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20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze Das Netzwerkmanagement oder Supply Chain Management umfasst die Auswahl, die Gestaltung, die Organisation und den Betrieb der Lieferketten und Logistiknetze zur Versorgung von Bedarfsstellen oder Kunden aus den Liefer- oder Versandstellen. Dazu gehört auch die Disposition der Ressourcen, des Nachschubs und der Bestände in den Lieferketten. Eine Lieferkette ist eine Aneinanderreihung von Transportverbindungen und Zwi- schenstationen. Sie verbindet eine Lieferstelle mit einer Empfangsstelle und wird von Waren und Sendungen in einer bestimmten Belieferungsform durchlaufen. Abhän- gig von Aufgabe und Aspekt werden die Lieferketten auch als Versorgungsketten, Be- schaffungsketten, Transportketten, Frachtketten, Beförderungsketten, Entsorgungsket- ten oder allgemein als Logistikketten bezeichnet. Für die Lieferung der Waren und Güter, die eine Empfangsstelle von einer Lie- ferstelle anfordert, wie auch für die Beförderung von Sendungen und Personen gibt es in der Regel mehrere Logistikketten. Daraus resultiert die allgemeine Belieferungs- aufgabe: Für vorgegebene Warenströme, Sendungen oder Lieferauſträge ist aus den mögli- chen Logistikketten die optimale Liefer- und Transportkette auszuwählen, die bei Einhaltung der geforderten Lieferzeiten und Randbedingungen mit den geringsten Kosten verbunden ist. Hinter der allgemeinen Belieferungsaufgabe, die auf den ersten Blick recht einfach erscheint, verbirgt sich die gesamte Logistik [50–54, 118, 145, 236, 257, 258]. Die Belieferungsaufgabe stellt sich zwischen den Unternehmen, Betrieben und Konsumenten, aber auch innerhalb eines Betriebs. Zu unterscheiden sind daher in- terne und externe Lieferketten. Interne Lieferketten verbinden die Quellen und Sen- ken innerhalb eines Betriebs oder zwischen den Produktions- und Leistungsstellen in einem abgeschlossenen Betriebsgelände (s. Abb. 1.12). Eine durchgängige interne Logistikkette beginnt im Wareneingang und endet im Warenausgang desselben Be- triebs. Externe Lieferketten verbinden den Warenausgang eines Unternehmens, Betriebs oder Erzeugers mit dem Wareneingang eines anderen Unternehmens, Betriebs oder Verbrauchers. Eine durchgängige externe Logistikkette beginnt im Warenausgang ei- ner Lieferstelle und endet im Wareneingang einer Empfangsstelle. Im laufenden Betrieb beschränkt sich die Belieferungsaufgabe auf die Auswahl der jeweils kostenoptimalen aus einer Anzahl vorhandener Lieferketten. Darüber hin- aus muss das Unternehmen, das die Belieferungskosten trägt, zur Sicherung seiner Wettbewerbsfähigkeit permanent die vorhandenen Lieferketten optimieren und bei Bedarf neue Logistikstrukturen schaffen. T. Gudehus, Logistik 2, VDI-Buch, 937 DOI 10.1007/978-3-642-29376-4_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

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Page 1: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

DasNetzwerkmanagement oder Supply ChainManagement umfasst die Auswahl, dieGestaltung, die Organisation und den Betrieb der Lieferketten und Logistiknetze zurVersorgung von Bedarfsstellen oderKunden aus den Liefer- oderVersandstellen. Dazugehört auch die Disposition der Ressourcen, desNachschubs und der Bestände in denLieferketten.

Eine Lieferkette ist eine Aneinanderreihung von Transportverbindungen und Zwi-schenstationen. Sie verbindet eine Lieferstelle mit einer Empfangsstelle und wird vonWaren und Sendungen in einer bestimmten Belieferungsform durchlaufen. Abhän-gig von Aufgabe und Aspekt werden die Lieferketten auch als Versorgungsketten, Be-schaffungsketten, Transportketten, Frachtketten, Beförderungsketten, Entsorgungsket-ten oder allgemein als Logistikketten bezeichnet.

Für die Lieferung der Waren und Güter, die eine Empfangsstelle von einer Lie-ferstelle anfordert, wie auch für die Beförderung von Sendungen und Personen gibtes in der Regel mehrere Logistikketten. Daraus resultiert die allgemeine Belieferungs-aufgabe:� Für vorgegebene Warenströme, Sendungen oder Lieferaufträge ist aus den mögli-

chen Logistikketten die optimale Liefer- und Transportkette auszuwählen, die beiEinhaltung der geforderten Lieferzeiten und Randbedingungenmit den geringstenKosten verbunden ist.

Hinter der allgemeinen Belieferungsaufgabe, die auf den ersten Blick recht einfacherscheint, verbirgt sich die gesamte Logistik [50–54, 118, 145, 236, 257, 258].

Die Belieferungsaufgabe stellt sich zwischen den Unternehmen, Betrieben undKonsumenten, aber auch innerhalb eines Betriebs. Zu unterscheiden sind daher in-terne und externe Lieferketten. Interne Lieferketten verbinden die Quellen und Sen-ken innerhalb eines Betriebs oder zwischen den Produktions- und Leistungsstellenin einem abgeschlossenen Betriebsgelände (s. Abb. 1.12). Eine durchgängige interneLogistikkette beginnt im Wareneingang und endet im Warenausgang desselben Be-triebs.

Externe Lieferketten verbinden denWarenausgang eines Unternehmens, Betriebsoder Erzeugers mit dem Wareneingang eines anderen Unternehmens, Betriebs oderVerbrauchers. Eine durchgängige externe Logistikkette beginnt imWarenausgang ei-ner Lieferstelle und endet imWareneingang einer Empfangsstelle.

Im laufenden Betrieb beschränkt sich die Belieferungsaufgabe auf die Auswahlder jeweils kostenoptimalen aus einerAnzahl vorhandener Lieferketten. Darüber hin-aus muss das Unternehmen, das die Belieferungskosten trägt, zur Sicherung seinerWettbewerbsfähigkeit permanent die vorhandenen Lieferketten optimieren und beiBedarf neue Logistikstrukturen schaffen.

T. Gudehus, Logistik 2, VDI-Buch, 937DOI 10.1007/978-3-642-29376-4_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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938 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Bei Lieferung frei Haus stellt sich die Belieferungsaufgabe primär dem Lieferan-ten. Bei Beschaffung ab Werk übernimmt der Empfänger die Beschaffungsaufgabe.Wenn ein Logistikdienstleister eingesetzt wird, muss dieser die Beförderungsaufgabelösen.

In diesem Kapitel werden Verfahren und Algorithmen zur Lösung der allgemei-nen Belieferungsaufgabe entwickelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Optimie-rung externer Lieferketten. Das allgemeine Vorgehen und die hierfür entwickeltenVerfahren sind jedoch auf interne Logistikketten übertragbar.

Bestimmungsfaktoren für den Aufbau von Versorgungsnetzen und die Auswahloptimaler Lieferketten sind die Strukturbedingungen der jeweils betrachteten Liefer-beziehungen sowie die Leistungs- und Serviceanforderungen der Kunden und Lie-feranten. Handlungsmöglichkeiten bieten dieGestaltungsparameter der Versorgungs-netze. Vonbesonderer Bedeutung sind dabei dieTransportverbindungenunddieZwi-schenstationen, aus denen sich die Lieferketten undVersorgungsnetze zusammenset-zen.

Belieferungsstrategien regeln die Auswahl und Nutzung der Lieferketten. Diesewerden nachfolgend konzipiert. Daraus leiten sich Strategieparameter ab, deren Aus-wirkungen zu analysieren sind. Wenn die Leistungs- und Serviceanforderungen er-füllt sind, ist das primäre Ziel der Optimierung der Lieferketten und Versorgungs-netze eine Senkung der Belieferungskosten. Die Berechnung der Belieferungskostenist daher ein Schwerpunkt dieses Kapitels.

Auf dieser Grundlage wird ein allgemeines Leistungskostenmodell entwickelt, daszur Bestimmung optimaler Lieferketten sowie zur Kalkulation der Frachtkosten fürunterschiedliche Versandketten geeignet ist. Ergebnisse sind Optimierungsmöglich-keiten und Auswahlkriterien für optimale Lieferketten, Gestaltungsgrundsätze undKonstruktionsverfahren für Versorgungsnetze sowieHinweise auf Potentiale zur Leis-tungsverbesserung und Kostensenkung.

20.1 Strukturbedingungen

Die Strukturbedingungen sind gegeben durch die Lieferstellen und Empfangsstellen,die durch Lieferketten miteinander zu verbinden sind, sowie durch die Zwischensta-tionen und Transportverbindungen, die für die Beförderung der Waren, Sendungenoder Personen zur Verfügung stehen.

Ein Teil der Strukturbedingungen, wie die Standorte der Lieferanten und derKunden, sind Fixpunkte, die sich nicht verändern lassen oder nur langfristig beein-flussbar sind. Andere Strukturbedingungen, wie die Anzahl und Standorte der Zwi-schenstationen und die Funktionen dieser Stationen, sind mit mehr oder minderhohem Aufwand veränderbar und daher Gestaltungsparameter der Netzstruktur.

20.1.1 Empfängerstruktur

Empfangsstellen, Kunden oder Senken der Waren- und Frachtströme können inner-betriebliche Leistungsstellen, Filialen eines Handelsunternehmens, Werke von In-

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20.1 Strukturbedingungen 939

dustriebetrieben, Kunden eines Herstellers, Lager und Logistikzentren oder die End-verbraucher in einer Region sein. Kennzahlen der Kunden- oder Empfängerstruktursind:

• Anzahl NE der Empfangsstellen• Standorte (x j;y j) der Empfangsstellen E j , j = 1, 2, . . . , NE.

Die Kunden werden von den Lieferanten häufig nach vertrieblichen oder historischgewachsenen Gesichtspunkten zu Kundengruppen zusammengefasst. Eine vorhan-dene Kundenklassifizierung sollte jedoch für die Organisation der Belieferung nichtbindend sein. Im Gegenteil:

� Erst nach Loslösung von der vertrieblichen Kundenklassifizierung lassen sich invielen Fällen die Lieferketten und die Distributionsstrukturen wirkungsvoll opti-mieren.

Außer der kommerziellen Einkaufstätigkeit, die im Wesentlichen vor dem Waren-abruf stattfindet, wird in den Empfangsstellen für die laufende Beschaffung der be-nötigten Waren eine Reihe von administrativen und operativen Logistikleistungenerbracht.

Administrative Logistikleistungender Empfangsstelle zurAuslösung undKontrol-le der Lieferungen sind:

Disposition von Nachschub und BeständenAbruf der benötigten Mengen bei den LieferstellenErteilen von Speditionsaufträgen bei Beschaffung ab WerkVerfolgung der Liefertermine und der Lieferqualität.

(20.1)

Operative Logistikleistungen nach Eintreffen der Ware in der Empfangsstelle sind:

Entladen, Auspacken und EingangskontrolleEinlagern und Bevorraten der WareBereitstellen und Puffern am Bedarfs- oder VerbrauchsortSammeln und Bereitstellen von geleerten Ladungsträgern.

(20.2)

So ist beispielsweise der Verbrauchsort in einer Automobilfabrik das Montageband.Die Bedarfsorte in einer Handelsfiliale sind die Verkaufstheken und die Selbstbedie-nungsregale.

Die Logistikleistungen (20.1) und (20.2), die in den Empfangsstellen erbrachtwerden, sind mit Kosten verbunden, die von den Parametern der Lieferketten, wieder Lieferfrequenz und der Belieferungsform abhängen. Die Logistikkosten der Emp-fangsstelle sind Bestandteil der Belieferungskosten.

20.1.2 Lieferantenstruktur

Lieferstellen oder Quellen der Güter, mit denen ein Abnehmerkreis versorgt wird,können Produktionsstätten oder Fertigwarenlager von Industriebetrieben sein, Lo-gistikzentren von Handelsunternehmen, Importlager, Anlieferstationen, wie Bahn-stationen, Seehäfen oder Flughäfen, aber auch Betriebsstätten und Leistungsstelleninnerhalb eines Unternehmens. Kennzahlen der Lieferantenstruktur sind:

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940 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

• Anzahl NL der Lieferstellen• Standorte (xi ;yi) der Lieferstellen Li , i = 1, 2, . . . , NL.

Die Lieferanten werden von den Kunden häufig nach Einkaufsgesichtspunkten oderanderenKriterien in Lieferantenklassen eingeteilt.Wie für dieKundenklassifizierunggilt der Grundsatz:

� Erst nach Auflösung der Lieferantenklassifizierung des Einkaufs lassen sich dieLieferketten und Beschaffungsstrukturen optimieren.

So befinden sich Verkauf und Auftragsannahme eines Lieferanten häufig an einerStelle, auch wenn der Lieferant mehrere Auslieferstellen hat. Für die Logistik sindjedoch primär die Auslieferstandorte des Lieferanten und deren Funktionen von In-teresse.

Außer der Vertriebstätigkeit, die vor der Auftragsannahme stattfindet, werdenauch in den Lieferstellen Logistikleistungen erbracht. Administrative Logistikleistun-gen der Lieferstelle zur Auslösung und Kontrolle der Lieferungen sind:

Annahme und Prüfung der BestellungenAuftragsdispositionDisposition der FertigwarenbeständeErteilung von FertigungsaufträgenErzeugung von KommissionieraufträgenErteilen von Speditionsaufträgen bei Lieferung frei HausVerfolgung der Liefertermine und der Lieferqualität.

(20.3)

Operative Logistikleistungen bis zum Verladen der Ware in der Lieferstelle sind:

Bevorraten der LagerwareAnsammeln kundenspezifischer WareAuslagern und BereitstellenAbfüllen, Konfektionieren und KommissionierenVerpacken und LadeeinheitenbildungVersandbereitstellung und Ausgangskontrolle.

(20.4)

Zusätzliche Aufgaben der Lieferstelle können das Verladen der Sendungen in dieTransportmittel und die Ladungssicherung sein.

Die interne Auftragsdurchlaufzeit der Lieferstelle trägt maßgebend zur Lieferzeitbei. Bei lagerhaltiger Ware ist die Auftragsdurchlaufzeit die Summe der adminis-trativen und der operativen Auftragsbearbeitungszeit. Bei Waren und Produkten, dienach Auftrag kundenspezifisch gefertigt oder beschafftwerden, erhöht sich die inter-ne Auftragsdurchlaufzeit um die Fertigungsdurchlaufzeit bzw. um die Beschaffungs-zeit.

Auch die Logistikleistungen der Lieferstellen sind mit Kosten verbunden, dievon den Parametern der Lieferketten, wie der Belieferungsform und den eingesetztenTransportmitteln abhängen. Diese Kosten der Lieferstelle sind ebenfalls Bestandteilder Belieferungskosten.

Bei produzierenden Lieferstellen hängen Fertigungsdurchlaufzeit und Lagerkos-ten für Fertigwaren von der Produktionsstruktur ab, also davon, ob es sich um eine

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20.1 Strukturbedingungen 941

kontinuierliche oder diskontinuierliche Produktion oder umMassen- oder Einzelferti-gung handelt.Weitere Einflussfaktoren auf die Fertigwarenbestände und die Produk-tionsdurchlaufzeit sind die Produktionskapazität, die Rüstkosten und die minimaleLosgröße (s. Kap. 10).

20.1.3 Zwischenstationen

In den Nz Zwischenstationen ZSk, k = 1, 2, . . . , Nz, die von den Waren und Sendun-gen zwischen einer Lieferstelle und einer Empfangsstelle durchlaufen werden, wirddas angelieferte Frachtgut abgeladen, umgeladen, bei Bedarf zwischengepuffert, ge-lagert oder verändert und wieder verladen [60, 119].

In den Zwischenstationen finden also Umschlagprozesse, Lagerprozesse und Um-wandlungsprozesse statt. Mit Transitgütern oder Durchlaufware können, wie inAbb. 20.1 dargestellt, in einer Umschlagstation folgende Umschlagprozesse stattfin-den:

• Umschlag ohne Ladungsträgerwechsel (einstufiges Crossdocking): Die Waren undSendungen, die ohne Ladungsträger oder auf zielrein gefüllten Ladungsträgern inzielgemischt beladenen Transporteinheiten ankommen, werden innerhalb kurz-er Zeit – in der Regel in weniger als 24 Stunden – nach Bestimmungsorten oder

Abb. 20.1 Crossdocking und Transshipment von Palettenware

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942 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Touren auf dieWarenausgangspuffer verteilt oder direkt in bereitstehende Trans-porteinheiten verladen. Es findet ein Wechsel des Transportmittels, aber keineVeränderung in der Zusammensetzung der Ladeeinheiten statt.

• Umschlag mit Ladungsträgerwechsel (Transshipment oder zweistufiges Crossdock-ing): Die in zielgemischt gefüllten Ladungsträgern ankommenden Waren undSendungen werden innerhalb kurzer Zeit ohne Rest auf zielreine Ladungsträgerverteilt, umgepackt und verdichtet (Split to Zero). Die so entstehenden zielreingefüllten Ladungsträger werden nach Bestimmungsorten oder Touren auf dieWarenausgangspuffer verteilt oder direkt in bereitstehende Transporteinheitenverladen. Es findet einWechsel des Transportmittels und eine Änderung der Zu-sammensetzung der Ladeeinheiten statt.

In derHandelslogistikwirdmitCrossdocking derUmschlag artikelreiner Paletten undvorkommissionierter Sendungen und mit Transshipment der Umschlag nicht vor-kommissionierter Ware bezeichnet [19, 120].

Ein Beispiel für eine Umschlagstation, die ganz ohne Ladungsträger arbeitet, istdie inAbb. 20.2 gezeigteUmschlaganlage einesPaketdienstleisters, in der zielgemischtangelieferte Pakete über Teleskopbänder entladen, von Hochleistungssortern direktauf die Ausgangstore verteilt und dort in die bereitstehenden Transportfahrzeugeverladen werden.

Abb. 20.2 Umschlagstation eines Paketdienstleisters

Abbildung einer Sorteranlage der Firma Vander Lande

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20.1 Strukturbedingungen 943

Abb. 20.3 Umschlagstation einer Handelskette

Prinzipdarstellung ZLU [156]

Ein anderes Beispiel für eine Logistikstation mit gemischter Funktion ist die inAbb. 20.3 dargestellte Umschlagstation einer Filialhandelskette. Hier werden filialrei-ne Paletten entladen, kontrolliert und auf die Pufferflächen für die Filialsendungenvor denWarenausgangstoren verteilt. Artikelreine Paletten und Sendungen mit Pake-ten für mehrere Filialen werden nach demVerfahren der inversen Kommissionierungauf einer gesonderten Fläche zu filialrein beladenen Paletten aufgebaut und verdich-tet, die anschließend ebenfalls auf die Pufferflächen im Warenausgang verteilt wer-den (s. Abb. 17.5).

In den kleineren Umschlagstationen der Speditionen – auch Transshipment-Punkte (TSP) genannt – führenGabelstapler und Schnellläufer den Transport der Pa-letten und das Verteilen auf die Ausgangstore oder Verladestellen durch. In großenUmschlagstationen, wie in den Luftfrachtzentren, werden zusätzlich Schleppzüge,Un-terflurschleppkettenförderer oder fahrerlose Transportsysteme (FTS) eingesetzt. Paket-dienstleister arbeiten zunehmend mit vollautomatischen Sorteranlagen. In Contai-nerterminalswirdmit Kränen, Spezialstaplern, Van Carriern und in denmodernstenAnlagen auch mit FTS-Systemen gearbeitet.

Durch die Umschlagzeiten in den Stationen einer Lieferkette verlängert sich dieLieferzeit imVergleich zumDirekttransport. DieminimaleUmschlagzeit ist die Sum-me der Transport- und Handlingzeiten zwischen dem Entladen und dem Verladenin einer Logistikstation. Die effektive Umschlagzeit ist gleich der Summe derminima-len Umschlagzeit und derWartezeit bis zur Abfahrt des nächsten Transports oder biszum Eintreffen der letzten Sendung, die für eine ausgehende Ladung bestimmt ist.

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DieAbhängigkeit vondenLieferzeiten vorangehender Stellen und dasWarten aufdie Anlieferung sind vermeidbar, wenn die benötigtenWaren in einer Zwischenstati-on bevorratet werden. Durch bestandsführende Zwischenstationen lassen sich also dieLieferzeiten verkürzen. Die Lieferzeit wird umso kürzer, je näher ein Bestand am Be-darfsort lagert. Der Preis für die dadurch erreichte Lieferzeitverkürzung sind die La-gerhaltungskosten und die Gefahr von Fehlallokationen. Je näher Bestände, die nichtnur für einen bestimmten Kundenkreis oder nur eine Region bestimmt sind, am Be-darfsort gelagert werden, umso höher sind die Kosten und Risiken (s. Abschn. 11.3).

Die Auftragsdurchlaufzeit für lagerhaltige Ware ist die Summe der administrati-ven und der operativen Auftragsbearbeitungszeit in der betreffenden Station. Sie istbei richtiger Bestands- und Nachschubdisposition unabhängig von der Nachschub-zeit der Lagerware.

In den bestandsführenden Zwischenstationen können folgende Lagerprozessestattfinden:

• Lagern ohne Kommissionierung: Die artikelrein oder sendungsrein angeliefertenLadeeinheiten werden eingelagert, gelagert, nach einer bestimmten Lagerdauerunverändert ausgelagert und ohne Ladungsträgerwechsel zum Versand gebracht.

• Lagern mit Kommissionierung: Die artikelrein oder sendungsgemischt angelie-ferten Ladeeinheiten werden eingelagert und gelagert, nach dem Lagern jedochzerlegt und zu sendungsreinen Versandeinheiten kommissioniert, wobei ein La-dungsträgerwechsel stattfindet.

Beim Lagern mit Kommissionieren entstehen aus artikelreinen oder sendungsge-mischten Ladeeinheiten artikelgemischte Versandeinheiten und sendungsreine La-deeinheiten. Verfahren, Technik, Dimensionierung und Beispiele sind für Lagersys-teme in Kap. 16 und für Kommissioniersysteme in Kap. 17 dargestellt.

Die Umwandlungsprozesse, die in einer Zwischenstation stattfinden können, las-sen sich nach demGrad der Veränderung derWaren, Güter und Stoffe unterscheidenin:

• Abfüllen und Abpacken: Lose Ware wird in Fässer, Säcke, Tüten oder andere Ge-binde abgefüllt und abgepackt. Aus loser Ware wird abgepackte Ware.

• Zuschneiden und Ablängen: FlächigeWare, wie Bleche, Platten oder Stoffbahnen,wird auf gewünschte Maße zugeschnitten; Langgut, wie Stangenmaterial, Kabeloder Bandmaterial, wird auf Länge abgeschnitten.

• Umpacken und Konfektionieren: Mehrere Artikel- oder Verpackungseinheitenwerden unter Verwendung von Träger- und Packmaterial zuDisplays, Trays oderkundenspezifischen Verkaufseinheiten zusammengestellt, aufgebaut und neu ver-packt. Aus abgepackter Ware wird anders verpackte Ware.

• Aufbau und Montage: Angelieferte Teile oder Baugruppen werden zu einbauba-ren Modulen, fertigen Produkten oder ganzen Anlagen zusammengesetzt, mon-tiert und aufgebaut. Die verwendeten Teile bleiben dabei im Wesentlichen un-verändert.

• Erzeugung und Herstellung: Aus Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen werden in ei-nem verfahrenstechnischen Prozess andere Stoffe erzeugt oder Produkte herge-

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20.1 Strukturbedingungen 945

stellt. Die einlaufenden Waren werden dabei chemisch und/oder physikalischverändert und verformt.

In den reinen Logistikstationen, auf die sich die weitere Betrachtung beschränkt, fin-den keineMontage- und Produktionsprozesse statt. Die spezifischen Logistikleistun-gen in diesen Stationen sind:

Entladen, Umladen, VerladenEin- und AusgangskontrolleAufbau und Abbau von LadeeinheitenEin- und AuslagernPuffern und LagernAbfüllen und AbpackenKonfektionieren und UmpackenSortieren und Kommissionieren.

(20.5)

In den internen Logistikketten sind die Zwischenstationen Puffer und Lager für Roh-,Hilfs- und Betriebsstoffe, für Halbfertigfabrikate und Fertigwaren sowie die Produk-tions- und Leistungsstellen des Betriebs (s. z. B. Abb. 1.12). Der Aufbau, die Gestal-tung und die Optimierung der internen Logistikketten sind Aufgabe der Werkspla-nung und derMaterialflussplanung [22, 57, 66].

In den Logistikstationen einer externen Lieferkette werden in der Regel mehrereLogistikleistungen parallel durchgeführt. So wird in Regionalzentren neben der do-minierendenUmschlagtätigkeit auchWare zwischengelagert und kommissioniert. InRegionallagernwird neben der Lager- und Kommissioniertätigkeit auch Transitwareumgeschlagen. In den Logistikzentren sind außer dem Lagern und Kommissionierenvon Lagerware und dem Umschlag von Transitware weitere Funktionen gebündelt,wie Konfektionieren, Umpacken, Retourenbearbeitung oder Abfüllen loser Ware. Inden Transitterminals, die in Seehäfen, Flughäfen und an den Landesgrenzen zu fin-den sind, werden außer demUmladen auch Packarbeiten, Verzollungen undWaren-kontrollen durchgeführt. Allgemein gilt:

� In einer Logistikstation stehen für die gleichen Waren oder Sendungen zwischenEingang und Ausgang in der Regel mehrere interne Logistikketten zur Auswahl,die sich in den Durchlaufzeiten und Leistungskosten unterscheiden.

Die Auswahl der Logistikketten in den Zwischenstationen, die für die verschiede-nen Waren und Sendungen jeweils am besten geeignet sind, ist daher eine weitereHandlungsmöglichkeit zur Optimierung der Lieferketten.

Von den Leistungen, die an den durchlaufendenWaren und Sendungen erbrachtwerden, hängen die Betriebskosten der Zwischenstationen ab. Die daraus resultie-renden Leistungskosten, wie die Umschlagkosten, die Lagerkosten und die Kommis-sionierkosten, tragen wesentlich zu den Belieferungskosten bei.

20.1.4 Transportverbindungen

Für die Beförderung derGüter und Sendungen zwischenden Stationender Lieferket-te stehen im Prinzip folgendeVerkehrsträger zur Auswahl, von denen im praktischen

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946 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Einzelfall jedoch meist nur ein, zwei oder drei in Frage kommen:

StraßeSchieneBinnenwasserwegSeewegLuftraum.

(20.6)

Für Gase und Flüssigkeiten – unter bestimmten Voraussetzungen auch für Feststoffeund Stückgut – besteht darüber hinaus die Möglichkeit des Rohrleitungstransports,der jedoch nur bei kontinuierlichem Bedarf über viele Jahre wirtschaftlich ist. FürSchüttgut und Stückgut ist auch der Transport durch Stetigförderanlagen und mitSeil- oder Hängebahnenmöglich (s. Kap. 18).

Über Umschlag- und Umladestationen lassen sich die verschiedenen Verkehrs-träger miteinander zu intermodalen Transportketten verbinden, wie sie in Abb. 20.4gezeigt sind [60, 119]. Auf den einzelnen Verkehrsträgern können unterschiedlicheTransportmittel eingesetzt werden (s. Abb. 18.19):

• Straßentransport: Kleinlaster, Lieferfahrzeuge, Sattelaufliegerzüge, Gliederzügemit Wechselbrücken, Silofahrzeuge und Tanklastzüge.

• Schienentransport: Waggons, Silowagen und Kesselwagen, die zu Waggongrup-pen, Halbzügen und Ganzzügen verkoppelt werden.

• Wassertransport: Schuten, Barken, Binnenschiffe, Frachtschiffe, Containerschif-fe, Feederschiffe und Tankschiffe.

• Lufttransport: Kleinflugzeuge,Großflugzeuge, Passagierflugzeuge, Frachtflugzeu-ge und Frachtzeppeline.

Zwischen den Stationen können die Transportmittel auf unterschiedlichen Trans-portwegen, Touren oder Fahrtrouten verkehren [60].

Jedes Transportmittel hat eine bestimmte Transportkapazität CTE [ME/TE,VPE/TE, LE/TE], die von den Laderaumabmessungen und der zulässigen Nutzlastabhängt. Sie wird für lose Waren in Volumen- und Gewichtseinheiten [m3 oder t] ge-messen, für abgepackte Waren ohne Ladungsträger in Verpackungseinheiten [VPE]und für Ladungen mit Ladungsträger in Ladeeinheiten [LE]. Die Nutzlast, der Lade-raum und die Kapazität einiger Transportmittel für den Straßen-, den Schienen- undden Seeverkehr sind in Tab. 18.3 angegeben.

DieTab. 18.4 enthält außerdem die Leistungs- und Kostenkennwerte dieser Trans-portmittel. Die Leistungspreise für den Transport sind nutzungsgemäß aufgeteilt ineinen Grundpreis [€/Einsatzfahrt], einen Stopppreis [€/Zwischenstopp] und einenFahrwegpreis [€/km].

Transportmittel mit großer Kapazität, wie Sattelauflieger und Wechselbrückenauf der Straße, Ganzzüge auf der Schiene und große Containerschiffe auf dem Was-ser, haben bei guter Auslastung sehr günstige Fahrwegkosten pro Ladeeinheit aberrelativ hohe Grund- und Stoppkosten. Große Transportmittel sind daher für denTransport großer Mengen über weite Entfernungen bei wenigen Stopps besondersgeeignet.

