und Konstruktion betrachten, wie immer die Wirklichkeit dahinter aussehen mag, so wird die Behauptung, daß wir „die Wirklichkeit“ erfaßt haben (wie unvollständig auch immer), bedeutungslos und nichtssagend. Die Frage des Skeptikers, ob denn unseres interessengeleitetes, instrumentelles Strukturieren der Natur überhaupt in der Lage wäre, die inhärente Objektstruktur abzubilden, kann jetzt so beantwortet werden, daß man die wis-senschaftliche Realität als eine beliebige Konstruktion beschreibt, weil sie die unterschied-lichen Ordnungsversuche widerspiegelt, welche Wissenschaftler der Natur auferlegen“ (Knorr ebd.; Herv. i. Orig.).

Vor diesem Hintergrund wird auch erklärbar, warum an dieser Stelle nicht ein unmissverständlich analytischer Begriff von Organisation ex ante gesetzt werden kann, von dem aus dann im Folgenden etwas abgeleitet würde. Die Frage, auf welcher Analyseebene wir ein Phänomen (arbeitshypothetisch natürlich vermit-telt durch den Begriff) überhaupt untersuchen wollen, kann auf zwei Weisen beantwortet werden (vgl. hierzu Bruch/Türk 2007, S. 263): Theoretisch oder empirisch. Theoretisch meint, dass der Begriff auf der Ebene des Theoriebereichs angesiedelt ist. Der Forscher setzt – ähnlich wie in vielen Naturwissenschaften – vor einer Analyse frei die Begriffe und Definitionen gleichsam nomologisch, von denen aus dann die Untersuchung stattfinden soll. Empirisch heißt, dass der Be-griff auf der Ebene des Objektbereichs angesiedelt ist. Hier ist der Forscher nicht frei in der Setzung von Begriffen, er muss eine Weise finden aufzugreifen, was empirisch vor ihm liegt. So betrachtet ist Organisation zunächst überhaupt kein soziologischer Begriff, sondern ein Begriff des Gegenstandsbereiches, der unter-sucht werden soll. Eine derartig theorie-geleitete Empirie zu betreiben heißt eben nicht, ein abstraktes Begriffs- und Theoriesystem vorauszusetzen, sondern, wie Guttandin (1996) mit Bezug auf die Arbeitsweise Max Webers feststellt, dass sich der Forschungsprozess am Material zu entwickeln habe (vgl. Guttandin 1996, S. 93). Denn Ausgangspunkt ist nicht ein im Vorhinein gezimmertes Kate-gorien-System, sondern es verhält sich umgekehrt: nur empirisch begründete soziologische Begriffe sind sinnvoll (vgl. Dahrendorf 1967, S. 61).

Der von mir hier auf das Phänomen Organisation im Allgemeinen und auf die Herausarbeitung eines Teilbereichs der Gebildedimension von Organisation –

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32 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

anhand des Phänomens legal person in den USA – im Besonderen angewandte konstruktivistische Forschungsstil ist ein offener, entdeckender, eher qualitativer Stil, dem es nicht um ein klassisches quantitatives Abprüfen vorher formulierter Hypothesen mit dazu passendem Repräsentativitätsschluss geht. Wenige Fälle können sehr wohl auch eine Strukturbildung erzeugen bzw. strukturelle Effekte zeitigen. Die in dieser Arbeit anhand von Gerichtsfällen dargelegten Argumenta-tionen, Diskurse und Praktiken sind als qualitative Daten zu begreifen, also als Daten, „ ... die soziale Gegenstände so beschreiben, daß sie die dem Gegenstand eigenen Verhältnisse, besonders Bedeutung, Strukturen und Veränderungen erfas-sen“ (Kleining 1995, S. 13; Herv. i. Orig.). Man darf sich an dieser Stelle aller-dings nicht der Illusion hingeben, man habe es mit „natürlichen“, ungeformten Daten zu tun. Im Prinzip gibt es keine Daten, die unabhängig von denen sind, die diese Daten erheben; genaugenommen kann man sagen, dass Forscher das mit-produzieren, was sie erforschen, und zwar aus zweierlei Gründen: Erstens beein-flussen sie die Gegenstände ihrer Forschung durch den Vollzug des Forschungs-prozesses, und zweitens bestimmen ihre Beobachtungen (und nicht die Daten selbst, die es ohnehin nicht losgelöst von Beobachtern gibt), was innerhalb des Forschungsprozesses und während dessen Auswertung wie unterschieden, be-zeichnet, beschrieben, erklärt und bewertet, kurz: interpretiert wird. Jede derarti-ge Forschung, so eben auch jene, die der historischen Herausbildung der Gebil-dedimension von Organisation nachgeht, ist demnach ein selbstreferentieller Akt. Man gelangt an dieser Stelle relativ schnell zum hermeneutischen Zirkel, der einen im Prinzip doch nur das finden lassen kann, was man (eh bereits) sucht. Denkt man an z. B. rechtswissenschaftliche Aufsätze oder andere Sekundärlitera-tur, die sich mit den Gerichtsurteilen beschäftigen, hat man es so zusagen mit einer doppelten Hermeneutik zu tun: Man interpretiert (bereits) interpretierendes Material. Diese Gerichtsurteile auf diese Weise verstehen zu wollen, bedeutet somit, nicht nur Merkmale der Textstruktur bzw. des -inhaltes aufzuspüren, son-dern auch die Textproduktion unter Einbeziehung der Text- und Rezeptionsge-schichte sowie der Reflexion des eigenen Interpretationsstandpunktes im Sinne eines wechselseitigen Begründungszusammenhangs zu begreifen (vgl. Bolten 1985, S. 362 f.). Somit ist das Vorgehen dann eher als „hermeneutische Schleife“ – hin zu einem höheren Verstehensniveau – zu kennzeichnen. Diese so skizzierte – induktive und gleichsam historisch-empirische – Annä-herung an den Gegenstand der legal person als Teilbereich der Gebildedimension von Organisation lässt sich in folgendem Türk’schen Satz verdeutlichen: Was tun Menschen, wenn sie das tun, was sie Organisation nennen (vgl. Türk 1996a, S. 12)? Wenn sowohl Gleichbleibendem als auch sich Wandelndem in der Gebilde-vorstellung von Organisation am Beispiel US-amerikanischer Corporations, den

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1.2 Die Diskursivität des „Konstrukts“ Organisation 33

Kämpfen um die organisationale Form sowie den Argumenten und Diskursen der konfliktären Akteure nachgespürt werden soll, wird hier eine Perspektive deut-lich, die auch der von Berger und Luckmann (1970) sehr nahe kommt: Es gilt, die sozialen Mechanismen herauszuarbeiten, die Wissensordnungen als symboli-sche Ordnungen entstehen lassen. Die „gesellschaftliche Konstruktion der Wirk-lichkeit“ wird als permanenter Prozess der interaktiven Objektivierung und Stabi-lisierung sowie der sozialhistorischen Aneignung von Wissensordnungen be-schrieben (vgl. Keller ebd.). Pointiert formuliert: Wie wissen wir wie selbstver-ständlich und automatisch das, was Organisation ausmacht? Wie internalisieren wir Vorstellungen eines Gebildes, etwa als Körper, als Gefüge oder als System, die uns – ihrerseits gesellschaftlich produziert – wiederum als „soziale Tatsa-chen“ (Durkheim 1965) gesellschaftlich gegenübertreten?

Organisation als historisch-kontingentes Konstrukt zu beschreiben bedeutet somit nicht, eine Abbildung der konkreten sozialen Wirklichkeit zu erstellen; vielmehr geht es darum, wesentliche Struktur- und Prozessaspekte in Kenntnis der Historie zu rekonstruieren. Bereits Max Weber hat die Prozesshaftigkeit historisch-soziologischer Begriffsbildung als ein methodisches Prinzip verstan-den (vgl. Guttandin 1996, S. 92). Der „Stoff“ der Geschichte und darüber hinaus die gesamte empirische Wirklichkeit stellt sich für Weber als ein „Chaos“ (We-ber 1973, S. 207) dar, dass erst durch denkende Umbildung dem Erkennen zu-gänglich wird. Die „unendliche Fülle der [historischen] Erscheinungen“ (ebd., S. 177) gilt es zu ordnen, in ihren „genetischen Zusammenhängen“ (ebd.) zu erfas-sen, wobei die Verwendung des Begriffs „genetisch“ besagen will, dass allein mit Hilfe und auf dem Umweg der Einordnung des historischen Gegenstandes in die Sinnzusammenhänge seines Gewordenseins und Weiterwirkens seine Erkenntnis möglich wird (vgl. Guttandin ebd., S. 121). Eine derartige historizitäts-geleitete Herangehensweise sollte allerdings nicht als Selbstzweck verstanden werden, etwa derart, eine besondere Vorliebe z. B. für „die Geschichte“ ausgeprägt zu haben; nein, aktuelle und heute selbstverständliche Phänomene, wie bspw. Orga-nisation als Gebilde mit Subjektcharakter zu begreifen, welches Menschenrechte in Anspruch nehmen kann, können doch nur angemessen beschrieben und analy-siert werden, wenn man sie als Teil einer Gesellschaftsgeschichte begreift, die stets bis „gestern reicht“5 (Türk 2006).

Auch wenn ich in der Einleitung deutlich machte, dass diese Untersuchung sich beschränken muss und soll – wie ausgeführt auf eher organisationstheore-tisch strukturierende, dokumentierende, aufbereitende und publikatorische As-

5 Hieran mangelt es so manchen so genannten „soziologischen Gegenwartsdiagnosen“ (z. B.

Schimank/Volkmann 2000)

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34 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

pekte fokussiert ist –, ist ja ebenfalls in der Einleitung innerhalb der Auflistung eines zunächst breiten Fragenkatalogs ein Begriff des Öfteren gefallen, der Be-griff des Diskurses. Auch wenn im Rahmen dieser Untersuchung keine Diskurs-analyse erfolgen kann, so können wir die diskursanalytische Perspektive Fou-caults als „Steinbruch“ benutzen, als „Ideenlieferant“ zur Analyse des Organisa-tionsphänomens6. Unter einem Diskurs soll hier ein mehr oder weniger kohären-ter Komplex von Themen, Argumenten, Symbolen/Zeichen und TeilnehmerInnen verstanden werden (vgl. Türk ebd., S. 147). Dieser Komplex müsste von anderen Komplexen (sprich: anderen Diskursen) dann anhand dieser Elemente unter-schieden werden können. Unterstellt man grundsätzlich, dass – wie bereits vorn angedeutet – von der gesellschaftlichen Konstruiertheit des Organisationsphäno-mens angegangen werden muss, bedeutet das diskursanalytisch, dass eine Vor-stellung bspw. einer legal person als Teil der Gebildedimension von Organisation nicht unabhängig von Gesellschaft existiert, somit historisch kontingent ist7. Mir geht es darum, die Entstehungs- und Wandlungsgeschichte dessen, was wer wann jeweils mit welchen Strategien unter Einsatz welcher Mittel auch immer unter einer legal person in Bezug auf Organisation versteht – also bspw. Organisation als Juristische Person künstlichen Charakters zu bezeichnen – anhand von doku-mentierten Gerichtsurteilen zu rekonstruieren – Foucault nennt diese Vorgehens-weise Genealogie (vgl. Türk ebd., S. 150). Dies würde in dem hier verfolgten Fall bspw. bedeuten, danach zu fragen, „ ... in welcher Weise sie [diese Gerichts-urteile] als politische Beiträge zu einem historisch situierten, thematisch spezifi-

6 An dieser Stelle möchte ich Folgendes explizit betonen: Auch wenn innerhalb dieser Unter-

suchung keine Diskursanalyse angestrebt werden kann und soll, sondern nur ein erster do-kumentarischer Schritt, der zu weiteren Forschungen anregen möchte, so wäre eine Darstel-lung des theoretischen Bezugsrahmens des Türk’schen Ansatzes der „Kritik der politischen Ökonomie der Organisation“ – gerade mit Blick auf die neueren Arbeiten (vgl. Türk 2006; Bruch/Türk 2005) – ohne Bezugnahme zur Foucault’schen Diskursanalyse fahrlässigerwei-se unvollständig und ist deshalb zu vermeiden. Die Perspektive Foucaults als „Steinbruch“ zu begreifen, drückt sich ja auch in dem „weiten“ Fragenkatalog innerhalb der Einleitung aus, der zunächst ja notwendige und mögliche Fragen in Bezug auf den Gegenstand dieser Arbeit enthält.

7 Dieser Historizitätshinweis verträgt sich durchaus mit einer grundlegenden Position eines gewichtigen Soziologen, der lange als Foucault-Kritiker galt: Jürgen Habermas. Für ihn kommt komplexes Textverstehen im Grunde einer ideologiekritischen Interpretation gleich, welche zwar „notwendiges“ aber zugleich „falsches“ Bewusstsein transzendiert: Sowohl die Zeitgebundenheit eines Textes als auch seine (potentielle) Aktualität sind seitens des Sozi-alwissenschaftlers zu berücksichtigen, damit ihm nicht die Einsicht in die „tatsächlichen Strukturen“ verschleiert und verwehrt werden. Das kritische Verstehen historisch ferner Texte liefert demnach eine dialektische Erfahrung für jeden Forscher: Es gibt nicht nur Auskunft über die Vergangenheit, sondern auch über die Gegenwart (vgl. Habermas 1971).

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1.2 Die Diskursivität des „Konstrukts“ Organisation 35

schen Wahrheits- bzw. Moralregime verstanden werden können“ (Türk 2006, S. 142).

Foucault führt weiter aus, dass Diskurse „als Praktiken zu behandeln [sind], die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“ (Foucault 1988, S. 74). Anders formuliert: Diskurse versehen ein Phänomen mit Bedeutung und kreieren ein Ensemble von Ideen, Konzepten und Kategorien, welches dann wiederum ein Set von Praktiken und Wissen hervorbringt. Und Wissen – ein-schließlich des Wissens über Praktiken – ist Macht: Macht steckt in jedem Wis-sensprozess, in jeder Sinngebung, in jeder Entscheidung über wahr oder falsch – eine Grenzziehung, die Foucault als „Wille zur Wahrheit“ bezeichnet – „die Wahrheit selbst ist Macht“ (Foucault 1978, S. 54). Foucaults diskurstheoretische Perspektive zielt darauf ab, die diskursiven Herstellungsweisen geltender Wahr-heiten ans Licht zu bringen und die Diskurspraktiken als (historisch spezifische) Machtpraktiken erscheinen zu lassen; der Diskurs wird in diesem Zusammenhang nicht nur durch seine – Machteffekte erzeugende – Ordnung bzw. Regelhaftigkeit bestimmt, sondern gleicherweise durch sein machtvolles Wuchern, seine Materia-lität und Streuung, die durch gesellschaftliche Prozeduren kontrolliert und kanali-siert werden müssen (vgl. Kleiner 2001, S. 93 f.). Da allerdings nicht jedes All-tagsreden Diskurs ist, kann man sagen, dass sich ein Diskurs neben einer Regel-mäßigkeit noch durch Permanenz auszeichnet – Merkmale, die durchaus auch für die von mir untersuchten Justizfälle gelten. Foucault erwähnt sie explizit:

„In allen Gesellschaften lässt sich eine Art Gefälle zwischen den Diskursen vermuten: zwi-schen den Diskursen, die im Auf und Ab des Alltags geäußert werden und mit dem Akt ih-res Ausgesprochenwerdens vergehen, und den Diskursen, die am Ursprung anderer Sprech-akte stehen, die sie wieder aufnehmen, transformieren oder besprechen – also jenen Diskur-sen, die über ihr Ausgesprochenwerden hinaus gesagt sind, die gesagt bleiben, und noch zu sagen sind. Wir kennen sie in unserem Kultursystem: es sind die religiösen und die juristi-schen Texte, auch die literarischen Texte mit ihrem so merkwürdigen Status, bis zu einem gewissen Grade die wissenschaftlichen Texte“ (Foucault 1974, S. 16; Herv. i. Orig.).

Nun bilden die diskursiven Praktiken zusammen mit den nicht-diskursiven Prak-tiken, also jene Hintergrundpraktiken (politische, institutionelle oder technische Praktiken der Gesellschaft), so genannte „Dispositive der Macht“ (Foucault 1978). Dispositive meinen die Form des Zusammenspiels von diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken (vgl. Kleiner ebd., S. 72 ff.). Begreift man nun mit Foucault Organisation als Spielraum, der durch Machtverhältnisse konfiguriert wird und die Spiel- und Möglichkeitsräume Anderer (Menschen; andere Organi-sationen) formiert und konditioniert, gelangt man zu einem Möglichkeitsfeld, in das sich das Verhalten der Subjekte eingeschrieben hat. Diese Strukturierung des Feldes versucht Foucault mittels des Begriffs der „Regierung“ („Gouvernement“)

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bzw. der „Führung“ zu erfassen: Regierung bezeichnet eine spezifische Art der Konfiguration und Systematisierung von Machtverhältnissen, sodass diese eine Verfestigung bis hin zu Herrschaftszuständen erfahren können (vgl. Bruch/Türk 2005, S. 90 ff.). An dieser Stelle können zwei vorn angesprochene Aspekte als Kernaspekte von moderner Organisation nochmals aufgegriffen werden: Zum Einen steht das Gleiche innerhalb der oberflächlich noch so unterschiedlichen Organisationen für einen Verweis auf eine gesellschaftliche Ordnung, die im Kern als durch eine strukturelle Dominanz von Organisation beschrieben werden kann. Zum Anderen ist wohl von deutlicher Relevanz, dass der in der Fragestellung dieser Arbeit repräsentierte Kampf-Topos im Grunde auf die theoretische Positionierung einer „Kritik der politischen Ökonomie der Organisation“ verweist. Gerade dann scheint eine Bezugnahme zur Perspektive Foucaults geboten, denn wir können mit ihm davon ausgehen, dass in die von mir untersuchten empirischen Fälle (implizite) Wissensordnungen eingelassen sind und dass in Diskursen gesell-schaftliche Konflikte ausgetragen werden. Erzeugung und Kommunikation von Wissen sind mit Macht besetzte und um Macht ringende Prozesse der „Wahr-heitspolitik“ (Türk 2006, S. 150; Herv. i. Orig.) einer Gesellschaft. In und mit Diskursen werden – konkurrierende – Deutungsvorgaben für politische und sozi-ale Ereignis- und Handlungszusammenhänge produziert, die darüber entscheiden, wie diese Ereignis- und Handlungszusammenhänge wahrgenommen und bewertet werden (vgl. Schwab-Trapp 2001, S. 263). Das führt neben der Konflikthaftig-keit zur zweiten wichtigen Grundbedingung für die Identifikation und Analysefä-higkeit von Diskursen: Diskurse können nur funktionieren, wenn sie eine Öffent-lichkeit haben – seien dies politische Gremien, soziale Bewegungen oder die allgemeine politische Öffentlichkeit; Diskurse entfalten ihre Wirkungen im öf-fentlichen Raum (vgl. ebd.). Beide Bedingungen der Möglichkeit von Diskursen, Konfliktfähigkeit, also das Kämpfen um Deutungshoheiten bzw. das Ringen um kollektive Geltung sowie deren notwendige Öffentlichkeit, führen – in Anleh-nung an den Kampf-Term in der Fragestellung – zur Herrschaftsförmigkeit von Organisation.

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1.3 Herrschaft durch Organisation 37

1.3 Herrschaft durch Organisation Die beiden im vorherigen Unterkapitel genannten Aspekte „Konfliktfähigkeit“ und „Öffentlichkeit“ sind es auch, welche die Überleitung bilden, die Herr-schaftsförmigkeit moderner Organisationen zu beschreiben. Der Konflikt-Topos zielt, wenn man vorn zum Diskurs Ausgeführtes auf den Diskurs Organisation selbst bezieht, zu der diese Arbeit leitenden Grundannahme, dass die historische Etablierung der korporativen Form keine neutrale, sondern eine konfliktäre ge-sellschaftliche Auseinandersetzung darstellte (hierauf werde ich ja ausdrücklich in Kap. 3 und Kap. 4.1 eingehen). Als gleichsam nicht-organisationale Folge der gesellschaftlichen Institutionalisierung der organisationalen Form kann die Be-hauptung einer „strukturelle[n] Dominanz“ (Türk 1996a, S. 51; Türk et al. 2006, S. 38 ff.) von Organisation gekennzeichnet werden. Es kann ja empirisch kaum bestritten werden, dass die in der US-amerikanischen Corporation angelegte Gebildeformation sowohl ökonomisch als auch juristisch zu einer zweifellos weltweit durchgesetzten Sozialform gehört. Doch wie ist diese empirisch eviden-te Dominanz genauer beschreibbar? Organisationen sind zunächst in dreierlei Hinsicht „strukturell dominant“: (1) Sie sind es in quantitativer Hinsicht. Kaum eine gesellschaftlich strategisch

wichtige Aufgabe, Handlungsentscheidung oder Interessendurchsetzung in der modernen Gesellschaft scheint ohne Organisation vorstellbar bzw. reali-sierbar. „So werden wesentliche Teile gesellschaftlicher Arbeit, der Politik, Wissenschaft, des Gesundheitswesens, der Erziehung und Bildung, der In-formationsmedien u. a. m. in der Form von Organisationen prozessiert. Es war noch nie in der Geschichte so vieles wie heute so vielen, z. T. riesigen, Organisationen überantwortet.“ (Türk 1996a, ebd.)

(2) Organisationen sind des Weiteren unter qualitativen Gesichtspunkten domi-nant; sie schließen alle ihre verschiedenen „Aufgaben“ mit prinzipiell ähnli-cher Struktur, auf ähnliche Weise an einander an. Dadurch bestimmt die Or-ganisationsform sowohl die Art und Weise der Produktion als auch jene „ … der „Zirkulation“ gesellschaftlicher Güter. Das bezieht sich auf die „internen“ Strukturen der Arbeit, Partizipation, Entscheidung, Erfolgsaneignung genauso wie auf die Eigenschaften der Produkte: Nur bestimmte Produkte sind mög-lich und diese nur in organisationsbestimmter Beschaffenheit (ebd., S. 52; Herv. i. Orig.).

(3) Organisationen sind unter dem Gesichtspunkt der Initiierung weiterer gesell-schaftlicher Strukturen dominant; vermittels Organisation werden auch ande-re, die einzelnen Organisationen übergreifende Strukturen, ermöglicht bzw.

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38 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

angeregt: „ … ideologische Grundstrukturen des politischen Systems, Markt-strukturen, Strukturen des Gesundheitssystems, Strukturen gesellschaftlicher Differenzierung (z. B. Arbeitsteilung, Funktionsdifferenzierung), Strukturen gesellschaftlicher Aufmerksamkeit für bestimmte Themen oder Probleme, Ausprägung bestimmter Medien der Kommunikation (z. B. Wissenschaft) … [u. a. m.]“ (ebd.).

Mit dem Hinweis auf die Erzeugung und Steuerung „gesellschaftlicher Aufmerk-samkeiten“ ist auch der vorn angesprochene Öffentlichkeitsaspekt benannt: Auch nicht-organisationale Themen erhalten organisations-induzierte Publizität. Hieran anschließend ist nun von Interesse, dass Herrschaft durch strukturelle Dominanz alleine nicht hinreichend beschrieben werden kann. Es kommt vielmehr darauf an, in welcher Sozialdimension eine derartige Dominanz behauptet werden soll: Auf der Ebene der Interaktionen von Menschen stellen die konkreten Einzelorga-nisationen Bündelungen herrschaftlicher Konfigurierungen von Kooperationen und Menschen dar, indem sie Orte der Aggregation allokativer und autoritativer Ressourcen sind (vgl. Bruch/Türk 2005, S. 91). Auf der Ebene der Gesellschaft bzw. ihrer Strukturen, Prozesse und Mechanismen hat Organisation selbst – als Modus – insofern Herrschaftsqualität, als dass dieser Modus andere Formen der Regierung von Kooperationen und Menschen verdrängt und als hegemoniale – gouvernementale – Form dominant strukturbildend wird.

Mit Hilfe dieser drei Aspekte ist der Organisationsform allerdings noch nicht hinreichend die ihr immanente Qualität von Herrschaft i. e. S. analytisch zuge-ordnet8. Max Weber, der in der Soziologie wohl eine der bedeutendsten Definiti-onen von Herrschaft erarbeitet hat, fasst diesen Topos wie folgt: „Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“ (Weber 1980, S. 28). Weber verbindet deutlich Herrschaft mit dem hier interessierenden Phänomen Organisation: Ihm zufolge ist Herrschaft ein zentrales „Phänomen alles Sozialen“ (ebd., S. 539), das nicht an bestimmte Teilsysteme gebunden ist oder sich auf die Sphäre staatlich-politischen Handelns beschränkt, sondern auch bei den „ökonomisch relevantesten sozialen Gebilden der Vergangenheit und der Gegenwart: der Grundherrschaft einerseits, dem kapi-talistischen Großbetrieb andererseits, die entscheidende Rolle“ (ebd., S. 541) spielt. Man kann nun Webers Begriff der „Bürokratie“ als modernen Proto-Begriff von Organisation begreifen, und mit Weber die Grundlage für die Herr-

8 Wenn, wie eigentlich trivialerweise klar sein sollte, Organisationssoziologie auf der Ebene der

Allgemeinen Soziologie angesiedelt ist, hat die Kategorie der Herrschaft einen vorrangigen Platz – vor bspw. Norm oder Sanktion – (vgl. Dahrendorf 1967, S. 61), denn „ ... alle So-ziologie [ist] als Analyse der durch Herrschaft begründeten Strukturen zu verstehen“ (ebd.).

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1.3 Herrschaft durch Organisation 39

schaftsförmigkeit von Bürokratie (sprich: Organisation) herausarbeiten, denn Weber charakterisiert Bürokratie als „ ... das spezifische Mittel, … „Gemein-schaftshandeln“ in rational geordnetes „Gesellschaftshandeln“ zu überführen“ (ebd., S. 569 f.; Herv. i. Orig.). Hier kommt nun noch etwas Entscheidendes hinzu: Mit Herrschaft haben wir es dann zu tun, wenn wir (verfestigte oder insti-tutionalisierte) gesellschaftliche Verhältnisse beobachten können, mit deren Hilfe systematische Asymmetrisierungen zwischen Menschen erzeugt werden (vgl. Türk et al. 2006, S. 40 f.). Wir können also nur deshalb von einer herrschaftsför-migen Gesellschaft sprechen – und dieses Argument soll hier stark gemacht wer-den –, weil wir Organisation als Mittel der Herrschaftsausübung begreifen kön-nen (vgl. Weber 1980, S. 128). Organisation ist das Medium, welches die syste-matisch-strukturellen Chancen des Zugriffs auf bzw. der Verfügung über gesell-schaftliche Ressourcen konditioniert (vgl. Türk 1995a).

Organisation kann noch aus einem weiteren wichtigen Grund als typische Form von Herrschaft innerhalb der modernen kapitalistischen Gesellschaft be-griffen werden, der noch einmal den unter (1.) erwähnten Umstand der Organisa-tionsförmigkeit kapitalistischer Produktionsweise betont: Durch (den Modus) Organisation wird eine spezifisch kapitalistische Nutzungsform menschlicher Arbeit konstituiert. Karl Marx spricht in diesem Zusammenhang von der „Orga-nisation des kapitalistischen Produktionsprozesses“ (MEW Bd. 23 1979 [Kapital I], S. 418). Seine historisch-materialistische Theorie einer „Kritik der politischen Ökonomie“ interessiert sich „ ... für die historisch spezifische – und damit auch historisch wechselnde – Art und Weise, wie Menschen durch gesellschaftliche Formen ihre Ko-Operation regulieren und konfigurieren, welche Konzepte sie zur Gestaltung und Legitimation ihrer Beziehungen zueinander sowie ihrer Ar-beit an der äußeren und ihrer „inneren Natur“ verwenden“ (Türk 1995a, S. 38; Herv. i. Orig.). Eine derartige Sichtweise lenkt die Aufmerksamkeit auf die sozia-le Konstruiertheit gesellschaftlicher Verhältnisse – Marx führt hierzu aus: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen“ (MEW Bd. 8 1972, S. 115). Menschen produzieren und reproduzieren also die gesellschaftlichen Verhältnisse, unter denen sie leben, letztlich stets durch ihr konkretes Handeln. Und diese einmal geschaffenen Verhältnisse wirken dann wiederum konditionierend, strukturierend und restringierend auf die Bedingungen des menschlichen Handelns zurück. Wenn also Organisation als typische Form von Herrschaft – im Sinne eines eben beschriebenen wechselseitigen Strukturierungsprinzips – konzipiert wird, gelangt man im Grunde zu einer notwendigen Erweiterung des Marx-Diktums der „Kritik der politischen Ökonomie“: Man kommt zu einer Perspektive der „Kritik der

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politischen Ökonomie der Organisation“ (Türk 1995a). Diese analysiert – an einen historisch-materialistischen Theorierahmen anschließend – die historisch spezifische Art und Weise, in welcher durch den Modus Organisation der gesell-schaftliche Lebensprozess von Menschen „interpunktiert, konfiguriert, struktu-riert sowie auf vielfältige Weise zerschnitten und zusammenfügt, ausgebeutet und beherrscht, entmutigt und ermutigt wird“ (Türk 1995a, S. 38). Dass also die Herrschaftsstruktur „Organisation“ (auf der Ebene der Gesellschaft, s. vorn) die materielle Basis der Menschen (auf der Ebene der Interaktionen konkreter Men-schen, s. vorn) strukturiert, lässt Türk für diese Ebene der materiellen Basis den Begriff der Ko-Operation verwenden: Ko-Operation meint die reale Ebene fakti-scher gesellschaftlicher Praxis (vgl. Türk ebd., S. 96 f.). Die Schreibweise mit Bindestrich soll andeuten, dass es sich bei Ko-Operation nicht notwendig um herrschaftsfreie, konsensuell-kommunikativ abgestimmte soziale Praxisformen handelt (vgl. ebd., S. 287). Die Unterscheidung von Organisation und Ko-Operation findet sich auch im Term der „politischen Ökonomie“ wieder: Der Begriff des Politischen verweist auf die Analyse der formierenden Seite mensch-licher Sozialität, d. h. auf die je besonderen Formen der Regulation, Strukturie-rung und (Fremd-) Nutzung menschlicher Ko-Operation (vgl. Bruch 2000, S. 53)9; der Begriff der Ökonomie soll demgegenüber den real-materiellen Lebens- und Aneignungsprozess benennen, durch den Menschen sich ko-operativ in ih-rem sozial und natural-ökologischen Kontext reproduzieren (vgl. Türk 1995a, S. 38 f.).

Obige Ausführungen kennzeichnen – das soll an dieser Stelle wiederholt und gleichsam konkretisiert werden – einen vor mir verfolgten polit-ökonomischen Ansatz, der durch das Verhältnis Organisation – Ko-Operation bzw. der Einfüh-rung von Politik auf der Ebene des materialen Lebens (wie gesagt: als Gegen-stück zur Herrschaftsstruktur Organisation) in Bezug auf das Thema dieser Ar-beit wie folgt präzisiert werden kann: Herrschaft durch Organisation in der mo-dernen Gesellschaft manifestiert sich durch die mehrfach-konnotierte strukturelle Dominanz der korporativen Form, die in der US-amerikanischen Corporation ihre historische und aktuelle Erscheinung und Substanz repräsentiert (Ebene „Gesellschaft“). Gleichzeitig werden jetzt die im Verlauf dieser Arbeit dargestell-ten und analysierten Kämpfe, Konflikte, Koalitionsbildungen um Deutungshoheit

9 Dass diese Definition an ihrer Aktualität nichts eingebüßt hat, schlägt sich auch in Selbst-

beschreibungen von (Teil-) Bereichen nieder, die gemeinhin als „Bindestrich-Soziologien“ bezeichnet werden, bspw. der politischen Soziologie (besser sollte man sagen: Soziologie der Politik): „Das Politische steht für ein gesellschaftliches Bewegungsprinzip, in dem sich die Handlungs- und Gestaltungsdimension von Politik in der Spannung zum Menschen ausdrückt“ (Böhnisch 2006, S. 7; Herv. i. Orig.).

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1.3 Herrschaft durch Organisation 41

in Bezug auf die Stellung und Wirkmächtigkeit um die Corporations einordbar: als herrschaftsgegründete Ko-Operation – organisational motivierte und verstärk-te Herrschaft von Menschen über Menschen (Ebene „Interaktionen konkreter Menschen“). Denn „Die „Räume“ sozialer Unterscheidungen und die „Felder“10 gesellschaftlicher Kommunikationen und Kämpfe werden durch die neuen sozia-len Orte [...] gesellschaftlicher Regulation, eben durch die Organisationen, in ihren Grenzen, Strukturen und Inhalten definiert“ (Türk 2000b, S.; Herv. i. Orig.). Politik somit gleichsam in die Organisationstheorie einzuführen, „ … bedeutet … in jedem Falle: • einem kausalistischen Strukturdeterminismus entgegenzutreten, der die Struk-

turen von Organisationen mechanistisch als von anderen Strukturen erzeugt betrachtet;

• einem Strukturdeterminismus entgegenzutreten, der menschliches Verhalten als durch „äußere“ Strukturen kausal bewirkt beschreibt;

• einem maschinistischen Herrschaftsdeterminismus entgegenzutreten, der das meiste Verhalten von Menschen in Organisationen als von einem fremden Willen determinierten ausgeht;

• die sozial-konstruktiven Prozesse der Erzeugung dessen, was dann als Struk-turen erlebt wird, zu betonen;

• der rekursiven Prozesse zwischen handlungserzeugenden Strukturen und strukturerzeugenden Handlungen Aufmerksamkeit zu widmen;

• die Bedeutung von divergierenden Interessen und von Konflikten hervorzu-heben, gesellschaftliche Praxis – so eben auch Organisation – also ein „um-kämpftes Gelände“, als eine Arena interessengeleiteter Interventionen, Aus-handlungen, Konflikte mit jeweils nur temporären Problemlösungen zu be-greifen und

• Menschen als eigenständige Wesen/Systeme zu begreifen, die in je eigener Weise – mit „Eigensinn“ ausgestattet – mit dem von ihnen Erlebten und Ge-wollten umgehen (Türk 1996b, S. 58; Herv. i. Orig.; vgl. auch ausführlich Türk 1989a, S. 120 ff.).

10 Mit den Begriffen „Räume“ und „Felder“ bezieht sich Türk auf die Habitus-Feld-Theorie

Pierre Bourdieus.

Ein derart politik-orientierter Ansatz zielt genau darauf, „ ... die jeweils histo-risch-gesellschaftlich typischen Konflikt- und Problemlagen, Brüche und Friktio-nen in einer Gesellschaftsformation zu einer bestimmten Zeit“ (Türk 1989a, S. 122 f.) zu thematisieren. Vor diesem Hintergrund ist eine Erklärung der Entste-hung der US-amerikanischen Corporation in den politisch-ideologischen Kontext

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der USA in der ersten Hälfte des 19. Jhds. einzubinden, denn „ … dann zeigt sich, wie die Konstruktion der „corporation“ ein Ergebnis komplizierter politi-scher Auseinandersetzungen und ideologischer Kämpfe gewesen ist“ (Türk 1995a, S. 114; Herv. i. Orig.). Die Herrschaftsförmigkeit von Organisation kann nun in drei von Türk entwickelten Bedeutungsdimensionen – die der alltäglichen Verwendungsweise von Organisation nachspüren – weiter ausdifferenziert wer-den. Es ist dabei allerdings alles andere als zufällig, dass diese Dimensionen von Organisation herrschaftlich durchdrungen sind. Dieses zeigt der folgende Ab-schnitt. 1.4 Organisation als Gebilde 1.4.1 Eine von drei Dimensionen An dieser Stelle kann nun die in Kap. 1.2 benannte Konstruktivität des modernen Organisationsphänomens einschließlich seiner Herrschaftsförmigkeit (vgl. Kap. 1.3) weiter expliziert werden. Sich Organisation als Realkategorie zu nähern bedeutet, auf eine dazu passende Weise ethnomethodologisch zu fragen, was gesellschaftliche Akteure im Alltag unter Organisation verstehen. Dieses Vorge-hen ermöglicht es, die differentia specifica des Organisationsphänomens zu ande-ren Formen der Regulation menschlicher Ko-Operation herauszuarbeiten. Drei Bedeutungsvarianten von Organisation können differenziert werden: 1. Die Dimension der Ordnung Zygmund Bauman stellt fest, dass „ungefähr gegen Ende des 16. Jahrhunderts“ (Bauman 2000, S. 250) eine Erosion stattgefunden hat: Ein gesellschaftsprägen-des Konzept begann zu zerfallen, welches von einer statischen, Natur und Gesell-schaft gleichermaßen umfassenden Ordnungsvorstellung getragen worden war. Diese Vorstellung war von einer „Sorge um die Ordnung“ motiviert gewesen und ließ ein Ordnungskonzept entstehen, „als dessen Zentrum sich eine rationalis-tisch-vernunftbasierte Wissensform etabliert“ (Bruch 2003, S. 181). Frühe Staatsutopien von Morus, Campanella und Bacon weisen bereits aus, dass sich im Vernunftgedanken von Beginn an Emanzipationsbestrebungen mit sozialtechno-kratischen und disziplinierenden Vorstellungen einer zweckgerichteten Rationali-tät verbinden (vgl. ebd.). In der Ordnungsdimension verweisen Sachlichkeit, Hierarchie, Aktenführung, Stellen- und Positionspläne oder „Vorgänge“ auf ein Rationalitätsdispositiv im Sinne eines semantischen Raumes, innerhalb dessen

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1.4 Organisation als Gebilde 43

Organisiertheit und Strukturiertheit von Organisation zentrale Bezugspunkte sind. In der Dimension der Ordnung verbinden sich „ ... Rationalitäts-, Disziplinie-rungs- und Normalisierungssemantik[en] [bzw. -praxen]“ (Türk 1995a, S. 45), die als funktionale Klassifikationen und Selektionsmechanismen von Ein- und Ausschließung wirksam werden. Organisationen sind legitimiert, Unterscheidun-gen zu treffen, sei es die Unterscheidung von Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Klienten, diejenige von Leitung und Personal oder Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern oder sei es die Unterscheidung von Status- und Beschäftigungsgrup-pen. Basal bleibt stets die Differenzierung von oben – unten/innen – außen. Nur so können Unternehmungen profitorientierte Subsumtion vollziehen. Die Ord-nungsdimension konstituiert historisch gewachsene, komplexe Sinnzusammen-hänge, man kann von Bedeutungskonstellationen sprechen: Es geht stets um eine an die Vernunft in ihrer Form als zweckgerichteter Rationalität appellierende Strukturierung sozialer Beziehungen; mit einer solchen Struktur werden Erwar-tungen an Produktivität und Effektivität assoziiert; die Unterwerfung des Sub-jekts unter die Herrschaft einer Leitungsinstanz (z. B. eines Vorstandes) lässt durch die Entstehung, oder besser: Erfindung!, von Positionalität und Rollenden-ken institutionalisierte, „unpersönliche“ Arbeits- bzw. Anforderungsstrukturen entstehen (vgl. Türk et al. 2006, S. 21). Diese Rationalitäts-, Disziplinierungs- und Effektivitätsstrukturen als Elemente der Ordnungsdimension sind allerdings nicht zu begreifen ohne einen Verweis auf ihren historischen Entstehungskontext, der durch eine ganze Reihe von struktur- und denkgeschichtlichen Voraussetzun-gen gekennzeichnet ist.

Die historisch-kulturellen Wurzeln des Terms der „zweckmäßigen Ordnung“ liegen im rationalistischen Programm der Aufklärung und des absolutistischen Staates. Dieses bringt ein innerweltliches Ordnungsdenken hervor, welches nicht nur „in Kategorien der Machbarkeit auch gesellschaftlicher Verhältnisse denkt, sondern auch und gerade in Effektivitäts- und Produktivitätskategorien und dabei bereits Herrschaft als „Management“ von zweckverwirklichender Ordnung be-greift“ (Türk 2008a, S. 341; Herv. i. Orig.). Der diese Machbarkeits- und Steuer-barkeitssemantiken leitende Zentralbegriff der Rationalität speist sich aus dem Vertrauen auf die menschliche Rationalität als befreiende, revolutionäre Kraft – das Leitkonzept der modernen bürgerlichen Gesellschaft (vgl. ebd.). Im Topos der Herstellung einer „guten Ordnung“ durch herrschaftliche Politik findet sich im auch im Frühsozialismus eine Vorstellung wieder, die die Organisation der Gesellschaft in technokratische Hände geben will (vgl. Türk 1995a, S. 49). Hier liegt auch die Wurzel für die bedeutende Kritik Max Webers, die aufklärerische Vernunft habe eine Tendenz zu einer „herrschaftsfreien Vernunft“, die doch im Prinzip als instrumentelle Vernunft zu deuten sei: Das in Bürokratie (bzw. heute:

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44 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

Organisation) sich herauskristallisierende alles umfassende Machbarkeitspostulat ist für Weber im Prinzip als effektives Herrschaftsstrategie zu begreifen; Organi-sation als die Verkörperung des Vernunfttypus „formale Rationalität“ ist für ihn gleichsam durch innen- und außengerichtete Herrschaftsakte das Kernelement der modernen gesellschaftlichen Tiefenstruktur, die rationalste Form der Herrschaft (vgl. Türk et al. ebd., S. 24). Auch Vertreter der Kritischen Theorie verstärken das Argument, dass der Konnex Rationalität und Herrschaft „am besten“ in der organisationalen Form aufgehe. Bruch (2000) führt dazu mit Bezug auf Hork-heimer aus:

„Über den Bezug auf Horkheimers Rationalitätskritik kann deutlich gemacht werden, dass das Organisationsverhältnis den besonderen Merkmalen der „instrumentellen Vernunft“ als vorherrschende Rationalität der Moderne einen materiellen Ausdruck verleiht. Rationali-tätsgeschichtlich ist Organisation gleichsam die Materialisierung einer auf Herrschaft ge-richteten Vernunft“ (Bruch 2000, S. 23; Herv. i. Orig.).

Zur Konstitution eines „guten Staatsbürgers“ oder eines „guten Organisations-mitgliedes“ wird Organisation als das zweckgerichtete Mittel per excellence begriffen. In der Kombination von Rationalität und Herrschaft konstituiert Orga-nisation gleichsam ein „Disziplinarsubjekt“ (Foucault 1974), da durch Organisa-tion eine neue Art des Zugriffs auf die Subjekte konfiguriert wird (vgl. Lemke 1997). Türk verweist im Weiteren darauf, dass sowohl das moderne Arbeitssub-jekt, als Träger von Arbeitsvermögen, dessen Erträge zunehmend abschöpfbarer werden, als auch das (überformende) Modell des „homo oeconomicus“, welches die Herausbildung eines utilitaristischen Subjekts befördert, im 18. Jahrhundert entstehen (vgl. Türk 1996; Türk et al. 2006). Die Ausprägung der genannten Subjektformen wäre ohne die parallele kognitive und materielle Etablierung des Konzepts organisationaler Ordnung in ihrem Entfaltungsgrad so nicht denkbar gewesen. 2. Die Dimension der Vergemeinschaftung Während die Ordnungsdimension vor allem auf die Betonung formierender Kräf-te von Organisation zielt, verweist die Vergemeinschaftungsdimension auf die Wechselseitigkeit organisationaler Strukturbildungen, denn es gerät „die andere Seite“ von Organisation in den Blick, nämlich die Organisationsmitglieder. Sie konstituieren nämlich alltagsspezifische, reale Strukturen der Zusammenarbeit, die differenzielle Formen von Sozialität, Kohäsion, Reziprozität und Gruppen-bildung hervorbringt (vgl. Türk 1995a, S. 66). Dies kann teilweise von der Orga-nisationsspitze angeleitet sein, aber auch ohne besondere Anweisung der Organi-

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1.4 Organisation als Gebilde 45

sationsmitglieder wirken – man denke nur an Arbeits- und Organisationsstruktu-ren wie bspw. Abteilungen oder Arbeitsgruppen etc. oder Phänomene wie Corps-geist, Teamgeist, Unternehmenskultur oder Werks- oder Betriebsgemeinschaften. Gleich ob Einzelgruppe oder Gesamtorganisation: Vergemeinschaftung zielt auf die Produktion von Organisation als sozialer Körper, als „Bund“ strukturiert sich Organisation über Prozesse sozialer Identitätsbildung und Schließung. Es entsteht die „Wir-und-die-anderen-Perspektive“, die durch kollektive Identitätsbildung auch stets eine nach außen, auf Dritte hin gerichtete Organisations-Vorstellung verankert. So können innerhalb des kapitalistischen Systems Gruppen durch die Betonung askriptiver Merkmale (von Separierung bis zu Stigmatisierung und Diskriminierung) marginalisiert werden (z. B. die „Globalisierungsgegner“). Zugleich erfordert eine Vergemeinschaftungsperspektive Formen der Disziplinie-rung und Zivilisierung menschlicher Subjektivität: Heute wieder in der Arbeits-soziologie aktuelle analytische Konzepte wie Selbstzwang und Selbstorganisie-rung erfahren unter Zuhilfenahme von Appellen an Loyalität und Betriebstreue, Solidarität und Aufopferungsbereitschaft mit der Vergemeinschaftungsdimension die Bedingung ihrer Möglichkeit (vgl. Türk 2008, S. 348). Und diese Aspekte sind mit Blick auf das hier zu behandelnde Thema insofern relevant, als dass zahlreiche der in den weiteren Kapiteln dargelegten Kämpfe um die organisatio-nale Form ohne „ ... den Wille[n] aller Einzelnen zum gemeinsamen Zweck“ (Pfordten 1917 zit. nach Türk ebd.), ohne „ ... die moralische Seite der Organisa-tion“ (ebd.) gar nicht vorstellbar und realisierbar gewesen wären. Damit erfahren Theorien wie die Zivilisationstheorie von Norbert Elias oder die Theorie moder-ner Subjektivität von Michel Foucault insofern eine organisationstheoretische Erweiterung, als dass sich zur Konstitution des modernen Individuums durch die Vergemeinschaftungsdimension kollektive – innerorganisationale – Identitäten bzw. Subkulturen ausprägen. Das „Kampfpotential“ von Organisation als Verge-meinschaftung zeigt sich zudem auch in einer parallelen Vergesellschaftungsfunk-tion von Organisation, denn: „In dem Maße, in dem Organisationen sich durch solche Vergemeinschaftungen auszeichnen, die mit den anderen Organisationen konkurrieren oder auch kooperieren und z. B. Seilschaften ausbilden, kann man auch und gerade davon sprechen, dass sich eine Organisationsgesellschaft netz-werkförmig als politische Arena organisational abgesicherter Bünde und Bünd-nisse darstellt ...“ (Türk 1995a, S. 71). Bünde, Gruppen, Subkulturen und „Zir-kel“ sind dann wiederum ihrerseits Bestandteile dessen, was die Gesamtorganisa-tion selbst zu einem Körper, zu einer Einheit, zu einem Gebilde werden lässt – zugegeben ein komplexer abstrakter Vorgang, der zentral für diese Arbeit wird, wenn Koalitionsbildungen zwischen den konfliktären Akteuren in den Fokus geraten (vgl. Kap. 3 und 4.1). Einer ersten Annäherung an die Bedeutungskons-

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tellationen der Gebilde-Dimension von Organisation soll daher im Folgenden etwas mehr Raum eingeräumt werden. 3. Die Dimension des Gebildes Die innerhalb der Gebildedimension von Organisation thematisierten Aspekte sind mit Blick auf die hier verfolgte Fragestellung von zentraler Relevanz. In der Gebildedimension konstituiert sich Organisation als der soziale und semantische Raum, innerhalb dessen Ordnungs- und Vergemeinschaftungsphänomene sich erst entfalten bzw. auf den sich letztere überhaupt beziehen können. Man kann davon ausgehen, dass drei Begriffsverwendungen von Organisation zu unter-scheiden sind (vgl. dazu Türk 1989b, S. 476): (1) Organisation als Tätigkeit (Organisieren), (2) Organisation als Eigenschaft sozialer Gebilde (Organisier-theit) und (3) Organisation als Ergebnis des Organisierens, d. h. als einen be-stimmten Gebildetyp (Organisat). Und eben genau um diesen 3. Typ, der zentral die Gebildedimension konstituiert, handelt es sich, wenn es beispielsweise für Alltagsakteure heute nahezu selbstverständlich scheint, Organisationen als Perso-nen oder gar als (handlungsfähige) Subjekte zu betrachten. Die im Rahmen dieser Arbeit behandelten ersten (und dann später sich entwickelnden) Corporations, wie z. B. die East India Company oder die Eisenbahngesellschaften in den USA, können wir als Frühformen begreifen, dass sich eine bis heute andauernde vielfa-che Reproduktion der organisationalen Form (angefangen von Automobil-Konzernen über Energieversorgungsunternehmen bis hin zu Stadtverwaltungen etc.) normalisieren konnte. Derartige Gebilde werden nicht hinterfragt. Davon zu sprechen, der Volkswagen-Konzern, die Universität Wuppertal oder der Staat Bundesrepublik Deutschland habe dieses oder jenes getan, produziert und for-miert eine eigenständige Einheit mit klaren Grenzen11, einen (mehr oder weniger zugeschriebenen) eigenständigen Subjekt- bzw. Akteurscharakter12 (was ja im weiteren Verlauf der Arbeit noch konkretisiert werden wird). Eulenburg (1952) betont die Entstehung dieser neuen Einheit:

11 Deshalb ist es auch nicht möglich, die Gesellschaft insgesamt zu organisieren, weil in Bezug

auf Sozialität keine Grenzen gesetzt werden können, menschliche Ko-Operation und Kommu-nikation stets gegenüber jeder vorgeplanten Ordnung überschüssig sind (vgl. Türk 1996a, S. 19).

12 Nassehi (2001) macht darauf aufmerksam, dass die darin enthaltene Vorstellung von Subjek-tivität als Konstitution einer „semantischen Einheitsfigur“ (Nassehi 2001, S. 2) der Moderne zu begreifen sei.

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1.4 Organisation als Gebilde 47

„Es ist die Zusammenfassung verschiedener Teile zu einer ideellen Einheit! Das ist das Ent-scheidende: wieder eine Einheit und deren Zusammenfassung zu sein (man bezeichnet sie oft als „Integrierung“), und zwar gerade Zusammenfassungen dauerhafter Art. [...] Organi-sation heißt sonach zusammenfassende Ordnung getrennter Glieder zu einer neuen Einheit. Sie ist immer Sache unseres Willens und zweckbewußten Handelns. Jede künstliche Organi-sation befolgt einen bestimmten Zweck, den sie erfüllen soll“ (Eulenburg 1952, S. 12; Herv. i. Orig.).

Dies ist im kapitalistischen System notwendig, weil anders eine Zurechnung von Produktivität und der darauf beruhenden Berechtigung zur Aneignung und Ak-kumulation nicht hergestellt werden könnte. Organisation als ein Gebilde er-scheint somit nicht nur als ein Ort, auf den sich eine bestimmte Ordnungskonzep-tion bezieht, sondern auch als eine zurechnungsfähige Einheit, der Handlungs-kompetenz, Verantwortung, Eigentumsrecht und Produktivität zugeschrieben werden (vgl. Türk 1996a, S. 19). Und diese Konstruktionsleistung – die Herstel-lung eines einheitlichen Gebildes – hatte und hat gerade für ökonomische Orga-nisationen und damit für die Ausbreitung der kapitalistischen Gesellschaftsforma-tion hohe Relevanz, denn es machte die anonymisierende Akkumulation von Reichtum, Macht und Wissen erst möglich. Erst die Einheitsvorstellung eines Gebildes erlaubt es, Mehrprodukte auf die Organisation und nicht etwa auf ein-zelne Mitarbeiter oder Abteilungen zuzurechnen. Die Verwirklichung der Kapi-talfunktion des Geldes, gar die Bildung von Kapital überhaupt wäre ohne eine derartige schneidende Abstraktionsleistung und letztlich auch Handlungspraxis nicht möglich (vgl. Türk 1995a, S. 53). Neben diesem vornehmlich ökonomi-schen Aspekt ist zu konstatieren, dass die Gebildedimension von Organisation es des Weiteren erlaubt, Loyalitäten der Subjekte bspw. gegenüber „der Firma“, die einen beschäftigt und entlohnt, entstehen zu lassen. Zugleich schafft sie aber auch Verantwortungsentlastung durch Rollenteilung, bspw. wenn man sagen kann, etwas nur als entsubjektivierter Angestellter getan zu haben. Damit ist auch der bedeutende Unterschied zu den Korporationen des Mittelalters (vgl. ebd.) mar-kiert: In modernen Organisationen werden nicht natürliche Menschen assoziiert, sondern es werden verschiedene soziale Rollenbündel kombiniert. Ihren rechtli-chen Niederschlag findet die Gebildedimension in der Juristischen Person. Be-vor nun im Weiteren auf diese eher fragmentarischen Bemerkungen zum Bedeu-tungskonstellation der Gebildedimension systematisch anhand des Forschungs-standes zurückzukommen sein wird, zeigt folgende Grafik noch einmal die Ele-mente der Bedeutungskonstellation Gebilde:

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Abb. 1: Die Bedeutungskonstellation Gebilde

Quelle: Türk 1996a, S. 18 Im Folgenden werde ich nun einige zentrale Punkte der obigen Bedeutungskons-tellation des Gebildes systematisch wieder aufnehmen, indem ich den For-schungsstand zur Gebildedimension darlege. 1.4.2 Der Forschungsstand zur Gebilde-Dimension Vorbemerkung Nimmt man nun noch einmal die zentralen Elemente der vorn ausgeführten Be-deutungskonstellation des Gebildes auf und versucht sie, mit dem Forschungs-

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1.4 Organisation als Gebilde 49

stand zur Gebildedimension in Zusammenhang zu bringen, muss auffallen, dass einige Elemente in bisher gut bekannten Ansätzen enthalten sind: Wie die fol-genden Ausführungen zeigen werden, behandelt beispielsweise James S. Cole-man Juristische Personen sehr ausführlich; Max Weber verweist durch die Studi-en zu den mittelalterlichen Handelsgesellschaften bereits auf die extroverse Herr-schaftsförmigkeit von Organisation hin. So kann die von Türk herausgearbeitete historische Genese der Gebildedimension von Organisation teils als eine verdich-tete Meta-Präsentation gelesen werden, die ihrerseits einzelne Aspekte der hier im Folgenden dargelegten Forschungsansätze beinhaltet bzw. fokussiert. Für die Fragestellung dieser Arbeit ist nun von Interesse, wie genau sich die bisherigen Forschungsarbeiten zur Gebildedimension verschiedener Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen darstellen. Auf welche Elemente der Bedeutungs-konstellation Gebilde ist tiefer eingegangen worden, auf welche eher sporadisch oder gar nicht? Und wenn – wie vorn angedeutet wurde – viele Forschungen auf Europa beschränkt bleiben, wird es dann möglich, so etwas wie ein gemeinsames Merkmal dieser Forschungen herauszuarbeiten, um dieses dann in Differenz zu den Prozessen der Etablierung der korporativen Form in den USA setzen zu können? Diese Leitfragen begründen die folgende Darstellung. Diese konzen-triert sich darauf, zunächst die grundsätzlichen Ansätze und Theoriestränge zu ordnen und ihre jeweiligen Kern-Thematisierungen und -thesen verdichtet darzu-stellen. Verkürzt zusammengefasst kann man sagen, dass sich zeigen lässt, dass die dargestellten Ansätze dieselben Konfliktlinien, die sich sowohl in der Organi-sationssoziologie als auch in der Allgemeinen Soziologie immer wieder zeigen lassen, repräsentieren: Objektivistische, ontologisierende Ansätze, die „die“ eigenständige, naturartige „Realität“ von Organisationen betonen, stehen unver-einbar subjektivistischen, konstruktivistischen Perspektiven, die auf das „Men-schengemachte“, „Fiktive“ verweisen, gegenüber. Ich beginne mit Ansätzen, die disziplinär der Rechtswissenschaft zugeordnet werden können, auch wenn einige dieser Ansätze eher als rechtssoziologische zu kennzeichnen sind.

1.4.2.1 Rechtswissenschaft: Von corpora zu „zusammengesetzten Moral-“ und Juristischen Personen Der Teil der Rechtswissenschaft, den man als eher historisch ausgerichtet be-zeichnen kann, hat die Korporationen aufgrund seines disziplinären Selbstver-ständnisses zum Gegenstand und folgt im Prinzip einer rechtsdogmatischen Grundprämisse:

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„Am offenkundigsten ist der Bedarf nach einem Recht der menschlichen Gemeinschaften bei den biologisch begründeten Personenverbänden, Familie und Volk. Familienrecht ist äl-ter als Staatsrecht, die Familie älter als der Staat. Familienrecht (...) geht in der deutschen Rechtspraxis bis in das bürgerliche Zeitalter dem Vermögens- und Personenrecht an Um-fang und Bedeutung vor. Man ist deshalb nie so weit gegangen, die Familie dem allgemei-nen Recht der menschlichen Verbände zu unterstellen und auf ein besonderes Familienrecht zu verzichten. Neben der Familie steht die Verwandtschaft, die zumeist auch die Nachbar-schaft war, stehen Stamm und Volk. Gemeinsame Abstammung und gemeinsames Leben haben immer besondere Rechtsregeln notwendig gemacht“ (Hattenhauer 1982, S. 20).

Diese Vorstellungen von frühen Personenverbänden ist kennzeichnend für das klassische römische Recht: Es kannte kollektive Teilnehmer an Rechtsgeschäften und kollektive Untereinheiten des Reiches, z. B. die municipia. Diese aus einer Vielzahl von Mitgliedern zusammengesetzten Gebilde, zu denen man auch die als corpora, collegia oder universitates bezeichneten Handwerker- und Bestat-tungsvereine zählen kann, agierten unter einem vereinheitlichenden Namen und übten, vertreten durch Funktionäre oder Magistrate, bestimmte Rechte gemein-sam aus. Doch sie wurden nicht als von der Summe ihrer Mitglieder unabhängi-ge, abstrakte Einheiten gesehen. Im Zentrum des römischen Rechts standen als Rechtssubjekte die Individuen13; Träger von Rechten, das heißt rechtsfähige personae, konnten nur konkrete Menschen sein, und auch diese im vollen Sinn nur dann, wenn ihre Rechtsfähigkeit nicht eingeschränkt (Frauen, Kinder) oder stark reduziert (Sklaven) war.

Im Kanonischen Recht, dem speziellen römischen Kirchenrecht, kann man dann die Vorstellung einer fiktiven Person, also eines zwar fiktiven, rechtlich aber anerkannten Einzelwesens, finden14. Es war zunächst egal, ob es sich dabei um einen Orden, eine Stiftung, ein Kollegium, ein Kapitel (im Alten Rom) oder später (im Mittelalter) um eine Handwerkszunft, eine Kaufmannsgilde, eine Schule, die Gesamtheit der Bürger einer Stadt oder die Bauernschaft in einem Dorfe handelte (vgl. ebd.). Darauf, dass rechtshistorische Betrachtungsweisen häufig staatstheoretische Diskurse implizit mit transportieren, machen Koschorke et al. (2007) aufmerksam: Im Grunde sind viele Beschreibungen politischer For-mationen bereits im Alten Rom daran orientiert, eben diese Formationen analog

13 Das entspricht z. B. in Deutschland der sich später herausbildenden und heute noch geläufi-

gen BGB-Gesellschaft. 14 Allein mit Bezug auf den Terminus „fiktiv“ soll an dieser Stelle nur angedeutet werden,

dass man zugespitzt auf die Frage, ob es sich bei sozialen Entitäten, gleich welchen Ab-straktionsniveaus, um natürliche, künstliche oder eben „fiktive“ Einheiten handelt und wel-che unterschiedlichen (Körper-) Metaphoriken diesen Konzeptualisierungen zugrunde lie-gen, einen eigenen – transdisziplinären – Forschungsstrang füllen kann (vgl. hierzu ausführ-lich Koschorke et al. 2007).

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zur Organologik des menschlichen Körpers zu charakterisieren. (vgl. Koschorke et al. ebd., S. 69). Die Metapher vom Staat als Körper bspw. hatte die römische Rhetorik der griechischen Welt entlehnt und kann in der römischen Geschichts-schreibung und Philosophie seit der Zeit des Augustus als gängig angesehen werden (vgl. ebd., S. 69 f.).

Weitere begriffliche und theoretische Schärfungen erhielt die Gebildevorstel-lung erst durch die Konzipierung von Vermögensverbänden. Einer Verfassung eines Ordensstifts oder einer Satzung einer Zunft konnten sich die Mitglieder unterordnen, aber was war bspw. mit dem Vermögen eines Klosters? Es stellte sich in zahlreichen Personenverbänden, die man deshalb eigentlich als Vermö-gensverbände hätte charakterisieren müssen, die Frage, wer eigentlich Rechtsträ-ger des Vermögens zu sein habe (vgl. Hattenhauer ebd., S. 21). Die mittelalterli-che Rechtslehre beantwortete die Frage dergestalt, dass sie Korporationen als rechtsfähige Wesen als solche und daher als Eigentümer charakterisierte. Sie umschrieb universitas im Prinzip als ein unkörperliches Begriffswesen („corpus unum“), welches als „persona“, also wörtlich als „Maske“ (vgl. Einleitung), zu fassen sei. Damit wurde wohl bereits zu diesem Zeitpunkt erkannt, dass die der universitas zuerkannte eigene Rechtspersönlichkeit nicht nur eine deutliche Dif-ferenz zwischen der Körperschaft selbst und ihren Mitgliedern konstruieren half (vgl. ebd., S. 22), sondern sich diese Mitglieder förmlich hinter der „Maske“ der Körperschaft verbergen konnten. Die Unkörperlichkeit, die der Begriff persona beinhaltet, war im Grunde aber dennoch Affirmation eines gedanklichen Prin-zips, und zwar dessen, was als kognitiver Vollzug bezeichnet werden könnte, das Wesen zu charakterisieren, welches hinter dem Begriff stand: Es ging um das aus der Antike stammende Prinzip, Gemeinschaften in Körperbildern zu beschreiben, auch wenn man diese Gemeinschaften im Mittelalter sehr häufig als eben nur rein „fiktiv“ i. S. v. gemacht, konstruiert, begriffen hatte. Seit Paulus war die Kirche bereits zunächst als „corpus Christi“, dann ab dem 9. Jahrhundert oft als „corpus mysticum“ bezeichnet worden (vgl. Dohrn-van Rossum 1977, S. 161 ff.; Ko-schorke ebd., S. 75). Und diese „mysticum“-Komponente, so folgern Koschorke et al. weiter, in die politisch-juridisch-administrative Sphäre importiert zu haben, bedeutet, dass

„ …es sich dabei genau um jenes imaginäre Surplus handelt, das den abendländischen Beg-riff der Gemeinschaft insgesamt auszeichnet: die „Mystifizierung“ des corpus juridicum be-steht darin, die juristische Ordnung der politischen „Körper“ aus einer präsymbolischen Substanz, einer imaginären Leiblichkeit, hervorgehen zu lassen, die Gesetz und symbolische Ordnung je nur als abgeleitete, sekundäre Niederschriften von naturhaft und/oder sakramen-tal je schon in der Substanz vollzogenen Identifizierungen erschienen lässt“ (ebd., S. 76 f.; Herv. i. Orig.).

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Die auf die Antike zurückgehende, aber christlich umgedeutete organologische Staatsauffassung erhielt ihre ausführlichste mittelalterliche Formulierung im Policratius des englischen Bischofs Johannes von Salisbury (ca. 1115 - 1180). Unter Berufung auf eine angebliche Schrift des Plutarch ordnet Johannes allen wichtigen Körperteilen eine Funktionsgruppe im irdischen Staat zu:

„Der Herrscher ist der Kopf, jedoch Gott und dessen Dienern, dem Klerus, unterstellt wie im menschlichen Körper das Haupt der Seele; der „Senat“ ist das Herz, die Richter und Pro-vinzgouverneure sind die Augen und anderen Sinnesorgane; die Militärs sind die Hände, die „ständigen Assistenten des Fürsten“ die Lenden; die Finanzverwaltung ist mit dem Magen und den Därmen, die Bauern sind mit den Füßen zu identifizieren. Diese Mischung von Staatskunde und Ständelehre, in der die kirchliche Tradition der Körper-Metapher und die antike kosmologische Tradition des Vergleichs von menschlichen Körper, Kosmos und Po-lis miteinander kombiniert sind, ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil sie trotz der hie-rarchischen Gesamtkonzeption großes Gewicht auf das harmonische Zusammenwirken der verschiedenen Funktionsgruppen legt“ (ebd., S. 78; Herv. i. Orig.).

Samuel Pufendorf (1632 - 1694) war einer der ersten, die dazu beitrugen, die bereits erwähnte antike und später mittelalterliche Vorstellung von Körperschaf-ten als Kollektivsubjekten brüchig werden zu lassen. Bei Pufendorf gehören die „einfachen“ und „zusammengesetzten Moralpersonen“ („persona moralis“) (Pu-fendorf 1711) in den Kontext der anthropologischen und rechtsphilosophischen Grundlegung seiner Naturrechtslehre. Zentralbegriff dieser Lehre sind die mora-lischen Wesenheiten („entia moralia“, d. h. Wertigkeiten, Seinsweisen oder Mo-di, die der natürlichen Welt („entia physica“) von den Menschen zugeschrieben werden. Damit geht Pufendorf davon aus, dass sich in allem Seienden Substanz und Modi unterscheiden lassen (vgl. Welzel 1958, S. 21). Die entia moralia kommen durch die Setzung intelligenter Wesen zustande, durch welche den entia physica etwas hinzugefügt wird; sie existieren folglich nicht selbständig, sondern immer nur als Modus der physischen Substanzen. Insofern sie keine eigenständi-gen Entitäten darstellen, bezeichnet Pufendorf den Akt, durch den sie hervorge-bracht werden, als „Beilegung“ („impositio“), die Art und Weise ihrer Entste-hung als menschliche „Erfindung“ („inventio“) (vgl. Pufendorf 1688 zit. nach Lutterbeck 2009, S. 23). Da zu den entia moralia auch die „Personenhaftigkeit“ (persona) gehört, lässt sich folgern, dass jeder einzelne Mensch persona moralis ist (oder genauer: eine persona moralis trägt)15. Über die Personenhaftigkeit als primäre Seinsweise dieser persona moralis legen sich sekundäre entia moralia, als

15 Obwohl sich Pufendorf explizit mit den Komplexen „Person“ und „Moral“ befasst, weisen

einschlägige wissenschaftliche Arbeiten ihn weder im Text noch im Literaturverzeichnis ausdrücklich aus (vgl. für mehrere: Sturma, D.: Philosophie der Person. Die Selbstverhält-nisse von Subjektivität und Moralität. Paderborn u. a. 1997).

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1.4 Organisation als Gebilde 53

wichtigsten der status (Stand). Relevant ist in diesem Zusammenhang, dass die moralische Welt keine sittliche Welt an sich darstellt, vielmehr ist Pufendorfs Moral-Vorstellung sozial bzw. gesellschaftlich16 aufzufassen, denn sie erlaubt es,

„ ... eine Mehrzahl von Individuen, die jeweils durch einen Willen zu sozialen Einheiten in-tegriert werden (societates), als moralische Entitäten darzustellen. Die gesamte, nach aristo-telischem Muster angelegte, naturrechtliche Gesellschaftslehre von den Gesellschaften des Hauses (oikos) bis hin zur bürgerlichen Gesellschaft (societas civilis) gehört dementspre-chend zur Phänomenologie der moralischen Welt“ (Lutterbeck ebd., S. 25).

Diese proto-soziologische Sichtweise korrespondiert mit der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen und in Kap. 1.2 ausgeführten konstruktivistischen Position, die sich durch eine stete historische, polit-ökonomische Reproduktion der Gebilde-dimension von Organisation qua Denken und Handeln von Menschen auszeich-net. Dies kann mit Pufendorf explizit gemacht werden, wenn er ausführt, dass der Modus der persona moralis nicht nur einzelnen, „einfachen“ (vgl. vorn) Perso-nen, sondern auch Personenvereinigungen zukomme, die Pufendorf als „zusam-mengesetzte Moralpersone[n]“ (Pufendorf 1711, S. 19) bezeichnet und damit klar eine frühe Form der Juristischen Person erörtert:

„Eine zusammengesetzte Moralpersone entsteht daher, wenn viele einzelne Menschen der-gestalt miteinander verknüpfet werden, das sie vermög und in Kraft solcher Verbindung wollen oder fürnehmen, dasselbe bloß vor einem Willen oder vor ein einziges Fürnehmen, nicht aber für derer viele und unterschiedliche müsse geachtet werden. (…) Es lassen sich nun also ferner die zusammengesetzten Moralpersonen oder Gesellschaften nach Art derer einfachen füglich einteilen in öffentliche und Privatpersonen. Jene sind wiederum entweder geistliche oder weltliche (…) Konzilien und Synodi, die Consistorie und andere einzelne Priesterversammlungen (…), Ratsversammlungen, die Ritterorden, die Parlamente, Zünfte und dergleichen“ (ebd., S. 19 ff.).

16 Ganz im Sinne Durkheims ist der „Moral“-Term eben nicht als ein normativ-sittlicher zu

fassen, sondern er bezieht sich auf eine Form der Deskription des Funktionszusammenhangs der modernen Gesellschaft: Der Durkheim’sche Begriff der Moral stellt den Gegenpol zum Individuellen dar und zielt auf das Kollektivbewusstsein einer Gesellschaft. „Die Moral und das Soziale werden bei Durkheim als gleichbedeutend gedacht.“ (Jonas 1969, S. 55) Das Soziale kennzeichnet für Durkheim die unbedingte Vorherrschaft des allgemeinen Willens gegenüber dem Einzelnen. Dieses Soziale besteht in den Regeln und Zielen, die innerhalb einer Gesellschaft – kollektiv – faktisch handlungsleitend oder verbindlich sind und denen die Individuen oft unbewusst folgen; für Durkheim finden sie in der modernen Gesellschaft ihren klarsten Ausdruck in Moral und Religion (vgl. ebd.). Mit Hobbes’schen individualis-tischen vertragstheoretischen Begründungen von Gesellschaftlichkeit wird damit gebrochen: Es geht quasi um die nicht-vertraglichen Voraussetzungen des Vertrages (zwischen Indivi-duen) – und dieses sind normative Voraussetzungen.

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Die wichtigste zusammengesetzte moralische Person ist der Staat, dessen Ziel es ist, für den gegenseitigen Schutz aller zu sorgen (vgl. Dohrn-van Rossum ebd., S. 195 ff.; Koschorke et al. ebd., S. 339).

Wie vorn erwähnt behandelt Pufendorf im Kern Aspekte, die über ein Jahr-hundert später den Diskurs um den zentralen Rechtsterminus der Juristischen Person bestimmen würden. Das Konstrukt der Juristischen Person scheint eng verzahnt mit der Konstitutionsgeschichte organisationaler Gebildevorstellungen zu sein. Das Wort Juristische Person findet sich im „Grundriss eines Systems des gemeinen Civilrechts“ des Juristen Georg Arnold Heise (1778 - 1851) im Jahr 1807 und korrespondiert mit der „moralischen Person“ des österreichischen ABGB, den „personnes fictives“, „personnes morales“ und „personnes civiles“ des französischen Rechts sowie den „persone giuridiche“ des italienischen Rechts (vgl. ebd., S. 237). Die Frage der Rechtsnatur der Juristischen Person führte im 19. Jahrhundert zu erheblichen Kontroversen bei Philosophen und Juristen. „Un-ter rechtstheoretischen Gesichtspunkten ging es dabei um das Problem, ob und inwieweit kollektiven Einheiten wie Staaten, Vereinen, Unternehmen etc. Rechte zuerkannt und sie den „natürlichen“ Personen in Rechtsfragen gleichgestellt werden sollten.“ (Türk et al. 2006, S. 141; Herv. i. Orig.) Ausprägungen der Juristischen Personen konnten sich dann historisch in unterschiedlichen Organi-sationskonzeptionen manifestieren, bspw. in Form von Verbänden, Genossen-schaften und Vereinen17. Obwohl wie gezeigt die Bezeichnungen für Körper-schaften bereits im Alten Rom um ein logisches In-Beziehung-Setzen bzw. Ver-gleichen mit natürlichen Personen nicht umherzukommen schienen, bildeten sie

17 Allein dieser Satz zeigt ein Dilemma an, welches einerseits in der analytischen Perspektive,

die dieses Forschungsstand anleitet, liegt und andererseits ein Darstellungsproblem nach sich zieht: Die hier im Rahmen dieser rechtswissenschaftlichen Ansätze dargestellten Denk-traditionen – gleich, ob sich einige mehr durchsetzten als andere – beziehen sich im Kern auf das Rechtsgebiet des Bürgerlichen Rechts bzw. des Privatrechts. Sich später vollziehen-de Ausdifferenzierungen in Fragen des öffentlichen und privaten Rechts können und sollen hier nicht tiefer behandelt werden, kennzeichnen sie doch eine vornehmlich kontinental-europäische Rechtsentwicklung, deren Darstellung den hier vorgesehenen Raum sprengen würde. Bspw. die ökonomischen Ansätze des Kap. 1.4.2.2 erfassen mit den englischen Handelsgesellschaften frühe Proto-Organisationen, die ihre Genese und Struktur in erster Linie der angelsächsischen juristischen Denk- und Praxisform des common law verdanken. Auf diese Tradition wird in Kap. 3, welches die US-amerikanischen Rechtsfälle behandelt, als rechts- und polit-dogmatische Position ausführlich an vielen Stellen eingegangen. Damit streift man dann wieder unausweichlich auch Fragen des (US-amerikanischen) öffentlichen Rechts. Und da hier keine juristische Dissertation vorgelegt wird, erfolgt die Gliederung des Forschungsstandes auch nicht entsprechend nach „civil law“ und „common law“, sondern nach den hier gewählten eher philosophisch-politischen bzw. wissenschaftsdisziplinären Gliederungsgesichtspunkten, bei denen ihrerseits wiederum organisationssoziologische Re-levanzen hervorgehoben werden.

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im Kern allerdings eben nicht die Gleichsetzung mit natürlichen Personen: Ihr Grundgedanke war stets der eines Kollektiv-Subjekts: Körperschaften schienen eben eher sozialen als individuellen Körpern nachgebildet. Dieser Gedanke liegt auch im Prinzip den Verbänden, Genossenschaften und Vereinen zugrunde. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts hatte der Begriff Verein eine spezifisch staats-rechtliche Ausrichtung, indem er für eine Einung bzw. den korporativen Zusam-menschluss von ständischen bzw. reichsunmittelbaren Herrschaftsträgern ver-wendet wurde (vgl. Bär 2003, S. 236). Das BGB bezeichnet als Verein eine frei-willige Vereinigung von natürlichen oder Juristischen Personen zu einem ge-meinsamen Zweck, die auf eine gewisse Dauer angelegt, korporativ organisiert und in ihrer Existenz vom Wechsel der Mitglieder unabhängig ist. Dieser Ver-einstypus hat seine ideengeschichtlichen Wurzeln in der Aufklärung, nach der sich der Mensch als „animal sociale“ auf der Basis der Gleichheit und der Frei-willigkeit rechtlich zusammenschließen soll. Von Vereinen in diesem Sinne spricht man bspw. in Deutschland im Gegensatz zur nicht korporativ organisier-ten Gesellschaft erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Von der Gesetzgebung wurde dieser Vereinsbegriff sogar erst in der zweiten Jahrhunderthälfte aufgegrif-fen (vgl. ebd.). Daneben findet sich seit etwa 1835 die Bezeichnung Assoziation, die bis 1848 jede Form freiwilliger Vergesellschaftung umfasste, sich aber an-schließend verselbständigte und künftig die kollektiven Organisationen und die politisch-soziale Emanzipationsbewegung der Arbeiter umschrieb (vgl. Türk et al. 2006, S. 137 f.). Der Begriff Genossenschaft kennzeichnete in seiner klassi-schen Bedeutung etwa ab 1840 einen Vereinstypus, der in bestimmten Sektoren der Wirtschaft, wie Handwerk und Landwirtschaft für ganz bestimmte Zwecke (billigerer Einkauf von Rohmaterialien oder Lebensmitteln, Beschaffung von Krediten, Absatz von landwirtschaftlichen Produkten u. ä.) gegründet und einge-setzt wurde und der häufig auch dem Zweck dienen sollte, kleinere Gewerbetrei-bende gegenüber von Großbetrieben konkurrenzfähig zu halten (vgl. Ziegenfuß 1948, S. 73 ff.). Otto v. Gierke gebrauchte den Begriff „Genossenschaft“ demge-genüber seit 1868 in seinem Werk „Das deutsche Genossenschaftsrecht“ mit anderem, nämlich weiterem Inhalt und verstand darunter „ ... jede auf freier Ver-einigung beruhende deutschrechtliche Körperschaft, das heißt Vereine mit selb-ständiger Rechtspersönlichkeit“18 (Gierke 1868, Bd. I, S. 5).

