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Linguistische Grundlagen3. Phonologie:
Funktion und Verteilungsmuster der Laute
Gereon Müller
Institut für LinguistikUniversität Leipzig
Lit.: O’Grady et al. (1996, Kap. 3), Grewendorf et al. (1987, Kap. 3)
www.uni-leipzig.de/∼muellerg/1001/grundlagen.html
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 1 / 29
Einleitung
Einleitung
• Phonetik:Laute und ihre Merkmale→ geringe Abstraktion (Phon); kein Teil der Grammatik im engeren Sinne
• Phonologie: Funktion und Verteilungsmuster der Laute; was ist eine möglicheFolge von Lauten in einer gegebenen Sprache?→ starke Abstraktion(Phonem); genuine grammatische Komponente
(1) Mögliche Wörter des Englischen bzw. Deutschen:
a. slish, skrenkb. Schrant, Knumpe, Schergung, Knaffel, Spreuchel, Grolch, Mürbst,
Krant, Pfraus
(2) Unmmögliche Wörter des Englischen bzw. Deutschen:
a. srish, sram, screpk (mögliche Reparaturen: [s@rIS], [Es.ræm], [skôEp@k])b. Kelr, Ptrong, Kterz, Mgnose, Srindel, Rgochr
Die Fähigkeit, mögliche von unmöglichen Lautfolgen in Wörtern des einerSprache unterscheiden zu können, ist Teil des sprachlichen Wissens (derphonologischen Komponente der Grammatik einer Sprache).
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 2 / 29
Einleitung
Ebenen der phonologischen Repräsentation
Vier Typen phonologischer Einheiten
Wd Wortebene
σ σ Silbenebene
s E g m @ n t Segmentebene
–silbisch–sonorant+koronal•
•
•
+silbisch+sonorant
–hoch•
•
•
–silbisch–sonorant
+hoch•
•
•
–silbisch+sonorant
+labial•
•
•
+silbisch+sonorant+reduziert•
•
•
–silbisch+sonorant
+nasal•
•
•
–silbisch–sonorant+koronal•
•
•
Merkmalsebene
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 3 / 29
Segmente im Kontrast
Minimalpaare 1
Sprecher einer Sprache wissen, welche Segmente ihrer Sprache im Kontrast sind.Segmente sind dann im Kontrast (oder distinktiv, oder in Opposition), wenn sieallein Formen mit unterschiedlicher Bedeutung unterscheiden können.Wie man überprüft, ob zwei Segmente distinktiv sind: Bildung von Minimalpaaren.
(3) Einige Minimalpaare im Deutschen:
a. Schein – Seinb. Pein – Beinc. Tisch – Fischd. mein – deine. kopieren – kapierenf. Designation – Resignationg. Freunden – Freundinh. Bund – Band
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Segmente im Kontrast
Minimalpaare 2
Kontraste unter Konsonanten im Englischen
Labial Alveolar Palatoalveolar Velar Glottal
Plosive und Affrikatentap [p] pat [t] chug [tS] pick [k]tab [b] pad [d] jug [dZ] pig [g]Dauernde Laute
Interdentalfat [f] thigh [T] sip [s] mesher [S] hip [h]vat [v] thy [D] zip [z] measure [Z]Nasale
sum [m] sun [n] sung [N]Liquide
wet [w] yet [j]leer [l]rear [ô]
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 5 / 29
Segmente im Kontrast
Minimalpaare 3
Der phonetische Kontext, in dem ein Laut erscheint, heißt die Umgebung(‘environment’). Es gibt auch Paare mit Segmenten in beinahe vollständigidentischen Umgebungen; hier handelt es sich um fast minimale Paare(‘near-minimal pairs’). Auch so können Kontraste begründet werden.