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20.1 Strukturbedingungen 947

Abb. 20.4 Intermodale Transportketten oder Frachtketten

Quelle: Studiengesellschaft für den kombinierten Verkehr e.V. [60]

Transportmittel mit geringer Kapazität, wie die kleineren Transporter auf derStraße, der Cargosprinter der Bahn und die Feederschiffe für Container, haben meistdeutlich günstigere Grund- und Stoppreise, dafür aber pro Ladeeinheit relativ hoheFahrwegkosten. Kleinere Transportmittel sind daher vorteilhafter für den Transportgeringer Mengen über kürzere Entfernungen bei vielen Stopps einsetzbar.

Die Stationen einer Lieferkette sind miteinander durch ungebrochene Transporteohne Umladen sowie durch indirekte oder kombinierte Transportemit Umladen ver-bunden [60, 119]. Die kombinierten Transporte lassen sich einteilen in gebrocheneTransporte und intermodale Transporte (s. Abb. 20.4):

• Bei einem gebrochenen Transport wird ohne Änderung des Verkehrsträgers ein-oder mehrmals das Transportmittel gewechselt.

• Bei einem intermodalen Transport werden Transportmittel und Verkehrsträgergewechselt.

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948 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Kombinierte Transportketten oder Frachtketten setzen sich aus umschlagfreien Trans-portverbindungen und Umladestationen zusammen. Die umschlagfreien Transportewerden als Ladungstransporte bezeichnet und inGanzladungs- und Teilladungstrans-porte unterteilt:

• Ein Ganzladungstransport ist der umschlagfreie Transport einer größeren Sen-dung in einem Transportmittel von einer Versandstation direkt zu einer Emp-fangsstation ohne Zwischenstopp.

• Ein Teilladungstransport ist der umschlagfreie Transportmehrerer kleinerer Sen-dungen in einem Transportmittel mit Zwischenstopps zum Ab- oder Beladen aufdemWeg von der ersten Versandstation zur letzten Empfangsstation.

Die Ladungstransporte können von Lieferfahrzeugen, Sattelaufliegern, in Wechsel-brücken oder ISO-Containern, aber auch inWaggons, Teil- undGanzzügen oder vonSchiffen auf den in Abb. 20.5 dargestellten Transportfahrten durchgeführt werden:

• ImAbholtransport werden in einerAbholfahrt dieWaren oder Sendungen von ei-ner Lieferstelle abgeholt und zu einer Empfangsstelle oder einemUmschlagpunktgebracht.

• Im Sammeltransport werden Waren oder Sendungen in einer Sammelfahrt vonmehreren Lieferstellen abgeholt und zu einer Empfangsstelle oder einem Sam-melumschlagpunkt (SP) gebracht (milk run).

• Im Zustelltransport werden die Waren oder Sendungen einer Lieferstelle in einerZustellfahrt zu einer Empfangsstelle gebracht.

• Im Verteiltransport werden die Waren oder Sendungen von einem Verteilum-schlagpunkt (VP) oder einer Lieferstelle abgeholt und in einer Verteilfahrt zumehreren Empfangsstellen befördert

• Ein kombinierter Verteil- und Sammeltransport holt Waren und Sendungen voneinem Umschlagpunkt (UP) ab, bringt sie auf einer Verteil- und Sammelfahrt zuden Empfangsstellen, holt auf derselben Rundfahrt von Lieferstellen Waren oderSendungen ab und befördert sie zum Ausgangspunkt der Fahrt.

DieBeförderungszeit einer Sendung ist gleich derWartezeit bis zur Abfahrt des Trans-portmittels, der Fahrzeit für den Weg von der Beladestation über eventuelle Zwi-schenstopps bis zur Entladestation und der Summe der Stoppzeiten einschließlichder Beladezeit an der Ausgangsstation und der Entladezeit in der Endstation.

DieWartezeit auf das nächste Transportmittel wird von der Transportbetriebsartbestimmt. Transportbetriebsarten sind Organisationsformen für Transportfahrten:

• Regeltransporte, Touren oder Linienfahrten finden regelmäßigmit einer festen Fre-quenz oder nach Fahrplan zu festen Zeiten auf vorausgeplanten Fahrtrouten statt.

• Bedarfstransporte, Trampfahrten oder Spontanfahrten werden bedarfsabhängigauf unterschiedlichen Fahrtrouten durchgeführt, wenn eine ausreichend großeLadungsmenge oder eine besonders eilige Sendung zum Transport ansteht.

Die Transportfrequenz fTE [TE/PE] der Regeltransporte muss mindestens so großsein wie die benötigte Lieferfrequenz fLF [1/PE]. Wenn das Ladungsaufkommen λLE

Page 13: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.1 Strukturbedingungen 949

Abb. 20.5 Mögliche Transportfahrten im Ladungsverkehr

Li : LieferstellenE j : EmpfangsstellenSP: SammelumschlagpunktVP: VerteilumschlagpunktUP: Umschlagpunkt mit kombinierter Funktion

[LE/PE] größer ist als die Grenzleistung μLE = fTE ⋅ CTE [LE/PE], die mit Transport-mitteln der Kapazität CTE [LE/TE] bei einer Frequenz fTE erreichbar ist, muss dieTransportfrequenz erhöht werden.

Wegen der Abhängigkeit der Transportfrequenz vom Ladungsaufkommen wer-den in der Praxis die Regeltransporte mit Bedarfstransporten kombiniert, die beierhöhtem Ladungsaufkommen zwischen den Regeltransportzeiten abfahren.

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950 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

DieEinsatzzeit einer Transporteinheit für eineTransportfahrtwird bestimmt vonder Reisegeschwindigkeit vTE des Transportmittels, der Länge Ltour der Tour, der An-zahl der Stopps n und der durchschnittlichen Stoppzeit tstop:

TTE ein = Ltour/vTE + n ⋅ tstopp [PE] . (20.7)

Die Stoppzeit, die für einen Halt benötigt wird, setzt sich zusammen aus der Brems-und Beschleunigungszeit, derWartezeit auf Abfertigung und der Be- und Entladezeitzur Aufnahme oder Abgabe der Ladung.

Die Anzahl Transporteinheiten, die bei einer Transportfrequenz fTE auf einerFahrtroute mit der Einsatzzeit (20.7) im Einsatz sind, ist:

NTE ein = fTE ⋅ TTE ein [TE] . (20.8)

So ergibt sich beispielsweise, dass für die Versorgung einer Automobilfabrik übereine Entfernung von 3.400 km mit CKD-Teilen im Rundlauf permanent 11 Eisen-bahnzüge im Einsatz sind, wenn alle 3 Tage ein Ganzzug benötigt wird, der mit einerReisegeschwindigkeit von 250 km/Tag fährt, eine Be- und Entladezeit von je 1 Taghat und an einer Grenze einen Tag für den Spurwechsel aufgehalten wird.

Die Transportkosten haben in der Regel den größten Anteil an den Belieferungs-kosten. Aus der Beziehung (20.7) für die Einsatzzeit und der Beziehung (20.8) für dieAnzahl der eingesetzten Transportmittel folgt, dass die Kosten für den Ladungstrans-port vom Ladungsaufkommen, von der Belieferungsfrequenz, der mittleren Fahrweg-länge, der Reisegeschwindigkeit, der Anzahl Stopps und von der mittleren Stoppzeitabhängen (s. Abschn. 18.8).

20.2 Lieferanforderungen

Maßgebend für das Netzwerkmanagement sind das Serviceangebot der Lieferantensowie die Serviceerwartungen und Leistungsanforderungen der Kunden. Die Leis-tungsanforderungen lassen sich einteilen in primäre Leistungsanforderungen, wie dieSortimentsanforderungen und die Sendungsanforderungen, und in die hieraus ableit-baren sekundären Leistungsanforderungen, wie die Durchsatzanforderungen und dieBestandsanforderungen.

20.2.1 Sortimentsanforderungen

Das in den Produktions- und Lieferstellen gefertigte oder bereitgehaltene Sortimentist Gegenstand der Programmplanung und der Lagerhaltungspolitik. Die Festlegungdes Warensortiments in den Empfangsstellen ist Aufgabe der Sortimentsplanung derKunden. Nach dem Kräftespiel von Angebot und Nachfrage leitet sich aus der Pro-grammplanung der Lieferanten und den Sortimentsanforderungen der Kunden dasaktuelle Liefersortiment ab.

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20.2 Lieferanforderungen 951

Aus dem Liefersortiment resultieren die Sortimentsanforderungen:

• Artikelanzahl NA des aktuell lieferbaren Sortiments• Beschaffenheit der Artikel: lose Ware oder verpackte Ware, Form, Sperrigkeit,

Haltbarkeit und Wertigkeit; Gefahrenklasse; Brandklasse; Food und Nonfood;Kühlware und Tiefkühlware

• Mengeneinheiten [ME = t, m3, m2 oder m] der losen Ware• Verpackungseinheiten [VPE = Gebinde, Packstück oder Palette] der verpackten

Ware mit Abmessungen lVPE, bVPE, hVPE [mm], Volumen vVPE [l/VPE] und Ge-wicht gVPE [kg/VPE].

Für die Auswahl und Gestaltung der Lieferketten ist es erforderlich, das Liefersorti-ment zu segmentieren in Sortimentsklassen, die lager- und transporttechnisch mit-einander verträglich sind. So sind beispielsweise Zusammenlagerverbote oder Zu-sammentransportverbote Restriktionen für die Optimierung der Lieferketten.

Für spezielle Waren und Güter sind sogar gesonderte Lieferketten erforderlich,wie Kühlketten für Frischwaren und Tiefkühlprodukte oder Sicherheitsketten fürWertsendungen oder Gefahrgut.

In den einzelnen Abschnitten der Lieferketten können die Waren und Artikel inunterschiedlichen Logistikeinheiten befördert werden (s.Kap. 12). Die verschiedenenVerpackungsstufen mit den möglichen Logistikeinheiten und Ladungsträgern sowiedie üblichen Bezeichnungen und die hier verwendeten Abkürzungen sind in Tab. 12.1zusammengestellt [58, 59].

Die Logistikeinheit einer unteren Verpackungsstufe kannmit der Logistikeinheitder nächst höheren Stufe identisch sein. Dann ist die Kapazität CLEn+1 der Logistik-einheit LEn+1 der Verpackungsstufe n + 1 gleich der Kapazität CLEn der Logistikein-heit LEn der Verpackungsstufe n: CLEn+1 = CLEn . Wenn sich die Logistikeinheiten inzwei aufeinander folgenden Abschnitten einer Lieferkette unterscheiden, ist in derZwischenstation ein Aufbauen (Build Up), ein Abbauen (Break Down) oder ein Um-packen (Repacking) der Logistikeinheiten erforderlich.

Die Verpackungseinheiten der verpackten Ware sind in der Regel fest vorgege-ben. Die Versandeinheiten, in denen die Verpackungseinheiten zum Versand kom-men, und die Ladeeinheiten, in denen die Versandeinheiten einer Sendung verladenund befördert werden, sind hingegen grundsätzlich frei wählbar und damit Gestal-tungsparameter der Lieferkette.

Für lose Ware sind die Ladungsträger, wie Kanister, Tankcontainer oder Trans-portsilos, und die Art und Kapazität der Transportmittel, wie Silofahrzeuge oderKesselwagen, in der Regel freie Gestaltungsparameter.

20.2.2 Serviceanforderungen

Die Serviceanforderungen resultieren aus der angebotenen Lieferfähigkeit, den zu-gesicherten Lieferzeiten und der angestrebten Logistikqualität.

Die von den Lieferstellen angebotene oder von den Kunden geforderte Lieferfä-higkeit betrifft die Breite des lieferbaren Warensortiments und bestimmt dieHöhe der

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952 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Bestände, die von den einzelnen Artikeln des Sortiments vorgehalten werden müs-sen.

Die Lieferzeitforderung besteht entweder aus einer zugesicherten Lieferzeit oderaus einem bestätigten Liefertermin. Die Lieferzeit TLZ einer bestandsführenden Lie-ferstelle ist gleich der Summe der internen Auftragsdurchlaufzeit TAuf vom Auftrags-eingang bis zur Warenbereitstellung an der Rampe der Lieferstelle und der externenSendungslaufzeit TSend vom Warenausgang der Lieferstelle bis zur Wareneingangs-rampe des Kunden:

TLZ = TAuf + TSend [h] . (20.9)

Wenn TSend min die minimale Sendungslaufzeit in der ausgewählten Lieferkette ist,muss der vollständige Sendungsinhalt spätestens zum Versandtermin

tVT = tLT − TSend min [d:h] (20.10)

imWarenausgang der Lieferstelle versandfertig bereitstehen, um einen vereinbartenLiefertermin tLT einzuhalten.

Die Lieferzeit ist eines der wichtigsten Auswahlkriterien für die Lieferketten. Dieverlässliche Einhaltung vereinbarter Liefertermine und Anlieferzeitfenster ist für dieKunden oft wichtiger als besonders kurze Lieferzeiten [140]. Die geforderten An-liefertermine stellen in der Regel für die Auswahl der Lieferkette eine größere Re-striktion dar als das Einhalten einer allgemeinen Lieferzeitzusage, wie ein 24- oder48-Stunden-Service.

Die Logistikqualität wird bestimmt von der Pünktlichkeit oder Termintreue, alsoder Einhaltung der zugesicherten Lieferzeiten oder Liefertermine, von der Lieferbe-reitschaft, das heißt der Erfüllung der vereinbarten Lieferfähigkeit, und von der Sen-dungsqualität. Die Sendungsqualität umfasst die Vollständigkeit, die UnversehrtheitunddieMängelfreiheit der ausgelieferten Sendungen. Termintreue, Lieferbereitschaftund Sendungsqualität sind wichtige Merkmale einer Lieferkette (s. Abschn. 3.4.4und 17.4).

20.2.3 Sendungsanforderungen

Eine Sendung ist eine bestimmte Menge vonWaren oder Gütern, die innerhalb einervorgegebenen Zeit an einen Zielort zu befördern ist.

EineMassengutsendung besteht aus einer größerenVersandmenge von Gas, Flüs-sigkeit oder Schüttgut. Eine Stückgutsendung umfasst eineAnzahl einzelnerVersand-einheiten, die auch als Packstücke, Frachtstücke oder Collis bezeichnet werden. ImPersonenverkehr ist die Sendung ein Beförderungsauftrag für eine Person oder Per-sonengruppe.

Versandeinheiten [VE] können die einzelnen Verpackungseinheiten der Artikeleines Sortiments sein oder Versandbehälter, wie Kartons, Pakete, Mehrwegbehälter,Klappboxen, Rollbehälter, Paletten oder Container, die mit der Versandmenge gefülltsind.

Eine Stückgutsendung kann den Inhalt eines oder mehrerer Lieferaufträge ent-halten, die Teilmengen eines größeren Auftrags umfassen oder mehrere Einzelsen-

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20.2 Lieferanforderungen 953

dungen enthalten, die in einer Sammelstation gebündelt und in einer nachfolgendenVerteilstation wieder aufgeteilt werden.

Kundensendungen sind für die Empfangsstellen am Ende der betrachteten Lie-ferketten bestimmt. Zwischensendungen sind Sammelsendungen, Teilsendungen oderNachschubsendungen an eine vorgeschaltete Zwischenstation.

Aus der Anzahl und dem Inhalt der Bestellungen der Empfangsstellen resultierendie Sendungsanforderungen:

• Sendungsart: Normal-, Termin- oder Eilsendungen; Gefahrgut- oder Wertsen-dungen; Kühl- oder Tiefkühlsendungen

• Lieferzeiten oder Beförderungszeiten [h]• Abfahrt-, Abhol- und Anliefertermine [Tag : Stunde]• Sendungsinhalt: Schüttgut, Stückgut, Wertgut, Gefahrgut, Kühlware• Sendungsgröße: Packstückanzahl mS [VPE/Snd], Sendungsvolumen VS [l/Snd]

und Sendungsgewicht GS [kg/Snd]• Sendungsstruktur: Aufträge oder Positionen pro Sendung nS [Pos/Snd]; Auftrags-

menge [ME/Auf] oder Versandeinheiten pro SendungspositionmVE [VE/Pos]• Sendungsaufkommen λS [Snd/PE]: Anzahl Sendungen, die pro Periode [Stunde,

Tag, Woche, Monat oder Jahr] von einer Versandstelle zu einer Empfangsstelle zubefördern sind.

Die Fracht- oder Packstücke einer Stückgutsendung lassen sich nach Gewicht, Vo-lumen, Abmessungen und weiteren Kriterien klassifizieren. Eine für viele Zweckegeeignete Packstückklassifizierung unterscheidet [58, 59]:

• Kleinpackstücke oder StandardpaketemitAbmessungen bis 600mmundGewich-ten unter 30 kg, wie Pakete, Behälter und Klappboxen

• Norm- oder Standardpaletten mit Grundmaßen bis 1.400mm, Höhe bis2.000mm und Gewichten bis 1.000 kg, wie CCG1- und CCG2-Paletten, EURO-,Chemie- und Industriepaletten, Gitterboxpaletten, Rollbehälter und Kleincontai-ner

• Großpackstücke mit Grundmaßen über 1.400mm, Höhen über 2.000mm undGewichten bis 2 t, wie Frachtkisten, Langgutkassetten und große Lastbehälter

• Schwergut mit Gewichten über 2 t und Sperriglastenmit Maßen über 2 m.

Homogene Sendungen bestehen aus Packstücken oder Versandeinheiten der gleichenArt und Größenklasse. Heterogene oder gemischte Sendungen enthalten Versandein-heiten unterschiedlicher Art und Größenklassen. Für den rationellen Transport undLadungsumschlag derartigerMischsendungen gelten folgende Versandregeln:

� Eine aus Paketen, Paletten und anderen Frachtstücken bestehendeMischsendungsollte, wennmöglich, durch den Einsatz gleicher Ladungsträger in eine homogeneSendung umgewandelt werden.

� Wenn eine Homogenisierung durch Ladungsträger nicht möglich ist und diekomplette Sendung nicht direkt zugestellt werden kann, wird eine Mischsendungfür die Zustellung über größere Entfernungen in homogene Teilsendungen auf-geteilt.

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954 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Aus der Anzahl Sendungspositionen und der mittleren Positionsmenge einer homo-genen Sendung resultiert die Sendungsgröße in Packstücken oder Versandeinheiten:

mS = nS ⋅mVE [VE/Snd] . (20.11)

Mit dem mittleren Packstückvolumen vVE [l/VE] ergibt sich das Sendungsvolumen

VS = nS ⋅mVE ⋅ vVE [l/Snd] (20.12)

und mit dem mittleren Packstückgewicht gVE [kg/VE] das Sendungsgewicht

GS = nS ⋅mVE ⋅ gVE [kg/Snd] . (20.13)

ZurRationalisierung des Be- undEntladens und des Ladungsumschlagswerden klei-nere Packstücke oder Versandeinheiten einer Sendung auf Ladungsträgern, wie Pa-letten, Gitterboxen, Rollbehälter und Container, zu größeren Ladeeinheiten [LE] zu-sammengefasst. Bei der Auswahl und Dimensionierung der Ladungsträger ist stetszu bedenken [119]:

� Einer Rationalisierung des Umschlags durch den Einsatz von Ladungsträgern ste-hen derMehraufwand für den Auf- und Abbau der Ladeeinheiten und der Verlus-traum der nur teilweise gefüllten Anbrucheinheiten gegenüber.

Auswahl, Gestaltung und Abmessungen der Ladeeinheiten sowie die Zuweisungskri-terien zu den unterschiedlichen Sendungsgrößen sind daher weitere Handlungspa-rameter zur Optimierung der Belieferungskosten (s. Kap. 12).

Werden die Versandeinheiten einer einzelnen homogenen Sendung auf Ladeein-heiten mit dem Fassungsvermögen CLE [VE/LE] verladen, dann ist die Anzahl derentstehenden Ladeeinheiten:

MS = {mS/CLE} [LE/Snd] . (20.14)

Hierin bedeuten die geschweiften Klammern ein Aufrunden auf die nächste ganzeZahl, dennpro Sendung entsteht bei sendungsreiner Beladung der Ladungsträger eineAnbrucheinheit, es sei denn, die Sendungsgröße ist genau ein ganzzahliges Vielfachesder Ladeeinheitenkapazität.

Zur Gestaltung und Optimierung der Lieferketten und Frachtnetze für ein an-haltendes Sendungsaufkommen ist es erforderlich, diemittlere Sendungsstruktur undderen Streuung zu kennen, das heißt den Mittelwert und die Varianz der AnzahlSendungspositionen und der Sendungsgröße. Wenn die Struktur der einzelnen Sen-dungen eines Sendungsaufkommens sehr unterschiedlich ist, müssen Sendungsklas-sen mit in sich ähnlicher Struktur gebildet und diese getrennt betrachtet werden,beispielsweise Kleinmengensendungen und Großmengensendungen oder Einstück-,Einpositions- undMehrpositionssendungen.

Aus der Beziehung (20.14) für die Anzahl Ladeeinheiten einer einzelnen Sen-dung folgt durch Mittelwertbildung über eine Vielzahl homogener Sendungen einerSendungsklasse (s. Abschn. 12.5.3):

• Wenn die Versandeinheiten auf sendungsrein gefüllten Ladungsträgern mit demFassungsvermögen CLE [VE/LE] verladen werden, ist die mittlere Anzahl Lade-einheiten pro Sendung, das heißt, die mittlere Sendungsgröße in Ladeeinheiten

Page 19: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.2 Lieferanforderungen 955

MS =MAX(1 ;mS/CLE + (CLE − 1)/2CLE) [LE/Snd] . (20.15)

Der Zusatzterm (CLE−1)/2CLE ist gleich demmittleren Anbruchverlust, der sich proAuftrag daraus ergibt, dass jeweils eine Ladeeinheit nicht vollständig gefüllt ist.Wenndie Ladeeinheiten gleich den Versandeinheiten sind, verschwindet der Anbruchver-lust, da CLE = 1 ist. Für sehr große Ladeeinheiten, das heißt für CLE ≫ 1, wie auchfür Massengutsendungen ist der mittlere Anbruchverlust gleich einer halben Lade-einheit.

Zur Reduzierung der Anbruchverluste und damit der Anzahl der zu befördern-den Ladeeinheiten bieten sich unter geeigneten Voraussetzungen folgende Befül-lungsstrategien an:

• Verdichtung sendungsreiner Anbrucheinheiten zu sendungsgemischten Ladeein-heiten

• Auffüllen oder Abrunden der Liefermenge auf den Inhalt ganzer Ladeeinheiten.

Wenn ein Auf- oder Abrunden zulässig ist, entfällt in Beziehung (20.15) der Term fürden Anbruchverlust. Bei einer Verdichtung der Ladeeinheiten von N Sendungen zugemischten Ladeeinheiten reduziert sich der Term für den Anbruchverlust um denFaktor 1/N (s. Abschn. 12.5).

Ein Beispiel für die Verdichtung von Anbrucheinheiten ist die Bildung von so-genannten Sandwichpaletten aus mehreren nur flach beladenen filialreinen Auftrags-paletten. So werden Sandwichpaletten zur Belieferung von Handelsfilialen überCrossdocking-Stationen gebildet.

20.2.4 Versandarten

Für die Auswahl und Zuweisung kostenoptimaler Frachtketten ist es zweckmäßig,die Sendungen abhängig von der Sendungsgröße nachVersandarten einzuteilen. Fürgrößere Sendungen sind folgende Versandartenmöglich:

• Ganzladungssendungen (GLS) sind Einzelsendungen, die ein Transportmittel soweit auslasten, dass Direkttransporte in gesonderten Transporteinheiten wirt-schaftlich sind. Für den Inhalt einer Ganzladungssendung gilt

fGS ⋅CTE <MS ≤ CTE mit fGS = 0,6 bis 0,9 . (20.16)

• Teilladungssendungen (TLS) sind Sendungen, die zusammen mit anderen Sen-dungen ein Transportmittel soweit füllen, dass ein gemeinsamer Direkttransportwirtschaftlich ist. Für den Inhalt einer Teilladungssendung gilt

fTS ⋅ CTE <MS < fGS ⋅ CTE mit fTS = 0,1 bis 0,2 . (20.17)

Durch Einsatz eines Transportmittels mit geringerer Kapazität CTE ist es möglich,aber nicht immer wirtschaftlich, aus einer Teilladungssendung eine Ganzladungs-sendung zu machen. Umgekehrt kann bei Einsatz eines größeren Transportmittelseine Ganzladungssendung zu einer Teilladungssendung werden. Die Kapazitäten derTransportmittel, die zwischen den Stationen eingesetzt werden, sind daher weitereGestaltungsparameter der Lieferketten.

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956 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Für kleinere Sendungen ist ein Direkttransport ohne Umschlag nur innerhalbeines Nahgebiets mit begrenzter Ausdehnung und über größere Entfernungen nurals Beiladung wirtschaftlich:

• Beiladungssendungen (BLS) sind kleinere Sendungen, die in denRestladeraumei-nes Ladungstransports passen und deren Bestimmungsort auf der gleichen Tourliegt.

Mit Beiladungen verbessert mancher Frachtführer und Spediteur seinen Gewinn.Beispiele für Beiladungen sind auch die Nutzung des Gepäckraums von Passagier-flugzeugen für die Luftfracht oder die Last-Minute-Reisenden.

Für kleinere Sendungen, die sich nicht als Beiladung direkt befördern lassen, istbei größeren Entfernungen ein indirekter Transport über einen oder mehrere Um-schlagpunkte erforderlich. Übliche Versandarten für kleinere Sendungen sind Stück-gutsendungen und Paketsendungen:

• Stückgutsendungen (SGS) bestehen aus einer kleineren Anzahl von Ladeeinheitenoder Großpackstücken. Für den Inhalt einer Stückgutsendung gilt:

CLE <MS < fTS ⋅ CTE mit fTS = 0,1 bis 0,2 . (20.18)

• Paketsendungen (PKS) bestehen aus einem oder wenigen Kleinpackstücken oderPaketen, deren Anzahl nach oben begrenzt wird durch das FassungsvermögenCLE einer Ladeeinheit

MS < fPS ⋅ CLE mit fPS = 0,1 bis 0,3 . (20.19)

Die Grenzen zwischen den Versandarten (20.16) bis (20.19) und die Größe desNahgebiets sind weitere Gestaltungsparameter, die zur Optimierung der Lieferket-ten nutzbar sind. Dabei gelten für den Straßentransport andere Optimalitätsgrenzenals für den Schienentransport, den Lufttransport und den Seetransport.

Im Straßenverkehr wird die untere Grenze für Ganzladungen von den Speditio-nen in der Regel mit 10 bis 15 t oder 20 bis 25 Palettenstellplätzen und für Teilladun-gen mit 2,5 t oder 5 Palettenstellplätzen pro Sendung angegeben. Die optimale Gren-ze zwischen Teilladungstransport und Stückgut liegt jedoch in vielen Fällen deutlichunter den üblichen 2,5 t pro Sendung. Die technische Obergrenze der Paketdiensteist 31,5 kg pro Packstück. Die wirtschaftliche Grenze liegt abhängig von Gewicht undVolumen zwischen 5 und 10 Paketen pro Sendung.

Die kostenoptimalen Grenzen zwischen den Sendungsarten und das optimaleNahgebiet, für das sie gelten, sind abhängig von der Größe der eingesetzten Ladeein-heiten, vom Transportmittel, vom Verkehrsträger sowie vom Sendungsaufkommen.Für das Sendungsaufkommen gilt der Kooperationsgrundsatz:

� Wenn das eigene Sendungsaufkommen des Unternehmens, das seine Lieferkettenoptimieren will, nicht ausreicht, um eine gute Auslastung der Transportmittel zuerreichen oder die Grenze zu einer kostengünstigeren Versandart zu überschrei-ten, kann das fremde Sendungsaufkommen anderer Unternehmen, die von dengleichen oder von benachbarten Lieferstellen beliefert werden und gleiche oderbenachbarte Empfangsstellen haben, in die Optimierung einbezogen werden.

Page 21: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.2 Lieferanforderungen 957

Das Bündeln des eigenen Sendungsaufkommens mit dem Sendungsaufkommen an-derer Unternehmen ist entweder durch eine Logistikkooperation oder durch den Ein-satz von Logistikdienstleistern möglich, deren Kerngeschäft das Bündeln des Logis-tikbedarfs mehrerer Unternehmen und Versender ist (s. Kap. 21). Auch die Logistik-dienstleister schließenAllianzen, umdas gemeinsame Frachtaufkommen zu bündelnund eine bessere Auslastung der Systeme zu erreichen.

20.2.5 Durchsatzanforderungen

Aus dem Sendungsaufkommen λS [Sdg/PE] und der Sendungsgröße ergeben sichder Volumendurchsatz

λV = VS ⋅ λS [l/PE] , (20.20)

der Tonnendurchsatz

λG = GS ⋅ λS/1000 [t/PE] (20.21)

und der Versandeinheitendurchsatz

λVE = mS ⋅ λS [VE/PE] . (20.22)

Aus der Beziehung (19.15) resultiert für ein Sendungsaufkommen λS [Snd/PE] dermittlere Durchsatz der Ladeeinheiten, die pro Periode zu versenden sind:

λLE = λS ⋅MAX (1 ;mS/CLE + (CLE − 1)/2CLE) [LE/PE] . (20.23)

Der Volumen-, Tonnen- oder Ladeeinheitendurchsatz für eine Transportrelation istgleich dem Ladungsaufkommen, das auf dieser Relation zu befördern ist. Aus Bezie-hung (20.23) sowie aus der nachfolgenden Beziehung (20.30) ist ablesbar:

� Infolge des Anbruchverlustes, der mit dem Fassungsvermögen und der Lieferfre-quenz ansteigt, sind der Ladeeinheitendurchsatz und der Transportmittelbedarfgrößer als der Durchsatz bei vollständiger Füllung.