So kann nun im nächsten Schritt versucht werden, die gesellschaftlichen Kon-flikte im Rahmen der Etablierung des Konzepts der Juristischen Person in Konti-nentaleuropa nachzuvollziehen, die mit Teubner (1978) vor allem als Konflikte

18 Darauf werde ich weiter unten in diesem Unterkapitel, bei der Behandlung der Verbands-

theorien, zurückkommen.

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zentraler konkurrierender neuzeitlicher Verbandstheorien zu kennzeichnen sind. Teubner gelingt es, innerhalb seines Themas „Organisationsdemokratie und Ver-bandsverfassung“ sechs Theorien komprimiert herauszuarbeiten. Sie alle trans-portieren explizit oder implizit Annahmen über Genese und Geltung des Gebildes Organisation.

Zunächst führt Teubner die „absolutistisch-etatistische Korporationstheorie“ (Teubner 1978, S. 10; Herv. T. M.) von Thomas Hobbes an: Hier sei zentral gewesen, dass die Monopolisierung öffentlicher Gewalt beim souveränen Staat Verbandsgewalt nur als delegierte staatliche Macht habe zulassen können. Staat-liche Genehmigung war für die „Privilegskorporation“ konstitutiv; der Verband als solcher reduzierte sich auf ein „inkorporiertes Privileg“ (Gierke19, I, S. 638). Ein derartiges Abhängigkeitsverhältnis, so folgert Teubner, sei deutlich bei Hob-bes’ Leviathan zu Tage getreten, welcher nur den einen Verband als „Indepen-dent“ (Hobbes 1651 [1953] zit. nach ebd.) und „Absolute“ (ebd.) anerkennt, nämlich den Staat, alle anderen sind „Dependent“ (ebd.), also „Subordinate to some soveraign Power“ (ebd.). Nach Hobbes ist ein Staat im Staat nicht denkbar; Verbandsgewalt über die Mitglieder beruht nur auf staatlicher Vollmacht; nicht die Mitglieder des Verbandes, sondern der Staat bestimmt die Kompetenzen der Verbandsorgane – alles Aspekte, die den absolutistischen Verband eher zu einer Anstalt gemacht haben (vgl. ebd.). Definierte im Absolutismus der Staat Außen-funktionen und Binnenstrukturen von Korporationen, so wird die Verbandslehre des deutschen Idealismus vom Fixpunkt des in Freiheit handelnden Individuums bestimmt (vgl. ebd., S. 11). In Friedrich Carl v. Savignys „System des heutigen Römischen Rechts“ findet sich die konsequente Herleitung der Verbandslehre aus dem idealistisch-ethischen Personbegriff von Kant. So heißt es bei Savigny:

„Alles Recht ist vorhanden um der sittlichen, jedem einzelnen Menschen innewohnenden Freyheit willen. Darum muß der ursprüngliche Begriff der Person oder des Rechtssubjekts zusammenfallen mit dem Begriff des Menschen, und diese ursprüngliche Identität beider Begriffe läßt sich in folgender Formel ausdrücken: Jeder einzelne Mensch, und nur der ein-zelne Mensch ist rechtsfähig“ (Savigny 1981 [1840], S. 2).

Dieser streng individualistische Bezug der Rechtssubjektivität zwingt Savigny zu der bekannten „Fiktion“, die dann seine Position zukünftig auch als Fiktionstheo-rie kennzeichnen sollte:

„Wir betrachten sie (sc. die Rechtsfähigkeit) jetzt als ausgedehnt auf künstliche, durch blo-ße Fiktion angenommene Subjecte. Ein solches Subject nennen wir eine juristische Person,

19 Die Darstellung dieses ersten Ansatzes der „absolutistisch-etatistischen Korporationstheo-

rie“ entnimmt Teubner bei Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. I.

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1.4 Organisation als Gebilde 57

d. h. eine Person welche blos zu juristischen Zwecken angenommen wird. In ihr finden wir einen Träger von Rechtsverhältnissen noch neben dem einzelnen Menschen“ (ebd., S. 236).

Innerhalb dieser Perspektive hatte nur der Mensch einen individuellen Willen, der jeder künstlich geschaffenen Organisation zwangsläufig fehlt. Für Savigny ist die individuelle Freiheit der Bezugspunkt des Rechts; sie ist gleichsam Grundla-ge für die sittliche Autonomie des Menschen (vgl. Türk et al. 2006, S. 142). Aus praktischen Gründen sei es jedoch erforderlich, so müssen wir wohl Savignys Ansatz begreifen, ein künstliches Rechtssubjekt zu fingieren, das mangels eigener Handlungsfähigkeit durch Organe handeln müsse. Damit waren den Korporatio-nen schon im Ansatz eigenständige Funktionen abgesprochen; sie blieben abhän-gige Kunstprodukte staatlicher Rechtssetzung (vgl. Teubner ebd., S. 12). Aus dem fiktiven Charakter der Juristischen Person folgt für Savigny die strenge Trennung der Korporation in ihrer idealen Existenz von der Gesamtheit der Mit-glieder.

Hinsichtlich der konkreten Rechtsverhältnisse der Juristischen Person griff Savigny entsprechend der Aufgabe seines „Systems“ auf das römische Recht zurück. Daher bezogen sich seine Ausführungen über weite Strecken auf die kommunalen Juristischen Personen, von denen das Recht der sonstigen willkürli-chen Korporationen hergeleitet wurde. Er unterschied zwar prinzipiell Gemein-den, Städte und Dörfer von Juristischen Personen mit künstlichem oder willkürli-chem Dasein (vgl. Bär ebd., S. 239), dennoch stellte er fest: „Für alle diese will-kürlich gebildeten Corporationen gilt die gemeinsame Bemerkung, daß sie als Nachahmung der Stadtgemeinden betrachtet werden, welches eben das Wesen der juristischen Person ausmacht“ (Savigny ebd., S. 259). Wie gesagt, durchset-zen sollte sich nicht Gierkes Position, sondern eher die Savignys: Neben natürli-chen Personen, also Menschen, sollte es in Europa keine weiteren als „real“ zu begreifenden Personen geben.

Die Fiktionstheorie Savignys sollte sich zwar innerhalb des Rechtsdenkens in Bezug auf Idee und Wesen der Juristischen Person durchsetzen, allerdings kon-kurrierten noch weitere Ansätze mit ihr, die v. a. durch ihre gedanklichen Verbin-dungen zwischen Rechtsdenken und politischem Ordnungsdenken charakterisiert werden können. Da ist zunächst die „radikaldemokratische Version“ (Teubner ebd., S. 13; Herv. T. M.) J.-J. Rousseaus zu nennen: Mit dessen „aufklärerischer“ Vorstellung einer demokratischen politischen Willensbildung, mit der Konstituti-on eines „volonté générale“ aus dem Willen aufgeklärter, aber isolierter Individu-en, ist die Existenz intermediärer Gruppen unvereinbar. Nach Rousseaus Konzept einer „alienation totale“ des Individuums im „Contract social“ müssen Verbände als dysfunktional für ein System identitärer Demokratie erschienen sein (vgl.

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Teubner ebd.). Unter den idealen Voraussetzungen eines „contract social“ bestritt Rousseau den partikulären, den Gemeinwillen verfälschenden Verbänden jedes Existenzrecht. Rousseau vertrat die Auffassung, kleine, machtlose Verbände, seien am Geeignetsten, die Bildung eines „volonté générale“ am Wenigsten zu gefährden. Die politisch-rechtliche Verwirklichung, so führt Teubner weiter aus, fanden derartige Dekorporierungstendenzen in der Französischen Revolution. Verbänden wurden jegliche öffentliche Funktionen abgestritten; sofern sie sich nicht auf enge private und gesellige Zwecke beschränkten und intern nur lose organisiert waren, unterlagen sie scharfen staatlichen Sanktionen. Berufliche und politische Vereinigungen waren verboten, wurden für zivilrechtlich nichtig erklärt und strafrechtlich verfolgt (vgl. Teubner ebd., S. 14).

Als nächsten hier darzustellenden Ansatz sei das „frühliberale Verbandsmo-dell“ (ebd.; Herv. T. M.) von Wilhelm v. Humboldt angeführt: Entsprechend der strikten Eingrenzung staatlichen Handelns werden die Außenfunktionen von Verbänden allein im privatgesellschaftlichen Bereich angesiedelt. Es fehlt jeder Bezug auf öffentliche Funktionen; eine intermediäre Stellung im Sinne eines Stufenaufbaus des Gemeinwesens wird ihnen abgesprochen. Staatsabwehr und Subsidiaritätsprinzip kennzeichnen das Verhältnis Staat – Verbände. Dieses früh-liberale Modell begreift Verbände als nichts anderes als die Summe ihrer Mit-glieder, die sich vertraglich zusammenschließen. Alle Angelegenheiten stehen zur vollen Disposition der Gesamtheit der Mitglieder bzw. ihrer Mehrheit und sind strikt gegen staatliche Interventionen abgeschirmt (vgl. ebd., S. 15). Eine derarti-ge Organisationskonzeption auf Verbände anzuwenden, ist allerdings nicht unmit-telbar rechtlich wirksam geworden. Dennoch übten die frühliberalen Ideen einer individualistisch-assoziativen Verbandsordnung einen starken Einfluss auf die Verbandsdiskussion des 19. Jahrhunderts aus.

Im Vormärz allerdings wurde die Verbandstheorie des politischen Liberalis-mus vor allem durch Karl Theodor Welcker dagegen unmittelbar politisch-rechtlich bedeutsam: Es sollte das Menschenrecht der Vereinsfreiheit durchge-setzt werden (vgl. ebd., S. 16). Die Außenfunktionen der Verbände werden jetzt explizit als politische definiert. Zwar bleibt die negative Staatsabwehrfunktion deutlich betont, daneben aber werden positive öffentliche Funktionen hergestellt: Verbände als genossenschaftliche Selbstverwaltungsorgane sind Einrichtungen des öffentlichen Lebens; als Repräsentationsinstanzen nehmen sie maßgeblich an der politischen Willensbildung teil; sie gelten als Ordnungsfaktoren, sind Interes-senartikulationsinstanzen und eröffnen den Zugang zur Politik (vgl. ebd.). Auch hier zeigt sich die Organisationsform der „Corporation“ (ebd.) – im Unterschied zur weiter hinten sowie in Kap. 1.4.2.3 erwähnten eher binnenstrukturell orien-tierten Assoziation – deutlich erkennbar: Die „Corporation“ erhält sogar eine

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1.4 Organisation als Gebilde 59

eigene Rechtsform, die das gesamtgesellschaftlich geltende Demokratieprinzip auch in ihr verwirklichen soll:

„Die Corporation dagegen [als Absetzung zur Assoziation, T. M.] hat diesen wahren Ge-samtwillen, dem alle Mitglieder unterworfen sind, und die bloße Stimmenmehrheit oder ei-ne verfassungsmäßig constituierte Regierungsgewalt spricht ihn gültig aus, sobald sie dem Grundgesetz gemäß abstimmt und beschließt. Wenn dieses geschieht, so ist der bloße Mehrheitsbeschluß nun durch die von Allen freiwillig eingegangenen pflichtmäßige Theil-nahme am Verein und an dessen Grundgesetz nun zugleich der wahre Gesamtwille aller Mitglieder als solcher …“ (Welcker 1837 zit. nach ebd., S. 17; Herv. i. Orig.).

Eine strukturbildende Bedeutung erlangte die Organisationskonzeption des poli-tischen Liberalismus in Bezug auf die Binnenstrukturen von Organisationen kaum; in der Außenfunktion dagegen können Vereinsfreiheit und Verbandsauto-nomie mit Hilfe dieser Konzeption den Status des politisch Erkämpften erlangen (vgl. ebd.).

Die sechste und letzte in diesem Zusammenhang darzustellende Konzeption hat sich zwar ebenso wenig substantiell durchgesetzt – wie gesagt im Vergleich zu beispielsweise vorn genannter Fiktionstheorie Savignys –, sie hat allerdings gerade in Bezug zu der im Rahmen dieser Arbeit zentral herauszuarbeitenden Diskursformation der organisationalen Form in den USA besondere Bedeutung (darauf werde ich Kap. 3 mehrfach zurückkommen). Die „Theorie der Verbands-person im frühen Pluralismus“ (ebd., Herv. T. M.) bzw. die „Genossenschafts-theorie“ Otto v. Gierkes verstand die Körperschaft als reale Verbandsperson, die ein ebenso reales Wesen habe, wie der Mensch selbst (vgl. Gierke 1895, S. 471). Gierke macht die „Genossenschaft“ zum umfassenden Paradigma einer organi-schen Gesellschafts- und Staatslehre (vgl. Koschorke et al. 2007, S. 360 ff.). Einem biologistischen Bild folgend erachtetet Gierkes Ansatz die Körperschaften als soziale Organismen, deren Handlungen grundsätzlich als Handlungen der Körperschaft selbst zu behandeln seien. Damit kann diese Konzeption geradezu als Gegenentwurf zu den assoziativen Modellen der liberalen Tradition und an-staltlichen Modellen der etatistischen Verbandslehre gelten: Gierke definiert die reale Verbandsperson als ein gegenüber den Mitgliedern und dem politischen System „ … autonom gesetzte Handlungseinheit, die den bei Savigny immer noch unterstellten Dualismus von Staat und Individuum zu überwinden versucht“ (Türk et al. 2006, S. 143). In der Betonung der sozialen Realität der Gruppe, die als Summierung ihrer Mitglieder nicht zureichend erfasst werden kann, in der Anerkennung der Verbände als autonome Aktionszentren, in Vorstellungen einer Gesellschaftsformation, die sich „durch die Stufenreihe von Sozietäten von unten nach oben aufbaut“ (Gierke 1909 zit. nach Koschorke et al. ebd., S. 18), in der

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Reduktion des Staates als einen Verband unter anderen, der sich nur durch seinen umfassenden Souveränitätsanspruch von anderen Gruppen unterscheidet, erweist sich Gierke durchgängig als ein Vorläufer des modernen Pluralismus, der den Verbänden explizit öffentliche Funktionen zuspricht (vgl. Teubner ebd., S. 19). Zentral für Gierkes Ansatz ist es – und dieses Argument soll auch in zahlreichen später noch darzustellenden juristischen Auseinandersetzungen in Bezug auf die US-amerikanischen Corporations noch häufig angeführt werden –, dass eine Verbandsverfassung (sprich: eine Organisationsverfassung) eine normative Ord-nung eines Handlungszusammenhangs „Verband“ darstellt, der von den Hand-lungszusammenhängen der Mitglieder als Personen deutlich abgrenzbar ist. Or-ganisation konstituiert sich also als eine selbständige Handlungssphäre, die weder mit der personalen noch mit der politischen Handlungssphäre zusammenfällt. Die Verbandsgründung geschieht nach Gierke nicht durch einen intersubjektive Rechtsbeziehungen herstellenden Vertrag, sondern durch einen „sozialrechtlichen Konstitutivakt, der im Individualrecht kein Vorbild hat“ (Gierke 1895 zit. nach Teubner ebd., S. 20). Die Verfassung eines Verbands besitzt den Charakter objek-tiven Rechts und wirkt nicht nur als intersubjektive Vereinbarung; Verbandsauto-nomie ist anders als individuelle Vertragsfreiheit eine Art privater Hoheitsgewalt; Beitritt ist nicht vertraglicher Rechtserwerb, sondern Unterwerfung unter die statutarische Korporationsgewalt; das Organhandeln ist Handeln der Körper-schaft und nicht Handeln der Mitglieder (vgl. Teubner ebd.). Auch wenn sich Gierkes Verbandskonzeption innerhalb der Rechtstheorie nicht durchsetzen konn-te, so verbleibt doch sein Verdienst, eine Gebildevorstellung von Organisation „gedacht“ zu haben, die jenseits von etatistischen einerseits und von individualis-tischen Konzeptionen andererseits angelegt gewesen war (vgl. Türk et al. ebd.).

Sowohl zeitlich als auch geografisch erfolgt an dieser Stelle ein Bruch: Im Anschluss an die Darlegung der kontinental-europäischen Gebilde-Konzeptionen von Organisation gibt es auch innerhalb der USA wenige Ausnahmen, die sich mit diesem Thema befassen. Warren J. Samuels beschäftigt in seinem Aufsatz „The idea of the corporations as a person“ (1987), also eine Organisation als eine Person zu denken und zu behandeln, explizit (vgl. Samuels 1987, S. 113). Er möchte der Frage nachgehen, in welcher Weise die Idee der Corporation als Per-son ökonomisches und politisches Verhalten strukturiert. Der größte Teil der ökonomischen Aktivitäten sei über die korporative Form organisiert (vgl. ebd.). Samuels begreift diese Form als eine Art und Weise, Entscheidungen zu treffen sowie die Realität und Normen zu definieren. Als eine Institution strukturiert sie die gesellschaftlichen Macht- und Glaubenssysteme (vgl. ebd., S. 113 ff.). Die Corporation, so Samuels weiter, konnte aufgrund „begünstigender“ (ebd.) Hand-

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1.4 Organisation als Gebilde 61

lungen des Rechtssystems entstehen; sie sei eine „legal fiction“20. Er führt aus, dass sich die Idee der Corporation „erbarmungslos“ (ebd.) in rechtliche Definiti-onen und Semantiken eingegliedert habe. Rechte fungieren als Vehikel, alltägli-che oder juristische Sachverhalte vermittels der Rechtssprache zu institutionali-sieren. Sie schützen und verbergen Interessen einerseits, legen sie aber auch andererseits bloß. Die rechtliche Definition einer Unternehmung als Corporation ist keine ontologische Feststellung, sondern eine normative Setzung: Die Unter-nehmung soll eine Corporation sein (vgl. ebd., S. 117). Die Ideologie des Indus-triekapitalismus in den frühen USA, so können wir Samuels weiter folgen, grün-det sich zu einem großen Teil auf Rechtsprechungen des Supreme Court (vgl. Kap. 3), die um die Anerkennung der „Personenschaft für Corporations“ (ebd., S. 118) kreisen. Recht ist unmittelbar an der Produktion und Kontrolle von Bedeu-tungen beteiligt. Recht definiert und redefiniert die sozio-ökonomische Realität:

„Legel definitions of reality encapsulate the fundermental tautologies at the basis of the economic system. These tautologies govern the structure of freedom an control (includ-ing hierarchy versus equality), the processes of continuity versus change, and the selec-tive perception of interests to be given legal protection as rights … Legal definitions evidence, affirm, and reinforce the corporation at the same time legal treatment pre-sumes the corporation (ebd., S. 118).

Klar unterscheidet auch Samuels zwischen individuellen, korporativen und staat-lichen Akteuren (ebd., S. 119). Corporations können „öffentlich“ (durch das Recht allgemein) oder „privat“ (durch den Richterspruch) geschaffen werden, allerdings werde die zweite Sichtweise forciert, um die Corporations öffentlicher Kontrolle zu entziehen (vgl. ebd., S. 119). Samuels begreift Corporations als Elemente eines Diskurssystems. Sie haben gerade in ihrer zugeschriebenen Per-sonenqualität erheblichen Einfluss auf die Gesetzgebung zu ihren Gunsten. Sie benutzen das Recht, um für sie günstige ökonomische Strukturen zu schaffen. Diese Zuschreibung eines Personencharakters muss im weiteren Kontext der dogmatischen Entwicklung von Recht und Ideologie gesehen werden. Gestützt durch eine langsame Entwicklung vom individualistischen Unternehmerkapita-lismus zu einem bürokratischen Korporationskapitalismus verstecke die zuge-schriebene Personeneigenschaft von Corporations zunehmend die Tatsache, dass Unternehmen kollektive21 Organisationen seien – in Absetzung davon wurden Gewerkschaften typischerweise vom amerikanischen Recht keine Personeneigen-

20 Auf diesen Gedanken, der stark mit dem berühmten bereits angedeuteten Santa Clara-Urteil

zum 14. Zusatzartikel zusammenhängt, wird in Kap. 3.2 und 4.1 näher eingegangen werden. 21 Diese Unschärfe, zwischen „korporativen“ (vgl. vorn) und „kollektiven“ Akteuren in Bezug

auf Organisation zu changieren, bleibt dem Verfasser unerklärlich.

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62 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

schaft zugesprochen (vgl. ebd., S. 121). Mit der rechtlichen Konstitution der Corporation wird ein privates korporatives System der Regierung (governance) geschaffen (vgl. ebd., S. 122 f.). Die Institutionen des Staates, der Kirche und der privaten Korporationen bilden das dominante Kontroll- und Governance-System der Gesellschaft. Die Unternehmenskorporation ist somit nicht nur eine Ansamm-lung von Kapital, sondern auch eine „govering institution“ (ebd.). Eine Funktion der Idee der Personeneigenschaft ist zu suggerieren, dass die Corporation weder eine kollektive Organisation noch eine govering institution sei; denn beides wür-de Widerstand gegen ihre Machtausübung hervorrufen. Diese Ideologie versteckt die konzentrierte private Macht zur Regulierung der Gesellschaft. Zudem ver-schleiert dieses Konzept die negativen – externen – Effekte korporativer Ent-scheidungen. Dies verstärkt den Prozess der Verteilung von Kosten auf Andere weger der beschränkten Verantwortlichkeit der Corporations (vgl. ebd., S. 123). Und obwohl die Corporations die Eigentumsverteilung regulierten und definier-ten, würden in Bezug auf die soziale Verantwortung korporative Personen ironi-scherweise anders behandelt als individuelle. Samuels merkt an, dass die ökono-mische Theorie den ontologischen Status der Corporation völlig verfehlt habe, indem sie ihr Personencharakter zuschrieb. Corporations sind nämlich in keiner Weise selbstsubsistent wie natürliche Personen. Macht- und nicht Marktbezie-hungen sind der Kern der Corporations und ihrer Beziehungen zueinander, zur Regierung, zur Arbeit und zum Verbraucher (vgl. ebd., S. 125). Die Idee der „Corporation as a person“, so schlussfolgert Samuels, sage wenig oder nichts über eine von menschlichen Wesen unabhängige physische Realität, aber viel darüber, wie menschliche Wesen in unserer Gesellschaft in linguistischen Prakti-ken die normativen Prämissen und Folgen kollektiven Verhaltens verkörpern. Ideen, so Samuels abschließend, hätten Folgen; sie unterstützen die Produktion einer sozialen Wirklichkeit, die wir so häufig als eine natürlich gegebene ansehen (vgl. ebd., S. 127). Warum Samuels, obwohl er doch die Erfindung der „legal person“ durch das Recht explizit nennt, nicht konkrete Verbindungen zu hier vorgestellten empirischen Material herstellt, bleibt allerdings unklar.

Neben diesen „großen Blöcken“ des Rechtsdenkens über Rechtssubjektivität, die sich wie gezeigt am Dualismus „real“ – „fiktiv“ abzuarbeiten versuchten, gab und gibt es Außenseiter, wie bspw. H. J. Wolff, die eine – vielleicht eher der Soziologie verwandte – Definition der Beziehung zwischen natürlicher Person und dem Gebilde Organisation liefern und damit besagten Dualismus auch unter-laufen. Denn ganz allgemein kann gelten: Bei einer Organisation – in ihrer juris-tischen Präsentation als Juristische Person – handeln stets die Mitglieder, also Menschen, und durch die Zurechnung ihrer Handlungen wird die Subjektivität einer Juristischen Person begründet (vgl. Wolff 1933/34, S. 148 ff.). Doch viel-

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leicht ist diese vermeintliche Außenseiter-Position eine, die mehr Beachtung verdiente: Spätestens seit den Arbeiten Niklas Luhmanns kann die Figur des „Subjekts als Zurechnungseinheit“ als soziologisches Allgemeinwissen gelten (vgl. Luhmann 1994), auf das daher auch bei den soziologischen Ansätzen (Kap. 1.4.2.3) zurückgekommen wird. Leider thematisieren die rechtshistorischen An-sätze den Term Juristische Person so stark – was an ihrem disziplinären Zugang liegen dürfte –, dass insgesamt nicht deutlich wird, was denn das Neue, extra-juristisch Motivierte, an diesem wie auch immer gearteten Akteurstyp („fiktiv“ oder „real“) sein soll, denn nicht alle Organisationen sind automatisch Juristische Personen. Ökonomische Ansätze nun greifen allerdings den Grundgedanken vieler juristischer Ansätze auf, die die Juristische Person von den sie bildenden Mitgliedern trennen möchten und erweitern sie um ökonomische Aspekte. Darum wird im Folgenden gehen. 1.4.2.2 Ökonomie: „Sondervermögen“ und „Solidarhaftung“ Max Weber hatte genau das oben angesprochene Phänomen der Zurechnung von Ereignissen „auf etwas“ erkannt. Für Weber ist die abendländische Gesellschaft gekennzeichnet durch ihre spezifische Form der Rationalität. Formell freie Arbeit rational zu organisieren, bildet den Kern der kapitalistischen Wirtschaftsverfas-sung (vgl. Bruch 2000, S. 112 ff.)22. Offenbar wird die konstitutive Bedeutung der formalen Organisationsform für die kapitalistische Produktionsweise derge-stalt, dass mittels der Konstruktion eines sozialen Gebildes – Organisation – Zurechnungseinheiten für die einseitige Aneignung von Arbeitserträgen geschaf-fen werden. Damit hat Weber einen entscheidenden Beitrag zur Strukturanalyse der modernen kapitalistischen Gesellschaftsformation geleistet (vgl. ebd.).

Die neuen Formen organisationaler Ertragszurechnung zeigten sich für Weber vor allem in den mittelalterlichen Handelsgesellschaften. Bereits in seiner Disser-tation ging er die Frage der historischen Genese dieser spezifischen Form des Wirtschaftens von zwei Seiten aus an: Einmal inhaltlich, indem er die Entstehung der kapitalistischen Handelsgesellschaften im späten Mittelalter, insbesondere die Loslösung der Unternehmungen von den Familiengemeinschaften darstellte; zum

22 Dies ist der analytisch-konzeptionelle Grund, Weber innerhalb der ökonomischen Ansätze

darzustellen. Gerade seine ökonomie-historischen Studien der Handelsgesellschaften im Mittelalter stellen den Bezug zum Thema dieser Arbeit her bzw. zum hier darzulegenden Forschungsstand zur Gebildedimension von Organisation. Mit dieser Einordnung Webers ist ausdrücklich nicht gesagt, dass man ihn nicht zweifellos für einen bedeutenden Soziolo-gen hielte.

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Zweiten rechtsdogmatisch, indem er der Kontroverse nachging, ob es mehr ger-manische oder mehr römisch-rechtliche Vertragselemente waren, die einen stär-keren Einfluss auf die mittelalterlichen Handelsgesellschaften ausübten (vgl. Kaesler 2003, S. 41). Seine zentrale These war, dass das „individualistische“ römische Recht hinter bestimmten deutschrechtlichen Voraussetzungen des mo-dernen Kapitalismus zurückgetreten sei. Weber konnte herausarbeiten, dass den römischen societas, im Unterschied zu den mittelalterlichen Handelsgesellschaf-ten, ein „Sondervermögen“ fehlte. Im römischen Recht war nämlich ein Gesell-schaftsfond, ein nur auf die societas als Juristische Person bezogenes Vermögen, unbekannt, die römischen Institute waren nur auf „Wirkung inter socios“ be-schränkt. Ein solches Sondervermögen, so Weber, stand in „innigstem Zusam-menhang“ (Weber 1988c) mit den Haftungsverhältnissen, das es die Hauptlast, bspw. bei Konkursen, zu tragen hatte23. Die zwei Faktoren, Solidarhaftung24 und Sondervermögen, sah er als wesentliche Indikatoren einer Entwicklung zur mo-dernen „Firma“, eines Rechtsinstituts, das im Verhältnis Dritten gegenüber, wie auch im Verhältnis zu seinen eigenen Mitgliedern, als selbständiges Subjekt er-schien und mehr war als eine interessenbestimmte Vereinigung quotenmäßig an Geschäften beteiligter Kaufleute und Produzenten. Die „Firma“ wurde zu einer zentralen Voraussetzung kapitalistischer Warenwirtschaft (vgl. Kaesler ebd.). Es ging Weber also im Prinzip durch seine Analytik des Konstitutionsverhältnisses eines sozialen Körpers mit eher assoziativem Charakter um das Aufzeigen einer

23 Im Prinzip hatte Weber damit die Bedeutung der heute so typischen Charaktereigenschaft

der „Haftungsbeschränkung“ bei Kapitalgesellschaften (z. B. Aktiengesellschaften oder Ge-sellschaften mit beschränkter Haftung) hervorgehoben. Bruch (2000) weist darauf hin, dass dieses Prinzip der Haftungsbeschränkung sich bereits bei der Vergemeinschaftungsform der compania – einer engen Gemeinschaft, oft einer Familiengemeinschaft – in den italieni-schen Städten des 13. Jhds. herausgebildet hatte (vgl. Bruch 2000, S. 48). Dieser inhaltliche Hinweis sowie der geografische Verweis auf Italien könnten sich mit Bemerkungen Strie-ders (1925) decken, der ausführt, dass in der Geschichte des Handelsrechts sowohl die St. Giorgio-Bank von Genua als auch die genuesischen Maonen (Kolonialgesellschaften) im Jahre 1409 als die ältesten Frühformen der modernen Kapitalgesellschaft erwähnt würden – diese Gesellschaften enthielten die Grundprinzipien der viel später sich vollständig ausbil-denden Aktiengesellschaften (vgl. Strieder 1925, S. 111 ff.; vgl. auch Fußnote 47 zur Ostin-dien-Kompanie).

24 Nathan greift 2001 Webers Grundgedanken auf, wenn er Corporations im Rahmen seiner Studien zu englischen Handelsgesellschaften als privatwirtschaftliche Körperschaften be-zeichnet, deren Grundwesenszug es sei, Risiko auszulagern und den Wohlstand der Teilha-ber zu mehren (vgl. Nathan 2001a, S. 5). Doch im Grunde weist auch er dem Gebildecha-rakter von Organisation damit keine andere primäre Eigenschaft zu als die, die innerhalb der Darstellung des Coleman’schen Frühwerks noch zu kritisieren sein wird, nämlich Orga-nisationen als Zusammenschlüsse zu begreifen, deren Zwecke Ressourcenzusammenlegung und Haftungsbeschränkung seien (vgl. Kap. 1.4.2.3).

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1.4 Organisation als Gebilde 65

Entwicklung, in der sich ökonomie-geschichtlich Binnenorientierungen (inner-halb der römischen societas) kontinuierlich durch Außenorientierungen (bei den Handelsgesellschaften im Mittelalter) ablösten. Die gelenkte Aufmerksamkeit auf einen Organisations-Dritten kann aus heutiger Sicht als die Durchsetzung der korporativen Form der Unternehmung verstanden werden25. Durch die Konstruk-tion einer Juristischen Person wird die Scheidung von „Arbeits-“ und „Lebens-“ Sphäre, von Betrieb und Familie, also von realen Lebenszusammenhängen durch differenzierende – organisationale – Systembildung desymbolisiert (vgl. Türk 1995a, S. 55). Max Weber arbeitet zentral die Verselbstständigung des Kapitals und seine Ablösung von konkreten Personen bzw. Gemeinschaften heraus, wel-ches, geronnen zu Gebilden, zu völlig neuen Beziehungsstrukturen zwischen Menschen, die innerhalb dieser Gebilde z. B. arbeiteten und später in der Sphäre „Leben“ wiederum den Effekten aus der Sphäre „Arbeit“ ausgeliefert sind, füh-ren. Dies kann mit Weber als eine Entwicklung von „Statuskontrakten“ zu „Zweckkontrakten“ gekennzeichnet werden. Eine derartige Abstraktion bedeutet allerdings nicht, dass diese Trennung real in Organisationen sich vollends stets so zeigen würde: In Organisation interagieren immer „ganze“ Menschen und nicht Rollen miteinander, so werden also auch die Lebenszusammenhänge eben dieser ganzen Menschen durch Organisierung zerschnitten (vgl. ebd., S. 55 f.).

Ähnlich Colemans früher Definition von Organisation (vgl. Kap. 1.4.2.3 hin-ten), die Organisationen mehr assoziativen denn korporativen Charakter zu-schreibt, konzeptualisieren (rein) ökonomischen Ansätze der Gegenwart Organi-sationen oft als kollektive Akteure, so z. B. der US-amerikanische Wirtschafts-historiker Douglass C. North:

„Unter den Begriff der Organisation fallen öffentliche Körperschaften (politische Parteien, der Senat, ein Stadtrat, eine Verwaltungsbehörde), Rechtspersonen des Wirtschaftslebens (Unternehmen, Gewerkschaften, landwirtschaftliche Familienbetriebe, Genossenschaften) und Anstalten des Bildungswesens (Schulen, Universitäten, Berufsbildungszentren). Es handelt sich um Gruppen von Einzelpersonen, die ein gemeinsamer Zweck, die Erreichung eines Zieles, verbindet“ (North 1992, S. 5).

Deutlich von Organisation abgrenzen möchte North den Begriff der Institution: North versteht unter Institutionen sozial konstruierte Richtlinien und Beschrän-

25 M. E. hätte Weber damit vielleicht eher das Etikett eines frühen Neo-Institutionalisten als

das eines – in vielen soziologischen Grundlagenbüchern dokumentierten – methodischen Individualisten verdient. Und auch Weber (weit vor Nathan, der viele seiner Aspekte auf-greift, vgl. Fußnote. 24) hatte somit eine analytische Konzeption von Organisation, die der Colemans (vgl. Kap. 1.4.2.3) von der Grundanlage historisch und inhaltlich weit voraus war.

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kungen menschlicher Interaktionen in Form von Regeln, Zustimmungsregeln, ungeschriebenen moralischen Verhaltenskodizes und damit verbundene Sanktio-nen (vgl. North 1988; North 1992, S. 3 ff.). Diese Definition erlaubt es, nicht nur Unternehmen, sondern auch Märkte, zwischenbetriebliche Kooperationen oder andere kollektive Gebilde – wie von ihm vorn ausgeführt: also auch Organisatio-nen – als Institutionen zu betrachten und „Wirtschaftssubjekte“ zu konstituieren (vgl. North ebd.). Die Institutionenbildung ist für North die ökonomie-politische Reaktion auf das – wie er ausführt: von der Neoklassik nicht hinreichend gelöste – Problem, wie denn handelnde Akteure innerhalb von Interaktionen bzw. Trans-aktionen allgemein mit Entscheidungsunsicherheit umgehen. Moderne Transakti-onen sind für North Tauschbeziehungen zwischen Wirtschaftssubjekten und lassen sich in jeweils verschiedenen institutionellen Settings („Markt“, „Verträ-ge“ oder „Hierarchien“ (vgl. Türk 1996b, S. 38) realisieren, wobei Organisation eines dieser drei prinzipiellen Basissettings darstellt. Der Kern der North’schen wirtschaftshistorischen Betrachtungsweise als Antwort auf unsichere Entschei-dungen und damit einhergehende unbeabsichtigte Nebenfolgen des Handelns besteht nun darin, dass eben vor allem Organisationen geschaffen werden kön-nen, weil sie sowohl Rahmen definieren können, innerhalb derer gehandelt wird und damit „Ordnung in menschliche Interaktion bringen“ (North ebd., S. 5) sowie auch Unsicherheit begrenzen. Und diese Begrenzung bedeutet für North v. a. die Minimierung der Transaktionskosten, d. h. der Kosten, die durch die Durchfüh-rung der Transaktionen verursacht werden (z. B. Informations-, Kommunikati-ons-, Verhandlungs-, Kontroll- oder Anpassungskosten). Transaktionskosten sind grundsätzlich zu minimieren. North nähert sich also durchaus dem Aspekt an, zumindest vornehmlich ökonomischen Organisationen Subjektcharakter zuzu-schreiben. Er fragt im Grundsatz: Warum gibt es organisationsförmige Produkti-on und nicht nur marktförmige? Diese Fragerichtung hat ihre Verortung im (öko-nomischen) Neoinstitutionalismus insofern, als dass organisationale Prozesse und Strukturen nicht auf autonome Entscheidungen zurückgeführt, sondern als in gesellschaftliche Strukturen eingebettet erklärt werden (vgl. Türk 2004b, S. 923). North arbeitet eine für die historische Herausbildung der Gebildedimension von Organisation relevante Differenz heraus: Während der frühe Handel durch per-sönliche Kontrolle geregelt wurde, habe es für den unpersönlichen Handel der Entwicklung komplexer Organisationsformen bedurft: Der Rechtstechniken, der Beurkundung, des Diskontierungsverfahrens, der Rechnungsprüfungsmethoden, der Erstellung von Informationsbüchern über Maße und Gewichte, der Sitten und Gebräuche, der Versicherungen und des Handelsrechts (vgl. Hettlage ebd., S. 224). Gerade diese organisationsförmig vermittelten Aspekte seien nötig, Verfü-gungsrechte für das einzelne Individuum angesichts eben eines unpersönlichen

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1.4 Organisation als Gebilde 67

Tauschs zu erhalten (vgl. ebd.). Organisationsförmige Produktion gibt es also neben dem „freien“ Markt deshalb, weil Organisationen es vermögen bzw. dazu geschaffen werden, ökonomische und politische (Macht-) Chancen zu nutzen und Informationsvorsprünge zu sichern. Damit gelingt es ihnen, selber institutionelle Settings zu „beherrschen“, v. a. dadurch, dass sie sie transaktionskosten-bezogen möglichst effizient nutzen.

Der US-amerikanische Unternehmenshistoriker Alfred D. Chandler eröffnet eine weitere ökonomische Perspektive auf die Genese der organisationalen Form (vgl. Chandler 1962). Im Prinzip beschreibt Chandler den Zusammenhang einer „coevolution“ (Nelson 1997, S. 99), und zwar einer ko-evolutiven Entwicklung von Technologie und Wirtschaftsorganisation (vgl. ebd.). Drei historische Phasen mit jeweils neuen technologischen Eigengesetzlichkeiten korrespondieren mit der Herausbildung der dominanten (quantitativ und qualitativ) Form des Großunter-nehmens (vgl. Frese 2000, S. 75): Phase 1 (1790 - 1840) kennzeichnet noch die bis dahin vorherrschende Sozialform für ökonomische Organisationen, nämlich das traditionelle Familien- bzw. Einzelunternehmen, welches von Eigentümern geleitet wurde. Phase 2 (1840 - 1880) dann bringt bedeutende technologische Innovationen, vor allem im Transport- und Kommunikationswesen, mit sich26. Das Management stand ganz neuen technischen, kaufmännischen und organisato-rischen Herausforderungen gegenüber. Massendistribution und -produktion zu integrieren, ist wesentlicher Bezugspunkt der 3. Phase (1880 - 1920). Die moder-ne Großunternehmung ist das Ergebnis einer konsequenten vertikalen Integration der Wertschöpfungskette und der Entwicklung leistungsfähiger Produktionssys-teme einer an wenigen Standorten konzentrierten Massenproduktion. Es entstand das so genannte „multi-unit“- bzw. „Sparten“-Unternehmen im Verlaufe eines stufenweisen Entwicklungsprozesses. Diese „Organisations-Innovation“ (Frese ebd., S. 73) wurde Anfang der 1920-er Jahre in den USA zuerst implementiert und hatte 1960 in den meisten Großunternehmungen die klassische funktionale Struktur weitgehend abgelöst. Chandler konnte damit den Zusammenhang zwi-schen Diversifikationsstrategie und divisionaler Organisation aufzeigen. und im Rahmen einer umfangreichen empirischen Vergleichsstudien (vier große Unter-nehmen tragender Branchen) herausarbeiten, dass technologische Innovationen je besondere Koordinationsprobleme mit sich bringen und diesen mit der Schaffung einer neuen Organisationstruktur begegnet wird. Bei allen vier Großunternehmen führe jeweils eine strategische Entscheidung zu einer jeweiligen Reorganisation, womit das Diktum „structure follows strategy“ (Chandler ebd.) beschrieben ist.

26 Die ersten Großunternehmungen der modernen Wirtschaftsgeschichte, die Eisenbahngesell-

schaften (vgl. Frese ebd., S. 75) werden in Kap. 2.2.3 eingehender behandelt werden.

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Für den Zusammenhang der Genese der korporativen Form ist Chandler für uns deshalb von Interesse, da er einen entscheidenden Beitrag geleistet hat, indem seine Forschungen als Antwort auf die kontingenztheoretische Frage interpretiert werden können, wie Umwelteinflüsse (technologische Innovationen) zu Verände-rungen der Organisationsstruktur (integrierte Großunternehmen) führen (vgl. Scott 1986, S. 338). Die ersten Großunternehmungen der modernen Wirtschafts-geschichte, die Eisenbahngesellschaften (vgl. Frese ebd., S. 75) werden in Kap. 2.2 eingehender behandelt werden: Auch wenn dort die „structure follows strate-gy“-These nicht explizit behandelt werden kann, ist es m. E. nicht unplausibel, die Hypothese aufzustellen, dass Chandlers Annahmen überhaupt erst durch die großen gebildeförmigen Railroad-Companies eine Basis finden konnten.

Im Folgenden wird nun der eher soziologisch ausgerichtete Forschungsstrang zur Gebildedimension von Organisation dargelegt werden. 1.4.2.3 Soziologie: Machasymmetrie, „reelle Subsumtion“ und institutionalisierte Agentschaft

Vor allem mit James S. Coleman können wir eine sozialtheoretische Grundle-gung des modernen Gebildedispositivs nachvollziehen: Colemans Ansatz ist im Ursprung – hier ist sein Werk „Macht und Gesellschaftsstruktur“ von 1979 ge-meint – ein sozialtheoretisches Modell, welches versucht, als Basis für eine Sozi-altheorie eine tragfähige individualistische Handlungstheorie zu entwerfen (vgl. Jäger/Meyer 2003, S. 106). Somit ist es keine Theorie einer historischen Ge-samtgesellschaft, keine Gesellschaftstheorie. Konkret bedeutet das, dass Coleman die Vorstellung eines Kollektiv-Subjekts als einer Mehrzahl individueller Subjek-te, die einen gemeinsamen Willen, ein gemeinsames Ziel haben (vgl. Türk 1996b, S. 14) konzipiert. Coleman forscht dazu grundlegend zur Entwicklung der korpo-rativen Eigentums- und Besitzrechten im Mittelalter oder zur Entstehung der mittelalterlichen Dörfer und Städte. Die Theorie Colemans setzt in diesem Stadi-um im Prinzip auf Annahmen aus der Rational-Choice-Theorie (vgl. Jäger/Meyer ebd.): Individuen wählen diejenige Handlungsalternative mit dem höchsten Er-wartungswert. Um ihren Nutzen zu realisieren, müssen die Akteure in der Regel mit anderen in Tauschprozesse eintreten. Coleman formuliert auf dieser Basis einige Aussagen über einfache soziale (Austausch-) Systeme:

„Die Elemente [einer solchen Theorie sozialer Systeme, T. M.] sind Akteure und Dinge, über die sie Kontrolle ausüben und an denen sie irgendein Interesse haben. Ich nenne diese Dinge, je nach ihrem Wesen, Ressourcen oder Ereignisse. Die Beziehungen zwischen Ak-

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1.4 Organisation als Gebilde 69

teuren und Ressourcen sind, wie bereits impliziert, Kontrolle und Interesse“ (Coleman 1991, S. 34).

Damit kann Coleman zu jenen methodologischen Individualisten gezählt werden, die die Vorstellung eines Individuums als „homo oeconomicus“ konzipieren. Die drei zentralen Elemente, die den homo oeconomicus konstituieren, sind: „Das Streben nach der Maximierung des individuellen Nutzens, die Informiertheit über eigene Präferenzen und alle relevanten Situationsbedingungen sowie die Ver-knüpfung von Zielen, Mitteln und Randbedingungen mit Hilfe formal rationaler Verfahren …“ (Türk 1987, S. 26). Das Modell des homo oeconomicus, welches aus der bürgerlichen Nationalökonomie stammt, beinhaltet das grundsätzliche Problem, dass das ihm zugrunde liegende Rationalitätsprinzip nicht als durchweg gegeben und auch nicht als alternativlos gelten kann. Rational wählen bzw. ent-scheiden zu können, kann eben nur als eine von möglichen Handlungsalternati-ven gelten (vgl. ebd.). Zudem enthält dieses Modell auch keinerlei Aussagen über die gesellschaftlich-kulturellen Voraussetzungen für seine Geltung. Das homo oeconomicus-Modell ist also kein universelles, ubiquitäres Prinzip. Coleman allerdings überträgt dieses Prinzip auf Organisationen. Damit nimmt er eine On-tologisierung von Organisationen analog zum modernen – individuellen – Sub-jekt vor. Organisationen werden als eine grundlegende, gegebene und unhinter-fragte Entität betrachtet. Damit folgt Coleman einer Sozialontologie, die das Soziale qua Seiendem untersucht (vgl. Jansen 2005, S. 284). Hatten noch Sicht-weisen dominiert, die darauf abstellten, der Austausch von Gütern zwischen Individuen präge Sozialität schlechthin (vgl. bspw. Homans 1972), stellt nun Coleman auf den Austausch von Handlungs- und Kontrollrechten ab: „Um in den Genuß der Vorteile zu kommen, die Organisation bietet, müssen sie [die Indivi-duen; T. M.] die Nutzung gewisser Rechte, Ressourcen oder Macht an die Kor-poration abtreten“ (Coleman 1979, S. 25). Es gelingt Coleman grundsätzlich durchaus, gängige und im Alltag geläufige Bezeichnungen wie „Juristische Per-sonen“ oder „Körperschaften“ eine historische Relevanz zu geben. Bereits im Mittelalter wurden Körperschaften gebildet, um eine Eigentumskontinuität auch über die Lebensdauer natürlicher Personen hinaus zu sichern (vgl. Coleman 1979, S. 1 ff.); als Beispiel geht Coleman hier v. a. auf die Kirchen und deren Feudaleigentum ein. Aber auch weltliche Feudalherren praktizierten diese neue Sozialform der Korporation, indem sie bspw. ihre Eigentumsrechte auf eine Treuhandgesellschaft übertrugen und für die Nutzung dann Pachtzinsen zahlten (vgl. Türk 1996a, S. 19). Mit dieser Konstruktion konnten nach ihrem Tode erb-rechtliche Beschränkungen und staatliche Vereinnahmungen umgangen werden. Es entsteht auf diese Weise ein Dauereigentum und somit eine akkumulationsfä-hige Basis für weitere Aneignungsprozesse auch bei Wechsel der natürlichen

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70 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

Personen. Eine zweite historische Grundlage liegt in der Entstehung der mittelal-terlichen Stadt, der als Korporation Privilegien verliehen wurden. Rechtsansprü-che auf Zölle, Handel mit bestimmten Gütern usw. hatten die Städte als solche inne, nicht die natürlichen Personen. Schließlich entstand im Bereich staatlicher Herrschaft die Notwendigkeit, Person und Amt des Herrschers (Königs) zu tren-nen. Anlass war in England der Verkauf eines Stück Landes durch den erst neun-jährigen König Edward IV. Zur Sicherung dieses Rechtsgeschäftes wurde argu-mentiert, dass der König nicht nur eine natürliche, sondern auch eine juristische, eine „Staatsperson“ sei. Handlungen und Entscheidungen wurden dieser Amts-person, nicht aber der natürlichen Person zugerechnet. Dies konnte nur gesche-hen, weil sich zwei Theorien gegenüberstanden: Die Theorie der absoluten Macht des Staates einerseits und die Theorie der natürlichen Rechte des Indivi-duums anderseits (vgl. Coleman ebd., S. 15). Coleman identifiziert „ ... eine neue Kategorie von intermediären Gebilden“ (ebd.), die das neue Machtvakuum zwischen Staat und Individuum ausfüllten. Selbst wenn Coleman historisch noch weiter zurückgeht, z. B. in Zeiten des Römischen Reiches, entdeckt er in den universitas frühe Vorformen der Juristischen Person, „die zwar vom Staat Rechte erhielten und unter seiner Herrschaft als nicht autonom betrachtet wurden, aber wie fiktionale Personen dem Privatrecht unterworfen waren“ (Coleman 1995, S. 273). Wäre Coleman auf dieser Entwicklungsstufe seiner Argumentation stehenge-blieben – etwas pointiert zusammengefasst: „Individuen! Bildet Korporationen und tretet Ressourcen ab, damit ihr mehr Rechte, also Macht, bekommt.“ –, dann wäre doch der Blick auf die Herrschaftsförmigkeit von Organisationen verstellt geblieben: Das, was Coleman bis dato beschrieben hatte und aus seiner Sicht „Korporationen“ nannte, waren allerdings im Prinzip noch keine korporativen Akteure, sondern Kollektiv-Akteure bzw. so genannte Assoziationen (vgl. Kap. 1.4.2.1 und 1.4.2.3), deren Ressourcenbündelung einer Binnenorientierung – Mitglieder kümmern sich um die eigenen Interessen und die der anderen Mitglie-der eines Zusammenschlusses – gleichkam. Später dann entwickelt sich Coleman deutlich weiter und holt sein „Herrschaftsdefizit“ nach. Coleman (1991) gelangt zu einer Herrschaftsperspektive, indem er den Gebildecharakter von Organisation in einer Logik der stufenweisen Aggregation wie folgt konstituiert sehen möchte: „Diese Gebilde kann man, von außen betrachtet, genau wie Individuen, als Ak-teure bezeichnen. Von innen betrachtet sind sie dagegen eher als Herrschaftsbe-ziehungen zu kennzeichnen“ (Coleman 1991, Bd. 1, S. 82). Coleman gibt aller-dings Rätsel auf, warum sein Werk dann im Weiteren von einem deutlichen Bruch bzw. Widerspruch gekennzeichnet ist. Gesellschaftliche Akteure brauchen Entscheidungs- und Abstimmungsregeln. Eine Herrschaftsbeziehung besteht für

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1.4 Organisation als Gebilde 71

Coleman dann, wenn ein Akteur – wie vorn ausgeführt – das Recht, seine Hand-lungen zu kontrollieren, an einen anderen Akteur überträgt. Ein rationaler Akteur tauscht ein Kontrollrecht über seine Handlungen freiwillig nur gegen eine andere Ressource ein, wenn ihm dies eine bessere Befriedigung seiner Bedürfnisse er-möglicht. So muss gerade seine macht- und herrschaftskritische Analyse der „asymmetrischen Gesellschaft“ (1986) hier hinzugedacht werden: Coleman geht davon aus, dass individuelle Akteure, die nun eine Sozialbeziehung mit einem korporativen Akteur, also einer Organisation, eingehen, in der Regel wesentlich weniger Macht haben als die Organisation und in größerem Maße abhängig von sind von Organisationen als umgekehrt – es herrscht also eine Asymmetrie vor (vgl. Coleman 1986, S. 11 ff.; Jäger/Meyer ebd., S. 125). Wird ein derartiges Prinzip auf gesellschaftlicher Ebene strukturbildend, kann man mit Coleman von einer „asymmetrischen Gesellschaft“ sprechen. Coleman, so erläutert Türk, inte-ressiert sich also ausdrücklich „für die Frage, wie Organisationen als Gebilde, als „korporative Akteure“, entstanden sind bzw. worin ihre gesellschaftliche Macht begründet liegt und wie sie ausgeübt wird“ (Türk 1995a, S. 58; Herv. i. Orig.). Damit erkennt Coleman im Grunde auch die extroverse Herrschaftsförmigkeit von Organisationen an – er nimmt einen Begriffswandel von Assoziation zu Organisation vor. Und worin besteht nun der Widerspruch in Colemans Argu-mentation? Er besteht darin, dass Coleman zwar im Grunde einen korporativen Akteur (sprich: Organisation) als gesellschaftsstrukturierenden, asymmetrie-begründenden Akteurstyp anstelle eines kollektiven Akteurs (sprich: Assoziation) einführt. Zudem erkennt er auch und gerade Außenorientierung als Konstituente für einen solchen korporativen Akteur an. Gleichzeitig andererseits allerdings die grundlegende Motivlage eines kollektiven Akteurs beizubehalten, nämlich Res-sourcen zusammenzulegen, markiert den grundsätzlichen Fehler innerhalb der Coleman’schen sozialtheoretischen Position. Organisationen sind keine Zusam-menschlüsse zwecks Bündelung von Ressourcen!27 Türk (1995a) führt aus, dass Coleman einem weiteren nun hier anzuführenden Soziologen, nämlich Karl Marx, vorgeworfen habe, das Phänomen des modernen korporativen Akteurs nicht gesehen zu haben. Diese Kritik muss allerdings als haltlos bezeichnet werden,

27

Man frage nur einmal mehrere Arbeiter zum Beispiel in den Produktionshallen der Volkswagen AG: Die Wahrscheinlichkeitshypothese, dass diese sich nicht als zusammenge-schlossenes Kollektiv innerhalb des VW-Konzerns beschreiben, die ihre Ressourcen zu-sammengelegt haben, um bspw. Autos zu bauen, hat m. E. schlechte Chancen, widerlegt

werden zu können.

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72 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

„ … denn Marx interessiert sich doch gerade dafür, wie die Menschen sich in der kapitalis-

tischen Produktionsweise abstrakte Verhältnisse schaffen, die auf sie als Herrschafts- und Unterordnungsverhältnisse zurückwirken, wie sie über Konstruktionen von abstraktem ver-selbständigten Kapital und abstrakter Warenform fetischisierte Systeme ausbilden, die al-lerdings von bestimmten Gruppen der Gesellschaft systematisch zu Lasten anderer nutzbar sind“ (Türk 1995a, S. 61).

Damit interessiert sich Marx für die Mechanismen einer kapitalistischen Ökono-mie, die die Entstehung abstrakter Einheiten rekonstruieren helfen. Ein weiteres von Marx herausgearbeitetes Theorem, welches den Sachverhalt der formellen bzw. reellen Subsumtion erfasst, kommt hinzu: Bezeichnet die formelle Subsum-tion den Sachverhalt, dass nur die Erträge von im übrigen selbständig durchge-führter Arbeit von einem Kapitalisten angeeignet werden, bezeichnet „reelle Subsumtion“ die Form der unmittelbaren Unterstellung der Arbeitenden unter die „Formalität“ der Fabrik als Organisation bzw. unter das Kommando des kapita-listischen Unternehmers (vgl. ebd., S. 63). Reelle Subsumtion musste die Gebil-devorstellung von Organisation im Grunde voraussetzen, „ … d. h. sozial ab-grenzbare Orte von Herrschaft und Gehorsam“ (ebd.). Des Weiteren kann das Marx’sche „Transformationsproblem“, also die Um-wandlung menschlichen Arbeitsvermögens in Arbeit, in dem Zusammenhang der Produktion einer abstrakten Einheit zu nennen:

„Ein kapitalistischer Unternehmer kann Arbeit nicht einkaufen wie Maschinen, Schmieröl oder Rohstoffe. Arbeit ist immer entäußernde Handlung von Individuen. Was gekauft – oder vielleicht besser: „gemietet“ – werden kann ist nur das Potential zur Arbeit, also das Ar-beitsvermögen oder die Arbeitskraft der einzelnen Menschen. Unter bestimmten Produkti-onsweisen, wozu auch die kapitalistische gehört, kann es nun ein Problem sein, Arbeitsver-mögen in Arbeit umzuwandeln. In unserem Falle entsteht dieses „Transformationsproblem” aus der Grundstruktur des Lohnverhältnisses selbst: es handelt sich dabei ja um ein ökono-misches Tauschverhältnis mit der Besonderheit, daß sich der lohnabhängig Arbeitende sei-nen Anteil an der Wertproduktion erkämpfen muß: unsere Produktionsweise organisiert ein Nullsummenspiel, das den Eigentumsverhältnissen geschuldet ist: die ökonomischen Werte werden von zwei Klassen angeeignet, die je für sich versuchen, sich möglichst große Wert-anteile zu sichern. Dies schlägt in die Verhältnisse des unmittelbaren Produktionsprozesses durch“ (Türk 1990, S. 82; Herv. i. Orig.; diese dort teils fett-gedruckt).

So kann auch am Marx’schen Transformationsproblem in Bezug auf die Gebil-dedimension von Organisation gezeigt werden, dass Arbeitssubjekte durch die Transformierung ihres Arbeitsvermögens und nicht zuletzt dadurch, dass sie „wie von selbst“ (Türk 1995a, S. 65) mitmachen, tagtäglich das Gebilde Organisation rekonstruieren. In der gegenwärtigen Soziologie sind es v. a. neoinstitutionalistische und konstruktivistische Ansätze, die sich mit der Herausbildung der modernen Gebil-

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1.4 Organisation als Gebilde 73

dedimension von Organisation befassen28. Neben der historisch-konstruktivistischen und zugleich herrschaftskritischen Position von Türk (auch zusammen mit Bruch und Lemke), welche je den theoretischen Rahmen für diese Arbeit bildet, sind die neoinstitutionalistischen Arbeiten Lynne G. Zuckers zu nennen. Ihre zunächst mikrosoziologische Forschung wird gerahmt von der Posi-tion, dass die einzige Gemeinsamkeit der in den Sozialwissenschaften zu finden-den Definitionen von „Institution“ in dem Merkmal der Dauerhaftigkeit bestehe (vgl. Zucker 1977, S. 726). Wenn dem so ist, so die Autorin weiter, ist eine Insti-tution umso eher von Dauer, je leichter sie an andere weitervermittelt werden kann – womit sie zugleich leichter in unveränderter Weise beibehalten wird – und je widerstandsfähiger sie gegenüber dem Veränderungsdruck einzelner Ak-teure ist (vgl. ebd., S. 729 f.). Dauerhaftigkeit heißt aber, dass eine Praxis oder eine Interpretation auch gegen widersprechende oder durch diese Muster nicht gedeckte Erfahrungen resistent ist. Als institutionalisiert gilt deshalb etwas, das kontrafaktisch stabilisiert ist. Von daher ist es durchaus bedeutsam, sich, wie Zucker, mit der Frage der mikrosozialen Fundierung solcher kontrafaktischen Persistenz zu befassen. Dieser Frage geht Zucker in ihrem Aufsatz von 1977 nach. Die Persistenz bestimmter Praxen ist für sie nicht an eine Internalisierung oder einen Sanktionsmechanismen intrinsischer bzw. extrinsischer Art gebunden; vielmehr ist für sie Institutionalisierung ein Phänomen eigener Art, durch das bestimmte Praktiken bzw. Wissenselemente zu einem sozialen Sachverhalt, zu einem Element objektiver Realität werden. Der Verweis auf den gesellschaftli-chen Tatsachencharakter reicht aus, um Subjekte zu mit dieser unterstellten Rea-lität korrespondierendem Verhalten zu bewegen; Institution heißt gleichsam, so könnte man Zucker interpretieren, die Geltung der Faktizität, die als objektiv und als außerhalb des Subjekts liegend von den Akteuren wahrgenommen wird und einer laufenden normativen Kontrolle nicht bedarf. Ein von Zucker durchgeführ-tes Laborexperiment, das diesen Sachverhalt belegt, fasst Türk (1996) wie folgt zusammen: „In einem verdunkelten Raum sollen Versuchspersonen das Ausmaß der Bewegung einer in

Wirklichkeit statischen Lichtquelle schätzen (sog. „autokinetischer Effekt“). Wenn man in dieser Lage eine formale Organisation simuliert, z. B. indem man derjenigen Person, die als erste zur Schätzung aufgefordert wird, eine offizielle Leitungsposition zuschreibt, werden sich die anderen der Schätzung dieser Person anschließen, und zwar auch dann, wenn diese Schätzung extrem hoch ist. Diese Schätzungen werden dann auch nach Ablauf von Wochen beharrlich beibehalten“ (Türk 1996, S. 3 f.; Herv. i. Orig.).

28 Einen sozialkonstruktivistischen Fokus auf Organisationen nimmt bereits Silverman (1972)

ein; weitere eher postmoderne, alineare Perspektiven sind bei Burrel (1997) zu finden.

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74 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

Was kann mit Hilfe dieses Experiments im Hinblick auf die Herausbildung der organisationalen Form gezeigt werden? Vielleicht nicht unbedingt das, was Zu-cker wohl mit Blick auf die Kategorie der Institution beabsichtigte: „Es wird in dieser Experimentsimulation eigentlich gerade nicht untersucht, inwieweit

institutionalisierte Praktiken oder Interpretationen weitergegeben werden, sich stabilisieren und gegen Veränderungsdruck resistent sind. Vielmehr ist das Design doch so aufgebaut, daß es eine beispielhafte Anschauung dafür liefert, welche zurichtende Macht die gesell-schaftlich institutionalisierte Organisationsform im Hinblick auf individuelle Verhaltensäu-ßerungen, hier: Urteilsbildungen, hat. Es wird in den Experimenten ja nicht die institutio-nelle Organisationsform tradiert, stabilisiert oder in Frage gestellt, sondern der „Output“ des Interagierens vermittels dieser Form“ Türk 1997, S. 129; Herv. i. Orig.).

In späteren Arbeiten geht Zucker dem Verhältnis zwischen Institution und Orga-nisation in eher meso- und makrosoziologischen Perspektiven an. Sie befasst sich mit dem Übergang von verwandtschaftsbasierten zu organisationsbasierten Struk-turen von Arbeit und sozialer Differenzierung (vgl. Türk 2004b, S 929). Sie geht von der Leitthese aus, dass sich die Organisationsform im 19. und 20. Jhd. in den USA nicht wegen ihrer produktiven Effizienz verbreitet hat, sondern weil sie eine institutionelle Geltung erlangen konnte, die sich durch korrespondierende Rest-rukturierungen der Gesellschaftsstruktur, insbesondere der Strukturen sozialer Differenzierung, verstärkte. Ihre empirischen Arbeiten zeigen, dass und wie sich die Organisationsform in den USA etablierte, dass die Organisationsform selbst und bestimmte Ausprägungen häufig nur imitativ übernommen wurden, wie sich die Kategorien sozialer Differenzierung von verwandtschaftsbezogenen zu orga-nisationsbezogenen wandelten, wie in der Alltagssprache sich organisationales Vokabular einnistete und welche Bedeutung den neuen korporativen Akteuren von den Tageszeitungen beigemessen wurde (vgl. Türk ebd.). Die Organisationen bilden nun untereinander und mit anderen gesellschaftlichen Einheiten Muster enger Kopplung aus, was ihre Stabilität und die Wandlungsresistenz der Gesamt-struktur erhöht. Für Zucker ist dies der Prozess der Institutionalisierung der Or-ganisationsform. Die Hauptquelle der Macht der Organisationen liegt für sie darin begründet, dass die Organisationsform selbst als die zentrale definierende Institution in der modernen Gesellschaft fungiert (Zucker 1983, S. 13), vermittels derer zentrale gesellschaftliche Strukturen und Prozesse kontrolliert werden kön-nen; so ist denn auch der Titel ihres Aufsatzes zu interpretieren: „Organizations as Institutions“29 (Zucker 1977). Auch wenn ich an dieser Stelle diese These grundsätzlich teile, lässt sich mit Türk eine Kritik daran formulieren: „Dies [die

29 Tacke versteht Zuckers Institutionen-Begriff daher als „ …organisationsintern generierte

Konditionierungen“ (Tacke 1999, S. 102).

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1.4 Organisation als Gebilde 75

Organisationsform als die zentrale definierende Institution in der modernen Ge-sellschaft zu begreifen; Anm. T. M.] ist natürlich keine Antwort, sondern die Frage selbst!“ (Türk 1995b, S. 41).

Andere Neoinstitutionalisten, wie bspw. Meyer et al., befassen sich mit dem – makroorganisationalen – Zusammenhang von Organisation und Institution. Sie behaupten für die globalgesellschaftlich Ebene eine Doppelstruktur:

„Auf der institutionellen Ebene sind Homogenisierungstendenzen – vielfach als Moderni-tätsfassade – zu beobachten. Dies heißt aber gerade nicht, dass sich das materielle und (sonstige) kulturelle Leben automatisch mit angleiche. Sie erklären die Gleichförmigkeit mit der weltweiten Verbreitung der westlichen, universalistisch angelegten Kultur. Diese enthält als wesentlichen Bestandteil die gesellschaftliche Definition von individuellen bzw. korpo-rativen Akteuren, „Rationalität“ als ein Konzept der Zurechnung von Verhalten und Ereig-nissen auf diese Akteure und eine Ideologie von Fortschritt und Wachstum“ (Türk 2004b, S. 929 f.; Herv. m Orig.).

Ausgehend vom einem Institutionalisierungsbegriff, der auf die weltweite (Wei-ter-) Verbreitung der durch Fortschritt und Gerechtigkeit legitimierten Institutio-nen, die normativ und unhinterfragt bleiben, fußt (vgl. Schäfer 2000, S. 358), läuft das zentrale Argument von Meyer et al. darauf hinaus, dass sie eine zum Liberalismus und methodologischen Individualismus differente Akteurskonzepti-on behaupten: „Die moderne Kultur stellt sich die Gesellschaft als aus „Akteuren“ bestehend vor – aus

Individuen und Staaten sowie den von ihnen gebildeten Organisationen. (...) Im Gegensatz dazu wollen wir ... den Gedanken ernst nehmen, daß der moderne „Akteur“ eine historische und zugleich aktuelle kulturelle Konstruktion ist. (...) ... wir [betrachten] das Handeln von Individuen, Organisationen und Nationalstaaten [also der drei zentralen Akteure der Mo-derne; Anm. T. M.] als ein kompliziertes System sozialer Agentschaft (agency), das aus ei-ner langen kontinuierlichen religiösen und postreligiösen Evolution hervorgegangen ist“ (Meyer/Jepperson 2005, S. 48 f.; Herv. i. Orig.).

Meyer und Jepperson befassen sich damit mit der Bedeutung des organisationa-len Institutionensystems (vgl. Türk 2004b, S. 929). Sie wehren sich vehement gegen die die Sozialwissenschaften dominierenden „realistischen Ansätze“, wel-che den modernen Akteur als zweckrational voraussetzen und Akteurschaft als eine letztlich naturgegebene Bedingung von Sozialität behandeln (vgl. Meyer/ Jepperson ebd.). Die beiden Autoren heben die zentrale Bedeutung des Christen-tums für die Entwicklung der westlichen Kultur hervor. Gott wurde mit der fort-schreitenden Entwicklung des Christentums immer mehr abstaktifiziert, so dass vormoderne Akteurskonstruktionen zunehmend unhaltbar wurden. Die soziale Agentschaft wird in der Moderne nach Ansicht der Autoren insofern erweitert,

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76 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

als dass sich die Autorität von Gott zur Kirche, von der Kirche zum Staat, von der Kirche und dem Staat zu individuellen Seelen und später Bürgern verlagert (vgl. Stickler 2005, S. 295). Die Entwicklung der modernen Akteurschaft ist also mehr eine Übertragung von Gott zur Gesellschaft – und weiter zu Individuen und Organisationen – als eine natürliche Entwicklung zu immer mehr Komplexität.

Das Prinzip der Agentschaft nun als kulturelle Setzung zu begreifen, wird verstehbar durch folgendes Verständnis von Kultur: „Kultur hat einerseits eine ontologische Seite, indem sie Akteuren und Handlungen, Mitteln und Zwecken Realität zuschreibt, und andererseits eine bedeutungsgebende Seite, indem sie Akteuren und Handlungen, Mitteln und Zwecken Sinn und Legitimität verleiht.“ (Meyer et al. 2006, S. 29). Akteure sind in einem doppelten Sinne sozial-kulturelle Phänomene, zum Einen weil gemeinsam geteilte kulturelle Regeln festlegen, wer als Akteur gelten kann, und zum Anderen weil sich aus diesen Regeln ableiten lässt, was die Akteure tun können und sollen. Die kulturellen Setzungen sind bei Meyer nicht mehr nur ein Faktor von vielen in den Entschei-dungen umweltunabhängiger Akteure, sie werden stattdessen zur Bedingung der Möglichkeit des Akteur-Seins.

Die Idee der kulturellen Konstruktion von Akteuren hat weitreichende Kon-sequenzen für das hier interessierende Produzieren und Reproduzieren eines Gebildes, welches Organisation genannt wird: Sie setzt voraus, dass einer Einheit Realität zugeschrieben wird und dass sich aus dieser ontologischen Setzung her-aus bestimmte Handlungen autorisieren lassen. Meyer et al. verstehen die Bezie-hung zwischen der gesetzten Realität und der Kompetenz, die Akteuren aus die-sen Setzungen zuwächst, als Beziehung von Prinzipal und Agent (vgl. Meyer/Jepperson 2005). Die Rechte und Interessen einer im Rationalisierungs-prozess konstruierten Einheit entsprechen dem Prinzipal, die Autorität zu legiti-men Handlungen innerhalb der von dieser Einheit gesetzten Grenzen dem Agen-ten:

„Unter Agentschaft verstehen wir die legitimierte Vertretung eines legitimierten Prinzipals, der ein Individuum, eine real bestehende oder potenzielle Organisation, ein Nationalstaat oder ein abstraktes Prinzip sein kann (…). Man beachte, daß der Begriff der „Agentschaft“ direkt auf die Übertragung externer Autorität sowie auf die externe Legitimation und In-dienstnahme von Handeln hinweist“ (ebd., S. 49 [dort Fußnote 2]; Herv. i. Orig.).

Meyer et al. unterscheiden bestimmte Typen von Agentschaft, zwischen denen agenthafte Akteure hin- und herwechseln: Agentschaft für das Selbst, Agent-schaft für Andere, Agentschaft für Einheiten ohne Akteurstatus und Agentschaft für Prinzipien. Weiterhin führt Meyer das Modell des „kulturellen Anderen“ – in Anlehnung an den „generalisierten Anderen“ von Mead – ein (vgl. Meyer 1994).

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1.4 Organisation als Gebilde 77

Kulturelle Andere verlegen sich gänzlich auf die Agentschaft für Prinzipien. Hier ist es der Verweis auf die organisationale Form, die es vermag, Individuen, Ein-heiten, die selbst Organisationen sind, aber auch Nationalstaaten, mit rationalisti-schen Ideen auszustatten, damit all diese Akteure dann vermittels des Modus Organisation Theorien und Ideologien von Modernität und Fortschritt rapide vermehren können (vgl. Meyer ebd).

Der US-amerikanische Soziologie Charles Perrow hebt im Rahmen seiner his-torischen Studien der US-Gesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts hervor, dass die historische Bedeutung der Organisationen für die gesellschaftliche Entwick-lung weitgehend unterschätzt worden sei. Er verfolgt nach eigenem Bekunden ein imperialistisches Konzept und hält die Organisationen für das Schlüsselphäno-men der modernen industrialisierten Gesellschaft, „da große Organisationen die Gesellschaft einverleibt haben“ (Perrow 1996, S. 76; Herv. i. Orig.). Perrow beschreibt die Organisierung der amerikanischen Gesellschaft als „einen Prozeß der zunehmenden Lohnabhängigkeit, der zunehmenden Externalisierung von Folgen und Kosten oganisierten Handelns sowie der wachsenden Bürokratisie-rung auch der Unternehmungen“ (Perrow 1991 zit. nach Türk 1995a, S. 37) – Perrow spricht wörtlich von einer „Gesellschaft von Organisationen“ (Perrow 1996 und Perrow 2002, S. 3), die sich auf diese Weise entwickelt habe30. Die zunehmende Organisierung der Gesellschaft hängt für Perrow mit der Logik des Kapitalismus zusammen, wobei er Kapital und Technologie für ihn abgeleitete Variablen darstellen. Warum Perrow gerade die Organisationsgröße für so be-deutsam hält, führt er anhand der drei vorn erwähnten Prozessbestandteile der zunehmenden Organisierung aus: Analytisch schwer nachzuvollziehen behauptet

30 Da Perrow den Historiker Louis Galambos selbst anführt, ist es plausibel anzunehmen, dass

er den Ausdruck einer „Gesellschaft von Organisationen“ sehr an diesen Autor angelehnt hat. Galambos verwendet in Bezug auf seine Literaturrecherchen der Herausbildung der modernen, kapitalistischen amerikanischen Gesellschaft explizit den Ausdruck „America’s organizational society“ (Galambos 1983, S. 478). Galambos’ Arbeiten wären allemal für weitere, tiefergehende, Forschungen interessant, da er eine Reihe von Literaturhinweisen gibt, die auf ihre organisationssoziologische Relevanz geprüft werden müssten (vgl. ebd. und Galambos 1970). Galambos selbst wird hier nicht vertieft dargestellt: Sein Konzept der so genannten „Organisations-Synthese“, welches davon ausgeht, dass die Bereiche Techno-logie, Politische Ökonomie und Professionalisierung zentrale Pfeiler einer jeden gesell-schaftlichen Organisationssynthese seien, kann durchaus generell organisationssoziologisch von Interesse sein; allerdings ist Gallambos’ Fokus auf formale Organisationen, die sich durch hierarchische, zentralisierte bürokratische Herrschaftsstrukturen und funktionale Spe-zialisierungen auszeichnen, eher zunächst anschlussfähig an die Organisations-Dimension der „Ordnung“ (vgl. Kap. 1.4.1), was dann spätere Bezüge zur Dimension des „Gebildes“ – um die es ja zentral innerhalb des hier dargelegten Forschungsstandes geht – nicht aus-schließen würde. Das kann und soll daher an dieser Stelle nicht geleistet werden.

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78 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

Perrow in Bezug auf das erste Phänomen Lohnarbeit, dass „ … ein großer Teil der Gesellschaft in großen Organisationen verschwinden konnte … “ (Perrow 1976, S. 79) – das Eintreten in eine Organisation für lohnabhängig Beschäftigte also im Prinzip alternativlos gewesen sei. Beim zweiten Punkt, der „Externalisie-rung der sozialen Kosten“ (ebd.), argumentiert Perrow ungleichheitstheoretisch: Die Kosten für die „Größe“ (ebd.) wirtschaftlicher Aktivitäten seien auf breiter Ebene für die schwächeren Mitglieder der Gesellschaft verschleiert worden und auch auf eben jene verteilt worden, um die Existenz großer Organisationen zu legitimieren. Diese Kosten, z. B. Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit, Ar-beitsunfälle u. a., seien im Grunde Folgen organisierten Handelns. Das dritte Phänomen, die Bürokratie, ist für Perrow deshalb so relevant, da sie vor allem in Form eines Wandels von direkter zu indirekter, unpersönlicher Kontrolle am Arbeitsplatz zeigt. Ältere soziale Kontrollformen (z. B. durch Familie oder Ge-meinschaft) seien zunehmend verdrängt worden. Dass die Organisierung als Prozess nicht alternativlos gewesen sei, belegen für Perrow die Widerstände und Kämpfe der Lohnarbeiterschaft und der Bevölkerung (vgl. Kap. 2.2.3). Perrow führt im Grunde dieses Thema auch in späteren Arbeiten weiter fort, wie auch der Untertitel eines seiner neueren Werke („Organizing America“) von 2002 „Die Ursprünge des korporativen Kapitalismus“ erneut belegt. Ein sich durchziehen-des empirisches Beispiel stellt für Perrow die Herausbildung der großen Eisen-bahn-Imperien31 in den USA des 19. Jahrhunderts dar32 (vgl. Perrow 1996 und 2002). Mit Begriffen wie „legal foundations of the modern corporation“ (ebd., S. 40) oder „legal revolution“ (ebd., S. 31), wird Perrow durchaus anschlussfähig an andere Autoren, die hier im Rahmen des Forschungsstandes behandelt werden (z. B. Samuels in Kap. 1.4.2.1) bzw. an Autoren der Corporations-kritischen Bewe-gung, die ja die These der „Erfindung der Corporations durch das Rechtssystem“ explizit behaupten (vgl. Kap. 1.4.2.1). Dass also die zunehmende historische Organisierung der US-amerikanischen Gesellschaft eine narrative Ursprungsge-schichte eben einer solchen Erfindung transportiert, führt auch Perrow an. Als Belege dafür sieht er in Bezug auf die Form und die damit verbundenen Rechte von Organisationen seit spätestens dem 19. Jahrhundert33 ein langsames aber

31 Hierauf werde ich in Kap. 2.2.3 ausführlich eingehen. 32 In diesem Zusammenhang verweist Perrow auf Dobbin (1995): Dobbin geht davon aus,

dass die Ursprünge grundlegender ökonomische Prinzipien in starkem Maße durch Wettbe-werbs-, Finanz- und Wachstums-Politiken vor allem der großen Railroad-Companies be-schrieben werden können und dass jene Politiken halfen, einen Prototyp der korporativen Form zu schaffen (vgl. Dobbin 1995, S. 277 ff.).