(4) Fast minimale Paare:
a. shoulder [S@Uld@] vs. soldier [s@UldZ@]b. author [O:T@] vs. either [i:D@]
Wenn ein fast minimales Paar oder ein minimales Paar gefunden ist, sind zweiSegmente in der betreffenden Sprache distinkt. Segmente können allerdings imPrinzip auch distinkt sein, wenn kein (Fast-) Minimalpaar gefunden werden kann;z.B.:
(5) a. [h] tritt im Englischen nur am Silbenanfang auf.b. [N] tritt im Englischen nur am Silbenende auf.
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 6 / 29
Segmente im Kontrast
Sprachspezifische Kontraste
Laute, die in einer Sprache distinktiv sind, sind dies nicht unbedingt auch in eineranderen Sprache.
(6) Beispiel 1: [e] vs. [æ], Englisch gegen TürkischEnglisch Türkisch[ben] Ben [ben] ich[bæn] Verbot [bæn] ich
Im Englischen ist Vokallänge nicht distinktiv: Es gibt keine Minimalpaare der Art[lUs]:[lU:s]. (Im Deutschen ist das auch oft so, aber vgl. stellen ([StEl@n]) vs. stählen([StE:l@n].) In anderen Sprachen ist das ganz anders.
(7) Beispiel 2: Kontraste kurzer und langer Vokale: Japanisch, FinnischJapanisch[tori] Vogel [tori:] Schreintor[kibo] Skala [kibo:] Hoffnung
Finnisch[tuli] Feuer [tu:li] Wind[hætæ] Bedrängnis [hæ:tæ:] ausweisen
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Phoneme und Allophone
Phonetische Variation
Sprachliche Äußerungen zeigen ein hohes Maß an phonetischer Variation.
• Einiges davon ist linguistisch irrelevant: Zahnspangen oder -klammern,Müdigkeit, Aufregung, Kaugummikauen, Trunkenheit, etc.
• Vieles davon ist aber auch systematisch. Die Variation tritt insbesondere beiphonetisch ähnlichen Segmenten auf und ist durch den phonetischen Kontext(die Umgebung) bedingt.
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 8 / 29
Phoneme und Allophone
Komplementäre Verteilung
Beobachtung:Der Liquid l kann im Englischen auf zwei Weisen realisiert werden, nämlichstimmhaft oder stimmlos: [l] vs. [l
˚]
(8) Stimmhafte und stimmlose l-Realisierung im Englischen:A Bblue [blue:] plough [pl
˚oU]
gleam [gli:m] clap [kl˚æp]
slip [slIp] clear [kl˚I@]
flog [fl6g] play [pl˚eI]
leaf [li:f]
Konklusion: [l] und[l˚] sind im Englischen in komplementärer Distribution: Sie
können in einer gegebenen Umgebung nicht beide auftauchen. Wie kann dasAuftreten beschrieben werden?
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 9 / 29
Phoneme und Allophone
Elsewhere
(9) Komplementäre Verteilung von [l] und [l˚] im Englischen:
[l] [l˚]
nach stimmlosen Plosiven nein jasonst ja nein
Terminologie: sonst heißt auf Englisch elsewhere. Mit ‘elsewhere’ ist immergemeint, dass die Distribution größer ist, de facto unbeschränkt: [l] tritt eigentlichimmer auf, es sei denn, der Kontext für ein [l
˚] ist gegeben. Also erscheint [l] nach
stimmhaften Plosiven, nach stimmlosen Frikativen, und am Wortanfang.
Bemerkung: Die zwei l-Laute sind phonetisch unterschiedlich, aber phonologischdasselbe.
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 10 / 29
Phoneme und Allophone
Phoneme und Allophone
Durch Regeln vorhersagbare Laute, die phonetisch ähnlich sind und die nichtmiteinander in Kontrast stehen, werden zu einer abstrakten phonologischenEinheit zusammengefasst, der kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiteiner Grammatik, nämlich dem Phonem.
(10) Klassischer Phonembegriff:Phoneme sind die kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten.