Eine Kostensenkung, die durch den Einsatz größerer Lade- oder Transporteinheitenerreichbar ist, kann durch die erhöhten Anbruchverluste so weit aufgezehrt werden,dass es günstiger ist, mit kleineren Logistikeinheiten zu arbeiten. Es gibt daher fürjede Sendungsklasse eine optimale Größe der Ladeeinheiten und der Transporteinhei-ten.

Bei der Gestaltung undOptimierung vonBelieferungswegen undDistributionss-trukturen ist zu berücksichtigen, dass die Durchsatzwerte stochastischen Schwankun-gen sowie täglichen, wöchentlichen und saisonalenVeränderungen unterworfen sind.DieTransportkapazität der betreffendenTransportverbindungen unddieDurchsatz-fähigkeit der Zwischenstationen müssen daher flexibel ausgelegt sein.

Die Regelmäßigkeit und Gleichmäßigkeit des Sendungsaufkommens bestimmtauch die Transportbetriebsart. Plantransporte sind nur für ein regelmäßiges, anhal-tendes und hinreichend großes Sendungsaufkommen wirtschaftlich. Für unregel-mäßig oder sporadisch auftretende Sendungen wechselnden Inhalts müssen Bedarf-stransporte mit unterschiedlichen Transportmitteln durchgeführt werden.

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958 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Aus Sicht der Distribution sind die Lieferketten für die Durchsatzwerte λ j voneiner LieferstationL zuNE > 1 EmpfangsstationenE j zu gestalten und zu optimieren.Aus Sicht der Beschaffung werden die optimalen Lieferketten für die Durchsatzwerteλi von NL > 1 Lieferstationen Li zu einer Empfangsstation gesucht.

Werden auch die Rücklauftransporte und das Sendungsaufkommen anderer Un-ternehmen berücksichtigt, sind die Lieferketten für die NE ⋅ NL Durchsatzwerte λi jvon NL Lieferstationen Li zu NE Empfangsstationen E j zu betrachten. Dabei sind diegeforderten Lieferzeiten Ti j [h] zwischen den betrachteten Lieferstellen und Emp-fangsstellen einzuhalten, derenminimale Entfernungen Di j [km] sich aus den vorge-gebenen Standorten ergeben. Hierzu ist es notwendig, die Regionalstruktur der Be-lieferungsanforderungen zu analysieren, das heißt die Standortverteilung und das re-gionale Mengenaufkommen der betrachteten Quellen und Senken.

Abbildung 20.6 zeigt als Beispiel die Standortverteilung der Empfangsstellen ei-nes deutschen Einzelhandelskonzerns mit über 2.500 Filialen. In Abb. 20.7 ist dieVerteilung der Versandmengen aus zwei benachbarten Baustoffwerken nach zwei-stelligen Postleitzahlen dargestellt.

20.2.6 Bestandsanforderungen

Abhängig von den Beständen in einer Lieferkette lassen sich unterscheiden:

• Transportketten und Frachtketten ohne Warenbestände in den Stationen zwi-schen der Versandstelle und der Empfangsstelle

• Bevorratungs- oder Vorratsketten mit Warenbeständen in einer oder mehrerenZwischenstationen der Lieferkette.

Die Lagerbestände und die Präsenssortimente in den Zwischenstationen und in denEmpfangsstellen einer Bevorratungskette sind Optimierungsparameter, die sich zurErfüllung der Lieferzeitanforderungen und zur Kostenminimierung nutzen lassen.

Die Höhe der Bestände von Waren mit regelmäßigem Bedarf, kurz Dispositi-onsware oder Stapelware genannt, wird in allen Stationen der Lieferkette durch dieBestands- und Nachschubdisposition bestimmt. Sie ergibt sich aus der Höhe der Be-stellmengenderKunden, aus der Lieferzeit der jeweils vorangehendenLieferstelle unddem vorgehaltenen Sicherheitsbestand.

Bei Kenntnis der Leistungskosten der zuführenden Lieferkette sowie der Lager-haltungskosten der Lagerstelle lassen sich die optimalen Nachschubmengen für Dis-positionsware aus dem geplanten oder prognostizierten Absatz pro Periode errech-nen. Aus dermittleren Nachschubmenge resultiert die durchschnittlicheNachschub-frequenz. Der Sicherheitsbestand errechnet sich aus der geplanten Lieferfähigkeit,dem Absatz, den Lieferzeiten und der Termintreue für den Nachschub (s. Kap. 11).

Bei optimaler Nachschub- und Bestandsdisposition in allen Stufen der Lieferket-te, beginnend mit der letzten Empfangsstelle und endend bei der ersten Lieferstelle,ergeben sich selbstregelnd die sogenannten Pullbestände. Für die Pullbestände gilt:� Ein Pullbestand ist in einer Zwischenstation der Lieferkette nur erforderlich, wenn

die Lieferzeiten bei Direktbelieferung oder Transitbelieferung über die Zwischen-station zu lang sind.

Page 23: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.2 Lieferanforderungen 959

Abb. 20.6 Typische Standortverteilung der Empfangsstellen eines deutschenEinzelhandelskonzerns

Prinzipdarstellung ZLU [156]

Page 24: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

960 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Abb. 20.7 Regionalverteilung der Versandmengen und Gebietseinteilung für dasDistributionsnetz eines Baustoffherstellers

Dreiecke: Mengen ausWerk 1Quadrate: Mengen ausWerk 2Prinzipdarstellung ZLU [156]

Page 25: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.2 Lieferanforderungen 961

� DieHöhe der Pullbeständewird bestimmt von der geforderten Lieferfähigkeit, denLieferzeiten und den Belieferungskosten bis zur betreffenden Lagerstelle und istbei optimaler Disposition proportional zur Wurzel aus dem Periodenbedarf

MB VKE = FL ⋅√

λVKE [VKE] . (20.24)

Der Lagerdispositionsfaktor FL hängt ab von den Logistikkosten der Beschaffung undder Bestandshaltung, von der angestrebten Lieferfähigkeit sowie von weiteren Ein-flussfaktoren (s. Abschn. 11.10).

Zusätzlich zu den reinen Pullbeständen können durch Vorproduktion oder Vor-ratsbeschaffung für vorhersehbare Saisonspitzen, für geplante Verkaufsaktionen oderfür Produktneueinführungen sogenannte Pushbestände entstehen. Für die Pull- unddie Push-Bestände in den Lieferketten gilt der allgemeine Grundsatz:

� Bestände für mehrere Bedarfsstellen sind möglichst nahe der Erzeugungsstelle zulagern, da dort die Lagerkosten und das Risiko der Fehlallokation am geringstensind.

Pushbestände sollten daher erst dann in die Belieferungskanäle fließen, wenn sienach dem Pullprinzip aktuell benötigt werden oder wenn der geplante Verkaufszeit-punkt erreicht ist.

20.2.7 Hochrechnungs- und Änderungsfaktoren

Aufgrund der Marktentwicklung, infolge des technischen Fortschritts, durch ge-schäftspolitische Maßnahmen, wie Sortimentsänderung oder Umsatzausweitung,oder durch ein verändertesBestellverhalten können sich die Lieferanforderungen ver-ändern.

Für die langfristige Optimierung der Lieferketten und die Umgestaltung derBeschaffungs- und Distributionssysteme ist es daher erforderlich, die Auswirkun-gen der absehbaren marktseitigen Veränderungen und der geplanten geschäftspoli-tischen Veränderungen zu quantifizieren. Das ist mit Hilfe von Hochrechnungs- undÄnderungsfaktoren für dieMittelwerte der Lieferanforderungen möglich, die sich ausder Wahrscheinlichkeitstheorie, den voranstehenden Zusammenhängen zwischenden Leistungsgrößen und aus dem Wurzelsatz für die Lagerzentralisierung (s. Ab-schn. 11.10) ergeben:

• Wenn eine Umsatzänderung durch eine Absatzmengenänderung um den Um-satzfaktor fU mit der Auswirkungswahrscheinlichkeit p aus einer Änderung derAnzahl Sendungen resultiert, erhöht sich die Sendungsanzahl um den Faktor f pU.Die Menge pro Position verändert sich dann mit der Wahrscheinlichkeit 1 − pund die Positionsanzahl um den Faktor f 1−pU . Ohne Sortiments- und Bestellfre-quenzänderung bleibt diemittlereAnzahl PositionenproAuftrag bei einer reinenUmsatzänderung unverändert.

• Die Pullbestände verändern sich bei optimaler Nachschubdisposition um denFaktor

fU, wenn sich derUmsatz um den Faktor fU ändert. Reine Pushbeständeverändern sich hingegen proportional zum Umsatz um den Faktor fU.

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962 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

• Wenn eine Sortimentsänderung um den Sortimentsfaktor fS mit derWahrschein-lichkeit p aus einer Änderung der Anzahl Sendungen resultiert, erhöht sich dieSendungsanzahl um den Faktor f PS . Die Anzahl der Positionen pro Auftrag än-dert sich dann mit der Wahrscheinlichkeit 1 − p und die Positionsanzahl umden Faktor f 1−PS . Ohne Umsatz- und Bestellfrequenzänderung reduziert sich dieMenge pro Position um den Faktor 1/ fS.

• Wenn eine Änderung der Bestellfrequenz pro Artikel um den Frequenzfaktor fFmit derWahrscheinlichkeit p durch eine Änderung der Anzahl Sendungen wirk-sam wird, erhöht sich die Sendungsanzahl um den Faktor f pF . Die Anzahl der Po-sitionen pro Auftrag ändert sich dann mit der Wahrscheinlichkeit 1 − p und diePositionsanzahl um den Faktor f 1−pF . Ohne Umsatz- und Sortimentsänderungreduziert sich die Menge pro Position um den Faktor 1/ fF.

Wenn nichts anderes bekannt ist, kann für die Auswirkungswahrscheinlichkeit p =0,5 = 50% angesetzt werden.

� EineReduktionder Empfangsstellen, beispielsweise infolge derKonzentration desHandels, um einen Konzentrationsfaktor fK führt bei gleichbleibendem Umsatzund Sortiment im Jahresmittel zu einer Senkung der Sendungsanzahl um denFaktor 1/ fK und einem Anstieg der Sendungsgrößen um den Faktor fK.

� EineReduktionder Empfangsstellenwegen einer Belieferung derDispositionswa-re über Zentrallager um einen Zentralisierungsfaktor fZ führt bei gleichbleiben-dem Umsatz und Sortiment zu einer Senkung des Positionsdurchsatzes um denFaktor

fZ und zu einem Anstieg der mittleren Positionsmenge um den Faktor1/√

fZ.

Eine Reduzierung der Empfangsstellen beispielsweise um den Faktor 2 führt beigleichbleibendem Umsatz im Mittel zu einer Halbierung des Sendungsaufkommensund einer Verdoppelung der Liefermengen. Werden 9 Empfangsstellen in Zukunftüber ein Zentrallager beliefert, reduziert sich der betroffene Positionsdurchsatz imJahresmittel auf ein Drittel, während sich die Liefermengen pro Position im Mittelverdreifachen.

20.2.8 Elementare Handlingeinheiten und Ladeeinheiten

Maßgebend für Auslegung und Kosten eines Logistiknetzwerks sind die Handlin-geinheiten und die Ladeeinheiten (s. Kap. 12). Daraus folgt die Startregel:

� Zu Beginn jedes Projekts ist eine tabellarische Aufstellung der maximalen, mini-malen und mittleren Abmessungen und Gewichte der kleinsten Handlingeinhei-ten und der verwendeten Ladeeinheiten mit deren Kapazitäten zu erstellen.

20.3 Gestaltungsparameter der Lieferketten und Versorgungsnetze

Die Lieferketten LKi j zwischen den Lieferstellen Li und den Empfangsstellen E j einesVersorgungsnetzes werden durch folgende Gestaltungsparameter bestimmt:

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20.3 Gestaltungsparameter der Lieferketten und Versorgungsnetze 963

• Belieferungsformen [BF]: Liefermenge, Lieferfrequenz, Ladungsinhalt, Verpack-ungsart, Versandeinheit und Ladeeinheit, in denen die Güter befördert und ge-lagert werden.

• Strukturparameter [SP]: Anzahl NZ, Standorte, Zuordnung, Funktionen (20.5)und Bestände der Zwischenstationen, die von den Gütern von der Quelle bis zurSenke durchlaufen werden.

• Transportparameter [TP]: Verkehrsträger, Transportmittel, Transportarten, Fahr-wege und Betriebsart, die für den Transport zwischen den Stationen zum Einsatzkommen.

Mit den optimalen Werten der Gestaltungsparameter werden die Leistungsanforde-rungen und der gewünschte Lieferservice unter Berücksichtigung der technischenund organisatorischen Randbedingungen zu minimalen Kosten für alle Lieferkettenerfüllt.

20.3.1 Belieferungsformen

Die Logistikleistungen (20.1) und (20.2) in den Empfangsstellen und die Leistungen(20.3) und (20.4) in den Lieferstellen beeinflussen die Belieferungsform, die Beliefe-rungsfrequenz und die Versandmengen.

Die Verpackungsart und die Verpackungseinheiten sind in der Regel durch dieLiefer- oder Versandaufträge vorgegeben. Grundsätzlich sind zwei verschiedene Ver-packungsartenmöglich:

• LoseWarewird ohne Packmittel, abgefüllt in Tanks, Silos oder Transportbehälteroder lose in Rohrleitungen befördert.

• Verpackte Ware wird in Packmitteln, wie Säcke, Tüten, Fässer, Flaschen, Dosenund Kartons, zu Gebinden oder Verpackungseinheiten [VPE] abgefüllt, gelagertund befördert.

Wie vorangehend beschrieben, können die Gebinde für den Versand zu Versand-einheiten und für das Lagern, den Umschlag und den Transport mit Hilfe von La-dungsträgern, wie Paletten und Behälter, zu Ladeeinheiten zusammengefasst werden(s. Tab. 12.2). Hierfür gilt der Grundsatz:� Auswahl und Dimensionierung der Versandeinheiten und der Ladeeinheiten, in

denen die Waren und Sendungen in den Abschnitten der Lieferkette gebündeltwerden, sind wichtige Handlungsmöglichkeiten zurGestaltung undOptimierungder Lieferketten.

Um ein aufwendiges Umpacken zu vermeiden, gelten für die Ladeeinheiten die Ein-satzregeln:� In den Zwischenstationen und Transportabschnitten einer Lieferkette sollten so-

weit wie möglich durchgängig die gleichen Ladeeinheiten zum Einsatz kommen.

� Ein Wechsel der Ladeeinheiten sollte möglichst nicht mit einem Auspacken oderUmpacken verbunden sein, sondern sich auf die Bildung größerer Ladeeinhei-ten aus mehreren kleineren Ladeeinheiten beschränken, deren Inhalt dabei un-berührt bleibt.

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964 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

So ist es in der Regel sinnvoll, Paletten für den Ferntransport in ISO-Container oderWechselbrücken zu verladenund dieContainer über noch größere Entfernungenmitder Bahnoder auf Schiffen zu befördern.Wennder Frachtraum,wie in der Luftfracht,besonders knapp oder teuer ist, kann es jedoch kostengünstiger sein, zielgemischt ge-füllte einlaufende Ladeeinheiten vollständig abzubauen und durch geschicktes Stau-en für den Weitertransport zielreine Ladeeinheiten mit möglichst hohem Füllungs-grad aufzubauen (s. Abschn. 12.5).

20.3.2 Strukturparameter

Zusätzlich zur Kunden- und Lieferantenstruktur, die in der Regel vorgegeben ist,wird die Struktur eines Logistiksystems oder Versorgungsnetzes durch folgende Pa-rameter bestimmt:

• Anzahl NZ der logistischen Zwischenstationen• Standorte (xk ;yk) der Zwischenstationen ZSk, k = 1, 2, . . . , NZ• Funktionen (19.5) der Zwischenstationen

Aus Sicht eines Lieferanten ist die Belieferung einer größeren Anzahl von Empfangs-stellen aus einer oder wenigen Quellen zu optimieren. Die Belieferungsaufgabe istein One-to-Many- oder Few-to-Many-Problem, das darin besteht, die optimalen Lie-ferketten in einem bestehenden Distributionssystem auszuwählen und die Betriebs-kosten durch ein neues System zu minimieren.

Aus Sicht eines Unternehmens mit einer oder wenigen Empfangsstellen, die lau-fendWare ausmehreren Lieferstellen bekommen, reduziert sich die Belieferungsauf-gabe auf ein Many-to-One- oder Many-to-Few-Problem, das heißt, auf die Optimie-rung der Lieferketten in einem Beschaffungssystem.

DasMany-to-Many-Problem stellt sichHandelsunternehmenmitHunderten oderTausenden von Lieferanten und Filialen, und Speditionen, die täglich flächende-ckend Sendungen vieler Versender an viele Empfänger ausliefern. Hierzu sind diejeweils optimalen Beförderungsketten durch ein Speditionssystem auszuwählen, des-sen Struktur permanent dem sich ändernden Bedarf anzupassen ist.

DieAnzahl der Zwischenstationen, die vondenWaren in einer Lieferkette durch-laufen werden, bestimmt die Stufigkeit der Lieferkette:

• EineN-stufige Lieferkette besteht aus N Transportabschnitten oderKettengliedern,die durch N − 1 Zwischenstationen miteinander verbunden sind.

Eine einstufige Lieferkette ist eine Direktbelieferung, im Handel auch Streckenliefe-rung1 genannt, die von der Lieferstelle ohne Zwischenstation direkt zur Empfangs-stelle führt. Entsprechend den möglichen Versand- und Ladeeinheiten und den zurAuswahl stehenden Verkehrsträgern, Transportmitteln, Transportarten, Fahrwegen

1 Unter Streckenlieferung wird im Handel häufig die Belieferung frei Haus bis an die Rampe des Kun-den durch den Lieferanten oder seinen Spediteur verstanden, auch wenn die Lieferung über einenoder mehrere Umschlagpunkte läuft. Diese irreführende Pauschalbetrachtung verbirgt jedoch wichti-ge Handlungsmöglichkeiten zur Optimierung der Lieferketten.

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20.3 Gestaltungsparameter der Lieferketten und Versorgungsnetze 965

Abb. 20.8 ZweistufigeLieferketten

L: LieferstelleAL: AuslieferlagerSP: SammelumschlagpunktZU: ZentralumschlagpunktLZ: LogistikzentrumVP: VerteilumschlagpunktRL: RegionallagerVL: VorratslagerE: Empfangsstelle

und Transportbetriebsarten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher einstufiger Lie-ferketten.

In den zweistufigen Lieferketten laufen die Waren über eine Zwischenstation.Mögliche Logistikstationen sind:

Auslieferlager (AL) unmittelbarer beim Lieferanten

Sammelumschlagpunkte (SP) am Transportschwerpunkt eines Abholgebiets

Umschlagzentren (UZ) in der Nähe des Schwerpunkts des ServicegebietsZentrallager (ZL) in der Nähe des Schwerpunkts des gesamten Servicegebiets

Verteilumschlagpunkte (VP) am Transportschwerpunkt eines VerteilgebietsRegionallager (RL) in der Nähe des Schwerpunkts eines Verteilgebiets

Vorratslager (VL) unmittelbar beim Empfänger.

Mit diesen Logistikstationen ergeben sich die in Abb. 20.8 dargestellten zweistufigenund die in Abb. 20.9 gezeigten dreistufigen Lieferketten.

Der Unterschied zwischen einem regionalen und einem zentralen Umschlag-punkt wie auch zwischen einem Auslieferlager, einem Zentrallager, einem Regio-nallager und einem Vorratslager wird bestimmt von der Gebietseinteilung, von derAnzahl der Stationen und vom Standort zwischen den Versandorten und den Emp-fangsstellen. Mit zunehmender Entfernung vom Versandort und Annäherung an dieEmpfangsorte wird ein Sammelumschlagpunkt zumUmschlagzentrumund einUm-

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966 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Abb. 20.9 DreistufigeLieferketten

Bezeichnungen: s. Abb. 20.8

schlagzentrum zumVerteilumschlagpunkt: SP → UZ → SP. Ebenso wird ein Auslie-ferlager zum Zentrallager, ein Zentrallager zum Regionallager und ein Regionallagerzum Vorratslager: AL→ ZL→ RL→ VL.

Die oben aufgelisteten funktionsreinen Logistikstationen können auf verschie-dene Art miteinander kombiniert werden:

• Die Kombination eines Verteilpunktes und eines Sammelpunktes, die das gleicheEinzugsgebiet bedienen, ist ein regionaler Umschlagpunkt RU = VP + SP.

• Aus der Kombination eines Verteilumschlagpunktes mit einem Regionallagerwird ein Regionalzentrum RZ = VP + RL.

• Durch Kombination eines Umschlagzentrums mit einem Zentrallager entstehtein Logistikzentrum LZ = UZ + ZL.

Für eine Belieferung mit loser Ware sind zusätzlich zu den rein logistischen Zwi-schenstationen folgende Abfüllstationen möglich:

Lieferanten-Abfüllstation (LA)Zentrale Abfüllstationen (ZA)Regionale Abfüllstationen (RA)Kunden-Abfüllstation (KA).

(20.25)

Die Abfüllstationen können mit den Umschlagstationen und Lagerstationen auf un-terschiedliche Art kombiniert werden.

Dreistufige Lieferketten laufen über zwei Zwischenstationen, beispielsweise vonder Lieferstelle über ein Zentrallager und eine Verteilstation oder über eine Sam-

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20.3 Gestaltungsparameter der Lieferketten und Versorgungsnetze 967

melstation und ein Regionallager zumEmpfänger. Sechs dreistufige Lieferketten, diebesonders häufig vorkommen, sind in Abb. 20.9 dargestellt. Vierstufige Lieferkettennutzen drei Zwischenstationen. Die ein-, zwei-, drei- und vierstufigen Lieferkettenvon vier unterschiedlichen Logistiksystemen deutscher Industrie- und Handelsun-ternehmen zeigen die Abb. 20.14, 20.21, 20.23 und 20.25.

Wie die einstufigen Lieferketten können sich die mehrstufigen Lieferketten inden Belieferungsformen und in den Parametern der Transporte zwischen den Sta-tionen voneinander unterscheiden. Generell gilt:� Die Anzahl möglicher Lieferketten nimmt mit der Stufigkeit rasch zu, während

der Bedarf für längere Lieferketten mit der Stufigkeit abnimmt.Zusätzliche Handlungsparameter sind die möglichen Funktionen (20.5) in den Zwi-schenstationen. So ist zu entscheiden, in welchen Zwischenstationen ein bestandslo-ser Umschlag mit oder ohne Ladungsträgerwechsel durchgeführt werden soll und inwelchen Stationen Waren bevorratet und kommissioniert werden.

20.3.3 Transportparameter

Eine Ladung [Ldg] ist eine Anzahl von Sendungen, die in einem Direkttransport zueinem gemeinsamen Zielort oder in einem Linientransport auf einer Rundfahrt zumehreren Empfangsstellen zu befördern sind. Wenn die Sendungen mit einer Lie-ferfrequenz fLF [1/PE] befördert werden sollen, muss mindestens fLF-mal pro Pe-riode ein Transport von der Lieferstelle abfahren. Für ein Ladungsaufkommen λLE[LE/PE], das mit Beziehung (20.23) aus dem Sendungsaufkommen und der mittle-ren Sendungsgröße resultiert, ist die durchschnittliche Ladungsgröße, die jeweils biszur Abfahrt eines Regeltransports aufgelaufen ist:

ML = λLE/ fLF [LE] . (20.26)

Die Transportkosten werden von der Anzahl der Transportmittel bestimmt, die füreine aufgelaufene Ladungsmenge benötigt wird. Der Transportmittelbedarf für eineGesamtladung, die aus NS Sendungen mit unterschiedlichen Sendungsgrößen MSk,k = 1, 2, . . . , NS, besteht, hängt davon ab, wie die Frachtstücke im Laderaum verstautwerden. Wenn mehr als ein Transportmittel benötigt wird, ist der Transportmittel-bedarf außerdem davon abhängig, ob die Verteilung einer Sendung über mehrereTransporteinheiten zulässig ist.

Das optimale Verstauen von Frachtstücken unterschiedlicher Abmessungen in ei-nem Laderaum ist ein dreidimensionales Verschnittproblem [61]. Für das möglichstraumsparende Packen und Verstauen einer bestimmten Ladung unter Berücksichti-gung eventueller Restriktionen, wie vorgegebene Orientierungsrichtung oder einzu-haltende Sendungsfolgen, gibt es heute leistungsfähige Packoptimierungs- und Stau-programme [61–63].Der so ermittelte Transportmittelbedarf ist jedochnichtmitHil-fe einer geschlossenen Formel berechenbar.

Zur Kalkulation der Transportkosten für ein anhaltendes Sendungsaufkommen,das mit einer bestimmten Lieferfrequenz fLF [1/PE] befördert werden muss, ist dieKenntnis des mittleren Transportmittelbedarfs ausreichend. Analog zur Beziehung(20.15) für den Ladeeinheitenbedarf pro Sendung gilt:

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968 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

� Wenn keine besondere Füllstrategie verfolgt wird, ist der mittlere Transportmit-telbedarf pro Ladung bei einer durchschnittlichen LadungsgrößeML [LE/Ldg] undeiner effektiven Transportmittelkapazität CTEeff [LE/TE]

MTE =MAXI(1 ;ML/CTEeff + (CTEeff − 1)/2CTEeff) [TE/Ldg] . (20.27)

Die Beziehung (18.27) besagt, dass für eine Ladungmindestens eineTransporteinheitbenötigt wird und dass ohne Füllstrategie pro Ladung ein mittlerer Anbruchverlust(CTEeff − 1)/2CTEeff entsteht, wenn die Ladung mehr als eine Transporteinheit füllt(s. Abschn. 12.5).

Die Kapazität CTE [LE/TE] eines betrachteten Transportmittels ist bei gleichar-tigen Ladeeinheiten, wie Paletten oder Behältern mit gleichen Abmessungen, relativeinfach zu berechnen und eine feste Größe. Bestehen die Sendungen jedoch aus un-terschiedlichen Frachtstücken, hängt die Kapazität von der Größe, Form und Vertei-lung der Ladeeinheiten sowie von der Packstrategie ab. Für unterschiedliche Fracht-stücke lässt sich eine mittlere Kapazität CTE [LE/TE] der Transportmittel aus Erfah-rungswerten ableiten [121]. Wenn keine Erfahrungswerte vorliegen, ist mit ausrei-chender Näherung auch eine analytische Berechnung der mittleren Transportmittel-kapazität aus dem durchschnittlichen Gewicht und Volumen der Frachtstücke undLadeeinheiten möglich (s. Abschn. 12.5).

Die verfügbare Kapazität pro Transportmittel ist nur vollständig nutzbar, wenndie Frachtstücke einer Ladung unabhängig von ihrer Sendungszugehörigkeit aufmehrere Transporteinheiten verteilt werden dürfen. Wenn jedoch der Inhalt einerSendung nicht getrennt oder nur auf eine begrenzte Anzahl von Transporteinheitenaufgeteilt werden darf, entsteht pro Transporteinheit in der Regel ein zusätzlich zuberücksichtigender Füllverlust.

Nur im günstigsten Fall füllt eine beliebig ausgewählte Anzahl Sendungen ei-ne Transporteinheit ohne Füllverlust vollständig aus. Im ungünstigsten Fall ist dieGröße MS der letzten Sendung, die in eine Transporteinheit zu verladen ist, genauum eine Ladeeinheit zu groß. Dann bleibt in der Transporteinheit ein Leerraum fürMS − 1 Ladeeinheiten ungenutzt. Darf eine Sendung auf NTS Transportmittel ver-teilt werden, reduziert sich der maximale Füllverlust auf (MS − 1)/NTS. Bei einerdurchschnittlichen Sendungsgröße MS entsteht also pro Transporteinheit im Mittelder Füllverlust (MS − 1)/2NTS. Hieraus folgt:

� Wenn eine große Anzahl von Sendungen mit einer mittleren Sendungsgröße MS[LE/Snd] in Transportmittel verladen wird und die einzelnen Sendungen maxi-mal auf NTS Transportmittel aufgeteilt werden dürfen, reduziert sich die mittlereKapazität CTE [LE/TE] der Transportmittel infolge des Füllverlustes auf die effek-tive Kapazität:

CTEeff =MAX(MS ;CTE − (MS − 1)/2NTS) für CTE ≥MS ≥ 1 . (20.28)

Wenn die Sendungsgröße MS = 1 LE ist, verschwindet der Füllverlust. Bei unzu-lässiger Sendungsteilung ist NTS = 1 und der Füllverlust am größten. Bei beliebigerSendungsteilung, das heißt für NTS →∞, ist die effektive Kapazität gleich der Trans-portmittelkapazität. Abb. 20.10 zeigt die mit Hilfe der Beziehung (20.28) errechnete

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20.3 Gestaltungsparameter der Lieferketten und Versorgungsnetze 969

Abhängigkeit der effektiven Transportmittelkapazität von der mittleren Sendungs-größe und der Sendungsteilung.