33 Damit berichtet Perrow allerdings in Bezug auf den Zeitpunkt der Durchsetzung der korpo-rativen Form im Prinzip gar nichts Neues: Bereits W. A. Williams hatte in den 1960-Jahren das Jahr 1882 als dasjenige identifiziert, in dem sich die historische Formation des „corpo-

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1.4 Organisation als Gebilde 79

stetes „Einschleichen“ von Bevorteilungen dieser Organisationen in die Gesetze und daraus abgeleitete Rechtspraxen (z. B. fehlende Regulation der Produktion von Großorganisationen) sowie sonstige soziale Praxen und nicht zuletzt Un-gleichheitsstrukturen (z. B. Reichtumsverteilungen) für (große) Organisationen an. Allerdings erwähnt Perrow das Santa Clara-Urteil mit keinem Wort. Und auch dies formuliert ja die Corporations-kritische Bewegung explizit. Daher wird das nächste Kapitel, welches sich an die folgende Kurz-Zusammenfassung des Forschungsstandes anschließt, dieses historische Ereignis schon einmal aufgrei-fen, bevor es dann in Kap. 3.2 ausführlich behandelt wird. Erträge für den weiteren Fortgang der Untersuchung Im Folgenden werde ich versuchen, die zentralen Aspekte des Forschungsstandes zur Gebildedimension von Organisation herauszuarbeiten, die für Argumentati-onsgang dieser Untersuchung relevant sind. Wenn – wie in der Einleitung ausge-führt – das Thema dieser Arbeit die Kämpfe um die organisationale Form in den USA darstellt, dann möchte ich an dieser Stelle eine analytische Unterscheidung treffen: Was aus dem im Forschungsstand zur Gebildedimension von Organisati-on ist hilfreich für die weitere induktive Annäherung an die Kämpfe in den USA und was leisten die bisherigen Forschungen noch nahezu überhaupt nicht? Zu-sammenfassend kann gelten: Die Ansätze innerhalb der Rechtswissenschaft machen v. a. auf Folgendes aufmerksam: Seit der römischen Antike ist davon auszugehen, dass zwar Perso-nenverbände und kollektive Gebilde bekannt und existent (collegia, muncipia, corpora, universitas) waren; allerdings waren die theoretischen Abstraktionen in Bezug auf diese Gebilde nie derart vollzogen worden, dass die geschaffenen Gebilde getrennt von ihren Mitgliedern gedacht werden konnten: Das rechtssub-jektive „Letztelement“ auch einer jeden kollektiven Einheit war stets das Indivi-duum. Bereits angelegt war eine Vorstellung, eigenständige Einheiten, seien sie kollektiv bzw. bereits als proto-korporativ zu bezeichnen, als fiktiv, künstlich-erschaffen, zu kennzeichnen, wohl eben deshalb, weil die als unmöglich angese-hene Trennung von Menschen, die diese Einheiten bildeten, nicht vollzogen werden konnte bzw. wollte. Grundsätzlich sollten Körperschaften wohl eher sozialen als individuellen Körpern nachgebildet werden. Diese Feststellung scheint besonders in Absetzung zu den in Kap. 3 behandelten Rechtsfällen, die sich ja auf die USA beziehen, von Interesse, zieht sich doch dort das Argument,

ration capitalism“ (Williams 1961 zit. nach Puhle 1974, S. 188) – man beachte: mit wesent-lichem Blick auf die privaten Sektoren – durchgesetzt habe.

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80 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

Corporations wie natürliche Personen behandelt wissen zu wollen, durch (vgl. ausführlich Kap. 3). In Europa also in Bezug auf Organisation den Rekurs auf Sozialität und nicht auf Individualität vorzunehmen, wird dann im (ausgehenden) Mittelalter vor allem von Pufendorf unternommen. Er nimmt die vorn benannte (antike) Sozial- bzw. Gesellschaftsfundierung der korporativen Form auf und schafft mit seiner „zusammengesetzten Moralpersone“ die Grundlage, eine eigen-ständige Wesenseinheit zu konstruieren, die total getrennt ist von den sie bilden-den Individuen – damit wird der Grundstein gelegt, dass derartige Sozialitäten ihren juristischen Niederschlag in der Form der „Juristischen Person“ finden konnten bzw. in erweiterter soziologischer Form im Gebilde „Organisation“. Das Milieu der Aufklärung dann verschränkt rechtsdogmatische mit ordnungspoliti-schen Vorstellungen: Einerseits wirkt Pufendorfs Auffassung von Körperschaften als „Erfindung“ in der sich durchsetzenden Fiktionstheorie Savignys fort, ander-seits markieren ordnungs- und verbandspolitische Ansätze eine verankerte gesell-schaftliche Vorstellung von Körperschaften, die lediglich als Summe der Ge-samtwillen der Mitglieder beschaffen sind; Verbände sollen rein assoziativ, nicht-staatlich, apolitisch und machtlos angelegt sein – so kann die v. a. durch die Im-perative der Französischen Revolution motivierte dekorporatistisch-liberale eu-ropäische Verbands- und Vereinstheorie zusammengefasst werden. Stärkungen in der Außenfunktion erlangen Verbände als Organisationsformen durch die Ansätze Humbolds, der die politische Außenorientierung von Verbänden zum Charakteris-tikum erheben möchte. Allein Gierke nimmt eine oppositionelle Position ein, indem er Verbänden eine „reale Verbandspersönlichkeit“ zusprechen möchte, also eine eigenständige Personenhaftigkeit, die analog zu der von Menschen existent ist. Allerdings setzt sich seine Sichtweise nicht durch.

Moderne US-amerikanische rechtssoziologische Ansätze fassen Corporations als verhaltensstrukturierende Institutionen (Samuels), die aufgrund begünstigen-der Handlungen des Rechtssystems bestehen und bezeichnen Corporations expli-zit als „legal fictions“, womit an Pufendorfs „Erfindungs“-Term angeschlossen wird. Fruchtbar werden diese Ausführungen Samuels, wenn er diese Erfindung in der Entscheidungspraxis des Supreme Court ausmacht. Diesem Aspekt wird ex-plizit in Kap. 3 nachgegangen werden. Auch seine Unterscheidung „öffentliche“ v. „private“ Corporations-Bildung ist hier von Interesse: Wenn er „Richtersprü-che“ als das konstitutive Element der Schaffung privater Corporations ausmacht, könnte das erklären, warum sich die meisten in Kap. 3 dargelegten Rechtsfälle auf ökonomische (private) Organisationen beziehen und nur wenige auf öffentli-che. Unter der hier vertretenden Herrschaftsperspektive in Bezug auf Organisati-on (Türk) benennt Samuels explizit die Fähigkeit von korporativen Akteuren, gesellschaftliche Machtpotentiale „verstecken“ zu können. Auch auf den Aspekt,

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1.4 Organisation als Gebilde 81

korporative Akteure würden in Bezug auf „Eigentum“ und „Verantwortung“ anders behandelt als individuelle, werde ich in Kapitel 3 zurückkommen. Die Idee einer Corporation als einer Person meint für Samuels nicht, dass wir einfach auf eine eigene physische Einheit schließen könnten, die Corporation heißt – eine Corporation ist für ihn keine reale Wesenseinheit; Samuels fasst Corporations in einem allgemeinen konstruktivistischen Sinne als Verkörperungen linguistischer und judikativer Praktiken innerhalb des gesellschaftlichen Konstruktionsprozes-ses von Wirklichkeit. Dies kommt dem in Kap. 1.2 ausgeführten Türk’schen gesellschaftlichen Konstrukt von Organisation sehr nahe.

Unter den Ansätzen der Disziplin „Ökonomie“ ist es v. a. Max Weber, dem wir verdanken, dass wir mittelalterliche Handelsgesellschaften als Proto-Organisationen begreifen können, denen die Aneignung fremder Arbeitserträge zuteil werden kann. Lange vor Coleman analysierte Weber die moderne Organi-sation in ihrer Herrschaftsfunktion als extrovers, da sie – im Unterschied zu den rechtshistorischen Gebildeformationen im Alten Rom (vgl. Kap. 1.4.2.1) – durch Sondervermögen und Solidarhaftung sich eben sehr deutlich von individualis-tisch-motivierten antiken Körperschaftsvorstellungen unterschieden. Damit waren in frühmodernen Handelsgesellschaften bereits zentrale Charakteristika des Rechtskonstrukts der modernen Juristischen Person enthalten. Die damit verbun-denen Rechts- und Handelstechniken ließen „Wirtschaftssubjekte“ eigener Art – komplexe Organisationen aufgrund unpersönlicher Handelsstrukturen – entste-hen.

Die Ansätze innerhalb der Disziplin „Soziologie“ schließlich befassen sich, wie z. B. Coleman, mit der Emergenz von Körperschaften (z. B. Städte) seit dem Mittelalter. Coleman betont deren Funktion der Eigentumskontinuität auch über das Lebensalter natürlicher Personen hinaus sowie die Machtbevorteilungen korporativer Akteure gegenüber den individuellen Akteuren, die bspw. aufgrund der Abtretung von Rechten der individuellen an die korporativen Akteure entste-hen. Dies ist ein zentraler Anschluss an die Herrschaftsperspektive Türks in Be-zug auf Organisation (vgl. Kap. 1.3) und ist im Rahmen meiner Fragestellung insofern von Relevanz, als auch innerhalb der in Kap. 3 dargelegten Gerichtsfälle Argumentationen festgemacht werden können, die sich entweder auf individuelle oder korporative Akteure beziehen. Dass die Form der Organisation im Grunde der kapitalistischen Produktionsweise vorausgeht, weil sie die notwendige Abs-traktion für „reelle Subsumtion“ bildet, können wir von Marx lernen. Die Neoins-titutionalistin Zucker beschreibt die Etablierung der organisationalen Form im 19. Jahrhundert in den USA – zeitlich und geografisch analog zu dem in meiner Arbeit vorgestellten Material – als sukzessive Musterbildung organisationaler Denk-, Handlungs- und Kontrollpraktiken, die v. a. auch deshalb dauerhaft insti-

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82 1. Organisation in der modernen Gesellschaft

tutionalisiert werden können, weil sie gesellschaftliche Anerkennung erfahren. Andere Neoinstitutionalisten wie Meyer et al. tragen auch dazu bei, Organisation einen eigenen Akteursstatus (neben Individuen und Staaten) zu geben, welchen sie klar als historische und aktuelle Konstruktion kennzeichnen. Ihr Konzept der Agentschaft, dass Organisationen ihr Handeln stets als für „etwas Anderes“ bzw. im Namen etwas Anderem legitimieren (können), verweist – ähnlich dem späten Coleman – auf die extroverse Herrschaftsförmigkeit von Organisation. Für Per-row sind (große) Organisationen in den USA – interessant deshalb, da er explizit die in Kap. 2.2.3 und 3 von mir behandelten Eisenbahngesellschaften benennt – Teil der „legal foundation of the modern corporation“.

Fazit: Der Forschungstand zur Gebildedimension von Organisation ist um-fangreich und heterogen. Grob vereinfachend enthält der kontinental-europäische Diskurs zum Einen die Auseinandersetzung um „das Wesen“ einer Organisation und repräsentiert verschiedene gesellschaftlich-historisch abstrahierte Facetten, Körperschaften „zu denken“ innerhalb eines Kontinuums zwischen Rekurs auf Sozialität bzw. auf Individualität, wobei sich die soziale, kollektive Semantik durchsetzt. Dieser zentrale Befund scheint unter forschungsanalytischer Perspek-tive von hoher Relevanz zu sein, ihn mit den Argumentationen im hier dargeleg-ten empirischen Material zu spiegeln. Wenige US-amerikanische Rechtssoziolo-gen konstatieren zwar die – durch das System Recht motivierte bzw. vollzogene – Erfindungs-These in Bezug auf Corporations, gehen allerdings nur sehr wenig bis gar nicht auf das hier vorzustellende empirische Material ein und versäumen damit, ihre Thesen empirisch zu untermauern. Innerhalb der Zusammenfassung der empirischen Fälle werde ich auf den erstgenannten Aspekt des Unterschieds zum kontinental-europäischen Diskurs zur Gebildedimension von Organisation zurückkehren. Der zweitgenannte Punkt der empirischen Untermauerung der Erfindungsthese wird explizit in Kap. 3 behandelt.

Als zunächst weiterer induktiver Schritt innerhalb des Prozesses der Annähe-rung an die kampfreiche Etablierung der korporativen Form in den USA soll im folgenden Kapitel (Kap. 2.1) zunächst auf den aktuellen Kontext der Konstrukti-onsgeschichte der organisationalen Form eingegangen werden. Vor allem eine Corporations-kritische Bewegung in den USA liefert wichtige Hinweise und erste Argumentationslinien, die bekannt sein müssen, will man die in Kap. 3 ausge-führten Gerichtsfälle nicht kontextlos präsentieren. Würde man diesen Kontext auch in die Darlegung dieser Fälle versuchen zu integrieren, müssten die Fälle als überbordet dargestellt angesehen werden und das möchte ich vermeiden. Im An-schluss an den aktuellen Kontext folgt die Darlegung des historischen polit-ökonomischen Terrains (Kap. 2.2). Dies erfolgt deshalb in dieser Reihenfolge, da seitens der Corporation-kritischen Bewegung derart viele historische Fakten als

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1.4 Organisation als Gebilde 83

gekannt bzw. als zu kennen vorausgesetzt werden, dass der „Neuling“, der sich in diese Thematik einarbeitet, diese historischen Zusammenhänge erst einmal stu-dieren sollte. Und auch das ist wiederum eine hilfreiche Voraussetzung zum „Verstehen“ der Fälle in Kap. 3.

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2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

2.1 Die aktuelle Corporations-kritische Bewegung

„On the other side are the forces of a newly emerging global movement advanced by a pla-netary citizen alliance of civil society organiza-tions. This alliance is bringing together the most important social movements of our time in common cause, is self-organizing, depends largely on voluntary social energy, and is driven by a deep value commitment to democracy, community, equity, and the web of planetary life.” (Korten 1995, S. 5)

2.1.1 Kritikformen – Zivilgesellschaft – Bürgerrechte Obwohl innerhalb dieser Arbeit der Fokus auf die USA als geografischen Ort der Etablierung der korporativen Form gerichtet wird34, sollte nicht übersehen wer-den, dass die organisationale Form auch in der internationalen Perspektive als weltweit verbreitet und institutionalisiert gelten kann. Dies kann ausführlich durch empirisches Material, welches die qualitative und quantitative – eben glo-bale – strukturelle Dominanz von (internationalen) Organisationen aufzeigt, belegt werden (vgl. Türk et al. 2006, S. 283 ff.). Diese globalisierte und herr-schaftlich strukturierte (vgl. Kap. 1.3) Verbreitung von Organisation ist aller-dings nicht ohne Kritik geblieben; dabei verhält es nicht so, dass das Objekt der Kritik stets Organisation bzw. die organisationale Form gewesen wäre bzw. eben heute noch ist. Seit zirka Mitte des 19. Jhds. haben sich vielfältige internationale Protestformen, -gruppen und -organisationen bzw. Kritikformen herausgebildet, die hier nicht alle dargestellt werden können und sollen35 – interessant ist zu

34 Immerhin formieren sich die meisten im Folgenden dargelegten Kritikformen – mit Aus-

nahme der Etablierung von attac – von den USA aus (vgl. Kern 2008). 35 Vgl. dazu ausführlich Kern 2008, aber auch Stickler 2005. Wegen ihrer weltweiten Bedeu-

tung seien zumindest noch der Entwicklungs-/Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsdiskurs (Prota-gonisten: z. B. Greenpeace; Club of Rome) oder die „Neue Frauenbewegung“ genannt. Da-neben gibt es eine Reihe von speziellen Kritikobjekten, die Anlässe für Gruppen- bzw. Or-

T. Matys, Legal Persons – „Kämpfe“ und die organisationale Form, DOI 10.1007/978-3-531-94147-9_3© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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86 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

fragen, ob bei allen Protestdiskursen – zumindest implizit – stets Organisationen mitgemeint sind, aber eben nicht bei allen explizit zum Thema gemacht werden36. Beispielhaft seien folgende Diskurse genannt: • Der Diskurs Organisationskritik, der hauptsächlich zwei Diskursstränge ent-

hält: Zum Einen eine Kritik, die vorwiegend aus dem Erfahrungsbereich der Organisationspraxis (z. B. Bürokratiekritik, Anarchismus, Operaismus u. a.) stammt und zum Anderen eine Kritik, die aus dem Bereich der wissenschaftli-chen Praxis entstammt, die wesentlich das Verständnis von Wissenschaft, Wissenschaftlichkeit und kritischer Theoriebildung thematisiert (vgl. ausführ-lich Türk 1995a; Türk et al. 2006 sowie Bruch 2000, 2003 und 2010). Diese Kritikstränge sind bis auf wenige Ausnahmen auf Europa beschränkt und kri-tisieren teilweise explizit die organisationale Form.

• Der Diskurs Kapitalismus- und Globalisierungskritik: In ihm werden Akteure und Praktiken innerhalb des globalen kapitalistischen Systems thematisiert, wie bspw. das Shareholder-Value-Prinzip, die Eigentumsordnung, eine Ver-mögenssteuer, moralisches Verhalten von Managern und Unternehmen als Ganzes sowie Fragen der Ausbeutung der Arbeiterschaft oder sogar ganzer Staaten u. v. a. m. Unter den Gruppen bzw. Organisationen, die diese Kritik formulieren und Gegenmaßnahmen fordern, z. B. wirksame global governan-ce-Strukturen einzurichten, sticht v. a. attac besonders hervor. Zentral für die-se Kritikform ist allerdings nicht die organisationale Form; vielmehr haben wir es hier mit einem politischen Steuerungskonzept zu tun, das sich gerade durch seinen positiven Bezug auf Organisationen auszeichnet; Organisationen sind die zentralen „Bausteine“ innerhalb dieser Kritikform (es werden organi-sationale Praktiken kritisiert – nicht die Organisationsform als solche).

• Der Diskurs um Anti-Kriegs- bzw. Friedenspolitik: Dieser Diskurs – ursprünglich bereits im 19. Jhd. entstanden (vgl. Kern 2008, S. 88) – gewann v. a. in den 1950-er Jahren durch Kampagnen gegen Atombombentests der

ganisationsbildung zwecks Protest darstellen und sich dabei nicht selten von prominenten Künstlern unterstützen lassen: Bspw. setzt sich Sting für die Rainforest Foundation zur Ret-tung des Regenwaldes ein, John Mellencamp unterstützt die US-amerikanische Farmerbe-wegung „farm aid“.

36 Wenn man will, kann man viele der im Forschungsstand zur Gebildedimension dargelegten Aspekte auch als Kritikpunkte an Organisation überhaupt begreifen. Dies hätte allerdings eine andere Darstellungssystematik des Forschungsstandes erfordert. Innerhalb der Darstel-lung des Forschungsstandes ging es mir ja zunächst darum, die verschiedenen disziplinären Zugänge zur Gebildedimension aufzuzeigen. Jenes Kapitel hatte nicht unnötig verkompli-ziert werden sollen (vgl. ausführlich Kap. 1.4.2).

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2.1 Die aktuelle Corporations-kritische Bewegung 87

USA eine große Dynamik, später kamen Proteste gegen den Vietnamkrieg hinzu (vgl. ebd.). Ab dem neuen Jahrtausend waren die Kriege im Irak und in Afghanistan von zentraler Bedeutung im Rahmen der Kritik der Friedensbe-wegung. Die Heterogenität dieser Bewegung drückte sich dadurch aus, dass sie sowohl einzelne spezielle Protestgruppen hervorbrachte sowie stets Min-derheiten in bereits etablierten anderen Gruppen und Organisationen (z. B. Parteien oder Gewerkschaften) zum Bestandteil hatte. Ein Teildiskurs, der nicht trennschaft dem Kapitalismus-Kritik- oder dem Anti-Kriegs-Diskurs zu-geordnet werden kann, ist ein Anti-USA-Protest, wie er bspw. von Michael Moore („Stupid white Man“) vertreten wird. Auch diese Kritikform „behan-delt“ eher Praktiken als grundsätzliche Kritik an der organisationalen Form.

• Der Diskurs um Menschenrechte: Auch in ihm sind Teilbereiche anderer Diskurse enthalten, bspw. eine pazifistische Grundhaltung bzw. eine Anti-Gewalt-Forderung, die sich empirisch in den Gegenstandsbereichen Inhaftie-rung, Folter, internationaler Minenabbau etc. kennzeichnen lassen. Neben „amnesty international“ als wohl bekannteste globale Organisation in diesem Sektor sind es aber auch v. a. kleine Organisationen, z. B. „Human Rights now!“ (prominent unterstützt durch u. a. Bruce Springsteen, Peter Gabriel und Tracy Chapman), die sich innerhalb des Menschenrechtsdiskurses engagieren. Auch bei dieser Kategorie wird Organisation als Form nicht thematisiert.

Schnell fällt auf, dass es sich bei der Einteilung der Diskurse um nicht immer trennscharfe Kategorien handelt – realiter gehen sicher viele Diskurse ineinander über. Analytisch von Bedeutung ist nun, dass – wie vorn bereits angedeutet – viele dieser Kritikformen keine Organisationskritik – im engeren Sinne auf die Form Organisation gerichtet – transportieren. Die im Weiteren darzulegenden Corporations-kritischen Organisationen können daher auch nicht ohne Weiteres einfach den so genannten „Nicht-Regierungsorganisationen“ (als abgekürzte Form eingebürgert: NGO) zugordnet werden, weil etwa ihr einheitliches – über-greifendes – Kritikobjekt Regierungsorganisationen37 (vgl. ausführlich Türk et al. 2006) wäre. Die gemeinsame Klammer vieler Kritik-Organisationen besteht

37 Diese Bezeichnung ist vor allem deshalb problematisch, da sie sich lediglich aus einer Negati-

on (eben der Regierungsorganisationen) begründet und als normativ und zu eng gelten muss, wenn sie von folgenden Charakteristika ausgeht: freiwillige Mitgliedschaft, Unabhängigkeit von Staat und Parteien, keine Gewinnorientierung, keine Orientierung an individuellen Eigen-interessen der Mitglieder, keine Ausschließung von Mitgliedern aus ethnischen, nationalen, geschlechtsspezifischen oder religiösen Gründen (vgl. Türk et al. ebd., S. 284). Zur umfang-reichen Auseinandersetzung mit dem NGO-Phänomen und dessen Zusammenhänge zur Be-wegungsforschung und zum Konzept des „global governance“ in gleichsam historischer und herrschaftskritischer Perspektive vgl. ausführlich Stickler 2005.

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88 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

nun zwar in der Ablehnung einer Politik von Regierungsorganisationen, aller-dings zeigt sich bei einer ersten empirischen Annäherung an die Corporations-kritischen Bewegungen – wie in der Einleitung bereits angedeutet –, dass diese Organisationen bestimmte Topoi durchgehend thematisieren, wie bspw. „Bürger“, „Menschenrechte“, „Demokratie“ und „Freiheit“. Offensichtlich sind also die Corporations-kritischen Organisationen darum bemüht, eine Erweiterung des Staates um den Bereich des Privaten bzw. Zivilgesellschaftlichen anzustreben (vgl. Hirsch 2001; 1995). Diese Idee formulierte der italienische Anti-Faschist Antonio Gramsci sehr klar: Mit Zivilgesellschaft meint Gramsci diejenigen all-täglichen kulturellen Sphären, die dem Schein nach als privat, nicht-öffentlich, außerstaatlich gelten, kurzum den nicht dem Zwangsapparat angehörenden ge-sellschaftlichen Bereich: Presse, Bürgerinitiativen, Schulen, Kirche, Gewerk-schaften usw. Die Zivilgesellschaft hebt auf einen sozialen Sachverhalt moderner Gesellschaften ab, der in dem Umstand besteht, dass die Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse nicht allein der Produktionslogik der Ökonomie über-antwortet werden kann, sondern sie in wesentlichen Elementen als Aufgabe einer gesellschaftlichen Sphäre aufgefasst werden muss, die eigens auf den Aufbau und den Erhalt von Hegemonie hin orientiert ist (vgl. Gramsci 1986, S. 228; Kebir 1991, S. 52 ff.). Insofern ist also bei den Corporations-kritischen Organisationen zu fragen, ob es sich anstelle von Organisations- nicht eher um Kapitalismus-, Demokratie- oder Staatskritik handelt (darauf wird hinten zurückgekommen); so lautet bspw. auch der Titel eines Buches, welches von Dean Ritz, Mitglied der Corporations-kritischen Organisation POCLAD (vgl. Kap. 2.1.3), im Jahre 2001 herausgegeben wurde und als paradigmatisch für die Programmatik vieler Anti-Corporations-Bewegungen gelten kann: „Defying Corporations, Defining De-mocracy“.

Der Verweis auf die grundsätzliche Bürgerrechts-Position erlaubt einen weite-ren Anschluss: Der Bürgerrechts-Topos ermöglicht die Einordnung der Corpora-tions-kritischen Bewegung in eine Theorie des modernen Konflikts, die pointiert von Ralf Dahrendorf vertreten worden ist. Für Dahrendorf ist die bisherige Ge-schichte der westlichen Gesellschaften eine Geschichte von sozialen Konflikten gewesen, in denen es, politisch gesehen, um die Ausweitung von Rechten sowie, ökonomisch gesehen, um die Ausweitung von Angeboten ging (vgl. Dahrendorf 1992). In Anlehnung an Thomas H. Marshall deutet Dahrendorf diese sozialen Konflikte als Kampf um eine Bürgergesellschaft, die im 18. Jahrhundert durch das Erstreiten von Grundrechten, im 19. Jahrhundert durch den Kampf und poli-tische Rechte sowie im 20. Jahrhundert durch soziale Rechte möglich wurde (vgl. ebd., S. 62 f.). Es scheint trivial zu sein, die Herstellung und Verwirklichung von Demokratie als einen der zentralen Prozesse innerhalb der Herausbildung der

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2.1 Die aktuelle Corporations-kritische Bewegung 89

modernen Gesellschaft zu begreifen. Dabei kann mit Bezug auf die bereits im Forschungsstand (vgl. Kap. 1.4.2.3) genannten neoinstitutionalistischen Autoren wie bspw. Meyer et al. festgehalten werden, dass die Verankerung einer Demo-kratie-Idee als Teil der Institutionalisierung der kulturellen Grundlagen der Mo-derne begriffen werden muss: Demokratie kann als ein „abstraktes Prinzip“ ver-standen werden, für das sich gesellschaftliche „Akteure“ stark machen; Akteure – individuelle, korporative oder Nationalstaaten –, denen ein agentschaftlicher Charakter zukommt (vgl. Meyer et al. 2005). Dahrendorfs Vorstellungen einer „liberalen Demokratie“ (Dahrendorf 1971, S. 34 ff.) nun, die er in Anbindung an Soziologen wie Lipset und Aron in eine „Soziologie der Demokratie“ (ebd., S. 36) eingebettet sehen will, transportieren einen normativen Grundgehalt, der sich vor allem „Fragen des Zusammenhangs von Demokratie und politischer Teilnah-me, Wahlverhalten, sozialer Schichtung [und] wirtschaftlicher Entwicklung ...“ (ebd.) widmen will. In modernen Demokratien „teilzunehmen“, lässt sich laut Dahrendorf allerdings nicht ohne die grundsätzliche Anerkennung eines Antago-nismus verwirklichen: „Der moderne soziale Konflikt ist ein Antagonismus von Anrechten und Angebot, Politik und Ökonomie, Bürgerrechten und Wirtschafts-wachstum. Das ist immer auch ein Konflikt zwischen fordernden und saturierten Gruppen“ (Dahrendorf 1992, S. 8). Der Kerngedanke, der in dieser Vorstellung des modernen sozialen Konflikts enthalten ist, bekräftigt die Utopie eines freien, mündigen, bürgerlichen Individuums. Dahrendorf geht davon aus, dass das mo-derne Individuum zunehmend Konflikte nicht mehr wahrnimmt bzw. nicht mehr austrägt, obwohl die Konflikte wahrgenommen werden. Denn im Grunde sah Dahrendorf eine „Bürgergesellschaft“ nahezu – formell – verwirklicht: Bürger-rechte haben „als eine große historische Kraft des Wandels ihre Energie verloren“ (ebd., S. 168), weil ihr Prinzip „weithin akzeptiert worden ist“ (ebd.). Das bedeu-tet allerdings für Dahrendorf nicht, dass Bürgerrechte in den meisten Ländern der Erde garantiert wären, denn nach wie vor gebe es politische Verteilungskämpfe um dieses knappe Gut. Das kann m. E. auch erklären, dass Dahrendorf bis zu seinem Tode im Jahr 2009 fasziniert war von der Corporations-kritischen Bewe-gung, die sich in den USA formiert hatte: Er sah in dieser Bewegung wohl eine neue aufsteigende gesellschaftliche Kraft, die die individuellen Akteure wieder in die Lage versetzen könnte, die neuen sozialen Konflikte der modernen Gesell-schaft, wozu er eindeutig den Kampf gegen zu übermächtige Corporations zählte, (wieder) aufnehmen zu können38. Die Verwirklichung der bürgerlichen Freiheits-idee schien für Dahrendorf der Inbegriff von „Definig Democracy“ zu sein.

38 So äußerte er sich in einem persönlichen Gespräch mit dem Verfasser im Oktober 2008. Dah-

rendorf, damals bereits von seiner schweren Erkrankung gezeichnet, hatte mich nach Köln zu

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90 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

Doch wie nun entfaltet sich der Corporations-kritische Diskurs vor diesem Hin-tergrund? Wie wird das Bürgerrechts-Argument entfaltet? „Wogegen“ wird mit Blick auf Corporations „protestiert“? Zunächst möchte ich auf zwei meinungs-führende Protagonisten, Thom Hartmann und Ted Nace, eingehen, die bspw. zentrale Corporations-kritische Organisationen wie „ReclaimDemocracy.org“ und das „Program on Corporations, Law and Democracy (POCLAD)“ (vgl. Kap. 2.1.3) mit ausgewählten Informationen versorgen. 2.1.2 Die Corporations-Kritik der Protagonisten Hartmann und Nace Hartmann nimmt in seinem Buch „Unequal Protection. The Rise of corporate Dominance and the Theft of Human Rights“ – m. E. so etwas wie das Manifest der Anti-Corporations-Bewegung – das weiter vorn bereits genannte Thema auf, Corporations seien eine Erfindung des Rechts, sie seien durch die machtvolle (Fehl-) Verkündung und (Fehl-) Rezeption des berühmten Santa Clara-Urteils von 1886 (vgl. ausführlich Kap. 3.2) in die Welt gekommen. Dadurch sei es mög-lich geworden, dass Corporations einen derart weltweiten Verbreitungsgrad fin-den konnten. Er identifiziert die Corporations quasi als „Fehler im sozialen Sys-tem“ (Hartmann 2002, S. 22), der laut Hartmann dadurch entsteht, dass ein orga-nisationaler Zweck („corporate purpose“, ebd., S. 22), also bspw. das Streben nach Profiten oder Shareholder-Dividenden, begünstigt durch Faktoren wie einer eigenen organisationalen Persönlichkeit („personhood“, ebd., S. 23), bestimmten Rechten und einer entsprechenden Größe der Organisation, völlig den Zwecken, den Werten von natürlichen Personen zuwiderlaufe. Im Grunde ist Hartmann der Auffassung, dass Organisationen als Juristische Personen („legal persons“) eine Gleichstellung mit Menschen erreicht haben. Und diese 1:1-Gleichstellung von etwas eigentlich Differentem sei, so Hartmann, „menschengemacht“ (ebd., S. 1), basiere auf dem „Raub von Menschenrechten“, wie der Buchtitel andeutet und

einem Gespräch eingeladen, nachdem er auf einer Tagung, die wir gemeinsam besucht hatten, erfahren hatte, dass ich bei Klaus Türk zum Thema „Corporations“ promoviere. Geistig hell-wach konstatierte er, dass ihm die Entwicklung einer Corporations-kritischen Bewegung of-fenbar „durchgegangen“ sei. Wörtlich sagte er: „Herr Matys, wenn ich heute noch einmal eine Dissertation schreiben müsste, ich würde sie über die Anti-Corporations-Bewegung in den USA schreiben“ (Matys 2008b). Man konnte seine Faszination für dieses Thema förmlich in seinen Fragen spüren, die vor allem darum kreisten, was denn die Forderungen der Corporati-ons-Gegner seien bzw. wie ihre Programme lauteten. Ich schickte ihm daraufhin auch eine Menge Material der Bewegung – zu einem geplanten zweiten Gespräch kam es dann leider nicht mehr. Er starb bekanntlich im August 2009.

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2.1 Die aktuelle Corporations-kritische Bewegung 91

habe zu „unequal consequences“ (ebd., S. 155) geführt. Hartmann nennt eine Reihe von staatlichen – scheinbaren – Regulierungen, die im Kern, so sein Fazit, korporatives Handeln durch Legalisierung legitimieren: Bspw. legitimierten Ta-bak-Unternehmen die Produktion ihrer gesundheitsbedrohenden Produkte durch das staatlicherseits verordnete Anbringen von Hinweisschildern auf den Produk-ten. Einen weiteren Fall stellen Organisationen dar, die Giftmüll produzieren, rechtlich allerdings nicht bzgl. der Folgen, die sich aus der Giftmüllproduktion ergeben können, belangt werden können. Dies können sie deshalb nicht, weil sie die von ihnen verwendeten giftigen Bestandteile veröffentlichen, und zwar inner-halb der Richtlinien, die von staatlichen Agenturen gesetzt worden sind; Hart-mann erweitert die Liste der Bevorteilungen, die Corporations seiner Meinung nach gegenüber Menschen haben: Es herrsche eine ungleiche Besteuerung, die Verantwortung für kriminelle Handlungen sei ebenfalls unterschiedlich (es gebe auch keine Kriminalstatistiken bzgl. Corporations), denn bspw. könnten Kinder-arbeit oder Gefangenenarbeit von den Corporations unbehelligt genutzt werden. Auch die ungleichen Reichtumsstrukturen thematisiert Hartmann: Fast 30 Pro-zent der absoluten ökonomischen Aktivität werde von den Top-10-Corporations durchgeführt. Zudem genießen Corporations Handelsvorteile (z. B. die Möglich-keit einer Corporation, ihr Geschäft global zu organisieren). Nicht zuletzt seien, so Hartmann, die dominanten Medien-Corporations zu nennen, die durch enorme Politikbeeinflussung als Teil eines übermächtigen Lobbyismus’ gekennzeichnet werden müssten (vgl. ebd., S. 157 ff.).

Die Arbeiten des US-amerikanischen Ex-Unternehmers und Autors Ted Nace liefern des Weiteren gehaltvolles historisches und empirisches Material. In sei-nem über 300-seitigen Internet-Buch „Gangs of America – The Rise of Corporate Power and the Disabling of Democracy“ (2003) beschreibt er den Prozess der Herausbildung US-amerikanischer Corporations, beginnend von den britischen Wurzeln über die schleichende Indienstnahme der Artikel bzw. der Zusatzartikel der US-Verfassung durch die Corporations (vgl. Kap. 3) – und dies tut er aus-führlicher und präziser als Hartmann – bis hin zur internationalen Ausweitung Corporations-induzierter Governance-Strukturen. Nace hat einige für den For-schungszusammenhang und den Gang dieser Arbeit wichtige empirisch grundle-gende und theoretisch anregende Elemente geliefert: Historisch geht er sogar bis ins 13. Jahrhundert zurück, um die Wurzeln der modernen Corporation im briti-schen Empire aufzuzeigen (vgl. Nace 2003, S. 28 ff.); er stellt die ersten „gechar-terten“ (= beauftragten; vgl. Kap. 2.2.1 und 3) Organisationen in den noch jungen USA im 17. Jahrhundert dar (vgl. ebd., S. 40 ff.); er führt die erbitterten Anti-Monopol-Kämpfe des 18. Jahrhunderts auf (vgl. ebd., S. 49 ff.); Nace dokumen-tiert in mehreren Kapiteln die Verstrickungen von Politik und Justiz (einschließ-

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92 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

lich des Santa Clara-Urteils (vgl. Kap. 3.2), die den schleichenden „Aufstieg“ der Corporations begünstigten (vgl. Nace ebd., S. 59 ff.). Globale korporative Hegemonie-Tendenzen (vgl. ebd., S. 221 ff.) beschäftigen ihn ebenso wie die sich langsam formierende Anti-Corporations-Bewegung (vgl. ebd., S. 232 ff.). Nace vertritt die These eines weltweiten Siegeszugs der Corporations von den USA ausgehend als „Gangs of America“. Seine Beschreibungen sind historisch-empirisch sehr informativ. Sie sind zudem auch anregend, da Nace selbst als ehemaliger Unternehmer aus nicht rein wissenschaftlichen Kontexten stammt, sondern gerade seine alltagweltliche Herangehensweise an das Corporations-Phänomen betont. Diese Herangehensweise kommt der von mir ebenfalls prakti-zierten empirisch-induktiven Weise sehr nahe (vgl. Einleitung und Kap. 1). An vielen Stellen innerhalb dieser Arbeit werden daher die von Nace dargelegten empirischen Informationen wichtige Referenzpunkte sein. Nace’ grundlegende Positionen gleichen einer Mission, die sich nahezu nahtlos in die Forderungen der Anti-Corporations-Bewegung (vgl. ausführlich dazu Kap. 2.1) einreihen lassen39:

„ ... die Corporation als eine dynamische Technologie zu sehen, als ein quasi-lebendiges Ding, ermöglicht es uns, sie in einer vertrauten Kategorie von Problemen zu platzieren. Menschen haben eine lange und tiefe Erfahrung mit dem formenden und erweichenden Pro-zess, der als „Zähmung“ bekannt ist, innerhalb dessen die nützlichen Qualitäten einer Spe-zies gefördert werden, während die gefährlichen beschnitten werden. Die Arbeit, die Corpo-rations zu domestizieren, kann nicht durch ein kleines Stück Gesetzgebung ausgeführt wer-den, es ist nicht einmal realistisch zu glauben, dass diese [Zähmung] in einer einzelnen Ge-neration geschehen kann. Es wird eines großen Coups in Bezug auf Gesetzgebung, ein-schließlich verfassungsgemäßer Änderungen, bedürfen. Es wird die Entwicklung einer kla-reren Sichtweise einbeziehen, dass Rechte ein menschliches Privileg sind und kein organi-sationales. Es wird das Ende einer Vorstellung einbeziehen müssen, dass mächtige Organi-sationen unbestimmte Existenzbedingungen genießen dürfen. Es wird die Verbreiterung der Vorstellung von menschlichen Rechten benötigen, um die verschiedenen Wechselwirkun-gen zwischen Menschen – als Konsumenten, als Arbeiter etc. – und Corporations zu verei-nen. Es wird die Entwicklung von eindeutig notwendigen Grenzen und Schutzwallen, die das Politische als einen „humans only“-Bereich aufrechterhalten, bedürfen. Genauso bedarf es klarer Definitionen anderer „humans only“-Bereiche: Familie, Erziehung etc. Schließlich, und am Wichtigsten, wird es einer tiefen Änderung einer Haltung bedürfen, einer eingebet-teten Skepsis. Die Corporation ist ein mächtiges Werkzeug und das macht sie zu einem ge-fährlichen. Nachdem wir die Corporation domestiziert und demokratisiert haben – ange-nommen, uns gelingt das zu tun –, werden wir immer noch unsere Kinder warnen müssen: „Passt auf. Behaltet dieses Ding im Auge. Und vergesst niemals: Es kann beißen!““ (Nace ebd., S. 267; Herv. i. Orig.).

39 Auch wenn Nace zweifellos ironiefähiger ist, als die meisten Corporations-„Gegner“.

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2.1 Die aktuelle Corporations-kritische Bewegung 93

Nace fürchtet also offenbar am meisten die Macht, die von Corporations ausgeht. Es spricht Einiges dafür, dass das dazu passende von ihm erlebte Ohnmachtsge-fühl stark biografisch motiviert ist. Einerseits war Nace lange in der EDV-Branche als selbstständiger Unternehmer tätig und durchlebte einen schleichen-den Prozess, innerhalb dessen sein kleines Start-Up-Unternehmen zu einer gro-ßen, zunehmend anonymen und nicht mehr steuerbaren Software Company wurde (vgl. Nace ebd., S. 9). Andererseits hatte Nace nach seiner College-Zeit eine Gruppe von Farmern geholfen, ihre Rechte zu vertreten, als deren Ländereien und Farmen förmlich von Riesenmaschinen eines Kohlebergbau-Unternehmens dem Erdboden gleichgemacht werden sollten, um dort Kohlebergbau zu betreiben. Die „Fähigkeit“ von Corporations, mit einer derartigen Macht in das Private von Menschen eindringen zu können und diese aus ihren vertrauten Lebensbezügen zu verdrängen, führt Nace wohl zu der Forderung, Corporation müssten „demo-kratisiert“ werden.

Zusammengefasst können somit Hartmann und Nace, aber auch Samuels (vgl. Kap. 1.4.2.1) – flankiert durch die Anti-Corporations-Bewegungen – als durchaus relevant angesehen werden, den Terminus corporate personhood bzw. den immer wieder genannten Referenzpunkt legal person publik gemacht zu haben. Zudem kritisieren sie die Macht von zumeist großen Corporations. Es ist daher eher plau-sibel, dass die beiden Protagonisten bestimmte Praktiken von vor allem Konzer-nen meinen und eigentlich nicht die organisationale Form kritisieren (vgl. vorn). Ich werde darauf noch einmal gegen Ende des Kapitels zurückkommen. Im Fol-genden werde ich jetzt auf die Aktivitäten und Strukturen dreier zentraler Corpo-rations-kritischer Organisationen eingehen, um damit die Arena der Corporations-Kritiker zu vervollständigen und um prüfen zu können, wie die Kritiklinien dort verlaufen.

2.1.3 Drei zentrale Corporations-kritische Organisationen Vorbemerkung Richtet man nun den Blick auf drei zentrale Corporations-kritische Organisatio-nen, fällt zunächst auf, dass die Kritik an Corporations aus verschiedenen Rich-tungen kommt: Zum Einen gibt es Organisationen, bei denen Corporations-Kritik nur ein Thema unter mehreren anderen ist, wie z. B. Parteien, Verbraucher-

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94 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

schutzorganisationen oder Friedensbewegungen40. Zum Anderen gibt es aber auch Organisationen bzw. Aktivistengruppierungen, deren Gründungszweck die Kritik an Corporations war. Diese „reinen“ Anti-Corporations-Bewegungen wur-den in den Jahren zwischen 1995 und 2002 gegründet. Die Frage allerdings, warum es sich um diesen Zeitraum handelt – gab es beispielsweise irgendwelche Schlüsselereignisse, die Anlass für Kritik an Corporations hätten bieten können? – kann selbst nach intensivem Studium der meisten Internetseiten der Bewegun-gen nicht geklärt werden; ich kann nur Vermutungen äußern: Vielleicht ist die schlichte Tatsache derartiger Community-Bildungen gerade dadurch erklärbar, dass es sich um vor allem durch das Medium Internet repräsentierte Bewegungen handelt und das Internet gerade in der Zeit ab 1996 einen weltweiten Aufschwung hinsichtlich Verbreitung, Nutzung und Aufmerksamkeit erfuhr41. In einer ersten groben Annäherung durchziehen zumindest folgende Aspekte die Darstellungen der meisten Organisationen: Die Kritik der Corporation-Kritiker richtet sich gegen „Corporate Personhood“, da Corporations darüber für sich Rechte der US-amerikanischen Zusatzartikel für sich in Anspruch genommen hätten. Corporati-ons seien zu mächtig, könnten ihre Interessen mit Hilfe ihres Geldes durchsetzen, die Demokratie sei in Gefahr. Und: Die Kritik scheint sich fast ausschließlich gegen ökonomische Organisationen und dort vor allem gegen Großkonzerne zu richten.

40 An dieser Stelle müssen tiefer gehende Forschungen bzgl. hier nicht weiter behandelter

Organisationen, die ebenfalls eine Fülle von Anti-Corporations-Aktivitäten in ihrem Reper-toire haben, in den Bereich der Forschungsdesiderata verwiesen werden. Nur zwei „Einhei-ten“ seien hier exemplarisch genannt: Zum Einen Parteien wie die „Socialist Equality Party“ (SEP) mit ihrem Kampf gegen Unternehmensprofite oder zum Anderen so genannte „public interest groups“, wie bspw. Greenpeace USA oder „Common Cause“ (vgl. http://www. wsws.org/; Oldopp 2005; Hübner 1989). „Common Cause“ bspw. wurde 1970 gegründet, hatte 1989 ca. 225.000 Mitglieder und kämpfte u. a. für die Veränderung der Wahlkampffi-nanzierung (vgl. Hübner ebd.).

41 Inhaltlich lässt sich dagegen zeigen, dass viele der seitens der Corporations-kritischen Bewegung formulierten Aspekte bereits vor dem großen Internetboom publiziert worden sind, z. B. „Corporation Nation. How Corporations are taking over our Live and what we can do about it“ von Charles Derber (1998) oder „When Corporations Rule the Word“ von David C. Korten (1995).

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2.1 Die aktuelle Corporations-kritische Bewegung 95

ReclaimDemocracy.org42 Ich beginne zunächst mit der Organisation, deren Maxime programmatisch und zugleich typisch für die gesamte Anti-Corporations-Bewegung zu stehen scheint und bei der uns das vorn angesprochene Bürgergesellschafts-Modell (Dahren-dorf) förmlich begegnet – ReclaimDemocracy.org: Diese Organisation fordert die „Wiederherstellung bürgerlichen Einflusses auf Corporations“ (ReclaimDemoc-racy.org 2008a). ReclaimDemocracy.org wird deshalb an den Anfang der Darstel-lungen der Anti-Corporations-Bewegungen gestellt, da man zu dieser Organisati-on am häufigsten gelangt, sobald „legal person“, „14. amendment“ oder „corpo-rate personhood“ in gängige Web-Suchmaschinen eingegeben wird. ReclaimDe-mocracy.org ist eine 2001 gegründete Non-Profit-Organisation43, die über einen

42 Bereits die korrekte Firmierung dieser Organisation bereitet schon zu Beginn Schwierigkei-

ten: Reclaim Democracy heißt in offiziellen Dokumenten zumeist ReclaimDemocracy.org. Man gelangt also recht bald zu dem Problem, was genau man sich denn unter dieser Organi-sation vorzustellen hat: Geht man etwa davon aus, dass es sich um eine klassische Organisa-tion handelt, die – selbstverständlich – auch über einen Internetauftritt verfügt? Oder kenn-zeichnet nicht ReclaimDemocracy.org genau die Tatsache, dass diese Bewegung, Gruppie-rung oder Organisation im Prinzip als reine Internet-Community agiert und auch so wahr-genommen werden soll? Im letzteren Fall kennzeichnete das einen (Medien-)Trend, separate Einheiten unabhängig von real – parallel – existierenden Einheiten als eigenständig beste-hende Organisationsformate automatisch anzuerkennen (vgl. in Deutschland etwa ver-gleichbar „Der Spiegel“ und „www.Spiegel.de“ oder „Tagesschau“ und „www.tages-schau.de“). Da das Internet eine eigene Realität darstellt, werde ich im Folgenden also von ReclaimDemocracy.org sprechen.

43 Damit ist allerdings noch nichts über den rechtlichen Organisations-Status dieser Organisa-tion gesagt: Auf den Internet-Seiten erfährt man, dass ReclaimDemocracy.org eine 2001 ge-gründete Non-Profit-Organisation sei, die entsprechend dem „United States Internal Reve-nue Code (26 U.S.C. § 501(c)“, einer Liste mit 28 Typen von Non-Profit-Organisationen in den USA, die von der nationalen Einkommenssteuer befreit sind und von der US-Bundessteuerbehörde IRS geführt wird (vgl. Kramer 1990). Der Befreiungsbescheid für ReclaimDemocracy.org allerdings weist die Organisation als „Inc.“ (für „incorporated“), d. h. also im Prinzip als Kapitalgesellschaft aus. Plausibel ist allerdings die Spezifizierung als „nicht gewinnorientierte Aktiengesellschaft“ (Privacy Management Holdings 2010) bzw. „Charitable Corporation“ (v. Hippel 2007, S. 18), welche wiederum als eine Unterkategorie der „Non-Profit-Organization“ zu fassen ist. Sehr wahrscheinlich ist wohl, dass viele der Anti-Corporations-Organisationen zur Rechtsform der Non-Profit-Organization gezählt werden können, deren kleinster gemeinsamer Nenner lediglich ein Gewinnausschüttungs-verbot darstellt (vgl. v. Hippel ebd.). Die ebenfalls in diesem Kap. angesprochene Einord-nung der Corporations-kritischen Bewegungen in die Kategorie „Nicht-Regierungs-organisationen“ (NGO) geht zwar einerseits über das Kriterium des Gewinnausschüttungs-verbots hinaus, ist aber wiederum andererseits nicht trennschaft zu unterscheiden von der Kategorie „Public Interest Groups“. Diese fasst innerhalb der US-amerikanischen Verbands-forschung alle diejenigen Organisationen zusammen, deren Mitglieder oder Unterstützer

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96 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

sehr komplexen Internetauftritt verfügt, der zudem nicht frei von Redundanzen ist. Zu den Zielen der Organisation ist den Websites Folgendes zu entnehmen44:

„ReclaimDemocracy.org arbeitet an der Schaffung einer repräsentativen Demokratie mit ei-ner aktiv teilnehmenden Öffentlichkeit, indem die Bürger nicht nur aus einem von Eliten bereitgestellten Menü von Optionen wählen, sondern wir spielen eine aktive Rolle bei der Ausrichtung des Landes und seinem politischen Agenda-Setting. Wir glauben, dass der Ein-fluss eines jeden die direkte Folge der Qualität der eigenen Ideen und seiner Energie dieser Ideen zu fördern, sein sollte, unabhängig von Wohlstand oder Status. Wir inspirieren dazu, Bürgern bewusst zu machen, dass Entscheidungen über die Rolle, die Corporations in unse-rer Gesellschaft spielen sollten, getroffen werden müssen und dass Corporations auf diese Rolle dann zu begrenzen seien. Wir sind eine gemeinnützige überparteiliche, Non-Profit-(..) Organisation und laden alle gemeinsam dazu ein, mehr über unsere Mission, Visionen, Zie-le und Werte zu erfahren“ (ReclaimDemocracy.org 2008a).

Die Herstellung einer kollektiven Identität ist für diese Corporations-kritische Organisation offenbar zentral, was allerdings durchaus mit Problemen verbunden ist: Die Handlungsfähigkeit von Corporations-kritischen Bewegungen hängt nämlich stark davon ab, wie gut es ihnen gelingt, eine konsistente Selbstbe-schreibung gemeinsam zu entwickeln, um damit eine Koalition von Anti-Corporations-Organisationen – aber durchaus auch von assoziierten Menschen innerhalb einer Organisation – zu bilden. Erst eine Koalition ermöglicht es, Sachverhalten in der sozialen Umwelt als ungerecht, unmoralisch etc. zu qualifi-zieren (vgl. Kern ebd., S. 121). Zudem wird die Organisation in die Lage ver-setzt, Forderungen zu stellen, Ursachen und Verantwortliche zu benennen. Dies bündelt ReclaimDemocracy.org in der Kategorie „Ziele der politischen Arbeit als Teil eines Prozesses der Demokratisierung“ (ReclaimDemocracy.org ebd.): • Aufhebung des Urteils des Obersten Gerichtshofs, nachdem Corporations

eine verfassungsrechtlich geschützte „freie Rede“ – bspw. in Form von Wahl-kampfspenden – zusteht (s. „First National Bank of Boston v. Bellotti“ in Kap. 3);

• Schutz der Bürgerrechte vor (korporativen) Anmaßungen; • Stärkung und entschiedene Anwendung der Anti-Trust-Gesetze; • Gesetze beseitigen, die verhindern, dass Gemeinden, Staaten und Länder

Corporations nicht angemessen innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche „regie-ren“ können;

• Stärkung und Durchsetzung der Gesetze gegen korporative Kriminalität

von der Erfüllung der zu vertretenen Ziele weder selektiv noch materiell profitieren (vgl. Stickler 2005, S. 32 f.).

44 Sämtliche wörtlichen Übersetzungen stammen vom Verfasser.

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2.1 Die aktuelle Corporations-kritische Bewegung 97

Die Hauptaktivitäten von ReclaimDemocracy.org lassen sich wie folgt zusam-menfassend sortieren: • Umfangreiche Agenda-Setting-Politik zu allen Themen, die mit Corporate

Personhood, Corporate Accountability, Bürgerrechte, Rechte von Corporati-ons, Basisdemokratie und einer Bevorteilungspraxis von Corporations in Ver-bindung stehen sowie die Schaffung einer hierzu nötigen Darstellungs- und Kommunikationsplattform;

• ausgedehntes und komplexes Ressourcen-Pooling in Bezug auf obige Fragen (Kurzberichte, Aufsätze, Gerichtsurteile, Zeitungsberichte, Aufrufe, Verlin-kungen zu anderen Corporations-, kapitalismus- oder ökonomie-kritischen Organisationen, Plattformen und Gruppierungen);

• Organisation eines „virtuellen Dachs“ für lokale Organisationen auf Freiwilli-genbasis – Zuverfügungstellung eines Infopools zur Gründung, Spendenfi-nanzierung und steuerlichen Behandlung von Ortsgruppen (vgl. ReclaimDe-mocracy 2008b):

• Institutionalisierung eines Spendensystems zwecks Finanzierung der Organi-sationsaufgaben;

• regelmäßiges Informationssystem für Mitglieder per Newsletter in Print- und elektronischer Form;

• umfangreiche Vernetzungs- und Verlinkungsstruktur; • Flankierung übergreifender aber auch spezieller lokaler Anti-Corporations-

Kampagnen (bspw. gegen Wal-Mart oder Nike); • Unterstützung der politischen Maßnahmen durch eigenes Marketing- und

Merchandising-Konzept mit Corporations-kritischem Bezug (Aufkleber, An-hänger, Anti-Wal-Mart-T-Shirts, Bücher, Grußkarten etc.).

Bei diesen Aktivitäten fällt vor allem der Netzwerkaspekt (vgl. Sydow 1992; 2010) auf: Die Netzwerkstruktur ist für viele Corporations-kritische Organisatio-nen die Voraussetzung zur Bildung einer „kritischen Masse“ (Kern ebd., S. 117). Es ist entscheidend für den „Erfolg“ jeder sozialen Bewegung, welche „Wege“ Nachrichten durchlaufen, welche Formen Kommunikationen haben, um bei den Bewegungen eine „Informationsmacht“ (ebd.) zu erzeugen. So sind die Corpora-tions-kritischen Organisationen und Bewegungen in ihrer Struktur Teil eines organisationalen Modus: Durch ihn werden Bedürfnisse und Ziele in gesell-schaftliche Interessen übersetzt und tragen somit zum „Prozess der öffentlichen Meinungsbildung“ (Ronneberger 1964, S. 45) bei. Das Netzwerk-System, in das

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98 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

viele Anti-Corporations-Organisationen eingebunden sind45, stellt dabei eine Form „interorganisationale[r] Modi der Handlungskoordination“ (Ort-mann/Sydow/Windeler 1997, S. 351) dar. Sich in Netzwerken auszutauschen und abzustimmen, soll Interessenkonflikte zwischen den Eliten der Anti-Corporations-Organisationen „zähmen“ (Schulz 1984) und Konsensbildung zwi-schen den Netzwerk-Akteuren herstellen, um der Corporations-kritischen Bewe-gung insgesamt in der „politischen Arena“ (Kitschelt 1980) mit mehr strategi-scher Verhandlungs-, Beeinflussungs- und Entscheidungsmacht auszustatten. Ein weiterer, ebenfalls stark vernetzter, Akteur ist der folgende. The Program on Corporations, Law and Democracy (POCLAD) Das „Program on Corporations, Law and Democracy“ (POCLAD) ist im Grun-de ein moderner „think tank“, bestehend aus Schriftstellern, Pädagogen, Aktivis-ten, ehemaligen Mandatsträgern, Direktoren von Umwelt-, Arbeits- und Men-schenrechtsorganisationen sowie Gewerkschaftsführern und Wissenschaftlern (vgl. POCLAD 2008a). Gegründet wurde POCLAD 2004. Diese Bewegung ist ein Projekt des „Council on International and Public Affairs“ (CIPA), einer 1954 gegründeten Non-Profit-Organisation, die sich für Menschenrechte, Bildung und Forschung einsetzt. Als ihre Kernaufgabe beschreibt POCLAD Folgendes:

„Wir streben nicht den Aufbau einer großen nationalen Mitgliedschaftsbewegung an. Wir sind 11 Aktivisten, die mit Einzelpersonen und bereits bestehenden Gruppen arbeiten, um demokratische Aufstände zu starten, so dass die Corporations sich wieder einem „Wir, das Volk“ unterordnen. Wir suchen Menschen, die erfahren darin sind, wie Schäden von Corpo-rations gegenüber Menschen zu stoppen sind, wie organisierte Strategien überdacht werden können, wie die Ausübung der demokratischen Autorität auf lokaler Ebene erfolgen kann und wie die grundlegenden Rechte – freie Meinungsäußerung oder das Recht auf einen or-dentlichen Gerichtsprozess – den Corporations entzogen werden können“ (ebd.; Herv. i. Orig.).

Zu den Grundelementen der Selbstbeschreibung von POCLAD gehört im Weite-ren:

„Wir arbeiten mit politisch aktiven Bürgern, Historikern, Juristen und anderen, um zu er-kunden: a) Wie haben sich grundlegende Beziehungen, die unsere Leben regieren, verfestigt (zum Beispiel: Warum werden die meisten Schäden von Corporations gegen Leben, Frei-heit, Eigentum und die demokratische Selbstverwaltung als legal betrachtet?; Wie können Corporations das Recht auf freie Meinungsäußerung und andere Verfassungsrechte ihrer Arbeitnehmer verleugnen?); b) Warum konnten trotz Jahrzehnte dauernden Widerstands tap-

45 Vgl. dazu auch die tabellarische Auflistung zahlreicher Corporations-kritischer Bewegun-

gen in Punkt 6 des Anhangs.

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2.1 Die aktuelle Corporations-kritische Bewegung 99

ferer Bürger, zusammen mit regulatorischen Gesetzen in Hülle und Fülle, weder Angriffe von Corporations gestoppt noch die Macht auf Menschen und Gemeinschaften verlagert werden?; c) Was können Menschen konkret tun?“ (ebd.)

Die Aktivitäten von POCLAD lassen sich wie folgt verdichtend aufzählen: • Portal- und Verlinkungsfunktion für Individuen, Gruppen und Organisationen

in Fragen einer Anti-Corporations- und Corporate-Personhood-Politik; • Forschung über die Entwicklung von Corporations; Herausgabe von Leselis-

ten und Broschüren zu kritischen Fragen bzgl. Corporations; • Zuverfügungstellung verschiedener Artikel zu Themen wie Corporate Per-

sonhood, Accountability, Menschenrechte, Demokratie, Globalisierung u. a.; • „Buchungsmöglichkeit“ der POCLAD-Mitglieder für Präsentationen, Lesun-

gen und Workshops; • Herausgabe einer Corporations-kritischen Internet-Artikel-Serie „By What

Authority“ (zwei Ausgaben pro Jahr); • Verlinkung zu einem umfangreichen Corporations-kritischen Bookstore („The

Apex Press“); dort Verkauf von Corporations-kritischen Videofilmen und Bü-chern, die teilweise von den POCLAD-Online-Autoren stammen;

• Verlinkung zu den Matt-Wuerker-Karikaturen, die das Spannungsfeld Bürger-rechte – Corporations-Herrschaft zum Inhalt haben (vgl. Kap. 3);

• Bereitstellung von 3-Minuten-Short-Video-Sequenzen mit Statements von POCLAD-Mitgliedern zum Download (vgl. ebd.).

„Demokratie“, „Rechte“, „Freiheit“, „Eigentum“ – das soll an dieser Stelle her-vorgehoben werden – sind, wie bereits weiter vorn angesprochen, „abstrakte Prinzipien“ (Meyer et al. 2005), zu deren Verwirklichung die meisten Corporati-ons-kritischen Bewegungen, so auch POCLAD, eintreten. Damit kann deutlich gemacht werden, dass die Anti-Corporations-Bewegungen einen Bezug zu „An-deren“ herstellen, denen ihre Fürsprache gilt. Im Unterschied zu Verbänden bspw. kommt den Corporations-kritischen Organisationen damit eine stellvertretende, advokatorische Funktion zu (vgl. Stickler 2005, S. 32 f.). Zum Zwecke der Legi-timität steht öffentlich nicht das Eigeninteresse der Mitglieder bei diesem Organi-sationstyp im Vordergrund, sondern das Eintreten der Mitglieder für abstrakte Ziele und moralische Forderungen, die im allgemeinen Interesse liegen (vgl. ebd.). Damit kann für viele Corporations-kritische Bewegungen eben auch genau das Merkmal herausgearbeitet werden, das für (formale) Organisationen generell gilt, das Konzept der „Agentschaft“, d. h. des Handelns im Namen Anderer: Da-mit sind alle Arten von „Dritten“ gemeint, seien die unvertretene Andere, Gott

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100 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

oder andere abstrakte Ideen, wie bspw. Menschenrechte, die Rechte von Rent-nern oder die Natur. CorpWatch CorpWatch tritt anders als ReclaimDemocracy.org in der offiziellen Firmierung ohne das „.org“ auf. Im Untertitel führt die Organisation den Slogan „Holding Corporations Accountable“ (CorpWatch 2008a), womit sofort auch bei dieser Bewegung das „Verantwortungsthema“ als offensichtlich bedeutend hervortritt. In ihrer „Organisationsgeschichte“ (CorpWatch 2008b) führt CorpWatch aus, dass die Organisation 1996 gegründet worden sei, allerdings unter dem Namen TRAC – Transnational Resource & Action Center, deren Webauftritt damals noch „Corporate Watch“ geheißen habe. Man habe diese beiden Einheiten dann 2001 zusammengeführt und die Organisation in CorpWatch umbenannt (vgl. ebd.). Ähnlich ReclaimDemocracy.org spricht auch CorpWatch von einer Mission:

„CorpWatch untersucht und stellt heraus Verletzungen der Menschenrechte, Umwelt-Verbrechen, Betrug und Korruption in der ganzen Welt durch Corporations. Wir arbeiten dafür, die globale Gerechtigkeit, einen unabhängigen Medien-Aktivismus und demokrati-sche Kontrolle über die Corporations zu fördern“ (CorpWatch 2008a).

Unter der Rubrik „Visionen und Leitsätze“ beschreibt CorpWatch als Vision Folgendes: Die Förderung der Menschen-, Umwelt- und Arbeitnehmer-Rechte auf lokaler, nationaler und globaler Ebene, indem korporative Praktiken transpa-renter und große Corporations (z. B. Holdinggesellschaften) verantwortlich für ihre Handlungen gemacht werden (vgl. CorpWatch 2008c). Als was sich die Mitglieder von CorpWatch selbst sehen, wird in folgendem wörtlichen Zitat deut-lich, nämlich „ … als unabhängige investigative Journalisten bieten wir Ihnen wichtige Informationen zur Förderung einer aufgeklärten Öffentlichkeit und einer wirklichen Demokratie“ (ebd.). Der Geschäftsbericht von CorpWatch für 2006 weist aus, dass die Organisation lediglich zu 8 Prozent von Privatpersonen spen-denfinanziert wird, die restliche Finanzierung erfolgt durch private Stiftungen und gemeinnützige Trusts (vgl. ebd.). Einer der größten gemeinnützigen Spender der USA ist das so genannte „Tides Center“, einer 1976 aus der „Tides Foundati-on“ hervorgegangenen Non-Profit-(Dach-)Organisation, die weltweites soziales Sponsoring betreibt und ihre Hauptanliegen so charakterisiert: „Wir gehören im Non-Profit-Sektor zu den führenden Sponsoren der sozialen Innovation. Tides Center bietet Back-Office-Dienstleistungen, einen rechtlichen Rahmen und den Aufbau von Kapazitäten bei der Unterstützung von Projekten an, die unsere Visi-

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2.1 Die aktuelle Corporations-kritische Bewegung 101

on von einer gerechten, gesunden und nachhaltigen Welt fördern“ (Tides Center 2008). Das Flüssigwerden von Organisationsgrenzen in Verbindung mit einem stark betonten Netzwerk-Charakter zieht sich – wie auch bei ReclaimDemocra-cy.org und POCLAD – wie ein roter Faden auch durch die Selbstdarstellung von CorpWatch (Genaueres dazu siehe weiter unten). Die Einordnung innerhalb des weltweiten Corporations-kritischen Netzwerkes lautet indes, dass CorpWatch sich als „ein Teil der vielfältigen globalen Bewegung für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Frieden, korporative Transparenz und Rechenschaftspflicht und gegen die (Corporations-seitige) „Sprengung von Ar-beitnehmervereinigungen“ (CorpWatch 2008c) begreift.

Die Aktivitäten von CorpWatch können wie folgt verdichtend aufgezählt wer-den: • Umfangreicher Ressourcen-Pool und „Beobachtungs- („CorpWatch“) bzw.

Bündelungsfunktion vor allem zu Corporations-kritischen Fragen der Korrup-tion, der Rechenschaft, des Betruges, der allgemeinen Wirtschaftskriminalität nicht zuletzt global agierender Corporations (teilweise sogar nach Firmenna-men und Branchen sortiert);

• Installierung eines „Corporate-Research-Guide“: sympathisierende Internet-nutzer, die eine Aktivität oder Kampagne gegen eine Corporation planen, können sich durch einen Leitfaden clicken, der sie mit Hilfe verschiedener Verlinkungsstrukturen nach Corporations, Branchen, Arten von „Verfehlun-gen“ von Corporations, Informationsquellen in Ökonomie und Publizistik etc. führt;

• Mit-Initiator der Open-Source-Dokumentationsplattform zu korporativem Fehlverhalten „crocodyle“;

• Herausgabe der Print-Versionen der „CorpWatch Reports“ zu diversen The-men mit unterstelltem Corporations-Bezug (z. B. zum Hurrican „Katrina“ oder zum „Kriegsprofiteur USA“);

• eine nach Corporations sortierte Kommunikationsplattform („Blog“). CorpWatch übt damit – wie die beiden erstgenannten Corporations-kritischen Bewegungen und viele andere auch – eine besonders ausgeprägte „framing“-Funktion aus (vgl. Kern ebd., S. 141 ff.): Gemeinsam mit anderen öffentlichen Akteuren und Medien nehmen sie nicht nur vorhandene Glaubens- und Deu-tungssysteme auf, sondern produzieren diese auch selbst aktiv mit und erlangen dadurch erheblichen Einfluss auf die „gesellschaftliche Konstruktion von Wirk-lichkeit“ (Berger/Luckmann 1970). Framings sind kulturelle Deutungsstrukturen, durch deren Produktion und Reproduktion die Corporations-kritischen Bewegun-gen ihre jeweiligen Anhängerschaften mobilisieren (vgl. ebd.). Diese „Rahmen-

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102 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

arbeit“ kann mithilfe vorn aufgelisteter Punkte konkretisiert werden: Bspw. Kri-minelle Vorgänge direkt mit konkreten Corporations in Verbindung zu bringen und öffentlich zu machen, trägt zur Entwicklung von Problemdiagnosen (diag-nostic framing) bei; der Kampagnen-fördernde Corporate-Research-Guide ist Teil eines Lösungsangebots (prognostic framing) und die Anregung, das Be-richtswesen bzgl. Corporations zu fördern bzw. eine Kommunikationsplattform einzurichten, können als Element der Ausarbeitung von Motivationsstrategien (motivational framing) begriffen werden (vgl. ebd.).

Insgesamt zeichnet sich m. E. die Kritik an Organisationen seitens eines gro-ßen Teils der Corporations-kritischen Bewegung durch affirmatorische Kritik aus, denn die bspw. von Hartmann angeführte 1:1-Gleichsetzung zwischen Men-schen und Corporations, Nace’ mutmaßlich zu unterstellende Ohnmachtserfah-rung gegenüber Organisationen und die daraus abgeleitete „Demokratisierungs-“ Forderung, aber auch die Ziele und Forderungen der drei hier exemplarisch dar-gelegten Corporations-kritischen Bewegungen bestätigen eher die organisationale Form implizit aus zwei Gründen: 1. Viele Corporations-kritische Organisationen sind selbst organisationsförmig angeordnet, machen dies allerdings an keiner Stelle jemals selbst-reflexiv zum Thema. 2. Die hier von mir vorn dargelegten Kritikgegenstände enthalten häufig gar kein Explizitmachen der korporativen Form; vielmehr sind die Kritikobjekte eher organisationale Praktiken („Demokra-tieentzug“, „Angriffe von Corporations“, „Rechteberaubung“, kriminelle Hand-lungen etc. etc.). Die in der Einleitung erwähnte Unterscheidung zwischen Noch-nicht-Person und legal person wird zwar als Teil eines historischen Wandlungs-prozesses aufgegriffen, allerdings werden die Elemente der neu entstandenen gesellschaftlichen Form Organisation selbst gar nicht weiter verfolgt. Die Kon-zentration auf organisationale Praktiken lässt sich im Weiteren dann verdichten: Stets sind es im Kern Macht- und Herrschaftspraktiken von zu kritisierenden Corporations, die im Grunde zu „demokratisieren“, zu „zähmen“ seien. Die Cor-porationskritiker betreiben also im Wesentlichen insofern affirmatorische Kritik, als dass bei ihnen Alternativen zur organisationalen Form praktisch nicht vor-kommen.

Ein entscheidender Teil vorn thematisierter „Rahmenarbeit“ der Corporati-ons-kritischen Bewegung ist das stete Verweisen auf die historisch gewachsene Machtbasis von Corporations. Daher wird das folgende Kapitel nun (wie bereits gegen Ende des Forschungsstandes angedeutet) die grundlegende Beschreibung des historischen polit-ökonomischen Prozesses darzustellen versuchen – zum Einen deshalb, weil wie gesagt dessen Elemente stets seitens der Corporations-kritischen Bewegung aufgegriffen werden; zum Anderen deshalb, weil dieser Prozess zusammengenommen die zwar friktionsreiche aber dennoch stetige

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2.1 Die aktuelle Corporations-kritische Bewegung 103

schrittweise Etablierung der korporativen Form von Europa ausgehend in den frühen USA bedeutete. Diesen Prozess zu kennen, erscheint zunächst notwendig, bevor auch im weiteren Kapitelverlauf auf die historischen Protestformen einge-gangen werden soll.

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104 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert

„Man beachte, wie diese wesentlichen Elemente der körperschaftlichen Strategie von Beginn an angewendet wurden: Industriespionage, Infor-mationsmanagement, Auslagerung von Risiko als Investitionsanreiz, Fabriken und Einkaufs-meilen, internationaler Handel, Arbitrage, Ko-lonieverwaltung, militärische Verbindungen und sogar Markennamen. Diese Elemente wurden in den ersten zwei Jahren der Körperschafts-Geschichte gängige Praxis. Nach vier Jahrhun-derten dramatischen Wachstums besteht die Form der Körperschaft heute in erstaunlich ähn-licher Gestalt.“ (Nathan 2001a, S. 7)

Vorbemerkung In diesem Kapitel möchte ich mich induktiv weiter an meinen Gegenstand – der historischen Etablierung der Gebildedimension von Organisation anhand des Phänomens legal person – annähern; nachdem ich auf dem Weg zu diesem zent-ralen Punkt zunächst den aktuellen polit-ökonomischen Rahmen – weil empirisch so präsent und anregend – dargelegt habe, folgt nun die Darstellung der relevan-ten historischen polit-ökonomischen Entwicklungslinien und Ereignisse, die für die Herausbildung der US-amerikanischen Corporations als Teil der Gebildedi-mension von Organisation von Bedeutung waren bzw. es in der Retrospektive sind. Folgende Fragen leiten mich dabei besonders an: Wo liegen die Anfänge der Corporations? Wie gestalteten sich die historischen polit-ökonomischen Konstellationen für die ersten korporativen Etablierungen, angefangen im briti-schen Commonwealth bis hin zu den neu gegründeten USA? Welche Rolle spiel-ten andere beteiligte Akteure (Individuen, Gruppen, der Staat etc.)? Welches sind die empirisch verwertbaren historischen Daten, die das Feld dafür bereitet haben, dass Corporations in den USA bzw. später von den USA ausgehend einen derar-tigen Verbreitungs- und Wirkungsgrad erreichen konnten? Wenn, wie in der Einleitung ausgeführt, Organisation als ein Schlüsselphänomen der Moderne anzusehen ist, dann sei von mir das Jahr 1600 als Wegscheide gesetzt.

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2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert 105

2.2.1 East India, Repräsentation und Revolution Der erste Blick führt in das elisabethanische England des 17. Jahrhunderts, wel-ches in seiner damaligen Politik von extensiven Kolonialbemühungen geprägt war. Zu dieser Zeit sollten sich zwei Korporationstypen zur Befriedigung der Macht- und Wirtschaftsinteressen von Krone einerseits und den wirtschaftlich Tätigen andererseits herausbilden: die Überseehandelsgesellschaften und die joint stock companies. Die Überseehandelsgesellschaften konnten beiden Interes-senlagern durch ihre Aufgabenzweiteilung in besonders markanter Weise gerecht werden: Zum Einen beinhaltete die königliche Gründungscharter neben der Kor-porierung auch die Übertragung hoheitlicher Befugnisse zwecks Ersetzung feh-lender exekutiver Gewalt der Krone in den neuen Kolonialgebieten, zum Ande-ren wurde dafür das Handelsprivileg für bestimmte Güter aus den Kolonien zu-gunsten der hinter der Gesellschaft stehenden Kaufleute gewährt46. In der Zeit nach 1610 gab die East India Company erstmals Anteile – mit anderen Worten: Aktien – für die Dauer mehrerer Erkundungsreisen und nach 1650 für unbegrenz-te Dauer aus (vgl. Merkt/Göthel 2006, S. 60 ff.). Nachstehende Abbildung zeigt eine Aktie:

46 Da hier der (In-) Korporierungsaspekt in Zusammenhang mit einer königlichen Charter als

strukturbildendes Merkmal im Vordergrund stehen soll, fällt der Blick auf jene epochale Wendezeit des 17. Jahrhunderts. Dass es Seegesellschaften auf Zeit, societas maris, bereits seit dem 12. Jhd. gab, darauf verweist Bruch (2000).

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106 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

Abb. 2: Aktie der East India Company über £ 668, ausgegeben am 23. Mai 1795

Quelle: http://www.tschoepe.de/auktion47/auktion47_england.htm Handelsgesellschaften hatten zu Beginn fest umrissene Aufgabenstellungen von der Krone erhalten, was sich in ihrem Namen ausdrückte. Sie widmeten sich der Erkundung, dem Handel und der Kolonisierung in den neuentdeckten Territorien. Die Wahrnehmung staatlicher Funktionen wich später dem Ziel der Förderung des privaten Handels und Mehrung des Reichtums der Anteilseigner. Die East India Company, deren Gründung von Königin Elisabeth I. von England am 31. Dezember 1600 persönlich bewilligt wurde, scheint so etwas wie die moderne Ur-Corporation47 gewesen zu sein; manche charakterisieren sie als machtvollste Corporation, die jemals bestanden hat (vgl. Nace 2003, S. 34). Ihre Ursprünge wurzeln in einer königlichen Einkaufsmeile für internationalen Handel namens Royal Exchange of London, von der aus es der Krone möglich wurde, die inter-nationalen Tauschkurse zu regulieren und die Handelsverfahren zu kontrollieren. Nach dem Niedergang der spanischen Seemacht waren die holländischen Bemü-hungen groß, den vormals portugiesischen Handel mit dem Osten zu monopoli-sieren, also versuchten die Engländer, die Holländer bei der Kolonisierung Ost-

47 Strieder (1925) führt kritisch aus, dass die Geschichte des Handelsrechts bereits im Italien

im Jahre 1409 sowohl die St. Giorgio-Bank von Genua als auch die genuesischen Maonen (Kolonialgesellschaften) als die vom Grundprinzip ältesten Aktiengesellschaften gelten können (vgl. Strieder 1925, S. 111 ff; vgl. auch Fußnote 23 ); allerdings sei eben auch die Position, die East India Company als erste Aktiengesellschaft zu begreifen, weit verbreitet gewesen. Die Klärung kann hier nicht vollzogen werden.