(11) Allophone:Die unterschiedlichen phonetischen Realisierungen eines Phonems heißenAllophone. Allophone sind in komplementärer Distribution.
(12) Beispiel:
a. Phonem: /l/b. Allophon 1: [l] (elsewhere)c. Allophon 2: [l
˚] (nach stimmlosen Plosiven)
Aufbau der Grammatik:• Phoneme: zugrundeliegende Struktur, in / /-Notation.• Phone (inkl. Allophone): Konkrete Realisierungen der Phoneme mit Hilfe von
phonologischen Regeln.Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 11 / 29
Phoneme und Allophone
Fehlende Allophonie trotz komplementärer Distribution
Wie gesehen lässt sich für [h] vs. [N] im Englischen kein Minimalpaar finden, weil [h] auf denSilbenanlaut und [N] auf den Silbenauslaut beschränkt ist. Die beiden Laute sind also inkomplementärer Distribution.
(13) a. *[N@Up]*[NeIt]
vs. [h@Up][heIt]
b. [l6N][sIN]
vs.vs.
*[l6h]*[sIh]
Heißt das, dass [h] und [N] Allophone eines zugrundeliegenden Phonems sind?
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 12 / 29
Phoneme und Allophone
Fehlende Allophonie trotz komplementärer Distribution
Wie gesehen lässt sich für [h] vs. [N] im Englischen kein Minimalpaar finden, weil [h] auf denSilbenanlaut und [N] auf den Silbenauslaut beschränkt ist. Die beiden Laute sind also inkomplementärer Distribution.
(13) a. *[N@Up]*[NeIt]
vs. [h@Up][heIt]
b. [l6N][sIN]
vs.vs.
*[l6h]*[sIh]
Heißt das, dass [h] und [N] Allophone eines zugrundeliegenden Phonems sind? Nein, hier wird derphonemische Status per Default postuliert; [h] und [N] sind phonetisch einfach zu unterschiedlich; esist rätselhaft, welche distinktiven Lauteigenschaften ein beiden Lauten zugrundeliegendes Phonemhaben sollte ([h] und [N] sind hintere Konsonanten, aber davon gibt es noch mehr: [g], [k]).
Die Situation ist im Deutschen ganz ähnlich.
(14)[haUs] Haus [dIN] Ding[u:hu] Uhu [hENst] Hengst[g@haIm] geheim [tsUN@] Zunge
Generalisierung:[h] steht am Wortanfang vor Vokal und vor betontem Vokal bzw. unbetontem gespannten Vokal; [N]steht nicht am Wortanfang, sondern am Wortende, vor Konsonanten und vor unbetontenungespannten Vokalen.
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 12 / 29
Phoneme und Allophone
Freie Variation
Es gibt aber auch Phoneme, die leicht unterschiedlich realisiert werden können(z.B. sprecherabhängig), ohne dass hier komplementäre Verteilung der Phonevorliegt. Hier spricht man von freier Variation.
(15) /st6p/ mit drei /p/-Realisierungen:
a. [st6p!] (schnelle Öffnung des Verschlusses)b. [st6p^] (längere Beibehaltung des Verschlusses)c. [st6Pp] (koartikulierter Knacklaut)
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 13 / 29
Phoneme und Allophone
Zur Realität von Phonemen
Phoneme repräsentieren eine Form sprachlichen Wissens. Auch wenn manniemals Phoneme hören kann (nur (Allo-) Phone), gibt es doch Evidenz für ihrekognitive Realität.
• Es ist wohl kein Zufall, dass es für [l] und [l˚] nur einen Buchstaben im
Englischen gibt.
• Sprecher des Englischen können den Unterschied zwischen [l] und [l˚] kaum
wahrnehmen (die Laute sind nicht distinktiv).
• Sprecher des Japanischen haben Schwierigkeiten mit der Unterscheidungvon [l] und [r] im z.B. Englischen, denn im Japanischen sind [l] und [r]Allophone ein und desselben Phonems.