Durch Einsetzen der effektiven Kapazität (20.28) in Beziehung (20.27) lässt sichder Füllungsgrad ηTE =ML/(MTE ⋅CTE)der Transporteinheiten errechnen.Abb. 20.11zeigt die resultierende Abhängigkeit des Füllungsgrads von der Ladungsgröße für ei-ne Beladung ohne Sendungsteilung und die Abb. 20.12 für eine Beladung mit zuläs-siger Sendungsteilung.

Der Füllungsverlust in den ersten Transporteinheiten und der zusätzliche An-bruchverlust in der letzten Transporteinheit einer zur Beförderung anstehenden La-dung lassen sich durch folgende Füllstrategien vermeiden oder reduzieren:

� Zurücklassen unkritischer Sendungen: Die zur Beförderung anstehenden Sendun-gen werden nach Dringlichkeit ihres Versandtermins verladen. Sendungen mitunkritischem Versandtermin, deren Mitnahme zu einer teilgefüllten Transport-einheit führen würde, werden für einen späteren Transport zurückgelassen.

Abb. 20.10 Abhängigkeit der effektiven Transportmittelkapazität von der mittlerenSendungsgröße und der zulässigen Sendungsteilung

Zulässige Sendungsteilung: NTS = 1, 2, 3, 20 TE/SndMaximale TE-Kapazität: 34 LE/TE

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970 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Abb. 20.11 Abhängigkeit des Füllungsgrads der Transporteinheiten von derLadungsgröße ohne Sendungsteilung

Kapazität der Transporteinheiten CTE = 8, 17, 34 LE/TEMittlere Sendungsgröße MS = 5 LE/Snd

� Vorziehen späterer Sendungen: Zum Auffüllen des Anbruchverlustes, der nachVerladen der regulären Sendungen frei bleibt, werden, soweit vorhanden, Sen-dungen mit einem späteren Versandtermin vorgezogen.

� Beiladen von Kleinsendungen: Bei Ganz- und Teilladungstransporten wird derRestladeraum, der nachVerstauen der regulären Sendungen übrig bleibt, mit klei-neren Sendungen gefüllt, die sonst als Stückgut befördert werden.

In einigen Bereichen des Transportgewerbes, wie in der Luftfracht und in der Passa-gierbeförderung, wird versucht, durch attraktive Last-Minute-Preise kurzfristig Be-darf zu erzeugen. Damit aber ist das Risiko verbunden, dass kein zusätzlicher Bedarfgeweckt wird sondern nur ein Teil des späteren regulären Bedarfs vorgezogen undzu niedrigeren Preisen bedient wird (Mitnahmeeffekt).

Für einen Transportmittelbedarf MTE pro anstehender Ladung resultiert bei ei-ner Lieferfrequenz fLF [Ldg/PE] für das Transportaufkommen:

λTE = fLF ⋅MTE [TE/PE] . (20.29)

Durch Einsetzen von (20.26) in (20.27) und von (20.27) in (20.29) folgt:

Page 35: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.3 Gestaltungsparameter der Lieferketten und Versorgungsnetze 971

Abb. 20.12 Abhängigkeit des Füllungsgrads der Transporteinheiten von derLadungsgröße mit einfacher Sendungsteilung

Zulässige Sendungsteilung NTS = 2 Snd/TEÜbrige Parameter: s. Abb. 20.11

� Ein zu befördernder Ladeeinheitenstrom erzeugt bei einer Lieferfrequenz fL[1/PE] das Transportaufkommen

λTE =MAX( fL ; λLE/CTEeff + fL ⋅ (CTEeff − 1)/2CTEeff) [TE/PE]. (20.30)

Das Transportaufkommen λTE auf einer bestimmten Fahrtroute ist gleich der Trans-portfrequenz, mit der die Transporteinheiten auf dieser Fahrtroute verkehren undbestimmt nach Beziehung (20.8) die Anzahl der für die Ladungsbeförderung benö-tigten Transporteinheiten. Aus der grundlegenden Beziehung (20.30) folgt:

� Wenn keine kleineren Transportmittel eingesetzt werden können, steigt bei glei-chem Frachtaufkommen mit zunehmender Lieferfrequenz der Transportmittel-bedarf, da die mittlere Ladungsgröße abnimmt und infolgedessen der Füllungs-grad der Transporteinheiten immer schlechter wird.

Dieser Zusammenhang führt zu dem Lieferzeitdilemma der Logistik:

� Kurze Lieferzeiten erfordern hohe Lieferfrequenzen. Hohe Lieferfrequenzen füh-ren zu kleinerenLadungen. Kleinere Ladungen bewirken geringereTransportmit-

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972 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

telauslastung oder den Einsatz kleinerer Transportmittel. Beides führt zu höherenFrachtkosten.

Für das Beispiel der Distribution von Stückgutsendungen aus einem Logistikzen-trum über regionale Verteilumschlagpunkte an denHandel zeigt Abb. 20.32 die Aus-wirkung einer Verringerung der Lieferfrequenz auf die mittlere Sendungslaufzeit ei-nerseits und auf die Frachtkosten andererseits. Eine Konsequenz aus dem Lieferzeit-dilemma ist der Lieferfrequenzgrundsatz:

� Zur Optimierung einer Lieferkette müssen die Lieferfrequenzen für die Trans-portverbindungen zwischen den Stationen soweit gesenkt werden, wie geradenoch mit den geforderten Lieferzeiten verträglich.

Die Lieferfrequenzen sind daher nach der Transportmittelauswahl die wichtigstenTransportparameter.

20.4 Lieferzeiten und Sendungslaufzeiten

Die Lieferzeit TLZ, die für die Belieferung einer Empfangsstation über eine N-stufigeLieferkette LK benötigt wird, setzt sich zusammen aus den Durchlaufzeiten TDL ndurch die N + 1 beteiligten Stationen STn , n = 0, 1, 2, . . . , N , den Beförderungszei-ten TBF n für den Transport zwischen diesen Stationen, den Stationswartezeiten TSW nvor und im Wareneingang sowie den Transportwartezeiten TTW n in und nach demWarenausgang der Stationen:

TLZ =N∑

n=0(TDL n + TBF n + TSW n + TTW n) . (20.31)

In der ersten Station ST0 wird die zu liefernde Ware in der Durchlaufzeit TDL0auftragsspezifisch produziert oder in einem Fertigwarenlager kommissioniert. DieSumme erstreckt sich über die N − 1 Zwischenstationen der Lieferkette. Am Endekann es vor der Empfangsstation STN zu einer Wartezeit TSWN kommen.

Die Durchlaufzeiten durch die Stationen lassen sich aus den Vorgangszeiten fürdie einzelnenArbeitsschritte der administrativen und operativen Leistungen und ausden innerbetrieblichen Wartezeiten errechnen. Die Beförderungszeiten ergeben sichbei bekannten technischen Daten des Transportmittels aus der Transportweglänge,der Anzahl Sendungen pro Transport und der Beladung. Die Sendungslaufzeit istgleich der Auslieferzeit einer Sendung über eine bestimmte Transport- oder Fracht-kette.

In der Sendungsdisposition ist zwischen planmäßigen und unplanmäßigen War-tezeiten zu unterscheiden:

• Die planmäßigenWartezeiten ergeben sich aus der Abstimmung der Betriebszei-ten und der Durchlaufzeiten der Stationen mit den Abfahrtzeiten für die Regel-und Bedarfstransporte.

• Die unplanmäßigen Wartezeiten sind die Folge von Verzögerungen und Verspä-tungen in den Leistungsstellen und auf den Transportverbindungen.

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20.5 Sendungskosten und Belieferungskosten 973

Wenn die Betriebs- und Durchlaufzeiten der Stationen mit den Abfahrtzeiten derTransporte richtig abgestimmt sind, liegt die planmäßige Wartezeit bei einer Liefer-frequenz fL im Bereich:

0 ≤ TPW ≤ 1/ fL . (20.32)

Für eine Lieferfrequenz von zweimal pro Tag, das heißt für fL = 2 pro 24 Stunden,beträgt hiernach die planmäßige Wartezeit minimal 0 Stunden, maximal 12 Stundenund bei zufallsverteiltem Eintreffen der Versandaufträge im Mittel 6 Stunden.

Ursachen der unplanmäßigen, meist stochastischen Wartezeiten können eineÜberlastung der Stationen oder der Verkehrswege sein, aber auch der Ausfall vonBetriebs- und Transportmitteln sowie Störungen, Streiks und Fehler aller Art. Dieunplanmäßigen Wartezeiten schwanken abhängig von der Tages- und Jahreszeit undlassen sich grundsätzlich nicht vorausberechnen. Sie sind daher in der Lieferzeitbe-rechnung durch Erfahrungswerte oder entsprechende Zuschläge auf die Durchlauf-und Beförderungszeiten zu berücksichtigen. Wenn nichts Genaueres bekannt ist,kann für die Summe der Transportwartezeit hinter einer Station STn und der Sta-tionswartezeit vor der Station STn+1 mit 10% der Stationsdurchlaufzeit und mit 5%der Beförderungszeit von STn zur folgenden STn+1 gerechnet werden.

Das Bemühen aller Just-In-Time-Strategien zielt darauf ab, die Betriebs- undTransportzeiten so gut aufeinander abzustimmen, dass im Idealfall keine planmäßi-genWartezeiten auftreten und dieWare genau zu dem Zeitpunkt eintrifft, zu dem siebenötigt wird (s. Abschn. 8.10). Abgesehen von den erhöhten Kosten aber scheitertdieses Bemühen in vielen Fällen an den unplanmäßigen Wartezeiten. Deren Auswir-kungen lassen sich nur durch ausreichende Zeitpuffer oder Warenpuffer oder durcheine Verlagerung der Fertigungsendstufe der benötigten Teile nahe an den Bedarf-sort ausgleichen.

20.5 Sendungskosten und Belieferungskosten

Die Sendungskosten kSi j für die Lieferung einer Sendung S von einer Lieferstelle LSian eine Empfangsstelle ES j über eine bestimmte Lieferkette LKi j , die insgesamt Ni jStationen STn , n = 1, 2, . . . , Ni j durchläuft, sind gleich der Summe der anteiligenKosten kSTn für die in Anspruch genommenen Leistungen in den Stationen STn undder anteiligen Kosten kTRn für die Transporte zwischen den Stationen der Lieferkette:

kSi j =Ni j

n=1(kSTn + kTRn) [€/Snd] . (20.33)

Wenn λSi j [Snd/PE] das gesamte Sendungsaufkommen pro Periode durch die Lie-ferketten LKi j zwischen allen betrachteten Lieferstellen LSi , i = 1, 2, . . . , NL, undEmpfangsstellen ES j , j = 1, 2, . . . , NE, ist, ergeben sich aus (20.33) durch Summationüber alle Lieferketten die Belieferungskosten pro Periode, d. h. dieGesamtlieferkosten:

Kges = ∑LK∑

i , jλS i j ⋅ kS i j [€/PE] . (20.34)

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974 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Um die Belieferungskosten pro Periode kalkulieren zu können, muss das gesamteSendungsaufkommen in den einzelnen Lieferketten bekannt sein, aus dem die Sen-dungsströme durch die verschiedenen Stationen und Transportverbindungen resul-tieren. Aus den Sendungsströmen lässt sich mit Hilfe der zuvor angegebenen Bezie-hungen derDurchsatz an Aufträgen, Leistungen, Mengen, Ladeeinheiten und Trans-porteinheiten errechnen, der von den Sendungsströmen in den Stationen und Trans-portverbindungen ausgelöst wird. Zur Kalkulation der Belieferungskosten sind dieseDurchsatzwerte mit den jeweiligen Leistungskostensätzen für die Logistikleistungenin den Stationenundmit denTransport- oder Frachtkostensätzen für die Beförderungzwischen den Stationen zu multiplizieren.

Zur Optimierung und Neukonzeption sowie für Vergleichsrechnungen genügtes, mit Richtwerten für die Leistungskosten und Leistungspreise zu kalkulieren, dieauf Abschätzungen,ModellrechnungenundErfahrungswerten beruhen. Für die Ent-scheidung zur Realisierung eines neuen Logistikkonzepts und zur Auswahl der op-timalen Lieferketten im operativen Tagesgeschäft werden hingegen aktuelle Kostenund echte Preise benötigt, die das Ergebnis entsprechenderAusschreibungen, derAn-gaben von Logistikdienstleistern oder einer genaueren Eigenkalkulation sind.

Ein besonderes Problem für die Optimierung der Lieferketten resultiert daraus,dass die Leistungskosten und Leistungspreise wegen der Mengendegression von derHöhe des Leistungsdurchsatzes und wegen der Fixkosten von der Auslastung derStationen abhängen (s. Abschn. 16.13 und 17.14). Analog sind die Transportpreiseund Frachttarife vom Ladungsaufkommen und von den Sendungsgrößen abhängig(s.Abb. 20.27 und 20.28).Hinzu kommt die prinzipiell nicht vorauskalkulierbare Ab-hängigkeit der Preise von Angebot und Nachfrage (s. Kap. 22).

Die Mengen- und Auslastungsabhängigkeit der Kosten und Preise lässt sich da-durch berücksichtigen, dass die Sendungs- und Belieferungskosten zunächstmit vor-läufigen Kosten und Preisen kalkuliert werden, die für den Durchsatz, die Auslas-tung und die Transportmengen einer Anfangslösung gelten. Wenn aus einem Opti-mierungsschritt ein Durchsatz resultiert, der erheblich von dem zunächst angesetz-ten Durchsatz abweicht, müssen die Kostensätze und Preise vor Durchführung desnächsten Optimierungsschritts entsprechend korrigiert werden.

Dabei kann es vorkommen, dass derDurchsatz für einzelne Stationen oder Trans-portverbindungen unter einen Wert absinkt, für den der Betrieb einer Station oderdie Durchführung regelmäßiger Transporte nicht mehr wirtschaftlich ist. Wenn die-se kritische Masse für eine Station oder Verbindung nicht erreicht wird, muss derDurchsatz auf benachbarte Stationen und Verbindungen verlegt werden. Alternativkönnen auch mehrere benachbarte Stationen mit unzureichendem Durchsatz oderRegionen mit einem zu geringen Sendungsaufkommen zusammengelegt werden.Beide Maßnahmen verändern die Struktur des Logistiksystems.

Solange das eigene Ladungsaufkommen ausreicht, ist es in der Regel von Vorteil,die Transportmittel ausschließlich für den Eigenbedarf zu nutzen. Hierfür könnenentweder eigene Transportmittel eingesetzt oder fremde Transportmittel angemie-tet werden. Die Transportkostensätze für diese Transportleistungen sind gleich denLeistungskosten der eigenen Transportmittel bzw. gleich den Leistungspreisen fürden fremden Laderaum (s. Tab. 18.2).

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20.6 Auftragsprozesse und Informationsfluss 975

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Leistungspreise davon abhängen, ob dieTransporteinheiten auf der Rückfahrtstrecke vom Auftraggeber selbst oder vom Spe-diteur genutzt werden. Dementsprechend ist der Kilometersatz im Straßentransportfür die selbst genutzte Rückfahrt geringer als für die Hinfahrt (s. Abschn. 18.12).Hieraus folgt der Grundsatz:

� Durch paarige Hin- und Rücktransporte, die sich zum Beispiel durch die Kombi-nation von Beschaffungs-, Distributions- und Entsorgungstransporten ergeben,lassen sich die Transportkosten deutlich reduzieren.

Wenn das eigene Ladungsaufkommen nicht ausreicht, um ein Transportmittel beider benötigten Lieferfrequenz wirtschaftlich auszulasten, müssen die Sendungen zu-sammenmit demLadungsaufkommen andererVersender befördertwerden. Für die-se Frachtleistungen gelten die Frachttarife für Teilladungen, Stückgutsendungen undPaketsendungen (s. Tab. 20.3, 20.4 und 20.5).

Für dieKalkulation undOptimierung der Belieferungskosten sind nur Leistungs-preise, Transportpreise und Frachttarife geeignet, die eindeutig von den Leistungs-einheiten und den relevanten Kostentreibern abhängen, wie den Mengeneinheiten,den Ladeeinheiten und den Sendungsgrößen. Da Spediteure nicht immer von sichaus transparente und nutzungsgemäße Preise anbieten, ist es erforderlich, die benö-tigte Preisstruktur in den Anfragen und Ausschreibungen für Logistik- und Trans-portleistungen entsprechend vorzugeben (s. Kap. 21).

20.6 Auftragsprozesse und Informationsfluss

Die Bereitstellung der Ausliefermengen in den Lieferstellen wird durch Liefer- oderNachschubaufträge ausgelöst. Die Liefer- und Nachschubaufträge laufen vor Beginnder Lieferung entgegen demWarenfluss von den Empfangsstellen zu den Lieferstellen.

Die Beförderung der Sendungen durch die Lieferkette zu den Empfangsstellenwird durch Versand-, Transport- und Beförderungsaufträge veranlasst, die in der Re-gel vom Versender erteilt werden und vor, parallel oder mit den Sendungen zu denEmpfängern laufen.

Die mit dem Auftragsdurchlauf verbundenen administrativen Auftragsprozesse:

AuftragserteilungAuftragsannahmeAuftragsbearbeitungAuftragsdispositionSendungsankündigungEmpfangsbestätigung

(20.35)

bestimmen sehr wesentlich die Auftragsdurchlaufzeiten, die Belieferungsstrategi-en und damit auch die Belieferungskosten. Daher sind die Analyse und Gestaltungder Auftragsprozesse für die Optimierung der Lieferketten von besonderer Bedeu-tung [45, 139, 150].

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976 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

DerWaren- und Sendungsstrom durch die Lieferketten wird von einem Informa-tions- und Datenfluss begleitet. Die sendungsbegleitenden Daten und Informationensind notwendig, um den Lauf der Sendungen zu steuern und zu verfolgen.

Das Kennzeichnen der Waren und Sendungen durch Etiketten oder Beschrif-tung, das Erstellen der Begleitdokumente, wie der Frachtbriefe, sowie das Lesen, Prü-fen und Verarbeiten der Informationen in den Stationen der Lieferkette sind mit ei-nem nicht zu unterschätzenden Zeit- und Kostenaufwand verbunden, der bei denDurchlaufzeiten und Leistungspreisen zu berücksichtigen ist.

Die Lieferung einer Sendung wird mit dem Quittieren der Vollständigkeit undRichtigkeit der zugestellten Warenmenge durch den Empfänger abgeschlossen. DieEmpfangsbestätigung muss möglichst schnell dem Lieferanten oder Versender zuge-leitet werden, damit dieser den Auftrag abschließen und gegebenenfalls die Rech-nung fakturieren kann.

Die Informations- und Kommunikationsprozesse im Zusammenhang mit derBelieferung sind kein Selbstzweck sondern notwendige Voraussetzung zur Realisie-rung optimaler Belieferungsstrategien und zur Sicherung einer hohen Sendungsqua-lität. Viele Belieferungsstrategien und Optimierungsmöglichkeiten der Lieferkettenscheitern immer noch an den unzureichenden Informations- und Kommunikations-systemen oder an der Nichtverfügbarkeit, Fehlerhaftigkeit und Unvollständigkeit derbenötigten Logistikdaten von Artikeln und Sendungen [27, 45, 139]. Hier eröffnensich mit Transpondern und RFID neue Möglichkeiten [209, 210].

20.7 Belieferungsstrategien

Alle wesentlichen Belieferungsstrategien lassen sich herleiten aus den drei Grund-strategien Bündeln, Ordnen und Sichern und den Gegenstrategien Trennen, Umord-nen und Entsichern (s. Abschn. 5.2).

20.7.1 Bündelungsstrategien der Belieferung

DieBündelungsstrategien zurOptimierung der Belieferung sind in der Regel auf eineKostensenkung ausgerichtet. Hierzu gehören:

• Auftragsbündelung: Die Lieferaufträge für mehrere Besteller werden von einerproduzierenden Lieferstelle zusammen ausgeführt oder in einer bestandsführen-den Lieferstelle oder Zwischenstation als Serienauftrag kommissioniert. Strategie-parameter ist die Fertigungslosgröße, Seriengröße oder Batchgröße.

• Ladungsbündelung: Der Inhalt eines oder mehrerer Aufträge, die für einen Emp-fänger bestimmt sind, wird auf Ladeeinheiten zusammengefasst, um das Be-,Ent- und Umladen zu erleichtern. Strategieparameter ist die Kapazität der La-deeinheiten.

• Zeitliche Sendungsbündelung: Das Sendungsaufkommen wird in einer Versand-station oder in einer Zwischenstation für eine bestimmte Zeit angesammelt, da-mit eine größere Ladung erreicht wird. In der Bündelungszeit TBZ [PE], die derStrategieparameter ist, läuft im Mittel eine Bündelungsmenge

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20.7 Belieferungsstrategien 977

MB = λS ⋅MS ⋅ TBZ [LE] (20.36)

auf, wenn λS [Snd/PE] das Sendungsaufkommen und MS [LE/Snd] die mittlereSendungsgröße sind. Mit ansteigender Bündelungszeit wächst die Bündelungs-menge. Zugleich aber nehmen die Lieferfrequenz, für die fL ≤ 1/TBZ gilt, ab unddamit die Lieferzeiten zu.

• Quellenbündelung:Die für eineEmpfangsstelle bestimmten Sendungen vonmeh-reren Versendern, von benachbarten Lieferstellen oder aus einem Sammelgebietwerden zusammen abgeholt und gemeinsam bearbeitet (milk run).

• Senkenbündelung: Sendungen einer Versandstelle, die fürmehrere Empfangsstel-len oder für ein Zustellgebiet bestimmt sind, werden gemeinsam bearbeitet undzusammen befördert.

• Transportbündelung:Mehrere Ladungen, die auf einer Tour abgeholt oder zuge-stellt werden können, werden in einer Transporteinheit befördert. Für den Fern-transport werden kleinere Transporteinheiten zu einer größeren Transportein-heit gebündelt. Strategieparameter sind die Kapazitäten der eingesetzten Trans-porteinheiten.

Eine Gegenstrategie zur Transportbündelung ist die Aufteilung von größeren Sendun-gen auf mehrere Transportmittel zur besseren Laderaumnutzung. Eine Gegenstrate-gie zur Sendungsbündelung ist die

• Sendungstrennung: Die Sendungen werden nach Sendungsgröße in Klassen mitkleinen, mittleren und großen Sendungen eingeteilt und auf den jeweils optima-len Frachtketten ausgeliefert.

WeitereGegenstrategien zur Sendungsbündelung sind die Just-In-Time-Strategie unddas One-Piece-Flow-Prinzip, die auf eine Minimierung der Liefer- und Wartezeitenausgerichtet sind [39]. Für diese Strategien sind im Extremfall die Bündelungszeitgleich 0 und die Batchgröße gleich 1. Der Preis hierfür sind in der Regel erhöhteBelieferungskosten.

EineBündelungsstrategie zur Senkung der Bestands- undLagerkosten imgesam-ten Belieferungssystem ist die

• Zentralisierung der Bestände: Die Warenbestände von Artikeln, die für mehrereBedarfsstellen bestimmt sind, werden an einem oder wenigen Standorten soweitzentralisiert, wie dadurch nicht die Lieferzeiten und die Lieferfähigkeit beein-trächtigt werden.

Wenn infolge einer zu starken Zentralisierung der Bestände die Serviceanforderun-gen nicht mehr eingehalten werden können, ist als Gegenstrategie eine teilweise De-zentralisierung der Bestände mit einer Bevorratung kostenminimaler Puffermengenin der Nähe der Bedarfsstellen erforderlich (s. Abschn. 11.10).

20.7.2 Ordnungsstrategien der Belieferung

Durch folgende Ordnungsstrategien lassen sich Zeiten und Kosten innerhalb einerLieferkette optimieren:

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978 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

• Priorisierung: Eilaufträge, Expresssendungen und andere vorrangige Aufträgewerden sofort ausgeführt, nachrangige Aufträge und Sendungen nur soweit esdie verfügbaren Kapazitäten zulassen.

• Optimale Bearbeitungsfolgen: In den Stationen werden Aufträge und Sendungenin der Reihenfolge bearbeitet, die mit den geringsten Rüstkosten und Wechsel-zeiten verbunden ist.

• Packstrategien: Versandeinheiten oder Packstücke werden in einer solchen Rei-henfolge und Orientierung in die Ladeeinheiten gepackt, dass Volumen undNutzlast der Ladeeinheit optimal genutzt werden (s. Abschn. 12.4).

• Staustrategien: Die Ladeeinheiten und Frachtstücke der Sendungen einer ausge-henden Gesamtladung werden in einer solchen Reihenfolge und Orientierungin den Transporteinheiten verstaut, dass Frachtraum und Nutzlast optimal ge-nutzt werden und eine vorgegebene Beladefolge der Sendungen eingehalten wird(s. Abschn. 12.5).

• Füllstrategien: Durch Auf- oder Abrunden der Liefermengen, durch Vorziehenoder Zurücklassen zeitunkritischer Sendungen oder durch Sendungsteilungwer-den die Anbruchverluste in den Lade- und Transporteinheiten minimiert (s. Ab-schn. 12.5).

• Optimale Transportfolgen: Transportaufträge und Transportfahrten werden inder Reihenfolge und auf den Fahrwegen ausgeführt, die mit dem geringsten Auf-wand und Zeitbedarf verbunden sind [11, 13, 20, 122].

Wenn für eine Relation mehrere Liefer- oder Transportketten zur Auswahl stehen,kann grundsätzlich für jede anstehende Sendung gesondert errechnet werden, wel-che der bestehendenMöglichkeiten die kostengünstigste ist. Wenn das zu aufwendigoder wegen Unkenntnis der Logistikdaten und Kosten nicht möglich ist, werden Zu-weisungsstrategien benötigt, die festlegen, für welche Sendungsart welche Lieferkettezu wählen ist.

20.7.3 Sicherheitsstrategien der Belieferung

Zur Absicherung der Belieferung bei Ausfällen und Verzögerungen sind folgendeSicherheitsstrategien geeignet:

• Sicherheitsbestände: Zur Sicherung der Lieferfähigkeit bei Schwankungen derWiederbeschaffungszeit und des Bedarfs werden in den bestandsführenden Sta-tionen der Lieferkette Sicherheitsbestände vorgehalten (s. Abschn. 11.8).

• Mengenpuffer: Stochastisch schwankende Ankunftsraten undAbfertigungszeitenführen zu Staus undWarteschlangen, zu deren Aufnahme ausreichend bemesse-ne Stauräume und Pufferstrecken vorhanden sein müssen (s. Abschn. 13.5).

• Zeitpuffer: Zur Sicherung des unterbrechungsfreien Betriebsablaufs in den Sta-tionen und der pünktlichen Einhaltung der Fahrpläne gegen unplanmäßige War-tezeiten und Schwankungen der Durchlaufzeiten sind angemessene Zeitpuffereinzuplanen (s. Abschn. 8.6).

Page 43: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.8 Spezifikation der Lieferketten 979

• Redundanzen: Ausfälle, Störungen und Betriebsunterbrechungen einzelner Sta-tionen oder Verbindungen einer Lieferkette können durch Ersatzstationen undAusweichverbindungen überbrückt werden (s. Abschn. 13.6).

20.8 Spezifikation der Lieferketten

Ein gut geführtes Logistikprojekt beginnt mit der Aufnahme und Analyse der Auf-tragsprozesse, Logistikstrukturen und Lieferketten einschließlich der damit verbun-denen Informations- und Datenflüsse [259]. Das Ergebnis einer Optimierung oderNeukonzeption der Unternehmenslogistik wird in Form von Strukur-, Ablauf- undFlussdiagrammendargestellt und durch Spezifikationder angestrebten Systeme, Pro-zesse und Lieferketten beschrieben.

Zur Übersichtsdarstellung genügen die in Abb. 20.8 und 20.9 dargestellten Liefer-kettendiagramme, in denen die Stationen als Kästen und die Transportverbindungenals gerichtete Pfeile symbolisiert sind. Durch Bezeichnung der Stationen werden dieStrukturen und durch Beschriftung der Verbindungen die Warenströme und Trans-portmittel angegeben. Die Abb. 20.14, 20.21, 20.23 und 20.25 geben auf diese Weiseeinen Überblick über die Lieferketten einiger Industrie- und Handelsunternehmen.Abb. 20.17 zeigt die wichtigsten Frachtketten von Speditionsunternehmen undBeför-derungsketten von Transportdienstleistern.

Zur genaueren Spezifikation ist eineBelieferungstabellemit den qualitativenMerk-malender Lieferketten erforderlich, wie sieTab. 20.1 für einBeispiel aus derKonsum-güterindustrie zeigt, dessen Distributionsstruktur in Abb. 20.13 und dessen Auslie-ferungsketten in Abb. 20.14 dargestellt sind. Beginnend mit den Lieferstellen wer-den über die Stufen der Lieferketten, die in den Spalten der Tabelle aufgeführt sind,für alle Stationen bis hin zu den Empfangsstellen die operativen Logistikleistungen(20.2), (20.4) und (20.5) aufgelistet, die in den Stationen erbracht werden. Außer-dem werden die Versand- und Ladeeinheiten spezifiziert, die die einzelnen Statio-nen verlassen. Die Transportverbindungen zwischen den Stationen der Lieferkettenwerden durch Angabe des Verkehrsträgers, des Transportmittels und der gewähltenTransportart spezifiziert.