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2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert 107

indiens zu überflügeln (vgl. Nathan 2001a, S. 5). Das Zusammenspiel von Entde-ckergeist und kaufmännischem Interesse von Händlern – gepaart mit einer inter-national ausgerichteten Empire-Politik der britischen Krone – war es wohl auch, das so etwas wie die East India Company als erste große Handelskörperschaft entstehen lassen konnte. Die Company kolonisiert Teile Südostasiens und kon-trolliert schließlich, wenn auch widerwillig, Indien. 1601 zeichnet Elisabeth den Insurance Act48 und die Zahl der Handelskörperschaften schnellt in die Höhe. Schon 1602 kopieren die Holländer die Idee und gründen die Holländische Ost-indische Kompanie. Damit, so führt Nathan weiter aus, ist das Prinzip der Risi-koauslagerung, welches durch das Konstrukt einer Körperschaft erst möglich wird (vgl. Kap. 1.4.2.2), als konstitutives körperschaftliches Organisationsprinzip in der modernen Welt angelangt. Die Grundmuster für dieses Prinzip waren im englischen common law des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit angelegt: Hier waren es vor allem die Kaufmannsgilden, die als Vorläufer mo-derner Handelskörperschaften angesehen werden konnten, allerdings bestand die vornehmliche Funktion dieser Gilden lediglich darin, die Unternehmungen ihrer einzelnen Mitglieder zu unterstützen und das Monopol, welches der König der Gilde verliehen hatte, vor Störungen durch Nichtmitglieder zu schützen (vgl. Merkt/Göthel 2006, S. 59). Hingegen lag das Geschäftsrisiko nicht bei der Gilde, sondern ausschließlich bei den einzelnen Mitgliedern, die – nach Maßgabe der Gilderegelungen – ihre Geschäfte auf eigene Rechnung betrieben und persönlich unbeschränkt haftbar waren. Trotz der – noch – fehlenden Haftungsbeschränkun-gen wies der Organisationstyp Gilde bereits einige Charakteristika moderner Korporationen auf, z. B. die Teilung gemeinsamer Infrastruktur und Kapital-Pooling (vgl. Nace 2003, S. 32). Ebenso wie die Zünfte, als ständische Körper-schaften von Handwerkern, die im Mittelalter zur Wahrung gemeinsamer Interes-sen entstanden waren, müssen Gilden zunächst als Assoziationen denn als Orga-nisationen bezeichnet werden: es sind „ ... Vergemeinschaftungsformen, die die Intragruppen-Beziehungen zwischen den assoziierten, u. U. sogar unvertretbaren, Subjekten regeln, (...)“ (Türk 1995a, S. 118; Herv. i. Orig.), Organisationen da-gegen sind primär außenorientiert (vgl. ebd.). Gegen Ende der Tudorzeit (1603) allerdings verlor das System der Kaufmannsgilden an Bedeutung und wurde durch das klassische römischrechtliche Korporationssystem ersetzt (vgl. Mergt/ Göthel ebd.). Eine Körperschaft konnte danach, wie vorn bereits angedeutet, nur

48 Insurance Act von 1601: „ ...mit Mitteln der Versicherungspolice erlassen Wir, daß der

Verlust eines Schiffes nicht das Verderben eines Mannes bedeute, sondern der Verlust leicht auf Viele verteilt werde, statt schwer auf Wenige ...“ (Nathan 2001b, S. 8).

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108 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

durch Hoheitsakt, d. h. entweder durch königlichen Verleihungsakt in Gestalt einer „Charter“ (meist in Gestalt einer Urkunde aber auch Satzung) oder durch Parlamentsbeschluss geschaffen werden. Die Erteilung der Charter war gleichzu-setzen mit der Inkorporation. Die Corporation durfte nach der Konzeption der Juristischen Person im common law und der so genannten „ulta vires-Doktrin“ nur die Befugnisse ausüben, die ihr laut Charter ausgesprochen waren (vgl. Spindler 1993, S. 235). In diesem Zusammenhang kann der vorn von Nace ange-sprochene Macht-Aspekt der East India Company mit Marx belegt werden:

„Die Ostindische Kompanie mußte die Macht, die sie – ebenso wie die Bank von England – durch Bestechung der Regierung erlangt hatte, nun auch – ebenso wie die Bank von Eng-land – durch weitere Bestechungen aufrechterhalten. Jedesmal, wenn die Frist ihres Mono-pols abgelaufen war, vermochte sie eine Erneuerung ihrer Charte nur durch die Anbietung neuer Anleihen und neuer Geschenke an die Regierung zu erwirken“ (Marx 1853, MEW 9, S. 149).

Die zweite Gruppe, die einen weiteren Prototyp der modernen (business) Corpo-ration darstellt, ist die vorn genannte joint stock company. Die joint stock com-panies bildeten das Pendant zu den Überseehandelsgesellschaften auf englischem Territorium. Da sie nicht (auch) mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut wurden, unterstanden sie recht schnell nicht mehr einer starken staatli-chen Reglementierung im Vergleich zu den Überseehandelsgesellschaften (vgl. ebd.). Eine Gründung konnte bereits durch Vertrag erfolgen, nicht selten unter Zuhilfenahme der Charter einer sich auflösenden oder beendeten Gesellschaft. Die Gründungen der joint stock companies „Russia Company“ (1553) und „Tur-key Company“ (1581) können zwar formal als erste berühmte Bildungen von Rechtspersönlichkeiten des Handelsverkehrs auch ohne Inkorporationsakt ange-sehen werden (vgl. Nace 2003, S. 33), allerdings verlief diese schrittweise Eman-zipation von der englischen Krone nicht ohne Friktionen. Die in der Folge ersten dokumentierten Kämpfe zwischen der herrschaftsbeanspruchenden englischen Kolonialmacht und den frühen Staaten Neuenglands datieren aus 1664: In diesem Jahr sandte Charles II. Vertreter zu den Companies, um die Geschäftsbücher zu prüfen, worauf eine Firma damit antwortete, dass sie die königliche Autorität in Frage stellte. Die Krone wies später die Geschäftsführer der Massachusetts Bay Company zurecht:

„Der König gab nicht Seine Herrschaft über euch auf, als Er euch zu einer Handelskörper-schaft machte ... Als Seine Majestät euch die Autorität über die Untertanen verlieh, die un-ter eurer Rechtsprechung leben, machte er sie nicht zu euren Untertanen, und euch nicht zu ihrer höchsten Autorität“ (Lawson 1993, S. 37 ff. zit. nach Nathan 2001a, S. 5).

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2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert 109

An den Überseegesellschaften jedoch lassen sich erste Institutionalisierungen von Managementprinzipien ausmachen: Im Gegensatz zu den damals üblichen Perso-nengesellschaften – bei der verhältnismäßig kleine Gruppen von Männern, durch persönliche Loyalität und gegenseitiges Vertrauen miteinander verbunden, ihre Ressourcen zusammenlegten, um Firmen zu gründen, die sie sowohl leiteten als auch besaßen – waren bei einer Kapitalgesellschaft Firmenbesitz und Firmenlei-tung voneinander getrennt. Das Management war für die Geschäftsführung zu-ständig, während eine andere Gruppe, die Aktionäre, Eigentümer war (vgl. Bakan ebd., S 12). 1688 gab es bereits fünfzehn körperschaftlich organisierte Kapitalge-sellschaften in England, obwohl keine mehr als ein paar hundert Mitglieder zähl-te (vgl. ebd., S. 15). Die Organisationsform der Kapitalgesellschaft wurde ein beliebtes Mittel zur Finanzierung von Unternehmungen in den Kolonien, so auch in Neuengland, also dem Ur-Ort der heutigen USA. Dies war möglich geworden, nachdem König Charles I. 1629 einen Freibrief („Charter“) an die Massachusetts Bay Company für die Kolonisierung Neuenglands bewilligt hatte.

Insgesamt waren die meisten damaligen Unternehmen zunächst „Schwindel-unternehmen“ (Bakan ebd., S. 12): Es waren solche, die ihren Aufschwung Spe-kulationen zu verdanken hatten, zumeist also kurzfristig Erfolg hatten und dann wie Kartenhäuser zusammenfielen – zwischen 1690 und 1695 gab es dreiund-neunzig dieser öffentlich gehandelten „Kapitalgesellschaften“ (ebd.); 1698 war ihre Anzahl auf zwanzig geschrumpft. Im Jahr 1720 wurden – bis auf ein paar Ausnahmen – die Kapitalgesellschaften in England verboten, da die Krone einem wuchernden Spekulationsfieber begegnen wollte: Das Englische Parlament erließ den Bubble Act, der die Gründung von Unternehmen, die sich „erdreisten, eine Körperschaft zu sein“ (ebd., S. 14) und „übertragene Wertpapiere ohne Rechtsbe-fugnis“ (ebd.) aufzulegen, als Verstoß gegen das Gesetz ahndete; im Bubble Act heißt es wörtlich: „ … the acting or presuming to act as a corporate Body or Bodies, the raising or pretending to raise transferable Stock or Stocks, the trans-fering … or assign any Share or Shares in such Stock or Stocks without Legal Authority either by Act of Parliament or by any Charter from the Crown to war-rent such acting als Body Corporate …“ (Bubble Act von 1720 zit. nach Chayes 1961, S. iii). Trotz dieser Eindämmung wuchs der Handel mit den heutigen USA im 17. und 18. Jahrhundert insgesamt rapide. Die Tatsache, dass eine Reihe von Mitgliedern des Englischen Parlaments auch Anteilseigner der East India Com-pany waren, kann als ein gewichtiger Grund dafür angesehen werden, dass viele Beschränkungen gerade für die East India Company nicht galten. Trotz der für damalige Verhältnisse offenkundigen Machfülle bspw. der East India Company muss an dieser Stelle noch einmal auf das Grundprinzip der damaligen gecharter-ten Corporations eingegangen werden: Vor 1776 gab es nur wenige machtvolle,

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meist von enttäuschten Gouverneuren geführte Corporations (vgl. Supreme Court 2005, S. 1). Sie wurden auf Zeit gegründet, vielleicht 10 oder 20 Jahre, und mit der Erfüllung eines öffentlichen Zweckes, z. B. Bau eines Gebäudes oder einer Brücke, beauftragt. Das jeweilige „Produkt“ ging dann meist nach Fertigstellung an den Staat über (vgl. Edwards ebd.). Bis 1780 gab es nicht eine einzige Bank in den späteren USA. Die ersten Banken ab 1790 waren keine Privatbanken, son-dern staatlich beauftragte Finanz-Institutionen (vgl. Supreme Court ebd.; Lan-dauer 1981, S. 36). Um 1790 gab es bereits 328 Kapitalgesellschaften in den heutigen USA (vgl. Bakan ebd., S. 16). Der Bundesstaat Delaware war dann im Jahre 1831 einer der wenigen Einzelstaaten, der sogar eine zeitliche Beschrän-kung für die Existenz von Corporations in seine bundesstaatliche Verfassung aufnahm: Demnach sollten alle Corporations nur maximal 20 Jahre, Banken sogar oftmals nur drei Jahren bestehen dürfen (vgl. Derber 1998, S. 123).

Eingebettet werden muss die Etablierung der korporativen Form vor allem aber auch in die ökonomische Gesamtlage des 18. Jhds.: Erste Schübe der einset-zenden Industriellen Revolution zeichneten sich ab, was vor allem am Aufstieg der Großindustrie im Bereich der Dampfkraft zu beobachten war; Bergbau- und Textilindustrie folgten. Trotz verstärkter Absetzbemühungen der East India Company von der Krone, traten die Abhängigkeiten zum Königreich deutlich zutage: Die Company hatte erhebliche Probleme, die riesigen neu erworbenen Gebiete zu verwalten und war auch machtlos gegen die von den Kolonisten selbst – und an der Company vorbei – organisierten Teeimporte. Zudem geriet England, einer der Hauptimporteure für Tee, in den Revolutionskrieg mit den Kolonien Nordamerikas. Die Absätze der Company brachen dramatisch ein. Die verzwei-felten Direktoren der Ostindien-Kompanie versuchten durch einen Appell an das Parlament, in dem sie um finanzielle Unterstützung baten, den Bankrott abzu-wenden. Daraufhin wurde der Tea Act von 1773 erlassen, in dem der East India Company größere Autonomie bei der Abwicklung ihres Handels in Nordamerika eingeräumt wurde, z. B. das Recht, Dumpingpreise für Tee zu erheben. Durch die monopolistischen Aktivitäten wurde jedoch die so genannte Boston Tea Party ausgelöst. Dies war eines der wichtigsten Ereignisse, die später zum amerikani-schen Unabhängigkeitskrieg aber auch zu den ersten Pro-Corporations-Steuergesetzgebungen führen sollten (vgl. Hartmann 2002, S. 51)49. Folgende Lithografie zeigt die Boston Tea Party:

49 Dazu ist anzumerken, dass es sich bei dem Tea Act bereits um eine Pro-Corporation-

Steuergesetzgebung handelte.

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2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert 111

Abb. 3: Die Vernichtung von Tee bei der Boston Tea Party. Lithografie von

Sarony Major, 1846

Quelle: http://teachpol.tcnj.edu/amer_pol_hist/thumbnail22.html „Boston Tea Party“ ist die Bezeichnung für einen Aufstand im Hafen der nord-amerikanischen Stadt Boston am 16. Dezember 1773: An diesem Tag drangen symbolisch als Indianer verkleidete Bostoner Bürger in den Hafen ein und warfen Ladungen Tee der East India Company von drei dort vor Anker liegenden Schif-fen ins Hafenbecken (vgl. Hartmann ebd., S. 61 ff.). Hintergrund dieser Ausei-nandersetzung war der Versuch Englands gewesen, die Kolonien an den Verwal-tungskosten für wirtschaftliche Aktivitäten – als teilweisen Ausgleich für die Unterhaltung der zu ihrem Schutz in Nordamerika stationierten Truppen – zu beteiligen: Die für diesen Zweck erlassenen Gesetze wie der Sugar Act (Zucker-gesetz) von 1764 oder der Stamp Act (Stempelgesetz) von 1765 bedeuteten eine eher milde Besteuerung der Kolonisten, die deutlich unter der Durchschnittsbe-lastung der Untertanen im Mutterland lag. Trotzdem stießen diese steuerpoliti-schen Maßnahmen auf zum Teil erbitterten Widerstand in Nordamerika (vgl. Nagler 2004, S. 6).

„Sugar Act“ und „Stamp Act“ zogen nämlich direkte, das heißt in den Kolo-nien selbst erhobene Steuern nach sich. Daraus ergab sich ein ernster staatsrecht-licher Konflikt, da die Kolonisten das Besteuerungsrecht des britischen Parla-ments nicht anerkannten. Je nach Lesart nämlich waren die Kolonisten zwar entweder als englische Bürger berechtigt zu wählen, konnten aber dieses Recht wegen der großen Distanz nicht ausüben – und waren folglich auch nicht im

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112 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

Parlament in London vertreten –, oder sie waren wie die Engländer durch die Vertreter ihrer Körperschaften – des Adels, der Städte, der Geistlichen und des einfachen Volkes – repräsentiert (vgl. Landauer 1981, S. 15). Es standen sich also die Kolonisten mit einem individuellen Verständnis von Repräsentation und die Briten mit einem korporativen gegenüber. Die Kolonisten fassten ihre Inter-pretation der Lage mit dem Slogan „no taxation without representation” (keine Besteuerung ohne Beschluss einer gewählten Versammlung) zusammen. Dabei ist wichtig zu erkennen, dass sie sich in ihrem fortwährenden Selbstverständnis als britische Bürger primär auf überkommene Rechte, wie sie sich in der engli-schen Tradition einer ungeschriebenen Verfassung entwickelt hatten, beriefen. Bis zur Eskalation der Krise im Verhältnis zum Mutterland in den Jahren 1775/1776 wurde die Forderung nach Unabhängigkeit von England und der Ein-richtung einer eigenen Rechtsordnung daher auch nur vereinzelt erhoben. Die in den Präambeln der Stempel- und Zuckergesetze angedeutete unmissverständliche Absicht des Mutterlandes England, eine Verstärkung der imperialen Kontrolle der Kolonien zu bewirken, wirft ein frühes Licht auf das Politikverständnis der Neu-Amerikaner: Während in England nach wie vor die Ansicht herrschte, dass ein Parlamentsabgeordneter der Gesamtbevölkerung gegenüber Verantwortung trage, so vertraten die Kolonisten aufgrund ihrer gewachsenen Erfahrungen in den assemblies (Versammlungen) die Meinung, Volksvertreter seien direkt und ausschließlich ihren Wählern verpflichtet (vgl. Nagler ebd., S. 8).

Das britische Parlament erkannte zwar die Stellung der Kolonien nicht an und bestand auf seinem souveränen Besteuerungsrecht, der britische Finanzminister Charles Townshend versuchte jedoch, weitere Komplikationen zu umgehen, nachdem sich Kaufleute, Rechtsanwälte und Journalisten aus Boston, Philadel-phia und New York einen wirkungsvollen Importboykott englischer Waren durchgesetzt hatten. Parallel dazu kam es aber auch schon zu spontanen Massen-demonstrationen, in deren Verlauf britische Steuerbeamte geteert und gefedert wurden (vgl. ebd.). Die Steuern – die bekannteste davon die Stempelsteuer – wurden wieder aufgehoben und durch eine äußere Besteuerung (Zölle) ersetzt. Im so genannten Townshend Act wurden ab dem 29. Juni 1767 Zölle auf die Einfuhr von Leder, Papier und Tee gelegt (vgl. Williams 1961, S. 106).

Die Kolonisten reagierten heftig auf diese Zölle. Eine Gruppe zum Wider-stand bereiter Männer, die sich Sons of Liberty nannte, rief zu Boykotten auf und es kam zu einem blutigen Zusammenstoß mit britischen Ordnungstruppen, dem so genannten Boston Massacre (5. März 1770). Diese Hintergrundentwicklungen hatten sich schließlich in der Boston Tea Party entladen. So lieferten sich Kolo-nisten und eine verstärkte Truppenpräsenz aus dem Mutterland einen Schlagab-tausch, der schließlich in einer offenen Rebellion und der amerikanischen Unab-

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hängigkeit münden sollte. Somit lassen sich die Aktivitäten der Rebellen nicht zuletzt als ein Einsetzen zwecks Verwirklichung organisationaler Interessen be-werten. Alle Bemühungen der englischen Krone jedoch, die Revolutionäre von ihrer Absicht, eine republikanische Staatsform zu gründen abzubringen, scheiter-ten. 2.2.2 Unabhängigkeit, Verfassung, königliche Charter Durch die Kriegserklärung Frankreichs an England und durch das Eingreifen Spaniens und der Niederlande weitete sich der Unabhängigkeitskampf zu einem internationalen Konflikt aus. Am 4. Juli 1776 wurde die Unabhängigkeitserklä-rung (Declaration of Independence) durch den Kongress angenommen: Die in Philadelphia versammelten Vertreter ihrer 13 Vereinigten Staaten von Amerika erklären ihre Unabhängigkeit von England. In dem von Thomas Jefferson aus Virginia verfassten Text wird erstmals in einem staatlichen Dokument auf die unveräußerlichen Menschenrechte auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück Bezug genommen (vgl. Junkelmann 2005). Der Kernsatz dieser Verfas-sung, „all men are created equal“, so bemerkt Nagler weiter, habe mit dem An-spruch auf Gleichheit zur damaligen Zeit direkt ein gesellschaftliches Paradoxon dargestellt: Einerseits war die neue Nation in vieler Hinsicht die freieste der Welt, andererseits waren 500.000 Bewohner schwarz und damit versklavt und unfrei (vgl. ebd., S. 8 f.). Die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika ist das oberste Gesetz der Vereinigten Staaten und dabei die älteste Verfassung, die bis heute besteht. Sie trat am 4. März 1789 in Kraft und hat als Modell für viele andere staatliche Verfassungen gedient. Die neue Verfassung löste die vor-her bestehenden „Artikel der Konföderation“ ab. Unabhängigkeitserklärung und Verfassung enthalten zusammengenommen die grundlegenden Legitimations-prinzipien für die Konstitution zu den Vereinigten Staaten von Amerika als einer „ …Gemeinschaft von Freien und Besitzenden“ (Vorländer 1996, S. 46). „Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum; Konstitutionalismus, Besitzindividualismus, bürgerliche Gleichheit und individuelle Freiheit“ (ebd.) sind die Kernelemente einer Philosophie dieser Staatsgründung.

Die ersten zehn Zusatzartikel („Amendments“) zur Verfassung der Vereinig-ten Staaten von Amerika werden Bill of Rights genannt. Der Begriff „Amend-ment“ bezeichnet in der englischsprachigen Rechtsterminologie eine ergänzende Gesetzesänderung. Insbesondere werden die für das Staatsrecht der USA außer-ordentlich wichtigen ergänzenden und korrigierenden Zusatzartikel der US-Verfassung Amendments genannt. Sie gewähren den Einwohnern bestimmte

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unveräußerliche Rechte. Sie wurden vom amerikanischen Kongress am 25. Sep-tember 1789 beschlossen und von 11 Bundesstaaten ratifiziert. Die Ratifizierung wurde am 15. Dezember 1791 abgeschlossen. Die Besonderheit der Bill of Rights liegt vor allem im Grundsatz der Verfassungsgerichtsbarkeit, d. h., die Rechte sind für jeden Bürger am Supreme Court einklagbar, sogar gegenüber staatlichen Gesetzen, die nicht verfassungskonform sind. Wenn im Verlauf dieser Arbeit u. a. zentral sein wird, dass Corporations sich auf Grundrechte der Verfas-sung berufen können – welches v. a. auch der Rechtsterminus „Grundrechtsfä-higkeit“ dokumentiert (vgl. Kap. 3), dann ist das nicht unwesentlich dem Um-stand geschuldet, dass die drei Staaten Virginia, New York und Massachusetts die Annahme der Bundesverfassung davon abhängig machten, dass Grundrechte dauernde Berücksichtigung fänden. So kann man durchaus formulieren, dass der hergestellte Zusammenhang zwischen Herrschaftsordnung und Grundrechten seit der Einbeziehung der Ten Amendments als „Bill of Rights“ in die amerikanische Verfassung im Jahre 1789 ein wesentlicher Referenzpunkt innerhalb westlicher Verfassungstradition geworden ist (vgl. Heideking 1990, S. 32 ff.). Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Amendments: Tab. 1: Die Zusatzartikel („Amendments“) der US-amerikanischen Verfassung Nr. Jahr Zusammenfassung

1 1791 Trennung von Staat und Kirche, Meinungsfreiheit, Religionsfrei-heit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit

2 “ Recht zum Tragen von Waffen durch das Volk bzw. durch organi-sierte Milizen

3 “ Keine Zwangseinquartierung von Soldaten in Privathäusern 4 “ Keine Durchsuchung ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl 5 “ Kein Prozess ohne ordentliche Anklage, kein neuer Prozess gegen

Freigesprochene, Zeugnisverweigerungsrecht, Kompensationsrecht 6 “ Recht auf öffentlichen Geschworenenprozess in Strafsachen, Recht

auf Beiziehung von Entlastungszeugen, Recht auf einen Anwalt 7 “ Recht auf ordentlichen Geschworenenprozess in Zivilsachen 8 “ Verbot überhöhter Kaution und besonders grausamer Strafen 9 “ In der Verfassung nicht erwähnte Grundrechte bleiben bestehen 10 “ In der Verfassung nicht genannte Rechte liegen bei Einzelstaaten 11 1795 Klagerecht der Bürger gegen fremde Einzelstaaten eingeschränkt 12 1804 getrennte Wahl von Präsident und Vizepräsident

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2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert 115

13 1865 Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit 14 1868 alle in den USA geborenen sind US-Staatsbürger und Bürger ihres

Einzelstaats; auch die Einzelstaaten müssen die Grundrechte der Bill of Rights beachten

15 1870 gleiches Wahlrecht für US-Bürger aller Hautfarben und Ethnien 16 1913 Erhebung einer bundesweiten Einkommensteuer ermöglicht 17 1913 Direktwahl der Senatoren durch die Bürger 18 1919 Verbot des Alkoholhandels - Beginn der Prohibition 19 1920 Einführung des Frauenwahlrechts 20 1933 kürzere Frist zwischen Wahlen und Amtsantritt, Nachfolgeregelun-

gen 21 1933 Aufhebung von Amendment 18 - Ende der Prohibition 22 1951 Beschränkung der Amtsdauer des Präsidenten auf zwei Wahlperio-

den 23 1961 Teilnahme des District of Columbia bei Präsidentschaftswahlen 24 1964 Entzug des Wahlrechts wegen Steuerschulden unmöglich 25 1967 Nachfolgeregelung bei Tod oder Amtsunfähigkeit des Präsidenten 26 1971 Absenkung des Wahlalters auf 18 Jahre 27 1992 Diätenerhöhungen werden erst nach der nächsten Wahl gültig Quelle: http://german.open-encyclopedia.com/Amendment Insgesamt muss die Bundesverfassung als das Ergebnis von Kompromissen auf-grund widerstrebender Interessen angesehen werden, und zwar zwischen Natio-nalisten und Föderalisten, zwischen Norden und Süden, zwischen kleinen und großen Staaten (vgl. Heideking/Nünning 1998, S. 25). Sie verkörpert die höchste Form des Rechts in den USA und sie darf nur nach strengen Regeln geändert werden. Das constitutional law der amerikanischen Verfassung spiegelt deutlich das „natürliche Recht“ („natural law“) wider, das universal gültig und gleichsam göttlichen Ursprungs war – womit gekennzeichnet ist, dass die naturrechtlich fundierte Verfassung vor allen – nachgelagerten – staatlichen Instanzen zu gelten hat, da das Naturrecht das höher-rangige, dem positiv-gesatztem Recht vorausge-hende Recht darstellt (vgl. ebd.; Kap. 3.2 und 3.4.4 sowie empirisch auch Satz 1 des Auszuges aus der Unabhängigkeitserklärung in Punkt 2 des Anhangs).

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116 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

2.2.3 Industrialisierung und gesellschaftliches Klima im 19. Jahrhundert Die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts markiert den historischen Zeitraum, der nicht nur für die Anhänger der korporativen Form eine sich kontinuierlich vollziehende Etablierung des korporativen Systems bedeutete. Ebenso stellte eine frühe Cor-porations-kritische Bewegung einen kampfbereiten Gegenpart dar. „Bewegung“ kann allerdings dabei lediglich als Sammelbegriff fungieren. Eine einheitliche Formation, Bewegung, Gruppe, Partei o. ä., welche das korporative Prinzip be-kämpfte, hat es wohl nie gegeben. Wobei überhaupt festzustellen ist, dass explizi-te Kritik an Organisation stets viel schwieriger auszumachen ist als etwa allge-meine Kapitalismuskritik. So laufen also verschiedene Kritikstränge – jeweils mehr oder weniger stark bzw. deutlich – stets parallel. Um allerdings auch die impliziten Stränge einer Kritik an Organisation freizulegen, muss man Formen eines historischen Protests aufzeigen und zu ordnen versuchen. Dass Kritikfor-men der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, seien sie gegen Kapitalismus ganz allge-mein, Monopole, Eigentum, schlechte Arbeitsbedingungen oder gegen einen zu starken bzw. zu schwachen Staat gerichtet gewesen, ihrerseits teilweise selbst wieder organisationsförmig strukturiert waren, wird im Übrigen von niemandem innerhalb historischer oder aktueller Anti-Corporations-Bewegungen angemerkt geschweige denn problematisiert. So richten also die folgenden Ausführungen den Blick auf historische Anti-Corporations-Organisationen, die „im Zusammen-spiel“ mit den Promotern von Corporations eine einmalige historische Kampfare-na bildeten.

Um die Genese des Kampfes um die Etablierung der korporativen Form in diesem besonderen historischen Kontext zu rekonstruieren, soll hier zu Beginn ein Blick auf das ökonomische und politische Terrain gegeben werden, in wel-ches sowohl Pro-Corporations- als auch Contra-Corporations-Vertreter eingebet-tet waren: In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entfalteten sich in den USA – obwohl Amerika bis zum 1. Weltkrieg als weitgehend agrarisch bestimmt gelten kann (vgl. Türk 2000, S. 304) – relativ gesehen enorme Wachstumsschübe in Handel und Industrie. Bis in die 1840-er Jahre hinein markierten erste Maschi-neneinsätze in Spinnereien und Webereien die Anfänge des Fabriksystems (vgl. Schweikart 1994, S. 29), welches das Handwerk – sei es agrarisch oder nicht-agrarisch ausgeführt – als dominante Form der Arbeit revolutionierte: Erstmals konnten nämlich un- und angelernte Arbeiter in den Fabriken beschäftigt werden. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verlagerte sich durch diese Dequalifikation gelernter, meist handwerklicher Arbeiter und den technischen Fortschritt die Organisations- und Verfügungsgewalt über den Produktions- und Arbeitsprozess immer mehr auf das Management (vgl. Avary/Steinisch 1990, S. 106). „Wissen-

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schaftliche Betriebsführung“, als „Scientific Management“ durch F. W. Taylor berühmt geworden, entwickelt sich zum dominanten Organisationsprinzip. Damit wurde besonders in den USA ein Prozess erkennbar, der seit den späten 1870-er Jahren eigesetzt hatte und als ein Übergang zu einer neuen, dem Konkurrenzkapi-talismus entgegenstehende Gestalt der kapitalistischen Produktionsweise inter-pretiert werden konnte. Diese zeichnete sich hauptsächlich durch Konzentration, Monopolisierung und Organisierung der kapitalistisch verfassten Ökonomie aus (vgl. Türk et al. 2006, S. 157). Insgesamt gilt diese Zeit nach dem Bürgerkrieg, die von zunehmend wirtschaftlicher Blüte und industriellem take-off gekenn-zeichnet war, als „goldenes Zeitalter“ („gilded age“) (vgl. Vorländer 1996, S. 170).

Ein zentraler Wirtschaftskomplex innerhalb der Industrialisierung Nordame-rikas stellte zweifellos die Eisenbahn dar. Der Eisenbahnbau war bis in die 1890-er Jahre der wichtigste „Leitsektor“ (Wehler 1974, S. 24). Die erste transkonti-nentale Eisenbahnlinie wurde 1869 fertiggestellt. Zwischen 1860 und 1900 ver-größerte sich das gesamte Eisenbahnnetz von 5.000 auf 322.000 Kilometer, mehr als alle Linien in Europa zusammen. Um dieses Wachstum zu fördern, verteilte die Regierung Darlehen und kostenloses Land an westliche Eisenbahnlinien. Die Subventionierung der Eisenbahnen erfolgte zudem durch Landzuteilung, z. B. auf die Weise, dass eine Eisenbahngesellschaft jede zweite „section“ auf beiden Sei-ten der Linienführung erhielt. So erwarben sich diese Corporations insgesamt riesigen Landbesitz, der gerade durch die Eröffnung der Verkehrslinien an Wert zunahm (vgl. Landauer 1981, S. 89 ff.). Um den Wettbewerb gering zu halten, stimmten Eisenbahnunternehmen Fusionen zu und standardisierten Verschif-fungsraten.

Insgesamt, so bemerkt Hartmann (2002), dass trotz all dieser Expansionsakti-vitäten der US-amerikanischen Industrie im 19. Jahrhundert (bis 1886, also der Verkündung des Santa Clara-Urteils) folgende staatliche Kontrollen in Bezug auf die Corporations galten: • Keine Befreiung persönlicher Management-Haftung durch staatlichen

Inkorporierungsakt, • Zusammenschluss gemäß Zweck auf Zeit, • keine Spendenfähigkeit gegenüber politischen Parteien oder Verbänden, • Monopolaufsicht und -begrenzung durch die Einzelstaaten, • Offenlegungspflichten der Corporations gegenüber den Einzelstaaten, • die Gerichte der Einzelstaaten, nicht das Bundesgericht, sind für

Rechtsverstöße von Corporations zuständig (vgl. Hartmann ebd., S. 75).

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118 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

In dieser Epoche zeitigte allerdings eine derartige ökonomische Machtkonzentra-tion auch gesellschaftliche Kritikformen: Populäre Zeitschriften veröffentlichten sensationelle Artikel von so genannten „Mudrakers“, von recherchierenden Jour-nalisten, die unlautere Geschäftspraktiken, Korruption in Regierungskreisen und Armut in den Städten offenlegten. Es waren gerade die mächtigen Eisenbahnge-sellschaften, denen seitens der Bevölkerung Unsicherheiten, Ängste und sogar Hass entgegengebracht wurden. Parallel zu Streiks und Kämpfen, die ich weiter unten thematisieren werde, verarbeiten Karikaturen die gesellschaftlichen Stim-mungen jener Zeit – hier zunächst ein Cartoon (unbekannten Autors), welches den Eisenbahn-Unternehmer Cornelius Vanderbilt als Monarchen zeigt (zuerst veröffentlicht im New York Daily Graphic 1877): Abb. 4: Die neue „Aristokratie des Reichtums“ („Aristocracy of Wealth“; 1877)

Quelle: http://www.ashp.cuny.edu/1877/f1877-2.html Ganz bedrohlich wirkt die Vorstellung von übermächtigen Railroad-Imperien im Cartoon von Frank Bellew, erstmals 1874 in derselben Zeitung publiziert:

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2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert 119

Abb. 5: „The American Frankenstein“ von Frank Bellew, 1874

Quelle: http://www.ashp.cuny.edu/1877/f1877-3.html Nicht nur in der Eisenbahnindustrie, sondern auch in vielen anderen Industrie-zweigen wurden Trusts – Zusammenschlüsse mehrerer Unternehmer unter Auf-gabe ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Selbständigkeit – gegründet als Ver-such, Monopolstellungen zu erlangen, wobei der Monopolcharakter v. a. in der Konzentration der Produktion und damit verbundenen Einrichtung von Herr-schaft und Kontrolle über den Markt bestand (vgl. Radandt et al. 1981, S. 724). Trust- und Monopolbildung kennzeichnen – neben dem Anwachsen der Städte, der verkehrstechnischen Erschließung weiter ländlicher Gebiete und deren An-bindung an die neuen Ballungsräume, der Hausausbildung eines nationalen Marktes sowie dem Anstieg industrieller Produktivität – einen Prozess, den Vor-länder (1996, S. 173) mit dem Begriff der „Inkorporierung der USA“ benennt. Die trust-förmigen Großunternehmen konnten Produkte effizient herstellen und preiswert verkaufen, aber sie legten auch Preise fest und zerstörten kleinere Mit-bewerber und festigten in vielen ökonomischen Bereichen massive Monopol-strukturen. Durch Trustbildungen wurden schlagartig Kapitalbildungen sehr gro-

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120 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

ßen Ausmaßes geschaffen, so dass bis 1904 318 Unternehmen im Besitz von 40 Prozent des gesamten industriellen Anlagevermögens der USA waren (vgl. Sieg-ried 1955, S. 97 f.). Trusts wurden besonders in der Erdölindustrie geschaffen. Dieser Industriezweig wuchs, dominiert von John D. Rockefellers gigantischem 1882 gegründeten Standard Oil Trust. Nach Rockefellers Auffassung ließ sich die starke Kapitalkonzentration relativ einfach erklären: Seines Erachtens war die korporative Umformung des amerikanischen Kapitalismus und das Wachstum der Großunternehmen nichts anderes als „der Sieg des Stärkeren über den Schwäche-ren ... ein Gesetz der Natur und ein Gesetz Gottes“ (Avery/Steinisch 1990, S. 93). Andrew Carnegie, der als armer schottischer Einwanderer nach Amerika gekom-men war, baute ein riesiges Imperium von Stahlwerken und Eisenminen auf. Sein 1901 gegründeter Konzern, die United States Steel Corporation, der „Trust der Trusts“ (ebd.) wurde zum größten Wirtschaftsunternehmen der Welt und produ-zierte 60 Prozent des nationalen Stahls. Vor allem bei den Stahltrusts muss von massiver Einflussnahme auf die Unternehmensführungen durch die Banken aus-gegangen werden, so dass einige Autoren von einer „Verflechtung zwischen Großindustrie und Finanzkapital“ (ebd., S. 94) sprechen: Staatliche Regulierun-gen schrieben den großen Banken eine bestimmte Liquiditätsmenge vor (Federal Reserve Act von 1913), welche dann den Corporations kreditmäßig zur Verfü-gung gestellt werden konnte. So können wir von einer sich gegenseitig stützenden organisationalen Dreiecksbeziehung zwischen Stahlindustrie, Bankenwesen und Staat sprechen. In der amerikanischen Bevölkerung galt bspw. die Standard Oil Company bald als Bedrohung, so dass auf Grundlage des Sherman-Anti-Trust-Acts (vgl. Kap. 2.2.4, 3.4.1 und 3.4.4) der Supreme Court 1911 eine Entflechtung dieses Riesenkonzerns anordnete. Das Urteil ermächtigte aber dennoch diesen Trust, sich wieder zu konstituieren unter der Bedingung einer „vernünftigen Ein-schränkung der Konkurrenz“ (Siegfried ebd., S. 99). Dass allerdings überhaupt eine planerisch-strategische ökonomische Konzeption seitens des Bundesstaates hatte umgesetzt werden können, war durch massive Hinderungsgründe bedingt gewesen: „In der Periode früher Industrialisierung gab es nämlich in den Verei-nigten Staaten nur eine äußerst schwache, auf den Einzelstaat begrenzte und auch durch häufigen Personalaustausch instabile staatliche Bürokratie, von der ein planender Eingriff in die Wirtschaft überhaupt nicht ausgehen konnte“ (Lösche 1990, S. 419). Der Unmut der Bevölkerung hatte wohl auch noch eine starke sozialstrukturelle Komponente: Carnegie unterstrich in seiner Philosophie des Reichtums („Gospel of Wealth“, 1901) eine deutlich anti-etatistische Stoßrich-tung des „get rich“ (Vorländer 1996, S. 147), einer Ökonomie des laissez faire (vgl. ebd.).

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2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert 121

Des Weiteren erhöhte sich die Anzahl der Textilspinnereien im Süden, und in

und um Chicago entstanden Fabriken für die Fleischverarbeitung. Die Elektroin-dustrie entwickelte sich aufgrund einer Reihe von Erfindungen, wie bspw. Tele-fon, Phonograph, Glühbirne, Kino, Wechselstromgenerator und Transformator. In Chicago verwendete der Architekt Sullivan eine Stahlgerüstkonstruktion, die den serienmäßigen Hochhausbau im Prinzip bereits ermöglichte (vgl. Landauer ebd., S. 102; Sautter 1991, S. 249). Insgesamt führten Industrialisierung, Urbanisie-rung und sozioökonomischer Wandel zwischen 1880 und 1910 zu einer qualitati-ven Neubestimmung zentraler Elemente des Organisationsprinzips der Gesell-schaft: Die wachsende Bedeutung des technischen Fortschritts, verschärfte Kon-kurrenzbedingungen und massive Kapitalkonzentration verschaffen einerseits einer zunehmend organisationsförmig angeordneten kapitalistischen Ökonomie erhebliche Machtzuwächse. Adams (1869) formulierte bereits: „The system of corporate life is a new power, for which our language contains no name“ (Adams 1869 zit. nach Trachtenberg 1982, S. 3). Andererseits formieren sich Protestakti-onen der Arbeiterbewegungen und Gewerkschaften. Zudem kennzeichnen sowohl Pro- als auch Contra-Corporations-Bemühungen der Parteien einen Wandel des politischen Systems insgesamt (vgl. Schmidt 1974, S. 65 ff.). Darum wird es im folgenden Kapitel gehen. 2.2.4 Arbeiterbewegung, Gewerkschaften und Parteien Landauer (1981) merkt an, dass besonders die Landwirte sich darüber beklagt hätten, die Eisenbahnen verlangten zu hohe Preise für den Transport von Gütern (vgl. Landauer ebd., S. 106 ff.)50. Für die amerikanischen Bauern war das späte 19. Jahrhundert eine schwierige Zeit. Die Preise für Nahrungsmittel sanken, die Kosten für Transport via Eisenbahn und für hochverzinste Darlehen waren enorm, hohe Steuern und Zölle auf Verbrauchsgüter kamen hinzu. Auf nationaler Ebene wurden mehrere Vereinigungen zur Verteidigung der Interessen der klei-nen Bauern gegründet, hier war vor allem die „Grange“ (wörtlich: „Farmhaus“; 1867) bzw. Granger-Bewegung von großer Bedeutung (vgl. ebd.). Die „Gran-

50 Zahlreiche der im Rahmen dieses Unterkapitels dargelegten Aktivitäten von Farmern,

Arbeiterbewegungen oder Parteien sind in sachlicher und zeitlicher Hinsicht den Auseinan-dersetzungen der in den Gerichtsfällen des 3. Kap. zuzuordnen. Sie werden allerdings nur zum Teil dort wiederholt. In diesem Kap. hier geht es ja noch nicht um die Inanspruchnah-me von Rechten der Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung, sondern um die Dar-legung des Terrains für jene dann in Kap. 3 behandelten Prozesse. Alles hängt nun einmal mit allem zusammen.

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122 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

gers“ hatten zunächst wohl eher das Ziel verfolgt, die Kenntnisse über die Tech-nik der Landwirtschaft zu fördern; sie wurden aber mehr und mehr politisch, indem sie mit der Zeit sowohl Demokraten- als auch Republikaner-Kandidaten beeinflussten, Gesetze auf den Weg zu bringen, die die Eisenbahn-Corporations kontrollieren sollten (so genannte „Granger Laws“). Man verlangte wettbewerbs-freundliche Staatengesetze, orientiert an Genossenschaftstheorien. Diese Gesetze waren allerdings zumeist auf die Einzelstaaten bezogen und konnten daher gegen die durch die Einzelstaaten verkehrenden Railroads nicht viel ausrichten. Hinzu kam, dass die in den Einzelstaaten geltenden Kontrollgesetze häufig voneinander abwichen. Eine Lösung dieses Problems waren regierungsamtliche Vorschriften, die für den gesamten Bundesstaat gelten sollten. So wurde 1887 der „Interstate Commerce Act“ zur Kontrolle der Eisenbahnpreise geschaffen. Dieses Gesetz hatte vor allem das Ziel, gerechte Frachtraten oder die Unterbindung diskriminie-render Preisgestaltungen im Rahmen der Handels- und Verkehrsaktivitäten der Railroad Corporations zu regulieren, die über die Grenzen der Einzelstaaten hinausgingen (vgl. Wehler ebd., S. 29; Albert 1971, S. 23; Ehmke 1961, S. 121 ff.). Ihm vorausgegangen war die Gründung der Interstate Commerce Commissi-on, über die Lösche – den Erfolg der Grangers deutlich relativierend – urteilt, die Corporations hätten sich eine eigene staatliche Institution geschaffen, um z. B. Märkte unter sich aufzuteilen und Preis- sowie andere Absprachen zu treffen (vgl. Lösche 1990, S. 420). Somit kreuzten sich Vereinheitlichungstendenzen auf der Bundesebene mit realen Machtpolitiken sowohl der Corporations, als auch der staatlichen Organisationen: Bund und Einzelstaaten stritten heftig darüber, wem denn die „Macht“ innerhalb der Regelung der wirtschaftlichen Aktivitäten, sie so genannte „commerce power“ (Ehmke ebd., S. 115 ff) in den USA zustehen sollte – dem Bund oder dem Einzelstaat. Der Supreme Court – selbst machtvoller Ak-teur in dieser Konfliktkonstellation – entschied dann, dass dem Bund die Regu-lierung des interstate commerce, den Einzelstaaten die des intrastate commerce obliege (vgl. ebd., s. 116). Der „Sherman Antitrust Act“ von 1890 verbot Trusts, Fusionen, Geschäftsabsprachen oder illegale Firmenzusammenschlüsse, die den Handel einschränkten (vgl. Kap. 3.4.1 und 3.4.4). Zuerst waren diese Maßnah-men nicht sonderlich effektiv, aber sie begründeten das Prinzip, dass die Bundes-regierung die Industrie zugunsten des Gemeinwohls regulieren konnte; allerdings stumpfte die Praxis der Gerichte die Wirkmächtigkeit dieser Bundesvorschriften gegen Monopolisierung bald ab (vgl. Landauer ebd., S. 111). Zudem appellierten die Railroad Corporations an die Bundesgerichte, die „Granger Laws“ für verfas-sungswidrig erklären zu lassen. Weitere Bewegungen wie die National Farmers’

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2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert 123

Alliance (1877), aus der in den 1890-er Jahren die „Populist Party“51 entstand, sollten der mit der Zeit schwächer werdenden Granger-Organisation folgen (vgl. Landauer ebd., S. 120 ff.).

Die Zeit zwischen 1869 und 1900 ist auch als Periode gekennzeichnet, in der die Wirtschaft überwiegend dem laissez faire-Prinzip folgte – der Idee, dass die Regierung sich so wenig wie möglich einmischen sollte (vgl. Avery/Steinisch 1990, S. 100 f.). Vielleicht ist es gerade mit jener laissez faire-Grundhaltung von US-amerikanischer Ökonomie und Politik des ausgehenden 19. Jahrhunderts und der damit verbundenen schrittweisen Etablierung von machtvollen Corporations – seien es Stahl- oder Eisenbahn-Organisationen – und einer damit zusammen-hängenden Politik des „Big Business“ (Guérin 1970, S. 13) zu erklären, dass sich erste große Revolten von Arbeitern eben gegen vorn genannte Corporations wandten: Nachdem bereits zwischen 1865 und 1867 die so genannte „8-Stunden-Bewegung“52 erste Achtungserfolge in der Organisation quasi-gewerkschaftlicher Arbeitnehmer-Aktivitäten erzielt hatte, folgte 1877 „Der große Eisenbahner-Streik“ (vgl. Foner/Schultz ebd., S. 89 ff.). Dieser wurde durch Lohnkürzungen und Entlassungen bei gleichzeitiger systematischer Erhöhung der Arbeitszeiten seitens der Railroads (vgl. Perrow 1996) ausgelöst, so dass die Zahl der Arbeits-losen in den USA auf geschätzte drei Millionen (weiße) Amerikaner anschwoll. Dieser Streik wurde unterstützt von Landwirten, Ladenbesitzern und sogar von örtlichen Sheriffs. Mit dem Streik war im Juli 1877 erstmalig ein nationaler Ei-senbahnerstreik gelungen. Präsident Rutherford Hayes ließ den Streik mit Bun-destruppen und Milizen bekämpfen und zusammenschießen, so dass beispiels-weise in Pittsburgh 55 Tote und 100 Verletzte zu beklagen waren. Folgendes Bild zeigt, wie die aufgebrachte Streikmenge Brände auf Arealen der Pennsylvania Railroad in Pittsburgh legt:

51 Da diese „Partei“ direkt mit der Granger-Bewegung in Zusammenhang steht, nenne ich sie

an dieser Stelle und nicht unter Kap. 2.2.4, in dem ja Parteien explizit behandelt werden. 52 Erst 1912 wird Präsident Wilson ein Gesetz zur Garantie eines 8-Stunden-Tages für Eisen-

bahner in Kraft treten lassen.

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124 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

Abb. 6: Pennsylvania Railroad brennt

Quelle: http://www.ashp.cuny.edu/1877/f1877-5.html Insgesamt lassen sich vorn beschriebene – ja durchaus heftige – Anti-Corpo-rations-Aktivitäten in die schrittweise Formierung einer US-amerikanischen Arbeiterbewegung einordnen.

Nun stellt sich die Geschichte der Arbeiterbewegung in den USA als ein komplexer und heterogener historischer Epochenabschnitt dar, welcher an dieser Stelle nicht in all seinen Facetten beleuchtet werden kann und soll (vgl. ausführlich dazu u. a. Guérin 1970, Brecher 1975, Foner/Schultz 1984 und Landauer 1981). Vor allem Erfahrungen, Arbeitsbedingungen, Lebensum-stände und die Rechte von freien und unfreien weißen Landarbeitern sowie von schwarzen Sklaven sind in so genannten community studies, eingebettet in das Forschungsfeld labor history, hinreichend untersucht worden (vgl. Heide-king/Nünning 1998, S. 84 ff.). Wie bereits in der Vorbemerkung zu diesem Kapitel angedeutet, ist ein zentraler für das Thema dieser Arbeit heraus-zustellender Aspekt der, dass die amerikanische Arbeiterbewegung selbst durch eine Organisationsförmigkeit gekennzeichnet war, die andersherum von ihr selbst gerade implizit bei den Organisationen des „Kapitals“ beklagt, befürchtet und bekämpft wurde. So könnte man formulieren, dass parallel zur Kapitalismuskritik der aufkommenden Arbeiterbewegung auch eine stillschweigende Organisations-freundlichkeit bestand, die sich eben in der Gründung von Entitäten ausdrückte,

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2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert 125

die wir heute relativ eindeutig als Organisationen bezeichnen: Gewerkschaften, Verbände und Parteien.

Unter den Gewerkschaften fällt zunächst die 1866 gegründete Dachorganisa-tion „National Labor Union“ (NLU) auf, die sich gegenüber den großen Corpo-rations – wie bereits von der „8-Stunden-Bewegung“ (vgl. vorn) gefordert – vor allem für eine Arbeitszeitverkürzung einsetzte.

Von 1869 bis 1886 bestand die freimaurerähnliche „Noble and Holy Order of the Knights of Labor“ („Ritter der Arbeit“) (vgl. Foner/Schultz ebd., S. 106). Sie wurde bald zur führenden Gewerkschaft in den USA und zählte bis zu 700.000 Mitglieder im 19. Jahrhundert53. Ihre Ziele waren neben der Erhöhung der Löhne die Abschaffung der Kinderarbeit und die Einführung des 8-Stunden-Tages. Sie forderten in einer Erklärung auf einem Nationalkongress 1878 „die alarmierende Entwicklung und Aggressivität der großen Kapitalisten und Gesellschaften“ (ebd.) zu bekämpfen, die, wenn dem nicht Einhalt geboten werde, zur „Verelen-dung und hoffnungslosen Degradierung der arbeitenden Massen“ (ebd.) führen werde. Der größte Streikerfolg der Knights war die Auseinandersetzung mit ei-nem der mächtigsten „Robber Barons“ bzw. „Plutokraten“ (Josephson 1962) jener Zeit, Jay Gould, Chef der „Western Union Telegraph Company“: Ihm trotz-ten sie nach Streiks aufgrund von Lohnkürzungen ab, dass alle Kündigungen gegen Streikende zurückgezogen wurden (vgl. ebd., S. 108). Obwohl die „Knights“ einige weitere erfolgreiche Streiks und Boykotte – vor allem gegen Eisenbahn-Unternehmen, Händler und Zeitungsverlage – organisiert hatten, ist interessant, wie Foner und Schultz bemerken, dass die Knights – offensichtlich ähnlich enttäuscht wie andere Gewerkschaften jener Zeit – die Möglichkeiten der politischen Einflussnahme nicht mehr so sehr durch Streiks und Arbeitsniederle-gungen allein ausgeschöpft sahen, sondern dass sie Politik durch direkten Ein-fluss auf die Gesetzgebung ändern wollten. So erhoben sie beispielsweise Forde-rungen, Streiks durch Schiedsgerichtsbarkeit zu ersetzen, betonten die Bürger-rechte des Arbeiters, die sie gesetzlich verankert sehen wollten (vgl. ebd.).

1886 wurde als Reorganisation der Vorgängerorganisation Federation of Or-ganized Trades and Labor Unions in Columbus (Ohio) die American Federation

53 Bei den „Knights“ handelte es sich um einen religiös geprägten Geheimbund. Er war in Logen

unter Leitung eines Meisters organisiert, und an der Spitze stand ein Großmeister der Arbeit (vgl. D’Eramo 1996, S. 181). „Es ist beeindruckend, wie die Organisationen der Unterdrück-ten der Gesellschaft in ihrem Emanzipationskampf die Mittel nachahmten, mit denen sich die herrschende Klasse einst selbst gegen den Adel zur Wehr gesetzt hatte. Die Leidenschaft deut-scher und skandinavischer Anarchisten für Geheimgesellschaften war eine Nachahmung der bürgerlichen Zirkel. Genauso versuchten die amerikanischen Arbeiter den gewaltsamen Wi-derstand gegen jede Form der gewerkschaftlichen Organisierung mit der Nachbildung der Freimaurerei zu bekämpfen.“ (ebd.)

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126 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

of Labor (A. F. L., heute: AFL-CIO) gegründet; sie sollte US-weit schon bald 1,4 Mio. Mitglieder aufweisen. Sie war einer der ersten Facharbeitergewerkschafts-bünde in den USA und verkörperte damit eine klare Vertretung für gelernte Ar-beiter. Die Knigths dagegen hatten eine Mischung von gelernten und ungelernten Arbeitern zugelassen. Da sich viele Arbeiter allerdings eine Doppelmitgliedschaft nicht leisten konnten, setzte der langsame Untergang der Knights ein. Ihr Grund-gedanke, auch etwas für die Ungelernten zu tun, konnte nicht durch ihre gewählte Form der „zusammengewürfelten Organisation“ (Landauer ebd., S. 116) erreicht werden, in der sogar kleine Unternehmer und Landwirte aufgenommen werden konnten. Einer ihrer Führer, der englische Emigrant Samuel Gompers, verkörper-te mit seiner anti-sozialistischen, anarchistischen Haltung eine auf den ersten Blick unideologische Position. Allerdings sprach er von der Sache der Arbeiter als „einer Angelegenheit, die das Leben der Menschheit und ihrer Zukunft“ (Landauer ebd., S. 114) betreffe. Stattdessen setzte Gompers auf viel Dialog; Streiks, vor allem Generalstreiks, sollten vermieden werden (vgl. Brecher 1975, S. 90). Den Vorwurf, dass Gompers, als Führer einer der „ … größten, pragmati-schem Fortschritt verpflichteten (Facharbeiter-) Gewerkschaft [der A. F. L.; Anm. T. M.]“ (Vorländer 1996, S. 176) indirekt sogar die großen Corporations unterstützte, macht Guérin im folgenden Zitat deutlich:

„Von allen Untaten des Gomperismus [so nennt Guérin die Politik Gompers, T. M.] ist die finsterste jedoch ohne Zweifel, daß durch seine Schuld die Organisierung der Arbeiter der Großindustrie, der Ausgebeuteten der großen corporations, um fünfzig Jahre verzögert worden ist. Gompers und seine Freunde haben versucht, glaubhaft zu machen, daß die Auf-nahme der ungelernten Arbeiter in die Gewerkschaften unmöglich sei: Die A. F. L. erfindet die scheinheilige Theorie, daß jede Gruppe dafür verantwortlich sei, sich selbst zu organi-sieren. (...) Welche Initiativen kann man von Arbeitern, die sich selbst überlassen sind, er-warten gegenüber mächtigen Monopolen, die über Millionen von Dollars verfügen, um die Organisationsversuche zu zerschlagen?“ (Guérin 1970, S. 22; Herv. i. Orig.)

Auch wenn man also davon ausgeht, dass die AFL Streik-Optionen nicht favori-sierte, entfalteten sich doch einige Eigendynamiken – so auch Streiks und Ge-waltaufstände: Die AFL hatte den achtstündigen Arbeitstag ab dem 1. Mai 1886 vehement gefordert. Als es nicht dazu kam, traten die Arbeiter einer Fabrik in Chicago am 1. Mai in den Streik. In der folgenden Nacht versammelte sich eine Menge von mehreren tausend Streikenden und marschierte zum Haymarket-Square. Wiederum versuchte die Polizei, auch unter dem Eindruck der gewalttä-tigen Auseinandersetzungen zuvor, die Versammlung aufzulösen. Als es zwei Tage später zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Arbeitern kam, wurde einer der Arbeiter getötet. Am 4. Mai explodierte wäh-

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2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert 127

rend einer Protestkundgebung eine Bombe und tötete acht Polizisten. Dieser Vorfall ging als der „Heumarkt-Aufstand” („Haymarket Riot“) in die Geschichte ein (vgl. Wehler 1974, S. 28; Nace ebd., S. 148; D’Eramo 1996, S. 176).

Auch auf bestimmte (korporative) Branchen gerichtete Gewerkschaftsgrün-dungen bzw. -aktivitäten sind mit Blick auf historische Corporations-Kritik hier von Interesse: Die American Railway Union (ARU) war die größte Gewerkschaft der 1890-er Jahre in Amerika und die erste Industriegewerkschaft in den Verei-nigten Staaten. Sie wurde am 20. Juni 1893 von Bahnarbeitern in Chicago, Illi-nois, unter der Führung von Eugene V. Debs (einem Lokomotivheizer, der uns weiter unten nochmal als Gründer der Social Democrat Party begegnen wird) gegründet (vgl. Brecher 1975, S. 81 ff.). Im U. S. Strike Commission Report von 1894 formulierte Debs die Übermacht der Corporations:

„Unsere Organisation besteht aus einer begrenzten Zahl schlecht bezahlter Leute. Wenn sie keinen Lohn mehr erhalten, müssen sie verhungern. Wir haben die Macht der Regierung nicht hinter uns. Wir haben keinen anerkannten Einfluß auf gesellschaftliche Vorgänge [...] Die Konzerne dagegen verfügen über solide Bündnispartner. Ihnen fehlt nichts, was man mit Geld kaufen kann. Sie fördern die Presse, kontrollieren sie, beeinflussen die öffentliche Meinung und verbreiten falsche Nachrichten. Die Kirche steht fast einhellig hinter ihnen. Vergessen wir nicht die Gerichtshöfe, die Miliz, die Regierungstruppen. Jeder und alles ver-tritt die Sache der Konzerne“ (U. S. Strike Commission Report von 1884 zit. nach Brecher 1975, S. 92).

1893 kürzte die Eisenbahngesellschaft Great Northern Railway die Löhne ihrer Beschäftigten. Bis zum April entschied sich die ARU für einen Streik und legte damit die Eisenbahn für 18 Tage lahm. Sie erzwang dadurch von der Gesellschaft die Rücknahme der Lohnkürzungen bei ihren Arbeitern. Dies war der erste und einzige Sieg der Gewerkschaft gegen die Railway Company (vgl. ebd.; Nace ebd.).

Neben Bewegungen, Gewerkschaften, Syndikaten und Gruppierungen gab es allerdings auch eine Reihe von Parteien, die ebenfalls zur Gruppe der Anti-Corporations-Organisationen gezählt werden müssen. Das sich durch Jahr-hunderte hindurch etablierende Zweiparteiensystem – Republikanische und Demokratische Partei –, konnte und kann bis heute nur marginal von so genann-ten „Drittparteien“ (Klumpjan 1998, S, 173) „gestört“ werden. Bevor man allerdings auf diese „dritten Parteien“ eingeht, müssen diejenigen Anti-Corpo-rations-Aktivitäten der beiden Großparteien angeführt werden54: Schaut man

54 Forschungsanalytisch muss natürlich konstatiert werden, dass sehr viele der angeführten

Praktiken, Prozesse, Aktivitäten, Diskurse usf., die in diesem aber auch in den anderen Ka-piteln (bspw. dem 3., dem „Amendment“-Kapitel) dargelegt werden, aus der Autorenschaft

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128 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

zunächst auf die Demokratische Partei, so könnte jene auf den ersten Blick als ideologisches Dach im Prinzip eben keiner Anti-, sondern eher Pro-Corporations-Politik angesehen werden,

„ ... als eine am negativen Freiheitsbegriff orientierte Partei der Laissez-Faire Wirtschaft, des Freihandels, ... [der Wahrung von Interessen von] unabhängigen Subsistenzfarmern, als Partei der Hartgeldpolitik, des Minimalstaates, der sparsamen Haushaltsführung, der Dezentralisation (Ablehnung umfangreicher Infrastrukturinvestitionen des Bundes sowie der Zentralbank als verhaßtem Symbol des Merkantilismus und Monopolismus), der engen Auslegung von Verfassungskompetenzen des Bundes zugunsten der Rechte der Einzelstaaten ..., als Partei der aktiven Demokratisierung, des Egalitismus, der Einwanderfreundlichkeit, der Förderung der Besiedelung des Westens sowie einer tendenziell säkularistischen Konzeption des Verhältnisses von Religion und Politik ... “ (ebd., S. 162 f.).

Gerade allerdings die Hintergrund-Lobby für die Grange-/Farmer-Bewegung zu sein und massiv den Monopolismus zu bekämpfen, enthüllt die Anti-Corporations-Ziele der Demokraten – womit noch einmal gezeigt werden kann, dass Kapitalismus- und Organisationskritik, egal ob affirmatorisch oder ablehnend, eben nicht dasselbe sind und zumeist einer Differenzierung bedürfen. Doch die Demokratische Partei machte einen Wandel durch: Ihre anfängliche Kapitalismus-Kritik, die sich, wie gesagt, nicht gegen ökonomische Prinzipien im Allgemeinen, sondern eher spezifisch gegen eine zu starke Monopolisierung von großen Corporations richtete, wich gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr einer Kapitalismus-Freundlichkeit, die die Partei zur „Anwältin des Industriekapitalismus“ (ebd., S. 163) werden ließ.

Die Republikanische Partei dagegen stand für aktive, auf Modernisierung, Industrialisierung und interventionistisch orientierte Wirtschaftspolitik. Sie unterstützte die Zentralbank, die Einrichtung von Schutzzöllen sowie die Infrastrukturprojekte des Bundes (vgl. ebd., S. 165 ff.). Neben zahlreichen „Wahlverwandtschaften“ zwischen den „Bossen“ großer Corporations – bspw. befürworteten führende republikanische Politiker massiv die verkehrsmäßige Erschließung des ganzen Landes, woran ja die Eisenbahngesellschaften ein originäres Interesse hatten – und neben der Tatsache, dass viele dieser Corpo-rations-Vertreter republikanisch wählten und sich das insgesamt als Vorteil für die Corporations auswirkte, ist ein zentrales Gegenargument, welches die Republikaner gleichsam mit den Demokraten teilten, das der zu bekämpfenden

einer der beiden Großparteien heraus verübt wurden, auch wenn dies im Einzelfall nicht je-des Mal Erwähnung findet.

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2.2 Kämpfe und Etablierungen zwischen 17. und 19. Jahrhundert 129

Monopolisierung. Bspw. wurde der „Sherman-Anti-Trust-Act“ 1890 (vgl. Kap. 3.4.1) von den Republikanern verabschiedet.

Neben den vorn bereits genannten „Populisten“ sind als „echte“55 (Wasser ebd., S. 380; Herv.: T. M.) Drittparteien solche Parteien darzustellen, die einen autonomen Machtgewinn anpeilten und deren Ziel es war, sich wirklich an die Stelle der beiden großen Parteien zu setzen (vgl. Wasser ebd.). Hier fallen durch Corporations-kritische Aktivitäten vor allem zwei Parteien auf. Erstens „Greenback Labor Party“ (1878 gegründet): Sie bekämpfte die Aktivitäten der Großfinanz-Corporations, die – angeblich in Zusammenhang mit der Bundesregierung – eine deflatorische Geldpolitik durch das Festhalten an dem Hartgeldstandard Gold und der damit verbundenen Zurückhaltung der Ausgabe von Papiergeld („Greenbacks“) betrieben (vgl. Klumpjan ebd., S. 247; Vorländer 1996, S. 176). Zweitens kann hier die „Anti-Monopoly Party“ (AMP) aufgeführt werden: Sie existierte zwar nicht sehr lang (etwa von 1884 - 1885), doch sie manifestierte eine tiefe Widersprüchlichkeit innerhalb der Argumentation von auf den ersten Blick Corporations-kritischer Organisationen – einerseits kritisierte die AMP den Machtmissbrauch der Trusts heftig, doch kann diese Einstellung in keinem Fall als fundamental antikapitalistische Haltung gedeutet werden.

Bei aller Unterschiedlichkeit der im Vorangegangenen präsentierten Organi-sationen soll an dieser Stelle betont werden, dass Farmerorganisationen, Organi-sationen der Arbeiterbewegungen und Parteien durch ein gemeinsames Merkmal verbunden sind: All diese Organisationsformen können als „Organisationsre-gime“ (Türk et al. 2006, S. 91 f.) bezeichnet werden. Das sind Komplexe von Organisationen, die jeweils eine unterscheidbare ideologische oder materielle Machtbasis aufweisen, eine spezifische Kampf- oder Konfliktorientierung verfol-gen sowie bestimmte Teile von Klassen, Schichten oder Gruppen binden. Orga-nisationsregime können als typisch für die moderne Gesellschaft angesehen wer-den; sie bilden sich vor allem gegen Ende des 19. Jhds. aus (vgl. ebd.). Dies kann mit Blick auf das vorn Dargelegte – bei allen Besonderheiten und Differenzen parteienhistorischer Entwicklungen bspw. zu Kontinental-Europa – also auch besonders in den USA gezeigt werden.

Das nun anschließende 3. Kapitel wird sich im Folgenden weiteren in erster Linie verfassungsformalen und dadurch zusätzlichen materiellen Vorrechten von Corporations auf dem Weg ihrer Institutionalisierung widmen, vor allem das

55 Diese werden von „unechten Drittparteien“ (Klumpjan ebd., S. 267) unterschieden, also

jene formal eigenständigen Parteien, die aus zumeist taktischen Gründen von innerparteili-chen Dissidentengruppen der „Democrats“ oder „Republicans“ gegründet worden waren, um auf diese Weise den personal- oder sachpolitischen Kurs der Mutterpartei von außen zu beeinflussen.

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130 2. Aktueller und historischer polit-ökonomischer Kontext

mehrfach angedeutete Santa Clara-Urteil soll einen angemessenen Darstellungs-raum erhalten. Der Falldarlegung voran wird die in der Einleitung angedeutete Ausformulierung dreier leitender Fragenkomplexe gestellt, die konkret an das Material angelegt werden und auf die in Kap. 4.1 zurückgekommen wird.

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3. Corporations in der Rechtsprechung zu US-amerikanischen Zusatzartikeln – Urteile und Diskurse

„On the 14th Amendment cases brought before the Supreme Court between 1890 and 1910, 19 dealt with African Americans, 288 dealt with corporations.” (Edwards 2002, S. 1) „A corporation in law is just what the incorpo-rating act makes it. It is the creature of the law and may be moulded to any shape or for any purpose that the Legislature may deem most conducive for the general good.” (Derber 1998, S. 122 f.56)

Vorbemerkung und Leitfragen Das vorangegangene Kapitel widmete sich schwerpunktmäßig dem aktuellen und historischen polit-ökonomischen Kontext, d. h. dem Sach- bzw. Situationszu-sammenhang, aus dem heraus die nun anschließende Dokumentation von Ge-richtsfällen verstanden werden kann. Diese im Folgenden dargelegten Gerichts-fälle betreffen Rechtsstreitigkeiten zwischen Corporations und zumeist Countys, Bundesstaaten oder dem Nationalstaat USA in einem Zeitraum vom Beginn des 19. Jhds. bis heute. Der bereits in Kap. 2.1.2 genannte US-amerikanische Autor Ted Nace gibt in seinem Buch „Gangs of America“ – mit dem Untertitel „Der Aufstieg korporativer Macht und die Außerkraftsetzung von Demokratie“ – zahl-reiche wichtige empirische Hinweise darauf, wie Organisationen es schafften, „Rechte und Quasi-Rechte“ (Nace ebd., S. 26) der US-amerikanischen Zusatzar-tikel, wie bspw. das Recht auf einen ordentlichen Gerichtsprozess, das Recht auf Eigentum, das Recht auf politische freie Rede u. a. m., für sich in Anspruch zu nehmen. Bevor auf den in der Literatur am häufigsten zitierten Fall eingegangen werden soll – das so genannte Santa Clara-Urteil von 1886 –, werde ich zwei

56 Derber zitiert hier einen Bericht der so genannten „Packer-Kommission“, den er in Goodrich,

C. (Hrsg.): The Government and the Economy, 1783 - 1861, Indianapolis 1967, S. 374, ge-funden hat.

T. Matys, Legal Persons – „Kämpfe“ und die organisationale Form, DOI 10.1007/978-3-531-94147-9_4© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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132 3. Corporations in der Rechtsprechung zu US-amerikanischen Zusatzartikeln –…

grundlegende wegbereitende Fälle, die Dartmouth- und Slaughterhouse-Fälle, darstellen.

An „Santa Clara“ wird sich zunächst der „Plessy“-Fall anschließen. Das ist der Gerichtsprozess, der den sachlichen Kern – den eigentlichen Inhalt – des 14. Zusatzartikels, nämlich die formale Gleichbehandlung von schwarzen und wei-ßen amerikanischen Bürgern, genau darlegt. Das darauf folgende Unterkapitel befasst sich sodann mit weiteren Fällen, in denen es Corporations gelungen ist, Grundrechte der Verfassung für sich in Anspruch zu nehmen.

In der Einleitung sind eine Reihe möglicher Fragen benannt worden, bei de-nen bereits darauf hingewiesen wurde, dass sie innerhalb dieser Arbeit bei Wei-tem nicht sämtlich behandelt werden können. Eine Beschränkung ist daher ange-zeigt. Von vielen möglichen und nötigen Analyseschritten möchte ich also einen ersten leisten. Dies erfolgt in der Form, dass an dieser Stelle im Vorfeld der Dar-legung der hier zu präsentierenden Gerichtsfälle drei konkrete Leitfragen-Komplexe formuliert werden: Fragenkomplex 1: THEMEN • Welche Grundrechte aus den Zusatzartikeln der US-amerikanischen Verfas-

sung sind es genau, die seitens der Corporations in Anspruch genommen wer-den können?

• In Konflikt mit welchen legislativen Verordnungen, Erlassen oder Gesetzen stehen jene Grundrechtstatbestände?

Fragenkomplex 2: TECHNIKEN • Welche Mittel und Techniken wenden die Corporations an, ihre Politiken

durchzusetzen? • Welche „Gegentechniken“ werden von welcher Seite angewandt? • Gibt es Kampfszenarien, Konfliktarenen und Koalitionsbildungen?

Fragenkomplex 3: BEGRÜNDUNGEN • Lassen sich die Gerichtsurteile und die in ihnen jeweils angeführten Argumen-

te – seitens der Corporations-Vertreter, aber auch seitens der Vertreter von Legislative, Judikative bzw. die sonstiger „Gegner“ – systematisch ordnen oder in Beziehung setzen?

• Welche Argumente stützen ihre Plausibilität entweder auf die Berufung auf Sozialität (= die Organisation) oder aber auf Individualität (= Handeln qua Agentschaft durch Rolleninhaber)? – Welches sind die daraus abzuleitenden Unterschiede zu Prozessen in Europa?

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3.1 Vor dem „Santa Clara-Urteil“ – Die Dartmouth- und Slaughterhouse Fälle 133

• Wie entfaltet sich die Konfliktlinie „korporative Freiheit“ v. „staatliche Regu-

lierung“? Im Anschluss an die Darlegung der Fälle werde ich auf diese Fragen zurück-kommen und versuchen, ihnen systematisch aus dem empirischen Material ge-wonnene Antwortelemente zuzuordnen. 3.1 Vor dem „Santa Clara-Urteil“ –

Die Dartmouth- und Slaughterhouse-Fälle 3.1.1 Nachträgliche Eingriffe in staatliche Charters

[Fall 1: Trustees of Dartmouth College v. Woodward (1819)] Im berühmten Dartmouth-Fall („Trustees of Dartmouth College v. Woodward“, 1819) wurde folgende Frage erstmals – präzidenzfallartig – virulent: In welchem Verhältnis in Bezug auf ihre Geltungsfunktion sollten eigentlich Verfassungsarti-kel (bzw. die Zusatzartikel) zu den Zielen und Zwecken der einzelstattlich beauf-tragten Corporations stehen? Das Konfliktpotential dieses Zusammenhangs wur-de im Dartmouth-Fall zur Machtfrage zwischen Legislative und Judikative: Der Geistliche Eleazar Wheelock errichtete 1754 auf eigene Kosten eine Missions-schule zur Einweisung der Ureinwohner Amerikas („Indians“) in die christliche Religion und um sie im Lesen und Schreiben auszubilden. Der Erfolg dieser Schule veranlasste ihn dazu, die Schule zu vergrößern, um neben den Indians auch die Kinder des eigenen Landes auszubilden. Dazu sammelte er Spendengel-der. In New Hampshire bekam er Land angeboten, um dort das Dartmouth Col-lege zu gründen. Wheelock bat die Krone um die Gründung einer Corporation, darauf hin wurde 1769 die Stiftungscharter verliehen (vgl. Ehmke 1961, S. 226)57. Wesentlicher Inhalt der Charter: Wheelock wurde Präsident des Dar-tmouth College und er ernannte zwölf Personen als Treuhänder („trustees“58), die

57 Von Hippel merkt hierzu an, dass man die Rechtsform des Colleges auch als eine „Charible

Corporation“ bezeichnen könne, also als eine gemeinnützige Corporation. Diese Rechtsform habe sich bereits im 18. Jahrhundert als eigene Rechtsform neben der Business Corporation etabliert (vgl. v. Hippel 2007, S. 17).

58 Der Begriff Trust – als Treuhandkonstruktion – symbolisiert einen zentralen Wesensunter-schied zwischen US-amerikanischer und europäischer Denkweise bezüglich Organisations-bildung: „Auch andere Züge des trust widersprechen dem kontinentalen Geist. Dies gilt ins-besondere von seinem individualistischen Charakter, der das angelsächsische Empfinden so anzieht. Die historisch begründete Tendenz auf dem Kontinent geht eher zum Sozialismus (…). Den Eigentümern durch Einschieben eines Treuhänders von seinen gesetzlichen und sozialen Verpflichtungen zu befreien, ist sicherlich nicht das, was die europäischen Länder

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134 3. Corporations in der Rechtsprechung zu US-amerikanischen Zusatzartikeln –…

die Angelegenheiten der Schule und die Verwaltung des Vermögens übernehmen sollten; sie hatten das Recht auf Kooptation, also auf die Möglichkeit der Zuwahl neuer Mitglieder aus ihrer Gemeinschaft der Treuhänder heraus. Als sich interne Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern der Treuhändergemeinschaft zum Politikum ausweiteten, verabschiedete der Staat New Hampshire allerdings 1816 drei Erlasse im Rahmen seiner Gesetzgebungsbefugnis, die die Charter ergänzten, sie waren folgenden Inhalts: • Das Dartmouth College wurde in Dartmouth University umbenannt; • die Anzahl der Treuhänder („trustees“) wurde auf 21 erhöht; • außerdem wurde ein Aufsichtsgremium („board of overseers“) eingerichtet,

welches aus 25 Personen bestehen sollte. Mitglieder dieses Gremiums waren Repräsentanten des Staates New Hampshire;

• ein Sekretariat sollte eingerichtet werden, welches die Berichte der Sitzungen der Treuhänder verfasst und an die Mitglieder des Aufsichtsgremiums weiter-gibt;

• Professoren der Universität sollten zwar noch von den Treuhändern ausge-sucht, aber vom Aufsichtsgremium geprüft werden.