• Umgekehrt haben Sprecher des Englischen Schwierigkeiten,Vokallängenunterschiede im Japanischen auszusprechen und zu hören, weilVokallänge im Englischen nicht distinktiv ist.
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 14 / 29
Phoneme und Allophone
Klassen und Generalisierungen in der Phonologie
Phonologische Variation ist oft systematisch. Z.B. gelten die Regularitäten für/l/-Realisierung im Englischen ganz ähnlich auch bei /r/. (Hier wird ausEinfachheitsgründen statt [ô] immer [r] notiert.)
(16) Stimmhafte und stimmlose Allophone von /r/ im Englischen:A Bbrew [bru:] prow [pr
˚aU]
green [gri:n] creep [kr˚
i:p]drip [drIp] trip [tr
˚Ip]
frog [fr6g] pray [pr˚
eI]shrimp [SrImp]
(17) Allgemeine Regel:Im Englischen haben Liquide hinter stimmlosen Plosiven stimmloseAllophone; ansonsten haben sie stimmhafte Allophone.
Den Phonemen /r/ und /l/ ist gemeinsam, dass sie beide Liquide sind.
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 15 / 29
Sprachspezifische Muster
Ich-Laut und Ach-Laut im DeutschenDie dorsalen Frikative [x] und [ç] sind im Deutschen komplementär verteilt (Darstellung nach Meibaueret al. (2002)).
(18) Dorsale Frikative: [x] vs. [ç][x] [ç] [ç] [ç]Ach ich Milch ChemieBuch siech durch Bio-chemiehoch Becher manche Frau-chenLoch rächen München Dumm-chenLache Flüche Rös-chenSucht KücheBauch Löcher
reicheuch
(19) Generalisierung:
a. [x] steht nach hinteren Vokalen und nach zentralen Vokalen ([–vorn]).b. [ç] steht nach vorderen Vokalen ([+vorn]), nach Konsonanten und am Morphemanfang
(letzte Spalte; Morpheme sind noch nicht eingeführt).
Konklusion: [x] und [ç] sind Allophone eines Phonems. Wie wird das notiert? Nach (19) könnte mandenken: /ç/ (Elsewhere-Distribution). Üblicherweise wird sich jedoch meistens für /x/ entschieden (dieDistribution von [ç] ist bei genauerem Hinsehen doch sehr eingeschränkt), oder für einunterspezifiziertes Phonem /C/; ein Archiphonem (der Unterschied zwischen palatal und velar ist damitoffen gelassen).
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 16 / 29
Sprachspezifische Muster
Nasalisierung im Schottischen Gälisch
(20) Nasalvokale im Schottischen Gälisch (Keltisch, Indo-Europäisch):[mõ:r] groß[nĩ] Rind[nẽ:l] Wolke[mũ] über[rũn] Geheimnis
Im Schottischen Gälisch gibt es orale und nasale Vokal-Allophone.
(21) Generalisierung:Vokale sind im Schottischen Gälisch nasal, wenn ein nasaler Konsonantihnen vorangeht oder folgt.
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 17 / 29
Sprachspezifische Muster
Nasalisierung im Malay
(22) Nasalisierung im Malay (Austronesisch, Malaysia und Singapur):[mẽw̃ãh] luxuriös[mãj̃ãn] Stengel[mãrah] schimpfen[nãẼP] ansteigen[m@̃laraN] verbieten[mãkan] essen[rumãh] Haus[k@reta] Auto
(23) Generalisierung:Vokale und Gleitlaute werden nasalisiert, wenn sie einem nasalenKonsonanten folgen und nicht davon durch einen nicht-nasalenKonsonanten getrennt sind.