DurchGrenzlinien können in den Diagrammen und in derMatrixtabelle dieGe-fahrenübergänge zwischen den Beteiligten der Lieferkette markiert und die Verant-wortung für die Abschnitte der Lieferketten abgegrenzt werden. So liegt der Gefah-renübergang für Lieferungen abWerk für das in Tab. 20.1 angegebene Beispiel an derVersandrampe der Produktion oder des Fertigwarenlagers und für Lieferungen freiHaus an der Eingangsrampe der Handelslager, der Crossdocking-Stationen oder derHandelsfilialen.

Zur Berechnung der Lieferzeiten und Kosten sowie zur Dimensionierung einesneuen Logistikkonzepts wird eine weitergehendeDetailspezifikation der Lieferkettenbenötigt. Die Detailspezifikation umfasst die Aufträge, die Durchsatzwerte und dieBestände der einzelnen Stationen sowie das Sendungsaufkommen und die Ladungs-ströme zwischen den Stationen der Lieferketten. Außerdem sind die Belieferungs-form, die Strukturparameter und die Transportparameter des gesamten Logistiksys-

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980 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Tab. 20.1 Belieferungstabelle eines Konsumgüterherstellers

.............. Stationsgrenzen ____ VerantwortungsgrenzenLKi : Lieferkette i = 1, 2, 3, 4, 5übrige Abkürzungen: s. Legende Abb. 20.13 u. 20.14

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20.8 Spezifikation der Lieferketten 981

Abb. 20.13 Distributionsstruktur eines Konsumgüterherstellers

Wi: Produktionswerke VL: VersandlagerCD: Crossdocking-Stationen TS: Transshipment-StationenHL: Handelslager F: Filialen des Einzelhandels

tems und der einzelnen Lieferketten zu quantifizieren. Damit ist festgelegt, welcheEmpfangsstellen von welchen Lieferstellen heute oder in Zukunft mit welchem An-teil ihres Sendungsaufkommens überwelche der zurAuswahl stehendenLieferkettenversorgt werden.

Nach Festlegung der Strukturparameter des betrachteten Logistiknetzwerks, De-tailspezifikation der möglichen Lieferketten und Ermittlung der Kostensätze undLeistungspreise kannmit den vorangehenden Berechungsformeln, Algorithmen undDispositionsverfahren einBOL-Netzwerktool zurBestimmung Optimaler Lieferkettenerstellt werden. Das Programm berechnet für stationäre oder dynamische Leistungs-anforderungen die Belieferungskosten (20.33), die Liefer- und Sendungslaufzeiten(20.31) wie auch die Bestände in den Stationen desNetzwerks. Es ist nutzbar zur Aus-wahl der jeweils kostengünstigsten Lieferkette für die verschiedenen Beschaffungs-oder Versandaufträge und zur Bestimmung optimaler Werte für die Gestaltungs-und Dispositionsparameter.

Die ersten Netzwerkstools wurden firmenspezifisch zur Optimierung eines be-stehenden Unternehmensnetzwerks entwickelt (s.Abb. 3.8). Heute gibt es ausgereifteStandardprogramme zur dynamischen Netzwerkoptimierung, die in der Automobil-industrie, in Handelskonzernen und in anderen Unternehmen erfolgreich eingesetztwerden. Sie ermöglichen ein hohes Maß an Transparenz und sind sowohl zur Netz-werkgestaltung wie auch zur Netzwerkanpassung und Optimierung der Lieferket-ten einsetzbar [259, 260, 283]. Solange der Anwender jedoch nicht die verwendetenFormeln,Dispositionsverfahren, AlgorithmenundAnnahmen überprüfen kannundmit der Unternehmensrealität abgleicht, bestehen die in Abschn. 3.9 genannten Ge-fahren des Einsatzes von Planungstools. Die größte Gefahr aber ist die Illusion, es

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982 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Abb. 20.14 Distributionsketten eines Konsumgüterherstellers

W: Produktionswerk F: Filiale des EinzelhandelsVL: Versandlager HL: HandelslagerCD: Crossdocking-Station TS: Transshipment-Station

ließe sich mit Hilfe eines Rechnertools das absolut optimale Logistiknetzwerk fin-den.

20.9 Optimierung von Lieferketten und Logistikstrukturen

Theoretisch liegt es nahe, zur Optimierung der Lieferketten und der Netzwerkstruk-tur eines Unternehmens die Zielfunktion der Gesamtlieferkosten (20.34) durch syste-matische Variation aller freien Gestaltungsparameter der Lieferketten unter Beach-tung der vorgegebenen Lieferanforderungen und Restriktionen zu minimieren. Für

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20.9 Optimierung von Lieferketten und Logistikstrukturen 983

ein solches Vorgehen bieten sich die Verfahren des Operations Research an. Die An-zahl und die Variationsbreite der Gestaltungsparameter sowie die Anzahl der Kom-binationsmöglichkeiten der Parameter nehmen jedoch mit dem Produkt NL ⋅NE derAnzahl der Liefer- und Empfangsstellen rascher als exponentiell zu. Daher ist eineLösung der zu Anfang dieses Kapitels formulierten allgemeinen Belieferungsaufgabemit der Zielfunktion (20.34) durch eine Vollenumeration auch in relativ einfachenFällen selbst auf einem leistungsfähigen Rechner innerhalb begrenzter Zeit nichtmöglich.

Die allgemeine Belieferungsaufgabe enthält als Unterprobleme die bekanntenStandardprobleme des OR, wie die einstufige Standortoptimierung, die mehrstufigenWarehouse-Location-Probleme, die Tourenplanung, die Fahrwegoptimierung und dieNetzwerkgestaltung. Bereits für diese Teil- undUnterproblemeder allgemeinenBelie-ferungsaufgabe führen die mathematischen Lösungsverfahren des OR nur zu einembrauchbaren Ergebnis, wenn das Problem stark vereinfacht wird und die Rechnun-genmit geeignet konstruiertenAnfangslösungen beginnen [12,46,50,52–54,109]. Zu-sätzliche Handlungsparameter, die bei den OR-Standardproblemen meist nicht be-rücksichtigt werden, sind die Nutzung unterschiedlicher Lieferketten zwischen deneinzelnen Liefer- und Empfangsstellen und die Disposition der Bestände in den Sta-tionen der Lieferketten.

Der Ansatz, eine derart komplexe Aufgabe nur durch mathematische Verfahrenzu lösen, ist vergleichbar mit dem Versuch, Brücken und Bauwerke allein mit demVerfahren der finiten Elemente durch Simulation vom Computer errechnen zu las-sen. Logistiknetze und Logistiksysteme müssen ebenso wie große Bauwerke undGe-samtanlagen von erfahrenen Fachleuten unter Nutzung bewährter Regeln und Nä-herungsverfahren konstruiert und dimensioniert werden.

Die Aufgabe einer Optimierung der Unternehmenslogistik besteht in der Pra-xis darin, mit vertretbarem Aufwand möglichst rasch eine Lösung zu finden, derenGesamtkosten deutlich geringer sind als die IST-Kosten. Wichtiger als das Erreicheneines theoretisch denkbaren Optimums ist es zu verstehen, aus welchen Einzelmaß-nahmen und Teilschritten die günstigeren Kosten der optimierten Lösung im Ver-gleich zur IST-Situation resultieren. Für die Optimierung der Unternehmenslogis-tik haben sich in der Beratungspraxis iterative Verfahren zur Bestimmung optimalerLieferketten bewährt, die von dem vorangehend beschriebenen BOL-Netzwerktoolsowie von den zuvor und nachfolgend dargestellten Gestaltungsgrundsätzen, Kon-struktionsmethoden und Näherungsverfahren Gebrauch machen.

Das iterative Verfahren der analytischen Lösungskonstruktion ist auch geeignetfür die Entwicklung von Anfangslösungen, die sich mit Hilfe von OR-Verfahren wei-ter optimieren lassen. Außerdem ist es möglich, eine analytisch konstruierte und di-mensionierte Lösung durch eine digitale Simulation zu überprüfen und im Detail zuverbessern.

Die Verfahren der analytischen Lösungskonstruktion, die heuristischen Opti-mierungsverfahren des OR und das Verfahren der digitalen Simulation schließensich also nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig [166]. Das gilt nicht nur in derPraxis der Unternehmensberatung sondern auch für die Entwicklung und Überprü-

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984 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

fung weiterer Gestaltungsgrundsätze, Konstruktionsmethoden und Näherungsver-fahren (s. Abschn. 5.3).

20.9.1 Iterative Optimierung der Lieferketten und Netzstrukturen

Die Bestimmung der optimalen Lieferketten und der dazu passenden Netzstrukturzwischen einem vorgegebenen Lieferanten- und Abnehmerkreis ebenso wie der op-timalen Transportketten zwischen vorgegebenen Versand- und Empfangsstellen er-fordert einen iterativen Optimierungsprozess mit den Arbeitsschritten:

1. Erfassung undAnalyseder bestehendenLogistikstrukturen,AuftragsprozesseundLieferketten einschließlich der damit verbundenen Informations- und Datenflüs-se.

2. Spezifikation der Strukturbedingungen, also der Kunden- oder Empfängerstruk-tur, der Lieferanten- oder Versenderstruktur, der vorgegebenen Zwischenstatio-nen und der verfügbaren Transportverbindungen.

3. Ermittlung der Lieferanforderungen, das heißt, der Sortiments-, Service- undSendungsanforderungen, Bestimmung der Hochrechnungs- und Änderungs-faktoren zur Berechnung der Lieferanforderungen für den Planungshorizont undErfassung der Restriktionen.

4. Segmentierung der Sortimente, Aufträge und Sendungen in hinreichend homo-gene Gruppen mit in sich ähnlichen Eigenschaften.

5. Festlegung der benötigten Lieferketten mit Spezifikation der Belieferungsformen,Strukturparameter und Transportparameter. Dafür werden zuerst die einstu-figen Lieferketten festgelegt, danach die zweistufigen und dann die drei- undmehrstufigenKetten.Höherstufige Lieferkettenwerdennur berücksichtigt, wennsie zur Erfüllung der Anforderungen erforderlich sind oder geringere Kosten er-warten lassen.

6. Analyse der regionalen Verteilung der Standorte der Liefer- und Empfangsstel-len, des Sendungsaufkommens und der Ladungsströme.

7. Vorläufige Einteilung des Servicegebiets in Sammel- und/oder Verteilregionen.8. Entwicklung einer Ausgangslösung für die Netzwerkstruktur, entweder ausge-

hend von den bestehenden Strukturen durch Streichung vorhandener und Hin-zufügen anderer Zwischenstationen oder durch grundlegende Neukonzeptionmit einer Minimalzahl von Zwischenstationen in den Transportschwerpunktender zuvor gebildeten Regionen (s. Abschn. 18.10 und 20.10).

9. Umlegung des Sendungsaufkommens auf die kostenoptimalen Lieferketten derAusgangslösung. Dabei werden die größeren und eiligen Sendungen den Liefer-ketten mit geringer Stufigkeit zugeordnet und die kleineren und weniger dring-lichen Sendungen höherstufigen Ketten.

10. Ableitung der Durchsatzanforderungen und der Bestandsanforderungen aus demSendungsaufkommen, das in den Stationen der Lieferkette zu bearbeiten undzwischen den Stationen zu befördern ist. Hierzu werden die zuvor angegebenenZusammenhänge und Berechnungsformeln benötigt.

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20.9 Optimierung von Lieferketten und Logistikstrukturen 985

11. Erstellen eines projektspezifischenBOL-Netzwerktools aus Programm-Modulenfür die Lieferstellen, Logistikstationen und Empfangsstellen sowie für die Trans-portverbindungen zwischen diesen Stationen.

12. Berechnung der Lieferzeiten und Überprüfung der Einhaltung der Lieferanfor-derungen für die Ausgangslösung.

13. Berechnung der Belieferungskosten und Überprüfung der kritischen Durchsatz-mengen auf der Basis vorläufiger Prozesskostensätze, die für die abgeleitetenDurchsatz- und Bestandsanforderungen der Ausgangslösung gelten.

14. Iterative Optimierung der Lieferketten und der Netzwerkstruktur durch schritt-weiseVariation der freienGestaltungsparameter, wie der Liefer- undNachschub-frequenzen, der Belieferungsformen, der Strukturparameter und der Transport-parameter.

15. Gestaltung der Auftragsprozesse zur Auslösung und der Informations- und Da-tenflüsse zur Steuerung und Kontrolle der Belieferungsprozesse.

Zur Optimierung der Lieferketten werden nacheinander die zur Auswahl stehendenLieferketten mit den zu bearbeitenden Einzelsendungen oder Sendungsströmen be-legt. Dabei wird stets die optimale Lieferkette gewählt, die bei Einhaltung der Liefer-zeitanforderungen und übrigen Restriktionen für eine betrachtete Lieferbeziehungdie geringsten Sendungskosten (20.32) hat.

Für die Strukturentwicklung und Grobdimensionierung der Lieferketten ist esausreichend, denOptimierungsprozessmit dem durchschnittlichen Sendungsaufkom-men für Sendungsklassen mit in sich ähnlicher Struktur durchzuführen. Für genaue-re Rechnungen wird das echte Sendungsaufkommen für ein Geschäftsjahr Sendungfür Sendung nach Zuteilungsregeln kostenoptimal auf die Lieferketten umgelegt.

20.9.2 Berücksichtigung durchsatzabhängiger Kosten

Durch Summation der Ströme in den optimalen Lieferketten für die verschiedenenLieferbeziehungen ergeben sich die Leistungsanforderungen an das Logistiksystem,das heißt, die benötigten Logistikleistungen in den Stationen und das Ladungsauf-kommen zwischen den Stationen des Systems. Wenn im Zuge der Optimierung dieDurchsatz- und Bestandsanforderungen gegenüber der Ausgangslösung erheblichverändert werden, müssen die Leistungskostensätze überprüft und gegebenenfallskorrigiert werden.

Die Durchsatzanforderungen für einzelne Stationen oder Transportverbindun-gen können so gering werden, dass die Leistungskosten infolge der Fixkosten über-proportional ansteigen und der Betrieb unwirtschaftlich ist (s. Abschn. 19.11). Wennes nicht möglich ist, die betreffenden Stationen und Verbindungen zusätzlich mitfremden Sendungsaufkommen auszulasten und damit das Fixkostendilemma zu um-gehen,muss derOptimierungsprozess bei der Strukturkonzeption ab Schritt 7 erneutbegonnen werden.

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986 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.9.3 Prozessoptimierung und Strukturoptimierung

Die Optimierung der Lieferketten wird abwechselnd unter dem Strukturaspekt undunter dem Prozessaspekt durchgeführt, bis sich eine stabile und konsistente Gesamt-lösung ergibt, die alle Anforderungen erfüllt. Eine reine Strukturoptimierung, die füreine Lieferbeziehung jeweils nur eine Lieferkette berücksichtigt, führt ebenso wenigzum Ziel wie eine reine Prozessoptimierung ohne Beachtung der resultierenden Aus-lastung der Stationen und Transportverbindungen.

WegenderVielzahl derGestaltungsparameter hat die iterativeOptimierung einenrecht großen Lösungsraum. Dieser wird jedoch in der Regel durch projektabhängi-ge Restriktionen erheblich eingeschränkt. Dabei ist nicht auszuschließen, dass dieaus einer Anfangslösung durch iterative Optimierung resultierende optimierte Lö-sung ein Nebenoptimum ist und das theoretische Optimum minimaler Gesamt-belieferungskosten verfehlt wird. Maßstab für den Erfolg der Optimierung abersind weniger die theoretisch minimalen Gesamtbelieferungskosten sondern die IST-Belieferungskosten (s. Abschn. 15.5).

20.9.4 Einsparpotential und Sensitivitätsrechnungen

Durch einen Vergleich der Gesamtkosten für die resultierende Lösung mit den Ge-samtkosten für die IST-Lieferketten ergibt sich das Einsparungspotential, das durchOptimierungsmaßnahmen oder eine optimale Gesamtlösung erreichbar ist. DiesemEinsparungspotential müssen die eventuell erforderlichen Investitionen für den Aus-und Aufbau der benötigten Strukturen gegenübergestellt werden. Zusätzlich ist dieKapitalrückflussdauer (ROI) zu errechnen und mit dem von der Unternehmenslei-tung vorgegebenen maximalen ROI-Wert zu vergleichen (s. Abschn. 5.1).

Ein BOL-Netzwerktool kann auch dazu genutzt werden, Sensitivitätsrechnungenfür absehbare Veränderungen der Lieferanforderungen oder der Randbedingungendurchzuführen. Auf diese Weise lässt sich beispielsweise quantifizieren, wie sich derFortfall oder das Hinzukommen eines bestimmten Sendungsaufkommens auf dieübrigen Belieferungskosten auswirken würde.

Wenn ein Liefer- oder Beförderungssystem erst einmal in einem Netzwerktoolabgebildet ist, können mit dem Programm auch die Kostenersparnisse und Kosten-verschiebungen derUmstellung eines Lieferanten auf einen anderen Belieferungswegoder von einer Frei-Haus- auf eine Ab-Werk-Belieferung kalkuliert werden. Eben-so lassen sich auf diese Weise die Auftragslogistikkosten, die Beförderungskosten oderdie Kostenersparnisse und damit die zulässigen Logistikrabatte für eine veränderteBelieferungsform berechnen.

Für das operative Tagesgeschäft wird ein Netzwerktool benötigt, um die täglichanstehenden Sendungen den jeweils optimalen Lieferketten zuzuweisen. Solange einsolches BOL-Tool nicht zur Verfügung steht, müssen die Sendungen nach allgemei-nen Zuweisungsstrategien auf die Lieferketten verteilt werden. Die Zuweisungsstrate-gien lassen sich mit Hilfe von Modellrechnungen für das betreffende Logistiksystementwickeln. Beispiele für solche Zuweisungsstrategien sind dieGrenzkriterien (20.16)bis (20.19) zwischen Ganzladungs-, Teilladungs-, Stückgut- und Paketsendungen.

Page 51: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.10 Transportnetze und Transportketten 987

Das hier dargestellte allgemeineVorgehen zurOptimierung von Lieferketten undLogistiknetzen wird nachfolgend anhand mehrerer Beispiele aus der Beratungspra-xis näher erläutert. Dabei ergeben sich weitere Aspekte und projektspezifische Be-sonderheiten.

Außer geeigneten Verfahren und brauchbaren Rechnertools erfordert dieGestal-tung der Logistikstrukturen und die Optimierung der Lieferketten Kreativität undErfahrung sowie die Kenntnis derHandlungsmöglichkeiten und ihrer Auswirkungen.Modellrechnungen zeigen, dass die verschiedenen Gestaltungs- und Strategiepara-meter sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Belieferungskosten haben, abernur wenige Parameter für die Praxis interessante Kostensenkungen bewirken. Diesegilt es herauszufinden.

20.10 Transportnetze und Transportketten

Die Transportdienstleister – Frachtführer, Speditionen, Paketdienstleister, Luftfahrt-unternehmen, Verkehrsgesellschaften, Reedereien, Post und Bahn – führen laufenddie Transport- und Beförderungsaufträge einer Vielzahl unterschiedlicher Versenderoder Verlader aus. Daneben vermieten oder verchartern sie Laderaum und Trans-portmittel. Für diesesDienstleistungsgeschäft halten die TransportdienstleisterTrans-portkapazitäten sowie einTransport- oder Frachtnetz vor, das ein bestimmtes Service-gebiet abdeckt. Damit können sie unterschiedliche Transportketten – auch Frachtket-ten, Beförderungsketten oder Speditionsketten genannt – anbieten (s. Abb. 20.4).

20.10.1 Aufbau von Transport- und Frachtnetzen

Ein Transport- oder Frachtnetz besteht aus einer Anzahl regionaler Umschlagpunkte(RU). Von jedem Umschlagpunkt aus wird ein zugehöriges Einzugsgebiet oder Nah-gebiet imVorlauf über Sammelfahrten oder Pick-Up-Touren und imNachlauf auf dersogenannten Letzten MeileüberVerteilfahrten oder Zustelltourenmit kleineren Fahr-zeugen bedient (s.Abb. 20.5). Zwischen den regionalenUmschlagpunkten findenmitgrößeren Transportmitteln in bestimmten Beförderungs- oder Transportfrequenzensogenannte Hauptlauftransporte statt:

• In einem dezentralen Netz, wie es die Abb. 20.15 zeigt, sind N regionale Um-schlagpunkte durchmaximal N(N −1)/2Transportverbindungen direktmitein-ander verbunden, auf denen regelmäßig Hin- und Rücklauftransporte stattfin-den.

• In einem zentralen Netz, das Abb. 20.16 zeigt, sind N regionale Umschlagpunk-te über N Transportverbindungen, die als Speichen (spokes) bezeichnet werden,mit einem zentralen Umschlagpunkt, der Nabe (hub) genannt wird, verbunden.In dem Zentralumschlagpunkt (ZU) werden die aus mehreren Regionen einlau-fenden Ladungen zu auslaufenden Ladungen umsortiert und gebündelt.

Der Vorteil dezentraler Netze sind die im Mittel kürzeren Entfernungen und Beför-derungszeiten zwischen den Stationen. Der Nachteil ist eine geringere Auslastung

Page 52: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

988 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Abb. 20.15 Dezentrales Fracht- oder Transportnetz

RU: Regionale Umschlagpunkte (N = 5)

großer wirtschaftlicher Transportmittel bei unzureichenden Ladungsströmen undhöherer Transportfrequenz.

In einem zentralen Netz – auch Nabe-Speiche-System (Hub and Spoke) genannt –reduziert sich die Zahl der Transporte bei gleicher Belieferungsfrequenz gegenüberdemdezentralenNetzmaximal umden Faktor (N−1)/2. Umden gleichen Faktor er-höht sich im Mittel das Ladungsaufkommen der Transportrelationen vom und zumzentralen Umschlagpunkt. Daraus resultieren für das zentrale Transportnetz folgen-de Vorteile:

� In einem zentralen Netz können für die Transporte zwischen den regionalen Um-schlagpunkten und dem zentralen Umschlagpunkt entweder mit gutemFüllungs-grad größere Transportmittel eingesetzt oder mit gleich großen Transportmittelneine höhere Beförderungsfrequenz als in einemdezentralenNetz gebotenwerden.

Dieser positive Effekt tritt ab 4 Umschlagpunkten ein und nimmt linear mit der An-zahl der Umschlagpunkte zu. Der Preis und damit der Nachteil des zentralen Netzes

Page 53: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.10 Transportnetze und Transportketten 989

Abb. 20.16 Zentrales Fracht- oder Transportnetz

RU: Regionale Umschlagpunkte (N = 5)ZU: Zentraler Umschlagpunkt (Nabe oder Hub)

sind die Kosten und der Zeitverlust für den zusätzlichen Umschlag sowie die län-geren Transportwege für Lieferungen aus benachbarten Umschlagpunkten, die überden Zentralumschlagpunkt laufen. Hieraus folgt die Regel:� Ein zentrales Netz ist zur Verbindung einer großen Anzahl weit voneinander ent-

fernter Umschlagpunkte sinnvoll und wirtschaftlich, wenn das direkte wechsel-seitige Frachtaufkommen pro Periode deutlich geringer ist als die Transportmit-telkapazität.

Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen und des in der Regel ungleichmä-ßig verteilten Frachtaufkommens in und zwischen den Regionen sind die Transport-und Frachtnetze der Verkehrsgesellschaften und Speditionen in der Praxis eineKom-bination von zentralen und dezentralen Netzen.

Soweit zwischen zwei Stationen im Hin- und Rücklauf ein hinreichend großespaariges Frachtaufkommen besteht, werden Direkttransporte durchgeführt. Die rest-lichen Sendungen werden entweder über einen anderen regionalen Umschlagpunkt

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990 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

oder über einen zentralen Umschlagpunkt befördert. In der Regel hat auch der zen-trale Umschlagpunkt ein eigenes Einzugsgebiet und damit eine Doppelfunktion.

In einem regional strukturierten und dicht bevölkerten Land wie Deutschlandarbeiten die flächendeckenden Speditionen, die Eisenbahn, die Post und die Luft-verkehrsgesellschaften weitgehend mit dezentralen Netzen. In einem großflächigenLand, wie die USA, und in zentral organisierten Ländern, wie Frankreich und Eng-land, haben Speditionen, Luftfahrtgesellschaften und andere Transportdienstleisterüberwiegend zentrale Netze. Für die Paketdienstleister ist in den meisten Ländernwegen des geringen Sendungsaufkommens auf vielen Relationen ein zentrales Netzmit einem oder wenigen Hubs von Vorteil.

Durch eine Verknüpfung der nationalen Netze eines international tätigen Fracht-dienstleisters und durch Verbindung der Netze verschiedener Transportdienstleisteruntereinander entstehen kombinierte Netzwerke mit gemischt zentraler und dezen-traler Struktur. Wenn die Netze von Frachtdienstleistern, die mit verschiedenen Ver-kehrsträgern arbeiten, weltweit miteinander verknüpft werden, entstehen internatio-nale Transport- und Frachtnetze mit intermodalen Transportketten, die den ganzenGlobus umspannen (s. Abb. 20.4).

Für die Versender wie auch für die Frachtdienstleister eröffnet sich mit der Viel-falt und der Komplexität der internationalen Transportnetze eine kaum noch über-schaubare Fülle möglicher Transportketten. Zur Auswahl unter den Transportkettensind daher Tools für die Berechnung der Beförderungskosten und Laufzeiten sowieallgemeingültige Zuweisungsstrategien unerlässlich.

20.10.2 Standardfrachtketten

Für die Entwicklung von Zuweisungsstrategien und zur optimalen Festlegung derentsprechenden Strategieparameter, wie der Grenzkriterien (20.16) bis (20.19), ist eszweckmäßig, die möglichen Frachtketten nach aufsteigender Stufigkeit in Standard-frachtketten einzuteilen.

Der größte Teil des nationalen und internationalen Frachtaufkommens durch-läuft eine der 5 Standardfrachtketten, die in Abb. 20.17 dargestellt sind. Diese Fracht-ketten fächern sich weiter auf durch die verschiedenen Verkehrsträger, Transport-mittel, Transportarten und Betriebsarten.

Die Standardfrachtkette 1 des Direkttransports ohne Umschlag zwischen einerLieferstelle und einer Empfangsstelle ist eine einfache Transportverbindung. Sie istbei ausreichendem Ladungsaufkommen für mittelgroße Sendungen innerhalb ei-nes Nahgebiets und für größere Sendungen auch über größere Entfernungen amschnellsten und wirtschaftlichsten. Am häufigsten ist der Direkttransport im Stra-ßenverkehr. Bei großem und regelmäßigen Ladungsaufkommen, beispielsweise zwi-schen den Werken der Grundstoff- und der Konsumgüterindustrie, ist auch eine di-rekte Bahnverbindung wirtschaftlich.

Die Standardfrachtkette 2 ist typisch für die Verteilung kleinerer Sendungen in-nerhalb des Einzugsgebiets einesUmschlagpunktes. Die zu befördernden Sendungenwerden imVorlauf auf Sammelfahrten bei mehreren Kleinversendern oder in Abhol-fahrten bei einem Großversender abgeholt, der auch weiter entfernt sein kann, und

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20.10 Transportnetze und Transportketten 991

Abb. 20.17 Standardfrachtketten zwischen Lieferant und Empfänger

UP: Umschlag- oder UmladepunktSP: SammelumschlagpunktVP: Verteilumschlagpunkt

nach einem Umschlag im Nachlauf zu den Empfangsstellen gebracht. Die kombi-nierten Sammel- und Verteilfahrten finden meist im Straßenverkehr statt.

Die Standardfrachtkette 3mit einem Vorlauf im Einzugsgebiet eines Sammelum-schlagpunktes, einem Hauptlauf zu einem Verteilumschlagpunkt und einem Nach-lauf in einem anderen Gebiet ist typisch für die Sendungsspedition über größere Di-

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992 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

stanzen. Während der Vorlauf und der Nachlauf mit geeigneten Transportfahrzeu-gen auf der Straße stattfinden, kann der Hauptlauf entweder mit Sattel- oder Glieder-zügen ebenfalls auf der Straße, aber auch auf einem anderen Verkehrsträger durch-geführt werden. Die Standardfrachtkette 3 ist typisch für intermodale Straße-Bahn-Transporte (s. Abschn. 20.16). Sie ist auch die einfachste Verbindungsmöglichkeit imSchiffs- und Luftverkehr mit einem dezentralen Netz.

Für Frachtdienstleistermit einem zentralenNetz ist die Standardfrachtkette 4 cha-rakteristisch, die mit zwei Hauptläufen über einen zentralen Umschlagpunkt läuft.

Bei intermodalen Transporten über große Entfernungen kann zwischen den re-gionalen Umschlagpunkten und demHauptlauf, der in einem größeren, kostengüns-tigeren oder schnellerenTransportmittel auf einemanderenVerkehrsträger durchge-führt wird, jeweils ein weiterer Umschlagpunkt zweckmäßig sein, in dem auch ande-re Ladungsströme zusammenlaufen und ein Wechsel des Transportmittels oder desVerkehrsträgers stattfindet (s.Abb. 20.4). Dadurch entsteht die Standardfrachtkette 5.

Im regionalen, nationalen, kontinentalen und globalen Warenverkehr stehen dieFrachtketten der unterschiedlichen Logistikdienstleister und Verkehrsträger mitein-ander im Wettbewerb. Den Unternehmen stellt sich daher die Frage, ob und zuwelchem Anteil die benötigten Transporte und Beförderungsleistungen mit eigenenTransportmitteln und über ein eigenes Netz durchgeführt werden sollen und wannbesser ein Transport- oder Logistikdienstleister einzusetzen ist. Wegen der unter-schiedlichen Anforderungen und Ziele gibt es für die Frage, ob Fremdleistung oderEigenleistung, keine allgemeingültige Lösung sondern nur unternehmensindividu-elle oder branchenspezifische Antworten [21].