Die neue Dartmouth University war damit praktisch in die Hände des Staates gelegt (vgl. Ehmke ebd.). Die alten Treuhänder des Dartmouth College hatten die Akte der Gesetzgebung nie akzeptiert und eine Klage gegen ein Mitglied des Colleges, den Sekretär Woodward, zunächst bei einem einzelstaatlichen Gericht und schließlich beim Supreme Court eingereicht, da der Sekretär sich auf die Seite der neuen trustees gestellt hatte. Der Oberste Gerichtshof des Staates New Hampshire erklärte die Gesetze für gültig und wies die Klage ab. Die so genannte „contract clause“, festgelegt in Art. I, § 10, Klausel 1 der Bundesverfassung, nach der kein Staat Gesetze erlassen solle, die Verpflichtungen aus Verträgen beeinträchtigten, war nach Meinung des Gerichts nicht anwendbar, da sie nur private Rechte schütze, es sich beim College aber um eine „public corporation“ handele (vgl. ebd.). Die Kläger argumentierten, es handele sich um eine gemein-nützige Institution, „a private charity“ (ebd.). Die Gesetze seien ungültig, da sie gegen „common right“, gegen die Verfassung von New Hampshire und gegen die Bundesverfassung verstießen (vgl. ebd.). Der Supreme Court entschied schließ-lich, dass die Änderungsgesetze die o. g. contract clause verletzten und eine cor-

wünschen. Schon die Weimarer Verfassung von 1919 hatte den Grundsatz proklamiert: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das gemeine Beste.“ Selbst die anglo-amerikanische Rechtsform des gemeinnützigen trust würde (…) vermutlich nicht willkommen sein“ (Nußbaum 1968, S. 163; Herv. i. Orig.).

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3.1 Vor dem „Santa Clara-Urteil“ 135

porate charter als Vertrag vor nachträglichen Eingriffen durch neue Gesetze geschützt sei (vgl. Merkt/Göthel ebd., S. 65; McCloskey 1960, S. 73 ff.). Die Richter hatten entsprechend der common law-Tradition59 die dort geforderte Rücksicht („consideration“) auf Leistungen, die in privatrechtlichen Verträgen ja gerade erfüllt werden sollen, zu beachten. Damit war der Auftrag des Staates an das College gemeint. Das Gericht argumentierte, dass diese Rücksicht erfüllt sei: sie liege in dem Nutzen, den das Land von Corporations habe und derentwegen der Staat überhaupt charters erlasse (vgl. Ehmke ebd., S. 227). Die Richter argu-mentierten weiter, dass der Staat New Hampshire als Nachfolger der Krone in den Vertrag eingetreten sei; das College sei eine „private corporation“ und keine „civil institution“, die Funktionen des government ausübe (vgl. ebd.). Auch der Umstand, dass das College sich Erziehungsaufgaben widme, mache es nicht zu einer öffentlichen Anstalt und unterstelle seine Charter nicht dem Willen des Gesetzgebers. Die contract clause schütze alle Verträge, sie garantiere damit die Collegecharter und verbiete die Änderungsgesetze, wie förderlich diese auch für das College und die Erziehung im Allgemeinen sein mögen (vgl. ebd.).

Im Prinzip ging es also im Dartmouth-Fall zum ersten Mal um die existenziel-le Frage, ob eine Corporation eigentlich eine öffentliche oder private Organisati-onsform darstellt und ob eine Rechtspersönlichkeit durch einen parlamentari-schen Akt geändert werden darf (vgl. v. Hippel 2007, S. 17). Die Väter der ame-rikanischen Verfassung beabsichtigten offensichtlich, Corporations aufgrund schlechter Erfahrungen in der Kolonialzeit relativ streng reguliert zu halten (vgl. Edwards 2002, S. 2; Perrow 2002, S. 33 ff.). Staatliche Steuerung sei näher an den Menschen und ermögliche es, „ein Auge auf Corporations zu halten“ (Ed-wards ebd.). Allerdings zeigt der Dartmouth-Fall ein erstes gewichtiges Scheitern einer solchen Politik: Auf die in diesem Fall geäußerten Pro-Corporations-Begründungen beriefen sich Hunderte von Handelsgesellschaften, um Einschrän-

59 An dieser Stelle soll grundsätzlich – auch in Bezug auf die im Weiteren dargelegten Fälle –

angemerkt werden, dass das US-amerikanische Rechtssystem seine historischen Wurzeln im englischen Recht hat. Es ist maßgeblich geprägt vom common law-System, das von den ersten englischen Siedlern eingeführt wurde. Als common law wird das ursprüngliche Richterrecht der common law courts in England bezeichnet. Dieses hatte sich aus dem bodenständigen Gewohnheitsrecht (customary law of the land) und dem Naturrecht (law of reason) gebildet. Auch wenn seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in den USA die Bedeutung des bundes- und einzelstaatlichen Gesetzesrechts (satutory law) zugenommen hat, ist das US-amerikanische Rechtssystem primär durch Richterrecht geprägt, und selbst Gesetze unterliegen der binden-den Auslegung durch die Rechtsprechung (vgl. Richard 2007, S. 45; Albert 1971, S. 116). Zusammengenommen werden die in der Verfassung niedergelegten Normen und die Interpre-tationen des Supreme Courts auch als „constitutional law“ bezeichnet (vgl. Hübner 1989, S. 142).

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136 3. Corporations in der Rechtsprechung zu US-amerikanischen Zusatzartikeln –…

kungen ihrer Charter-Rechte durch Kommunen und Einzelstaaten abzuwehren (vgl. Ehmke ebd., S. 237). Perrow bemerkt: „The Dartmouth decision – which limited public representation and ruled that corporations, like people, could have private rights – was not a mistake, an inadvertence, a happenstance in history, but a well-designed plan deviced by particular interests who needed a ruling that would allow for a particular form of organizations“ (Perrow 2002, S. 41). Dieses „ruling” i. S. einer richterlichen Entscheidung stellt das Dartmouth-Urteil dar, und zwar mit dem nicht unwesentlichen Kern, dass sich sogar auf einen originä-ren Artikel, nämlich Art. I, § 10 und die darin enthaltene Vertragsfreiheit, beru-fen werden konnte. Die Berufung auf weitere Artikel der US-amerikanischen Verfassung ist den Corporations im historischen Zeitverlauf dann nicht mehr gelungen, wohl aber die Berufung auf Zusatzartikel. Davon wird im Folgenden zu berichten sein. 3.1.2 Metzger-Monopol und „police power“

[Fall 2: Slaughterhouse Cases (1872)] Über 60 Jahre später stellen die Slaughterhouse Cases [83 U.S. 36 (1872)] einen weiteren gewichtigen Rechtsstreit dar, der der korporativen Form im Streit um Herrschaftsansprüche zwischen Bundesstaat und Einzelstaaten, aber eben auch zwischen korporativen Machtansprüchen einerseits und staatlichen Regulierungs-anstrengungen andererseits mehr und mehr zur Institutionalisierung verhalf.

In New Orleans wurden von der Gesetzgebung des Staates Louisiana das Crescent City Livestock Landing und die Slaughter-House Company außerhalb des Stadtgebietes gegründet. Diesen Companys wurden per Charter bestimmte Aufgaben übertragen. Die entsprechende Satzung wurde am 8.3.1869 erlassen und enthielt folgenden Passus:

„An act to protect the health of the city of New Orleans, to locate the stock landings and slaughterhouses, and to incorporate the Crescent City Livestock Landing and Slaughter-House Company“ (Cornell University Law School 2007, S. 1).

Darin wurde unter anderem festgelegt, dass die Metzger der Stadt kein Vieh mehr bei sich schlachten durften, sondern dies in den neu gegründeten Companys ge-gen ein Entgelt tun mussten. Die neu gegründete Corporation – eine aus 17 Per-sonen gebildete Schlachthofgesellschaft – erhielt die exklusiven Vorrechte eines 25-jährigen Monopols für das Be- und Entladen von Mississippi-Viehtrans-porten, die Bereithaltung von Schlachtvieh und schließlich das Schlachten selbst

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3.1 Vor dem „Santa Clara-Urteil“ 137

(vgl. Ehmke ebd., S. 282). Alle anderen Lagerhäuser und Schlachthäuser in den Gemeinden Orleans, Jefferson und St. Bernard sollten geschlossen werden (vgl. ebd.). Die Metzger reichten daraufhin Klage ein, in der sie behaupteten, dass der Company eine Monopolstellung eingeräumt worden sei und damit eine kleine Anzahl an Personen auf Kosten vieler anderer exklusive Rechte erhalten habe. Eine große und „verdienstvolle Klasse von Bürgern“ (Cornell University Law School 2007, S. 1 ff.), die Metzger der Stadt, würden des Rechtes beraubt, ihr Gewerbe auszuüben, von welchem sie und ihre Familien abhingen. Außerdem sei zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Bevölkerung die unbeschränkte Aus-übung des Geschäftes notwendig (vgl. ebd.). Die Metzger seien, so deren Anwäl-te weiter, in eine „unfreiwillige Knechtschaft“ (ebd.) geraten. Mit diesem Begriff spielten sie direkt auf den 13. Zusatzartikel der Verfassung an, der Sklaverei und Zwangsarbeit verbot. „Vorrechte … von Bürgern [also ihre eigenen; T. M.] der Vereinigten Staaten“ (ebd.) seien beschnitten worden. Zudem werde ihnen der gleiche Schutz der Gesetze verweigert; sie würden gleichsam ihres Eigentums ohne Gesetzesprozess beraubt (vgl. ebd.). Somit, so die Kläger weiter, stellten die Vorrechte, die der Schlachthaus-Company per Charter zugekommen seien, einen Verstoß gegen wesentliche Inhalte des 13. (Verbot von Sklavenarbeit, s. vorn) und des 14. („equal protection clause“; vgl. Kap. 3.2) Zusatzartikels der Verfassung der Vereinigten Staaten dar (vgl. Labbé/Lurie 2003, S. 207 ff.; Pat-terson 2005, S. 199 ff.).

Das Gericht wies die Punkte am 14.04.1873 zurück. Bei den an diesem Fall beteiligten Richtern war die Sachlage jedoch sehr umstritten und die Urteilsbe-gründung kam nur mit einer knappen Mehrheit (5 zu 4) zustande (vgl. Lab-bé/Lurie ebd.; McCloskey 1960, S. 118 ff.). Zum Argument der Metzger, dass ihre freie Gewerbeausübung rechtlich entzogen worden sei – die Ausübung des Gewerbes galt für die Metzger wohl plausiblerweise als ihr „Eigentum“ im Sinne eines Rechts auf etwas – führte das Gericht aus, es habe lediglich den Ort der Gewerbeausübung festgelegt. Die neu gegründete Company zerstöre auch nicht das Geschäft der Metzger. Zur Frage, ob denn der Staat Louisiana überhaupt das Recht habe, festzulegen, an welchen Orten geschlachtet werden dürfe, antwortete das Gericht mit dem Argument der so genannten Polizeimacht („police power“). Diese Macht könne nicht genau definiert werden, aber von ihr hingen die Sicher-heit der Gesellschaftsordnung, das Leben und die Gesundheit der Bürger, der Genuss des privaten Lebens etc. ab. Zum Schutze der Gesundheit und zum Woh-le der Allgemeinheit könne, so das Gericht weiter, das Schlachten in dicht besie-delten Räumen untersagt werden. Die Regulierung der Orte und die Art und Wei-se, das Schlachten von Tieren durchzuführen, gehöre zur Polizeimacht des Staa-tes Louisiana (vgl. Cornell University Law School ebd.). Ehmke merkt dazu an,

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138 3. Corporations in der Rechtsprechung zu US-amerikanischen Zusatzartikeln –…

dass die police power eine Verbindung kennzeichne zwischen der den Einzelstaa-ten verbleibenden Regierungsgewalt einerseits und einer zulässigen Grundrechts-einschränkung (durch das Interesse der öffentlichen Wohlfahrt begründet) ande-rerseits (vgl. Ehmke ebd., S. 131 f.). Schärfer müsste man im Prinzip an dieser Stelle formulieren, dass ein Grundrecht von Bürgern – das der Metzger auf freie Berufsausübung – zugunsten einer Corporation eingeschränkt worden war60. Patterson bemerkt dazu: „[Man] verbog … den vierzehnten Verfassungszusatz bis zur Unkenntlichkeit, indem man

das Dogma des dualen Bürgerrechts erfand. Danach genoß der einzelne, dessen „Privilegien und Immunitäten“ (es ist bemerkenswert, daß der Verfasser der Bill auf diese mittelalterli-chen Ausdrücke zurückgegriffen und nicht einfach von „Rechten“ gesprochen hatte) in sei-ner Eigenschaft als Bundesbürger [der USA; Anm. T. M.] geschützt waren, nicht notwendig auch als Bürger eines Bundesstaates solchen Schutz; dieser hänge vielmehr „von unter-schiedlichen Eigenschaften oder Umständen beim einzelnen“ ab“ (Patterson ebd., S. 199 f.; Herv. im Orig.).

Zur Monopolstellung der neu geschaffenen (Sonder-) Corporation erklärte das Gericht, dass dies sehr wohl in der Befugnis des Gesetzgebers liege, denn der Gesetzgeber verfolge ja mit der Gründung der Corporation einen öffentlichen Zweck, eine Absicht. Die Corporation habe eine Aufgabe zu erfüllen. Und die ihr zugewiesenen Pflichten und Vorrechte, wie bspw. Schlachtung, Lagerung, etc. (vgl. vorn), seien klar definiert und gut überwacht.

Dass eine „persönliche Knechtschaft“ (Cornell University Law School ebd.) gemeint war, beweise sich, so das Gericht zum Vorwurf der Verletzung des 13. Amendments, durch den Gebrauch des Wortes „unfreiwillig“, welches sich nur auf Menschen beziehen könne. Die Frage nach den Vorrechten und Freiheiten der Bürger gestaltet sich für das Gericht dagegen diffizil; es argumentierte wie folgt: Jeder Einwohner der USA sei Bürger der Vereinigten Staaten und des Einzelstaates. Der Anspruch auf Vorrechte und Freiheiten, der sich in der US-Verfassung in Abschnitt 2 des 4. Artikels befindet, besagt Folgendes: „Die Bür-ger eines jeden Einzelstaates genießen alle Vorrechte und Freiheiten der Bürger anderer Einzelstaaten.“ Daraus leiteten die Richter ab, dass das Recht, Vorrechte und Freiheiten für Bürger zu definieren, bei den Einzelstaaten und nicht bei der

60 Mit dieser Sichtweise, so können wir McCloskey (1960) folgen, „ … verwies der Oberste

Gerichtshof die Frage der Rechte von Schwarzen [auf die sich ja nach herrschender Rechtsmeinung der 13. und 14. Zusatzartikel in ihrer Anlage hauptsächlich beziehen; Anm. T. M.] und damit ganz generell die Frage der Bürgerrechte auf einen weniger bedeutenden oder gar vernachlässigenswerten Rang“ (McCloskey 1960, S. 134 zit. nach Patterson 2005, S. 200).

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3.1 Vor dem „Santa Clara-Urteil“ 139

Bundesregierung liegen müsse (vgl. ebd.). Und das hätte der Staat Louisiana in diesem Falle ja getan. Es handelt sich dabei also um eine weitere Verstärkung des Polizeimacht-Arguments.

1879 erhielt Louisiana eine neue Verfassung, die in corporate charters (mit Ausnahme der Eisenbahncharters) gewährte Monopole im Allgemeinen und Schlachthofmonopole im Besonderen aufhob. Der Supreme Court hielt die Auf-hebung des Monopols jetzt für zulässig: Konsequenterweise wurde innerhalb der Mehrheitsmeinung wieder mit vorn genannter police power argumentiert.

Zusammengefasst markieren der Dartmouth-Fall und die Slaughterhouse-Fälle den organisationstheoretisch bedeutsamen Sachverhalt, die Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Gesetzgebung und den so genannten „corporate rights“ in den USA: Vermittels der Frage der Zulässigkeit allgemeiner police power-Regulierungen (vgl. Ehmke ebd., S. 239) begründet der Staat Inkorporie-rungen oder Löschungen von Organisationen jeweils mit demselben Motiv, die Regulierungsgewalt über Corporations behalten zu wollen. Damit ist ein zentraler Aspekt, der auch viele weitere der im Folgenden noch darzulegenden Fälle durchziehen wird, markiert: Es geht um die Rolle des Staates als zentrale Herr-schaftsinstanz der modernen Gesellschaft (vgl. Türk et al. 2006, S. 114 ff.). Bei-de Fälle garantieren noch nicht direkte verfassungsgemäße Rechtsakte der Aner-kennung von Zusatzartikeln für Corporations, allerdings wird der Weg dazu be-reitet. Oberflächlich erscheint es so, dass der Dartmouth-Fall Corporations be-günstigte (durch die Setzung, nicht ex post in Charters hineinregieren zu können) und die Slaughterhouse-Fälle die Corporations im Prinzip zunächst stärkten (durch Monopol-Gewährung) und sie sie dann schwächten (durch die Anti-Monopol-Maßnahmen im Rahmen der Polizeimacht). Allerdings kann bei einer zweiten Betrachtung nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die korporative Form ja auch in den staatlichen Instanzen repräsentierte: Die abstrakte Vorstel-lung, die Corporations oder den (Einzel- oder Bundes-) Staat als Einheit, als Ganzes wahrzunehmen, markiert einen wichtigen Schritt im Prozess der Etablie-rung der korporativen Form. Zudem wurden gleich zwei Zusatzartikel – der 13. und der 14. – nicht nur von Seiten der Corporations in ihren Argumentationen vor Gericht explizit benannt, so dass die Richter in ihren Begründungen auch explizit darauf eingehen mussten.

Der nächste hier behandelte – für diese Arbeit zentrale – Fall wird zeigen, dass es dem „corporate business“ (Ehmke ebd., S. 285) zunehmend gelingen wird, verfassungsrechtliche Schutzrechte zu erlangen und sich damit weiteren staatlichen Regulierungsabsichten und -maßnahmen zu entziehen.

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140 3. Corporations in der Rechtsprechung zu US-amerikanischen Zusatzartikeln –…

3.2 Das „Santa Clara-Urteil“ – Steuerstreit, Verschwörungstheorie oder „equal protection“ innerhalb des „due process of law”?

[Fall 3: Santa Clara County v. Southern Pacific Railroad Co. (1886)] Der nun folgende Fall ist, wenn auch nicht der erste, so doch der zentrale Fall innerhalb der Falldarstellungen dieser Arbeit. Im Rechtsstreit Santa Clara Coun-ty v. Southern Pacific Railroad (1886) – im Folgenden Santa Clara-Urteil ge-nannt – ließ sich die Southern Pacific Railroad Co. in einem (eigentlichen Kör-perschaftssteuer61-) Präzedenzfall von prominenten Rechtsanwälten vertreten. Klagegegenstand war die Auffassung der Railroad Company, dass der County Santa Clara das Unternehmen ungerecht besteuert habe, da der Bezirk Santa Clara die Steuern gemäß eines Unternehmenswertes taxiert habe, der nicht nur die Züge und die Bahnschienen als Eigentum einschloss, sondern auch die Gebie-te um die Zäune sowie die Zäune selbst, welche ja dem County Santa Clara zuzu-rechnen seien. So ergebe sich ein überhöhter Grundwert, von dem aus taxiert werde. Niemand sonst (keine andere Person), so die Anwälte, werde auf diese Weise taxiert. Zudem, so die Railroad-Anwälte, habe ja der Bundesstaat und nicht der County die Höhe der Steuern abgeschätzt – aus diesem Grund hatte die Bahngesellschaft gar keine Steuern gezahlt (vgl. Hartmann 2002, S. 99). Im Grunde, so merkt Horwitz (1987) an, sei es darum gegangen, korporatives Eigen-tum anders zu besteuern als individuelles Eigentum. Der gesamte Aufwand der Anwälte der Company konzentrierte sich (obendrein) nun darauf, die zu viel gezahlten Steuern früherer Jahre zurückgezahlt zu bekommen. Hartmann (2002) führt aus, dass der Fall eigentlich ein einfacher Steuerfall gewesen sei. Die An-wälte der Bahn hätten im Prinzip bis dato gar nichts zu tun gehabt mit Menschen-rechts-, Verfassungs- oder Körperschaftsfragen. Trotzdem verbrachten sie viel Zeit ihrer Verteidigung damit zu argumentieren, dass bisher Corporations höchs-

61 In den USA fußt das Recht, eine Steuer auf Einkommen – 1913 im 16. Amendment geregelt

– zu erheben, auf dem Ansässigkeitsprinzip, welches die Steuerschuldhaftigkeit konstituiert (vgl. BPB 2006, S. 2 ff.). Dieses Amendment regelt, dass eine Einkommensteuerpflicht auf Bundesebene zu gelten habe. Dass bei Corporations Einkommensteuer – genauer eben: Körperschaftssteuer („Corporate Tax“) – generell (einzelstaatlich) erhoben werden darf, ist seit 1864 (zum Vergleich in Deutschland: seit 1920) möglich (vgl. Spindler 1993; Rasenack 1974). In Deutschland antwortete die Regierung einer Körperschaft Mitte des 19. Jhds. auf-grund einer Beschwerde, warum denn die Körperschaft überhaupt Steuern auf ihr Einkom-men entrichten solle, sehr klar: Der Kapitalgesellschaft sei vom Gesetz her das Recht einge-räumt worden, selbstständig Einkommen und Vermögen erwerben zu können, woraus die Einkommensteuerpflicht abzuleiten sei (vgl. Fecht 1980, S. 219).

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3.2 Das „Santa Clara-Urteil“ – … 141

tens als „künstliche Personen“ (ebd.), z. B. in Entscheidungen 1871 und 188262, gefasst worden seien, nun sei allerdings der Geltungsbereich des 14. Zusatzarti-kels betroffen, welcher ja die Rechte „natürlicher Personen“ (ebd.) kennzeichne und die Railroad Company sei eben wie eine solche zu fassen. Nun sei hier zu-nächst aufgeführt, was der erste von fünf Abschnitten des 14. Zusatzartikels ent-hält:

„Alle Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert sind und ihrer Ge-setzeshoheit unterstehen, sind Bürger der Vereinigten Staaten und des Einzelstaates, in dem sie ihren Wohnsitz haben. Keiner der Einzelstaaten darf Gesetze erlassen oder durchführen, die die Vorrechte oder Freiheiten von Bürgern der Vereinigten Staaten beschränken, und kein Staat darf irgend jemandem ohne ordentliches Gerichtsverfahren [„due process of the law“-clause63] nach Recht und Gesetz Leben, Freiheit oder Eigentum nehmen oder irgend jemandem innerhalb seines Hoheitsbereiches den gleichen Schutz [„equal protection“-clause] durch das Gesetz versagen“.

Dieser erste Abschnitt enthält im Kern drei wichtige Bestandteile, die man zu-nächst voneinander trennen muss, um sie dann wieder zusammenzusetzen: 1. Der Aspekt Grundrechte: Hier sind die universell schützbaren Grundrechte Leben, Freiheit und Eigentum genannt. 2. Der Aspekt, der das ordentliche Gerichtsver-fahren betont und 3. der Aspekt, der auf eine gleichförmige Schutzfunktion ab-stellt. Der 1. Aspekt der Grundrechte ist in seiner Praktikabilität (im Sinne einer Einhaltung bzw. Garantie) nur fassbar, wenn man die Verschränkung bzw. Be-deutung der beiden anderen Aspekte darlegen kann. Beginnen wir mit dem 2. Aspekt der ordentlichen Gerichtsbarkeit: Die Herkunft dieser Klausel ist be-kannt: Sie geht auf die „law of the land“-Klausel des 39. Kapitels der Magna Carta König Johanns aus dem Jahre 1215 zurück (vgl. Ehmke 1961, S. 269; Albert 1971, S. 153). Die Vorstellung des ordentlichen Gerichtsverfahrens („due process of the law“) ist älter als die Magna Charter; sie findet sich anstelle der „law of the land“-Klausel zum ersten Mal in einem Gesetz Edwards III. aus dem Jahr 1354. Von England dann wurde diese Klausel in die neuen Kolonien ge-bracht und später in einzelstaatliche Verfassungen übernommen. Die ursprüngli-che Bundesverfassung enthielt keine due process-Klausel, sie wurde aber 1791 durch den die Bundesgewalt beschränkenden 5. Zusatzartikel (vgl. Kap. 3.1 so-wie Kap. 3.4.3 und 3.4.5) hinzugefügt. Der 14. Zusatzartikel band dann auch die

62 Das betraf die „San Mateo cases“ bzw. „California Railroad Tax Cases“ der 1870/80-er

Jahre (vgl. weiter hinten). 63 Der Kern von due process, nämlich die Gewährung rechtlichen Gehörs, lässt sich bis in die

Antike zurückverfolgen, wo er als Axiom bereits von Aristophanes formuliert und im Latei-nischen seinen prägnanten Ausdruck in der Formulierung audiatur et altera pars gefunden hat (vgl. Albert 1971, S. 152 f.).

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142 3. Corporations in der Rechtsprechung zu US-amerikanischen Zusatzartikeln –…

Einzelstaaten an den due process of law (vgl. Ehmke ebd., S. 270). Der obige Passus ist nun so interpretierbar, dass der 14. Zusatzartikel also nur den Staat und nicht den einzelnen Bürger bindet (vgl. Currie 1988, S. 56). Die Verfassung in den USA genießt Vorrang vor Einzel- und bundesstaatlichen Bestimmungen, egal welcher Instanz der Gewaltenteilung diese zuzuordnen sind.

Zum 3. Aspekt der gleichen Schutzfunktion: Horwitz spezifiziert diesen, in-dem er die Argumentation der Anwälte insofern weiter darlegt, als dass jene vorgebracht hätten, der 14. Zusatzartikel schütze nicht irgendwelche abstrakten korporativen Eigentumsrechte, sondern im Prinzip doch die – individuellen – Rechte der Teilhaber. Die Anwälte hätten gleichsam argumentiert, die korporati-ven Rechte könnten nicht von Rechten der Individuen getrennt werden, die ja gerade die Corporation bildeten. Damit machten sich die Anwälte einer aus na-turrechtlichen Gedanken abgeleiteten Doktrin der „vested rights“ zunutze, derzu-folge bestimmte unveräußerliche Rechte des Individuums, wie das Recht auf Freiheit und ungestörten Besitz, von keiner Staatsgewalt beeinträchtigt werden dürften (vgl. Albert ebd., S. 157). Hartmann stellt klar, dass es im Kern nie um die Eins-zu-Eins-Gleichheit zwischen natürlichen Personen und Corporations gegangen sei, sondern um die Gleichheit innerhalb einer (jeweiligen) „Klasse“: Im 14. Zusatzartikel bildeten (schwarze) „Männer“ die gleiche Klasse – analog stellten Corporations an sich eine einheitliche Klasse dar, sie genössen folglich gleiche Schutzrechte, eben „equal protection“.

Jetzt wird es wieder möglich, die drei zentralen Aspekte dieses Abschnitts des Zusatzartikels verkürzt zusammenzudenken: „Niemand darf … ohne ordentlichen Gerichtsprozess … irgendeiner Person … den gleichen Schutz versagen.“

Die gesamte Literatur, die zu diesem Thema zu finden ist, bietet vielfachen Interpretationsraum dieses Zusatzartikels; sie enthält allerdings zumindest eine Gemeinsamkeit: Niemand bezweifelt heute mehr, dass es bei diesem 14. Zusatz-artikel um die verfassungsgemäße Gleichstellung von Farbigen und Weißen in den USA (daher: „equal protection clause“) gegangen sei, die mit dem In-krafttreten dieses Amendments nun also auch Bürger sein konnten (vgl. Ehmke 1961, S. 297). Mit keiner Silbe tauchen Corporations – auch nicht nur umschrie-ben oder mit anderen Begriffen wie bspw. Unternehmung, Company o. ä. verse-hen – in diesem Zusatzartikel auf. Und dennoch war dem Anschein nach allen Beteiligten des Santa Clara-Urteiles offenbar klar, dass Corporations sehr wohl die Urteilsbegründung der Richter – sagen wir vorsichtig – beeinflusst haben. Wie allerdings die Urteilsverkündung und deren Rezeption verliefen, ist unab-hängig von sachlichen Urteilsbegründungen als spektakulär und für unser Thema als besonders bedeutsam anzusehen. Der Chef-Richter Waite erklärte die gewich-tigste Feststellung in Bezug auf Corporations unmittelbar vor Verkündung des

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3.2 Das „Santa Clara-Urteil“ – … 143

Urteils mündlich und außerhalb des Protokolls den Railroad-Anwälten: Das Ge-richt wolle keine Argumente hören, ob Corporations unter die Klauseln des 14. Zusatzartikels fielen oder nicht, es sei der Auffassung, die Corporations fielen darunter. Der Gerichtsreporter J. C. Bancroft Davis, der diese mündliche Äuße-rung aufzeichnete, vermerkte, dass das Gericht keinerlei weitere gesetzliche Be-gründung gegeben habe. Davis wird später seine Aufzeichnungen an den Chef-Richter Waite senden und ihn um Stellungnahme bitten, ob er die Sache korrekt wiedergegeben habe, da er sie in der 118. Ausgabe der U. S. Reports veröffentli-chen wolle. Waite bestätigt lediglich, dass die entsprechenden Äußerungen vor der Gerichtsverhandlung gefallen seien. Waite überlässt allerdings die Interpreta-tion bezüglich etwaiger Verfassungsfragen ganz Davis (vgl. Allison 2005, S. 5). Entsprechende Davis-Aufzeichnungen hatte Hartmann einer Recherche der Gerichtsakten des Supreme Courts von Oktober 1885 bis Oktober 1886 ent-nommen. Hartmann stellt noch einmal klar: „It was in the headnotes“, womit er wohl den Anmerkungs- bzw. Zusatznotiz-Charakter der Davis-Aufzeichnungen verstärken will64. In der Urteilsbegründung ist vom 14. Zusatzartikel keine Rede mehr. Der US-amerikanische Satiriker Matt Wuerker65 hat zahlreiche Corporati-ons-kritische Karikaturen gezeichnet und behandelt auch die im Santa Clara-Urteil enthaltene „equal protection“-Problematik in einem Cartoon aus dem Jahre 2003: Mit diesem Urteil spannten die Richter einen schützenden Schirm über die Corporations, die „Normalbürger“ dagegen blieben im Regen stehen.

64 Erst 1906 wird der Supreme Court die „headnotes“ der Davis-Aufzeichnungen für rechtlich

unbedeutend erklären und sogar explizit darauf hinweisen, dass die Santa Clara-Entscheidung keine einmütige war (vgl. Allison 2005, S. 6).

65 Wuerker stellt der Corporations-kritischen Bewegung (vgl. Kap. 2.1.3) viele seiner Cartoons zur Verfügung (s. http://www.newsart.com/mw/personal/wuerker.htm).

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144 3. Corporations in der Rechtsprechung zu US-amerikanischen Zusatzartikeln –…

Abb. 7: „Equal protection“

Quelle: http://www.poclad.org/illustration3.php In der Urteilsbegründung selbst lehnte das Gericht den Einspruch des Countys Santa Clara, dass die Railroad zahlen müsse, ab und bestätigte, dass der Staat ohne rechtliche Grundlage das Gebiet inklusive der Zäune besteuert habe (vgl. Hartmann ebd.). Dieses wiederum hatte wohl die Railroad-Anwälte darin be-stärkt, massiv mit den beiden Aspekten des 14. Zusatzartikels zu argumentieren, die sich auf die Grundrechte (1. Aspekt, vgl. vorn) und den Gleichheitsschutz (3. Aspekte, vgl. vorn) bezogen. Den 2. Aspekt, den des ordentlichen Gerichtsver-fahrens, brauchten sie gar nicht mehr anführen – denn dieser war ihnen ja ge-währt worden. Obwohl es zwar nicht explizit um „Corporations as persons“ im Urteil gegangen war, wurden durch den Supreme Court die beiden wichtigen Passagen des 14. Zusatzartikels, dass nämlich nun auch keine Corporation ihres Eigentums (sprich: eine Zahlung von Steuerung aus ihrem Vermögen) „beraubt“ werden dürfe ohne Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes des „equal protection“-clause (sprich: nicht sachgerechter weil nicht analog zu natürlichen Personen erfolgter Taxierung). De facto kann damit das Santa Clara-Urteil als durchaus wichtiger Referenzpunkt gelten, in seiner Gesamtheit – die Gewährung eines

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3.2 Das „Santa Clara-Urteil“ – … 145

ordentlichen Gerichtsprozesses sowie der Schutz des Eigentums von Corporati-ons analog zu natürlichen Personen als verfassungsmäßig anerkennungswürdig zu fixieren –, den 14. Zusatzartikel für Corporations nutzbar gemacht zu haben.

In damaligen Tageszeitungen wurde auch mit keinem Wort erwähnt, dass es im Santa Clara-Urteil um Verfassungsfragen gegangen sei. Stattdessen berichte-ten die Zeitungen, der Supreme Court habe den Fall aufgrund eines kleinen tech-nischen Fehlers der kalifornischen Gleichstellungsbehörde zugunsten der Rail-road Company entschieden (vgl. Allison 2005, S. 6).

Horwitz merkt hierzu an, dass insgesamt der durch das Verfahren – und eben nicht durch das Urteil – mittransportierte Topos, Corporations wie eine „natürli-che Entität“ bzw. „reale Entität“ zu fassen, nirgends vorher in der amerikanischen Rechtsgeschichte zu finden gewesen sei (vgl. Horwitz ebd.).

Dass nun das Santa Clara-Urteil aus dem Jahr 188666 eben nicht als der Be-ginn einer solchen Institutionalisierungswelle ausgemacht werden kann, belegen auch Hartmanns Verweise auf die so genannten „San Mateo cases“ bzw. „Cali-fornia Railroad Tax Cases“ der 1870/80-er Jahre. Die Eisenbahngesellschaften führten offenbar seit dem Inkrafttreten des 14. Zusatzartikels 1868 bis zum Santa Clara-Urteil 1886 zahlreiche Prozesse auf der Basis der Argumentation, unter-schiedliche Corporations würden in verschiedenen Bundesstaaten auch noch unterschiedlich besteuert und damit würden unterschiedliche „Klassen von Per-sonen“ (Hartmann ebd., S. 91) geschaffen, es erfolge gar illegale Diskriminierung der „Personen der Corporations“ (ebd.). Keine dieser Klagen hatte Erfolg (vgl.

66 Das Legal Information Institute (LII), eine Einrichtung der Cornell University Law School,

führt eine Liste über „Historische Supreme Court-Entscheidungen“: Das Santa Clara-Urteil fehlt übrigens gänzlich (vgl. http://www.law.cornell.du/supct/ cases/name.htm; Zugriff: 04.03.2006). Auch der von Fairman (1971) herausgegebene 6. Band (als Teil von P. A. Freunds Gesamtausgabe „History of the Supreme Court of the United States“) befasst sich zwar mit dem 14. Zusatzartikel, allerdings rein unter dem Aspekt der Einordnung der ein-zelnen Passagen des Zusatzartikels in den Gesamtzusammenhang des vom US-Kongress 1866 erlassenen „Civil Rights Act“. Dieser sollte allen in den Vereinigten Staaten gebore-nen Personen die Bürgerrechte gewähren. Der Act galt auch für Schwarze, jedoch nicht für Indianer (vgl. Fairman 1971, S. 1207 ff.). Viele der Auseinandersetzungen um Bürgerrechte für „Personen“, so auch Corporations, rankten sich in den USA allerdings um den Gleich-heitsschutz, der in den Zusatzartikeln (v. a. dem 5. und dem 14.) angezeigt war und nicht um den, der bspw. durch den „Civil Rights Act“ gewährt werden sollte. Letzterer ist näm-lich eindeutig als Exekutivakt, als Regierungshandeln, zu identifizieren. Das juristische und politische Bewusstsein in den USA erachtet allerdings die Verfassung als höher-rangige Re-ferenz im Vergleich zu staatlichen Regierungsakten – die Verfassung kommt vor dem Staat (vgl. Kap. 4.1.).

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ebd., S. 91)67. Es muss allerdings an dieser Stelle dem Corporations-kritischen Hartmann entgegen gehalten werden, dass diese Eisenbahnfälle vielleicht nicht vermochten, den Eigentums-Passus (sprich: ungleiche Besteuerung) für Corpora-tions in Anspruch nehmen zu können. Ehmke (1961) zeigt dagegen sehr klar auf, dass das in Bezug auf das Santa Clara-Urteil stets angeführte Argument, Corpo-rations verfassungsrechtlich wie natürliche Personen fassen zu können, sei den Rechtsinterpretationen der berühmten o. b. Vorrede des Richters Waite zuzu-schreiben, im Prinzip widerlegt werden kann: Ehmke erläutert, dass es für den Chief Justice Waite offensichtlich außer Frage gestanden habe, dass der Eigen-tumsschutz auch Corporations zugute komme. Waite habe in einer der ersten Eisenbahnentscheidungen (1877) erklärt: „This company, in transaction of its business, has the same rights and is subject to the same control as private indi-viduals under the same circumstances” (Chicago B. & Q. R. Co. v. Iova, 94 U. S. (1877) zit. nach Ehmke ebd., S. 295). Zwei Jahre später habe Waite in den „Sinking Fund Cases” (1878/79) ausgeführt, das Federal Government sei ebenso wie die Einzelstaaten „prohibited from depriving persons or corporations of property without due process of law” (99 U. S. zit. nach Ehmke ebd.)68.

Im Folgenden soll der Blick auf die in der Literatur genannten Personen ge-richtet werden, die im Zusammenhang mit der schrittweisen Etablierung von Corporations-Rechten vermehrt genannt werden. Es handelt sich um den Anwalt Conkling, den Richter Field – ein am Santa Clara-Urteil beteiligter, für die Min-derheitsmeinung votierender Richter – und den Wissenschaftler Pomeroy.

Graham (196869) zeigt auf, dass Roscoe Conkling, ein bedeutender Railroad-Anwalt, vorher Mitglied eines Kongress-Komitees gewesen sei, welches für die Entwürfe zum 14. Zusatzartikel verantwortlich war. Graham führt aus, dass Conkling in diesem Komitee federführend gewesen sei. Conkling habe zum Bei-spiel damit, dass unter „Person“ auch stets „Corporation“ implizit mitgemeint gewesen sei, nicht unwesentlich zur Etablierung einer bestimmten Sprachrege-lung beigetragen, die sich mehr und mehr verfestigt habe. Ebenso, so argumen-

67 Streng genommen hätten diese Fälle auch bereits im vorangegangen Kapitel genannt werden

können, allerdings scheinen sie mir hier im Zusammenhang mit der „Startpunkt-Problematik“ besser aufgehoben zu sein.

68 In zwei weiteren Fällen 1885 sei das Gericht ebenfalls – hier allerdings wiederum „still-schweigend“ – davon ausgegangen, dass die im substantiellen Sinne verstandenen Klauseln – also bspw. Eigentum – auf Corporations anwendbar seien, und zwar in den Fällen Mis-souri P. Ry. Co. v. Humes (115 U. S. 512) und Cincinnati N. O. & T. P. R. Co. v. Kentucky (115 U. S. 321 (vgl. Ehmke 1961, S. 296).

69 Graham hatte die in dieser Aufsatzsammlung enthaltenen Beiträge ursprünglich bereits 1938 im Yale Law Journal platzieren können.

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3.2 Das „Santa Clara-Urteil“ – … 147

tiert Graham weiter, hätten die stetigen Hinweise des Komitees, auf die „drin-genden Bitten“ der Corporations bzgl. der Abwehr von zu starker staatlicher Kontrolle zu reagieren, den Corporations praktisch den Weg bereitet, sich später auch erfolgreich auf den 14. Zusatzartikel beziehen zu können: Überall in den Entwürfen des Zusatzartikels sei „equal protection“, also gleicher Schutz für alle, gefordert worden, und zwar – und darum hatte sich Conkling wohl in mehreren Entwürfen, Papieren und Statements bemüht – für alle „Personen“ und nicht alle „Bürger“: Denn der Ausdruck „citizen“ hatte offenbar eher die öffentlichen De-batten bestimmt, weswegen der Begriff wohl auch im Conkling-Zitat der Zeitung (die ihn vielleicht falsch zitierte?) auftaucht (vgl. Graham ebd., S. 32 ff.). Den Bürger-Terminus hatte er offenbar für den Schutz allgemeiner politischer Rechte reservieren wollen, um den Schutz von Personen schärfer auf u. a. deren Eigen-tum beziehen zu können, wie folgendes Zitat belegt:

„The Committee proceeded to the consideration of the following amendment ... proposed by the sub-committee, on the basis of representation: 'Congress shall have power to make all laws necessary and proper to secure to all citizens of the United States in each State the same political rights and privileges, and to all persons in every State equal protection in the enjoyment of life, liberty and property'“ (Argumentation Conklings im Artikel „When the Bay Bridge Was a Joke“, San Francisco News, 27.08.1934, S. 15 zit. nach Graham 1968, S. 40; Herv. i. Orig.).

Graham scheint es ganz besonders wichtig zu sein zu betonen, dass Conkling sich bei der Wiedergabe dieser Äußerung offenbar selbst zitiert, und zwar aus dem Text der San Francisco News. Allerdings habe im Zeitungstext niemals die Pas-sage „ ... on the base of representation ... “ gestanden, das habe er, Conkling, wohl eingefügt, um das von ihm geschaffene Sub-Komitee als Autor einer derar-tigen Formulierung erscheinen zu lassen. Conkling hatte wohl damit zu ver-schleiern versucht, dass das gesamte Komitee gar nicht so eine starke Lesart in Richtung „Person“ beabsichtigte (vgl. Graham ebd., S. 40). Allerdings berichtet Graham im weiteren Verlauf seiner Ausführungen davon, dass im Prinzip nie-mand, nicht das Komitee, nicht das Sub-Komitee oder auch sonst niemand, das Wort „citizen“ gebraucht habe, sondern von Anfang an überall „person“ zu fin-den war (vgl. ebd., S. 42). Es bleibt m. E. insgesamt unklar, ob nun die Zeitung falsch zitiert hat, Conkling etwas anderes gesagt hat, Conkling im Nachhinein „person“ und „citizen“ bewusst mit den vorn genannten Konnotationen heraus-stellen wollte oder nicht. Festgehalten werden muss allerdings, dass Conklings Handlungen dahingehend gedeutet werden können, die eher nüchterne „person“-Semantik, die sich ja in ihrer Ursprungsform auf die Gleichberechtigung von Schwarzen bezog und erst im Nachhinein ihre „citizen“-Aufladung erhielt, nicht

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148 3. Corporations in der Rechtsprechung zu US-amerikanischen Zusatzartikeln –…

nur für die Anwendung auf Corporations institutionalisiert zu haben, sondern sie auch in den Gleichstand zu eben dieser eher freiheitlichen, selbstbestimmenden „citizen“-Semantik – und welche somit stärker nicht-ökonomische und allgemei-ne Privilegien assoziierte (vgl. ebd., S. 417) – erhoben zu haben. Corporations nun wie natürliche Personen zu fassen und sie dann – nahezu logisch – mit Bür-gerrechten ausstatten zu wollen bzw. zu können, dieser Assoziation hatte Conk-ling einen guten Dienst erwiesen. Graham geht in seinen weiteren Ausführungen so weit, von einer so genannten „Conspiracy Theory“ zu sprechen: Seine These ist zunächst, dass Conkling und seine Kollegen im Rahmen ihrer Tätigkeit für das Komitee – ersterer war wie gesagt später als Rechtsanwalt für die Bahngesell-schaften tätig – im Auftrag gehandelt hätten: „ ... in drafting the due process and equal protection clauses, intentionally used the word „person“ in order to include corporations” (ebd., S. 70; Herv.: T. M.).

Graham meint, dass der „equal protection”-Clause in „ ...the whole range of national economy” (ebd.) hineingebracht werden sollte. Wenn Graham allerdings von Konspiration im Sinne einer Verschwörung oder wenn auch nur abgemildert als geheimer Absprache – und wenn ja, zwischen wem? – spricht, kann das le-diglich als Spekulation bezeichnet werden. Genauso gut könnte man argumentie-ren, dass ja gerade das Wesen einer geheimen Absprache in ihrer Geheimhaltung liege. Auch wenn man nun eindeutige kausale Motivationen Conklings nicht kennt und auch im Nachhinein nicht mehr herausfinden kann, so lassen sich doch zumindest Indizien ausmachen: Neben dem vorn dargestellten Pro-Corporations-Verhalten des Politikers und späteren Railroad-Anwaltes Conkling könnte man von einer Absprache sprechen, die Conkling gleichsam mit sich selbst traf: Plau-sibel erscheint doch, dass er zum Zeitpunkt der Mitgliedschaft im Entwurfskomi-tee des 14. Zusatzartikels seine späteren Anwaltsaktivitäten bereits im Visier und Kontakte zu Railroads geknüpft hatte. In jedem Fall hat Conklings Wirken die berühmte ausdrückliche Vorrede des Santa Clara-Urteils deutlich mit provozieren geholfen und wohl auch unzweifelhaft beeinflusst (vgl. Ehmke ebd., S. 296).

Ein am Santa Clara-Urteil beteiligter Richter wird von Allison in die Ver-schwörungsdiskussion eingebracht. Richter Stephen J. Field – neben dem o. g. Chief-Richter Waite eine der zentralen Richter-Figuren des Falles – hatte lange Jahre Anti-Corporations-Urteile gefällt und sogar im Santa Clara-Urteil ein Min-derheiten-Votum abgegeben (vgl. Allison ebd., S. 6; Nace ebd., S. 105 ff.). Sein Urteilsspruch 1889, also nur drei Jahre nach Santa Clara, im Fall Minneapolis & St. Louis Railroad Co. v. Beckwith (129 U. S. 26), stellt dagegen unmissver-ständlich fest, „ ... that corporations are persons within the meaning of the clause [14. Zusatzartikel; T. M.] in question ... ” (ebd.). Zudem fällt Fields Neigung auf, gegen die jeweilige Mehrheitsmeinung seiner Richterkollegen ein Veto einzule-

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3.2 Das „Santa Clara-Urteil“ – … 149

gen. Dieses zelebrierte er des Öfteren förmlich (vgl. ebd.). Auch war Field dafür bekannt, als Richter am Ninth Circuit Court eine Mehrheitsmeinung und gleich-zeitig als Supreme Court-Richter eine Minderheitsmeinung zu vertreten. Allison mutmaßt, dass Field die „selbstzerstörerischen Kräfte der Demokratie” (ebd., S. 7) fürchtete und im Fall Pollock v. Farmers Loan & Trust Co. (157 U. S. 429. 607) im Jahre 1895 – wohl nicht ohne Wut (vgl. ebd.) – entschied, dass vier Prozent Einkommensteuer für das beteiligte Unternehmen nicht verfassungskon-form seien und als „Anschlag auf das Kapital” (ebd.) lediglich einen „Krieg zwi-schen Arm und Reich” (ebd.) förderten. Graham berichtet von Fields zunehmen-den Frustrationen, weil der Supreme Court in vielen Fällen nicht eiliger und deutlicher pro Corporations entschied. Fields Absicht sei es gewesen, eine verfas-sungsgemäße Basis für einen laissez faire-Stil gegenüber den Corporations zu installieren, also genau das, was die Regierung eigentlich habe ausmerzen wollen (vgl. Graham ebd, S. 137 ff.). Als eine effiziente Taktik Fields, dieses Ziel zu erreichen, muss es wohl gedeutet werden, wenn er vermehrt Ninth-Circuit-Minderheiten-Voten mit Zusammenhängen zum 14. Zusatzartikel begründete70. Diese Politik Fields sollte als „Ninth Circuit law” berühmt werden (vgl. ebd.). Graham will sogar Ambitionen Fields ausgemacht haben, sich als Kandidat für das Präsidentschaftsamt der USA (für die Demokratische Partei) aufbauen zu lassen. Dies beweise auch ein zu diesem Zwecke auf einer Versammlung der Demokraten 1880 ausgelöster „Field-for-President“-Boom. Allerdings seien etwaige Hoffnungen Fields auf das Präsidentenamt spätestens 1884 zerstoben, nachdem sich verärgerte Bauern- und Arbeiter-Aktivisten gegen die Eisenbahn-gesellschaften aufzulehnen versuchten und es sogar schafften, eine Haltung der Ablehnung der Präsidentschaftsaspirationen Fields bei den Demokraten zu plat-zieren (vgl. ebd.). Doch Field sei weiter mit seiner Ninth-Circuit-Law-Politik – also einer langsamen Etablierung von Minderheitsvoten, die Corporations mit den Rechten des 14. Zusatzartikels in Verbindung bringen – hausieren gegangen (vgl. Nace ebd.). Er konnte wohl nicht ahnen, dass der Gerichtsreporter Davis diese Politik, die beinhaltete, Corporations wie natürliche Personen zu fassen, eines Tages indirekt in seine „headnotes” zum Santa Clara-Urteil aufnehmen würde (vgl. ebd.).

Ein weiter „Schlüsselspieler” (Allison ebd., S. 9) war der Professor für Kommunalrecht, John Norton Pomeroy. Als einflussreicher Rechtswissenschaft-ler galt er als enger Freund und Unterstützer von Richter Field. Dieser wiederum

70 Bspw. die Granger and Sinking Fund Cases (u. a. 99 U. S. 700; 1878/79) (vgl. Graham

ebd., S. 135).

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drängte offensichtlich verstärkt seine „Railroad-Freunde” (ebd.), Pomeroys recht-liche „Dienste“ weiter in Anspruch zu nehmen. Pomeroy verfasste 1881 für die Eisenbahngesellschaften Dokumente, die als Argumentationsgrundlage, den 14. Zusatzartikel auf Corporations beziehen zu können, gelten konnten. Er erklärte, der Inhalt des 14. Zusatzartikels beabsichtige mehr zu schützen als farbige Men-schen (vgl. ebd.). Pomeroy wird dementsprechend auch zitiert mit einer weiteren wissenschaftlichen Wegbereitung für die Corporations: Die Richter hätten im Santa Clara-Urteil bewusst eine „beschränkte Sichtweise” (ebd.) eingenommen, um im Prinzip Minderheiten (in diesem Falle: Schwarze) schützen zu wollen, in anderen Urteilen später hätten sie diese Einschränkung aufgegeben (vgl. ebd.). Der 14. Zusatzartikel werde sich als Sicherung des „großartigen Eisenbahnsys-tems” (ebd.) des Landes und als Bollwerk gegen die destruktiven und enteignen-den Kräfte des Kommunismus erweisen (vgl. Graham ebd., S. 403). Und Fields Gerichtsentscheidungen in Bezug auf Corporations, so spekuliert Allison ab-schließend zu diesem Punkt, seien größtenteils durch die Anweisungen und Ent-würfe Pomeroys zustande gekommen (vgl. Allison ebd.). Das Indiz einer hand-festen Kooperationsbeziehung zur gesetzgebenden Instanz lässt sich bei Pomeroy also mindestens ausmachen.

Insgesamt lassen sich also die Effekte der Pro-Corporations-Aktivitäten aller drei hier genannten Protagonisten so zusammenfassen, dass sie dazu beigetragen haben, den 14. Zusatzartikel und seine „Gleicher-Schutz-für-alle“-Klausel in einen untrennbaren Zusammenhang gebracht zu haben. Von Verschwörung zu sprechen allerdings, ist m. E. etwas zu hoch gegriffen: Obwohl man von gehei-men Treffen nichts weiß, wären doch auch objektiv anführbare Gründe für eine derartige Konspiration zumindest zweifelhaft: Sollten es Geldzahlungen gewesen sein, Versprechen auf Posten (bspw. bei den Railroads o. ä.) bzw. Aufstiegschan-cen in Justiz oder politischen Parteien? Das erscheint doch ziemlich unwahr-scheinlich, waren doch alle drei Personen in recht kommoden ökonomischen wie gesellschaftlichen Positionen. Fields (mutmaßliche) Präsidentschaftsaspirationen bilden vielleicht eine Ausnahme. Das Motiv, die Corporations allgemein oder zumindest die Bahngesellschaften fördern zu wollen, bleibt fraglich. So könnte m. E. eher von einer indirekten Konspiration gesprochen werden: Es handelte sich vielleicht um Absprachen, die gar nicht getroffen werden mussten. Was pa-radox klingt, hat seinen substantiellen Kern; denn einerseits war das gesellschaft-liche Klima durchaus so, dass eine Politik-Sphäre, die alle gesellschaftlichen Bereiche kontrolliert, durchaus missbilligt wurde: Arbeiter und Bauern hatten durch ihren artikulierten Unmut gegenüber der Landnahme durch die Bahngesell-schaft Aufwind für die Demokraten geschaffen. Andererseits hatten m. E. alle drei Personen sehr wahrscheinlich gerade unterschiedliche bzw. individuell-

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3.2 Das „Santa Clara-Urteil“ – … 151

spezifische Motivlagen: Conkling wollte mutmaßlich eine organisationsfreundli-chere Gesetzgebung. Field war offensichtlich für eine weiter gefasste laissez faire-Rechtsprechung gegenüber zu starken staatlichen Regulierungen überhaupt eingetreten, die seine eigenen Regulierungssehnsüchte früherer Jahre wettmachen sollte. Pomeroy schließlich kann naivstenfalls eine Faszination für die Umset-zung seiner Ideen in juristisches Handeln unterstellt werden. Eine eher bösartige und gleichsam indoktrinatorische Lesart bezichtigte ihn der parteiischen Ein-flussnahme – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Vielleicht gab es sie also, die geheimen Absprachen zwischen den genannten Personen – vielleicht gab es sie zwischen Vertretern der verschiedenen Kreise bzw. Berufsgruppen etc. im Allgemeinen, man weiß es nicht. Warum sollten heu-tige Phänomene wie Lobbyismus und Korporatismus allerdings nicht bereits dort bestens funktioniert haben? Die Befürworter dieser These müssen sich m. E. aber vergegenwärtigen, dass die Verschwörung doch nur aufgehen konnte, wenn man einen weiteren gewichtigen konspirativen Teilnehmer mit hinzudenkt: J. C. Bank-roft Davis, den Gerichtsreporter des Santa Clara-Urteiles. Ihm war es doch schließlich gelungen, ein Faktum zu schaffen, zu dessen Zustandekommen die anderen Konspiranten – ob nun abhängig voneinander oder nicht – ihre jeweils eigenen Beiträge geleistet hatten: Die verfassungsgemäße Anerkennung, Organi-sationen wie natürliche Personen fassen zu können. Alles in allem lässt sich also die These einer Verschwörung eben nur als These formulieren, als Behauptung, für die es zwar einige Plausibilitäten gibt, die aber zusammengenommen zu schwach bleiben – erst recht kann daraus keine „conspiracy theory” gemacht werden. Es zeigt sich aber vor allem Eines: Das Santa Clara-Urteil hatte einen vorgelagerten historischen friktionsreichen Prozess, zu dem man das im vorange-gangen Kapitel 2 Geschilderte noch hinzudenken muss. Das Reden vom „Start-punkt” Santa Clara ist somit nicht haltbar.

Befürworter der „Start-These Santa Clara“ (z. B. Hartmann 2002, Nace 2003) haben allerdings formal recht: Erst nach dem Santa Clara-Urteil konnten sich Corporations wirkmächtig und konstitutionell abgesichert auf Rechte aus dem 14. Zusatzartikel berufen. Daher spricht Hartmann in diesem Zusammenhang von dem „entscheidenden Moment“ (Hartmann ebd., S. 95 ff.), obwohl es in dem Urteil überhaupt nicht um den vielbeschriebenen 14. Zusatzartikel ging. Ich stimme an dieser Stelle mit Nace darin überein, Santa Clara als „Referenzpunkt“ (Nace 2003, S. 24) zu begreifen: als das bekannteste und bedeutendste Beispiel, wie Corporations das Rechtssystem benutzen, sich besondere Privilegien zu er-schaffen (vgl. Nace ebd.). Organisationssoziologisch ist allerdings folgender Aspekt von besonderer Bedeutung, der sich im Santa Clara-Fall eindeutig zeigt: Durch „Verrechtlichung“ (Teubner 1984) und die dazu notwendigen gesellschaft-

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lichen Praxen der Formalisierung und Rationalisierung werden gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse verschleiert. Es ist in diesem Zusammenhang allerdings angebracht, zu differenzieren und zu systematisieren: Um die Chronologie des Diskursverlaufes richtig wiedergeben zu können, behalte ich die „Startpunkt-These Santa Clara“ von Hartmann und Nace zunächst in meiner Darstellung bei, um dann später noch einmal reflexiv zu ihr zurückzukehren. Nachdem nun zu-nächst das Santa Clara-Urteil dargestellt wurde, werde ich nun im Folgenden die einschlägigen Gerichtsfälle zur Inanspruchnahme korporativer Verfassungsrechte in chronologischer Reihenfolge präsentieren, sie in ihren Wesenszügen erläutern und soweit wie möglich Argumentationslinien in Bezug auf Organisation heraus-arbeiten; ein dazu passender verdichtender und interpretierender Analyseschritt folgt dann in Kap. 4.1. Nun stelle ich einen Fall vor, Plessy v. Ferguson (1896), der im Grunde den (zentralen) sachlichen Kern des 14. Zusatzartikels kennzeich-net: Die formale Gleichstellung von schwarzen und weißen Bürgern in den USA in Bezug auf Grundrechte aus der Verfassung.

3.3 „Zwischenfall“ Plessy – Der sachliche Kern des 14. Zusatzartikels:

Die schwarze „Personenklasse“ [Fall 4: Plessy v. Ferguson (1896)]

Der Fall Plessy v. Ferguson (1896) findet von Corporations-kritischer Seite sel-ten Erwähnung, da er nicht direkt Rechte von Corporations betrifft. Eine derarti-ge Sichtweise greift allerdings zu kurz: Dieser Fall ist sehr gut zur Kontrastierung von Bürger- und Corporations-Rechten geeignet (vgl. hierzu Nace 2003). Der Supreme Court hatte im Fall Plessy v. Ferguson darüber zu entscheiden, ob der so genannte Separate Car Act von 1890 des Staates Louisiana, der getrennte Abteile für Bürger weißer und schwarzer Hautfarbe in Eisenbahnzügen vor-schrieb, gegen die US-Verfassung verstoße. Einige Bürger Louisianas beschlos-sen, dieses Gesetz juristisch anzufechten. Sie gründeten dazu ein „Citizens’ Committee to Test the Constitutionality of the Separate Car Act“. Der schwarze Schuhmacher Homer Plessy sympathisierte mit dem Komitee und verletzte das Gesetz absichtlich, indem er bei einer Zugfahrt in einem für weiße Mitbürger vorgesehenen Bahnabteil platznahm. Des Weiteren unterstützte die Bahnbetrei-bergesellschaft East Louisiana Railroad Company das juristische Vorgehen ge-gen dieses Gesetz ebenfalls, wenn auch aus rein wirtschaftlichen Überlegungen. Albion Tourgée, ein bekannter weißer Bürgerrechtsanwalt aus New York, erklär-te sich bereit, den Fall ohne Honorar vor Gericht zu verhandeln. Er stütze sich

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auf den 14. Zusatzartikel und die darin enthaltene, für die Einzelstaaten verbind-liche „due process of law“-Formel (vgl. Santa Clara-Urteil vorn), welche ein Diskriminierungsverbot für freigelassene Sklaven vorsah. Der Supreme Court führte in seiner Entscheidung aus, dass die Rassentrennung keineswegs als ein Minderwertigkeits-Merkmal anzusehen sei. Am 18. Mai 1896 entschied das Gericht mit 7 zu 1 Richterstimmen (Minderheitenvotum von Richter Harlan), die Klage von Plessy abzuweisen, da die Bestimmungen des Gesetzes verfassungs-gemäß seien (vgl. Brugger 1993, S. 114 ff). In der Begründung dieser Entschei-dung hieß es unter anderem:

„[…] Dass der Separate Car Act nicht gegen den 13. Verfassungszusatz verstößt, der die Sklaverei und die Zwangsarbeit, außer als Strafe für ein Verbrechen, abschaffte, ist zu ein-deutig, um es zu begründen. […] Ein Gesetz, das lediglich eine rechtliche Unterscheidung zwischen der weißen und der schwarzen Rasse beinhaltet – eine Unterscheidung, die auf der Hautfarbe der beiden Rassen beruht, und die immer bestehen wird, solange weiße Men-schen von denen der anderen Rasse aufgrund ihrer Hautfarbe unterscheidbar sind – hat nicht die Absicht, die rechtliche Gleichheit beider Rassen zu untergraben. […] Das Ziel des 14. Verfassungszusatzes war ohne Zweifel, die absolute Gleichheit beider Rassen vor dem Gesetz durchzusetzen, aber es liegt in der Natur der Sache, dass es nicht das Ziel sein konn-te, auf der Hautfarbe basierende Unterschiede abzuschaffen, oder, im Unterschied zu politi-scher, soziale Gleichheit oder eine Vermischung der beiden Rassen durchzusetzen zu Bedin-gungen, die für beide unbefriedigend sind. […]“ (FindLaw 2007a; Übersetzung T. M.).

Mit dem vorn dargelegten Santa Clara-Urteil ist die (implizite) In-Person-Stellung von Corporations beschrieben worden, die bereits 1886 datierte (vgl. Kap. 3.2). Zehn Jahre später zeigt der Fall Plessy v. Ferguson dann, dass die Justiz sich nicht so verstanden wissen möchte, etwa eine Schwarzen-Diskrimi-nierung betrieben zu haben: Nein, man habe eine rechtlich separate Klasse ge-schaffen – und im Prinzip sind damit ja zwei rechtlich separate Klassen geschaf-fen worden, nämlich Schwarze und Weiße –, deren Separierung sich lediglich aus der unterschiedlichen Hautfarbe ergebe. Vor dem Gesetz (sprich: 13. Zusatz-artikel) seien natürlich alle Menschen gleichberechtigt: Jede Klasse bekommt ihr gleiches Bahnabteil.

Das Urteil hatte zunächst keine nennenswerten unmittelbaren Folgen. Eine möglicherweise zu erwartende breite Entrüstung in den Medien oder der Öffent-lichkeit blieb ebenso aus wie erwähnenswerte Proteste (vgl. ebd.).

Obwohl, wie vorn ausgeführt wurde, von einer Schwarzen-Diskriminierung gar nicht gesprochen werden kann, hatte die Entscheidung allerdings hinsichtlich ihrer weiterreichenden Konsequenzen dramatische Folgen für das öffentliche Leben in den Südstaaten. Durch das Urteil wurde de facto die Doktrin Separate but Equal etabliert, obwohl diese Formulierung im Urteilstext nur in Harlans

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abweichenden Ausführungen enthalten war. Auch die Mehrheitsmeinung zitierte lediglich an einer Stelle die umgekehrte Formulierung „Equal but separate“ aus dem in Frage stehenden Gesetz des Staates Louisiana (vgl. Edwards/Morgan 2004, S. 3). Die Entscheidung bildete somit zusammen mit dem Urteil im Fall Cumming v. Richmond County Board of Education drei Jahre später die juristi-sche Grundlage für die Legitimation bereits bestehender und die Verabschiedung weiterer als Jim Crow laws71 bezeichneter Gesetze zur Rassentrennung in den Südstaaten. Das Urteil Plessy v. Ferguson wurde 1954 durch die Entscheidung im Fall Brown v. Board of Education aufgehoben – dies gilt gemeinhin als Ende der Rassentrennung. Insgesamt muss m. E. der Plessy-Fall als der Verstärker-Effekt für eine gelungene In-Person-Stellung von Corporations erachtet werden: Dass sich relativ zeitnah zum Santa Clara-Urteil auf dasselbe Amendment bezogen wurde, in dem eine andere „Personenklasse“ juristisch anerkannt wurde, konnte die zehn Jahre zuvor kraftvolle und gleichsam machtvoll durchgesetzte Leistung der Corporations-Promoter, die Personenklasse der Corporations juristisch etab-liert zu haben, unterstreichen und stützen. Dieser Aspekt ist auch der zentrale Kritikpunkt von Corporations-kritischer Seite:

„In less than 30 years, African Americans had effectively lost their legal personhood rights while corporations had acquired them. And for those still wondering whether the primary purpose of the Constitution and the body of law it spawned is about protecting property ra-ther than people, consider this. Of the hundreds of 14th Amendment cases heard in the Su-preme Court in the first 50 years after its adoption, less than one-half of one percent in-voked it in protection of African Americans, and more than 50 % asked that its benefits be extended to corporations. „Equal protection under the law” turns out to mean: whoever has enough money to go to the Supreme Court to fight for it. Railroad robber barons did; wom-en didn’t; and African Americans most certainly didn’t. In fact, the pattern over more than two centuries of US legal history is that people acquire rights by amendment to the Consti-tution – a long and difficult, but democratic, process – and corporations acquire them by Supreme Court decisions” (Edwards/Morgan 2004, S. 5; Herv. i. Orig.).

71 Jim Crow war eine Figur des afroamerikanischen Varietés im 19. Jahrhundert und zeigt

einen Afroamerikaner als immer fröhlichen, tanzenden und unterdurchschnittlich intelligen-ten Menschen und prägte damit rassistische Stereotypen, die bis heute weit verbreitet sind. Die Bezeichnung Jim Crow (engl.: crow = dt.: Krähe) wurde 1828 durch ein gleichnamiges Lied von Thomas D. Rice (1808 - 1860) bekannt und blieb als rassistischer Ausdruck bis ins 20. Jahrhundert wirksam (vgl. Moody 1966; Mellencamp 2007).

Wesentlich – so können wir zusammenfassen – ist also der zeitliche und sachli-che unterschiedliche Modus, durch den Menschen im Vergleich zu Corporations Rechte aus den Zusatzartikeln reklamieren können. Auch wenn allerdings Corpo-rations zahlreiche Grundrechte durch Supreme Court-Entscheidungen erlangt

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haben, ist die Feststellung von Edwards und Morgan nicht ganz korrekt: Durch die Aufhebung der „separate but equal“-Doktrin 1954 (vgl. vorn), ist das Bürger-recht den farbigen Amerikanern ja letztlich auch durch eine Gerichtsentscheidung zugestanden worden und nicht durch den Zusatzartikel als geltendem Recht (d. h. dem Artikel als solchem). Kritisch konstatieren kann man allerdings, dass dies mehr als 60 Jahre nach der Zugestehung des Bürger-Status an Corporations (vgl. Santa Clara-Urteil, Kap. 3.2) erfolgte.

Nun werde ich, wie angekündigt, weitere zentrale Gerichtsfälle darlegen, die die faktische Inanspruchnahme von (Grund-) Rechten für die Corporations be-deuten. 3.4 Durchgesetzte Ansprüche auf Grundrechte für Corporations – weitere Gerichtsfälle und Diskurse Vorbemerkung Im Folgenden werden Gerichtsurteile dargestellt, die chronologisch nach dem Santa Clara-Urteil liegen. Es handelt sich um eine Auswahl von Fällen, die einen relativ klar erkennbaren Corporations-Bezug aufweisen. Ob jedem einzelnen von ihnen nicht eine ähnliche Geschichte wie im Santa Clara-Beispiel vorausgeht, es also bspw. ablehnende Urteile zu zwar anderen Sachverhalten, aber im Prinzip bereits in Bezug zu einem Zusatzartikel gab, kann und soll hier nicht herausgearbeitet werden, da es den Rahmen dieser Dissertation sprengen würde. Es kommt hinzu, dass die hier präsentierten Fälle ungleich sind: Weder qualitativ, d. h. von der „Gewichtigkeit“ des betroffenen Zusatzartikels bzw. von den entstandenen faktischen oder gemutmaßten Effekten; noch quantitativ: Zu einigen Rechtsfällen gibt es leider nur eingeschränkt empirisches Material, wozu ich auch die Aufsätze über diese Rechtsfälle zählen möchte, sollen ja gerade sie Teil der Analyse sein bzw. die in ihnen enthaltenen Diskurse.

3.4.1 Ordentliche Gerichtsverfahren für „korporative Personen“?

[Fall 5: Chicago, Milwaukee and St. Paul Railway Co. v. Minnesota (1890)]

Vor dem Hintergrund der in Kap. 2.2 dargelegten gesellschaftlichen Spannungen in Bezug auf die Railroad Companies und nicht zuletzt dem eigentlichen Gegen-stand des vorn dargelegten Santa Clara-Urteils – einer Steuersache – kommt der

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„rechtlichen Einkleidung des Eisenbahnwesens“ (Lepsius 1997, S. 70) wohl eine bedeutende Rolle für die Ausprägung dieser dominantesten Korporationsform in den USA zu. Wie auch in vielen anderen der hier dargelegten Justizfälle bildet die Dilemma-Situation, einerseits den Corporations grundsätzliche Verfassungs-rechte, wie z. B. Privateigentum oder Vertragsfreiheit, anzuerkennen, anderer-seits aber auf nicht zu starke korporative Machtkonzentration achten zu müssen, eines der Grundproblem von Staat und Justiz der USA jener Jahre (vgl. Lange et al. 1971, S. 1 ff; Lepsius 1997; Spindler 1993). Insgesamt kann festgehalten werden, dass – wie in Kap. 2.2.3 ausgeführt – die Eisenbahnen für die wirtschaft-liche Erschließung der USA eine nicht wegzudenkende Rolle spielten. Viele Railroad Companys wurden nicht nur aus verkehrsmäßigen Erwägungen gegrün-det, sondern fungierten auch als lukrative Kapitalanlage. Von Anfang an standen die Spekulationsinteressen der Anlieger mit den Transportinteressen der Bevöl-kerung und Gebietskörperschaften in einem Spannungsverhältnis (vgl. ebd.). Der privatrechtlich ungezügelte Konkurrenzkampf der zahlreichen Linien hatte im Laufe der Jahre zu Monopolen auf regionaler Ebene und ruinösem Wettbewerb auf überregionaler Ebene geführt. Der Bundesstaat Minnesota hatte ein Gesetz erlassen, welches bestimmte, dass die von der Eisenbahngesellschaft erhobenen Tarife „equal and reasonable“ (Ehmke ebd., S. 300) – als deutlicher Bezug zur equal protection-clause des 14. Zusatzartikels – zu sein hätten und beauftragte mit der Durchsetzung bzw. Überwachung dieses Gesetzes eine Kommission72. Diese Kommission konnte sowohl von den Eisenbahngesellschaften Tarifände-rungen verlangen als auch selbst Tarife korrigieren.

Im Fall Chicago, Milwaukee and St. Paul Railway Co. v. Minnesota (1890) hatte die Kommission bestimmte Tarife herabgesetzt. Politischer Hintergrund war der im selben Jahr erlassene Antitrust-Act (vgl. Kap. 2.2.4, 3.4.1 und 3.4.4), der die Monopolisierungstendenzen – vor allem der Bahngesellschaften – ein-dämmen sollte. Mit dem Sherman Act sollten nicht spezielle Rechtsformen ver-traglicher oder aktienrechtlicher Unternehmenszusammenschlüsse bekämpft

72 Insgesamt kann der Umfang der staatlichen Regulierungsmaßnahmen als höchst umstritten

gelten: In der Entscheidung Munn v. Illinois von 1878, in der es um die einzelstaatliche Festsetzung der Höchstgrenze für großstädtische Getreidespeicher-Tarife sowie Fracht- und Personentarife der Eisenbahnen gegangen war, wurde festgestellt, dass derartige Regulie-rungen der Polizeimacht des Staates Illinois entsprächen, da öffentliche Rechte betroffen seien: Es sei Eigentum betroffen, welches mit einem öffentlichen Interesse behaftet sei, ein solches Eigentum gehöre entsprechend der common law-Tradition nicht mehr allein dem Privatrecht an (vgl. Rittsieg 1975, S. 154 f. sowie Ehmke 1960, S. 240; McCloskey 1960, S. 128). Neun Jahre vor dem Santa Clara-Urteil war also Corporations-stützende Recht-sprechung noch nicht durchsetzbar (vgl. Nace ebd., S. 269).

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werden, sondern das Ziel war es, sich allgemein an der Funktion des Wettbe-werbsschutzes zu orientieren. Der Act wandte sich daher gegen [Section 1] „ ... every contract, combination in the form of trust or otherwise, or conspiracy, in restraint of trade or commerce” (Federal Antitrust Law 1890 zit. nach Horn 1979, S. 169). Personen, die an derartigen Verträgen, Verbindungen oder Verschwö-rungen beteiligt waren, wurden Haftstrafen bis zu einem Jahr bzw. Geldstrafen bis zu 5.000 US-$ nach Entscheidung der Gerichte angedroht (vgl. Lange et al. 1972, S. 59). In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass die Section 8 ausdrücklich beinhaltet, unter „persons“ seien auch „corporations and associati-ons“ (Cornell University Law School 2009) zu fassen. Das heißt, dass bereits vier Jahre nach dem Santa Clara-Urteil die vorher durch – indirekte – Rechtsprechung durch den Supreme Court erreichte verfassungsgemäße Anerkennung von Corpo-rations dieses für die Corporations bedeutende Rechtsgut auch in Gesetzestexten des Bundes angekommen war. Der Sherman Act bestand im Wesentlichen aus einem Appell gegen Kartellbildung und hatte keinen sachlich begrenzten Anwen-dungsbereich – vielmehr erfasste er den gesamten Bereich der ökonomischen Aktivitäten der Corporations (vgl. Lepsius ebd., S. 108). Vorn genannte Section 1 wurde übrigens erstmals 1897 angewandt: Eine Preisfestsetzung durch 18 Ei-senbahngesellschaften wurde als illegal erachtet. Von Interesse ist auch, dass die einberufene Kommission eine einzelstaatliche war – bundesstaatlich wurde eine Unterabteilung des Justizministeriums, die Antitrust Devision, geschaffen, deren Aufgabe es war, in entsprechenden Fällen Klage vor Gericht zu erheben (vgl. Lepsius ebd., S. 109). Der hier vorliegende Fall macht deutlich, dass es aller-dings kein Recht gab, welches den Bahngesellschaften erlaubte, gegen etwaige Kommissionsentscheidungen im Einzelstaat Beschwerde einzulegen. Es kam zur Klage vor dem Obersten Gerichtshof. Der Supreme Court entschied, dass die Corporations wie natürliche Personen gemäß des 14. Zusatzartikels zu behandeln seien und dass ihnen daher auch das Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren („substantive due process“) zustehe und die equal protection-clause desselben Zusatzartikels nicht eingehalten worden sei: Das einzelstaatliche Regulierungsge-setz des Staates Minnesota schreibe kein spezielles „hearing“ vor der Kommissi-on vor (obwohl der Bahngesellschaft im vorliegenden Fall rechtliches Gehör gewährt worden war) und zudem entzögen sich die Tariffestsetzungen einer rich-terlichen Prüfung – also beides Aspekte, die keinem ordentlichen Gerichtsprozess entsprächen. Somit musste Minnesota den Bahngesellschaften erlauben, gegen die Kommissionsentscheidungen Beschwerde einzulegen, weil das Gesetz des Staates Minnesota verfassungswidrig gewesen sei (vgl. Ehmke ebd.; Nace ebd., S. 270). So laufen in diesem Fall also Pro-Corporations-Argumentationen mit Bezug auf „corporations as persons“ sowohl mit Verfassungs- als auch mit (indi-

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rektem) Gesetzesbezug parallel. 3.4.2 Sonderdurchgangsrecht und ordentliches Gerichtsverfahren

[Fall 6: Noble v. Union River Logging Railroad Company (1893)] Die Union River Holz-Bahngesellschaft hatte die Bundeszustimmung eines Durchgangsrechts durch öffentliches Land erhalten. Später widerrief ein Minister auf Bundesebene jenes Durchgangsrecht, da Union River de facto eher eine Holz- und keine Bahngesellschaft sei (und nur letztere genossen Sonderdurch-gangsrechte). Im Fall Noble v. Union River Logging Railroad Company (1893) klagte Union River nun daraufhin vor dem Supreme Court auf Geltendmachung des 5. Zusatzartikels der Verfassung der USA, der im Kern den Satz „Niemand darf seines Lebens, seiner Freiheit oder seines Eigentums beraubt werden ohne ordentlichen Gerichtsprozess …“ enthält. Der Supreme Court entschied, dass Union River das Recht zugestanden habe, gegen die Entscheidung des Ministers Beschwerde einzulegen, also etwas zu tun, was im Prinzip Grundlage für einen ordentlichen Gerichtsprozess gewesen wäre. Inhaltlich gab das Oberste Gericht der Corporation recht und verankerte damit erstmalig den sonst Staatsbürgern zustehenden Rechtsanspruch auf einen ordentlichen Gerichtsprozess für Corpora-tions – nach der einzelstaatlich-geltenden Santa Clara-Entscheidung (vgl. Kap. 3.2) – auf Bundesebene im US-amerikanischen Rechtsdenken und -handeln (vgl. Nace ebd.). 3.4.3 Das „Bürgerrecht“ „Schutz vor staatlichen Übergriffen“

[Fall 7: Hale v. Henkel (1906)] In dem eigentlichen Anti-Trust-Fall Hale v. Henkel (1906) gegen eine Gruppe von Tabakgesellschaften wies ein Bundesgeschworenengericht den Kämmerer Edwin Hale an, eine Reihe von (Steuer-) Dokumenten herauszugeben. Der Käm-merer kam jedoch dieser Forderung nicht nach. Die Anwälte der Corporation, für die Hale arbeitete, führten folgende Argumente an: 1. Die Zeit habe nicht ausge-reicht, die geforderten Unterlagen zu erstellen. 2. Sie, die Anwälte, seien der Meinung, es gäbe keine gesetzliche Verpflichtung, solche Unterlagen zu erstellen. 3. Es könnte sein, dass der Kämmerer sich durch die Herausgabe derartiger Un-terlagen selbst kriminalisiere. Die Anwälte beriefen sich auf den Schutz des 4. Zusatzartikels: Er beinhaltet das verbriefte Recht des amerikanischen Bürgers, das ihn vor staatlichen Übergriffen schützen soll. Dies wurde im Sinne der Cor-

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poration so behandelt, dass auch einer Corporation das Recht zustehen sollte, vor Durchsuchungen oder Sachbeschlagnahmungen geschützt zu sein. Die Argumen-tation des Gerichts ist insofern interessant, als in ihr Kollektiv- und Korporativ-Semantiken in eins gehen, was einmal mehr die Uneinheitlichkeit im Rechtsden-ken bezüglich Corporations dokumentiert. Ein Auszug:

„ ... wir wollen nicht so verstanden werden, als würden wir meinen, eine Corporation wäre nicht berechtigt, den Schutz vor unbegründetem Durchsuchen und Eingreifen durch den vierten Zusatzartikel zu haben. Eine Corporation ist schließlich nur eine Assoziation von Einzelpersonen unter einem angenommenem Namen, [sie ist eine] abgrenzbare Rechtsein-heit. Durch die Organisation zu einem kollektiven Körper gibt sie nicht die verfassungsge-mäßen, für einen solchen Körper angemessenen Immunitäten auf. Ihr Eigentum kann nicht ohne Entschädigung genommen werden [was der 5 Zusatzartikel regelt, T. M.]. Darüber kann nur vor Gericht prozessiert werden und sie ist unter dem vierzehnten Zusatzartikel vor gesetzwidriger Diskriminierung geschützt. Corporations sind eine notwendige Einrichtung moderner Wirtschaftsaktivitäten und ihr angehäuftes Kapital ist die Quelle von beinahe al-len bedeutenden Unternehmen geworden“ (ebd.).