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 18 / 29
Sprachspezifische Muster
Aspiration im Englischen und im Khmer
Aspiration ist im Khmer (Austroasiatisch, Kambodscha) distinktiv, im Englischendagegen nicht. (S.o., Deutsch vs. Thai).
(24) Stimmlose Plosive im Englischen und im Khmer:Englisch Khmer[p] [ph] [p] [ph][t] [th] [t] [th][k] [kh] [k] [kh]
[p] vs. [ph] ist im Englischen nie distinktiv.
(25) Stimmlose distinktive Plosive im Khmer:[pO:N] wünschen [phO:N] auch[tOp] unterstützen [thOp] erstickt sein[kat] schneiden [khat] polieren
(26) a. Englisch: /p/→ [p], [ph]b. Khmer: /p/→ [p], /ph/→ [ph]
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 19 / 29
Sprachspezifische Muster
Phonetische und Phonemische Transkription 1
(27) Phonetische und phonemische Transkription im Englischen/Deutschen:Phonetische Phonemische Wort VorhersagbareTranskription Transkription phonetische Eigenschaften[pl
˚aU] /plaU/ plough Stimmlosigkeit des Liquids
[kr˚
i:p] /kri:p/ creep Stimmlosigkeit des Liquids[kw
˚Ik] /kwIk/ quick Stimmlosigkeit des Gleitlauts
[let] /let/ let –[thaId] /taId/ tied Aspiration[PIç] /IC/ ich Glottalisierung am Silbenanfang,
Palatalisierungdes dorsalen Frikativs
[thA:k] /tAg/ Tag Aspiration stimmloser PlosiveAuslautverhärtung am SilbenendeLängung des Vokals
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 20 / 29
Sprachspezifische Muster
Phonetische und Phonemische Transkription 2
(28) Phonetische und phonemische Transkription im Malay:Phonetische Phonemische Wort VorhersagbareTranskription Transkription phonetische Eigenschaften[mẽw̃ãh] /mewah/ luxuriös Nasalisierung[mãj̃ãn] /majan/ Stengel Nasalisierung[nãẼP] /naEP] ansteigen Nasalisierung
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 21 / 29
Silben
Silben
• Eine Silbe besteht aus einem Nukleus (silbisches Material, normalerweiseein Vokal) und nicht-silbischem Material darum herum.
• Jeder Sprecher kann für jedes Wort seiner Sprache sagen, wieviele Silbenes hat.
• Silben haben Struktur.
(29) Silbenstruktur:σ
Anfangsrand Reim
Nukleus Koda
S p ö I n t
Terminologie:Anfangsrand = Onset (O)Nukleus = Nucleus (N)Reim = Rhyme (R)Koda = Coda (C)
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 22 / 29
Silben
Sonoritätshierarchie
(30) Generalisierung über die Sonoritätsfolge:In jeder Silbe gibt es ein Segment, das den Nukleus bildet, und dem eineFolge von Segmenten vorangeht und/oder folgt, deren Sonoritätswerte zumSilbengipfel hin zunnehmen.
• Im Anfangsrand steigt die Sonorität.
• In der Koda fällt die Sonorität.
(31) Sonoritätshierarchie:Plosive < Frikative < Nasale < Liquide < Gleitlaute < Vokale.
Bemerkung:Die Generalisierung über die Sonoritätsfolge ist relativ gut über die Sprachenhinweg bestätigt. Es gibt aber Ausnahmen ([SprInt] ‘Sprint’ ist z.B. eine). Neben(30) (bzw., den Regeln, die diese Generalisierung – soweit sie gilt, also unterBeachtung der Ausnahmen – als Theorem abzuleiten gestatten), gibt es nochsprachspezifische Silbenstrukturbeschränkungen, die die Kombinierbarkeit vonSegmenten einschränken: Phonotaktik.