20.10.3 Gestaltungsprinzipien zur Gebietseinteilung

Für Frachtdienstleister mit eigenem Netz und Unternehmen mit eigenem Beschaf-fungs- oderDistributionssystem stellt sich die Aufgabe, ein Servicegebiet, in dem sichdie zu bedienenden Liefer- und Empfangsstellen befinden, so in eine Anzahl vonRegionen aufzuteilen, dass bei Einhaltung der Liefer- und Laufzeitanforderungeninsgesamt die kostengünstigsten Lieferketten möglich sind.

Für ein bestehendes Netz mit vorhandenen Umschlagpunkten ist es möglich,nach Abbildung des Netzes, der Lieferketten und der Anforderungen in einem BOL-Programm die Anzahl der Gebiete und die Zuordnung der Standorte nach einemzielführenden Suchalgorithmus zu verändern und auf diese Weise eine optimale Ge-bietseinteilung zu entwickeln. Ein solches Vorgehen ist jedoch recht aufwendig undbirgt zugleich die Gefahr in sich, dass eine strukturell grundlegend andere Lösungmit deutlich günstigeren Kosten verfehlt wird. Daher ist es in vielen Fällen ratsam,zur Gebietseinteilung eineAnfangslösung neu zu konstruieren und für diese eineOp-timierung der Lieferketten durchzuführen. Für die Gebietseinteilung haben sich fol-gende Gestaltungsprinzipien bewährt:

� Prinzip der minimalen Anzahl: Die Zahl der Gebiete sollte so klein wie möglichsein, damit eine geringe Anzahl von Umschlagpunkten entsteht, deren Fixkos-ten sich auf einen hohen Durchsatz verteilen, für die sich der Einsatz rationellster

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20.10 Transportnetze und Transportketten 993

Technik lohnt und die sich im Hauptlauf durch kostengünstige Transporte ver-binden lassen (s. Kap. 19).

� Prinzip der notwendigen Anzahl: Die Ausdehnung der einzelnen Gebiete wirdnach obenbegrenzt durch diemaximaleReichweite der Auslieferfahrzeuge, die vonder zulässigen Auslieferzeit, der effektiven Reisegeschwindigkeit und der Anzahlund Dauer der Stopps bestimmt wird. Aus der gewünschten Abdeckung des Ser-vicegebiets durch die Auslieferungskreise resultiert die minimal notwendige An-zahl von Gebieten.

� Prinzip des ausgeglichenen Ladungsaufkommens:Die einzelnenGebiete sollten einannähernd gleiches Ladungsaufkommen haben, damit dieUmschlagpunkte nichtzu unterschiedlich belastet sind und zwischen den Umschlagpunkten, von einemLogistikzentrum oder aus einemWerk imHauptlauf viele paarige Hin- und Rück-transporte entstehen.

� Prinzip der Gebietsteilung:Wenn das Sendungsaufkommen eines Gebiets so großist, dass ein Umschlagpunkt keine Kostendegression mehr aufweist, wird das Ge-biet aufgeteilt in Gebiete mit annähernd gleichem Sendungsaufkommen und vonzwei Umschlagpunkten bedient (s. Abschn. 19.11).

Zur Erläuterung der Anwendung dieser Gestaltungsprinzipien zeigt Abb. 20.18 fürdas Beispiel des inAbb. 20.24 dargestellten Distributionssystems einer Großhandels-kette, wie sich aus einer maximalen Tagestourenlänge eines Auslieferfahrzeugs von350 km ein Radius des maximalen Auslieferkreises von 145 km Luftlinie und desmittleren Auslieferkreises von 120 km Luftlinie errechnen lässt [122]. In Abb. 20.19ist dargestellt, wie die Auslieferkreise mit einem Radius von 120 km um 5 Regional-zentren annähernd 90% der Empfangsstellen in Deutschland abdecken, wenn dieStandorte in den Bedarfsschwerpunkten der zugeordneten 5 Ausliefergebiete liegen.Bei einem Absatzzuwachs im GebietMitte-Ost ist eine Gebietsteilung mit einem zu-sätzlichen Umschlagpunkt in der Umgebung von Erfurt vorgesehen.

Die in Abschn. 18.10 beschriebenen und in Abb. 18.27 dargestellten Modellrech-nungen haben gezeigt, dass die Zuordnung der Empfangs- und Lieferstellen an denGebietsgrenzen zu dem einen oder anderen Nachbargebiet und die Abweichung derStandorte der Umschlagpunkte vom Transportschwerpunkt einen relativ geringenEinfluss auf die Summe der Belieferungskosten haben. Hieraus folgt das

� Prinzip der zulässigen Vereinfachung: Für die Praxis ist eine relativ grobe Ge-bietseinteilung, beispielsweise auf der Ebene zweistelliger Postleitzahlen, und eineAnordnung der Standorte der Umschlagpunkte in einem Umkreis um den Trans-portschwerpunkt der Einzugsgebiete ausreichend, der einen Radius von ca. 10%des Gebietsdurchmessers hat.

Die genaue Lage der Umschlagpunkte ergibt sich ohnehin erst während der Realisie-rung aus den bestehenden Möglichkeiten und vorliegenden Restriktionen. Die Zu-ordnung einzelner Liefer- und Empfangsstellen zu den Umschlagpunkten wird vonder konkreten Tourenplanung bestimmt und kann sich im Verlauf der Zeit ändern(s. Abschn. 18.11) [20, 122].

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994 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Abb. 20.18 Ausliefertouren und Auslieferkreise eines Regionalzentrums (RC)

Maximale Tagestourenlänge der Auslieferfahrzeuge 350 kmMittlerer Umwegfaktor = Straßenentfernung: Luftlinie = 1,2xxx km: Straßenentfernungen(xxx km): Luftlinienentfernungen

Eine andere Möglichkeit zur Gebietseinteilung von Distributionssystemen mit ei-ner Quelle, von Beschaffungssystemen mit einer Senke und von zentralen Netzen, diedem Drehstrahlverfahren der Tourenplanung (s. Abb. 18.28) entspricht, ist das

� Stern- und Kreisverfahren: Um die zentrale Liefer- oder Empfangsstelle, das Um-schlagzentrum oder das Logistikzentrum wird ein konzentrisches Nahgebiet ge-schaffen, dessen Größe durch den maximalen Auslieferkreis der eingesetztenTransportmittel bestimmt wird. Das außerhalb liegende Ferngebiet wird in eineminimale Anzahl von Sektorenmit etwa gleichem Ladungsaufkommen aufgeteilt.Bei großer Gesamtgebietsausdehnung wird jeder Sektor in weitere Distributions-oder Beschaffungsgebiete zerlegt.

Als Beispiel für die Anwendung des Stern- und Kreisverfahrens zeigt Abb. 20.20 dieAnfangslösung einer Gebietseinteilung zur europaweiten Distribution von Fertigwa-ren, Autos oder Ersatzteilen aus Deutschland, die nach diesen Gestaltungsgrundsät-zen entwickelt wurde.

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20.10 Transportnetze und Transportketten 995

Abb. 20.19 Regionalzentren mit Gebieten und Auslieferkreisen einer Großhandelskettefür Installationsmaterial

Prozentangaben: Anteil der Gesamtsendungen pro JahrPunkte: Optimale Standorte der Regionalzentren_______: mittlere Auslieferkreise (120 km)__ _ _ _: maximale Auslieferkreise (145 km)Prinzipdarstellung ZLU [156]

Die zugehörigen Distributionsketten für Fertigfahrzeuge sind in Abb. 20.21 dar-gestellt. Nach einer europaweiten Ausschreibung wurden die Gebiete im Zuge ei-ner Feinplanung optimiert, arrondiert und an die konkreten Gegebenheiten der ein-zelnen Verkehrsträger und Dienstleister angepasst. Das Fahrzeugdistributionssystemarbeitet inzwischen erfolgreich und hat im Vergleich zu bestehenden Systemen beikurzen Laufzeiten deutlich günstigere Distributionskosten.

Mit Hilfe der Gestaltungsprinzipien zur Gebietseinteilung lässt sich bei Kenntnisder Standortverteilung und des Sendungsaufkommens für die Liefer- und Empfangs-stellen, wie es beispielsweise in den Abb. 20.6 und 20.7 dargestellt ist, recht schnelleine brauchbare Anfangslösung konstruieren. Wenn ein mehrstufiges Logistiksystem

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996 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Abb. 20.20 Aufteilung von Europa nach dem Stern- und Kreisverfahren in Servicegebietezur Eurodistribution von Fertigwaren und Ersatzteilen aus Deutschland

Zentrales Umschlaglager (ZL) zurKundenbelieferung in der Zentralregion und zurNachschubbelieferung der Regionalen Umschlaglager (RL)→ Nachschubbelieferungen → Kundenbelieferungen

benötigtwird, beispielsweisemit zwei oder drei Regionallagern,muss dieGebietsauf-teilung nach den o. g. Gestaltungsgrundsätzen zunächst inHauptgebiete und danachfür jedes Hauptgebiet in Umschlaggebiete durchgeführt werden.

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20.11 Distributionsketten der Konsumgüterindustrie 997

Abb. 20.21 Fahrzeugauslieferungsketten der Automobilindustrie

W: Montagewerk H: FahrzeughändlerWV: Werksverladung mit PufferflächenHU: Hafenumschlagpunkt Bahn/SchiffRU: Regionaler Umschlagpunkt Bahn→ Straße

20.11 Distributionsketten der Konsumgüterindustrie

Aus denWerken der Konsumgüterindustrie werden die Filialen der Handelskonzer-ne, der Konsumgenossenschaften, der Einzelhandelsketten und der kleinen Einzel-händler regelmäßig mit Ware versorgt [19].

Eine häufige Distributionsstruktur für Konsumgüter zeigt Abb. 20.13. Fünf dermöglichen Distributionsketten innerhalb dieser Struktur sind in Abb. 20.14 darge-stellt und in Tab. 20.1 spezifiziert. Sie führen vom Werk oder über Fertigwarenlagerdirekt zu denHandelsfilialen oder überHandelslager undUmschlagpunkte zu den Fi-

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998 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

lialen. Für kleinere Stückgutsendungen werden außerdem die über einen Umschlag-punkt laufenden Standardfrachtketten 2 und 3 der Abb. 20.17 eines Stückgutspedi-teurs genutzt.

Grundsätzlich ist zu entscheiden, ob die Lager und Umschlagstationen vom Lie-feranten, vom Handel oder von einem Logistikdienstleister betrieben werden. Sokann die in Abb. 20.14 gezeigte Verantwortungsgrenze zwischen Hersteller und Han-del für die Belieferungswege 4 und 5 auch an der Rampe der Filiale liegen, wenn dieUmschlagpunkte mit Crossdocking oder Transshipment vomHersteller oder seinemDienstleister betrieben werden.

In der Belieferung der Handelsfilialen konkurrieren also die Lieferketten vonHersteller, Spediteuren undHandel. Sie unterscheiden sich häufig nur imVerlauf derVerantwortungsgrenze und sind in den logistischen Funktionen weitgehend gleich.

Die von Industrie und Handel genutzten Lieferketten, die Anzahl und Standorteder Werke und Filialen sowie die Anzahl und Standorte der Fertigwarenlager, Han-delslager und Umschlagpunkte sind meist historisch gewachsen und von Unterneh-men zu Unternehmen verschieden. Daher stellt sich für jedes Unternehmen immerwieder die Frage, ob die gewachsenen Logistikstrukturen und Lieferketten optimalsind und den zukünftigen Marktanforderungen entsprechen (s. Abschn. 20.18).

Diese Frage wird für die Lieferanten des Handels dadurch verschärft, dass großeHandelsunternehmen aus den imnächstenAbschnitt angegebenenGründen ihre Be-schaffungslogistik zunehmend selbst bestimmen und auf ihre Ziele hin optimierenwollen. Die Folgen sind eine abnehmende Belieferung der Vielzahl einzelner Filialenund eine zunehmende Belieferung einer kleinen Anzahl von Lagern und Umschlag-stationen, die sich in der Regie des Handels befinden [19, 28, 120, 123, 124].

Gleichzeitig wird der Gefahrenübergang zwischen Hersteller und Lieferant vonden Filialen zur Rampe des Lagers oder einer Umschlagstation vorverlegt, die vomHandelsunternehmen selbst oder von einem beauftragten Logistikdienstleister be-trieben werden. Im Extremfall geht das Handelsunternehmen zur Selbstabholungüber. Die Ware wird der Industrie ab Werk oder ab Fertigwarenlager abgenommen,um auch die Zulauftransporte selbst disponieren und mit den Auslieferfahrten zuden Filialen zu paarigen Transporten kombinieren zu können.

Parallel zu der Veränderung der Lieferketten durch denHandel aber müssen vonder Industrie weiterhin die verbleibenden Einzelhändler und die Filialen kleinererHandelsketten frei Haus beliefert werden. Hierfür setzt die Industrie zunehmend Lo-gistikdienstleister ein (s. Kap. 21).

Die logistischen Veränderungen des Marktes und die sich fortsetzende Konzen-tration imHandel, die einhergehenmit einemAbbau regionalerHandelslager und ei-ner Konzentration der Lagerbestände in wenigen Logistikzentren, zwingen die Kon-sumgüterindustrie zur Anpassung und Neuausrichtung ihrer Distributionslogistik.

Ein Instrument hierfür ist das zuvor beschriebene BOL-Netzwerktool zur Bestim-mung der optimalen Lieferketten. Dieses wurde erfolgreich zur Neuausrichtung derUnternehmenslogistikmehrererKonsumgüterhersteller und anderer Lieferanten desHandels eingesetzt.

So verfügte beispielsweise ein mittelständischer Hersteller von Spirituosen, deraus dem Zusammenschluss mehrerer kleiner Unternehmen entstanden ist, über 3

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20.12 Beschaffungsketten des Handels 999

Werke an verschiedenen Standorten und über 8 Fertigwarenlager.Mit eigenemFuhr-park sowie von einer wechselndenAnzahl von Spediteurenwurden jährlich 150.000 tFertigwaren auf 240.000 Paletten an fast 12.000 Kunden ausgeliefert, die pro Jahr ca.110.000 Lieferaufträge erteilen.

Ergebnisse einer Neuausrichtung der Unternehmenslogistik und der Optimie-rung der Distributionsketten waren in diesem Fall: Schließung eines Werkes; mit-telfristige Konzentration der Massenproduktion auf einen Hauptstandort; Ausliefe-rung aus einem Logistikzentrum am Standort des Hauptwerks; Auflösung des eige-nen Fuhrparks und Übertragung der Auslieferungen an 3 Frachtdienstleister.

Die mit Hilfe des Netzwerktools errechneten jährlichen Einsparungen allein imBereich der Distribution – ohne die Effekte aus einer Bestandssenkung durch op-timale Losgrößen und aus der Werkszusammenlegung – lagen bei über 3,5 Mio. €pro Jahr oder 18% der bisherigen Kosten. Die prognostizierte Kostensenkung wurdeinnerhalb von 2 Jahren voll realisiert. Außerdem wurden durch die neue Unterneh-menslogistik die Flexibilität erhöht, der Kostenvorteil der Selbstabholung verringertund der Service deutlich verbessert.

Zu ähnlichen Ergebnissen führte auch die Neuausrichtung der Unternehmens-logistik eines führenden Herstellers von Haushalts- und Körperpflegemitteln. DiesesUnternehmen belieferte aus zwei Inlandswerken und mehreren europäischen Wer-ken über 2 Fertigwarenlager ca. 2.300Handelsfilialen und etwa 200 Zentrallager undCrossdocking-Stationen des Einzelhandels pro Jahr mit fast 115.000 t Fertigwaren.

Aus der Optimierung der Strukturen und der Distributionsketten resultierte dieLösung, die Auslieferung von einem Logistikzentrum an einem optimalen Standortdurchzuführen. Der Bau des Logistikzentrums wurde an einen Generalunternehmervergeben.Der Betrieb erfolgt heute in eigener Regie. Für dieDistribution inDeutsch-land werden 3 Spediteure eingesetzt. Bei deutlich verbessertem Service und erhöhterFlexibilität erreichten die Kosteneinsparungen in diesem Fall über 20% der bisheri-gen Distributionskosten.

20.12 Beschaffungsketten des Handels

Untersuchungen der Geschäftsprozesse in den Filialen des Handels haben ergeben,dass die Mitarbeiter in den Filialen zu 30 bis 40%, in einigen Fällen sogar zu über50%mit logistischen Tätigkeiten beschäftigt sind, wieWarenannahme, Eingangsprü-fung, Lagerarbeiten, Umräumen, Regalbefüllung, Leergutentsorgung, Warenbereit-stellung für die Kundenzustellung und Disposition. Der eigentliche Verkauf ist da-gegen mit weniger als 30% der Arbeitszeit nachrangig [123].

Eine wesentliche Ursache hierfür ist die große Anzahl ungeregelt über den gan-zen Tag eintreffender Sendungen unterschiedlichster Größe. Diese Erkenntnis hatviele Handelsunternehmen dazu veranlasst, ihre Beschaffungslogistik kritisch zuüberprüfen und neu zu gestalten. Ziele einer Optimierung der Handelslogistik sind[16, 19, 28, 120, 123, 237]:

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1000 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Stärkung des VerkaufsReduzierung der RampenkontakteEntlastung der Filialen von operativen LogistikaufgabenErleichterung und Verbesserung der DispositionErhöhte Warenpräsenz in den FilialenVermeidung von Ausschuss und RetourenOptimierung der BeständeSenkung der Kosten für die gesamte Beschaffungskette.

(20.37)

Außerdemmuss sich der Handel darauf einstellen, dass ein zunehmender Anteil derKunden eine Zustellung der Waren fordert, die er in einer Filiale, nach Katalog oderüber Electronic-Commerce (E-Commerce) per Internet bestellt [23].

Das erstePraxisbeispiel einer optimierten Handelslogistik ist eine expansive Bau-marktkette mit einem Sortiment von mehr als 60.000 Artikeln. Die über Deutsch-land und das angrenzende Ausland verteilten 80 Märkte wurden bisher von mehrals 1.200 Lieferanten frei Markt beliefert. Jeder Markt erhielt täglich zwischen 30 bis60, in der Spitze weit über 100 Sendungen. Die Sendungsgröße liegt zwischen einemPaket, mehreren Paletten und einer vollen LKW-Ladung. Die Belastung der Filialbe-legschaft durch Logistiktätigkeiten betrug 30 bis 35% der Arbeitszeit.

Die Optimierung der Unternehmenslogistik führte in diesem Fall zu der inAbb. 20.22 dargestellten Logistikstruktur mit zunächst 2 und nach weiterer Expansi-on 3 Logistikzentren an optimalen Standorten. Vier der möglichen Beschaffungsket-ten und die Verantwortungsabgrenzung zwischen den Lieferanten und dem Han-delsunternehmen zeigt Abb. 20.23. Die Wareneingangsprüfung wird damit für alleLieferungen, die über die Logistikzentren laufen, in diese vorverlegt.

Abb. 20.22 Beschaffungsstruktur einer Baumarktkette

L: Lieferanten (ca. 1.200) M: Märkte (ca. 80)LZ: Logistikzentren mit Crossdocking, Transshipment und Lager

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20.12 Beschaffungsketten des Handels 1001

Abb. 20.23 Beschaffungsketten einer Baumarktkette

L: Lieferant M: Markt mit VerkaufsbeständenCD: Crossdocking TS: TransshipmentZL: Zentrallager

Etwa 55% derWarenstücke mit 70% des Volumens werden von den Lieferantenweiterhin als Ganz- oder Teilladungssendungen über die Beschaffungskette 1 direktoder von Fachspediteuren an die Märkte geliefert. Das sind im wesentlichen Sen-dungen mit mehr als 5 Paletten oder über 1 t Gewicht, sperrige oder großvolumigeArtikel, wie Teppiche und Gefahrgut, und unverträgliche Waren, wie Zement, Steineund Düngemittel.

Über die eigenen Logistikzentren laufen 45% derWarenstücke, die ca. 50% vomUmsatz, aber nur 30% des Volumens ausmachen. Rund 50% der Lieferungen an dieLogistikzentren, deren Inhalt größer als 1/2 Palette pro Markt ist, werden über dieBeschaffungskette 2 nach dem Crossdocking-Verfahren abgewickelt. Rund 40% derLieferungen mit kleineren Mengen durchlaufen die Beschaffungskette 3 nach demTransshipment-Verfahren. Über die Beschaffungskette 4mit Zwischenlagerung im Lo-gistikzentrum läuft ein Teil der Aktionsware und die Importware, die zusammen et-wa 10% des gesamten Warenbedarfs ausmachen.

Mit der neuen Unternehmenslogistik der Baumarktkette wurden die Warenbe-stände bei gleichzeitig verbesserter Warenpräsenz abgebaut, die LogistikbelastungderMärkte erheblich reduziert und die Beschaffungslogistikkosten für die betreffen-

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1002 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Abb. 20.24 Distributionsstruktur einer Großhandelskette für Installationsmaterial undElektroartikel

L: Lieferanten (ca. 450) FL: Filialen (ca. 110) K: EndkundenRZ: Regionalzentren mit Crossdocking, Transshipment und Lager

den Warenströme ummehr als 15% gesenkt. Zugleich wurden damit die Vorausset-zungen für eine rechnergestützte Disposition, eine verstärkte Verkaufstätigkeit unddie weitere Expansion geschaffen [160].

Das zweite Praxisbeispiel ist eine Unternehmensgruppe des Elektrogroßhandelsmit über 110 Verkaufsstellen, die flächendeckend über Deutschland verteilt sind.Bisher wurde die bei den Lieferanten kundenspezifisch bestellte oder ab Lager ge-kaufte Ware von den Kunden in den Verkaufsstellen selbst abgeholt oder mit ange-mieteten Fahrzeugen zugestellt. Die Lieferbereitschaft war unzufriedenstellend, dieLieferzeiten teilweise zu lang und unverlässlich, das Präsenzsortiment zu gering unddie Beschaffungskosten zu hoch.

Die Optimierung der Unternehmenslogistik ergab in diesem Fall die inAbb. 20.24 dargestellte Beschaffungs- und Distributionsstruktur mit zunächst 5 undspäter 6 Regionalzentren, deren Standorte und Einzugsgebiete in Abb. 20.19 gezeigtsind. Die resultierenden 6 Beschaffungs- und Lieferketten und die Verantwortungs-abgrenzung zwischen den Lieferanten, dem Handelsunternehmen und den Kundenzeigt Abb. 20.25.

In den Regionalzentren wird ein breites regionales Sortiment vorrätig gehalten, inden Verkaufsstellen ein schmaleres lokales Sortiment. Die Kundenzustellung wird aufden Belieferungsketten 2 und 3 und die Filialbelieferung auf den Beschaffungsketten4, 5 und 6 grundsätzlich von einem zugeordneten Regionalzentrum aus im Ladungs-verkehr in bestimmten Touren durchgeführt. Je nach Sendungsaufkommen werdendafür Sattelaufliegerfahrzeuge, Wechselbrückenzüge oder kleinere Lieferfahrzeugeeingesetzt.

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20.12 Beschaffungsketten des Handels 1003

Abb. 20.25 Beschaffungs- und Lieferketten der Großhandelskette für Installationsmate-rial und Elektroartikel

Die Verteilung der Kleinsendungen bis zu 3 Pakete übernimmt ein Paketdienst-leister, von dessen Speditionsnetz die Standardfrachtkette 3 in Abb. 20.17 mit nur ei-nemVerteilumschlagpunkt proGebiet und dem zugehörigen Nachlauf genutzt wird.Der Hauptlauf ist ein täglicher Ladungstransport der Paketsendungen vom Regio-nalzentrum zum nächsten Umschlagpunkt des Paketdienstleisters. Ebenso werden

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1004 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Stückgutsendungen, die nicht in eine feste Tour passen, von einem Gebietsspediteurabgeholt und über dessen nächsten Umschlagpunkt zusammen mit den Sendungenanderer Lieferanten zugestellt.

Ergebnisse der Optimierung der Unternehmenslogistik sind eine wesentlich ver-breiterte Warenpräsenz, eine erhöhte Lieferfähigkeit, verlässliche kurze Lieferzeitenund eine Senkung der Logistikkosten um mehr als 20%. Die Veränderung der Un-ternehmenslogistik löste eine Neuausrichtung der gesamten Geschäftspolitik aus miteiner klaren Unterscheidung zwischen dem Zustellgeschäft und dem Abholgeschäftund einer veränderten Sortimentspolitik. Zugleich wurde die Basis für eine zukünf-tige Expansion unter Einbeziehung neuer Lieferanten geschaffen.

20.13 Auswahl optimaler Transport- und Frachtketten

Lieferketten, die nur Umschlagstationen aber keine bestandsführenden Zwischen-stationen enthalten, sind die Transport- und Frachtketten. Beispiele für intermodaleTransportketten und Standardfrachtketten zeigen die Abb. 20.4 und 20.17.

Die Belieferungskosten sind für Transport- und Frachtketten gleich den Fracht-kosten, die imPersonentransport alsBeförderungskosten bezeichnet werden.Dement-sprechend lassen sich mit Hilfe eines Programms zur Auswahl optimaler Transport-ketten – kurz AOT-Programm genannt – die Fracht- oder Beförderungskosten fürunterschiedliche Transportketten kalkulieren, die Sendungslaufzeiten errechnen, dieoptimalen Transportketten bestimmen und die verschiedenen Einflussfaktoren aufdie Frachtkosten untersuchen.

Die Lieferstellen können ein oder mehrere Logistikzentren, Regionallager oderWerke sein, aber auch eine größere Anzahl von Versendern. Als Empfangsstellen sindwenige Großabnehmer, eine größere Anzahl mittlerer Abnehmer oder eine Vielzahlvon flächenverteilten Kunden möglich.

DasAOT-Programmtool berücksichtigt keine Bestände in den UmschlagpunktenzwischendenLiefer- undEmpfangsstellen. Es lässt sich jedochdurchHinzufügenderLogistikfunktionen (20.5) in den Versandstellen, Zwischenstationen und Empfangs-stellen erweitern zu dem vorangehend beschriebenen BOL-Tool zur Bestimmungoptimaler Lieferketten mit bestandsführenden Stationen. Zusätzlich können weite-re Zwischenstationen und Transportverbindungen eingefügt werden. Damit werdenBeförderungs- und Lieferketten mit höherer Stufigkeit möglich.

Rückfrachten, Leergutrückführung und Entsorgungstransporte können über diegleichen Transportketten wie die Belieferung zurücklaufen, aber auch andere Trans-portketten nutzen. Bei Nutzung der gleichen Transportmittel errechnet das Pro-gramm aus den betreffenden Hin- und Rückfrachtströmen den Anteil der paarigenTransporte und die daraus resultierenden Transportkostenersparnisse.

Für die Entfernungen zwischen den Lieferstellen, den Umschlagstationen undden Empfangsstellen können entweder die mit dem Sendungsaufkommen gewich-teten mittleren Entfernungen zwischen den betrachteten Regionen oder die genauenEntfernungen für spezielle Relationen und einzelne Sendungen eingegeben werden.

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20.14 Einflussfaktoren der Frachtkosten 1005

Die Leistungskosten für den Umschlag, die Transporte und andere Logistikleis-tungen werden in entsprechenden Unterprogrammen errechnet. Sie können bei Be-darf durch aktuelle Leistungspreise überschrieben werden. Für die Transportmittelunterschiedlicher Verkehrsträger können die entsprechenden Kapazitäten, Reisege-schwindigkeiten und Leistungskosten eingegeben werden.

Die Abmessungen und Gewichte der Logistikeinheiten, wie die Verpackungsein-heiten, die Ladeeinheiten und die Transporteinheiten, werden in ein weiteres Unter-programm eingegeben, das hieraus mit Hilfe der in Kap. 12 angegebenen Formelndie effektiven Kapazitäten errechnet. Aus den Kapazitäten der Logistikeinheiten undden Sendungsanforderungen errechnet das Programmmit Hilfe der Formeln (20.15)bis (20.30) den Ladeeinheitenbedarf, das Transportaufkommen und den Leistungs-durchsatz.

Eingabewerte des AOT-Programms sind die Sendungsanforderungen und dieStrukturparameter. Ergebnisse sind die Beförderungskosten pro Periode für die ver-schiedenen Transport- und Frachtketten und die spezifischen Frachtkosten pro Ver-packungseinheit, pro Ladeeinheit oder pro 100 kg.

20.14 Einflussfaktoren der Frachtkosten

Um die Auswirkungen der verschiedenen Einflussfaktoren auf die Frachtkosten zuquantifizieren, wurden mit Hilfe eines AOT-Programms eine Reihe vonModellrech-nungen durchgeführt. Als Beispiel wurde die in Abb. 20.13 gezeigte Distributionss-truktur mit einem Logistikzentrum gewählt, das den Einzelhandel in Deutschlandflächendeckend mit palettierten und unpalettierten Verpackungseinheiten beliefert.Die Auslieferung erfolgt auf der Straße im Zu- und Hauptlauf mit Sattelauflieger-oderWechselbrücken-Zügen und imNachlauf mit 7,5 t-Transportern. Die Ergebnis-se der Modellrechnungen für dieses Beispiel aus der Praxis sind in den Abb. 20.26bis 20.32 dargestellt. Die Sendungsanforderungen und weitere Parameter der Mo-dellrechnungen sind in der Legende zu Abb. 20.26 angegebenen. In der Legende derweiteren Abbildungen sind nur die jeweils veränderten Parameter aufgeführt. Dieverschiedenen Abhängigkeiten gelten ceteris paribus.