Es gab allerdings auch abweichende Richtermeinungen: Wiederum Richter Har-lan (vgl. den „Plessy-Fall“ vorne) führte aus, dass das Recht, seitens der Reprä-sentanten des Staates in die von Corporations erstellten Bücher und Unterlagen zu schauen, durch dieses Urteil gänzlich zerstört werde (vgl. ebd.).

Nace (ebd.) erläutert, es sei also der 4. Zusatzartikel „in Anspruch“ genom-men worden, allerdings bestätigte das Gericht Argumentationen, die sich auf den 5. Zusatzartikel stützten, das dort enthaltene Auskunftsverweigerungsrecht auch für Corporations durchzusetzen, nicht. Dennoch ist der hier dargelegte Fall durchaus geeignet, ihn mit Inhalten aus dem 5. Zusatzartikel zu konfrontieren, zumal ein besonderes Element in der Argumentation des Gerichts explizit im Urteil genannt wird: das des Eigentums. Auch wenn die Corporation letztlich als Ganze – wie auch immer das möglich sein soll – nicht berechtigt ist, Auskunft zu verweigern, so wirft doch dieser Fall ein deutliches Licht auf einen Sachverhalt, der gerade durch die korporative Form erst geschaffen werden konnte: die Tren-nung von Eigentum und Verfügungsmacht (vgl. Pross 1965). Und das Eigentum des 5. Zusatzartikels bezieht sich nicht nur auf körperliche Gegenstände, sondern „property“ in der amerikanischen Rechtstradition steht für ein Eigentum, was alle ökonomischen Chancen und Möglichkeiten mit einschloss, mit anderen Worten: Eigentum ist alles, körperlich oder abstrakt, was Tauschwert besitzt (vgl. Ridder-Aab 1980, S. 38). „Property Rights“ gehen aber sogar darüber noch hinaus: Sie bezeichnen alle denkbaren Individualrechte an allen möglichen Ressourcen (im weitesten Sinne), die in irgendeiner Weise individuellen Nutzen spenden; sie umfassen damit auch so genannte Bürgerrechte wie das Wahlrecht, Sittengesetze

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und andere kulturelle Normen der Gesellschaft (vgl. ebd., S. 38 f.). So gesehen könnte man sogar das Recht des 4. Zusatzartikels, den Schutz vor staatlichen Übergriffen, als Eigentumsrecht bezeichnen. Das im 5. Zusatzartikel garantierte Individualrecht auf die Unversehrtheit des Eigentums konnte die (sogar trustarti-ge) Corporation-Formation zusätzlich – wenn auch indirekt – sehr wohl für sich beanspruchen: Dadurch, dass sie nicht gezwungen werden konnte, Unterlagen herauszugeben bzw. Untersuchungen innerhalb ihrer Organisation zulassen zu müssen, wurde ihr Eigentum „geschützt“. Hier müssen die strafrechtlichen Kon-sequenzen dann mit hinzugedacht werden: Im Umkehrschluss bedeutet es ja faktisch, wenn die Corporation nicht gezwungen werden kann, (sie belastende) Unterlagen bspw. bezüglich bestimmter Kartellbildungsabsichten herauszugeben, kann sie auch nicht bestraft werden. An diesem Punkt kommt nun hinzu, dass sich also im Prinzip beide, die Corporation selbst als auch der Kämmerer Hale, auf individuelle Eigentumsrechte beriefen. Nur allein die Verfügungsmacht von für eine Organisation tätigen Agenten allerdings – in diesem Fall des Kämmerers Hale73 – kann als zurechenbare Handlung identifiziert werden. Im Ergebnis wur-de Hale für sein – wie auch immer seitens Gericht und Staatsanwaltschaft zu mutmaßendes „Fehlverhalten“ – gar nicht belangt74. Er konnte sich durch Organi-

73 Und letztlich ist der Kämmerer ja sehr wahrscheinlich auch nur Teil einer ganzen Gruppe

von „eigentlich“ Handelnden bzw. Verantwortlichen bestehend aus Managern, Vorständen, Bevollmächtigten, anderen Kämmerern usw.

74 Gleich, ob man diesen Fall nun eher mit dem 4. oder 5. Zusatzartikel in Zusammenhang bringen möchte: Es bleibt ein verfassungsgemäßer Grundrechtsbezug. Daraus sollte aller-dings nicht gefolgert werden, dass die Frage der Trennung zwischen Corporation und der sie vertretenden Menschen sonst nicht von US-amerikanischen Gerichten behandelt worden wäre – bei ihnen fehlte allerdings der besagte Grundrechtsbezug. Diese Fälle sämtlich zu identifizieren, hätte wohl eines eigenen Kapitels bedurft, deshalb werde ich mich hier kurz-fassen: „Amerikanische Gerichte haben schon sehr früh erkannt, daß es Fälle gibt, in denen es dem Richter erlaubt sein muß, den Schleier der juristischen Person zu lüften, um die wahren Kräfte erkennen zu können, die sich hinter diesem Schleier verbergen. Diese Recht-sprechung läßt sich etwa unter dem Begriff „Disregard of Legal Entity“ bringen und ist heu-te festes Gedankengut des amerikanischen Korporationsrechts geworden.“ (Serick 1980, S. 65 f.) Damit ist sie durchaus verwandt mit der Savigny’schen Fiktionstheorie (vgl. Kap. 1.4.2.1). Der Lehre von der „Disregard of Legal Entity“ liegt „ …der Gedanke zugrunde, daß eine juristische Person nichts anderes ist als eine Fiktion, die aus juristisch technischen Gründen erdacht worden ist, damit im Geschäftsverkehr bestimmte Zwecke, die die Rechts-ordnung nicht mißbilligt, erreicht werden können. Nur in den Grenzen dieser Zwecke darf die juristische Person ein Eigenleben führen. Wird sie jedoch für korporationsfremde oder gar korporationsfreindliche Zwecke mißbraucht, dann dürfen nach geltendem amerikani-schen Recht die Gerichte sich durch die Grundstruktur der juristischen Person nicht daran hindern lassen, ein gerechtes Urteil zu finden. In solchen Fällen muß nach amerikanischer Auffassung auf die Menschen oder auf die tatsächlichen Verhältnisse durchgegriffen wer-

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sation von der Verantwortung entlasten (vgl. Kap. 4.2) – dazu brauchte er noch nicht einmal anführen, im Namen oder Auftrag einer Organisation gehandelt zu haben; die Organisation selbst entlastete sich durch Verweis auf individuelle Rechte, die unter der Maßgabe, Corporations genössen den gleichen Personen-Status wie natürliche Personen, eben auch ihnen zustünden. 3.4.4 Geschworenen-Jurys in Strafsachen

[Fall 8: Armour Packing Company v. U. S. (1908)] Eine ganze Gruppe von Organisationen des Transportwesens sollte gegen den Elkins Act verstoßen haben. Dieses Gesetz von 1903 war eine Ergänzung des Sherman-Acts von 1890 (vgl. Kap. 2.2.4 und 3.4.1), welches die Verschleierung von Frachtratenrabatten verbot (vgl. Spindler 1993, S. 226). Die Corporations hatten Preise verlangt, die nicht denen entsprachen, die durch obigen Elkins Act gleichheitsgrundsätzlich festgelegt waren. Die Anwälte der Armour Packing Company argumentierten im Rechtsstreit Armour Packing Company v. U. S. (1908) – stellvertretend für die vorn genannte Gruppe von Organisationen – entsprechend Zusatzartikel 6 der Verfassung, dass jeder Person in einem Straf-prozess eine Geschworenen-Jury zustehe, so auch der (mit-) angeklagten Armour Packing. Bei einer abweichenden Meinung stimmten die Richter zu und belegten damit ein weiteres Mal (vgl. Kap. 3.2 – Fußnote 49 – und 4.1.) die Höherrangig-keit der Verfassung vor einem Gesetz (dessen Verstoß ein Strafdelikt darstellte). Dieser Fall etablierte für Körperschaften das Recht, gemäß dem 6. Zusatzartikel jedem „Verbrecher“ einen Geschworenenprozess zu garantieren. Das sich die Institution der Schwurgerichte überhaupt in den USA derart etabliert hat – weit mehr als im konservativen England, wo Schwurgerichte übrigens 1933 abge-schafft wurden75 –, kann zu einem wesentlichen Anteil aus der „guten Erfahrung“ (Werding 1975, S. 36), die die Amerikaner im Verlauf der historischen Entwick-lung ihren Landes mit dem Schwurgericht gemacht haben, erklärt werden. Nach-dem die ersten Siedler der USA sich vergegenwärtigt hatten, dass es ihnen nicht

den, die hinter der „Maske“ der juristischen Person verborgen sind; hier ist es erlaubt, die Fiktion der juristischen Person zu mißachten oder ihren „Organismus“ zu zerstören“ (ebd., S. 67; Herv. i. Orig.). Als zwei exemplarische Fälle seien hier genannt: a) Beal v. Chase, 31 Mich. 490 (1875): Zur Feststellung der Schuldner-Frage sollte geklärt werden, wer die „Hintermänner“ hinter der Corporation waren; b) Higgins v. California Petrolium and As-phalt Company et al., 147 Cal. 363 (1905): Können die Mitglieder einer Korporation oder die Korporation selbst als Verpächter eines Landes angesehen werden (vgl. Serick ebd., S. 70 ff.)?

75 Mit Ausnahme der seltenen Urteilsjury in Strafsachen.

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gelungen war, das englische Recht durch ein auf der Bibel ruhendes „law of God“ (ebd., S. 37) zu ersetzen und dass ein ständig wachsendes Gemeinwesen ohne eine erprobte Rechtsordnung nicht verwaltbar war, griffen sie daher wieder auf das ihnen geläufige englische Recht zurück. Die Ausübung der Gerichtsbar-keit durch Geschworene hielten sie für so wichtig, dass bspw. die berühmte Ver-fassung der Massachusetts Bay Colony aus dem Jahre 1641, „Body of liberties“ genannt, allein sechs Abschnitte dem Recht auf ein Verfahren vor dem Schwur-gericht widmete (vgl. ebd.). Die englische Krone und das Parlament des Mutter-landes hatten stets versucht, die Zuständigkeit der Jury in den amerikanischen Kolonien einzuschränken. Allerdings wird mit der Verankerung des Rechts auf eine Geschworenenjury in einem Zusatzartikel dieses Recht in der modernen US-amerikanischen Rechtstradition faktisch mit den Verfassungsgarantien des Pri-vateigentums und der Presse- und Religionsfreiheit auf eine Stufe gestellt76 (vgl. ebd., S. 166). Darüber hinaus stellt das Recht auf ein Geschworenengericht sogar in Strafsachen eine der Voraussetzungen des Anspruchs auf einen ordentlichen Gerichtsprozess (14. Zusatzartikel, vgl. Santa Clara-Urteil vorn) dar. Durch diese Verfassungsauslegung sind auch die Einzelstaaten zur unveränderten Beibehal-tung des Schwurgerichts in Strafsachen verpflichtet (vgl. Werding ebd.). Worin liegen nun die Hauptvorteile für die Corporations, das Recht auf „jury trial“ in Anspruch nehmen zu können? Im Unterschied zum europäischen Recht unterliegt die Jury – und damit die gesamte Tatsacheninstanz – im Prinzip keiner Kontrolle. Sie ist in ihrer Entscheidung und der Entscheidungsfindung völlig unabhängig. Kontrolliert wird einzig und allein der „Input“. Die Jury wird dazu während des ganzen Verfahrens von jeglichen äußeren Einflüssen abgeschirmt werden, die eine unvoreingenommene Position gefährden oder Vorurteile hervorrufen könn-ten. Es wird davon ausgegangen, dass unter diesen Voraussetzungen – wenn also einer völlig objektiven, unbeeinflussten Jury die reinen Tatsachen präsentiert werden – eine richtige und gerechte Entscheidung getroffen wird. Somit erhält die Jury nahezu eine Position eines Verfassungsorgans – sie steht auf einer Stufe mit der Staatsgewalt und bezeichnet sich nicht selten als das „Gewissen der Ge-sellschaft“ (Mörsdorf-Schulte 1999, S. 241). Alle weiteren sich anschließenden Konsequenzen und Folgen des Urteils bezeugen deutlich die Verschränkung von Grundrechten und Strafgesetz, womit es Corporations gelungen war, anschluss-

76 Die Leitentscheidung Duncan v. Louisiana (391 U. S. 145; 1968) betont, es komme im

Bereich der strafprozessualen Garantien darauf an, ob die jeweilige Garantie als unaufgebbarer Bestandteil gerade des amerikanischen strafprozessualen Systems einzustu-fen sei (vgl. Brugger 1993, S. 95). Im Falle der Schwurgerichtsbarkeit war dies dann wohl offenbar der Fall.

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fähig auch an weitere juristische Tatbestände bzw. (Teil-) Rechtsgebiete zu wer-den. Eine Corporation als Verbrecherin zu bezeichnen, scheint allerdings unter der Prämisse der In-Person-Stellung von Organisation zunächst schlüssig zu sein; ebenso logisch kann dann ein Geschworenengericht für diesen „Verbrecher“ gefordert werden – aber was geschieht, wenn die Jury bzw. die Richter später zu einer Schuldsprechung kommen? Durch die Anerkennung des Zusatzartikels und die Nicht-Weiterverfolgung des gesetzverstoßenden und damit strafrechtlichen Tatbestands erreichte die Corporation damit auch indirekt die Ausblendung einer wesentlichen Frage: Parallel zur der in Kap. 3.4.3 ausgeführten Thematik der Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht in Organisationen bleibt festzu-halten, dass wenn gegen eine Organisation nicht strafrechtlich ermittelt wird bzw. ein Urteil gefällt wird, auch nicht dazu vorgestoßen wird, welchem benennbaren Subjekt überhaupt die Verantwortung für den Gesetzesverstoß zugerechnet wer-den kann – den Vorständen, Managern bzw. Vertretern der Corporation (also deren Agenten) oder der Corporation selbst. Da der hier behandelte Fall aus dem Jahre 1908 datiert, ist zu vermuten, dass zum damaligen Zeitpunkt wahrschein-lich ausschließlich gegen das Management Recht gesprochen worden wäre. Ma-nager und Corporations strafrechtlich wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Tö-tung anzuklagen, ist allerdings seit 1985 in den USA möglich: So wurde die „Film Recovering Systems Inc.“, zu deren Hauptaktivitäten gehörte, Silber aus alten Filmen zurückzugewinnen, und drei ihrer Manager im Cook County, Illi-nois, wegen grob fahrlässiger Tötung eines Angestellten angeklagt. Jener Mitar-beiter war angesichts äußerst mangelhafter Schutzvorkehrungen Cyanid-Gasen ausgesetzt gewesen. Der den Fall entscheidende Richter rechnete das Verhalten der Manager (usw.) der AG zu: Die Manager handelten für die AG – und für sich selbst. Insofern sei auch die Corporation strafrechtlich verantwortlich für die Tötung (Urteil: 14.06.1985). Die Corporation wurde zu einer Geldstrafe verur-teilt. Das entscheidend Neue an diesem Fall war, dass sowohl die Corporation als auch die Manager (zu Haftstrafen) strafrechtlich verurteilt worden sind (vgl. Maring 2001, S. 304). 3.4.5 Entschädigung für „enteignetes“ Eigentum

[Fall 9: Pennsylvania Coal Company v. Mahon (1922)] Die Pennsylvania Coal Company gewährte einer Privatperson namens H. J. Ma-hon im Jahre 1878 die Nutzung einer Parzelle auf ihrem Kohlebergbaugebiet, behielt sich allerdings die Rechte aus der Nutzung des Landes vor. Herr Mahon hatte eingewilligt, auf Erträge und Eigentumsansprüche zu verzichten. Die Coal

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Company unterbreite Mahon später, dass sie beabsichtige, auch unterhalb seiner Parzelle Kohlebergbau zu betreiben. Mahon war damit nicht einverstanden und brachte den Fall vor den Supreme Court von Pennsylvania. Er berief sich auf ein Gesetz des Staates Pennsylvania, den „Kohler Act“ aus dem Jahre 1921, welcher den Kohleabbau verbot, sofern dieser Gebäude an der Erdoberfläche gefährdete, auch wenn das Bergbauunternehmen ausdrücklich das Recht erworben hatte, den Bergbau unter Zerstörung der Oberflächenstruktur zu betreiben (vgl. Rittsieg 1975, S. 167). Obwohl eine Geschworenenjury das Gesetz als nicht verfassungs-konform klassifizierte, entschieden die Richter, dass der Act als eine rechtmäßige Anwendung der Polizeimacht (vgl. Kap. 3.1) des Staates Pennsylvania anzusehen sei und gaben damit Mahon recht. Daraufhin legte die Bergbau-Company Beru-fung beim Supreme Court des Bundes ein, welcher in Pennsylvania Coal Com-pany v. Mahon (1922) argumentierte: Würde man der Corporation das Recht auf Kohleabbau nehmen, wäre das damit gleichzusetzen, als nähme man ihr die Koh-le selbst. Mahon hätte unter Kenntnis einer wahrscheinlichen Wertminderung des Grundstücks bzw. in Kenntnis, dass sein Haus durch den Bergbau unter Umstän-den einstürzen könnte, gar nicht bauen dürfen. Bis zu einem gewissen Maß stehe der Eigentumswert unter dem Vorbehalt der Polizeigewalt des Staates. Wenn die Wertminderung diese Grenze überschreite, müsse aber in den meisten, wenn nicht sogar nahezu in allen Fällen, die mit einer Entschädigung verbundene En-teignungsgewalt eingesetzt werden. Der Kohler Act sei verfassungswidrig, soweit er den Kohleabbau unter im Prinzip öffentlichen Straßen und Ortschaften betref-fe, wo das Abbaurecht ausdrücklich eingeräumt wurde (vgl. ebd.). Es sei zwar ein Privatvertrag zwischen der Corporation und Mahon geschlossen worden, aller-dings sei öffentliches Land betroffen. Und wenn nun Land, so die Richter weiter, dessen Nutzung im Prinzip zu öffentlichen Zwecken bestimmt sei, nicht von Beginn an für Privatpersonen mit einer Nutzungsgebühr belegt gewesen sei (die der Corporation hätte zufallen müssen), hätten die Corporations, als – gecharterte – „Vertreter“ der Öffentlichkeit, ein Recht auf Ausgleichszahlung, denn ihnen werde ja das Recht auf uneingeschränkte Nutzung ihres Eigentums verwehrt – der öffentliche Zweck konstituiere eine „Enteignung“. Auch in diesem Fall, so Nace (ebd.), sei der 5. Zusatzartikel betroffen, in dem es wörtlich heißt „ … nor shall private property be taken for public use without just compensation“. Hier zeigt sich deutlich die Transformation von „Bürgerrechten“ zu „Corporations-Rechten“: Wenn man davon ausgeht, dass Corporations wie natürliche Personen zu fassen seien, beanspruchen sie verfassungsgemäße Eigentumsrechte eben genauso wie natürliche Personen. Dieser Fall gilt in der Rechtsgeschichte des Eigentums als Konstituierung für die so genannten „regulatory takings“, also der Verankerung einer „angemessenen Entschädigung“ durch den Staat für die Ent-

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eignung von Eigentum – daher spricht Nace von „governmental takings“ (Nace ebd., S. 154). 3.4.6 Keine unterschiedliche Besteuerung bei natürlichen Personen – so auch nicht bei Corporations

[Fall 10: Louis K. Liggett Co. v. Lee (1933)] Der nun folgende Gerichtsfall ist auch deshalb aufgenommen worden, da er den herrschenden polit-ökonomischen Stil seiner Zeit gut dokumentiert. Die Epoche des so genannten New Deal, die als idiomatischer und gleichsam politischer Reaktionsprozess der Großen Depression und der damit verbundenen ökonomi-schen und kulturellen Krise in den USA gedeutet werden muss, war von der gro-ben Leitidee getragen, „ … dass die Nation eine Interessengemeinschaft sei, in der alle wechselseitig von einander abhingen“ (Junker 1990, S. 133) und somit die „ … Lebensbedingungen des einzelnen amerikanischen Bürgers (…) des gemeinen Mannes (common man) “ (ebd.; Herv. i. Orig.) zu fördern bzw. zu verbessern seien. Offenbar war das politische Interesse an der Stärkung kleiner Inhaberbetriebe durch zahlreiche Interventionsmaßnahmen der Regierung in Bezug auf große Corporations dieser Leitidee geschuldet. Um kleinere Betriebe zu schützen, erließ der Bundesstaat Florida spezielle Steuerverordnungen für große Kaufhausketten. Das Argument des Staates war, dass die Kaufhausketten verschiedenartige Geschäfte tätige und deshalb auch unterschiedlich hohe Be-steuerung – und v. a. eine höhere als bei kleinen Betrieben – notwendig sei (vgl. FindLaw 2009 [Liggett]). Die Kaufhauskette, angeführt von der Louis K. Liggett Co., hatte beim Supreme Court von Florida eine Sammelklage wegen dieser Verordnungen eingereicht. Diese Verordnungen sahen bspw. vor, eine Steuer für alle Filialen zu erheben, die nicht in dem County lagen, in dem die Ladenkette gemeldet war. Zudem wurde eine Steuer von 3 US-$ erhoben für jede 1000-US-$-Aktie der Ladenkette. Das Oberste Gericht von Florida bestätigt die Anord-nungen des Staates; die Kläger gingen in die Berufungsinstanz beim U. S.-Supreme Court. Die Gruppe der Kläger-Corporations argumentierte in Louis K. Liggett Co. v. Lee (1933), dass eine steuerliche Unterscheidung zwischen kleine-ren Betrieben und Kaufhausketten eine willkürliche und unangemessene Diskri-minierung sei. Auch Bestimmungen der Verordnung, eine Steuer aufgrund der Tatsache zu erheben, dass Filialen in anderen Landkreisen angesiedelt seien, sei unvernünftig und willkürlich. (vgl. ebd.). Die Anwälte der Kaufhauskette berie-fen sich dabei auf die equal protection-clause des 14. Zusatzartikels (vgl. Kap. 3.2): Die Kaufhauskette sei zwar ein großes Unternehmen, dennoch erfordere der

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Gleichheitsgrundsatz des Zusatzartikels eine Gleichbehandlung, so auch in der Besteuerung. Der Supreme Court entschied zwar grundsätzlich, dass die unter-schiedliche Besteuerung aufgrund unterschiedlicher Geschäftsfelder – konkret: Lagerung und Verkauf von Waren – rechtens sei, allerdings die unterschiedliche Besteuerung mit dem Sitz der Filialen in verschiedenen Countys zu rechtfertigen, sei verfassungswidrig und verletzte den Grundsatz des 14. Zusatzartikels. Die abweichende Richtermeinung führte aus, dass die Verfassung der USA mit dem entsprechenden Zusatzartikel 14 ja den Corporations nicht grundsätzlich das Recht eingeräumt habe, innerstaatlichen Handel in Florida zu betreiben. Eine Ungleichbehandlung von kleinen und großen Corporations in Bezug auf die Steuertatbestände sei nur deshalb thematisiert, weil man Corporations [und nicht Menschen; Anm. T. M.] unter die Schutzklausel des 14. Zusatzartikels stelle (vgl. ebd.). Der Unterschied in der Macht zwischen Corporations und natürlichen Personen sei, so die abweichenden Richter weiter, ausreichend als Grundlage für die Platzierung von kleinen Betrieben und Kaufhausketten in verschiedenen Klassen (vgl. ebd.). Im Ergebnis hatten sich also die Corporations durchgesetzt und brauchten keine Sonderbesteuerung hinzunehmen. Das stärkste Argument der Corporations-Anwälte steht ganz im Einklang mit einer Argumentationslinie, die in einigen weiteren hier dargelegten Fällen angeführt worden ist: Wenn nicht einzelne natürliche Personen laut 14. Zusatzartikel besonders besteuert werden dürften, so eben einzelne Corporations auch nicht (vgl. ebd.). Nace erläutert, dass auch wenn den Corporations keine Anrechte aus einem weiteren Zusatzartikel explizit zugestanden worden seien, so belege dieser Fall doch sehr deutlich, wie es große Corporations geschafft hätten, den Staat daran zu hindern, sich auf Sei-ten der (Eigentümer-) Kleingeschäfte zu stellen – und das vermittels der Beru-fung auf einen Zusatzartikel, der auf Corporations angewendet wurde, letztere aber gar nicht explizit behandelt (vgl. Nace ebd., S. 272 f.) 3.4.7 Keine doppelte Anklage wegen ein und desselben Delikts

[Fall 11: Fong Foo v. US (1962)] Die Standard Coil Products Company, ein Hersteller von Spiralen, wurde zu-sammen mit der Fong Foo Company77, einer Produzentin von Radiosonden an-geklagt, die (Bundes-) Regierung bezüglich eines Vertragsabschlusses betrogen zu haben, der die Lieferung von Geräten zur Wetterbeobachtung im Werte von

77 Die Fong Foo Company wird hier im Weiteren als Präzedenzfall genannt, weil die Firmie-

rung der Konstellation der Gegner vor Gericht diese Corporation zuerst anführt.

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mehreren Millionen Dollar zum Gegenstand hatte (vgl. Nace, S. 273). Nach kur-zem Prozessauftakt des Falles Fong Foo v. US (1962) allerdings wurde das Ver-fahren wegen angeblicher Unglaubwürdigkeit von Zeugen der Regierungsseite eingestellt. Als das Verfahren später wieder aufgerollt werden sollte, stützen sich die Anwälte von Fong Foo und der anderen angeklagten Corporations darauf, dass gemäß des 5. Zusatzartikels eine Person – so eben auch eine Corporation – nicht zweimal wegen desselben Vergehens vor Gericht gestellt werden könne. Das Gericht erklärte zwar, dass die Bezirksrichter in der 1. Instanz einen Fehler begangen hätten, den Prozess vorzeitig einzustellen, allerdings führte es auch aus: Es wolle nicht so verstanden werden, dass der Prozess nun in der 2. Instanz nicht schon vor der Eingabe der Klage im Rahmen der Revisionsinstanz beendet werden und es somit gar nicht zum Revisionsverfahren komme solle –, sondern das Oberste Gericht erklärte den Freispruch des Angeklagten in der niedrigeren Instanz für rechtskräftig und unüberprüfbar (vgl. Mayer 1990, S. 14 f.). Eine Begründung für die Anwendbarkeit des 5. Zusatzartikels auf Corporations aller-dings lieferte der Supreme Court nicht (vgl. Nace ebd.). 3.4.8 Geschworenen-Jurys in Zivilsachen

[Fall 12: Ross v. Bernhard (1970)] Der Fall Ross v. Bernhard (1970) etablierte das Anrecht für Corporations, wie Bürger in Zivilprozessen vor ein Geschworenengericht gestellt werden zu kön-nen. Es ging um den Sachverhalt, dass die Aktionäre einer Gesellschaft das Di-rektorium einer beauftragten Investmentgesellschaft der persönlichen Bereiche-rung durch groben Missbrauch von Aktienkapital bezichtigten (vgl. FindLaw 2007b [Ross], S. 1 ff.). Dieser Fall transportiert grundsätzlich konfliktbeladene Fragen US-amerikanischer Rechtsdogmatik. Die Argumentation zu diesem Fall führt zunächst zum bereits in mehreren hier behandelten Fällen genannten Rechtsprinzips des common law: Dieses bezog sich auf das allgemeine Recht, das von reisenden Richtern des königlichen Gerichts zu Westminster gebildet wurde. Im Gegensatz dazu hatte sich das so genannte „Billigkeits-“ bzw. „Gna-den“-Recht namens „equity“ (deutsch etwa: gerechter Ausgleich) herausgebildet. Hierbei handelt es sich um eine Normensammlung, die der Judikatur des höchs-ten Verwaltungsbeamten des Königs – des Chancellors – entsprang (vgl. Ehmke 1961). Der Chancellor konnte von den Bürgern angerufen werden, wenn diese ihre Rechte vor einem königlichen (common law-) Gericht nicht durchsetzen konnten. Er war dann dazu bemächtigt, grundsätzlich diese Fälle nach eigenem billigen Ermessen, eben gemäß „equity“, zu entscheiden. Equity erfüllt die Funk-

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tion, ein im Einzelfall unpassendes Gesetz zu korrigieren. Beide Rechtsdogmen bildeten eine eigene Gerichtsbarkeit aus. In den Gerichten des common law wur-den juries eingesetzt, jedoch nicht in den Gerichten des equity. Die Unterschiede im englischen System wurden im 7. Zusatzartikel aufrechterhalten (vgl. FindLaw ebd). 1938 allerdings wurden die Rechtssysteme des common law und des equity durch die Federal Rules of Civil Procedure (Bundesregeln zu Zivilprozessen) zusammengelegt. Ein Prozess musste vor juries stattfinden, wenn der Fall vor einem Gericht des common law verhandelt worden wäre (wenn man die Tren-nung der Rechtssysteme aufrechterhalten hätte). Man hatte jedoch in Fällen, in denen es sowohl gesetzliche Forderungen als auch Forderungen in Bezug auf Equity gab, leichte Schwierigkeiten, nach dieser Regel zu handeln. Früher wäre ein solcher Prozess auf die Gerichte des common law und die des Equity aufge-teilt worden. Die neuen Federal Rules of Civil Procedure schlossen eine solche Aufteilung des Falles jedoch aus. Der Supreme Court entschied, dass in diesen Fällen zuerst eine jury in den gesetzlichen Fragen und dann ein Richter in den „equitable“ Fragen entscheiden müsse. Anderenfalls hätte das Urteil des Richters in den equitable Fragen den Effekt eines „collateral estoppel“, das heißt, er wür-de die Behandlung der Fakten durch die jury vorentscheiden und damit das Recht auf einen in rechtlichen Fragen vor einer jury abzuhaltenden Prozess einschrän-ken. Diese gesamte Problematik inklusive der geschichtlichen Entwicklung ist in der Urteilsbegründung erneut zu finden. Die Richter haben auch offensichtlich kein Problem damit – immerhin bereits fast 80 Jahre nach dem Santa Clara-Urteil –, von der Natur-Semantik in Bezug auf Corporations Abstand zu nehmen und eher europäische Töne anzuschlagen: Corporations seien „ ...obwohl künstliche Wesen“ (ebd.) „von den Anteilseignern [einer Aktiengesellschaft] getrennt“ (ebd.) und sehr häufig selbst Beklagter oder Kläger in der amerikanischen Rechtsgeschichte gewesen. Andererseits spricht das Gericht auch von der „dop-pelten Natur“ (ebd.) der Corporations: Das Recht, einen Anspruch gegen Dritte durchzusetzen, hätten, so die Richter, nicht die Aktionäre selbst, sondern nur die Corporation (vgl. ebd.). Und diese In-Person-Setzung der Aktiengesellschaft ermöglicht in diesem Fall auch die – man könnte sagen: logische – Inanspruch-nahme einer Jury gemäß des 7. Zusatzartikels. Diese entscheidet über die „fragli-chen Fakten“. Der Richter darf zwar anweisen, prüfen, fragen etc., allerdings wurden die Jurys bis heute dermaßen gestärkt, dass ein Gericht generell nur ein Urteil fällen darf, welches den Feststellungen der jury widerspricht, wenn die Beweislast erdrückend ist (vgl. Nace ebd.).

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3.4.9 Meinungsfreiheit bei „commercial speech“

[Fall 13: Virginia Board of Pharmacy v. Virginia Citizens Consumer Council (1976)]

Mit einer Klage wollte die Virginia Board of Pharmacy die Verteilung von Arz-nei-Werbeprospekten auf den Straßen New Yorks erreichen, da dies dem Unter-nehmen zum Einen wegen des geltenden Wegerechts im Rahmen der Polizei-macht des Staates New York und zum Anderen unter Hinweis darauf, dass Wer-bung für verschreibungspflichtige Medikamente nicht standesgemäß sei, entspre-chend eines Gesetzes des Staates Virginia nicht gestattet worden war (vgl. Law Library 2007, S. 1 ff.). Das Unternehmen berief sich auf seine verfassungsgemäß garantierte Meinungsfreiheit (1. Zusatzartikel). Das Gericht entschied in Virginia Board of Pharmacy v. Virginia Citizens Consumer Council (1976), dass reine Werbung keinen verfassungsrechtlichen Schutz wie den der Meinungsäußerun-gen genieße (vgl. ebd.). Das Abgrenzungskriterium zwischen commercial- und non-commercial-speech ergibt sich aus der Frage, ob ein ausschließlicher Bezug zu wirtschaftlichen Interessen des Äußernden vorliegt, wie es bei Reklame für Waren und Dienstleistungen, aber auch bei der Verwendung von Markennamen, Firmen und Verkaufsschildern gewöhnlich der Fall ist. Werbung stand vor die-sem Fall unter dem Schutz der Pressefreiheit (vgl. ebd.). Trotzdem wurde die Bedeutung von Werbung als existentiell notwendige Informationsquelle für die Bevölkerung explizit hervorgehoben. Der Supreme Court kam zu einer eindeuti-gen Pro-Corporations-Entscheidung: Es gab der Corporation recht und begründe-te die Wandlung gegenüber der früheren Rechtsprechung aber nicht mit einer Erweiterung des Schutzbereichs der freedom of speech, sondern mit einem ver-änderten Verständnis der Aufgabe und Funktion von Werbung in einer Markt-wirtschaft: Nicht das Verständnis der freedom of speech habe sich geändert, sondern der Informationsfluss durch Werbung habe an Bedeutung gewonnen. In einer freien Marktwirtschaft werde eine informierte, auf dem aktuellen Stand gehaltene und dadurch intelligente Öffentlichkeit gebraucht; Informationsfluss in Form von Werbung sei dafür unverzichtbar (vgl. ebd.). Der 1. Zusatzartikel sei immer als das wesentliche Instrument zur demokratischen Willensbildung be-trachtet worden und die Förderung des Informationsflusses von Werbung mit Hilfe dieses Grundrechts laufe dieser traditionellen Interpretation nicht zuwider (vgl. ebd.)

Faktische Folge des Urteils war, dass die Rechtfertigungslast des Staates bei beschränkenden Maßnahmen des Wettbewerbs stark wuchs. Der Supreme Court stand in diesem Punkt offenbar jedem staatlichen Schritt sehr skeptisch gegen-über, der einen „paternalistic approach“, eine paternalistische Staatsfunktion zu

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Lasten eines freien Wettbewerbs erkennen ließ. Dies stand von nun an einer verfassungsrechtlichen Garantie einer möglichst freien Kommunikation der Wirt-schaftbeteiligten gegenüber. Es war also eine Schutzgarantie mit besonderer wirtschaftspolitischer Relevanz etabliert worden (vgl. ebd). Neben diesen Ele-menten, die – wie in vielen weiteren hier dargelegten Fällen ebenfalls behandelt – durch bspw. die Aufweichung von Kontrollfunktionen des Staates die Transfor-mation von Staatlichkeit zeigen, ist bei diesem Fall vor allem die explizite Be-zugnahme auf – nun wohl korporative – Grundrechte, wie bspw. Meinungsfrei-heit, die ein freies, mündiges, selbständiges Subjekt als ersten Adressaten der Nutzung dieser Grundrechte herauszustellen. Diese „abstrakte Idee“ (Meyer 2005) des freien Subjekts der Moderne wird auf Organisationen übertragen. 3.4.10 Meinungsfreiheit bei „political speech“

[Fall 14: First National Bank of Boston v. Bellotti (1978)] Ein Konsortium, bestehend aus der First National Bank von Boston und vier anderen Banken und Business-Corporations in Massachusetts, initiierte 1978 eine Anzeigenkampagne, die sich gegen den Vorschlag einer Verfassungsänderung richtete, welche die Gesetzgebung autorisieren sollte, eine individuell abgestufte Einkommenssteuer einzuführen (vgl. Nace ebd., S. 186 ff.). Über diesen Vor-schlag sollte in einer Volksabstimmung im November 1976 entschieden werden. Ein Gesetz zur Verbrechensbekämpfung des Bundesstaates Massachusetts verbot Banken und anderen Corporations Geldspenden zur Beeinflussung einer Volks-abstimmung an Kandidaten politischer Parteien – in diesem Falle also der Gegner der geplanten Verfassungsänderung –, es sei denn, es wird über etwas abge-stimmt, was materiellen Einfluss auf ihr Geschäft hat (vgl. Nace ebd.). Das Ge-setz legt weiterhin fest, dass bei Volksabstimmungen behandelte Fragen zur Be-steuerung von Einzelpersonen nicht materiell den Reichtum, das Geschäft oder die Werte von Corporation beeinflussen dürfen. Der Staatsanwalt des Bundes-staates Massachusetts, Francis X. Bellotti, teilte der First National Bank und den anderen Banken mit, dass die Geldspenden illegal seien und dass er beabsichtige, das entsprechende Gesetz gegen sie einzusetzen (vgl. ebd.).

Im April 1976 reichte die First National Bank eine Klage ein, die die Verfas-sungsmäßigkeit des Gesetzes überprüfen sollte. Die Klage wurde danach an den Supreme Judicial Court of the Commonwealth of Massachusetts weitergeleitet. Die Kläger behaupteten, dass das Gesetz gegen den 1., den 14. Zusatzartikel und ähnliche Artikel der Verfassung von Massachusetts verstoßen würde. Sie behaup-

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teten auch, dass das Gesetz, wenn es auf ihre Geldspenden angewendet würde, verfassungswidrig sei, weil die Einführung einer gestuften Einkommenssteuer sehr wohl in spezifischer Hinsicht Einfluss auf das Geschäft habe (vgl. Nace ebd.). Im September 1976 hielt der Supreme Judicial Court von Massachusetts die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aufrecht und die Ansprüche der First National Bank wurden abgelehnt. Eine Entscheidung wurde vom United States Supreme Court erbeten. Die Richter des Supreme Courts dagegen begannen ihre Argumentation zwei Jahre in First National Bank of Boston v. Bellotti (1978) darauf wie folgt:

„Das Gericht (von Massachussets) sah in dem Fall die prinzipielle Frage darin, in welchem Ausmaß Corporations die Rechte des Ersten Zusatzartikels haben. Wir sind der Ansicht, das Gericht hat die falsche Frage gestellt. ... Der 1. Zusatzartikel im Speziellen unterstützt be-sonders gesellschaftliche Interessen. Die passendere Frage ist deshalb nicht, ob Corporati-ons die Rechte des Ersten Zusatzartikels haben, und wenn ja, ob sie vergleichbar sind mit denen von natürlichen Personen. Stattdessen muss die Frage sein, ob § 8 [des Gesetzes …] die Rechte beschneidet, die durch den Ersten Zusatzartikel geschützt werden sollten. Wir sind der Ansicht, er tut es“ (FindLaw 2007c, Übersetzung T. M.).

Die Richter waren der Ansicht, dass unter einer „speech on matters of public concern“ eine solche zu verstehen sei, die den stärksten verfassungsgemäßen Schutz des 1. Zusatzartikels genieße und die Anzeigenkampagne, die „Rede“, der Kläger unter dem Schutz eben dieses Zusatzartikels stehe und damit „frei“ sei. Sie begründeten wie folgt:

„Die Freiheit der Rede und der Presse, die durch die Verfassung garantiert wird, umfasst die Freiheit, öffentlich zu diskutieren und alle Angelegenheiten die die Öffentlichkeit betreffen, ohne Einschränkung und ohne Angst vor Bestrafung ... Freiheit der Diskussion, wenn sie die historische Funktion in dieser Nation erfüllen soll, muss alle Bereiche einschließen, in denen Informationen nötig oder erforderlich sind, um den Mitgliedern der Gesellschaft zu ermöglichen, mit den Anforderungen der Zeit fertig zu werden“ (FindLaw 2007c; Überset-zung T. M.).

Die Richter machten folgende Unterscheidung: Einerseits gab es die Finanzmit-tel, die die jeweiligen Kandidaten der Parteien bei der Volksabstimmung selbst aufgebracht hatten (bzw. deren Parteien): Diese könnten quasi eine politische Äußerung des Kandidaten beinhalten und dürften daher gemäß 1. Zusatzartikel (u. a. „freie Rede“) interpretiert werden. Andererseits stellten Spenden von Cor-porations höchstens eine indirekte, weil nicht eigene Rede dar: Diese „indirekte Rede“ soll lediglich die Äußerung des Kandidaten unterstützen. Dieses Urteil bedeutet faktisch eine Aushöhlung des Spendenverbots von Corporations – poli-tisch motivierte Spendentätigkeit von Corporations darf nicht durch ein Gesetz

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eingeschränkt werden, da ein verfassungsgeschütztes Recht der freien Rede eben auch für Corporations besteht78; dadurch können Corporations auch unmittelbar aus ihren Finanzen eigene politische Kampagnen führen.

Die abweichende Meinung innerhalb des knappen 5:4-Stimmen-Entscheidung, immerhin vom Vorsitzenden Richter Rehnquist formuliert, dass nämlich eine herausgehobene „freie“ Rede eines Unternehmens immer auch die möglichen „freien Reden“ von Anderen vermindere, hatte offensichtlich keine Chance.

Dieser Fall dokumentiert ebenfalls die im vorigen Fall konstatierte moderne individuelle Freiheitssemantik, die nun auf Organisationen bezogen wird. Doch hier scheint besonders ein Transformationsprozess von Interesse: Nicht nur, dass jetzt das moderne Subjekt, welches innerhalb einer klassischen liberalistischen Konzeption stets das „Letztelement der Gesellschaft“ (Türk et al. 2006, S. 291) gewesen und dessen individuelle Freiheit bedingungslos zu schützen sei, nun also auch Organisation impliziere; vielmehr geht diese Transformation so weit, dass Organisation nun die Berufung auf Grundrechte – wie bspw. die freie Meinungs-äußerung – eher zustehe als Menschen, was nicht zuletzt die nicht durchgesetzte Position von Richter Rehnquist belegt. In jedem Fall, so möchte ich abschließend zu diesem Fall Nace zitieren, zeigen durchgesetzte und abweichende Richtermei-nungen die beiden zu unterscheidenden Perspektiven, die auch heute noch die Vorstellungen eines korporativen Charakters bestimmen: „Eine Seite sah Corpo-rations als „Elemente der Gesellschaft“ in Gleichheit mit menschlichen Wesen; die andere Seite sah Corporations als etwas von menschlichen Wesen völlig Ver-schiedenes an – als Entitäten, die sich spezieller Eigenschaften erfreuen und deshalb „spezielle Gefahren aufwerfen“ (Nace ebd., S. 188; Herv. i. Orig.; Übers. T. M.). 3.4.11 „Negative freie Rede“ oder: „Das Recht, schweigen zu dürfen“

[Fall 15: Pacific Gas & Electric Co. v. Public Utilities Commission (1986)]

Eine staatliche Regulierungsbehörde des Bundesstaates Kalifornien verlangte 1986 von der Pacific Gas & Electric Company (mit Sitz in San Francisco) per Anordnung, ungenutzten Platz in einem viermal jährlich erscheinenden Newslet-ter, der von der Corporation herausgegeben wurde, einer Gruppe von Verbrau-

78 Das Referenzurteil, dass politisch motivierte Spenden für Individuen verfassungsmäßig garan-

tierte, war Buckley v. Valeo 424 U. S. (1976) (vgl. Nace ebd., S. 185 f.).

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cherschutz-Anwälten (der „California Public Utilities Commission“) zur Verfü-gung zu stellen. Das Management des Unternehmens folgte dieser Aufforderung und klagte. Das Gericht stützte in Pacific Gas & Electric Co. v. Public Utilities Commission (1986) die Auffassung der Behörde allerdings nicht. Die Erhöhung des öffentlichen Informationswertes durch zusätzliche Verbraucherschutz-Informationen stellte für das Gericht kein ausreichendes Argument dar (vgl. Nace ebd., S. 168). Der Supreme Court stützte eher die Sicht des Managements, dessen Anwälte sich darauf beriefen, dass doch im 1. Zusatzartikel die „freie Rede“ für jedermann garantiert sei. In diesem Fall sei allerdings von einer „negativen freien Rede“ auszugehen, was bedeutet, so das Gericht in seiner Entscheidung, dass keine Corporation gezwungen werden könne, etwas zu verbreiten, was nicht ihren Ansichten entspreche, was die Corporation quasi nicht – erneut eine Analo-gie zu natürlichen Personen – mit ihrem „Gewissen“ vereinbaren könne. Unklar bleibt, so stellt Nace fest, warum der Oberste Gerichtshof zu dem Schluss ge-kommen sei, dass die Manager offenbar als Vertreter – indirekt – eine höhere Ebene des verfassungsgemäßen Schutzes, nämlich das Recht auf „negative freie Rede“, als andere gesellschaftliche Interessengruppen, wie etwa Steuerzahler oder Mitarbeiter, verdient hätten (vgl. ebd.). Einige Autoren bezeichnen die eher kryptische Formulierung der „negativen freien Rede“ als das „Recht, schweigen zu dürfen“ (vgl. Ritz 2003, S. 1). Dieses ist jedoch wohl nicht die treffende Über-setzung, geht es doch um den Sachverhalt, dass die Corporation ja das (indirekte) Recht erlangt hatte, sogar „Anderen“ etwas zu verwehren bzw. die Unterlassung einer aus ihrer Sicht gegen die Corporation gerichteten Handlung zu untersagen und damit einen eindeutigen Macht-Tatbestand herzustellen. Und diesen Aspekt verschleiert der Topos „negative freie Rede“. Damit ist ein Aspekt zentral be-nannt: In Erweiterung der im vorigen Fall aufgezeigten Figur des „organisationa-len Neoliberalismus“ entsteht ein Herrschaftszusammenhang, eine Macht-Asymmetrie, die Organisationen nicht nur eine strukturelle Dominanz in der Artikulation, sondern auch in der machtvollen Durchsetzung von Interessen und Rechten verleiht. 3.4.12 „Das Recht zu lügen?“ – pervertierte Meinungsfreiheit?

[Fall 16: Nike Inc. et al. v. Kasky (2003)]

Im Fall Nike Inc. et al. v. Kasky (2003) geht es um die Inanspruchnahme eines Zusatzartikels, der bereits in anderen Fällen Gegenstand war, allerdings bekommt er im Rahmen des hier darzulegenden Rechtsstreits eine andere Konnotation: Der 1. Zusatzartikel mit der Passage der „ ... freien Rede“. Der Supreme Court hatte

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2003 überraschend obigen Fall zur Entscheidung angenommen, in dem es um die Frage ging, ob der Sportartikelhersteller Nike wegen einer Pressemitteilung der irreführenden Werbung verklagt werden kann. Der Fall galt gleich nach Be-kanntwerden als entscheidend für die zukünftige „Redefreiheit“ von Amerikas Unternehmen. Verkürzt gesagt geht es darum, ob sich US-Unternehmen bei ihren Presse- und Börsenmitteilungen auch weiterhin auf das Recht der freien Rede berufen können oder ob diese Mitteilungen in Zukunft den sehr viel strengeren Haftbarkeitsregeln der irreführenden Werbung unterliegen (vgl. Nace ebd.).

Ausgangspunkt des Verfahrens war ein vorhergehendes Urteil des kaliforni-schen Supreme Courts. Das kalifornische Gericht hatte damals eine Klage des Umweltschützers Marc Kasky als gerichtstauglich bestätigt, in der Kasky dem Unternehmen vorwarf, mit wahrheitswidrigen Pressemitteilungen irreführende Werbung betrieben zu haben. In den kritisierten Pressemitteilungen hatte Nike die immer wieder erhobenen Anschuldigungen zurückgewiesen, wonach Nike-Mitarbeiter in asiatischen Fabriken des Unternehmens wie Sklaven behandelt würden. Kasky hielt die Dementis von Nike für unwahr und konnte dafür auch eine entsprechende Studie vorlegen. Mit Unterstützung des kalifornischen Jus-tizministeriums forderte Kasky von dem Unternehmen, seine in Kalifornien auf Grund irreführender Werbung erwirtschafteten Profite an den Staat abzuführen (vgl. CorpWatch 2003, S. 1).

Nike hingegen betonte, dass seine Pressemitteilungen nicht als Werbung zu betrachten seien, sondern vielmehr als politische und damit von der Redefreiheit geschützte Äußerungen, mit denen sich das Unternehmen nur an der Globalisie-rungsdebatte beteiligt habe. „Nikes Pressemitteilungen waren doch nicht politi-scher, sondern kommerzieller Natur“ (ebd.) habe Kasky entgegnet und „sie hatten den Zweck, Nikes Image zu retten, um weiterhin Turnschuhe verkaufen zu kön-nen“ (ebd.).

Diese Sichtweise wurde von Kaliforniens Supreme Court bestätigt, woraufhin Nike den Supreme Court in Washington anrief. Zur Entscheidung stand also nicht die Frage, ob Nike wahre oder unwahre Aussagen gemacht hat, sondern, ob eine Pressemitteilung als Werbung gilt (vgl. ebd.). Daraus haben dann viele Anti-Corporations-Organisationen das „right to lie“ gemacht, das zur Legitimierung angestanden habe. Dass das oberste Bundesgericht den Fall überhaupt zur Ent-scheidung angenommen hatte, dürfte auch der Lobby-Arbeit von mehr als 30 amerikanischen Medienhäusern zu verdanken sein, die sich hinter Nike gestellt haben. Der Supreme Court allerdings entschied nichts. Genauer gesagt weigerte er sich, den Fall aufgrund von Verfahrensfehlern zu entscheiden. Formal bestätig-te das Gericht lediglich, dass Nike „kommerzielle Werbung“ betrieben habe (ebd.). Der Supreme Court gab den Fall erneut an die unteren Gerichte zurück.

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Einige Beobachter mutmaßen, dass der Oberste Gerichtshof damit habe abwarten wollen, bis die ursprüngliche Entscheidung des kalifornischen Gerichtshofs rechtskräftig geworden sei, um damit einer unpopulären Anti-Nike-Entscheidung – vorerst – aus dem Weg gehen zu können. Aber andere Kommentatoren sehen durch die Supreme Court-„Nicht-Entscheidung“ im Grunde einen Sieg für Nike und damit einen generelles etabliertes Prinzip für Corporations, dass ihre Aussa-gen nicht mehr wahrheitsgemäß sein müssten (vgl. ebd.).

Wichtig scheint, dass dieser Fall eine aktuelle organisationssoziologische De-batte streift, nämlich die um die so genannte „Corporate Social Responseability“ (vgl. Kap. 4.2). Organisationen sollen vermehrt dem gesellschaftlichen (Umwelt-) Druck nachgeben und gewünschten gesellschaftlichen Ansprüchen genügen, z. B. Verantwortung für die Allgemeinheit übernehmen, die Umwelt schützen oder für humanere Arbeitsbedingungen sorgen. Doch Nike zeigt in diesem konkreten Fall das generelle Dilemma von Organisationen, derartige Ansprüche umsetzen zu müssen: Die verschiedenen Organisationsziele konkurrieren offenbar mitei-nander und wenn – wie in diesem Fall zu vermuten ist – ökonomische Interessen gefährdet scheinen, müssen andere Ziele, wie eben bspw. die Schaffung humane-rer Arbeitsbedingungen i. S. einer Sozialverantwortung, unter Umständen aufge-geben werden. Es erfolgt offensichtliche eine „Schadensabwägung“: Image gegen Umsatzverlust.

3.4.13 Parteispenden – Politische Einflussnahme durch Corporations?

[Fälle 17/18: Austin, Michigan Secretary of State v. Michigan Chamber of Commerce, U. S. 652 (1990) und Citizens United v. Federal Election Commission, 558 U. S. …79 (2010)]

Der im Fall 14 (Kap. 3.4.10) thematisierte Aspekt der „freien Rede“ in politi-schen Angelegenheiten für Corporations kann in den beiden hier zu einem Kom-plex zusammengefassten Fällen insofern erweitert werden, als dass im Jahre 1990 vom Modus des „freien Redens“ zum Modus des „freien Tuns“ gewechselt wur-de: Die Handelskammer von Michigan galt als Non-Profit-Corporation, da sie größtenteils öffentliche Fonds verwaltete. Als sie allerdings aus diesen Fonds beabsichtigte, eine Zeitungsanzeige zu bezahlen, die einen Kandidaten unterstüt-zen sollte, der für ein öffentliches Amt antrat, wurde das der Handelskammer seitens eines Bundesministers untersagt: Der Michigan Campaign Finance Act,

79 Der Fall ist so aktuell, dass er noch keine weitere ordnende Ziffer bekommen hat (daher die

Auslassungspunkte).

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176 3. Corporations in der Rechtsprechung zu US-amerikanischen Zusatzartikeln –…

ein Gesetz des Bundesstaates Michigan, untersagte Corporations im Allgemei-nen, Geld aus öffentlichen Kassen zum Zweck der Parteispenden bzw. zur Unter-stützung eines Kandidaten einzusetzen, der für ein öffentliches Amt kandidiert. Eine Ausnahme gelte dann, wenn eine Corporation die getätigten Ausgaben in ihren Bilanzen als politische Ausgaben auswiesen. Das Gesetz war vor dem Hin-tergrund erlassen worden, dass die Gesetzgeber die Annahme hatten, dass „ … die einzigartigen rechtlichen und wirtschaftlichen Merkmale der Non-Profit-Corporations [also auch der Handelskammer, Anm. T. M.] eine gewisse Regle-mentierung ihrer politischen Ausgaben erforderlich“ (Hasen 2010) machten, und „Korruption oder das Auftreten von Korruption zu vermeiden“ (ebd.) sein könn-te. Die Handelskammer klagte mit dem Argument, dass die Ausgabenrestriktio-nen des Michigan Campaign Finance Act, die ihr auferlegt seien, gegen die Grundrechte des 1. und des 14. Zusatzartikels verstießen. Der Oberste Gerichts-hof der USA hatte daraufhin den Fall Austin, Michigan Secretary of State v. Michigan Chamber of Commerce, U. S. 652 (1990) zu entscheiden. Die Han-delskammer von Michigan hatte argumentiert, dass sie als „ideologische Non-Profi-Organisation“ (ebd.) eher analog zu politischen als zu ökonomischen Orga-nisationen zu zählen sei und deshalb von den Bestimmungen des Gesetzes ausge-nommen sein sollte. Das Gericht stimmte dem nicht zu und bestätigte das Bun-desgesetz von Michigan. Richter Marshall stellte fest, dass die Kammer ange-sichts ihrer Tätigkeiten bzw. angesichts ihrer Mitgliederzusammensetzung (75 Prozent der Mitglieder waren Kapitalgesellschaften bzw. deren hohe Repräsen-tanten) eher einer Unternehmensgruppe ähnlich sei als einer politischen Organi-sation. Darüber hinaus fand Marshall, dass das Gesetz eng auszulegen und umzu-setzen sei, um das wichtige Ziel, die Aufrechterhaltung der Integrität im politi-schen Prozess, zu erreichen (vgl. FindLaw 2010b).

Im Jahre 2010 beschäftigt sich der Supreme Court der USA dann mit einem Fall, der im Allgemeinen als ein Verwerfen der vorn dargelegten Rechtslage zum Thema Parteispenden gelten kann. Im Fall Citizens United v Federal Election Commission, 558 U. S. … (2010), entschied der Oberste Gerichtshof, dass es verfassungskonform mit dem 1. Zusatzartikel sei, wenn Non-Profit-Corporations politische Sendungen in Medien (v. a. Radio und Fernsehen) finanzierten und diese im Rahmen von Präsidentschaftswahlen verbreiteten (vgl. FindLaw 2010c). Der Sachverhalt des Falles war folgender: Die Non-Profit-Organisation Citizens United, eine „Public Interest Group“ (vgl. Kap. 2.1.3), beschreibt sich selbst als „ … eine Organisation, die sich der Wiederherstellung einer bürgerlichen Kon-trolle der Regierung widmet“ (Citizens United 2010). Zur Zeit des US-Präsidentschaftswahlkampfes im Jahre 2008 hatte die Organisation einen Film produziert, der sich kritisch mit der damaligen Bewerberin Hilary Clinton be-

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3.4 Durchgesetzte Ansprüche auf Grundrechte für Corporations -… 177

fasst. Ein Kabelfernsehen-Anbieter schloss mit Citizens United einen Vertrag über 1,2 Mio. US-$, den Videofilm via einer Video-on-demand-Funktion für etwaige Nutzer kostenlos downloadbar zu machen (vgl. Hasen 2010, S. 1). Der McCain-Feingold Act, ein US-gesamtstaatliches Kampagnen-Finanzierungs-gesetz aus dem Jahre 2002, untersagte allerdings das Zuverfügungstellen und Ausstrahlen von Fernseh- und Radiosendungen innerhalb eines Zeitraumes von 60 Tagen vor einer Wahl, die von Non-Profit-Organisationen finanziert worden waren. Zudem verlangte das Gesetz eine grundlegende Offenlegung der Finanzi-ers von (politisch motivierten) Werbefilmen (vgl. ebd.).

Die Entscheidung gelangte zum Obersten Gerichtshof. Die vorinstanzliche Entscheidung des United States District Court für den District Columbia hatte die Klage von Citizens United noch abgewiesen und ihr sogar verwehrt, Rechtsmit-tel, z. B. eine einstweilige Verfügung auf Senderecht des Videos, gegen eine Entscheidung einzulegen und hatte die Gültigkeit des McCain-Feingold Acts bestätigt. Der Supreme Court war dann, so ist der Urteilsverkündung 2010 zu entnehmen, den Argumenten von Citizen United nicht zugänglich. Citizen United hatte argumentiert, dass der Film tatsächlich unparteiisch sei. Doch offenbar beabsichtigten die Richter des Supreme Court nicht, sich substantiell mit der Frage der parteiischen oder unparteiischen (freien) politischen Rede zu befassen. Das Gericht stellte lediglich lapidar fest, dass der Film über Senatorin Clinton keinen anderen Zweck gehabt habe, als diese zu diskreditieren (vgl. ebd.). Die Richter urteilten dagegen eher formal. Sie erklärten die Bestimmungen des Ge-setzes für ungültig. Die Richter argumentierten wie folgt: „Wenn der 1. Zusatzar-tikel überhaupt eine Kraft haben soll, dann verbietet er dem Kongress, Bürger oder Zusammenschlüsse von Bürgern zu bestrafen oder einzusperren aufgrund der schlichten Ausübung ihrer politischen [freien; gemäß 1. Zusatzartikel; Anm. T. M.] Rede“ (vgl. ebd.). Eine explizite Begründung, warum es einer Corporation dieses Menschenrecht zugestand, lieferte das Gericht mit keiner Silbe. Mit dieser Entscheidung wurde die Entscheidung des vorn dargelegten Falls Austin v. Mi-chigan Chamber of Commerce (1990) verworfen. Richter Stevens legte seine abweichende Richtermeinung dar:

„Im Grunde ist nach Ansicht des Gerichts daher eine Absage an den gesunden Menschen-verstand des amerikanischen Volkes, welches seit seiner Gründung die Notwendigkeit er-kannt hat, dass Corporations daran gehindert werden müssen, [das Prinzip der] Selbstregie-rung zu untergraben. [Dieses Volk] (…) hat seit den Tagen von Theodore Roosevelt gegen das ausgeprägte Korruptionspotential einer korporativen Stimmenwerbung gekämpft. (…) Während die amerikanische Demokratie unvollkommen ist, hätten nur wenige außerhalb der Mehrheitsmeinung des Gerichts gedacht, dass die Mängel [der amerikanischen Demo-kratie] auch solche beinhalten, die korporative finanzielle Politikbeeinflussung betreffen“ (ebd.).

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178 3. Corporations in der Rechtsprechung zu US-amerikanischen Zusatzartikeln –…

Die New York Times berichtete im Nachgang zur Urteilsverkündung, dass 24 Bundesstaaten in den USA ihre Gesetze, die den Corporations Parteispenden verböten, wegen der Supreme Court-Entscheidung ändern wollen (vgl. Hasen 2010). Selbst Präsident Obama äußerste sich zu der Entscheidung, sie gebe „ … den besonderen Interessen und [den] Lobbyisten noch mehr Macht in Washing-ton – und [sie] untergräbt zugleich den Einfluss der durchschnittlichen Amerika-ner, die kleine Beiträge zur Unterstützung ihrer bevorzugten Kandidaten leisten“ (ebd.). Obama sagte weiter in seiner wöchentlichen Radioansprache: „Das Urteil trifft unsere Demokratie selbst und ich kann mir nicht Verheerenderes für unserer öffentliches Interesse vorstellen“ (ebd.). Der Präsident weiter:

„Letzte Woche hob der Supreme Court ein Jahrhundert der Rechtsprechung auf [und] öffne-te den besonderen Interessen der Corporations – auch ausländischen – Tür und Tor, ohne Begrenzung Wahlkampfspenden vorzunehmen. Nun, ich glaube nicht, dass Wahlen in Amerika von Amerikas mächtigsten Interessen [bzw. ihrer Vertreter: den Corporations,; Anm. T. M.], oder schlimmer noch, durch ausländische Corporations, finanziert werden sollten.“ (ebd.).

Dass sich jetzt ganz aktuell im Jahre 2010 eine regierungskritische, rechtskonser-vative „Drittpartei“, die so genannte „Tea Party“, gegründet hat, welche explizit ein Bekenntnis zur „freien Marktwirtschaft“, Steuersenkungen und eben auch zur freien Wahlkampffinanzierung ablegt (vgl. o. V. 2010, S. 1), kennzeichnet die momentane politische Stimmung in den USA. Die Tea Party bezieht sich in ihrer Namensgebung auf die in Kap. 2.2 genannte Boston Tea Party, die ja ebenfalls durch anti-staatliche Leitideen getragen und ausgefochten worden war, und zwar auf die Weise, dass sich „kleine Bürger“ gegenüber „großen Corporations“ be-nachteiligt fühlten. Die aktuelle Tea Party und deren Forderungen zeigen, dass eine vernetzte Einheit von Pro-Corporations-Anhängern aus ökonomischem und politischem System aktuell in den USA offensichtlich (weiter) an Macht gewinnt.

An dieser Stelle möchte ich die Reihung von Fällen, die die prozesshafte In-anspruchnahme von Zusatzartikeln der US-amerikanischen Verfassungen darle-gen, schließen und noch einmal einen Cartoon von Matt Wuerker präsentieren, welcher – zugegeben: relativ grob und vereinfachend, aber dennoch im Kern treffend – als eine Art Zusammenfassung gelesen werden kann: Die Richter am Supreme Court in Verbrüderung mit den Anwälten der Corporations foltern ei-nerseits die „Robber Barons“, andererseits kreieren sie durch ihre Pro-Corporations-Rechtssprechung „Mega Corporations“-Maschinen von einem nahezu künstlichen Format eines Frankenstein-Monsters, welches wiederum in der Kulturgeschichte als Symbol für einen künstlichen Menschen, den „Homun-

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culus“, steht. Die Justiz feiert das „lange Leben“ künstlicher – von ihnen mitge-schaffener – „korporativer Personenschaft“. Abb. 8: „Korpenstein“ – Corporations als künstliche Mega-Monster in Anleh-nung an die berühmte Frankenstein-Figur (Karikatur von Matt Wuerker, 2002)

Quelle: http://www.poclad.org/illustration1.php Das folgende Kapitel widmet sich nun einer ordnenden Ergebnisinterpretation der behandelten Gerichtsfälle, indem auf das zuvor vorgestellte Frageraster zu-rückgekehrt wird. Daran anschließen wird sich ein Ausblick-Kapitel.

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4. Ergebnisse und Ausblick 4. 1 Schlüsse: Antworten auf die drei Fragenkomplexe und Gesamtfazit An dieser Stelle möchte ich zunächst auf die drei Fragenkomplexe zurückkom-men, welche vor der Präsentation der Gerichtsfälle dargelegt worden sind. Im Folgenden werde ich diesen konkret aus dem Material gewonnene Antworten zuordnen. Fragenkomplex 1: • Welche Grundrechte aus den Zusatzartikeln der US-amerikanischen Verfas-

sung sind es genau, die seitens der Corporations in Anspruch genommen wer-den können?

• In Konflikt mit welchen legislativen Verordnungen, Erlassen oder Gesetzen stehen jene Grundrechtstatbestände?

Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die dargelegten Gerichtsfälle, die kodifizierten Anspruchsgrundlagen, auf die sich Corporations-seitig berufen wurde, um die jeweilige Grundrechtsfähigkeit zu erlangen. Hierbei handelt es sich meistens um ein Grundrecht, welches in einem Artikel bzw. Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung garantiert wird; einmal sogar um ein Recht aus einem originären Verfassungsartikel (Fall 1). In einer Spalte daneben sind die jeweiligen konfliktären Referenzen den Fällen zugeordnet: Damit sind die Erlas-se, Verordnungen und Gesetze gemeint, die jeweils Anlass für die Gerichtsfälle gewesen sind bzw. aufgrund derer die Abwägung innerhalb der gerichtlichen Entscheidung überhaupt stattfinden musste.

T. Matys, Legal Persons – „Kämpfe“ und die organisationale Form, DOI 10.1007/978-3-531-94147-9_5© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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182 4.Ergebnisse und Ausblick

Tab. 2: Zusammenfassung Fall-Problematiken und konfliktäre Referenzen

Gerichtfall/Jahr

Sachlicher Kern des Falles und kodifizierte Anspruchsgrundlage (Grundrecht aus Artikel bzw. Zusatzartikel)

Konfliktäre Referenz: Erlass, Verordnung, Gesetz oder sonstige staatliche (selten auch private) „Aktivität“

Fall 1: Trustees of Dartmouth Col-lege v. Woodward (1819)

Nachträgliches staatliches „Hineinregieren“ in Corporati-ons-Charters verletzt deren Recht auf Vertragsfreiheit (Art. I, § 10, Klausel 1; „contract clause“)

Drei Erlasse des Staa-tes New Hampshire (zur Änderung einer Corporation-Charter)

Fall 2: Slaughterhouse Cases (1872)

Eine Sonder-Corporation erhält ein Schlachtmonopol per Charter des Staates Louisiana. Einzelne Metzger klagen: Sie würden ihres Eigentums ohne Gesetzesprozess beraubt (dies sei ein Verstoß gegen den 14. Zusatzartikel (Abs. Nr. 1, „equal protection clause”) und sie seien in „persönliche Knechtschaft“ der Corporation geraten (dies verstoße gegen das Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit des 13. Zusatzartikels). Die Klage wird abgewiesen; später hebt ein Gesetz das Monopol wieder auf

Regierungsgewalt des Staates Louisiana in Form von „Polizei-macht“ bzw. Klage eines Metzger-Kollektivs

Fall 3: Santa Clara v. Southern Pacific Railroad Co. (1886)

Anlässlich eines Steuerstreits reklamierte eine Corporation Rechte des 14. Zusatzartikels: „Niemand darf … ohne orden-tlichen Gerichtsprozess („due process of law“) … irgendeiner Person … den gleichen Schutz der Grundrechte – bspw. Eigen-

Ein Steuergesetz des Countys Santa Clara

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4.1 Schlüsse: Antworten auf die drei Fragenkomplexe und Gesamtfazit 183

tum – („equal protection“) ver-sagen bzw. berauben“. Das Gericht bestätigt dies, nennt aber den 14. Zusatzartikel selbst nicht im Urteil. In der Vorrede allerdings wird klargestellt, dass Corporations Personen seien und deshalb die Schutzrechte des 14. Zusatzartikels genießen dürften (einzelstaatlich)

Fall 4: Chicago, Milwaukee and St. Paul Railway v. Minnesota (1890)

Railroad-Corporations errei-chen, dass – einzelstaatlich gesetzlich begründete – Tarifre-gulierungen unwirksam sind, da der 14. Zusatzartikel nicht ein-gehalten worden sei (ordent-licher Prozess einschließlich Anhörung und richterlicher Prüfung); „corporations and associations“ sind „persons“

Ein Eisenbahn-Tarif-Gesetz des Staates Minnesota

Fall 5: Noble v. Union River Logging Railroad Company (1893)

Corporations konnten einzel-staatlich verwehrte Sonder-durchgangsrechte durch öffent-liches Land mit indirekter Beru-fung auf den 5. Zusatzartikel (Eigentumsberaubung) und direktem Bezug auf den 14. Zusatzartikel („ordentlicher Gerichtsprozess“) wieder erlan-gen (bundesstaatlich)

Eine ministerielle Verordnung auf Bundesebene (bzgl. Durchgangsrecht durch öffentliches Land)

Fall 6: Plessy v. Fergu-son (1896)

Getrennte Bahnabteile für Schwarze und Weiße sind ge-setzlich zulässig und etablieren die Separate but Equal-Doktrin bzw. weitere so genannte Jim Crow-Gesetze. Der Supreme Court entscheidet grundsätzlich, dass Schwarze keinen Bürger-status gemäß dem 14. Zusatzar-

Separate Car Act des Staates Louisiana (1890)

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184 4.Ergebnisse und Ausblick

tikel genössen Fall 7: Hale v. Henkel (1906)

Eine Organisation kann sich – ebenso wie Menschen – auf den 4. Zusatzartikel berufen: Beschlagnahmungen bzw. Anordnungen zur Herausgabe von Dokumenten bzw. unbegründete Durchsuchungen einer Organisation staatlicherseits sind nicht rechtens. Zudem besteht kein „Selbstkriminalisierungs-“Gebot für die organisationalen „Agenten“

Eine Anweisung des Bundesgeschworenen-gerichts (auf Herausga-be von Dokumenten)

Fall 8: Armour Packing Company v. US (1908)

Corporations erlangen das Recht, als „Personen“ ein Schwurgericht in einem Strafprozess gemäß dem 6. Zusatzartikel anrufen zu können; somit wird die Entscheidungsgewalt in Strafrechtsachen gegen Corporations bzw. gegen deren Agenten auf richterlich nicht direkt kontrollierbare, „freie“ Geschworenen-Jurys übertragen; Jurys sind in Strafrechtsachen gegen Corporations als Voraussetzung für ein ordentliches Gerichtsverfahren anerkannt

Elkins Act von 1903 (Verbot der Verschleierung von Frachtratenrabatten)

Fall 9: Pennsylvania Coal Company v. Mahon (1922)

Einer Kohlebergbau-Company wird das Recht eingeräumt, unterhalb eines Grundstücks Bergbau zu betreiben, welches einer Privatperson überlassen worden war, da es sich bei der Corporation um eine gecharterte

Kohler Act des Staates Pennsylvania von 1921 (Verbot von Kohlebergbau, sobald Gebäude gefährdet waren)

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4.1 Schlüsse: Antworten auf die drei Fragenkomplexe und Gesamtfazit 185

Organisation mit einem öffentlichen Zweck gehandelt habe und somit zwangsläufig öffentliches Land betroffen sei. Und die Tatsache, dieses öffentliche Land nicht von Vornherein vollständig nutzen zu können, berechtigt die Corporation gemäß dem 5. Zusatzartikel zu einer Entschädigung für diese „Enteignung staatlicherseits“

Fall 10: Louis K. Liggett Co. v. Lee (1933)

Eine Kaufhauskette akzeptierte bestimmte Steuerregelungen des Staates Florida nicht, nach der sie für Filialen mehr Steuern bezahlen sollen, als dies in der Regel kleinere Konkurrenz-Betriebe tun. Mit Bezug auf die equal protection-clause des 14. Zusatzartikels gelang es den Corporations, die Argumentation vor dem Supreme Court durchzusetzen, dass wenn sonst keine „Personen“ unterschiedlich besteuert würden, sie, Corporations, eben auch nicht

Steuerverordnungen des Staates Florida (zum Schutz kleinerer Betriebe)

Fall 11: Fong Foo v. US (1962)

Im Rahmen eines Vertragsstreits vor Gericht zwischen Bundes-ministerium und einer Corpora-tion soll der Fall zum 2. Mal aufgenommen werden. Die Vertreter der Corporations ar-gumentieren, dass keine Person, dementsprechend auch keine Corporation, zweimal wegen desselben Delikts vor Gericht gestellt werden könne (gemäß

Anklage einer Gruppe von Corporations sei-tens der Bundesregie-rung der USA wegen krimineller Handlungen

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186 4.Ergebnisse und Ausblick

dem 5. Zusatzartikel). Eine Auf-fassung, der die Richter folgen.