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 23 / 29
Silben
Englische Anfangsränder
(32) Anfangsränder mit einem stimmlosen Plosiv:Labial+Sonorant Koronal+Sonorant Velar+Sonorant[pl] please [tl] – [kl] clean[pr] proud [tr] trade [kr] cream[pw] – [tw] twin [kw] queen[pj] pure [tj] tune [kj] cute[spl] splat [stl] – [skl] sclerosis[spr] spring [str] strip [skr] scrap[spw] – [stw] – [skw] squeak[spj] spew [stj] stew [skj] skewer
(33) Mögliche Cluster von drei Konsonanten in Anfangsrändern englischerSilben:s – p/t/k – (l)/r/(w)/j
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 24 / 29
Silben
Zufällige und Systematische Lücken
(34) Mögliche Wörter des Englischen bzw. Deutschen (leicht erweitert):
a. snool, splick, sklop, flis, criff, slish, skrenkb. Schrant, Knumpe, Schergung, Knaffel, Spreuchel, Grolch, Mürbst,
Krant, Pfraus
(35) Unmmögliche Wörter des Englischen bzw. Deutschen:
a. srish, sram, screpkb. Kelr, Ptrong, Kterz, Mgnose, Srindel, Rgochr
• mögliche Wörter: zufällige Lücken
• unmögliche Wörter: systematische Lücken
Ein paar systematische Lücken im Englischen:
• /bz/→ [bz]
• /fp/→ [fp]
• /pt/→ [pt] (→ [t] (pterodactyl)
• /ps/→ [ps] (→ [s] (psychology)
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 25 / 29
Silben
Sprachspezifische Phonotaktik
1 Bestimmte Sequenzen im Anfangsrand scheinen universell ausgeschlossen,z.B. *[lp] vs. [pl].
2 Andere Sequenzen mögen im Englischen oder Deutschen ausgeschlossensein, können aber in anderen Sprachen auftreten.
(36) Russische Anfangsränder:
a. [psa] ‘Hund-gen’b. [ljva] ‘Löwe-gen’c. [fslux] ‘laut’d. [ptjits@] ‘Vogel-nom’
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 26 / 29
Silben
Silbifizierung 1
(37) Schritt 1: Der Nukleus wird gebildet:σ σ
R R
N N
e k s t r i: m
(38) Prinzip des maximalen Anfangsrands (‘Maximal Onset Principle’):Wenn die Beschränkungen für die Segmentfolgen einer Silbe mehrereSilbenbildungen zulassen, dann ist jene zu wählen, bei der der Anfangsrandeiner Silbe maximal ist.
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 27 / 29
Silben
Silbifizierung 2
(39) Schritt 2: Die Anfangsränder werden gemäß dem Prinzip des maximalenAnfangsrands gebildet:σ σ
R R
N O N
e k s t r i: m
(40) Schritt 3: Die übrig gebliebenen Konsonanten werden in Kodasuntergebracht (geschlossene vs. offene Silben):σ σ
R R
N C O N C
e k s t r i: mGereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 28 / 29
Silben
Silbifizierung 3
(41) Schritt 4: Die Silben bilden ein Wort:Wd
σ σ
R R
N C O N C
e k s t r i: m
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 29 / 29
Literatur
Literatur:
Grewendorf, Günther, Fritz Hamm & Wolfgang Sternefeld (1987): SprachlichesWissen. Suhrkamp, Frankfurt.
Meibauer, Jörg, Ulrike Demske, Jochen Geilfuß-Wolfgang, Jürgen Pafel,Karl Heinz Ramers, Monika Rothweiler & Markus Steinbach (2002): Einführungin die germanistische Linguistik. Metzler, Stuttgart.
O’Grady, William, Michael Dobrovolsky & Francis Katamba (1996): ContemporaryLinguistics. An Introduction. 3 edn, Longman, Harlow, Essex.
Gereon Müller (Institut für Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 29. Oktober 2019 29 / 29
EinleitungSegmente im KontrastPhoneme und AllophoneSprachspezifische MusterSilbenLiteratur