InAbb. 20.26 ist die Abhängigkeit der mittleren Frachtkosten pro Palette von derAnzahl der Umschlagpunkte dargestellt, die sich für eine zweistufige Auslieferung vonStückgutsendungen über jeweils einen Verteilumschlagpunkt mit Crossdocking er-gibt. Ein ähnlicher Verlauf ergibt sich für die zweistufige Auslieferung von Paketsen-dungen.

Bis zu 25UmschlagpunktennehmendieNachlaufkosten stärker ab als dieHaupt-laufkosten zunehmen, so dass die Frachtkosten insgesamt sinken. Ab 25 Umschlag-punkten aber steigen die Hauptlaufkosten stärker als die Nachlaufkosten abnehmen,da bei dem betrachteten Ladungsaufkommen der mittlere Füllungsgrad der exklu-siven Ganzladungstransporte zu den Umschlagpunkten immer schlechter wird. Dieoptimale Anzahl Umschlagpunkte ist daher in diesem Fall 25.

DurchParametervariation ergeben sich aus denModellrechnungen für die Stück-gut- und Paketsendungen folgende Zusammenhänge:

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1006 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Abb. 20.26 Abhängigkeit der Frachtkosten für Stückgutsendungen von der AnzahlUmschlagpunkte bei zweistufiger Transportkette

Frachtaufkommen: 30.000 VPE/Tag = 600 Voll-Pal/Tag = 75.000 t/aMittl. Sendungsinhalt: 50 VPE/Snd = 1,0 Voll-Pal/SndMitt. Verpackungseinheit: VPE = Karton mit 12 l/VPE und 10 kg/VPELadeeinheiten: LE = CCG1 Paletten mit im Mittel 49 VPE/LEMittl. Entfernung L→ E: 280 kmStufigkeit: zweistufig über 1 Verteilumschlagpunkt (VP)Abwicklungsform: Crossdocking

� Die Frachtkosten verändern sich im Bereich der optimalen Anzahl nur wenig mitder Anzahl der Umschlagpunkte.

� Bei zweistufiger Belieferung über Verteilumschlagpunkte in den Zielregionenverschiebt sich die optimale Anzahl der Umschlagpunkte mit zunehmendemFrachtaufkommen und abnehmender Sendungsgröße nach oben, mit abnehmen-dem Frachtaufkommen und zunehmender Sendungsgröße nach unten.

� Wenn das Frachtaufkommen einen kritischen Wert unterschreitet, ist eine drei-stufige Belieferung über einen regionalen Sammelpunkt in der Nähe des Ver-sandortes mit gemeinsamem Hauptlauf zusammenmit dem Ladungsaufkommenanderer Versender zu den regionalen Verteilumschlagpunkten günstiger als diezweistufige Belieferung nur über die Verteilumschlagpunkte in der Zielregion(s. Abb. 20.29).

Page 71: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.14 Einflussfaktoren der Frachtkosten 1007

Abb. 20.27 Abhängigkeit der Frachtkosten von der Sendungsgröße für Ganzladungs-,Teilladungs- und Stückgutsendungen

GLS: GanzladungssendungenTLS: TeilladungssendungenSGS: StückgutsendungenStruktur: 20 VerteilumschlagpunkteParameter: wie Abb. 20.26

� Ein Hauptlauf direkt vom Auslieferort zum regionalen Verteilumschlagpunkt istnur bei einem täglichen Ladungsaufkommen von mehr als einer Ganzladungwirtschaftlich oder wenn eine Kombination des Zulauftransports zumVerteilum-schlagpunkt mit der Direktbelieferung eines Großkunden in der Region möglichist.

Die errechnete Abhängigkeit der Frachtkosten von der Sendungsgröße ist für Ganzla-dungs-, Teilladungs- und Stückgutsendungen in Abb. 20.27 gezeigt und für Teilla-dungs-, Stückgut- und Paketsendungen in Abb. 20.28. Hieraus sind folgende Gesetz-mäßigkeiten und Abhängigkeiten ablesbar:

� Die Frachtkosten hängen für alle Versandarten und Abwicklungsformen sehrstark von der Sendungsgröße ab.

� Ausgehend von kleinen Sendungsgrößen können sich die Frachtkosten bei einerVerdopplung der Sendungsgröße mehr als halbieren.

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1008 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Abb. 20.28 Abhängigkeit der Frachtkosten von der Sendungsgröße für Teilladungs-,Stückgut- und Paketsendungen

TLS: TeilladungssendungenSGS/CD: Stückgutsendungen über 1 UP mit CrossdockingSGS/TS: Stückgutsendungen über 1 UP mit TransshipmentPKS/1 UP: Paketsendungen über 1 Verteilumschlagpunktübrige Parameter: wie Abb. 20.26

� Der Ganzladungstransport ist für Sendungen mit mehr als etwa 22 Paletten oder11 t kostengünstiger als der Teilladungstransport (s. Abb. 20.27).

� Soweit das gesamte Sendungsaufkommen für direkte Ausliefertouren ausreicht,ist der Teilladungstransport für Sendungen ab 3 Paletten und 1.500 kg wirtschaft-licher als die Stückgutspedition (s. Abb. 20.28).

� Kleinere Stückgutsendungen mit weniger als ca. 1,5 Paletten sind wirtschaftlichernach dem Transshipment-Verfahren, größere Stückgutsendungen günstiger nachdem Crossdocking-Verfahren auszuliefern (s. Abb. 20.28).

� Die Frachtkosten von Sendungen mit weniger als 10 Verpackungseinheiten sindfür Paketsendungen geringer als für Stückgutsendungen (s. Abb. 20.28).

� Die Optimalitätsgrenzen zwischen den verschiedenen Versandarten hängen abvonGröße undGewicht der Paletten undVerpackungseinheiten sowie von Fracht-aufkommen und Entfernung zwischen Quellgebiet und Zielgebiet.

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20.14 Einflussfaktoren der Frachtkosten 1009

Abb. 20.29 Abhängigkeit der Frachtkosten vom Frachtaufkommen

SGS 1 UP: Stückgutsendungen über 1 UP mit CrossdockingSGS 2 UP: Stückgutsendungen über 2 UP mit CrossdockingPKS 1 UP: Paketsendungen über 1 VerteilumschlagpunktPKS 2 UP: Paketsendungen über 2 UPSendungsgrößen: SGS: 50 VPE/Snd PKS: 3 VPE/Sndübrige Parameter: wie Abb. 20.26

Die hier quantifizierten Optimalitätsgrenzen sind ein Beispiel für die zuvor beschrie-benen Zuweisungskriterien (20.16) bis (20.19) für optimale Lieferketten.

Die Abhängigkeit der Frachtkosten vom Frachtaufkommen und von der Stufig-keit der Transportketten zeigtAbb. 20.29.Dabei unterscheidet sich diemittlereGrößeder Stückgutsendungen (50 VPE/Snd) von der mittleren Größe der Paketsendungen(3 VPE/Snd). Aus dieser Abhängigkeit sowie aus weiteren Modellrechnungen erge-ben sich die Regeln:

� Mit abnehmendem Frachtaufkommen steigen die Frachtkosten für Stückgut- undPaketsendungen wegen der schlechteren Auslastung der Lade- und Transportein-heiten stark an.

� Mit zunehmendem Frachtaufkommen erreichen die Frachtkosten bei optimalerAuslastung der Lade- und Transporteinheiten asymptotisch einen Grenzwert.

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1010 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Abb. 20.30 Abhängigkeit der Frachtkosten von der Transportentfernung

GLS: Ganzladungssendungen mit 1.500 VPE = 31 Pal/SndTLS: Teilladungssendungen mit 600 VPE = 12,6 Pal/SndSGS: Stückgutsendungen mit 75 VPE = 2 Pal/Sndübrige Parameter: wie Abb. 20.26

� Wenndas Frachtaufkommennicht ausreicht zur Belieferung derVerteilumschlag-punkte in hinreichend gefüllten Sattelaufliegern oder Wechselbrücken, ist einTransport über zwei Umschlagpunkte kostengünstiger.

� Die Optimalitätsgrenze zwischen der zweistufigen und der dreistufigen Beliefe-rung liegt in diesem Fall bei ca. 12,5 Paletten pro Relation. Sie hängt ab von derZulaufentfernung sowie von der Höhe der Umschlagkosten.

Die errechnete Abhängigkeit der Frachtkosten von der Transportentfernung zwi-schen Versandort und Empfangsstelle zeigt die Abb. 20.30. Hieraus sind folgendeAbhängigkeiten und Regeln ablesbar:

� Die Frachtkosten nehmen für alle Sendungsarten mit der Entfernung linear zu.

� Der entfernungsbedingte Kostenanstieg ist für Stückgut- und Paketsendungengrößer als für Ganz- und Teilladungssendungen.

Eine weitere wichtige Einflussgröße auf die Frachtkosten ist die Frachtstückgröße. DieAbb. 20.31 zeigt die Abhängigkeit der Frachtkosten vom Packstückvolumen bei kon-stant gehaltenem Frachtaufkommen. Hieraus ist der Zusammenhang ablesbar:

Page 75: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.14 Einflussfaktoren der Frachtkosten 1011

Abb. 20.31 Abhängigkeit der Frachtkosten von der Packstückgröße

SGS: Stückgutsendungen mit 50 VPE/SndPKS: Paketsendungen mit 3 VPE/SndFrachtaufkommen: 20.000 VPE/Tagübrige Parameter: wie Abb. 20.26

� Bei gleicher Sendungsstruktur und gleicher Versandart nehmen die Frachtkostennahezu linear mit der Größe der Packstücke zu.

Bei gleichem Sendungsaufkommen bewirken große Packstücke ein größeres La-dungsaufkommen als kleine Packstücke, so dass ein Wechsel zu einer anderen Ver-sandart, beispielsweise von Paketsendungen zu Stückgutsendungen oder von Stück-gutsendungen zu Teilladungen kostengünstiger sein kann.

Als letzte Abhängigkeit zeigt Abb. 20.32 für Stückgutsendungen, die über einenVerteilumschlagpunkt ausgeliefert werden, den Einfluss der Lieferfrequenz auf dieSendungslaufzeit und auf die Lieferkosten. Der Anstieg der Frachtkosten mit zu-nehmender Lieferfrequenz resultiert in diesem Fall aus der abnehmenden Auslas-tung der Zulauftransporte zu den Verteilumschlagpunkten. Bei weiterer Erhöhungder Lieferfrequenz kommen die Mehrkosten für den Einsatz kleinerer Auslieferfahr-zeuge und für Sonderfahrten hinzu. Allgemein gilt die Regel:

� Mit zunehmender Lieferfrequenz werden die Sendungslaufzeiten immer kürzer,während die Frachtkosten stärker ansteigen.

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1012 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Abb. 20.32 Frachtkosten und Sendungslaufzeit als Funktion der Lieferfrequenz

Palettensendungen über einen Verteilumschlagpunkt mit CrossdockingFrachtaufkommen: 27 Pal/Tag und RegionMittl. Sendungsinhalt: 2 Pal/Sndübrige Parameter: wie Abb. 20.26

Insgesamt zeigen die Modellrechnungen, dass die optimale Lieferkette und dieFrachtkosten sehr stark von den Leistungsanforderungen abhängen, insbesonderevom Frachtaufkommen, von der Frachtstückgröße und von der Sendungsgröße. Siewerden außerdem durch eine Reihe von Parametern beeinflusst, wie den Lieferfre-quenzen, den Strukturparametern, den Entfernungen und der Größe des Servicege-biets.

Ohne genaue Kenntnis der Anforderungen, Randbedingungen und übrigen Ge-gebenheiten sind daher Frachtkostenvergleiche und empirische Benchmarks fürTransport- und Frachtkosten irreführend. Mit Hilfe eines AOT-Programms lassensich hingegenprojektspezifische analytische Benchmarks für die Frachtkosten errech-nen. Der Vergleich der aktuell gezahlten Frachtpreise und der daraus resultieren-den Frachtkosten mit den analytischen Benchmarkwerten zeigt am sichersten dieEinsparungs- und Verbesserungspotentiale auf, die durch eineOptimierung der Trans-port- und Lieferketten erreichbar sind.

Page 77: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.15 Transportpreise und Frachttarife 1013

20.15 Transportpreise und Frachttarife

Zur Beförderung seiner Sendungen kann ein Versender, der selbst keine Transport-mittel besitzt oder für längere Zeit anmieten will, am Markt entweder Transportleis-tungen oder Frachtleistungen einkaufen.

20.15.1 Transportleistungspreise

Transportleistungen sind Transportfahrten, die von einem Auftragnehmer mit einembestimmten Transportmittel nach Anweisung eines Auftraggebers durchgeführt wer-den. Auftraggeber können Privatpersonen, Unternehmen aus Industrie und Handelaber auch Logistikdienstleister sein. Auftragnehmer sind im Straßentransport die so-genannten Frachtführer, in der Binnenschifffahrt die Partikuliere, in der Seeschiff-fahrt die Charterreedereien und im Luftverkehr die Chartergesellschaften.

Die Transportmittel werden vom Auftragnehmer mit Fahrpersonal bereitgestelltund einschließlich Treib- und Schmierstoffe sowie Reparatur undWartung betriebs-fähig gehalten. Die Einsatzzeiten werden zwischen Auftraggeber und Auftragneh-mer vereinbart und die Transportfahrten nach den Anforderungen und Vorgabendes Auftraggebers durchgeführt.

Für den Straßentransport können beispielsweise Sattelaufliegerzüge, Wechsel-brücken-Gliederzüge oder Transporter mit einer Kapazität angefordert werden, diedurch Nutzlast und Laderaum definiert ist. Im Seeverkehr können für den Trans-port bemannte Schiffe gechartert werden, im Schienenverkehr Eisenbahnzüge mitWaggons, Lok und Fahrdienstpersonal.

Für die Vergütung von Transportleistungen gibt es im Transportgewerbe eineVielfalt vonMöglichkeiten undUsancen [35,125,126,137]. Die verschiedenenTrans-portvergütungssysteme lassen sich grundsätzlich unterscheiden in:

• Vergütung des Transportmitteleinsatzes nach Zeit und Aufwand (Zeitcharter) zubestimmten Periodensätzen zuzüglich einsatzbedingter Kosten für Treibstoffver-brauch, Trassennutzung usw. (z. B. Autovermietung oder Schiffscharter).

• Vergütung des Transportmitteleinsatzes nach Leistung zu nutzungsgemäßen Leis-tungspreisen (z. B. Taxifahrt).

Um die Transportkosten für den Versender zu optimieren, ist die Vergütung nachLeistung geeigneter als eine Vergütung nach Zeit und Aufwand oder nach anderenVerfahren. Die leistungsabhängige Vergütung mit den nutzungsgemäßen Transport-leistungspreisen

Grundpreis PG [€/TE-Fahrt]Stopppreis PST [€/TE-Stop]Fahrwegpreis PFW [€/TE-km]

(20.38)

setzt voraus, dass die Art der Transporteinheiten TE durch die Angabe der Daten vonTransportmittel und Laderaum eindeutig spezifiziert ist, dass das Einsatzgebiet, dieEinsatzzeit und die mit einer Transportfahrt verbundenen Grundleistungen, wie das

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1014 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Bereitstellen einschließlich Be- und Entladen klar vereinbart wurden und dass diemittleren Stoppzeiten bekannt sind.

Mit den Leistungspreisen (20.38) ist der Transportpreis für die Durchführung ei-ner Transportfahrt, die sich insgesamt über einen Fahrweg LFW [km] erstreckt undzwischen Start- und Endpunkt der Nutzfahrt mit nST Stopps verbunden ist, gegebendurch dieMasterformel:

PTR = PG + nST ⋅ PST + LFW ⋅ PFW [€/TE-Fahrt] . (20.39)

Ein Beispiel für nutzungsgemäße Transportpreise sind die Taxipreise. Für die Beför-derung ist ein Grundpreis festgelegt, der abhängig von Einsatzgebiet, Einsatzzeit undAnfahrweg zur Zeit zwischen 2,00 und 2,50 € pro Fahrt liegt, und ein Fahrwegpreis,der gegenwärtig zwischen 1,30 bis 1,50 €/km beträgt. Darüber hinaus wird für denZu- oder Ausstieg eines Fahrgastes an einem Zwischenhalt oder für größere Gepäck-stücke ein Zuschlag erhoben. Entsprechende Leistungspreise anderer Transportmit-tel sind in Tab. 18.4 angegeben.

20.15.2 Frachtleistungspreise

Das Abholen, Befördern und Zustellen von Sendungen ist eine Frachtleistung, diemehr umfasst als den reinen Transport. Das Frachtunternehmen kann eine Spedi-tion, ein Paketdienstleister, die Bahn, die Post oder ein Verkehrsbetrieb sein. Es or-ganisiert dieFrachtketten zurAusführung vonVersandaufträgen und verfügt dafür inder Regel über ein festes Frachtnetz. Für die Transporte werden eigene oder fremdeTransportmittel eingesetzt.

Für die Vergütung von Frachtleistungen gibt es eine noch größere Vielfalt vonTarifsystemen, Frachttabellen, Fahrpreisen und Beförderungstarifen als für die Ver-gütung von Transportleistungen [125–127, 137]. Viele Frachtpreise und Tarife, dievon Beförderungsunternehmen angeboten, teilweise auch staatlich festgelegt wer-den, sind jedoch nur wenig leistungsabhängig und kaum nutzungsgemäß (s. Ab-schn. 7.1 und Abschn. 22.4) [35].

Eine nutzungsgemäße Frachtkostenkalkulation – zum Beispiel mit dem AOT-Programm – ergibt, dass die Frachtkosten für die in Abb. 20.17 dargestellten Stan-dardfrachtketten in weiten Grenzen linear von der Frachtstückgröße und von derEntfernung zwischen Versandort und Zustellort abhängen (s. Abb. 20.30 und 20.31).Einweiterer Einflussfaktor auf die Frachtkosten ist die Sendungsgröße (s.Abb. 20.28).

Die Abhängigkeit der Frachtkosten von Frachtstückgröße, Entfernung und Sen-dungsgröße wird nutzungsgemäß wiedergegeben durch die Frachtleistungspreise:

Sendungspreis PS [€/Snd]Mengenpreis PME [€/ME]Entfernungspreis PE [€/ME-km] .

(20.40)

Mengenpreis und Entfernungspreis hängen von der gewählten Mengeneinheit MEab und erhöhen sich mit der Größe der Mengeneinheit.

Zur Erläuterung sind in Tab. 20.3 die Frachtpreise für die Zustellung von Stück-gutsendungen in Deutschland über die beiden Standardfrachtketten 2 und 3 aus

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20.15 Transportpreise und Frachttarife 1015

Transportkette Sendungspreis Mengenpreis Entfernungspreis

Frachtaufkommen €/Sendung €/PalStp €/Pal-km

Zustellung über 1 UP 4,80 12,00 0,075

größer 20 Pal/Tag pro Zielgebiet

Zustellung über 2 UP 7,20 19,00 0,075

kleiner 20 Pal/Tag pro Zielgebiet

Tab. 20.2 Frachtleistungspreise für Stückgutsendungen

Modellrechnung für Crossdocking von Euro-PalettenPreise = Kostensätze + 20% Gemeinkosten; Basis 2004Gesamtfrachtaufkommen größer 20 Pal/TagGrundmaße 800 × 1.200, Gewicht bis 500 kg/Pal

Abb. 20.17 zusammengestellt. Die Frachtkostensätze wurden mit Hilfe des zuvorbeschriebenen AOT-Programms kalkuliert. Die Frachtpreise der Tab. 20.2 sind ge-genüber den kalkulierten Frachtkostensätzen um einen Gemeinkostenzuschlag er-höht. Der Vertriebs- und Verwaltungsgemeinkostenzuschlag (VVGK), den ein Spe-diteur für Verwaltung, Vertrieb, Disposition, Steuerung, Sendungsverfolgung, Aus-lastungs- und Leerfahrtrisiko, Leistungsbereitschaft und Gewinn benötigt, wurdehier mit 20% angesetzt.

Die aktuellen Leistungspreise und damit auch der erwirtschaftete Deckungsbei-trag hängen von Angebot und Nachfrage auf dem Transport- und Frachtmarkt zumZeitpunkt der Auftragsverhandlung ab. Daher können die gezahlten Transportpreiseund Frachttarife erheblich von den auf Kostenbasis kalkulierten Preisen und Tarifenabweichen, die in den Tab.n 18.4, 20.2, 20.3 und 20.4 angegeben sind.

Mit den Leistungspreisen (20.40) ist der Sendungsfrachtpreis für eine Sendungder GrößemS [ME/Snd], die über eine Entfernung dE [km] zu befördern ist, gegebendurch dieMasterformel:

PFS = PS +mS ⋅ (PME + dE ⋅ PE) [€/Snd] . (20.41)

Hieraus ergibt sich dieMasterformel für den Frachtpreis pro Mengeneinheit:

PME = PFR/mS = PS/mS + PME + dE ⋅ PE [€/ME] . (20.42)

Nach dieser Preisberechnung nimmt der Frachtpreis pro Mengeneinheit entspre-chend dem Verlauf in Abb. 20.28 umgekehrt proportional mit der Sendungsgrößeab und entsprechend dem Verlauf in Abb. 20.30 linear mit der Entfernung zu. Überdie Abhängigkeit der Leistungspreise (20.40) von der Größe der Mengeneinheit er-

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1016 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

SendungsgewichtEntfernung

500 1.000 1.500 2.000km bis bis bis bis bis

von bis 500 1.000 1.500 2.000 2.500 kg/Snd

100 8,57 6,65 6,26 6,10 6,01 €/100kg

100 200 10,44 8,52 8,14 7,97 7,88 €/100kg

200 300 12,32 10,40 10,01 9,85 9,76 €/100kg

300 400 14,19 12,27 11,89 11,72 11,63 €/100kg

400 500 16,07 14,15 13,76 13,60 13,51 €/100kg

500 600 17,94 16,02 15,64 15,47 15,38 €/100kg

600 700 19,82 17,90 17,51 17,35 17,26 €/100kg

700 800 21,69 19,77 19,39 19,22 19,13 €/100kg

800 900 23,57 21,65 21,26 21,10 21,01 €/100kg

900 1.000 25,44 23,52 23,14 22,97 22,88 €/100kg

Tab. 20.3 100 kg-Frachttarife für Palettenzustellung über zwei Umschlagpunkte

Stückgutbeförderung von EURO-PalettenGesamtfrachtaufkommen> 30 Pal/Tag > 12 t/TagSendungspreis 7,20 €/Snd 7,20 €/SndMengenpreis 19,00 €/Pal 4,75 €/100 kgEntfernungspreis 0,075 €/Pal-km 0,0188 €/100 kg-km

min mittel maxPalettengewicht 200 400 600 kg/Pal

gibt sich der inAbb. 20.31 gezeigte Anstieg des spezifischen Frachtpreises (20.42)mitdem Frachtstückvolumen.

20.15.3 Frachttarife

Die Sendungsgröße wird in unterschiedlichenMengeneinheiten ME gemessen:

ME = kg, t, m3, Paket, Palette, ISO-Container oder LE . (20.43)

DieMengeneinheit, die für eine Frachtkostenabrechnung zu wählen ist, hängt ab vonder Frachtbeschaffenheit und von der Transport- und Umschlagtechnik, die in derFrachtkette eingesetzt wird.

Page 81: Logistik 2 || Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

20.15 Transportpreise und Frachttarife 1017

SendungsgewichtEntfernung

500 1.000 1.500 2.000km bis bis bis bis bis

von bis 500 1.000 1.500 2.000 2.500 kg/Snd

100 5,86 4,58 4,32 4,21 4,15 €/100kg

100 200 7,73 6,45 6,20 6,09 6,03 €/100kg

200 300 9,61 8,33 8,07 7,96 7,90 €/100kg

300 400 11,48 10,20 9,95 9,84 9,78 €/100kg

400 500 13,36 12,08 11,82 11,71 11,65 €/100kg

500 600 15,23 13,95 13,70 13,59 13,53 €/100kg

600 700 17,11 15,83 15,57 15,46 15,40 €/100kg

700 800 18,98 17,70 17,45 17,34 17,28 €/100kg

800 900 20,86 19,58 19,32 19,21 19,15 €/100kg

900 1.000 22,73 21,45 21,20 21,09 21,03 €/100kg

Tab. 20.4 100 kg-Frachttarife für Palettenzustellung über einen Umschlagpunkt

Stückgutbeförderung von EURO-PalettenGesamtfrachtaufkommen> 30 Pal/Tag > 12 t/TagSendungspreis 4,80 €/Snd 4,80 €/SndMengenpreis 12,00 €/Pal 3,00 €/100 kgEntfernungspreis 0,075 €/Pal-km 0,0188 €/100 kg-km

min mittel maxPalettengewicht 200 400 600 kg/Pal

Die Frachtkosten hängen sehr wesentlich von der Kapazität der Transportmittelab. Sie wird bei volumenbestimmter Fracht durch den Laderaum und bei gewichts-bestimmter Fracht durch die Nutzlast begrenzt. Daher wird die Sendungsgröße fürvolumenbestimmte Fracht in Liter,Kubikmeter oder Ladeeinheiten gemessen und fürgewichtsbestimmte Fracht in Kilogramm oder Tonnen (s. Abschn. 12.5).

Dementsprechend wird die Ladung in der Möbelspedition in Laderaummeternund bei der Beförderung von Gas in Kubikmetern gemessen. In derMassengutbeför-derung von Flüssigkeiten und Feststoffen wird die Ladungsgröße in Tonnen und dieEntfernungsleistung in Tonnen-Kilometer-Sätzen abgerechnet.

In der Stückgutspedition sind entfernungsabhängige 100 kg-Frachtkostensätzeund Tabellenwerke üblich [125, 127]. Als Beispiel sind in den Tab. 20.3 und 20.4die 100 kg-Frachttarife für Paletten zusammengefasst, die für die angegebenen Pa-

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1018 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Zustellpreis

Pakete Pakete Pakete

Servicegebiet bis 5 kg 5 bis 15 kg 15 bis 31 kg

Nahgebiet 3,20 5,40 7,60 € /Paket

Ferngebiete 3,70 6,10 9,10 € /Paket

Tab. 20.5 Frachtkostensätze für die Paketzustellung

Einzelstücksendungen (1 Sendung = 1 Paket)Frachtaufkommen > 5.000 Pakete pro TagPreise 2002Nahgebiet Umschlag über 1 UmschlagpunktFerngebiet Umschlag über 2 Umschlagpunkte

lettengewichte und Lieferketten aus den Mittelwerten der Tabellengrenzen mit Hilfeder Frachtpreisformel (20.42) und denFrachtleistungspreisen derTab. 20.2 kalkuliertwurden.

Die 100 kg-Sätze haben den Nachteil, dass sie die Größe und Beschaffenheit derFrachtstücke nicht direkt berücksichtigen, von denen die Kosten für das Be- undEntladen und das Handling in den Umschlagstationen abhängen. Wenn die Frachtaus einzelnen Frachtstücken mit definierter Größe oder aus diskreten Ladeeinheiten,wie Pakete, Behälter, Paletten oder Container, besteht, deren Abmessungen und Ge-wichte standardisiert sind, sollte daher die Sendungsgröße in den entsprechendenVersandeinheiten gemessen und die Frachtkosten mit Hilfe der Formel (20.41) abge-rechnetwerden. So ist bei denPaketdienstleistern eineAbrechnung nachPackstückenverschiedener Gewichtsklassen üblich, wie sie die Tab. 20.5 zeigt [137]. Im Contai-nerverkehr werden 20′′- und 40′′-ISO-Container abgerechnet.

Wenn sich die Sendungsstruktur für einen vereinbarten Abrechnungszeitraumnur wenig ändert, kann der Sendungspreis in denMengenpreis einkalkuliert werden.Für feste Frachtrelationen zwischen definierten Gebietenmit hinreichend gleichblei-bendem Frachtaufkommen kann auch mit einem durchschnittlichen Entfernungs-preis gerechnet werden. Dieser wird dann, wie in der Frachttabelle 20.5 für die Pa-ketzustellung, mit dem Mengenpreis zu einem Einheitstarif pro Mengeneinheit zu-sammengefasst [162].

EineMischkalkulation zur Vereinfachung der Frachttarife verwässert jedoch dasPrinzip nutzungsgemäßer Preise, denn durch die höheren Stückpreise für große Sen-dungen und für Sendungen über kurze Entfernungen werden die nicht auskömmli-chen Stückpreise für kleine Sendungen und für Sendungen über große Entfernungensubventioniert (s. Abschn. 7.1).

Bei einer Abrechnung nach Frachttabellen kommt zur Problematik der Misch-kalkulation noch die Rundungsproblematik hinzu. Da sich die Tarifsätze an den

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20.16 Kombinierter Ladungsverkehr 1019

Grenzwerten einer Tabelle sprunghaft ändern, kann sich der Frachtpreis für eine Sen-dung, deren Gewicht oder Entfernung nur minimal über einer Grenze liegt, erheb-lich vom Frachtpreis einer nahezu gleich großen SendungmitWerten kurz unterhalbder Grenze unterscheiden. Hier helfen auch Glättungsregeln wenig. Einfacher undunmissverständlich ist dagegen die Frachtabrechnung mit Hilfe der Formel (20.41)unter Verwendung vereinbarter Leistungspreise (20.40). Allgemein gilt für die Kos-tenabrechnung der Grundsatz:

� Die Differenzierung der Transportpreise und Frachttarife wird von der Zielsetzungund von der Verfügbarkeit der zur Abrechung benötigten Daten bestimmt.