Fall 12: Ross v. Bern-hard (1970)

Corporations sind zwar „künst-liche Wesen“, aber vor allem als Einheit getrennt von den sie tragenden Individuen; ihre In-Person-Setzung gesteht ihnen auch das Recht auf einen Schwurgerichtsprozess in Zivil-fragen gemäß dem 7. Zusatzar-tikel zu. Die Jurys beraten in Gesetzesfragen – der Richter entscheidet dann nach Billig-keitsrecht

Federal Rules of Civil Procedere (urspr. v. 1938) (Bundesregeln zu Zivilprozessen in Bezug auf common law bzw. equity law)

Fall 13: Virginia Board of Pharmacy v. Virginia Citi-zens Consumer Council (1976)

Das Recht auf „freie Rede in der Werbung“ wird Corporations zugestanden, da Werbung in der modernen Gesellschaft auch einer Information der Öffent-lichkeit gleichkomme – diese Begründung erlaubt es auch, hierfür den 1. Zusatzartikel, der das Recht auf freie Meinungs-äußerung beinhaltet, als An-spruchsgrundlage anzuführen. Staatliche Maßnahmen zur Wettbewerbsbeschränkung bei Corporations wurden daraufhin schwerer durchsetzbar

Das Wegerecht der Stadt New York und ein Medikamentenge-setz des Staates Virgi-nia

Fall 14: First National Bank of Boston v. Bellotti (1978)

Die de facto-Option für Corpo-rations, andere Organisationen (z. B. Parteien oder deren Kan-didaten) durch finanzielle Spen-den zu unterstützen, wird laut Richtermeinung ebenfalls durch den 1. Zusatzartikel und die darin enthaltene Meinungsfrei-heit geschützt: Als Begründung

Ein Gesetz des Bundes-staates Massachusetts (Verbot von Corporati-ons-seitigen Geldspen-den bei Volkabstim-mungen)

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4.1 Schlüsse: Antworten auf die drei Fragenkomplexe und Gesamtfazit 187

für diesen als „freie Rede in politischen Angelegenheiten“ interpretierbaren Anspruch für Corporations gilt – wie auch schon bei freier Rede in der Werbung – die öffentliche In-formationsfunktion, die einer derartigen Handlung beigemes-sen wird

Fall 15: Pacific Gas & Electric Co. v. Public Utilities Commission (1986)

Der Supreme Court gesteht den Corporations das Recht zu, anderen Corporations oder Ein-zelpersonen Handlungen zu untersagen, die nicht ihren Inte-ressen entsprechen und begrün-det dieses auch mit dem im 1. Zusatzartikel garantierten An-spruch auf freie Meinungsäuße-rung: Aus „freier Rede“ (als Recht, etwas „sagen zu dürfen“) wird eine „negative freie Rede“ (als Recht, Anderen die freie Rede Anderer – gegen deren Willen – „untersagen" zu dür-fen)

Eine Anordnung einer Regulierungsbehörde des Bundesstaates Kalifornien (auf Er-möglichung von Wer-bung für Verbraucher-schutz-Organisationen)

Fall 16: Nike Inc. et al. v. Kasky (2003)

Eine bisher vertagte Entschei-dung des Supreme Courts kreist um die zentrale Frage, ob eine Corporation „nachweislich“ die Unwahrheit behaupten darf: In Pressemitteilungen hatte der Sportartikelhersteller Nike er-klärt, dass gegen das Unterneh-men erhobene Vorwürfe, asiati-sche Mitarbeiter würden wie Sklaven behandelt, nicht zuträ-fen. Corporations-Kritiker sehen Organisationen damit das „Recht zu lügen“ zugestanden

Klage eines Umwelt-schützers bzgl. irrefüh-render Werbung

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188 4.Ergebnisse und Ausblick

(unter möglicher Berufung auf den 1. Zusatzartikel)

Fälle 17/18: Austin, Michi-gan Secretary of State v. Michi-gan Chamber of Commerce, U. S. 652 (1990) und Citizens United v. Feder-al Election Commission (2010)

Im Jahre 1990 durfte eine als Non-Profit-Organisation einge-stufte Handelskammer entspre-chend des Michigan Campaign Finance Act kein Geld aus ihren öffentlichen Kassen zum Zweck der Pateispende bzw. zur Unter-stützung eines Kandidaten ver-wenden, der ein öffentliches politisches Amt anstrebte. Der Argumentation der Handels-kammer, sie sei eine „ideologi-sche“ Non-Profit-Organisation und es sei ihr Recht, sich auf den 1. Zusatzartikel (freie Rede) und den 14. Zusatzartikel (Gleichheitsgrundsatz) berufen zu können, folgten die Richter des Supreme Court nicht. Sie sahen die Handelskammer im Prinzip als ein Unternehmen an, da sie ja die Interessen ihrer Mitglieder – vorwiegend Kapi-talgesellschaften – vertrete. 2010 dann wurde diese Ent-scheidung quasi aufgehoben, als in einem Fall, in dem das Senden eines Videofilms durch eine Non-Profit-Organisation, der die Präsidentschaftskandi-datin Clinton diskreditieren sollte, mit dem 1. Zusatzartikel (freie Rede) als verfassungs-konform anerkannt wurde. Die Begründung des Gerichts enthielt keine Ausführungen darüber, warum dieses Men-

Anordnung eines Bun-desministers (bzgl. Parteispenden von Non-Profit-Organisationen aus öffentlichen Mitteln) bzw. McCain-Feingold Act des Gesamtstaates (2002) (Verbot von Kampagnen-Finanzierungen durch Non-Profit-Organisationen)

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4.1 Schlüsse: Antworten auf die drei Fragenkomplexe und Gesamtfazit 189

schenrecht einer Corporation zugestanden worden war

Fragenkomplex 2: • Welche Mittel und Techniken wenden die Corporations an, ihre Politiken

durchzusetzen? • Welche „Gegentechniken“ werden von welcher Seite angewandt? • Gibt es Kampfszenarien, Konfliktarenen und Koalitionsbildungen?

Wenn die Auseinandersetzungen um das Santa Clara-Urteil auch nicht den Start-punkt (vgl. Kap. 3.2) der Konflikte um das Zugestehen der Zusatzrechte der Artikel bzw. Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung kennzeichnen, so müssen die beschriebenen Konflikte außerhalb jeglicher Chronologien als zentra-le Referenzpunkte markiert werden, die Verwobenheit von politischem System, Fürsprechern der Corporations und Supreme Court aufzuzeigen. Die angeführte „Verschwörungstheorie“ kann – wie gezeigt – nicht bestätigt werden. Zumindest wird man allerdings konstatieren können, dass bspw. die in Fall 3 dargelegten mutmaßlich geheimen Absprachen zwischen dem Politiker und Anwalt Conkling, dem Richter Field und dem Wissenschaftler Pomeroy als Teil der Cliquenbildung von jeweiligen Funktionseliten (vgl. Türk et al. 2006, S. 90) beschrieben werden können. Die Verbindungen, die jene Teilnehmer eingehen, seien sie eben mehr oder weniger formell, seien sie in Seilschaften oder Clans konstituiert, lenken die Aufmerksamkeit auf Eliten, die ihrerseits wieder Mitglieder verschiedenster Organisationen sind, die maßgebliche Entscheidungen in Bezug auf die Verbrei-tung der korporativen Form und der damit verbundenen Machtausübung vorbe-reiten und auch treffen (vgl. ebd.): Das gilt für das Zusammenbringen des citizen-Begriffs mit Corporations des Anwalts und Politikers Conkling, für den laissez faire-Entscheidungsstil des Supreme Court-Richters Field, aber auch für die Cor-porations-stützenden – ideologischen – Texte („Eisenbahnsystem als Bollwerk gegen den Kommunismus“, vgl. Fall 3) des Rechtswissenschaftlers Pomeroy. Auf einer abstrakteren Ebene haben diese Interaktionen dreier „Schlüsselspieler“ ein weiteres gemeinsames Merkmal: Sich als „stille“ Gemeinschaft für die korporati-ve Form einzusetzen, ist Teil einer politischen Differenzierungsstrategie, einer Technik des Ausgrenzens bzw. der sozialen Schließung. Corporations als „citi-zen“ grenzt Menschen aus (Conkling); Corporations-fördernde Einkommensteu-er-Entscheidungen grenzen fördernde Steuerentscheidungen für natürliche Perso-nen aus (Field); den 14. Zusatzartikel auf Corporations anzuwenden, grenzt Schwarze aus (Pomeroy).

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190 4.Ergebnisse und Ausblick

Ebenfalls im Santa Clara-Urteil – aber auch in den meisten der in Kap. 3 dar-gelegten Gerichtsfällen – zeichnet sich eine gesellschaftlich-politische Praxis ab, die rechtsgeschichtlich als Form der Kodifizierung der organisationalen Form bezeichnet werden kann: Das Berufen auf Grund- bzw. Menschenrechte, das Einreichen von Klagen bei einzelstaatlichen und bundesstaatlichen Gerichten seitens der Corporations-Vertreter oder ganz allgemein die Verwendung des Terminus „legal person“ als Konstruktion einer einheitlichen Gebildevorstellung von Organisation sind als Techniken zu kennzeichnen, die vermittels der Inan-spruchnahme von Begriffen, Prozessen und Ordnungsschemata des Rechtssys-tems eine gesellschaftsweite Verbreitung von Organisation forcieren sollen. Dass zwar damit die Institutionalisierung der korporativen Form vermittels einer Kodi-fizierung im Prinzip einer Abkehr vom naturrechtlichen Denken gleichkommt, zeigen auch die ausgetragenen Konflikte im Rahmen der Begründungen für Ko-difizierungspraxen innerhalb der dargelegten Gerichtsfälle: Der Kern vieler Aus-einandersetzung ist ja gerade gewesen bzw. ist es heute noch, ob eine Corporati-on als natürliche oder künstliche Einheit bezeichnet werden soll (zu den genauen Argumentation s. nächste Frage). Die angewandten Praxen zwischen den Akteu-ren innerhalb der dargelegten Gerichtsfälle – seien es Anwälte, Richter oder Politiker – stehen allerdings in einem dialektischen Kodifizierungsprozess: Auf der einen Seite gibt es das deutliche Bezugnehmen auf gesatztes Recht, z. B. Artikel, Zusatzartikel, Gesetze, Verordnungen und Erlasse. Corporations sind in ihnen teils explizit genannt, teils implizit enthalten. Auf der anderen Seite steht das in der common law-Tradition sich vollziehende Richterrecht innerhalb der USA, welches sich ja eben in den meisten hier dargelegten Fällen gerade in Ab-setzung zu gesatztem Recht entfaltet.

In den anderen Fällen wenden die Corporations Taktiken an, die zwar größ-tenteils bei einer oberflächlichen Betrachtung als „erwartbare“ Interaktionen bewertet werden könnten. Wenn bspw. Organisationen Preisabsprachen trafen (Fälle 5 und 7), unbillige Preise verlangten (Fall 8), Verträge über Bergbaurechte abschlossen (Fall 8), die ordnungsgemäße Verwendung von Aktiendividenden einforderten (Fall 12) oder Werbemaßnahmen und Geldspenden vornehmen wollten, wo es ihnen geboten erschien (Fälle 13 -18), dann kann man zunächst davon sprechen, dass dies typische Praxisformen innerhalb der Geschäftstätigkei-ten ökonomischer Organisationen seien. Allerdings verdanken die Corporations viele dieser möglichen Aktivitäten der Tatsache, dass sie ihr Handeln durch die organisationale Form legitimieren können. Oft wird individuelles Handeln in den jeweiligen Organisationen verschleiert, wenn bspw. die Organisation als Ganze gesehen wird und nicht die Verantwortlichkeiten Einzelner, wie dies z. B. in Fall 5 deutlich wird: Der Kämmerer Hale kommt gar nicht in die Lage, sich individu-

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4.1 Schlüsse: Antworten auf die drei Fragenkomplexe und Gesamtfazit 191

ell „verteidigen“ zu müssen, das „Klageobjekt“ ist die Gesamtorganisation. Oder man nimmt die Fälle, die sich um die „freie politische“ bzw. „ökonomische Re-de“ bzw. Parteispenden drehen (Fälle 13 - 18): Dass es jeweils in den Organisati-onen konkret Verantwortliche waren, die, so muss man ja unterstellen, mit Vor-satz, also in voller Absicht, versuchten, öffentlich Meinungen durch Wort und/oder den Einsatz finanzieller Mittel zu beeinflussen, kommt in keinem Urteil zur Sprache – stets wird „der Organisation“ ein Recht auf freie Meinungsäuße-rung verwehrt oder eben – häufiger – gewährt.

Fragenkomplex 3: • Lassen sich die Gerichtsurteile und die in ihnen jeweils angeführten Argumen-

te – seitens der Corporations-Vertreter, aber auch seitens der Vertreter von Legislative, Judikative bzw. die sonstiger „Gegner“ – systematisch ordnen oder in Beziehung setzen?

• Welche Argumente stützen ihre Plausibilität entweder auf die Berufung auf Sozialität (= die Organisation) oder aber auf Individualität (= Handeln qua Agentschaft durch Rolleninhaber)?

• Wie entfaltet sich die Konfliktlinie „korporative Freiheit“ v. „staatliche Regu-lierung“?

Bei aller Unterschiedlichkeit der Typen der in den Gerichtsfällen dargelegten Corporations (Schulen, Handelskammern, Eisenbahnunternehmen etc.) möchte ich innerhalb der Beantwortung dieses Fragenkomplexes nochmals darauf hin-weisen, dass analytisch besonders von Interesse ist, was denn das „Gleiche“ (vgl. Kap. 1.2) bei so unterschiedlichen Organisationstypen sein soll, mithilfe dessen je nach Perspektive und Situation argumentiert wird: Corporations werden innerhalb der Gerichtsfälle in ihrer Einheitsvorstellung argumentativ seitens der Corporati-ons-Vertreter in erster Linie in Form einer Gleichsetzung gefasst, und zwar ver-mittels Aspekten, die sachlich und historisch bis dato auf Menschen, auf „Bürger“ der USA, angewendet worden waren, wie bspw. folgende Begriffe belegen: Priva-theit (z. B. „private charity“ in Fall 1), „unfreiwillige Knechtschaft“ (Fall 2), „natürliche“ bzw. „künstliche Person“ bzw. zu schützender Gleichheitsgrundsatz (Fälle 3 und 12), „rechtliches Gehör“ (Fall 5), „Immunitäten“ (Fall 7), „Verbre-cher“ (Fall 8), „Vertreter der Öffentlichkeit“ (Fall 9), „Klassen“ (Fälle 3 und 10) oder „freie Rede“ (Fälle 15 - 18). All diese Begriffe setzen zwar unterschiedliche Konnotationen, allerdings weisen sie doch eine Gemeinsamkeit auf, die hier zual-lererst betont werden soll, weil sie eine deutliche Differenz zum kontinental-europäischen Diskurs (vgl. Kap. 1.4.2.1) um die abstrakte Fundierung von kör-perschaftlichen Gebilden darstellt: Es zeigt sich in den Argumentationen und

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192 4.Ergebnisse und Ausblick

Urteilen ein deutlicher und stetiger „ … Rückgriff auf die zentralen Ideen und Werte von Individualismus, Freiheit und Gleichheit, Demokratie und Konstitutio-nalismus, freiem Unternehmertum und Schutz des Eigentums …“ (Vorländer 1996, S. 43). Die US-amerikanische Gesellschaft zeichnet sich also durch eine dem kontinental-europäischen Kollektivismus verschiedene Denk- und Hand-lungsstruktur aus, die auffällige Gemeinsamkeiten mit der Theorietradition des Liberalismus aufweist (vgl. ebd., S. 44).

Ganz allgemein kann festgehalten werden, dass die gelungene Inanspruch-nahme der Grundrechte der US-amerikanischen Verfassung durch Corporations nicht nur das Konzept der „legal person“ als Pendant zur „Juristischen Person“ in Europa etabliert. Vor allem die Fälle 9, 12 und 13 - 18 zeigen zudem, dass erst die kodifizierte legal person als Rechtseinheit es de facto vermag, Kapital entperso-nalisiert und anonymisiert über die Lebensdauer natürlicher Personen hinweg zu akkumulieren und ein unabhängiges Dauereigentum zu bilden, welches eben losgelöst ist von konkreten Menschen. Die Erfordernisse der Kapitalbildung ma-chen Monopolisierungen von Organisationen nötig, die ihrerseits dazu passender Rechtskonstruktionen bedürfen, eben bspw. die Entstehung der Figur der Juristi-schen Person oder des Gesellschaftsrechts überhaupt (vgl. Bruch/Türk 2005, S. 106 f.). Die legal person ermöglicht somit spezifische Eigentums- und Zurech-nungskonstrukte. Dies korrespondiert durchaus mit kontinental-europäischen Perspektiven auf den Gebildecharakter von Organisation (vgl. Weber, Wolff und Luhmann in Kap. 1.4.2). Die Kodifizierung im Rahmen des Ringens um einen Einheitsbegriff von Organisation hat allerdings zwei Seiten: Einerseits geht es um das Verankern des Konzepts der „legal person“ selbst innerhalb des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts. Im Grunde kann man sogar sagen, dass sich das Gesellschaftsrecht zu einem großen Teil überhaupt erst auf diese Weise quali-tativ und quantitativ ausbilden konnte aufgrund der abstrakten Denk- und Praxis-form „Juristische Person“. Auf der anderen Seite geraten kodifizierte andere Rechtsregeln, die eben nicht Gesellschaftsrecht sind, in einen Zusammenhang mit Tatbeständen, die „legal persons“ betreffen, bspw. kann die gelungene Inan-spruchnahme von Rechten der US-amerikanischen Zusatzartikel als das Erlangen einer Grundrechtsfähigkeit von Organisationen bezeichnet werden. Dies ist dage-gen in Deutschland bspw. nicht möglich: Weder der Staat noch andere Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auf Grundrechte als subjektive Rechte berufen (vgl. Hesse 1999, S. 130). In den USA gelten die Grundrechte als dem Staat vorausliegende Rechte der Menschen – in Deutschland sind die Grund-rechte solche Rechte, die dem Individuum nicht schon als Menschen, sondern erst als Glied des Staats zukommen, die dem Staat also nicht vorausliegen, sondern erst vom Staat gewährt werden (vgl. Pieroth/Schlink 2000, S. 13.). Insofern stel-

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4.1 Schlüsse: Antworten auf die drei Fragenkomplexe und Gesamtfazit 193

len die US-amerikanischen Grundrechte das positiv-gesatzte Recht dar, worauf die Corporations sich in Bezug auf ihre Ansprüche beziehen können; dies gelingt offensichtlich deshalb so erfolgreich, da Organisation durch die Verankerung des Rechtskonstrukts der „legal person“ selbst einen positiv-rechtlichen Status er-langt, womit die Weber’sche These der legalen Herrschaftsfunktion von Organisa-tion zu belegen ist (vgl. Kap. 1.2 sowie Bruch/Türk 2005, S. 106).

Insgesamt kennzeichnen einige Inanspruchnahmen von Zusatzartikeln der US-amerikanischen Verfassung durch Corporations einen Prozess, der innerhalb der Jurisprudenz als „Substantiierung“ (Albert 1971, S. 157) bezeichnet wird. Im 5. Zusatzartikel ist bspw. das formale Recht verankert, niemanden „seines Lebens, seiner Freiheit oder seines Eigentums“ berauben zu dürfen, „ohne ordentlichen Gerichtsprozess“. Dieses ursprünglich formale Recht wird in den Fällen 13 - 18 dahingehend substantiiert, dass es die Wegnahme von Eigentum (d. h. im weites-ten Sinne: ein Recht nicht ausüben zu können/dürfen), verbietet (zumeist den staatlichen Instanzen), ganz gleich, ob damit ein ordentliches Gerichtsverfahren verbunden ist oder nicht. Bspw. in Fall 2 bedeutet Eigentum, ein gesetzlich er-laubtes Gewerbe zu betreiben, in den Fällen 9 sowie 13 - 18 kennzeichnet es schließlich jedes vermögenswerte Interesse und entfernt sich damit immer mehr von seiner ursprünglichen Definition, sich lediglich auf „physical objects“ zu beziehen. Ähnliches gilt auch für den im 5. Zusatzartikel genannten Freiheitsbe-griff: Ursprünglich war dieser Begriff nur für das Freisein von physischer Be-schränkung reserviert (vgl. Albert 1971, S. 159). Die Fälle 2, 3 und 13 - 18 zei-gen, dass diese Freiheitsinterpretation – teilweise nur implizit – durch die Corpo-rations immer weiter ausgedehnt worden ist, in bspw. die Freiheit, einen Beruf ausüben zu dürfen oder Meinungs-, Presse- oder Versammlungsfreiheit zu erlan-gen (auch wenn andere Zusatzartikel dies teilweise ebenfalls garantieren).

Staatliche Instanzen, seien sie aus den Bereichen Legislative oder Judikative, fassen Organisation im Verlaufe des dargelegten, über 200-jährigen Prozesses der Auseinandersetzung mit wechselnden Begriffen: Mal ist eine Organisation – wohlgemerkt eine Schule – eine „private corporation“ mit „government“-Funktion (Fall 1), mal ist eine – immerhin ökonomisch ausgerichtete Organisation mit Monopolstellung – beauftragte Corporation, die einen öffentlichen Zweck erfüllt (Fall 2). Im zentralen Santa Clara-Urteil (Fall 3) legt die Vorrede des Chef-richters Zeugnis darüber ab, dass das Gericht implizit Corporations für ebenso schutzwürdige Personen hält, wie dies im Prinzip für Menschen gilt. Die Anwälte argumentieren für die Corporations, obwohl in der Urteilsverkündung nachweis-lich mit keiner Silbe berücksichtigt –, dass eben der 14. Zusatzartikel keine abs-trakten korporativen Rechte, sondern im Prinzip die individuellen Rechte der Teilhaber schütze. Dazu nicht ganz passend ist dann das Anschluss-Argument,

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194 4.Ergebnisse und Ausblick

dass Schwarze (die mutmaßlich eigentlich Adressierten des 14. Zusatzartikels) eine „gleiche“ bzw. „einheitliche“ Klasse mit den Corporations darstellten, war doch zuvor eben gerade nicht mit der abstrakten Organisation als Ganze, sondern mit der diese Organisation vertretenen Personen argumentiert worden. Kommen-tatoren und Corporations-Kritiker kennzeichnen dann in der – mehr oder weniger ideologischen – Interpretation später die konfliktären Differenzierungen als Aus-druck einer „Klassenbildung“: Menschen im Vergleich zu Corporations würden diskriminiert (Hartmann) bzw. erstmalig wie eine „natürliche Entität“ (Horwitz) – also sprich: wie Menschen – aufgefasst (Fall 3). Wiederum in anderen Fällen bezeichnen Argumentationen des Gerichts Corporations zwar als „künstliche Wesen“, allerdings können diese als „Personen“ Ansprüche gegen Dritte geltend machen und nicht die Mitglieder der Organisation (Fall 7 bzw. Fall 12). Insge-samt kennzeichnet diese Produktion einer Einheitsvorstellung von Organisation – wie dargelegt stets konfliktär zwischen „natürlicher“ und „künstlicher“ Semantik der jeweiligen Konfliktakteure wechselnd, aber grundsätzlich von einer indivi-dualistischen-liberalen Ideologie überformt – einen Prozess, der sowohl die orga-nisationale Form selbst zum Gegenstand konfliktueller Definitionsprozesse macht als auch insgesamt Organisation zu einem Mittel der gesellschaftlichen Auseinan-dersetzung hinsichtlich der Akkumulation von Machtressourcen institutionalisie-ren hilft (vgl. Türk et al. 2006, S. 89). Dies lässt sich an den Gerichtsurteilen zeigen, wenn man organisationale Machtakkumulation im weitesten Sinne aus-legt: Wenn Macht eben ganz allgemein meint, von jemand Anderem etwas (auch) gegen dessen Willen „verlangen“ zu können, dann kann man durchaus zeigen, dass es die Corporations geschafft haben, dies in einem erheblichen Umfang zu erreichen. Die Aufzählung der Machtzuwächse für Organisationen reicht von der Erlangung einer „Regierungsfunktion“ (Fall 1) über das „Verlangen“ der Anwen-dung des staatlichen Gewaltmonopols („Polizeimacht“) gegen „Andere“ (Fall 2) bis zu einer Irritation von Urteilsverkündungen, so dass Richter sich gar genötigt fühlen, „Vorreden“, die die organisationale Form und ihre Kodifizierung betref-fen, vor den Urteilen verkünden zu müssen (Fall 3). Das substantielle Recht, dass dieser Fall die Basis darstellte, sich als Organisation auf einen ordentlichen Ge-richtsprozess berufen zu können, kommt – nicht unwesentlich – zum Machtzu-wachs hinzu. In den anderen Fällen sind es sehr häufig gelungene Abwehraktivitä-ten seitens der Corporations, und zwar in Bezug auf die Durchsetzung staatlicher Gesetze, Erlasse und Verordnungen. Mit anderen Worten: Dem Staat gelingt es sehr oft nicht, sein Gewalt- bzw. Machtmonopol durchzusetzen, bspw. Tarifgeset-ze (Fall 4), Durchgangsverordnungen (Fall 5), Bundesanweisungen (Fall 7), den „Kohler Act“ (Fall 8), einzelstaatliche Steuerverordnungen (Fälle 3 und 10), bun-

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4.1 Schlüsse: Antworten auf die drei Fragenkomplexe und Gesamtfazit 195

desstaatliche Klagen (Fall 11), kommunale Wegerechte (Fall 13), Anordnungen von Regulierungsbehörden (Fall 15) oder Parteispendengesetze (Fälle 17/18).

Vor dem Hintergrund vieler staatlicherseits nicht „erfolgreicher“ Regulie-rungsversuche in Bezug auf organisationale Praxen kann man in einem nächsten Schritt versuchen, die Gerichtsfälle dahingehend analytisch zu ordnen, dass man sie bestimmten historischen Epochen innerhalb der US-amerikanischen Geschich-te zuordnet. Viele der hier dargelegten Gerichtsfälle fallen demnach in eine Epo-che, die Mayer (1990, S. 3; s. a. Vorländer 1996, S. 183 ff.) die „Progressive Era“ nennt: Sie reicht zirka von 1870 - 1930. In dieser Epoche stand die Recht-sprechung des Supreme Court ganz im Zeichen eines ausgeprägten laissez faire-Liberalismus (vgl. Kap. 2.2.4 und 3.2), der Eigentums- und Freiheitsrechte mög-lichst weitgehend vor staatlichen Eingriffen zu schützen versuchte. Die Fälle 2 - 9 sind dieser Epoche zuzuordnen und belegen diese Interpretation insofern, als dass sie zwar allesamt durch Kämpfe und Konflikte zwischen Staat und v. a. ökonomi-schen Organisationen gekennzeichnet sind, allerdings den Corporations nicht nur in fast jedem dieser Fälle die nötigen Freiräume gelassen wurden, ihre Aktivitäten auszuführen, sondern dies geschah zusätzlich noch vermittels der Gewährung von Grundrechten, die diese Aktivitäten gleichsam legitimieren konnten. Die zuneh-mende Inanspruchnahme von Grundrechten durch die Corporations lässt einen Sachverhalt deutlich werden, der den meisten der hier dargelegten Gerichtsfällen gemeinsam ist: Ein seit dem 18. Jahrhundert schwacher Bundesstaat war auf dem Territorium der USA darum bemüht gewesen, den Ausbau des Landes (Eisenbah-nen-, Kanal- und Straßenbau) zu betreiben, die Grundlinien der Landverteilung zu bestimmen sowie die in Privatheit liegende Wirtschaftsentwicklung zu fördern (vgl. Ehmke ebd., S. 307). Das Entstehen eines „corporate business“ (ebd.) mit seinen Verflechtungen und Abhängigkeiten machte es notwendig, dass die Regie-rung eine Corporation nicht länger „als Privatmann“ (ebd.) betrachtete in dem Sinne, dass es gleich war, ob man in Einzelfällen dieses oder jenes individuelle Recht einer Corporation zugestehen wollte oder nicht. Wollte der Staat Corpora-tions wirksam kontrollieren, konnte die privatrechtliche contract clause nicht mehr genügen (vgl. ebd.). Die Wirtschaftsregulierung seitens des Staates scheiter-te, wie v. a. die hier dargelegten Fälle 4, 5 und 8 zeigen; der Staat verstand es zunehmend nicht, das „Business“ ausreichend an die Privatrechtsordnung zu binden. Der Supreme Court trug erheblich dazu bei, so genannte „corporate rights“ (ebd.) zu verankern, indem er – und das ist eine weitere zentrale Gemein-samkeit der hier dargelegten Gerichtsfälle – die beiden zentralen privatrechtlichen Elemente des Kapitalismus, nämlich Privateigentum und Vertragsfreiheit, zu Grundrechten, und zwar auch für Corporations gültige, erhob. Vor diesem Hinter-grund könnte man fast behaupten, dass die Unterscheidung, Corporations argu-

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196 4.Ergebnisse und Ausblick

mentativ als „künstlich“ oder „natürlich“ zu konzipieren, zwei Seiten derselben Medaille darstellt: Stets dient die Corporation als Medium, als Vehikel, als fin-giertes Abstraktum, Zurechenbarkeit von Menschen „umzulenken“. Ganz präzise handelt es sich um einen juristischen Konstruktionsakt, der sowohl die von Pu-fendorf sehr früh als auch die von Samuels später (vgl. Kap. 1.4.2.1) vorgebrach-te Erfindungs-These von Gebilden (sprich: Organisationen; aber auch der Form „Organisation“) deutlich stützt.

Gründe für das Scheitern staatlicher Regulierung nennt Albert: In den meisten der dargelegten Fälle konnte sich die Herrschaftsinstanz Staat nicht gegen die Institutionalisierung der Inanspruchnahme von Grundrechten seitens der Corpora-tions durchsetzen – im Gegenteil. Die Fälle zeigen, dass ein Grundprinzip US-amerikanischer Rechtsprechungspraxis staatlicherseits häufig nicht gegen die Corporations in Anschlag gebracht werden konnte: Ein grundsätzlicher Eingriff in Grundrechte, die ja in den Fällen 3 - 9 den Corporations zugestanden worden waren, wäre vom Supreme Court nur dann vereinbar mit dem „due process of law“ gehalten worden, wenn das der Maßnahme zugrundeliegende Gesetz „reaso-nable“ (Albert ebd.), war. Es durfte nicht „unreasonable“ (ebd.), „arbitrary“ (ebd.) oder „opressive“ (ebd.) sein. Als vernünftig wurde ein Gesetz im Allgemeinen dann angesehen, wenn die Akte, zu deren Vornahme es ermächtigte, zu den vom Staat zu erfüllenden Zwecken in vernünftiger Beziehung standen (vgl. ebd.). Mehr und mehr kam der Supreme Court offensichtlich zu der Auffassung, dass der grundsätzliche verfassungsgarantierte Gleichheitsgrundsatz auch auf Corpora-tions anzuwenden sei und von Maßnahmen, die eindeutig einer „police power“ zugeordnet werden können (vgl. Fall 2), Abstand zu nehmen sei, da Corporations mutmaßlich eben nicht einen zu beseitigenden Notstand oder die Förderung der allgemeinen Wohlfahrt verhinderten (vgl. ebd.). In einer mentalitäts-kulturellen Perspektive lassen sich Machtansprüche der „Big Bosses“ der Corporations sowie die laissez faire-Entscheidungen der Supreme Court-Richter als etwas Emergentes kennzeichnen. Vorländer führt aus, dass „ … das „Neue“ des urbanen Progressi-vismus, den auf Organisation, Management und Administration abzielenden Füh-rungsanspruch der „neuen“ Mittelschichten, der zugleich von einer neuen „public philosophy“ untermauert wurde“ (Vorländer 1996, S. 183; Herv. i. Orig.), von vielen Forschern nicht gesehen worden sei.

Die an die progressive Epoche anschließende ist die des „New Deal“ (vgl. ebd., S. 7): Diese Epoche war durch ökonomische Stagnation gekennzeichnet. Mayer weist darauf hin, dass die Regulation der Corporations zu dieser Zeit zu-nahm, viele Regulierungsagenturen seien innerhalb dieser Epoche gegründet

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4.1 Schlüsse: Antworten auf die drei Fragenkomplexe und Gesamtfazit 197

worden80. Da innerhalb der Falldarlegungen ja hauptsächlich solche ausgewählt worden sind, die die Inanspruchnahme von Grundrechten durch Corporations betrafen, kann an dieser Stelle eine Zunahme der staatlichen Regulierung von Corporations empirisch nicht belegt werden, dazu wäre eine Prüfung vieler Ver-ordnungen zahlreicher Agenturen zu jener Zeit erforderlich. Fakt ist, dass meine Recherche sehr wenige Fälle mit Grundrechtbezug in dieser Zeit ausmachen konnte, was Mayers These ja insgesamt stützen könnte. Der Fall, der dieser Epo-che zugeordnet werden konnte, ist Fall 10. Das Regulierungsbemühen des (Ein-zel-) Staates in Bezug auf große Corporations zugunsten des Schutzes kleiner Unternehmen kommt sehr wohl in diesem Fall zum Ausdruck. Allerdings handelt es sich offenbar um einen der wenigen Fälle jener Zeit, bei denen es erneut staat-lichen Instanzen nicht gelang, ihre Politiken durchzusetzen, denn letztlich obsieg-te ja die Corporation: Das Steuergesetz wurde für verfassungswidrig erklärt, wo-mit ein direkter Grundrechtsbezug (14. Zusatzartikel) hergestellt war. Insgesamt sind vielleicht auch deshalb so wenig Gerichtsfälle mit Corporations- bzw. Grundrechte-Bezug in dieser Epoche zu finden, weil einfach andere Themen die gesellschaftliche Agenda beherrschten; Mayer schreibt dazu: „Bill of Rights is-sues were completely overshadowed by other constitutional questions during the New Deal“ (ebd.). Nichtsdestotrotz dokumentiert die Schaffung staatlicherseits eingesetzter Regulierungsagenturen und -kommissionen eine wiederum durch Organisationsbildung abgesicherte Professionalisierungswelle, die als Teil der Formierung der Herrschaftsinstanz Staat gelten kann: Die Kommissionen erlan-gen Definitionsmacht über das, was als legales, richtiges und gerechtes Verhalten der von ihnen überwachten Corporations zu gelten hat, sie werden zu organisati-onsbasierten Instanzen, die wiederum andere Organisationen – wenn auch wie dargelegt: oft erfolglos – zu kontrollieren versuchen. Damit ist ein in Kap. 1.3 angedeutetes Grundcharakteristikum moderner Organisation an den hier dargeleg-ten Gerichtsfällen unmittelbar bestätigt: Die moderne organisationale Form ist gekennzeichnet durch ihre extroverse Herrschaftsförmigkeit, zumindest ist der Versuch der Kommissionen als Herrschaftspraxis der „ … Unterwerfung, Bear-beitung, Regulierung und Kontrolle Dritter“ (Türk 1995a, S. 119) zu bewerten.

Differenzierungstheoretisch können wir nicht nur von einer organisationsver-mittelten Restrukturierung, Regulierung und Reproduktion des Systems Ökono-mie sprechen – viele der staatlichen Regulierungsaktivitäten in den dargelegten Fällen betrafen ökonomische Organisationen –, auch in den Funktionssystemen

80 Mayer nennt ausdrücklich: „Securities and Exchange Commission“; „National Labor Rela-

tions Board“, „Federal Communications Commission“ sowie „Civil Aeronautics Authority“ (vgl. Mayer 1990, S. 7).

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198 4.Ergebnisse und Ausblick

Recht bzw. Politik, wozu sich ja staatliche Instanzen wie Behörden, Gerichte oder Agenturen zuordnen lassen, vollziehen sich Organisationsbildungen (die besagte Instanzen entstehen lassen). Eine Kritik an der organisationalen Form sowie da-raus abgeleitete Maßnahmen werden von Gebildeeinheiten initiiert, die selbst längst ebenfalls die organisationale Form angenommen haben.

Als vorerst – „jüngste“ – Epoche nennt Mayer die „Modern Era“ (ebd.): Diese sieht er zeitlich nach 1960 verortet. „Moderne“ gesellschaftliche Steuerung und moderne Eigentumsvorstellungen sieht Mayer innerhalb dieser Epoche verwirk-licht. Diese eher pauschal formulierte Argumentation präzisiert Mayer dann inso-fern, als er „moderne Steuerungsziele“ (ebd.) eher im Bereich der Verwirklichung sozialer Ziele, z. B. Umweltschutz, erkennt sowie modernes Eigentum auch zu-nehmend auf Information und Wissen angewendet sehen möchte. Dieses passt zum Teil zu den hier dargelegten Gerichtsfällen: Wertet man die Inanspruchnah-me von Rechten durch die Corporations auch als einen Machtzuwachs an Wissen und Informationen, müsste allerdings konkretisiert werden, welche Dimensionen damit gemeint sein könnten. Ganz allgemein wäre an diesem Punkt daran zu denken, dass die Corporations sich ein Wissen angeeignet haben, welches sich im weitesten Sinne auf eine Fertigkeit bezieht, Auseinandersetzungen im politisch-juristischen Raum professionell führen zu können. Dies führte konkret zu der Herausbildung einer eigenen Rechtssphäre in Organisationen, z. B. Rechts- und Stabstellen, deren Hauptaufgabe es ist, die Durchsetzung aller möglichen „corpo-rate rights“ zu initiieren und zu kontrollieren. Das aktuellste Beispiel liefert mo-mentan eine der zweifellos großen und mächtigen Corporations, das US-amerikanischen Internet- und Software-Unternehmen Google. Der in dem Streit um die Rechtmäßigkeit des Betreibens des Internetdienstes „Street View“ zum Ausdruck kommende Konflikt kennzeichnet im Prinzip erneut deutlich die von der Corporations-kritischen Bewegung immer wieder betonte Argumentation: Warum soll Google das (Eigentums-) Recht haben, also das Recht haben, als Organisation etwas tun zu dürfen, nämlich Videoaufnahmen von Straßen, Häu-sern, Plätzen und eben auch Menschen zur Veröffentlichung bereitzustellen, wäh-rend Menschen im Gegenzug nur begrenzte Chancen haben, dies zu verhindern? Es wird mit Interesse zu verfolgen sein, ob Google sich in den zu erwartenden gerichtlichen Auseinandersetzungen in dieser Angelegenheit – wie im Verlaufe dieser Arbeit dargelegt viele weitere Corporations – ebenfalls auf das durch die Verfassung garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung beziehen wird.

Zum Abschluss dieser ersten Analyseschritte im Rahmen der hier verfolgten organisationstheoretisch strukturierten Dokumentation seien folgende, abstrahie-rende Bemerkungen angefügt: Die seitens der Corporations-kritischen Bewegung vorgebrachte Argumentation, Corporations hätten Menschenrechte erlangt, kann

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durchaus empirisch bestätigt werden. Organisationen in den USA sind im Verlau-fe der letzten 200 Jahre die zentralen Rechte der Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung per Gerichtsurteil im Rahmen des innerhalb der USA so bedeutenden Richterrechts zugesprochen worden, so bspw. das Recht auf einen ordentlichen Gerichtsprozess, dass Recht auf freie Meinungsäußerung oder das Recht, nicht zweimal wegen desselben Delikts verklagt werden zu können. Damit trug das juristisch-politische System der USA, hauptsächlich der Supreme Court, erheblich dazu bei, so genannte „corporate rights“ zu verankern, indem er – und das ist eine zentrale Gemeinsamkeit der meisten der hier dargelegten Ge-richtsfälle – die beiden zentralen privatrechtlichen Elemente des Kapitalismus, nämlich Privateigentum und Vertragsfreiheit, zu Grundrechten, und zwar auch für Corporations gültige, erhob. Damit ist ein grundsätzliches Spannungsverhält-nis zwischen dem konstituierenden Recht (allgemein: Staat; konkret: Supreme Court) und konstituiertem Recht (konkret-empirisches den Corporations gewähr-tes Recht) gekennzeichnet, dessen „Spannung“ darin besteht, dass das konstituie-rende Recht stets mit dem Gewaltmonopol des Staates verbunden ist: Nur staatli-cherseits ist das Gewähren von Rechten möglich. So kann das Ergebnis meiner Arbeit auch als die Beschreibung eines doppelten Spannungsverhältnisses gele-sen werden: Während viele staatliche – organisationsförmige – Einheiten Macht und Herrschaft verlieren, erlangen viele nicht-staatliche – ebenfalls organisati-onsförmige Einheiten – erhebliche Machtzuwächse. Dies seitens einer Corporati-ons-kritischen Bewegung zu kritisieren, ist allerdings häufig als affirmatorische Kritik zu kennzeichnen, da eher Praktiken als die Form selbst als Kritikobjekte behandelt werden. Zumeist (ökonomischen) Organisationen in den USA Grund-rechtsansprüche zu gewähren, lässt sich als Prozess der schrittweisen historischen Privatisierung von Herrschaft fassen. In Bezug auf die Verwendungsfähigkeit meiner Ergebnisse muss auf den analytischen Gesamtzusammenhang zurückge-kommen werden, der in Kap. 1 vorgestellt worden ist: Wie dort ausgeführt wur-de, kann die Gebildedimension von Organisation als die am wenigsten beforschte gelten. Wie der Begriff der „Dimension“ allerdings bereits anzeigt, handelt es sich beim „Gebilde“-Komplex um ein Forschungskontinuum. Innerhalb einer sehr großen „Lücke“ in Bezug auf die Herausbildung der korporativen Form in den USA habe ich einen ersten wichtigen dokumentarischen und ordnenden Schritt vollzogen, nicht zuletzt durch die Publizität im deutschsprachigen Raum. Weitere kleine und große „Lücken“ zu schließen, wäre Aufgabe sich an diese Arbeit anschließender Forschungen (hierzu werde ich im folgenden Kap. 4.2 einige Anregungen geben). Nicht übersehen werden darf zudem, dass die hier herausgearbeiteten Ergebnisse, aber ebenfalls die weiter anzuschließenden For-schungen – auch wenn sie sich forschungsanalytisch auf die Gebildedimension

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200 4.Ergebnisse und Ausblick

von Organisation beziehen –, stets in Zusammenhang mit den beiden anderen Organisationsdimensionen „Ordnung“ und „Vergemeinschaftung“ gebracht wer-den müssen, handelt es sich doch bei dieser Kategorisierung um eine analytisch fruchtbare und empirische Differenzierung, deren Elemente allerdings im Rah-men von Ergebnisgewinnung und -deutung in Bezug auf die historische Heraus-bildung von Organisation in der Moderne realiter zusammenzudenken sind.

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4.2 Anschlüsse: Internationale Vergleiche und „Corporate Crime“ 201

4. 2 Anschlüsse: Internationale Vergleiche und „Corporate Crime“

„ … der Alltagssprachgebrauch, der dazu neigt, Organisationen mit Institutionen gleichzuset-zen, [ist] unzweckmäßig, weil Organisationen darin andererseits als Handlungssysteme aufge-fasst und ihnen – zu Recht – Akteurseigen-schaften zugeschrieben werden. Organisationen werden Handlungen und Handlungsfolgen zu-geschrieben, sie gelten als zurechnungsfähig, verantwortlich, womöglich als juristische Per-sonen, sie haften, sie sind Eigentümer, sie üben Macht aus und so fort. Institutionen handeln nicht, sondern restringieren und ermöglichen Handeln – sofern Akteure in ihrem Handeln auf sie rekurrieren. Allerdings können Organisatio-nen … institutionalisiert sein.“ (Ortmann 2004, S. 25; Herv. i. Orig.)

In der Einleitung hatte ich bereits hervorgehoben, dass diese Untersuchung zu-nächst ein erster Schritt sein soll, die historische Herausbildung der Gebildedi-mension von Organisation in den USA zu rekonstruieren und einer organisations-soziologischen Analyse zu unterziehen. Im vorangegangenen Kapitel wurden erste Ordnungs- bzw. zusammenfassende, strukturierende Schritte unternommen. In diesem Schluss-Kapitel möchte ich zu einigen Fragen innerhalb des „weiten“ Fragenkatalogs der Einleitung zurückkehren und mögliche Anschlüsse aufzeigen, die sich nun, im Nachgang der Dokumentation des empirischen Materials, als zukünftig forschungsrelevant erweisen könnten. Da es sich dabei um Gerichtsfäl-le handelte, werden auch die folgenden Ausführungen sich vor allem auf inhaltli-che Aspekte beschränken, die an einem Schnittpunkt zwischen Rechts- und Or-ganisationssoziologie angesiedelt sind. Ohne diese Einschränkung würde die Liste der möglichen Anschlüsse unendlich lang und damit beliebig. Ich werde mich im Folgenden auf drei wesentliche Aspekte beziehen, die aus meiner Sicht gut an die hier vorliegende Untersuchung anzuschließen wären. I. Zu den vorn angesprochenen Fragen gehört der Aspekt der internationalen – organisationstheoretisch-relevanten – Bedingungen und Effekte, die mit der

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kampfreichen Etablierung der korporativen Form in den USA zusammenhängen bzw. von ihr ausgehen. Es wäre zunächst einmal an die hier verfolgte dokumenta-risch-empirische Vorgehensweise anzuschließen. Hier erscheint v. a. der organi-sationale Grundrechtsbezug in anderen Ländern von Interesse zu sein. Der mit diesem Aspekt verbundene Forschungsstrang stellte dabei sowohl auf den histori-schen Entwicklungsverlauf als auch auf die aktuellen Probleme, die u. U. daraus resultieren, dass Organisationen sich auf Grundrechte zu berufen versuchen, in international vergleichender Perspektive ab. Beispielsweise war Frankreich ange-sprochen: Es könnte die französische Verfassung ebenso auf „Grundrechte und Organisation“ untersucht werden und die bereits vorn angedeutete „organisati-onsfeindliche“ Haltung des Staates (vgl. Kap. 1.1) stärker herausgearbeitet wer-den. Daran anzuschließen wären andere Nationen wie bspw. Spanien oder Portu-gal. Immerhin waren diese einst bedeutende Seefahrer- und Handelsnationen mit Kolonialisierungsgebahren, die denen Englands in nichts nachstanden. Wie ver-liefen die Transformationsprozesse in Bezug auf das korporative Prinzip in die-sen Ländern? In Bezug auf England, das keine geschriebene Verfassung hat, wäre zu prüfen, welche Aspekte sich z. B. aus englischen Gerichtsfällen bezüg-lich der Herausbildung von Organisationen herausarbeiten lassen. Hier könnte es bspw. darum gehen, wie sich dort insgesamt eine common law-Tradition in Be-zug auf die „Behandlung“ von Organisationen historisch ausprägte, die mit den in den innerhalb dieser Arbeit dargelegten „Wurzeln“ vieler US-amerikanischer Rechtsbezüge – die allerdings auch z. T. erheblich vom englischen common law abweichen – noch in keiner Weise hinlänglich beschrieben werden konnten. II. Der vielfach innerhalb dieser Untersuchung zitierte Autor Ted Nace („Gangs of America“) liefert in seinen Darlegungen zahlreiche empirische Hinweise, dass es Corporations zunehmend auch gelingt, sich internationale Rechtsregeln zunutze zu machen. Der spezielle Bezug auf die Inanspruchnahme von Rechten aus den Zusatzartikeln der US-amerikanischen Verfassung stellte bereits eine – zwar aus forschungspragmatischen Gründen vorgenommene – Einschränkung dar. Inner-halb der Ausführungen in Kap. 2 ist von mir an mehreren Stellen darauf hinge-wiesen worden, dass die Arten und Weisen der Auseinandersetzungen und Kämpfe um die korporative Form mannigfaltige Praxen enthielten, die nicht stets einen Bezug zu den Zusatzartikeln herstellten: Das Spektrum reicht von bewaff-neten Kämpfen gegen Railroad-Companys (vgl. Kap. 2.2.3) über das Etablieren eines kampagnenfähigen Anti-Corporations-Netzwerkes (vgl. Kap. 2.1.3) bis hin zur (Corporations-seitigen) machtvollen Abwendung staatlicher Regulierungsver-

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4.2 Anschlüsse: Internationale Vergleiche und „Corporate Crime“ 203

suche (vgl. allg. Kap. 2.2). Nace nun erweitert diese – bei weitem nicht vollstän-dige – Aufzählung gesellschaftlicher Konfliktpraxen, die – explizit oder implizit – die organisationale Form zum Gegenstand haben, um bilaterale und multilatera-le „agreements“ (Nace ebd., S. 222), mit deren Hilfe es die Corporations interna-tional schafften, sich in die „political arena of each individual nation“ (ebd.) einzubringen und damit ihre jeweilige „agenda of empowerment“ (ebd.) zu ver-ankern. Ganz zentral nennt Nace die Verankerung des organisationalen Prinzips innerhalb der Etablierung einer neuen Nachkriegsfinanzordnung mit den domi-nierenden Organisationen „Weltbank“ und „Internationaler Währungsfonds“, die es vermocht hätten, Kurzzeit-Darlehen für nationale Regierungen zu institutiona-lisieren. Zudem hätten, so Nace weiter, diese großen, mächtigen Finanzorganisa-tionen einen nicht unerheblichen Beitrag zur Ausweitung transnationaler Corpo-rations, vor allem in der so genannten „Dritten Welt“ geführt (vgl. ebd.). Nace nennt ganz konkret das Beispiel der Ausweitung der langfristigen Auslandsschul-den von Staaten mit geringem Bruttosozialprodukt von 21 Millionen auf 110 Millionen US-$ zwischen 1970 und 1980 als eine durch jene Finanzorganisatio-nen vollzogene internationale Steuerungspraxis. Daneben treten Strukturverände-rungen, wie bspw. die Schaffung von Fonds für verschuldete Staaten; allerdings beinhalten diese Veränderungen vor allem zwingende Bindungen von National-staaten in Bezug auf die Rückzahlungsbedingungen gewährter Kredite (vgl. ebd.). Des Weiteren nennt Nace die internationalen Handelsabkommen GATT (General Agreement of Tariffs and Trades) und NAFTA (North American Free Trade Agreement), die im Prinzip den Abbau vieler – oft eben bilateraler – Han-delsbeschränkungen zum Gegenstand gehabt hätten (vgl. ebd.). Insgesamt sieht Nace diesen empirischen Machtzuwachs internationaler Organisationen als „ … die ersten Bruchstücke einer globalen Verfassung“ (ebd., S. 223), als „ … einen Korpus von neuen Rechten, welcher einer multinationalen Corporation die Fä-higkeit verleiht, jegliche lästige Regeln auszuschalten oder zu zerstören, die einzelne Länder … versuchen könnten, ihnen aufzuerlegen“ (ebd., S. 224). Auf genauso empirisch-dokumentarische und zugleich theorie-geleitete Weise wie bei den Zusatzartikeln in den USA könnte nun ein Forschungsdesiderat darin beste-hen, die von Nace angedeuteten Prozesse der Ausweitung internationaler Corpo-rations genau zu studieren. Um welche „Abkommen“ handelt es sich genau? Wer waren/sind ihre Initiatoren? Sehr wahrscheinlich ist auch die Institutionalisierung dieser Abkommen nicht friktionslos verlaufen. Wer waren die beteiligten Akteu-re? Welche Argumente wurden vorgetragen, die die Schaffung und den Einsatz internationaler Organisationen rechtfertigten? Gab es auch hier Bezugnahmen auf „abstrakte Ideen“, wie bspw. Völkerrecht, globale Gerechtigkeit oder Freiheits-vorstellungen? Und wie vertrügen sich diese Diskursverschränkungen zu den

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Argumentationen der Corporations, die USA-Recht für sich in Anspruch nehmen wollten bzw. es immer noch wollen? Diese Fragen stellen nur erste Annäherun-gen an einen m. E. diese Untersuchung anzuschließenden Forschungskomplex dar. Dieser könnte nicht zuletzt deshalb in einen organisationstheoretischen For-schungsfokus geraten, da die hier behandelten Gerichtsfälle (z. B. die Fälle 13 - 18) auf eine bestimmte Weise stets auch Aspekte der Umstrukturierung der mo-dernen Eigentumsordnung enthalten: Aus seinem ursprünglichen Bedeutungsge-halt des substantiellen „Haben- und Behalten-Dürfens“ von Grund und Boden, Häusern, Geld etc. ist eine Eigentumsvorstellung entstanden, die Eigentum in Form abstrakter Rechte, wie Forderungsrechte, Schuldtitel, Banknoten u. a. m. konzipiert (vgl. Heinsohn/Steiger 2004, S. 109 ff.). Insofern gelten die erlangten Corporations-Rechte, die sich aus den US-amerikanischen Zusatzartikeln erge-ben, als „Eigentum“ i. S. eines – einklagbaren – Rechtekatalogs. Inwiefern könn-te nun empirisch gezeigt werden, dass Corporations internationale Rechtsregeln als ihr „Eigentum“ betrachten?

An dieser Stelle könnte sodann dargelegt werden, dass derartige weiterfüh-rende Fragen ebenfalls gut anschlussfähig wären an den hier vorgestellten Türk’schen theoretischen Bezugsrahmen, denn „ …in den westlichen Ländern [entwickelt sich] nach dem Zweiten Weltkrieg ein „Organisationaler Neolibera-lismus“, dessen Dispositive sich weltweit ausdehnen und zu Regulationskonzep-ten bzw. -institutionen auf Weltniveau führen“ (Türk et al. 2006, S. 291; Herv. i. Orig.). Eine Verlagerung und Umstrukturierung traditionaler, staatlich-zentrierter Handlungsformen und Praxisfelder wird – wie beispielhaft bei Weltbank und Internationalem Währungsfonds gezeigt – auf zentrale Weltorganisationen über-tragen und lässt zunehmend eine globale Governance-Struktur entstehen. Diese bedeutet im Prinzip eine Abkehr von hierarchischen, zentralistischen wohlfahrts-staatlichen Steuerungsformen und eine Hinwendung zu dezentralen, netzwerkar-tigen Formen der Kontextsteuerung (vgl. ebd., S. 292). Diese wiederum ist Aus-druck der Emergenz weltweiter organisationaler „Macht- und Herrschaftsketten“ im Sinne einer Struktur, „organisationsförmig“ zu denken und zu handeln und nicht-organisationsförmige Ko-Operation (vgl. Kap. 1.3) zu marginalisieren und eine Asymmetrie zwischen korporativen und individuellen Akteuren zu verfesti-gen. Somit bringt die Abkehr von staatlicher Steuerung und Regulierung die neue gouvernementale „Regierungsform“ Organisation – als Institution im Sinne eines ermöglichenden und restringierenden Meta-Prinzips – hervor, die im Kern, trotz der sie verdeckenden Semantiken der Demokratie, der Zivilgesellschaft und der Partizipation, in einer Privatisierung von Herrschaft besteht.

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III. Der soeben ausgeführte II. Aspekt hängt nicht unwesentlich mit dem nun vorzu-stellenden zusammen. Eine Ausweitung des korporativen Prinzips auf die globale Ebene lässt ein Phänomen deutlich werden, welches insgesamt auch mit Argu-mentationslinien innerhalb der hier behandelten Gerichtsfälle in Zusammenhang steht: Es geht um den Aspekt, warum, mit welchen Argumenten, in welchen Konstellationen und unter welchen Bedingungen Mitglieder in Organisationen sich eigentlich auf die korporative Form selbst oder auf sich selbst, als Men-schen, die in Organisationen handeln, beziehen. Auf den Aspekt, dass Organisa-tion es vermag, dass Menschen sich von individuellen Verantwortlichkeiten los-sagen, sich „entlasten“ können mit Argumenten, als Rollenträger, im Amt, im Auftrage bzw. zwecks Erfüllung fremdgesetzter Erwartungen gehandelt zu haben, ist in Fall 5 (am Bsp. des Kämmerers Hale) eingegangen worden. Insgesamt ist – wie mehrfach betont wurde – diese Untersuchung ja als Beitrag zu lesen, wie die Etablierung der korporativen Form rekonstruiert werden kann. Ein seit zirka Beginn der 1990-er Jahre verstärkt in das Forschungsinteresse von Ökonomen und Soziologen geratenes Forschungsfeld ist der Diskurs über „Corporate Social Responsibility“ (CSR; vgl. stellvertretend May et al. 2007; Ungericht et al. 2008; kritisch: Ortmann 2010). Diese Debatte geht im Kern davon aus, dass Organisa-tionen sich „moralisch verantwortlich“ (Ungericht et al. ebd., S. 15) fühlen müss-ten. Grob vereinfachend wird an die Verantwortung und an das Engagement von – meist ökonomischen – Organisationen gegenüber ihrer gesellschaftlichen und ökologischen Umwelt81 appelliert (vgl. Hiß 2006, S. 21). Demnach steht CSR dafür, Unternehmen nicht nur nach ihrem Beitrag zur Güter- und Dienstleis-tungsproduktion oder ihrer Fähigkeit, Gewinn zu erwirtschaften, zu messen, sondern ihre „Bürgerpflichten“ als „Teil der Gesellschaft“ zu erfüllen (vgl. Brandl 2006). In Richtung einer ähnlichen Bedeutung ist auch das mit CSR stark verwandte Accountability-Konzept angelegt: Accountability beschreibt einen normativen Diskurs, der um organisationale Verantwortungsethik kreist. Organi-sationen soll Zurechenbarkeit und Verantwortlichsein zugesprochen werden gegenüber einem Publikum (Mitbewerber, Regierungen, NGO’s, aber auch und

81 Überhaupt kann man feststellen, dass Verantwortungsfragen in Bezug auf „Organisation“

zu einem großen Teil in ökonomischen Organisationen behandelt werden. Es könnte auch organisationssoziologisch fruchtbar sein, wie Kyora (2001) es macht, nach „Verantwor-tungstypen“ (Gesellschaftliche Verantwortung, Verantwortung für Verbrechen und System-verantwortung) zu unterscheiden. Allerdings changiert der Autor ständig zwischen kollekti-ven und korporativen Akteuren bzw. differenziert diese soziologisch nicht hinreichend, so dass seine Analyse zwar anregend, aber unpräzise bleibt (vgl. Kyora 2001).

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206 4.Ergebnisse und Ausblick

vor allem Kunden)82, welches seinerseits mit erheblicher Belohnungs- und Be-strafungsmacht gegenüber den Unternehmungen ausgestattet ist (vgl. Beu 2001). Ortmann (2010) liefert kritische Einwände, warum es so problematisch ist, eine moralische Verantwortungskategorie auf Organisationen zu beziehen: „Moral … scheint doch auf Gewissen zu verweisen, auf Gefühle des Mitleids, der Schuld, Scham, Reue und Peinlichkeit, ergo auf moralische, und das heißt: emotionale Wahrnehmungsfähigkeit. Organisationen aber haben selbst keine Gefühle“ (Ort-mann 2010, S. 66; Herv. i. Orig.). Diese Einschätzung deckt sich im Prinzip mit der im Rahmen dieser Untersuchung vertretenen Leitthese, dass Organisation, als korporativer Akteur begriffen, eine Zurechnungseinheit meint, die durch ihren konflikthaften Etablierungsprozess in der Figur der legal person ihren rechtlichen Niederschlag gefunden hat und die im Prinzip bereits in Pufendorfs „zusammen-gesetzter Moralpersone“ (vgl. Kap. 1.4.2.1) angelegt gewesen war. Wenn im Fall 7 die Richter argumentiert hatten, das Wesen der Organisation sei nicht zu tren-nen von den sie bildenden Individuen, kennzeichnet das die grundsätzlichen Dilemma-Situationen zwischen der Berufung auf Individualität bzw. auf Soziali-tät. An diesem analytischen Punkt wäre weiterzudenken. Gibt es bspw. noch weitere historische (bzw. aktuelle) Dokumente (Zeitungsberichte, Unterneh-mensdossiers, anwaltliche Plädoyers o. ä.) bzgl. der hier vorgestellten Gerichts-fälle, aber auch bzgl. weiterer Konflikte (wie in I. erwähnt), die die Etablierung der korporativen Form betreffen? In nicht wenigen Gerichtsfällen, die in Kap. 3 behandelt werden, werfen die Corporations-Gegner den Corporations ja nicht nur abweichendes, sondern sogar kriminelles Handeln vor (vgl. Fälle 7, 8, 15, 16). Kennzeichnen also geheime Preisabsprachen, Unterlagenunterschlagung oder Verwendung öffentlicher Gelder für „private“ organisationale Zwecke durchaus Kriminalitätstatbestände, so verweist doch die Frage der „korporativen sozialen Verantwortlichkeit“ vor allem darauf, dass die „Durchgriffsfrage“ (Dietmair 1988) alles andere als insgesamt geklärt zu sein scheint: Die international entfal-tete Debatte über Managementhaftung beantwortet leider nicht immer eindeutig, „ … auf wen denn eigentlich „durchgegriffen“ werden soll“ (ebd., S. 140; Herv. i. Orig.) bzw. konkret in Bezug auf die Gerichtsurteile ist zu fragen: „Wer gehört zu dem Personenkreis der „eigentlichen Grundrechtsträger“? Zählen hierzu die Menschen mit Vermögensanteilen an der juristischen Person oder auch die Ar-beitnehmer, deren Schicksal in der Regel essentieller mit der juristischen Person verbunden ist?“ (ebd.; Herv. i. Orig.) An diesem Punkt angelangt, kann es von

82 Dass auch diese Diskussion wiederum nicht neu ist, beweist Nadel (1976): „ … the discus-

sion of corporate accountability must be reformulated as a discussion of political accounta-bility” (Nadel 1976, S. 19).

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4.2 Anschlüsse: Internationale Vergleiche und „Corporate Crime“ 207

Interesse sein, nicht, wie Ortmann, am Moral-Term anzusetzen, sondern, wie Balcke (2001), am Verantwortungs-Term. Balcke zeigt am Beispiel der Kon-struktion der „Inspektion der Konzentrationslager“ (IKL), dass die gelungene Kognition eines organisationalen Gebildes – nämlich der IKL – individuelle Verantwortungsentlastung ermöglicht, da der IKL ein eigener Subjektcharakter, ein Handlungs- und Verantwortungscharakter zugesprochen wurde (vgl. Balcke ebd., S. 198 ff.): „Für die Akteure des KZ-Systems vermochte sich … durchaus die Möglichkeit eröffnen, zur tagtäglichen (Re-) Produktion des KZ-Terrors die Verantwortung für das eigene Handeln der IKL aufzulasten, ohne dabei die mo-ralische Integrität als natürliche Person aufgeben zu müssen“ (ebd., S. 205). Auch wenn es sich um zwei sehr unterschiedliche empirische Bereiche handelt, so könnten genau mit dem Fokus auf die Trennung zwischen Verantwortungsent-lastung und moralischer Legitimationspraxen Forschungsanschlüsse hergestellt werden: Bspw. könnten Gerichtsprozesse – nicht nur solche in den USA – ver-sucht werden zu identifizieren, in denen sich organisationale Agenten (also zu-meist wahrscheinlich Manager) wegen strafbarer Handlungen „zu verantworten“ hatten. Wie verliefen die Argumentationen, sowohl der anklagenden als auch der verteidigenden Seiten? Wie waren „Moral“ und „Verantwortungen“ innerhalb dieser Fälle konzipiert? Welches waren die Referenzobjekte für „Moral“ und „Verantwortung“: Eine menschliche Ethik, Organisationsvorgaben oder „die Gesellschaft“?

Diese Fragen im Blick bestünde auch ein möglicher Erkenntnisgewinn dann darin, die Problematik der Verantwortung von Organisationen bzw. die Verant-wortung von organisationalen Agenten, die im Namen und Auftrag einer Organi-sation gehandelt haben, mit einem Diskursstrang zusammenzubringen, der vor allem in den USA zur Zeit sehr breit behandelt wird, nämlich „Corporate Crime“ (vgl. Friedrichs 2007; Simpson 2002). Wenn die Corporations-kritische Bewe-gung (vgl. Kap. 2.1.3) im Duktus einer Kriminalitätssemantik kritisiert (exempla-risch dafür kann Hartmanns „Raub von Menschenrechten“ stehen), dann wäre dieser Kritikfigur spezifischer nachzugehen: Es müsste detailliert aufgearbeitet werden, was es konkret mit einem Vorwurf gegenüber der organisationalen Form auf sich hat, der im Grunde gesellschaftliche Kriminalisierung durch Corporati-ons beinhaltet und wie vorn ausgeführt streng genommen gar keine Kritik an eben der organisationen Form, sondern eher an organisationalen Praktiken dar-stellt. Man könnte dann versuchen herauszuarbeiten, dass damit erstens gar kein neues Phänomen bezeichnet ist, was ja auch die Diskussionen um „White Collar Crime“ (Sutherland 1949) oder um die Dualität des Staates als „law maker“ und „law breaker“ (vgl. Ermann/Lundman 1978) zeigen; zweitens müsste analysiert werden, ob denn nicht damit, organisationale Handlungen als im Prinzip „abwei-

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208 4.Ergebnisse und Ausblick

chendes Verhalten“ zu konzipieren, eine ideologische Funktion erfüllt wird: Wer setzt denn eine herrschende Norm, von der abgewichen wird? Sind die Anti-Corporations-Bewegungen nicht ebenfalls Organisationen, die von wiederum anderen Normen abweichen? Hierzu könnte es fruchtbar sein, die bereits vorlie-genden Studien bspw. aus den 1980-er Jahren erneut anzuschauen: Innerhalb des Komplexes „Corporations as Criminals“ (Hochstedler 1984) sind Themen wie „Corporate Criminal Liability“ oder „The Duality of Corporate and Individual Criminal Liability“ (ebd., S. 5) längst diskutiert worden und bedürfen des Wie-deraufgreifens und des Spiegelns bspw. mit aktuellen, ebenfalls von Nace (2003) genannten Fällen: Nace widmet ein ganzes Buch-Kapitel („Crime Wave“) der Kriminalität von Organisationen. Zunächst nennt er überhaupt eine ganze Reihe von kriminellen Tatbeständen in Organisationen, wie bspw. das ungesetzliche Aufbessern von Finanzdarstellungen bei großen Corporations wie Enron, AOL, Time Warner u. a., welches sich konkret im Falle Enron dadurch zeigte, dass Enron weltweit nahezu 2.800 Niederlassungen unterhalte. Jene Struktur der „ge-heimen Partnerschaften“ (ebd., S. 211), so Nace, habe es vermocht, finanzielle Verluste von Enron zu kanalisieren und letztlich zu eliminieren. Im Anschluss stellt Nace dann den Bezug explizit her, dass die Konfliktlinie zwischen indivi-dueller und korporativer Verantwortungszurechnung für „kriminelles“ Handeln in Organisationen kennzeichnet: Seit den 1980-er Jahren hätten organisationale Agenten („CEOs“: Chief Executive Officers; deutsch etwa: Geschäftsführer) ein ausgeklügeltes System aufgebaut, indem sie eine kriminelle Praxisform geschaf-fen hätten, die auf die Manipulation von Zielvereinbarungen ihrer eigenen Ak-tienoptionen gerichtet war. Manager hatten insgesamt eine derartige Machtfülle erreicht, dass sie über ihre eigenen Aktienoptionen je nach Aktienkurs entschei-den könnten: Bei exaktem Erreichen des Aktienkurses, der in der Zielvereinba-rung zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsführung festgelegt worden war, erhielten die Manager die zugesicherten Anteilspakete; bei Abweichung des Aktienkurses nach unten müssten die Manager diese Aktienanteile nicht nehmen, sondern bekämen eine zweite Zugriffschance (vgl. ebd., S. 214). Diese grob von Nace angedeuteten Prozesse müssten konkret dokumentiert und analysiert wer-den.

An dieser Stelle möchte ich die erste Annäherung an mögliche Forschungsde-siderata beenden und betonen, dass Verschränkungen zwischen Rechts- und Organisationssoziologie insofern zentral an einem gemeinsamen Gegenstand arbeiten, als dass sie beide einen bedeutenden Zusammenhang zwischen Rechts-strukturen und gesellschaftlichen Strukturen beschreiben und analysieren. Es bleibt allerdings weiter eine notwendige Aufgabe kritischer Organisationssozio-logie, nicht nur Rechtssoziologen, sondern der Soziologie-Community allgemein

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aufzuzeigen, dass die Figur der „legal person“ kein unhinterfragtes Naturphäno-men war und ist, sondern ein umkämpftes, kontingentes Rechtskonstrukt mit herrschaftskonstituierenden und -strukturierenden Konsequenzen. Weite Teile der Rechtswissenschaft insgesamt befinden sich wohl noch in einem Prozess nachzuvollziehen, was auf gesamtgesellschaftlicher Ebene längst alltäglich empi-risch als institutionalisiert gelten kann: Die Etablierung der Form Organisation.

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Die Bedeutungskonstellation Gebilde ................................................... 48 Abb. 2: Aktie der East India Company (1795)................................................. 106 Abb. 3: Die Vernichtung von Tee bei der Boston Tea Party (1846) ................ 111 Abb. 4: Die neue „Aristokratie des Reichtums“ (1877) ................................... 118 Abb. 5: „The American Frankenstein“ (1874) ................................................ 119 Abb. 6: Pennsylvania Railroad brennt ............................................................. 124 Abb. 7: „Equal protection“ .............................................................................. 144 Abb. 8: „Korpenstein“ (Karikatur von Matt Wuerker, 2002) .......................... 179

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Die Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung ........................ 114 Tab. 2: Zusammenfassung der Fall-Problematiken .......................................... 182 Tab. 3: Dargelegte Gerichtsfälle (Kurzform) ................................................... 239 Tab. 4: Übersicht über die Zusatzartikel der US-am. Verfassung .................... 247 Tab. 5: Kurzübersicht über weitere Corporations-kritische Bewegungen ........ 270

T. Matys, Legal Persons – „Kämpfe“ und die organisationale Form, DOI 10.1007/978-3-531-94147-9© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Anhang 1. Dargelegte Gerichtsfälle mit entsprechenden Fall-Problematiken (Kurzform) Tab. 3: Dargelegte Gerichtsfälle und Fallproblematiken (Kurzform)

Gerichtsfall (Artikel bzw. Zu-satzartikel/Jahr)

Fallproblematik

Fall 1: Trustees of Dart-mouth College v. Woodward (I; 1819)

Das nachträgliche „Hineinregieren“ in Corporations gewährte Charters seitens des Staates wird durch den Supreme Court als Verletzung der contract clause, also der individuellen Vertragsfreiheit, eingestuft. Corporations seien davor zu schützen. De facto wird damit erstmalig einer Organisation ein Individual-recht zugestanden

Fall 2: Slaughterhouse Cases (13, 14; 1872)

Eine „Sonder-Corporation“ erhält Monopolstellung bzgl. der Tierschlachtung: Zum Schutze der Gesund-heit und zum Wohle der Allgemeinheit (hier: „kon-zentriertes“ Schlachten außerhalb der Stadt) könne ein Einzelstaat von seiner „Polizeimacht“ als legiti-mer Maßnahme Gebrauch machen und damit ein Grundrecht (die freie Berufsausübung der einzelnen Metzger) zugunsten einer Corporation einschränken; die Vorrechte für die Corporation werden mit dem charter-fixierten „öffentlichen Zweck“ begründet

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240 Anhang

Fall 3: Santa Clara v. South-ern Pacific Railroad Co. (14.; 1886)

Anlässlich eines Steuerstreits (laut der Railroad-Company ein zu hoher Basiswert als Steuergrundla-ge) führen die Anwälte aus, die Corporation sei „un-gerecht“ besteuert worden und stützten sich auf die Kernaspekte des 14. Zusatzartikels: „Niemand darf … ohne ordentlichen Gerichtsprozess („due process of law“) … irgendeiner Person … den gleichen Schutz der Grundrechte – bspw. Eigentum – („equal protec-tion“) versagen bzw. berauben“. Somit sei die Corpo-ration also ohne „rechtliche Grundlage“ besteuert worden. Das Gericht bestätigt dies, nennt aber den 14. Zusatzartikel selbst nicht im Urteil. In der Vorre-de allerdings wird klargestellt, dass Corporations Personen seien und deshalb die Schutzrechte des 14. Zusatzartikels genießen dürften. Vorrede und Urteil konstituieren somit zusammengenommen die An-spruchsgrundlage des 14. Zusatzartikels für Corpora-tions (einzelstaatlich)

Fall 4: Chicago, Milwaukee and St. Paul Railway v. Minnesota (14.; 1890)

Corporations des Eisenbahnwesens bekämpfen ihrer-seits die Anti-Monopol-Maßnahmen des Staates: Sie erreichen, dass – einzelstaatlich gesetzlich begründete – Tarifregulierungen unwirksam sind, da der 14. Zusatzartikel nicht eingehalten worden sei (ordentli-cher Prozess einschließlich Anhörung und richterli-cher Prüfung); „corporations and associations“ sind „persons“

Fall 5: Noble v. Union River Logging Railroad Company (14.; 1893)

Corporations konnten einzelstaatlich verwehrte Son-derdurchgangsrechte durch öffentliches Land mit indirekter Berufung auf den 5. Zusatzartikel (Eigen-tumsberaubung) und direktem Bezug auf den 14. Zusatzartikel („ordentlicher Gerichtsprozess“) wieder erlangen (bundesstaatlich)

Fall 6: Plessy v. Ferguson (13., 14.; 1896)

Getrennte Bahnabteile für Schwarze und Weiße sind gesetzlich zulässig und etablieren die Separate but Equal-Doktrin bzw. weitere so genannte Jim Crow-Gesetze. Der Supreme Court entscheidet grundsätz-lich, dass Schwarze keinen Bürgerstatus gemäß des 14. Zusatzartikels genössen

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Anhang 241

Fall 7: Hale v. Henkel (4.; 1906)

Eine Organisation kann sich – analog zu Individuen – auf den 4. Zusatzartikel berufen: „staatliche Übergrif-fe“ in Form von Beschlagnahmung bzw. Anordnung zur Herausgabe von Dokumenten einer Organisation ist nicht rechtens – es herrscht ein Schutz vor unbe-gründeter Durchsuchung; ggfs. beinhaltet das auch den Schutz für organisationale „Agenten“: keine Pflicht zur „Selbstkriminalisierung“ für Manager bzw. Bevollmächtigte von Corporations

Fall 8: Armour Packing Company v. US (6.; 1908)

Ein Konglomerat von Organisationen soll durch die Verschleierung von Frachtratenrabatten gegen ein bundesstaatliches Gleichheitsgesetz (Elkins Act) verstoßen haben: Die Anwälte der Corporations ar-gumentieren ihrerseits, den Corporations stehe als „Personen“ ein Schwurgericht in diesem Strafprozess gemäß des 6. Zusatzartikels zu; somit wird die Ent-scheidungsgewalt in Strafrechtsachen gegen Corpora-tions bzw. gegen deren Agenten auf richterlich nicht direkt kontrollierbare, „freie“ Geschworenen-Jurys übertragen; Jurys sind in Strafrechtsachen gegen Corporations als Voraussetzung für ein ordentliches Gerichtsverfahren anerkannt

Fall 9: Pennsylvania Coal Company v. Mahon (5.; 1922)

Einer Kohlebergbau-Company wird das Recht einge-räumt, unterhalb eines Grundstücks Bergbau zu be-treiben, welches einer Privatperson überlassen wor-den war, da es sich bei der Corporation um eine ge-charterte Organisation mit einem öffentlichen Zweck gehandelt habe und somit zwangsläufig öffentliches Land betroffen sei. Und die Tatsache, dieses öffentli-che Land nicht von Vornherein vollständig nutzen zu können, berechtigt die Corporation gemäß Zusatzarti-kel 5 zu einer Entschädigung für diese „Enteignung staatlicherseits“

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242 Anhang

Fall 10: Louis K. Liggett Co. v. Lee (1; 1933)

Eine Kaufhauskette akzeptierte bestimmte Steuerregelungen des Staates Florida nicht, nach der sie für Filialen mehr Steuern bezahlen sollen, als dies in der Regel kleinere Konkurrenz-Betriebe tun. Mit Bezug auf die equal protection-clause des 14. Zusatzartikels gelang es den Corporations, die Argumentation vor dem Supreme Court durchzusetzen, dass wenn sonst keine „Personen“ unterschiedlich besteuert würden, sie, Corporations, eben auch nicht

Fall 11: Fong Foo v. US (5.; 1962)

Wegen (mutmaßlicher) Höherbewertung von vertrag-lich fixierten Preisen für Geräte zur Wetterbeobach-tung, die eine Corporation dem Staat verkaufen will, kommt es zum Rechtsstreit: Wird ein solcher aller-dings einmal aus welchen Gründen auch immer ein-gestellt, argumentieren die Vertreter der Corporati-ons, dass keine Person, dementsprechend auch keine Corporation, zweimal wegen desselben Delikts vor Gericht gestellt werden könne. Eine Auffassung, der die Richter folgen

Fall 12: Ross v. Bernhard (7.; 1970)

Corporations sind zwar „künstliche Wesen“, aber vor allem als Einheit getrennt von den sie tragenden Indi-viduen; ihre In-Person-Setzung gesteht ihnen auch das Recht auf ein Schwurgerichtsprozess in Zivilfra-gen gemäß dem 7. Zusatzartikel zu. Die Jurys beraten in Gesetzesfragen – der Richter entscheidet dann nach Billigkeitsrecht

Fall 13: Virginia Board of Pharmacy v. Virginia Citizens Consumer Council (1.; 1976)

Das Recht auf „freie Rede in der Werbung“ wird Corporations zugestanden, da Werbung in der mo-dernen Gesellschaft auch einer Information der Öf-fentlichkeit gleichkomme – diese Begründung erlaubt es auch, hierfür den 1. Zusatzartikel, der das Recht auf freie Meinungsäußerung beinhaltet, als An-spruchsgrundlage anzuführen. Staatliche Maßnahmen zur Wettbewerbsbeschränkung bei Corporations wurden daraufhin schwerer durchsetzbar

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Anhang 243

Fall 14: First National Bank of Boston v. Bellotti (1.; 1978)

Die de facto-Option für Corporations, andere Organi-sationen (z. B. Parteien oder deren Kandidaten) durch finanzielle Spenden zu unterstützen, wird laut Rich-termeinung ebenfalls durch den 1. Zusatzartikel und die darin enthaltene Meinungsfreiheit geschützt: Als Begründung für diesen als „freie Rede in politischen Angelegenheiten“ interpretierbaren Anspruch für Corporations gilt – wie auch schon bei freier Rede in der Werbung – die öffentliche Informationsfunktion, die einer derartigen Handlung beigemessen wird

Fall 15: Pacific Gas & Electric Co. v. Public Utilities Commission (1.; 1986)

Der Supreme Court gesteht den Corporations das Recht zu, anderen Corporations oder Einzelpersonen Handlungen zu untersagen, die nicht ihren Interessen entsprechen und begründet dieses auch mit dem in Zusatzartikel 1 garantierten Anspruch auf freie Mei-nungsäußerung: aus „freier Rede“ (als Recht, etwas „sagen zu dürfen“) wird eine „negative freie Rede“ (als Recht, Anderen deren freie Rede – gegen deren Willen – „untersagen“ zu dürfen)

Fall 16: Nike Inc. et al. v. Kasky (1; 2003)

Eine bisher vertagte Entscheidung des Supreme Courts kreist um die zentrale Frage, ob eine Corpora-tion „nachweislich“ die Unwahrheit behaupten darf: In Pressemitteilungen hatte der Sportartikelhersteller Nike erklärt, dass gegen das Unternehmen erhobene Vorwürfe, asiatische Mitarbeiter würden wie Sklaven behandelt, nicht zuträfen. Corporations-Kritiker sehen Organisationen damit das „Recht zu lügen“ zugestan-den

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244 Anhang

Fälle 17/18: Austin, Michigan Secretary of State v. Michigan Chamber of Commerce, U. S. 652 (1990) und Citizens United v. Federal Election Commission, US … (2010)

Im Jahre 1990 durfte eine als Non-Profit-Organisation eingestufte Handelskammer entspre-chend des Michigan Campaign Finance Act kein Geld aus ihren öffentlichen Kassen zum Zweck der Patei-spende bzw. zur Unterstützung eines Kandidaten verwenden, der ein öffentliches politisches Amt an-strebte. Der Argumentation der Handelskammer, sie sei eine „ideologische“ Non-Profit-Organisation und es sei ihr Recht, sich auf den 1. Zusatzartikel (freie Rede) und den 14. Zusatzartikel (Gleichheitsgrund-satz) berufen zu können, folgten die Richter des Sup-reme Court nicht. Sie sahen die Handelskammer im Prinzip als ein Unternehmen an, da sie ja die Interes-sen ihrer Mitglieder – vorwiegend Kapitalgesellschaf-ten – vertrete. 2010 dann wurde diese Entscheidung quasi aufgeho-ben, als in einem Fall, in dem das Senden eines Vi-deofilms durch eine Non-Profit-Organisation, der die Präsidentschaftskandidatin Clinton diskreditieren sollte, mit dem 1. Zusatzartikel (freie Rede) als ver-fassungskonform anerkannt wurde. Die Begründung des Gerichts enthielt keine, Ausführungen darüber, warum dieses Menschenrecht einer Corporation zuge-standen worden war

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Anhang 245

2. Auszug auf der Unabhängigkeitserklärung (4. Juli 1776) Wenn es im Zuge der Menschheitsentwicklung für ein Volk notwendig wird, die politischen Bande zu lösen, die es mit einem anderen Volke verknüpft haben, und unter den Mächten der Erde den selbständigen und gleichberechtigten Rang ein-zunehmen, zu dem Naturrecht und göttliches Gesetz es berechtigen, so erfordert eine geziemende Rücksichtnahme auf die Meinung der Menschheit, dass es die Gründe darlegt, die es zu der Trennung veranlassen. Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerli-chen Rechten ausgestattet sind; dass dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören; dass zur Sicherung dieser Rechte Regierungen unter den Men-schen eingesetzt werden, die ihre rechtmäßige Macht aus der Zustimmung der Regierten herleiten; dass, wenn immer irgendeine Regierungsform sich als diesen Zielen abträglich erweist, es Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaf-fen und eine neue Regierung einzusetzen und diese auf solchen Grundsätzen aufzubauen und ihre Gewalten in der Form zu organisieren, wie es ihm zur Ge-währleistung seiner Sicherheit und seines Glückes geboten zu sein scheint. [...] Die Regierungszeit des gegenwärtigen Königs von Großbritannien ist von unentwegtem Unrecht und ständigen Übergriffen gekennzeichnet, die alle auf die Errichtung einer absoluten Tyrannei über diese Staaten abzielen. Zum Beweise dessen seien der gerecht urteilenden Welt Tatsachen unterbreitet: Er hat Gesetzen seine Zustimmung verweigert, die für das Wohl der Allgemein-heit äußerst nützlich und notwendig sind. [...] Er hat es abgelehnt, andere Gesetze zugunsten großer Bevölkerungskreise zu verabschieden, wenn diese Menschen nicht auf das Recht der Vertretung in der Legislative verzichten wollten, ein für sie unschätzbar wichtiges Recht, das nur Tyrannen furchtbar ist. Er hat die gesetzgebenden Körperschaften zu ungewöhnlichen und unbequemen Plätzen einberufen, die von dem Aufbewahrungsort ihrer öffentlichen Urkunden und amtlichen Unterlagen weit entfernt lagen, zu dem einzigen Zweck, sie durch Ermüdung zur Unterwerfung unter seine Maßnahmen zu bringen. Er hat wiederholt Abgeordnetenkammern aufgelöst, weil sie mit männlicher Festigkeit seinen Eingriffen in die Rechte des Volkes entgegengetreten sind. Er hat sich lange Zeit hindurch geweigert, nach solchen Auflösungen neue Ver-tretungen wählen zu lassen. [...] Er hat die Rechtsprechung hintertrieben, indem er Gesetzen über die Erteilung

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246 Anhang

richterlicher Befugnisse seine Zustimmung versagte. Er hat Richter hinsichtlich der Amtsdauer und der Höhe und des Zahlungsmodus ihrer Gehälter von seinem Willen allein abhängig gemacht. [...] Er hat danach gestrebt, das Militär von der Zivilgewalt unabhängig zu machen und es ihr überzuordnen. Er hat sich mit anderen zusammengetan, um uns eine Form der Rechtsprechung aufzuzwingen, die unserer Verfassung fremd und von unseren Gesetzen nicht anerkannt war. [...] Er hat seinen Herrschaftsanspruch hier dadurch aufgegeben, dass er uns als au-ßerhalb seines Schutzes stehend erklärte und Krieg gegen uns führte. Er hat unsere Meere geplündert, unsere Küsten verheert, unsere Städte niederge-brannt und unsere Mitbürger getötet. [...] In jedem Stadium dieser Bedrückung haben wir in der untertänigsten Form um Abhilfe nachgesucht: Unser wiederholtes Bitten ist lediglich durch wiederholtes Unrecht beantwortet worden. Ein Monarch, dessen Charakter durch jede seiner Handlungen in dieser Weise gekennzeichnet wird, die einem Tyrannen zuzutrau-en ist, kann nicht geeignet sein, über ein freies Volk zu herrschen. [...] Daher tun wir, die in einem gemeinsamen Kongress versammelten Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, [...] feierlich kund, dass diese Vereinigten Kolonien freie und unabhängige Staaten sind und es von Rechts wegen bleiben sollen; dass sie von jeglicher Treuepflicht gegen die britische Krone entbunden sind, und dass jegliche politische Verbindung zwischen ihnen und dem Staate Großbritannien vollständig gelöst ist und bleiben soll. [...]. Quelle: Wasser, H.: Die USA – der unbekannte Partner. Paderborn 1983, S. 38 ff.

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Anhang 247

3. Übersicht über die Zusatzartikel Tab. 4: Übersicht über die Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung

Num-mer

Jahr Zusammenfassung

1 1791 Trennung von Staat und Kirche, Meinungsfreiheit, Religions-freiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit

2 “ Recht zum Tragen von Waffen durch das Volk bzw. durch or-ganisierte Milizen

3 “ Keine Zwangseinquartierung von Soldaten in Privathäusern 4 “ Keine Durchsuchung ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl 5 “ Kein Prozess ohne ordentliche Anklage, kein neuer Prozess

gegen Freigesprochene, Zeugnisverweigerungsrecht, Kompen-sationsrecht

6 “ Recht auf öffentlichen Geschworenenprozess in Strafsachen,Recht auf Beiziehung von Entlastungszeugen, Recht auf einen Anwalt

7 “ Recht auf ordentlichen Geschworenenprozess in Zivilsachen 8 “ Verbot überhöhter Kaution und besonders grausamer Strafen 9 “ In der Verfassung nicht erwähnte Grundrechte bleiben bestehen 10 “ In der Verfassung nicht genannte Rechte liegen bei Einzelstaa-

ten 11 1795 Klagerecht der Bürger gegen fremde Einzelstaaten einge-

schränkt 12 1804 getrennte Wahl von Präsident und Vizepräsident 13 1865 Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit 14 1868 alle in den USA geborenen sind US-Staatsbürger und Bürger

ihres Einzelstaats; auch die Einzelstaaten müssen die Grund-rechte der Bill of Rights beachten

15 1870 gleiches Wahlrecht für US-Bürger aller Hautfarben und Ethnien 16 1913 Erhebung einer bundesweiten Einkommensteuer ermöglicht 17 1913 Direktwahl der Senatoren durch die Bürger 18 1919 Verbot des Alkoholhandels - Beginn der Prohibition 19 1920 Einführung des Frauenwahlrechts 20 1933 kürzere Frist zwischen Wahlen und Amtsantritt, Nachfolgerege-

lungen

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248 Anhang

21 1933 Aufhebung von Amendment 18 - Ende der Prohibition 22 1951 Beschränkung der Amtsdauer des Präsidenten auf zwei Wahl-

perioden 23 1961 Teilnahme des District of Columbia bei Präsidentschaftswahlen 24 1964 Entzug des Wahlrechts wegen Steuerschulden unmöglich 25 1967 Nachfolgeregelung bei Tod oder Amtsunfähigkeit des Präsiden-

ten 26 1971 Absenkung des Wahlalters auf 18 Jahre 27 1992 Diätenerhöhungen werden erst nach der nächsten Wahl gültig Quelle: http://german.open-encyclopedia.com/Amendment

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Anhang 249

4. Der 14. Zusatzartikel (in Deutsch) ZUSATZARTIKEL XIV Abschnitt 1 Alle Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert sind und ihrer Gesetzeshoheit unterstehen, sind Bürger der Vereinigten Staaten und des Einzelstaates, in dem sie ihren Wohnsitz haben. Keiner der Einzelstaaten darf Gesetze erlassen oder durchführen, die die Vorrechte oder Freiheiten von Bür-gern der Vereinigten Staaten beschränken, und kein Staat darf irgend jemandem ohne ordentliches Gerichtsverfahren nach Recht und Gesetz Leben, Freiheit oder Eigentum nehmen oder irgend jemandem innerhalb seines Hoheitsbereiches den gleichen Schutz durch das Gesetz versagen. Abschnitt 2 Die Abgeordnetenmandate werden auf die einzelnen Staaten im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl verteilt, wobei in jedem Staat die Gesamtzahl aller Personen mit Ausnahme der nicht besteuerten Indianer zugrunde gelegt wird. Wenn aber das Wahlrecht bei irgendeiner Wahl zur Bestimmung der Wahlmänner für den Präsidenten und Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten, der Abgeordneten im Kongreß, der Verwaltungs- und Justizbeamten eines Einzelstaates oder der Mit-glieder seiner gesetzgebenden Körperschaft irgendwelchen männlichen Einwoh-nern dieses Staates, die über einundzwanzig Jahre alt und Bürger der Vereinigten Staaten sind, abgesprochen oder irgendwie beschränkt wird, außer wenn dies wegen Teilnahme an einem Aufstand oder wegen eines sonstigen Verbrechens geschieht, so ist die Grundzahl für die Vertretung daselbst im selben Verhältnis zu vermindern, in dem die Zahl solcher männlichen Bürger zur Gesamtzahl der männlichen Bürger über einundzwanzig Jahre in diesem Staate steht. Abschnitt 3 Niemand darf Senator oder Abgeordneter im Kongreß oder Wahlmann für die Wahl des Präsidenten oder Vizepräsidenten sein, irgendein ziviles oder militäri-sches Amt im Dienste der Vereinigten Staaten oder eines Einzelstaates bekleiden, der, nachdem er als Mitglied des Kongresses oder als Beamter der Vereinigten Staaten oder als Mitglied der gesetzgebenden Körperschaft eines der Einzelstaa-

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250 Anhang

ten oder als Verwaltungs- oder Justizbeamter in einem der Einzelstaaten auf die Einhaltung der Verfassung der Vereinigten Staaten vereidigt worden ist, an einem Aufstand oder Aufruhr gegen sie teilgenommen oder ihre Feinde unterstützt oder begünstigt hat. Doch kann der Kongreß mit Zweidrittelmehrheit in jedem der beiden Häuser diese Amtsunfähigkeit aufheben. Abschnitt 4 Die Rechtsgültigkeit der gesetzlich genehmigten Staatsschulden der Vereinigten Staaten mit Einschluß der Verpflichtungen, die aus der Zahlung von Pensionen und Sonderzuwendungen für Teilnahme an der Unterdrückung von Aufstand und Aufruhr erwachsen sind, darf nicht in Frage gestellt werden. Doch dürfen weder die Vereinigten Staaten noch irgendein Einzelstaat eine Schuld oder Verbindlich-keit übernehmen oder einlösen, die aus der Unterstützung eines Aufstands oder Aufruhrs gegen die Vereinigten Staaten erwachsen ist, oder irgendeinem Ersatz-anspruch für den Verlust oder die Freilassung eines Sklaven stattgeben; vielmehr sind alle derartigen Schulden, Verbindlichkeiten und Ansprüche ungesetzlich und nichtig. Abschnitt 5 Der Kongreß ist befugt, die Bestimmungen dieses Zusatzartikels durch entspre-chende Gesetze zur Durchführung zu bringen. Quelle: http://www.aktivepolitik.de/verfassung.htm

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Anhang 251

5. Das Santa Clara-Urteil im Original-Wortlaut SANTA CLARA COUNTY v. SOUTHERN PACIFIC RAILROAD COMPANY 118 U. S. 394 Error to the Circuit Court of the United States for the District of California. Filed May 10, 1886. Argued January 26 - 29, 1886 The defendant Corporations are persons within the intent of the clause in Section 1 of the Fourteenth Amendment to the Constitution of the United States, which forbids a State to deny to any person within its jurisdiction the equal protection of the laws. Under the constitution and laws of California, relating to taxation, fences created upon the line between the roadway of a railroad and the land of coterminous proprietors are not part of “the roadway,“ to be included by the State Board in its valuation of the property of the corporation, but are “ improvements“ assessable by the local authorities of the proper county. An assessment of a tax is invalid, and will not support an action for the recovery of the tax, if, being laid upon different kinds of property as a unit, it includes property not legally assessable, and if the part of the tax assessed upon the latter property cannot be separated from the other part of it. The State Board of Equalization of California were required by law, to assess the franchise, roadway, &c., of all railroads operated in more than one county and apportion the same to the different counties in proportion to the number of miles of railway in each. They made such assessment of the Southern Pacific Railroad, improperly including therein the fences between the roadway and the cotermin-ous proprietor, and apportioned it and returned it as required to the different counties. In a suit by one of the counties to recover its proportion of the tax le-vied in accordance with such apportionment and return, the court below, at the trial, found that “said fences were valued at $800 per mile,“ which was the only finding on the subject; and it did not appear that the county, plaintiff, offered to

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252 Anhang

take judgment for a sum excluding the rate on the value of the fences within the county at that valuation. Held, (1) That the finding was too vague and indefinite to serve as a basis for estimating the aggregate valuation of the fences included in the assessment, or the amount thereof apportioned to the respective counties; (9) That, under the cir-cumstances, the court could not assume that the State Board included the fences in their assessment at the rate of $800 per mile for every mile of the railroad within the State, counting one or both sides of the roadway; and could no“., after eliminating that amount from the assessment, give judgment for the balance of the tax, if any. These actions, which were argued together, were brought to recover unpaid' taxes assessed against the several railroad corporations, defendants, under the laws of the State of California. The main - almost the only - questions discussed by coun-sel in the elaborate arguments related to the constitutionality of the taxes. This court, in its opinion passed by these questions, and decided the cases upon the questions whether under the constitution and laws of California, the fences on the line of the railroads should have been valued and assessed, if at all, by the local officers, or by the State Board of Equalization; whether, on the record, the as-sessments and. taxation upon the fences are separable from the rest of the as-sessment and taxation; and what was the effect of the record upon the rights of the State and the county. One of the points made and discussed at length in the brief of counsel for defen-dants in error was that “Corporations are persons within the meaning of the Four-teenth Amendment to the Constitution of the United States.“ Before argument MR. CHIEF JUSTICE WAITE said: The court does not wish to hear argument on the question whether the provision in the Fourteenth Amendment to the Con-stitution, which forbids a State to deny to any person within its jurisdiction the equal protection of the laws, applies to these corporations. We are all of opinion that it does. Mr. D. M Delmas and Mr. A. L. Rhodes for Santa Clara, County. On the points on which the decision turned, Mr. Delmas said as follows: I now take leave of the Federal questions in this cause, and proceed to examine briefly some minor points which include no question of constitutional law, but simply refer to modes of procedure under the statutes of the State. Objection is

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Anhang 253

made to a recovery hero because it is claimed that the fences oui the line of the road were improperly included in the assessment of the roadway, because, in the first place, they Were not proved to be the property of defendant, and secondly, they were, not within the jurisdiction of the Board of equalization, It is said that the plaintiff ought to have proved that the fences belonged to defendant. The prima facie case made out by the plaintiff's documents establishes everything necessary to its recovery -Among which is that, the property assessed. belongs to the taxpayers assessed. Besides, as a general rule, fences belong to the. railroads whose right of way they enclosed. Civ. Code, § 485. The defendants, in rebuttal of plaintiff's prima facie case, have not proved that they did not own the fences. All the presumptions, then, arising from the plaintiff's prima facie case, remain standing in full force. Such fences are, not enumerated by the Code among the things assessable by local assessors. These are, “the depots, station grounds, shops, building, and gravel bells.“ Political Code, § 3664. Obviously, then, unless the legislature in-tended they should not be taxed, they are to be assessed by the Board of Equali-zation as a part of the roadway. Fences built upon the line of the roadway are a part of the roadway as necessary to its protection. As much so as the railing of a bridge is a part of the bridge, or the framework of a tunnel is part of the tunnel.. Sach has always been the under-standing of the law in California, and the fences have always been assessed by the Board of Equalization. I have never been able to grasp the proposition that fences are no part of the railroad which they enclose. If the defendant made a conveyance of “its railroad frown San Francisco to San Jose“ would not the fences pass by the deed? Clearly as much so as a sale of my garden would convey the fence which encloses the garden. Mr. E.C Marshall, Attorney General of California for @11 the plaintiffs in error. Mr. E. W. Sanderson, Mr. George F. Edmunds and Mr. William M. Evarts for defendants in error. Mr. Justice HARLAN delivered the opinion of the court. These several actions were broughtthe first one in the superior court of Santa Clara county, California, the others in the superior court of Fresno county, in the

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254 Anhang

same statefor the recovery of certain county and state taxes claimed to be due from the Southern Pacific Railroad Company and the Central Pacific Railroad Company under assessments made by the state board of equalization upon their respective franchises, roadways, roadbeds, rails, and rolling stock. In the action by Santa Clara county the amount claimed is $13,366.53 for the fiscal year of 1882. For that sum, with 5 per cent. penalty, interest at the rate of 2 per cent. per month from December 27, 1882, cost of advertising, and 10 per cent. for attor-ney's fees, judgment is asked against the Southern Pacific Railroad Company. In the other action against the same company the amount claimed is $5,029.27 for the fiscal year of 1881, with 5 per cent. added for nonpayment of taxes and costs of collection. In the action against the Central Pacific Railroad Company judg-ment is asked for $25,950.50 for the fiscal year of 1881, with like penalty and costs of collection. The answer in each case puts in issue all the material allegations of the com-plaint, and sets up various special defenses, to which reference will be made further on. With its answer the defendant, in each case, filed a petition, with a proper bond, for the removal of the action into the circuit court of the United States for the district, as one arising under the constitution and laws of the United States. The right of removal was recognized by the state court, and the action proceeded in the circuit court. Each case, the parties having filed a written stipulation waiving a jury, was tried by the court. There was a special finding of facts, upon which judgment was entered in each case for the defendant. The general question to be determined is whether the judgment can be sustained upon all or either of the grounds upon which the defendants rely. The case as made by the pleadings and the special finding of facts is as follows: By an act of congress approved July 27, 1866, the Atlantic & Pacific Railroad Company was created, with power to construct and maintain, by certain designat-ed routes, a continuous railroad and telegraph line from Springfield, Missouri, to the Pacific. For the purposewhich is avowed by congressof facilitating the con-struction of the line, and thereby securing the safe and speedy transportation of mails, troops, munitions of war, and public stores, a right of way over the public domain was given to the company, and a liberal grant of the public lands was made to it. The railroad so to be constructed, and every part of it, was declared to be a post route and military road, subject to the use of the United States for post-al, military, naval, and all other government service, and to such regulations as

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Anhang 255

congress might impose for restricting the charges for government transportation. By the 18th section of the act, the Southern Pacific Railroad Company,a corpora-tion previously organized under a general statute of California passed May 20, 1861, (St. Cal. 1861, p. 607,)was authorized to connect with the Atlantic & Pacif-ic Railroad at such point, near the boundary line of that state, as the former com-pany deemed most suitable for a railroad to San Francisco, with 'uniform gauge and rate of freight or fare with said road;' and in consideration thereof, and 'to aid in its construction,' the act declared that it should have similar grants of land, 'subject to all the conditions and limitations' provided in said act of congress, 'and shall be required to construct its road on like regulations, as to time and manner, with the Atlantic & Pacific Railroad.' 14 St. p. 292, ss 1, 2, 3, 11, 18. In November, 1866, the Atlantic & Pacific Railroad Company and the Southern Pacific Railroad Company filed in the office of the secretary of the interior their respective acceptances of the act. By an act of the legislature of California, passed April 4, 1870, to aid in giving effect to the act of congress relating to the Southern Pacific Railroad Company, it was declared that: 'To enable the said company to more fully and completely comply with and per-form the requirements, provisions, and conditions of the said act of congress, and all other acts of congress now in force, or which may hereafter be enacted, the state of California hereby consents to said act; and the said company, its succes-sors and assigns, are hereby authorized to change the line of its railroad so as to reach the eastern boundary line of the state of California by such route as the company shall determine to be the most practicable, and to file new and amenda-tory articles of association; and the right, power, and privilege is hereby granted to, conferred upon, and vested in them to construct, maintain, and operate, by steam or other power, the said railroad and telegraph line mentioned in said acts of congress, hereby confirming to and vesting in the said company, its successors and assigns, all the rights, privileges, franchises, power, and authority conferred upon, granted to, or vested in said company by the said acts of congress, and any act of congress which may be hereafter enacted.' Subsequently, by the act of March 3, 1871, congress incorporated the Texas Pa-cific Railroad Company, with power to construct and maintain a continuous rail-road and telegraph line from Marshall, in the state of Texas, to a point at or near El Paso, thence through New Mexico and Arizona to San Diego, pursuing, as near as might be, the thirtysecond parallel of latitude. To aid in its construction,

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congress gave it, also, the right of way over the public domain, and made to it a liberal grant of public lands. The nineteenth section provided: 'That the Texas Pacific Railroad Company shall be, and it is hereby, declared to be a military and post road; and for the purpose of insuring the carrying of the mails, troops, munitions of war, supplies, and stores of the United States, no act of the company nor any law of any state or territory shall impede, delay, or pre-vent the said company from performing its obligations to the United States in that regard: provided, that said road shall be subject to the use of the United States for postal, military, and all other governmental services, at fair and reasonable rates of compensation, not to exceed the price paid by private parties for the same kind of service, and the government shall at all times have the preference in the use of the same for the purpose aforesaid.' The twentythird section of that act has special reference to the Southern Pacific Railroad Company, and is as follows: 'Sec. 23. That, for the purpose of connecting the Texas Pacific Railroad with the city of San Francisco, the Southern Pacific Railroad Company of California is hereby authorized (subject to the laws of California) to construct a line of rail-road from a point at or near Tehacapa Pass, by way of Los Angeles, to the Texas Pacific Railroad, at or near the Colorado river, with the same rights, grants, and privileges, and subject to the same limitations, restrictions, and conditions, as were granted to said Southern Pacific Railroad Company of California by the act of July 27, 1866: provided, however, that this section shall in no way affect or impair the rights, present or prospective, of the Atlantic & Pacific Railroad Com-pany, or any other company.' Under the authority of this legislation, federal and state, the Southern Pacific Railroad Company constructed a line of railroad from San Francisco, connecting with the Texas & Pacific Railroad (formerly the Texas Pacific Railroad) at Sierra Banca, in Texas: and, with other railroads, it is operated as one continuous line (except for that part of the route occupied by the Central Pacific Railroad) from Marshall, Texas, to San Francisco. It is stated in the record that the Southern Pacific Railroad Company of California, since the commencement of this action, has completed its road to the Colorado river, at or near the Needles, to connect with the Atlantic & Pacific Railroad, and that with the latter road it constitutes a continuous line from Springfield, Missouri, to the Pacific, except as to the con-nection, for a relatively short distance, over the road of the Central Pacific Rail-road Company.

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Anhang 257

On the seventeenth of December, 1877, the said Southern Pacific Railroad Com-pany, and other railroad corporations then existing under the laws of California, were legally consolidated, and a new corporation thereby formed under the name of the Southern Pacific Railroad Company, the present defendant in error, 59.30 miles of whose road is in Santa Clara county and 17.93 miles in Fresno county. On the 1st of April, 1875, this company was indebted to divers persons in large sums of money advanced to construct and equip its road. To secure that indeb-tedness, it executed on that day a mortgage for $32,520,000 on its road, franchis-es, rolling stock, and appurtenances, and on a large number of tracts of land, in different counties of California, aggregating over 11,000,000 acres. These lands were granted to the company by congress under the abovementioned acts, and are used for agricultural, grazing, and other purposes not connected with the business of the railroad. Of those patented, 3,138 acres are in Santa Clara county, and 18,789 acres in Fresno county. When these proceedings were instituted, no part of its above mortgage debt had been paid, except the accruing interest and $1,632,000 of the principal, leaving outstanding against it $30,898,000. In the year 1852, California, by legislative enactment, granted a right of way through that state to the United States for the purpose of constructing a railroad from the Atlantic to the Pacific ocean; declaring that the interests of California, as well as the whole Union, 'require the immediate action of the government of the United States for the construction of a national thoroughfare, connecting the navigable waters of the Atlantic and Pacific oceans, for the purpose of the nation-al safety, in the event of war, and to promote the highest commercial interests of the Republic.' St. Cal. 1852, p. 150. By an act passed July 1, 1862, congress incorporated the Union Pacific Railroad Company, with power to construct and maintain a continuous railroad and telegraph line to the western boundary of what was then Nevada territory, 'there to meet and connect with the line of the Central Pacific Railroad Company of California.' 12 St. 489, ss 1, 8. The declared object of extending government aid to these enterprises was to effect the construction of a railroad and telegraph line from the Missouri river to the Pacific, which, for all purposes of communication, travel, and transportation, so far as the public and the general government are concerned, should be operated 'as one connected, continuous line.' St. Cal. 1852, ss 6, 9, 10, 12, 17, 18. In 1864 the state of California passed an act to aid in carrying out the provisions of this act of congress, the first section of which declared that:

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'To enable said company more fully and completely to comply with and perform the provisions and conditions of said act of congress, the said company, their successors and assigns, are hereby authorized and empowered, and the right, power, and privilege is hereby granted to, conferred upon, and vested in them, to construct, maintain, and operate the said railroad and telegraph line, not only in the state of California, but also in the said territories lying east of and between said state and the Missouri river, with such branches and extensions of said rail-road and telegraph line, or either of them, as said company may deem necessary or proper, and also the right of way for said railroad and telegraph line over any lands belonging to this state, and on, over, and along any streets, roads, high-ways, rivers, streams, water, and watercourses, but the same to be so constructed as not to obstruct or destroy the passage or navigation of the same, and also the right to condemn and appropriate to the use of said company such private proper-ty, rights, privileges, and franchises as may be proper, necessary, or convenient for the purposes of said railroad and telegraph, the compensation therefor to be ascertained and paid under and by special proceedings, as prescribed in the act providing for the incorporation of railroad companies, approved May 20, 1861, and the act supplementary and amendatory thereof, said company to be subject to all the laws of this state concerning railroad and telegraph lines, except that mes-sages and property of the United States, of this state, and of said company shall have priority of transportation and transmission over said line of railroad and telegraph, hereby confirming to and vesting in said company all the rights, privi-leges, franchises, power, and authority conferred upon, granted to, and vested in said company by said act of congress, hereby repealing all laws and parts of laws inconsistent or in conflict with the provisions of this act, or the rights and privi-leges herein granted.' In 1870 the Central Pacific Railroad Company of California and the Western Pacific Railroad Company formed themselves into one corporation under the name of the Central Pacific Railroad Company, the defendant in one of these actions, 61.06 miles of whose road is in Fresno county. The company complied with the several acts of congress, and there is in operation a continuous line of railway from the Missouri river to the Pacific ocean, the Central Pacific Railroad Company owning and operating the portion thereof between Ogden, in the terri-tory of Utah, and San Francisco. When the present action was instituted against this company the United States had and now have a lien, created by the acts of congress of 1862 and 1864, for $30,000,000, with a large amount of interest, upon its road, rolling stock, fix-tures, and franchises; and there were also outstanding bonds for a like amount

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Anhang 259

issued by the company prior to January 1, 1875, and secured by a mortgage upon the same property. Such were the relations which these two companies held to the United States and to the state when the assessments in question were made for purposes of taxation. It is necessary now to refer to those provisions of the constitution and laws of the state which, it is claimed, sustain these assessments. The constitution of California, adopted in 1879, exempts from taxation growing crops, property used exclusively for public schools, and such as may belong to the United States, or to that state, or to any of her county or municipal corpora-tions, and declares that the legislature 'may provide, except in the case of credits secured by mortgage or trust deed, for a reduction from credits of debts due to bona fide residents' of the state. It is provided in the first section of article 13 that, with these exceptions, 'all property in the state, not exempt under the laws of the United States, shall be taxed in proportion to its value, to be ascertained as provided by law. The word 'property,' as used in this article and section, is hereby declared to include moneys, credits, bonds, stocks, dues, franchises, and all other matters and things, real, personal, and mixed, capable of private ownership.' The fourth section of the same article provides: 'A mortgage, deed of trust, con-tract, or other obligation by which a debt is secured, shall, for the purposes of assessment and taxation, be deemed and treated as an interest in the property affected thereby. Except as to railroad and other quasi public corporations, in case of debts so secured, the value of the property affected by such mortgage, deed of trust, contract, or obligation, less the value of such security, shall be assessed and taxed to the owner of the property, and the value of such security shall be assessed and taxed to the owner thereof, in the county, city, or district in which the property affected thereby is situate. The taxes so levied shall be a lien upon the property and security, and may be paid by either party to such security. If paid by the owner of the security, the tax so levied upon the property affected thereby shall become a part of the debt so secured; if the owner of the property shall pay the tax so levied on such security, it shall constitute a payment thereon, and to the extent of such payment, a full discharge thereof: Provided, that if any such security or indebtedness shall be paid by any such debtor or debtors, after assessment and before the tax levy, the amount of such levy may likewise be retained by such debtor or debtors, and shall be computed according to the tax levy of the preceding year.'

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The ninth section makes provision for the election of a state board of equaliza-tion, 'whose duty it shall be to equalize the valuation of the taxable property of the several counties in the state for the purpose of taxation.' The boards of super-visors of the several counties constitute boards of equalization for their respective counties, and they equalize the valuation of the taxable property therein for pur-poses of taxation; assessments, whether by the state or county boards, to 'conform to the true value in money of the property' contained in the assessment roll. Id. s 9. The tenth section declares: 'All property, except as hereinafter in this section provided, shall be assessed in the county, city, city and county, town, township, or district in which it is situated, in the manner prescribed by law. The franchise, roadway, roadbed, rails, and rolling stock of all railroads operated in more than one county in this state shall be assessed by the state board of equalization at their actual value, and the same shall be apportioned to the counties, cities and counties, cities, towns, townships, and districts in which such railroads are located, in proportion to the number of miles of railway laid in such counties, cities and counties, cities, towns, town-ships, and districts.' The assessments in question, it is contended, were made in conformity with these constitutional provisions, and with what is known as section 3664 of the Political Code of California. That section made it the duty of the state board of equaliza-tion, on or before the first Monday in May in each year, to 'assess the franchise, roadway, roadbed, rails, and rolling, stock of railroads operated in more than one county,'to which class belonged the defendants. It required every corporation of that class, by certain officers, or by such officer as the state board should desig-nate, to furnish the board with a sworn statement showing, among other things, in detail, for the year ending March 1st, the whole number of miles of railway owned, operated, or leased by it in the state, the value thereof per mile, and all of its property of every kind located in the state; the number and value of its en-gines, passenger, mail, express, baggage, freight, and other cars, or property used in operating and repairing its railway in the state, and on railways which are parts of lines extending beyond the limits of the state. It is also directed that 'the said property shall be assessed at its actual value;' that the 'assessment shall be made upon the entire railway within the state, and shall include the right of way, roadbed, track, bridges, culverts, and rolling stock;' and that 'the depots, station grounds, shops, buildings, and gravel beds shall be assessed by the assessors of the county where situated, as other property.' It further declares:

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'On or before the fifteenth day of May in each year, said board shall transmit to the county assessor of each county through which any railway, operated in more than one county, may run, a statement showing the length of the main track or tracks of such railway within the county, together with a description of the whole of said tracks within the county, including the right of way by metes and bounds, or other description sufficient for identification, and the assessed value per mile of the same, as fixed by a pro rata distribution per mile of the assessed value of the whole franchise, roadway, roadbed, rails, and rolling stock of such railway within this state. Said statement shall be entered on the assessment roll of the county. At the first meeting of the board of supervisors, after such statement is received by the county assessor, they shall make, and cause to be entered in the proper record book, an order stating and declaring the length of the main track, and the assessed value of such railway lying in each city, town, township, school district, or lesser taxing district in their county through which such railway runs, as fixed by the state board of equalization, which shall constitute the taxable value of said property for taxable purposes in such city, town, township, school, road, or other district.' These companies, within due time, filed with the state board the detailed state-ment required by that section. At the trials below no record of assessment against the respective defendants, as made by the state board, was given in evidence, and there was introduced no written evidence of the assessment, except an official communication from the state board to each of the assessors of Santa Clara and Fresno counties, called, in the special findings, the assessment roll for the particular county. The roll for Fresno county, in 1881, relating to the Southern Pacific Railroad Company, is as follows: Original Assessment Book of the Property of Fresno County for the Year 1881 Assessed to All Known Owners or Claimants, and when Unknown to Unknown Owners or Claimants. Taxpayer's Name DESCRIPTION OF PROPERTY. Real estate other than city and town lots. Subdivision of sections or metes and bounds. City and town lots. Improvements. Personal property. Value of the franchise, roadway, roadbed, rails, and rolling stock of railroads as apportioned to the county by the by the State board of equalization. Total value of all property after deductions. (Changes by the county boards of equalization to be noted in red ink.) Total value after equali-zation by the State board of equalization Total Tax Remarks Southern Pacific Railroad Company OFFICE OF THE STATE BOARD OF

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EQUALIZATION,SACRAMENTO, MAY 14, 1881.To W. H. McKenzie, Asses-sor of Fresno CountySIR: The state board of equalization on the second day of May, 1881, assessed, for the year 1881, the Southern Pacific Railroad Company for its franchise, roadway, roadbed, rails, and rollingstock, in the state of Califor-nia, in the aggregate sum of $11,739,915. The entire line of main track of said railroad of said company in the said state is 711.51 miles. The length of the main track of said railway in Fresno county is 17.93 miles. The description of the whole of the main track of the railway of the said Southern Pacific Railroad Company, and the right of way for the same, in the county of Fresno, is as fol-lows: Beginning at the town of Huron, and running easterly in the direction of Goshen, in Tulare county, to the east line of Fresno county. The assessed value per mile of said railway, as fixed by a pro rata distribution per mile of the as-sessed value of the whole franchise, roadway, roadbed, rails, and rolling stock as such railway of the said company within this state is $16,500. The apportionment of the assessment of the said franchise, roadway, roadbeds, rails, and rolling stock, by this board, for and to Fresno county, is $295,845.WARREN DUTTON, CHAIRMAN,M. M. DREW, D. M. KENFIELD, T. D. HEISKELL, State Board of Equalization, E. W. MASLIN, Clerk. $295,845 $ 602,869 $ 602,869 $ cts 10,246.78 (Duty certified by the Auditor.) There were similar rolls in reference to the Central Pacific Railroad in the same county, for the same year, and the Southern Pacific in Santa Clara county for 1882. For each of those years the board of supervisors of the respective counties made an apportionment of the taxes among the legal subdivisions of such coun-ties. It is stated in the findings that the delinquent lists for those years, so far as they related to the taxes in question, were duly made up in form corresponding with the original assessment roll; that, in pursuance of section 3738 of the Political Code of California, the board of supervisors of the respective counties duly passed an order, entered on the minutes, dispensing with the duplicate assessment roll for that year; that the comptroller of the state transmitted a letter to the tax collector of the county, in pursuance of the provisions of section 3899 of that Code, directing him to offer the property for sale but once, and, if there were no bona fide purchasers, to withdraw it from sale; that the tax collector, in obedience to the provisions of that section, transmitted to the comptroller, with his indorse-

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Anhang 263

ment thereon of the action had in the premises, a certified copy of the entry upon the delinquent list relating to the tax in question in these several actions; that such indorsement shows that the tax collector had offered the property for sale, and had withdrawn it because there was no purchaser for the same; and that the comptroller, in pursuance of the provisions of the same section, transmitted to the tax collector of the county a letter directing him to bring suit. In each case there were also the following findings: 'The state board of equalization, in assessing said value of said property to and against defendant, assessed the full cash value of said railroad, roadway, roadbed, rails, rolling stock, and franchises, without deducting therefrom the value of the mortgage, or any part thereof, given and existing thereon as aforesaid, to secure the indebtedness of said company to the holders of said bonds, notwithstanding they had full knowledge of the existence of the said mortgage; and in making said assessment the said state board of equalization did not consider or treat said mortgage as an interest in said property, but assessed the whole value thereof to the defendant, in the same menner as if there had been no mortgage thereon. The state board of equalization, in making the supposed assessment of said roadway of defendant, did knowingly and designedly include in the valuation of said roadway the value of fences erected upon the line between said roadway and the land of coterminous proprietors. Said fences were valued at $300 per mile.' The special grounds of defense by each of the defendants were: (1) That its road is a part of a continuous postal and military route, constructed and maintained under the authority of the United States, by means in part obtained from the gen-eral government; that the company having, with the consent of the state, become subject to the requirements, conditions, and provisions of the acts of congress, it thereby ceased to be merely a state corporation, and became one of the agencies or instrumentalities employed by the general government to execute its constitu-tional powers; and that the franchise to operate a postal and military route, for the transportation of troops, munitions of war, public stores, and the mails, being derived from the United States, cannot, without their consent, be subjected to state taxation. (2) That the provisions of the constitution and laws of California, in respect to the assessment for taxation of the property of railway corporations operating railroads in more than one county, are in violation of the fourteenth amendment of the constitution, in so far as they require the assessment of their property at its full money value, without making deduction, as in the case of railroads operated in one county, and of other corporations, and of natural per-

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sons, for the value of the mortgages covering the property assessed; thus impos-ing upon the defendant unequal burdens, and to that extent denying to it the equal protection of the laws. (3) That what is known as section 3664 of the Political Code of California, under the authority of which, in part, the assessment was made, was not constitutionally enacted by the legislature, and had not the force of law. (4) That no void assessment appears in fact to have been made by the state board. (5) That no interest is recoverable in this action until after judgment. (6) That the assessment upon which the action is based is void, because it included property which the state board of equalization had no jurisdiction, under any circumstances, to assess; and that, as such illegal part was so blended with the balance that it cannot be separated, the entire assessment must be treated as a nullity. The record contains elaborate opinions stating the grounds upon which judg-ments were ordered for the defendants. Mr. Justice FIELD overruled the first of the special defenses above named, but sustained the second. The circuit judge, in addition, held that section 3664 of the Political Code had not been passed in the mode required by the state constitution, and consequently was no part of the law of California. These opinions are reported as the Santa Clara Railroad Tax Case, in 9 SAWY. 165, 210; S. C. 18 Fed. Rep. 385. The propositions embodied in the conclusions reached in the circuit court were discussed with marked ability by counsel who appeared in this court for the re-spective parties. Their importance cannot well be overestimated; for they not only involve a construction of the recent amendments to the national constitution in their application to the constitution and the legislation of a state, but upon their determination, if it were necessary to consider them, would depend the system of taxation devised by that state for raising revenue, from certain corporations, for the support of her government. These questions belong to a class which this court should not decide unless their determination is essential to the disposal of the case in which they arise. Whether the present cases require a decision of them depends upon the soundness of another proposition, upon which the court below, in view of its conclusions upon other issues, did not deem it necessary to pass. We allude to the claim of the defendant, in each case, that the entire assessment is a nullity, upon the ground that the state board of equalization included therein property which it was without jurisdiction to assess for taxation. The argument in behalf of the defendant is that the state board knowingly and designedly included in its assessment of 'the franchise, roadway, roadbed, rails, and rollingstock' of each company, the value of the fences erected upon the line

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Anhang 265

between its roadway and the land of coterminous proprietors; that the fences did not constitute a part of such roadway, and therefore could only be assessed for taxation by the proper officer of the several counties in which they were situated; and that an entire assessment which includes property not assessable by the state board against the party assessed, is void, and therefore insufficient to support an action; at least, whenand such is claimed to be the case hereit does not appear with reasonable certainty, from the face of the assessment or otherwise, what part of the aggregate valuation represents the property so illegally included therein. If these positions are tenable, there will be no occasion to consider the grave questions of constitutional law upon which the case was determined below; for, in that event, the judgment can be affirmed upon the ground that the assessment cannot properly be the basis of a judgment against the defendant. That the state board purposely included in its assessment and valuation the fences erected on the line between the railroads and the lands of adjacent proprietors, at the rate of $300 per mile, is undoubtedly true; for it is so stated in the special finding of facts, and that finding must be taken here to be indisputable. It is equally true that that tribunal has no general power of assessment, but only juris-diction to assess 'the franchise, roadway, roadbed, rails, and rolling stock' of railroad corporations operating roads in more than one county, and that all other property of such corporations, subject to taxation, is assessable only 'in the coun-ty, city, city and county, town, township, or district in which it is situated, in the manner prescribed by law.' Such is the declaration of the state constitution. People v. Sacramento Co., 59 Cal. 324; article 13, s 10. It must also be conceded that 'fences' erected on the line between these railroads and the lands of adjoining proprietors were improperly included by the state board in its assessments, unless they constituted a part of the 'roadway.' Some light is thrown upon this question by that clause of section 3664 of the Political Code of Californiawhich, in the view we take of these cases, may be regarded as having been legally enactedpro-viding that 'the depots, station grounds, shops, buildings, and gravel beds' shall be assessed in the county where situated as other property. From this it seems that there is much of the property daily used in the business of a railroad operated in more than one county that is not assessable by the state board, but only by the proper authorities of the municipality where it is situated; so that, even if it ap-peared that the fences assessed by the state board were the property of the rail-road companies, and not of the adjoining proprietors, they could not be included in an assessment by that board unless they were part of the roadway itself; for, as shown, the jurisdiction of that board is restricted to the assessment of the

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'franchise, roadway, roadbed, rails, and rolling stock.' We come back, then, to the vital inquiry, whether the fences could be assessed under the head of roadway. We are of opinion that they cannot be regarded as part of the roadway for pur-poses of taxation. The constitution of California provides that 'land, and improvements thereon, shall be separately assessed,' (article 13, s 2;) and, although that instrument does not define what are improvements upon land, the Political Code of the state ex-pressly declares that the term 'improvements' includes 'all buildings, structures, fixtures, fences, and improvements erected upon or affixed to the land.' Section 3617. It would seem from these provisions that fences erected upon the roadway, even if owned by the railroad company, must be separately assessed as 'improvements,' in the mode required in the case of depots, station grounds, shops, and buildings owned by the company; namely, by local officers in the county where they are situated. The same considerations of public interest or convenience upon which rest existing regulations for the assessments of depots, station grounds, shops, and buildings of a railroad company operated in more than one county would apply equally to the assessment and valuation for taxation of fences erected upon the line of railway of the same company. In San Francisco & N. P. R. Co. v. State Board of Equalization, 60 Cal. 12, 34, which was application, on certiorari, to annul certain orders of the state board assessing the property of a railroad corporation, one of the questions was as to the meaning of the words 'roadbed' and 'roadway.' The court there said: “The roadbed is the foundation on which the superstructure of a railroad rests.' Web-ster. The roadway is the right of way, which has been held to be the property liable to taxation. Appeal of North Beach & M. R. Co., 32 Cal. 499. The rails in place constitute the superstructure resting upon the roadbed.' This definition was approved in San Francisco v. Central Pac. P. Co., 63 Cal. 467, 469. In the latter case the question was whether certain steamers owned by the railroad company, upon which were laid railroad tracks, and with which its passenger and freight cars were transported from the eastern shore of the bay of San Francisco to its western shore, where the railway again commenced, were to be assessed by the city and county of San Francisco, or by the state board of equalization. The con-tention of the company was that they constituted a part of its roadbed or roadway, and must therefore be assessed by the state board; but the supreme court of the state held otherwise. After observing that all the property of the company, other than its franchise, roadway, roadbed, rails, and rolling stock, was required by the constitution to be assessed by the local assessors, the court said: 'They are cer-

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tainly not the franchise of the defendant corporation. They may constitute an element to be taken into computation to arrive at the value of the franchise of the corporation, but they are not such franchise. It is equally as clear that they are not rails or rolling stock. * * * Are they, then, embraced within the words 'roadway' or 'roadbed,' in the ordinary and popular acceptation of such words as applied to railroads? These two words, as applied to common roads, ordinarily mean the same thing, but as applied to railroads their meaning is not the same. The roadbed referred to in section 10, in our judgment, is the bed or foundation on which the superstructure of the railroad rests. Such is the definition given by both Worcester and Webster, and we think it correct. The roadway has a more ex-tended signification as applied to railroads. In addition to the part denominated roadbed, the roadway includes whatever space of ground the company is allowed by law in which to construct its roadbed and lay its track. Such space is defined in subdivision 4 of the seventeenth section and the twentieth section of the act 'to provide for the incorporation of railroad companies,' etc., approved May 20, 1861. St. 1861, p. 607; San Francisco & N. P. R. Co. v. State Board, 60 Cal. 12.' The argument in support of the proposition, that these steamersconstituting, as they did, a necessary link in the line of the company's railway, and upon which rails were actually laid for the running of carswere a part either of the roadbed or roadway of the railroad, is much more cogent than the argument that the fences erected upon the line between a roadway and the lands of adjoining proprietors are a part of the roadway itself. It seems to the court that the fences in question are not, within the meaning of the local law, a part of the roadway for purposes of taxation, but are 'improvements' assessable by the local authorities of the proper county, and therefore were improperly included by the state board in its valuation of the property of the defendants. The next inquiry that naturally arises is whether the different kinds of property assessed by the state board are distinct and separable upon the face of the as-sessment, so that the company, being thereby informed of the amount of taxes levied upon each, could be held to have been in default in not tendering such sum, if any, as was legally due. Upon the transcript before us, this question must be answered in the negative. No record of assessment, as made by the state board, was introduced at the trial, and presumably no such record existed. Nor is there any documentary evidence of such assessment, except the official commu-nication of the state board to the local assessors, called, in the findings, the as-sessment roll of the county. That roll shows only the aggregate valuation of the company's franchise, roadway, roadbed, rails, and rolling stock in the state; the

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268 Anhang

length of the company's main track in the state; its length in the county; the as-sessed value per mile of the railway, as fixed by the pro rata distribution per mile of the assessed value of its whole franchise, roadway, roadbed, rails, and rolling stock in the state; and the apportionment of the property so assessed to the coun-ty. It appears, as already stated, from the evidence, that the fences were included in the valuation of the defendants' property; but under what head, whether of fran-chise, roadway, or roadbed, does not appear. Nor can it be ascertained, with rea-sonable certainty, either from the assessment roll or from other evidence, what was the aggregate valuation of the fences, or what part of such valuation was apportioned to the respective counties through which the railroad was operated. If the presumption is that the state board included in its valuation only such prop-erty as it had jurisdiction under the state constitution to assess, namely, such as could be rightfully classified under the heads of franchise, roadway, roadbed, rails, or rolling stock, that presumption was overthrown by proof that it did, in fact, include, under some one or more of these heads, the fences in question. It was then incumbent upon the plaintiff, by satisfactory evidence, to separate that which was illegal from that which was legal,assuming, for the purposes of this case only, that the assessment was in all other respects legal,and thus impose upon the defendant the duty of tendering, or enable the court to render judgment for, such amount, if any, as was justly due. But no such evidence was introduced. The finding that the fences were valued at $300 per mile is too vague and indefi-nite as a basis for estimating the aggregate valuation of the fences included in the assessment, or the amount thereof apportioned to the respective counties. Were the fences the property of adjacent proprietors? Were they assessed at that rate for every mile of the railroad within the state? Were they erected on the line of the railroad in every county through which it was operated, or only in some of them? Wherever erected, were they assessed for each side of the railway, or only for one side? These questions, so important in determining the extent to which the assessment included a valuation of the fences erected upon the line between the railroad and coterminous proprietors, find no solution in the record presented to this court. If it be suggested that, under the circumstances, the court might have assumed that the state board included the fences in their assessment at the rate of $300 per mile for every mile of the railroad within the state, counting one or both sides of the roadway, and, having thus eliminated from the assessment the aggregate so found, given judgment for such sum, if any, as, upon that basis, would have been due upon the valuation of the franchise, road bed, roadway, rails, and rolling

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Anhang 269

stock of the defendant, the answer is that the plaintiff did not offer to take such a judgment; and the court could not have rendered one of that character without concluding the plaintiff hereafter, and upon a proper assessment, from claiming against the defendant taxes for the years in question upon such of its property as constituted its franchise, roadway, roadbed, rails, and rolling stock. The case, as presented to the court below, was therefore one in which the plaintiff sought judgment for an entire tax arising upon an assessment of different kinds of prop-erty as a unit; such assessment including property not legally assessable by the state board, and the part of the tax assessed against the latter property not being separable from the other part. Upon such an issue, the law, we think, is for the defendant. An assessment of that kind is invalid, and will not support an action for the recovery of the entire tax so levied. Cooley, Tax'n, 295, 296, and authori-ties there cited; Libby v. Burnham, 15 Mass. 147; State v. City of Plainfield, 38 N. J. Law, 94; Gamble v. Witty, 55 Miss. 35; Stone v. Bean, 15 Gray, 45; Mosher v. Robie, 2 Fairf. 137; Johnson v. Colburn, 36 Vt. 695; Wells v. Burbank, 17 N. H. 412. It results that the court below might have given judgment in each case for the defendant upon the ground that the assessment, which was the foundation of the action, included property of material value which the state board was without jurisdiction to assess, and the tax levied upon which cannot, from the record, be separated from that imposed upon other property embraced in the same assess-ment. As the judgment can be sustained upon this ground, it is not necessary to consider any other questions raised by the pleadings and the facts found by the court. It follows that there is no occasion to determine under what circumstances the plaintiffs would be entitled to judgment against a delinquent taxpayer for penalties, interest, or attorney's fees; for, if the plaintiffs are not entitled to judg-ment for the taxes arising out of the assessments in question, no liability for pe-nalties, interest, or attorney's fees could result from a refusal or failure to pay such taxes. Judgment affirmed. California v. Northern Railway Company. Error Court of the United States for the District of California. The facts in this case are substantially those which appear in County of Santa Clara v. Railroad Companies, just decided. For the reasons given in the opinion in that case, and upon the ground therein stated, the judge-ment is affirmed. Quelle: http://supreme.justia.com/us/118/394/case.html

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270 Anhang

6. Weitere Corporations-kritische Bewegungen (tabellarisch) Im Folgenden ist eine tabellarische Kurzübersicht aufgeführt, die die weiteren relevanten Anti-Corporations-Organisationen bzw. -Bewegungen aufzulisten ver-sucht. Rechercheabsicht konnte keine Vollerhebung sein, dies war zeitlich und inhaltlich auch nicht zu leisten. Wichtig ist zum Einen die Spannbreite der (Kri-tik-) Themen, die sich auf Corporations beziehen und zum Anderen die Konse-quenz, mit der sich bestimmte Themen und Inhalte durchziehen: Tab. 5: Kurzübersicht über weitere Corporations-kritische Bewegungen83 Name der Organisation und Web-Adresse (als Quelle)

Organisationsgegenstand/-ziele/-aktivitäten84

Big Medicine www.nancho.net

bekämpft korporative Hegemonie v. a. in den Bereichen Gesundheit und Umwelt; wehrt sich gegen Ungleichheit und Militarisierung

The New Rules Project www.newrules.org

Vorschläge zur neuen Regelung des Reich-tums; Förderung und Ermächtigung der Ge-meinschaft

Center for Corporate Policy www.corporatepolicy.org

Arbeitsgruppe zur Eindämmung korporativer Verfehlungen und zur Erwirkung einer stär-keren Rechenschaftspflicht

The Women’s International League for Peace and Freedom www.wilpf.org

produziert Leitfäden zum Thema „Macht der Corporations hinterfragen – Bürgerrechte stärken“

Center for Democracy & Voting www.fairvote.org

fordert eine grundlegende Reform des Wahl-systems

American Independent Business Alliance (AMIBA) www.amiba.net

Organisation, die die Verdrängung von klei-nen unabhängigen Unternehmen durch große Handelsketten stoppen will

Brennan Center for Justice großes Bürgerrechts- und Anti-Armutsportal

83 Diese Tabelle verdeutlicht noch einmal, dass „Anti-Corporation...“ ein sehr weit-gefasster

Begriff ist: Hier werden u. a. auch Wahl-Plattformen aufgeführt, die gegen den korporativen Akteur(-Komplex) „Staat/Regierung“ vorgehen, um z. B. jedem einzelnen Bürger wieder mehr Rechte zu verleihen. Das belegt: Auch wenn Corporations-Kritik sehr häufig keine Kritik der organisationalen Form, sondern eher Kapitalismuskritik ist (vgl. Kap. 2.1), ist sie wiederum mitnichten lediglich auf Kritik gegen ökonomische Organisationen reduzierbar.

84 Die doppelten Anführungszeichen sind deshalb keine einfachen, weil die genannten Begrif-fe zumeist wörtliche Übersetzungen und keine Hervorhebungen meinerseits sind.

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www.brennancenter.org Transperency International www.transparency.org

Tritt für Integrität, Verantwortlichkeit, Transparenz und Partizipation innerhalb der Zivilgesellschaft ein und bekämpft v. a. orga-nisierte Korruption

Guide Star85 www.guidestar.org

Portal und Informationsdatenbank über die Projekte von 1,5 Millionen wohltätigen Or-ganisationen in den USA. Guide Star USA istseit 1994 im Netz und hat 8 Mio. Besucher pro Jahr und knapp 900.000 registrierte Nut-zer

Ballot Access News www.ballot-access.org

Ressourcenpool für Kandidaten und Parteien im Bereich „Drittparteien“

Common Cause www.commoncause.org

bekämpft Korruption innerhalb der Demokra-tie; sucht Lösungen für demokratischere Wahlen

Center for Responsive Politics www.opensecrets.org

untersucht den Stellenwert von Geld in den Bereichen „Politik“ und „Recht“

The Sentencing Project www.sentencingproject.org

dokumentiert Schäden der „korporativen Justiz-Industrie“ v. a. in Bezug auf rassischeUngleichheit und sonstige Entrechtungen

Public Campaign www.publicampaign.org

prüft die Umsetzung öffentlich-finanzierter Wahlen

Rethinking Schools www.rethinkingschools.org

sieht öffentliche Bildung als für die Demo-kratie zentral an

Consumers’ Union www.consumersunion.org

beschäftigt sich u. a. mit dem kommerziellen Druck, der auf Kindern in den Schulen lastet

Rachel’s Environment and kämpft gegen korporative Macht im Umwelt-

85 GuideStar USA hat sich längst als die wichtigste Informationsdatenbank des tertiären

Sektors in den USA etabliert. Das Portal liefert regelmäßig aktualisierte Informationen über die personelle und finanzielle Situation sowie über die Projekte von 1,5 Millionen wohltäti-gen Organisationen in den USA. Datenbasis sind die für die Öffentlichkeit bereitzustellen-den Steuerformulare (IRS 990), die alle gemeinnützig tätigen Organisationen ab einem Jah-reseinkommen von 25.000 US-Dollar ausfüllen müssen. Diese werden von GuideStar USA digital aufbereitet und online zur Verfügung gestellt. Über 120.000 Organisationen nutzen derzeit die Möglichkeit, ihre Einträge durch zusätzliche narrative Informationen zu Zielen und Projektinhalten sowie durch das Hochladen von Dokumenten zu ergänzen (Quelle: Charlotte Buttern. In: Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (Hrsg.): DZI Spenden-Almanach 2007/8, Berlin 2007, S. 44 - 50).

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272 Anhang

Health Weekly www.rachel.org

sektor

Organic Consumers Association www.organicconsumers.org

Sammelbecken zur Kanalisierung des öffent-lichen Interesses an Lebensmittelsicherheit

Family Farmer www.familyfarmer.org

eine Anwalts-Organisation, die (zumeistFarmer-) Or-ganisationen im Familienbesitzverteidigt; tritt für umweltverträgliche Land-wirtschaft ein

Cancer Prevention Coalition www.preventcancer.org

bekämpft v. a. ökonomische Konzentration im Energiesektor

Native Forest Council www.forestcouncil.org

möchte korporative Macht zwecks Erhaltung von Wäldern und anderen öffentlichen Län-dereien eindämmen

Wild Wilderness www.WildWilderness.org

möchte öffentliches Land öffentlich und un-bebaut halten und „Korporatisierung“ stop-pen

Environmental Working Group www.EWG.org

großes Portal zu Gesundheit und „giftfreier Landwirtschaft“

Bill of Rights Defense Commit-tee www.bordc.org

bietet Informationen zu den bundesweiten Bemühungen um „Bürgernähe“ und „Vertei-digung der bürgerlichen Freiheiten“

The Constitution Society www.constitution.org

Informationsquelle über die Verfassung und Download-Portal

National Lawyers Guild Committee on Corporations, the Constitution & Human Rights www.nlg.org

Anwalts-Organisation, die eine schrittweiseVeränderung des „politischen und wirtschaft-lichen Systems“ erreichen will

AFL-CIO www.aflcio.org

größte Gewerkschaft in den USA; hat eigenen „Corporate Watch“-Button auf der Website,auf der sie viele korporative Anti-Arbeit-nehmer-Aktivitäten sammelt

American Federation of State, County and Municipal Em-ployees www.afscme.org

sammelt umfangreiche Informationen zu allen Fragen der „Privatisierung“

Center for Labor & Community Research

behandelt Fragen des „Arbeitnehmer-Eigen-tums“ sowie „alternativer Ökonomie-Mo-

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Anhang 273

www.clcr.org delle“ Labor Notes www.LaborNet.org

Organisation zur Errichtung einer unabhängi-gen, demokratischen Arbeiterbewegung

Public Citizen’s Global Trade Watch www.tradewatch.org

möchte die Demokratie durch „anspruchsvol-le korporative Globalisierung“ fördern

Global Exchange www.globalexchange.org

strebt eine „globale wirtschaftliche Gerech-tigkeit“ an

Positive Futures Network www.yesmagazine.org

kämpft für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit; Anti-Corporations-Portal und Herausgeber des „YES! Magazine“

The Third World Network www.twnside.org.sg

umfangreicher Globalisierungs-Pool

The Public Information Network’s „Endgame“ www.endgame.org

sammelt Information über globale Produkti-onsketten, politische Einflussnahme und Subventionen

Tampa Independent Business Alliance www.tibatampa.org

Netzwerk/Portal zu „unabhängigen Unter-nehmen“

Center for Media and Democracy www.prwatch.org

Berichterstattung über die PR-Branche

FreePress.net www.freepress.net

Forderung nach einer „freien Presse“ in ei-nem „demokratischen Medien-System“

Media Access Project www.mediaaccess.org

bearbeitet kartellrechtliche Fragen im Medi-enbereich; fordert freien Zugriff auf elektro-nische Daten für alle Bürger

Corporate Ethics International www.corporateethics.org

ist darum bemüht, Geschäftspraktiken mehr ethischen Standards in Bezug auf Umwelt,Gesundheit, soziale Gerechtigkeit und Arbeit zu unterziehen; fördert Community-Bildung gegen Corporations; benennt „Opfer“ von Corporations; zeigt Wege auf, korporative Herrschaft zu beenden

Corporate Accountability International www.stopcorporateabusenow.org

fokussiert seit 30 Jahren Corporations aufdem Gebieten Öl, Wasser und Agrarlebens-mitteln; Veranstalter einer so genannten „Hallof Shame“-Abstimmung, die durch Internet-

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274 Anhang

Abstimmung bzgl. großer korporativer Ver-fehlungen zustande kommt (Platz 5 bspw. „Nestlé“)

The Corporate Accountability Project www.corporations.org

veröffentlicht eine 5-Punkte-Liste „Nicht soeinfach“ bzgl. darüber, Corporations unter Kontrolle zu bringen; führt ein Archiv von Boykott-Links gegenüber Corporations

CitizenWorks www.citizenworks.org

vermittelt Informationen zur Anti-Corpora-tions-Arbeit auf Freiwilligenbasis

The Tomales Bay Institute www.onthecommons.org

stärkt das öffentliche Bewusstsein für Allge-meingüter durch Blogs, Essays, Bücher und„Aktivisten-Profile“

Responsible Shopper www.responsibleshopper.org

bietet „Forschungen“ zu Kampagnen für Verbraucher und Stakeholder an

Multinational Monitor www.multinationalmonitor.org

dokumentiert Menschenrechtsverletzungen durch Corporations; bietet Tools für Aktivis-ten und Bücher an

Primal Seeds www.primalseeds.org

zeigt auf, wie Corporations lokale Ernäh-rungssysteme und die Biodiversität stören

Commercial Alert www.commercialalert.org

Verfasser der „Parents' Bill of Rights“, um die„Kinder vor Corporations zu schützen“

Corporate Crime Reporter www.corporatecrimereporter.com

Sammelt korporative Rechtsverstöße auf den Gebieten Ökonomie und Menschenrechte

The Corporate Research Project www.corp-research.org

Anti-Corporations-Informationen für Aktivis-ten; dokumentiert korporativen „Missbrauch“ in den Bereichen Umwelt und Arbeit

The Foundation for Taxpayer and Consumer Rights www.consumerwatchdog.org

beobachtet korporative „Ausbeutung“ seitüber 20 Jahren; „Einschüchterung von Öko-nomie und Politik durch Corporations ver-größert die Lücke zwischen eben jenen undden Bürgern“

CounterCorp www.countercorp.org

„Zerstörerische Kraft von Corporations“ und die Auswirkungen weltweiter korporativer Macht ist zu reduzieren; Veranstalter des „96 Hours Anti-Corporate Film Festival“; Buch-vertrieb

Quelle: eigene Zusammenstellung

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7. „Timeline of Personhood Rights and Powers“

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Timeline of Personhood Rights and Powers

People Gain or Lose Rights & Powers Somersett’s Case [England, 1772] An English judge rules slavery does not exist in England. A slave becomes free by stepping on English soil. The colonists wonder if slavery will soon be abolished in all English colonies. Runaway slaves attempt to flee to England to gain their freedom. Bill Of Rights [1791] The first 10 Amendments to the U.S. Constitution were adopted to protect We the People from excesses of government. At this time, We the People meant only white males who owned property and were over 21 years old. The states decided how much property must be owned to qualify to vote or run for office. (New Jersey women who met property and residency requirements could vote when the Constitution was ratified, but the state revoked that right in 1807.) States Begin to Loosen Property Requirements for white males to obtain voting and citizenship rights. [1840 on] Dred Scott v. Sanford [1857] Supreme Court decides that slaves are property and Congress cannot deprive citizens of their property. Slaves are “not citizens of any state” and “have no rights a court must respect.” This decision is the functional opposite of Somersett’s Case. 13th Amendment [1865] Slavery is abolished in the U.S. and any place subject to its jurisdiction. This amendment changed the third paragraph of Article 4, Section 2 of the Constitution. 14th Amendment [1868] Black males are now citizens of the USA: “...nor shall any State deprive any person of life, liberty, or property without due process of law; nor deny to any person within its jurisdiction the equal protection of the laws.” 15th Amendment [1870] Black males get the right to vote. “The right of citizens... to vote shall not be denied or abridged... on account of race, color, or previous condition of servitude.”

Year

1772

1776

1789

1791

1803

1819

1840

1857

1861

1865

1868

1870

Corporations Gain or Lose Rights & Powers Revolutionary War Begins [1776] U.S. Constitution [1789] The writers of the Constitution were very interested in protecting their property. Without using the words “slave” or “slavery,” they made slavery legal and institutionalized it. “No person held in Service or Labour in one State, under the laws thereof, escaping into another, shall, in Consequence of any regulation therein, be discharged from such Service or Labour, but shall be delivered up on Claim of the Party to whom such Service or Labour may be due.” [Art. 4, Sec. 2] Marbury v. Madison [1803] This case established the concept of judicial review. The Supreme Court ruled that they were Supreme and Congress did not contest it. This gave them the power to make law. Dartmouth College v. Woodward [1819] A corporate charter is ruled to be a contract and can’t be altered by government. The word “corporation” does not appear in the Constitution and this ruling gave the corporation a standing in the Constitution. It also made it difficult for the government to control corporations, so states began to write controls into the charters they granted. The Supreme Court had “found” the corporation in the Constitution. Civil War Begins [1861] Paul v. Virginia [1868] Corporate lawyers argued that under the privileges and immunities clause, corporations are citizens. Supreme Court ruled that corporations are not citizens under Article IV, Section 2. “The citizens of each State shall be entitled to all privileges and immunities of citizens in the several States.”

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Minor v. Happersett [1874] Women argued that under the 14th Amendment equal protection clause, the U.S. Constitution established that their right to vote could not be denied by the state. The Supreme Court rejected this stating that the 14th Amendment was only intended to apply to black males. Compromise of 1877 To settle a disputed presidential election, the Republicans made a deal with the Democrats (the party of slavery) that if the Republican Hayes became president, he would remove the Union troops from the South, the last obstacle to the reestablishment of white supremacy there. Of the 14th Amendment cases brought before the Supreme Court between 1890 and 1910, 19 dealt with African Americans, 288 dealt with corporations. Plessy v. Ferguson [1896] The Supreme Court ruled that state laws enforcing segregation by race are constitutional if separate accommodations are equal. Black males effectively lost 14th Amendment rights and much access to the “white world.” Plessy legalized “Jim Crow” laws.

1873

1874

1877

1882

1886

1889

1893

1896

1905

Slaughterhouse Cases [1873] The Supreme Court said: “...the main purpose of the last three Amendments [13, 14, 15] was the freedom of the African race, the security and perpetuation of that freedom and their protection from the oppression of the white men who had formerly held them in slavery.” Corporations were not included in these protections. Munn v. Illinois [1877] Supreme Court ruled that the 14th Amendment cannot be used to protect corporations from state law. They did not actually rule on personhood. The Railroad Tax Cases [1882] In one of these cases, San Mateo County v. Southern Pacific Railroad, it was argued that corporations were persons and that the committee drafting the 14th Amendment had in-tended the word person to mean corporations as well as natural persons. Senator Roscoe Conkling waved an un-known document in the air and then read from it in an at-tempt to prove that the intent of the Joint Committee was for corporate personhood. The court did not rule on corporate personhood, but this is the case in which they heard the argument. Santa Clara County v. Southern Pacific Railroad [1886] Though the court did not make a ruling on the question of “corporate personhood” (whether 14th Amendment covered corporations), the decision subsequently was cited as precedent to hold that a private corporation was a "natural person." Justices have since struck down hundreds of local, state and federal laws enacted to protect people from corporate harm based on this illegitimate premise. Minneapolis & St. Louis Railroad v. Beckwith [1889] Supreme Court rules a corporation is a “person” for both due process and equal protection. Noble v. Union River Logging [1893] For the first time corporations have claim to the Bill of Rights. The 5th Amendment says: “...nor be deprived of life, liberty, or property, without due process of law.” Lochner v. New York [1905] “Lochner” became shorthand for using the Constitution to invalidate government regulation of the corporation. It embodies the doctrine of “substantive due process.” From 1905 until the mid 1930s the Court invalidated approximately 200 economic regulations, usually under the due process clause of the 14th Amendment.

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Slavery is the legal fiction that a Person is Property. Corporate Personhood is the legal fiction that Property is a Person. 17th Amendment [1913] The U.S. Senate is now elected by the people, instead of appointed by state governments. 19th Amendment [1920] Women finally get the vote after 75 years of struggle. “The right of citizens of the United States to vote shall not be denied or abridged by the United States or by any State on account of sex.”

Louis K. Liggett Co. v. Lee [1933] Justice Brandeis dissents: “The Prevalence of the corporation inAmerica has led men of this generation to act, at times, as if the privilege of doing business in corporate form were inherent in the citizen; and has led them to accept the evils attendant upon the free and unrestricted use of the corporate mechanism as if these evils were the inescapable price of civilized life, and hence to be borne with resignation. Throughout the greater part of our history a different view prevailed.” National Labor Relations Act of 1935 The National Labor Relations Board required employer neutrality when it came to the self organization of workers. It was a violation of the act if an employer interfered in any way with a union organizing drive. Conn. General Life Ins. v. Johnson [1938] Justice Black dissents: “I do not believe the word ‘person’ in the Fourteenth Amendment includes corporations.” Hague v. C.I.O. [1939] The Court denies an incorporated labor union 1st Amendment rights. Only the individual plaintiffs, not the labor union or the ACLU, could invoke 1st Amendment protections. “[A corporation] cannot be said to be deprived of freedom of speech and of assembly, for the liberty guaranteed by the due process clause is the liberty of natural, not artificial persons.”

1906

1908

1913

1917

1919

1920

1922

1933

1935

1936

1938

1939

1941

1947

Hale v. Henkel [1906] Corporations get 4th Amendment “search and seizure” protection. Justice Harlan disagreed on this point: “...the power of the government, by its representatives, to look into the books, records and papers of a corporation of its own creation, to ascertain whether that corporation has obeyed or is defying the law, will be greatly curtailed, if not destroyed.” Armour Packing Co. v. U.S. [1908] Corporations get 6th Amendment right to jury trial in a criminal case. A corporate defendant was considered an “accused” for 6th Amendment purposes. U.S. enters World War I [1917] Dodge v. Ford Motor Co. [1919] Michigan Supreme Court says, “A business corporation is organized and carried on primarily for the profit of the stock-holders. The powers of the directors are to be employed for that end.” “Stockholder primacy” is established. This is still the leading case on corporate purpose. Pennsylvania Coal Co. v. Mahon [1922] Corporations get 5th Amendment “takings clause”: “...nor shall private property be taken for public use, without just compensation.” A regulation is deemed a takings. Louis K. Liggett Co. v. Lee [1933] The people of Florida passed a law that levied higher taxes on chain stores. The Supreme Court overturned the law cit-ing the due process and equal protection clause of the 14th Amendment and the Interstate Commerce clause. Grosjean v. American Press Co. [1936] A newspaper corporation has a 1st Amendment liberty right to freedom of speech that would be applied to the states through the 14th Amendment. The Court ruled that the corporation was free to sell advertising in newspapers without being taxed. This is the first 1st Amendment protection for corporations. U.S. enters World War II [1941] Taft-Hartley Act [1947] Corporations are granted “free speech” in the union certification process, usurping the worker’s right to “freedom of association” and greatly weakening the Labor Relations Act of 1935.

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Wheeling Steel Corp. v. Glander [1949] Justice Douglas dissents. Regarding the ruling that corporations are given rights as persons under the 14th Amendment, he said, “There was no history, logic or reason given to support that view nor was the result so obvious that exposition was unnecessary.” Brown v. Board of Educ. of Topeka [1954] Public schools cannot be racially segregated. Often said to have overturned Plessy. The Supreme Court recognized that separate was not equal. Civil Rights Act [1964] This act ended voting discrimination and literacy testing as a qualification for voting, established the Commission on Equal Employment Opportunity, and ended discrimination in public facilities.

24th Amendment [1964] Poll taxes, which were used to keep Blacks and others from voting in some states, were abolished. “The right... to vote ... shall not be denied... by reason of failure to pay any poll tax or other tax.” 26th Amendment [1971] Voting age changed from 21 to 18 years of age. Passed to recognize that if 18-year-olds could be drafted into military service, they should be allowed to vote. Reed v. Reed [1971] Women get the 14th Amendment. There were earlier cases where it was assumed that women had equal protection. This was the case in which the 14th was ruled to apply to women. Roe v. Wade [1973] The Supreme Court rules that state statutes against abortion are vague and infringe on a woman’s 9th and 14th Amendment rights (to privacy). Abortion is legalized in the first trimester of pregnancy.

1949

1954

1963

1964

1967

1970

1971

1973

1976

U.S. ground troops in Vietnam War [1963]

See v. City of Seattle [1967] Supreme Court grants corporations 4th Amendment protection from random inspection by fire department. The Court framed the question in terms of “business enterprises,” corporate or otherwise. An administrative warrant is necessary to enter and inspect commercial premises. Ross v. Bernhard [1970] Corporations get 7th Amendment right to jury trial in a civil case. The Court implies that the corporation has this right because a shareholder in a derivative suit would have that right. Buckley v. Valeo [1976] The Supreme Court rules that political money is equivalent to speech. This ruling expanded the First Amendment’s protections to include financial contributions to candidates or parties. U.S. v. Martin Linen Supply [1976] A corporation successfully uses the 5th Amendment to protect itself against double jeopardy to avoid retrial in an anti-trust case.

Page 271: Legal Persons – â€K¤mpfe“ und die organisationale Form

Anhang 279

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First National Bank of Boston v. Bellotti [1977] Dissent by Justices White, Brennan, Marshall: “...the special status of corporations has placed them in a position to control vast amounts of economic power which may, if not regulated, dominate not only our economy but the very heart of our democracy, the electoral process... The State need not allow its own creation to consume it.” Rehnquist also dissented: “The blessings of perpetual life and limited liability ... so beneficial in the economic sphere, pose special dangers in the political sphere.” Pacific Gas & Electric Co. v. Public Utilities Commission [1986] Dissent by Justices Rehnquist, White, Stevens: “To ascribe to such entities an ‘intellect’ or ‘mind’ for freedom of con-science purposes, is to confuse metaphor with reality.”

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Virginia Board of Pharmacy v. Virginia Consumer Council [1976] The Supreme Court protects commercial speech. Advertising is now free speech. First National Bank of Boston v. Bellotti [1977] The First Amendment is used to overturn state restrictions on corporate spending on political referenda. The Court reverses its longstanding policy of denying such rights to non-media business corporations. This precedent is used, with Buckley v. Valeo, to thwart attempts to remove corporate money from politics. Marshall v. Barlow [1978] This case gave corporations the 4th Amendment right to require OSHA to produce a warrant to check for safety violations. Pacific Gas and Electric Co. v. Public Utilities Commission [1986] Supreme Court decided that PG&E was not required to allow a consumer advocacy group to use the extra space in their billing envelope, upholding the corporation’s right not to speak and protecting the corporation’s “freedom of mind.” Austin v. Michigan Chamber of Commerce [1990] Supreme Court upholds limitations on corporate spending in candidate elections. First Amendment rights can be infringed if the state has a compelling interest. International Dairy Foods Association v. Amestoy [1996] Supreme Court overturns a Vermont law requiring the labeling of all products containing bovine growth hormone. The right not to speak inheres in political and commercial speech alike and extends to statements of fact as well as statements of opinion. ———————————————————————— This timeline was compiled by Jan Edwards with much help from Doug Hammerstrom, Bill Meyers, Molly Morgan, Mary Zepernick, Virginia Rasmussen, Thomas Linzey, Jane Anne Morris, and Richard Grossman. (revised June 2002)