In dem Maße, wie die Logistikdaten der Artikel und Sendungen in den Stammda-teien der Warenwirtschaftssysteme vollständig erfasst sind und zusammen mit denhinterlegten Entfernungen von Versand- und Empfangsorten von den Transport-leitsystemen zur Sendungssteuerung genutzt werden, wird sich die nutzungsgemäßeAbrechnung der Transport- und Frachtleistungen mit den Leistungspreisen (20.38)und (20.40) durchsetzen (s. hierzu Abschn. 7.6.1 und 15.6).

20.16 Kombinierter Ladungsverkehr

Im kombinierten Ladungsverkehr, kurz KLV genannt, werden Sattelauflieger (SA)oder Wechselbrücken (WB) auf der Straße durch Zugmaschinen von den Versand-orten zu einem Umschlagterminal der Bahn gefahren. Dort werden die Transport-behälter auf Waggons verladen und von einem Zug zu einem Zielumschlagterminaltransportiert. Nach dem Entladen an der Zielstation werden die Sattelauflieger oderWechselbrücken von Zugmaschinen abgeholt und auf der Straße zumBestimmungs-ort gebracht [147–149].

Der KLV-Transport ist ein Beispiel für den intermodalen Transportmit einer drei-stufigen Standardtransportkette, wie sie in den Abb. 20.4 und 20.17 dargestellt ist.Durch den KLV können Transporte von der Straße auf die Schiene umgeleitet unddamit die Straßen entlastet werden. Voraussetzung ist jedoch, dass der KLV im Ver-gleich zumdirekten Straßentransport fürVersender und Spediteure zeitlichundwirt-schaftlich attraktiv ist.

Durch geeignete Fahrplangestaltung ist heute eine effektive Reisegeschwindig-keit der Züge auf der Schiene von vZug ≈ 100 km/h möglich, während die Lastzügeauf den Straßen eine mittlere Reisegeschwindigkeit von vLkw ≈ 60 km/h erreichen.Die kürzere Fahrzeit auf der Schiene verlängert sich jedoch um die Fahrzeit für denVor- und Nachlauf auf der Straße über eine mittlere Stationsentfernung dStat [km]und durch dieWarte- und Verladezeit TStat [h] an den Umschlagstationen. Daher istder KLV zeitlich erst für Transportweglängen lTrans attraktiv, die größer sind als diezeitkritische Entfernung:

lZ krit = 2 ⋅ vZug ⋅ (dStat + TStat ⋅ vLkw)/(vZug − vLkw) [km] . (20.44)

Der Grenzwert (20.44) hängt von der Vor- und Nachlaufentfernung dStat und vonder Stationswarte- und Verladezeit TStat ab.

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1020 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Mit den genannten Richtwerten für die Reisegeschwindigkeiten auf Straße undSchiene resultiert beispielsweise bei einer mittleren Stationsentfernung dStat = 30 kmund einer Stationsaufenthaltszeit TStat = 1 h eine kritische Entfernung von 450 km,ab der ein KLV-Transport eine kürzere Fahrzeit bietet als der direkte Straßentrans-port. Bei einer größerenZuverlässigkeit undPünktlichkeit der Bahn imVergleich zumStraßenverkehr kann der KLV-Transport auch für kürzere Transportentfernungenzeitlich interessant sein.

Um wirtschaftlich attraktiv zu sein, müssen die Transportkosten für den KLV-Transport günstiger sein als für den direkten Straßentransport. Die Straßentrans-portkosten sind für eine Direktfahrt gegeben durch Beziehung (18.57)mit demFahr-weg LFW = lTrans und für den Vor- und Nachlauf mit dem Fahrweg LFW = dStat. Füreinen Sattelaufliegerzug ergibt die Transportkostenrechnung auf Preisbasis 1998 bei100% Paarigkeit einen Grundkostensatz kStr Gr = 35,50 €/Transportfahrt und einenFahrwegkostensatz kStr Weg = 0,85 €/SA-km.

Auch die Kosten für den Schienentransport in Abhängigkeit von der Transpor-tentfernung lFW = lTrans lassen sich mit der Beziehung (18.57) errechnen, wenn dieentsprechenden Kostensätze (18.56) für den Bahntransport bekannt sind. Für einkonkretes Praxisbeispiel zur Untersuchung einer neuartigen Umschlagtechnik fürSattelauflieger wurden nach den in Kap. 18 beschriebenen Verfahren unterschied-liche Schienennetze geplant und die KLV-Kostensätze für ein Belastungsszenariomit einer effektiven Zugauslastung von 75% kalkuliert. DerGrundkostensatz für dasBe- und Entladen und die Stationskosten beträgt für dieses KLV-System kZug Gr =

53,50 €/Transportfahrt und der Fahrwegkostensatz kZug Weg = 0,38 €/SA-km. Dabeiwurden die Trassenkosten für die Nutzung des Schienennetzes durch einen Zug mit39 Waggons mit 5,00 €/Zug-km angesetzt.

Die Entfernungsabhängigkeit der Kosten für einen KLV-Transport über zweiUmschlagpunkte ist damit gegeben durch:

kKLV = 2 ⋅ (kStr Gr + dStat ⋅ kStr Weg) + kZug Gr + lTrans ⋅ kZug Weg [€/SA] . (20.45)

In Abb. 20.33 ist die hiermit errechnete Abhängigkeit der Transportkosten für denKLV im Vergleich zum direkten Straßentransport dargestellt. Ohne die Kosten fürdenVor- undNachlauf auf der Straße ist der KLV-Transport bereits für Transportent-fernungen ab 100 km wirtschaftlich. Durch den Vor- und Nachlauf auf der Straßeverteuert sich jedoch der KLV-Transport bei einer mittleren Stationsentfernung von30 km um ca. 122 € pro SA-Transport. Infolgedessen verschiebt sich in dem betrach-teten Fallbeispiel die wirtschaftliche Einsatzgrenze für den KLV-Transport wie inAbb. 20.33 dargestellt auf ca. 300 km.

Die Modellrechnungen zeigen, dass die wirtschaftliche Einsatzgrenze für denKLV-Transport sehr empfindlich von einer Reihe von Einflussfaktoren abhängt, vorallem vom Trassenpreis, von der Zugkapazität, von der Auslastung und von den Be-triebskosten der Umladetechnik und der Stationen. Die Auswirkungen der unter-schiedlichen Einflussfaktoren auf die Laufzeiten und die Transportkosten lassen sichmit den hier entwickelten Auslegungs- und Kalkulationsverfahren untersuchen undquantifizieren.

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20.16 Kombinierter Ladungsverkehr 1021

Abb. 20.33 Vergleich der Transportkosten des KLV-Transports und des Straßendirekt-transports von Sattelaufliegern

Kostensätze Straße SchieneGrundkosten 35,50 53,35 €/SA-FahrtFahrwegkosten 0,85 0,38 €/SA-kmStationsentfernung: 30 km im Zulauf und Nachlauf

Kritisch für den Erfolg des KLV-Transports im Wettbewerb mit dem Straßen-transport sind außer den genanntenEinflussfaktoren dieGemeinkostenzuschlägeundGewinnerwartungen, mit denen die Beteiligten an der Transportkette ihre Leistungs-preise kalkulieren. Solange die Bahn mit Zuschlagssätzen kalkuliert, die weitaus hö-her sind als die Gemeinkostensätze und Gewinnzuschläge der Speditionen für denStraßenverkehr, verschiebt sich die kritische Kostengrenze für denKLV-Transport zugrößeren Entfernungen in den Bereich über 500 km. Oberhalb dieser Grenze aber istdas Ladungsaufkommen für einen wirtschaftlichen KLV-Netzbetrieb in denmeistenRelationen zu gering.

Analog wie für das hier betrachtete Beispiel des KLV-Transports über Straße-Schiene-Straße lassen sich nach dem beschriebenen Verfahren auch die Kosten für

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1022 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

andere intermodale Transportketten, wie Straße-Schiff-Straße oder Straße-Luft-Straße, kalkulieren und die jeweils optimale Transportkette auswählen.

20.17 Kundenausrichtung der Lieferketten (ECR und SCM)

Efficient Consumer Response (ECR) und Supply ChainManagement (SCM) bedeutenAusrichtung aller Aktivitäten und Prozesse entlang den Lieferketten auf den Kun-den [19, 27, 28, 51, 53, 54, 120, 128, 145, 150, 151, 153, 235, 238]. Die Aktivitäten be-ginnen mit dem Informations- und Datenaustausch. Die Verkaufsstellen informie-ren die Lieferstellen unverzüglich – am einfachsten über Internet oder durch elek-tronischen Datenaustausch (EDI) – über die aktuellen Absatzdaten und die Höhe derVerkaufsbestände. Verkaufsplanung undMarketing der Lieferstellen informieren dieAbnehmer rechtzeitig über neue Produkte, geplante Aktionen, Produktionsänderun-gen und die verfügbaren Lagerbestände.

Aus den aktuellen Informationen über den Absatz aller Verkaufsstellen könnendie Lieferanten nach den in Kap. 9 dargestellten Verfahren mit relativ hoher Ver-lässlichkeit den zukünftigen Bedarf der Produkte mit regelmäßigem Verbrauch pro-gnostizieren. Aus der Absatzprognose und den aktuellen Lagerbeständen lassen sichnach den in Kap. 10 und 11 beschriebenen Entscheidungskriterien undDispositionss-trategien Aufträge an die Produktion zur Fertigung von Lagerware und Kundenwareherleiten.

In letzter Konsequenz des ECR werden auf diese Weise auch die Entwicklungund Markteinführung neuer Produkte und die Optimierung der Beschaffungs- undLieferketten mit allen beteiligten Stellen abgestimmt [256].

20.17.1 Chancen und Risiken des SCM

Die Chancen und Vorteile der Optimierung der Lieferketten und ihrer Ausrichtungauf die Abnehmer und Konsumenten sind heute weitgehend bekannt und unstrittig.Die Einführung von ECR und SCM erfordert jedoch erhebliche Vorleistungen undVeränderungen in den beteiligten Unternehmen. Der laufende Betrieb ist außerdemmit Kosten für den elektronischen Datenaustausch und für die Abstimmung der Ak-tivitäten verbunden [154, 155].

Innerhalb des eigenen Logistiknetzwerks ist die Kundenausrichtung der Liefer-ketten prinzipiell kein großes Problem. Trotzdem werden ECR und SCM nur in we-nigen Unternehmen durchgängig vomVertrieb über die Produktion bis zumEinkaufpraktiziert, da andere Prioritäten, eine rigide Spartenorganisation oder starke Mana-ger mit abweichenden Zielvorstellungen dem entgegenstehen [233].

Grundsätzliche Schwierigkeiten ergeben sich, wenn mehrere Unternehmen aneiner Lieferkette beteiligt sind. Solange die Beteiligten – Industrie, Handel und Lo-gistikdienstleister – versuchen, den Nutzen von ECR und SCM allein für sich zu er-reichen und die Vorleistungen und Kosten auf die anderen Teilnehmer abzuwälzen,werden ECR und unternehmensübergreifendes Supply Chain Management nichtden angestrebten Erfolg bringen [235].

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20.17 Kundenausrichtung der Lieferketten (ECR und SCM) 1023

Marktbeherrschende Unternehmen der Automobilindustrie, der Chemie undder Konsumgüterindustrie bemühen sich daher, die Grenzen ihres Logistiknetz-werks auf der Zulieferseite wie auf der Abnehmerseite immer weiter auszudehnen,um sich als Systemführer dieVorteile vonECRund SCMzu sichern. Seit vielen Jahrennehmen auch die großen Handelsunternehmen ihre Beschaffungslogistik in eigeneRegie [19,27,118,123,143,145,150–155,233,235]. Andere Unternehmen versuchen,durch vertikale und horizontale Kooperation ihre Lieferketten zu optimieren und dieKundenausrichtung der Prozesse zu erreichen.

Unabhängig davon, wer Prozessführer der Lieferketten ist, optimale Lieferketten,SCM und ECR sind nur möglich durch Kooperation aller Beteiligten. Eine offeneund vertrauensvolle Kooperation lässt sich weder erzwingen noch staatlich verord-nen. Auch Appelle wirken nicht kurzfristig. Die Einsicht in die Notwendigkeit zurKooperation in den Lieferketten kann sich nur im freien Spiel der Marktkräfte ausdem Eigeninteresse der Beteiligten entwickeln.

So werden mit der anhaltenden Konzentration des Handels sowie mit den Zu-sammenschlüssen und Allianzen von Speditionen, Reedereien, Fluggesellschaftenund anderen Logistikdienstleistern größere Transportaufkommen, die Zusammen-legung von Beständen und ein Überschreiten der kritischen Masse für rationelle Lo-gistikbetriebe angestrebt. Ziel der großen Unternehmen und Allianzen ist eine Be-herrschung der Beschaffungs-, Beförderungs- und Belieferungsketten, um diese wei-ter zu rationalisieren und zu optimieren [19, 23, 155].

20.17.2 Kooperation, Koordination, Kollaboration

Seit jeher haben sich Unternehmen, die an einem Projekt oder an der Herstellunganspruchsvoller Konsum- oder Gebrauchsgüter beteiligt sind, miteinander abge-stimmt. Auf der effizienten Kooperation zwischen den Beteiligten beruht der Erfolgder industriellen Arbeitsteilung. Die bilaterale Kooperation in den Lieferketten undVersorgungsnetzen ist also nichts Neues (s. Abb. 0.2 und 15.1).

Das Geheimnis der Effizienz der freien Marktwirtschaft liegt jedoch in der Frei-willigkeit der Kooperationen zwischen den Unternehmen [189, 190, 199, 235]. DiePreise derGüter und Leistungen ergeben sich ausAngebot undNachfrage (s.Kap. 22).Die Gewinne sind das Ergebnis der permanenten Optimierung von Produkten undProzessen in und zwischen den Unternehmen. In eigenem Interesse stimmen dieBeteiligten die Schnittstellen untereinander ab. Durch gemeinsame Standardisierungund Normierung steigern sie ihre Effizienz (s. Abschn. 3.10).

Eine Standardisierung und Normierung der Erzeugnisse, Informationen undSchnittstellen, die über mehr als eine Stufe der Beschaffungs- und Versorgungsnetzehinausgeht, erfordert die Koordination aller Einflussfaktoren. Zur Entwicklung vonNormen, Standards und Verhaltensregeln im Interesse aller Wirtschaftsteilnehmerwurden spezielle Institutionen geschaffen, wie DIN, VDI, VDE, CCGund FEM.Dar-an arbeiten auch die nationalen Wirtschaftsverbände und internationale Organisa-tionen, wie WTO und OECD. Neutrale Normen, Standards und Verhaltensregelnsind die Grundlage des freien Handels rund um den Globus.

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1024 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Unter Hinweis auf die Mehrstufigkeit der Lieferketten wird von einigen Interes-sengruppen eine noch weitergehende Supply Chain Collaboration (SCC) oderMulti-Tier Collaboration propagiert (s. Abb. 1.15). Unter der Führung eines fokalen Un-ternehmens, das meist der Erzeuger des Endproduktes ist, sollen die Zuliefererun-ternehmen von einer zentralen Stelle über mehr als zwei Stufen informatorisch undlogistisch eng miteinander verzahnt und dispositiv aufeinander abgestimmt werden.In Aussicht gestellt werden eine höhere Transparenz, die Senkung der Bestände undgeringere Kosten über die gesamte Lieferkette [233, 235].

Weitgehend offen bleibt jedoch, wie die behaupteten Vorteile, wenn sie denn ein-treten, gemessenwerden können undwer davon letztlich profitieren soll. Ein viel ver-sprechender Lösungsvorschlag für dieses Grundproblem scheint das Cost-Benefit-Sharing (CBS) in Logistiknetzwerken zu sein, das allerdings sehr komplex ist undeinen hohen Verwaltungs- und Kontrollaufwand erfordert [256]. Außerdem bleibendabei kritische Punkte ungelöst, wie die Kostenverteilung bei Scheitern eines un-ternehmensübergreifenden Entwicklungs- und Investitionsprojektes und die Vertei-lung des Absatzrisikos auf die Vorstufenunternehmen.

Der Preis für die unternehmensübergreifende Kollaboration ist ein Verlust derUnabhängigkeit, die Einschränkung des Wettbewerbs und langfristig die Aufgabeder Preisbildung am freien Markt [234, 235] (s. Kap. 22). Die weisungsgebundeneKollaboration mit dem OEM würde die Vorteile des Outsourcing wieder zunichtemachen, mit dem vertikal integrierte Konzerne vor nicht langer Zeit ihre verkruste-ten Strukturen aufgebrochen haben.

Die Gefahren einer zu weit gehenden Zentralisierung der Planung undDispositi-on hat das Versagen der Planwirtschaft in den sozialistischen Ländern gezeigt [199].VieleGroßunternehmen, die in der Blütezeit des Sozialismus zumZentralismus neig-ten, haben sich bemüht, dezentrale Strukturen mit eigenständigen Entscheidungs-vollmachten einzuführen. Das war nur schwer durchzusetzen, da manche Manager,Berater und Theoretiker wegen der damit möglichen Machtausübung immer nocheine große Neigung für zentral gelenkte Strukturen haben und heute von den ERP-,APS- und SCM-Systemen neue Wunder erwarten.

Aus der Abwägung der dargelegten Nachteile gegen die fraglichen Vorteile desSCC resultiert die Kooperationsempfehlung:� Kooperation und Koordination ja, Kollaboration nein.Der erfolgreiche Einsatz von Logistikdienstleistern zeigt, wie sich bei richtiger Orga-nisation derGeschäftsbeziehungen dieUnabhängigkeit der beteiligtenUnternehmenwahren lässt und zugleich für beide Seiten Vorteile erreichbar sind.

20.18 Virtuelle Zentrallager und Netzwerkmanagement

Bei der Belieferung eines großen Absatzgebiets aus einem einzigen Fertigwarenlagerlassen sich wegen der langen Transportzeiten nicht für alle Kunden und Abnehmerkurze Lieferzeiten einhalten. Das ist nur über dezentrale Auslieferungslager möglich,die jeweils in der Mitte eines kleineren Absatzgebiets liegen. Aus den einzelnen Zen-trallagern der Teilgebiete werden Großabnehmer und Handelslager direkt beliefert.

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20.18 Virtuelle Zentrallager und Netzwerkmanagement 1025

Abb. 20.34 Hybrides Versorgungsnetz von Handelsfilialen und Direktkunden

Graue Stationen: Liefer-, Lager-, Umschlag- und Verkaufsstellen der IndustrieWeiße Stationen: Liefer-, Lager-, Umschlag- und Verkaufsstellen des Handels

Kleinere Abnehmer, wie eigene Verkaufsstellen und selbständige Handelsgeschäfte,erhalten ihren Bedarf über die Regionallager des Lieferanten oder des Handels. Au-ßerdem kann das Zentrallager selbst als Regionallager arbeiten, aus dem die kleinenAbnehmer eines Nahgebiets direkt beliefert werden.

Damit ergibt sich die in Abb. 20.34 dargestellte Struktur eines mehrstufigen Ver-sorgungsnetzes für Verkaufsstellen, Filialen und Großkunden, die aus Lieferstellenund Produktionsstandorten mit unterschiedlichen Artikeln beliefert werden. Diegleiche Struktur ergibt sich aus der Kostenminimierung der Auslieferung bestands-loser Artikel und kundenspezifischer Sendungen durch eine Fracht- und Transport-bündelung (s. Abschn. 20.9 und 20.10).

Das resultierende hybride Versorgungsnetz setzt sich zusammen aus Distributi-onsnetzen, deren grau markierte Leistungsstellen und Verbindungen von der Indus-trie beherrscht werden (s. Abschn. 20.11), und aus Beschaffungsnetzen, deren weißgekennzeichnete Leistungsstellen und Verbindungen der Handel beherrscht (s. Ab-schn. 20.12). Für nicht lagerhaltige Artikel und für kundenspezifische Sendungensind die Zwischenstationen bestandslose Umschlagpunkte. Für lagerhaltige Artikelsind sie dezentrale Lager.

Die minimale Anzahl dezentraler Lager- und Umschlagstandorte ergibt sich ausder überlappungsarmen Abdeckung des Servicegebiets durch Auslieferkreise, in de-nen die Kunden von einem Lagerstandort in der geforderten Lieferzeit beliefert wer-den können (s. Abb. 20.18). So resultieren für Deutschland bei einem maximalenAuslieferkreis von 124 km Luftlinie minimal 6 Zentrallager. Sie liegen im Zentrumvon 6 Gebieten, aus denen alle Kunden innerhalb von 24 h beliefert werden können(s. Abb. 20.19).

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1026 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

Der Preis für die kürzeren Lieferzeiten aus mehreren Zentrallagern sind größereLagerkosten und höhere Bestände. Werden Bestand und Nachschub von NL Lagernmit annähernd gleichemAbsatz und gleichen Kostensätzen gemäß dem eigenen Ab-satz unabhängig voneinander disponiert, so sind die gesamten Lagerkosten und derSummenbestand nach demWurzelsatz der Bestandszentralisierung um einen Faktor√

NL höher als für ein einziges Zentrallager (s.Abschn. 11.10). Das ist für 6 Lager einFaktor 2,5.

Die Kosten und Bestände dezentraler Lager, die aus einer Produktionsstelle ver-sorgt werden, lassen sich jedoch auch durch eine zentrale Disposition nach der Stra-tegie des virtuellen Zentrallagers erheblich reduzieren [282]. Damit eröffnen sich neuePotentiale für das Netzwerkmanagement.

20.18.1 Kostenoptimaler Gesamtnachschub

Die Versorgung von NL Lagern Ln , n = 1, 2, . . . , NL , mit dem Absatz λn aus ei-ner Produktionsstelle ist kostenoptimal, wenn die dispositionsrelevanten Gesamtkos-ten, also die Summe aller durch die Disposition beeinflussbaren Auftrags-, Rüst-,Transport- und Lagerkosten, minimal ist. Die Summe der Rüstkosten hat ein Mini-mum, wenn der Nachschub des gleichen Artikels für alle Lager möglichst gebündeltgefertigt wird. Sind die Sicherheitsbestände klein im Vergleich zum mittleren Ge-samtbestand eines Artikels, dann ist die Summe der Rüstkosten der Produktion undder einzelnen Lagerkosten gleich der Summe der Rüst- und Lagerkosten für ein vir-tuelles Zentrallager mit den gleichen Platzkosten wie die einzelnen Lager und mitdem Summenabsatz

λS =∑ λn . (20.46)

Daraus folgt:� Die optimale Gesamtnachschubmenge zur Direktbelieferung aller Lager mit dem

gleichenArtikel ist die kostenoptimale Nachschubmenge eines virtuellen Zentral-lagers mit dem Summenabsatz (20.46).

Für einen Summenabsatz λS, einen Stückpreis P, einen Lagerzinssatz zL, Auftrags-und Rüstkosten kAuf, einen Lagerplatzpreis kLP und eine begrenzte Fertigungskapa-zität μ ist die optimale Gesamtnachschubmenge bei freier Lagerordnung, Aufrundenauf volle Ladeeinheiten und täglicher Auslieferung gegeben durch (s. Abschn. 11.7und [225]):

mNopt S =√

2 ⋅ λS ⋅ kAuf/(P ⋅ zL + kLP/CLE)/√

(1 − λS/μ) [VE] . (20.47)

Die optimale Gesamtnachschubmenge (20.47) wird nach Fertigstellung der erstenTagesmenge gemäß der aktuellen Dringlichkeit im Verhältnis des Bedarfs auf dieeinzelnen Lager verteilt.

20.18.2 Optimale Nachschubverteilung

Damit der Nachschubbedarf in allen Lagern zu gleicher Zeit entsteht und dann ge-bündelt beschafftwerden kann, muss der Bestellpunkt in den einzelnen Lagernmög-

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20.18 Virtuelle Zentrallager und Netzwerkmanagement 1027

ΔtΔtΔtΔtWBZ WBZ WBZ WBZ

Summenbestand

Bestand1

Bestand2MB1

MBS

MB1

MB1MBS

mB(t)

t

Abb. 20.35 Bestandsverlauf und Bestellpunkte von 2 Lagern bei zentraler Disposition

Δt : Zeitdifferenz der Bestellauslösung für ein virtuelles und ein reales Zentralla-ger

lichst gleichzeitig erreicht werden. Dafürmüssen deren Bestände annähernd die glei-che Reichweite haben (s. Abb. 20.35). Das ist erreichbar mit der Verteilungsregel:

� Die optimale Produktionsmenge (20.45) wird an die einzelnen Lager im Verhält-nis ihrer Absatzes ausgeliefert.

Die optimalen Nachschubmengen der Artikelbestände in den einzelnen Lagern sinddaher:

mNopt n = (λn/λS) ⋅mNopt S [VE] . (20.48)

20.18.3 Sicherung der Lieferfähigkeit

Zur Einhaltung einer geforderten Lieferfähigkeit ηlief gibt es für die einzelnen Lagerzwei Möglichkeiten (s. Abschn. 11.8):

1. Jedes einzelne Lager hat seinen eigenen Sicherheitsbestand, der mit Beziehungaus der Höhe λn und der Streuung sλn des Einzelabsatzes, der optimalen Nach-schubmenge (20.47) des Lagers Ln sowie aus der Länge TWBZ und Streuung sTder Wiederbeschaffungszeit berechnet wird.

2. Die einzelnen Lager teilen sich imVerhältnis derWurzel aus ihremAbsatz einenvirtuellen Gesamtsicherheitsbestand msich S = ∑msich n, der mit einer zu (20.48)analogen Beziehung aus der Höhe λS und der Streuung sλS des Summenabsat-zes (20.44), der kostenoptimalen Gesamtnachschubmenge (20.47) des virtuel-len Zentrallagers sowie aus der Länge TWBZ und Streuung sT der Wiederbe-schaffungszeit berechnet wird.

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1028 20 Optimale Lieferketten und Versorgungsnetze

msich n = fs(WENN(ηlief < TWBZ ⋅ λn ; ηlief ; 1 − (1 − ηlief)mNopt n/(TWBZ ⋅ λn)))

TWBZ ⋅ s2λn + λ2n ⋅ s2T . (20.49)

Voraussetzung für die Strategie des virtuellen Gesamtsicherheitsbestands ist, dass je-des Lager, das nicht mehr lieferfähig ist, auf den Bestand eines benachbarten Lagerszugreifen kann und von diesem unverzüglich mit Nachschub beliefert wird. Abgese-hen von dem damit verbundenen Zeitverzug ist dieQuerbelieferung mit zusätzlichenAbwicklungs-, Handling- und Transportkosten verbunden, die in der Regel höhersind als die Mehrkosten für einen eigenen Sicherheitsbestand. Damit die einzelnenLager mit der geforderten Wahrscheinlichkeit ηlief lieferfähig sind, muss der Nach-schub spätestens ausgelöst werden, wenn in einem der Lager der aktuelle BestandmBn(t) den dezentralen Meldebestand mMBn(t) unterschreitet (s. Abb. 20.35). Deraktuelle dezentrale Meldebestand am Tag t ist:

mMBn(t) = TWBZ ⋅ λn(t) +msich n(t) [VE] . (20.50)

Auch wenn zur Transportbündelung mit demNachschub für andere Artikel eine zy-klische Sammeldisposition durchgeführt wird, ist mit dem dezentralen Meldebestand(20.50) zu rechnen (s. Abschn. 11.11.3 und Abb. 11.20).

20.18.4 Nachschubstrategie des virtuellen Zentrallagers

Die Zentraldisposition mehrerer Lager, die aus einer Lieferstelle mit den gleichenArtikeln direkt versorgt werden, führt im Vergleich zur individuellen Disposition zuwesentlichen Verbesserungen, wenn sie in den folgenden Arbeitsschritten der Nach-schubstrategie des virtuellen Zentrallagers durchgeführt wird:

1. Der Zentralrechner berechnet nach jedem Tag t für alle Lager und alle Artikelaus dem aktuell prognostiziertem Absatz die optimale Gesamtnachschubmen-ge (20.47) sowie die einzelnen Nachschubmengen (20.48), Sicherheitsbestände(20.49) und Meldebestände (20.50).

2. Wenn in einem der Lager der aktuelle Bestand eines Artikels den aktuellen Mel-debestand (20.50) unterschreitet, wird in der Lieferstelle die Fertigung der Ge-samtmenge (20.47) ausgelöst.

3. Die erste produzierte Tagesmenge des Artikels wird spätestens nach Ablauf derWiederbeschaffungszeit an das Lager ausgeliefert, dessen Bestand zu diesemZeitpunkt die geringste Reichweite hat.

4. Wenn vor dem Fertigstellungstag der ersten Tagesmenge der Artikelbestand inmehreren Lagern auf Null gesunken ist, werden die Tagesmengen in einer Prio-ritätenfolge auf die betreffenden Lager verteilt, die der Dauer der Lieferunfähig-keit entspricht.

5. Die übrige Tagesproduktion wird gemäß Beziehung (20.48) im Verhältnis desArtikelabsatzes unter Berücksichtigung des aktuellen Bestands so auf die Lagerverteilt, dass deren Bestände für den betreffenden Artikel die gleiche Reichweitehaben.

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20.18 Virtuelle Zentrallager und Netzwerkmanagement 1029

20.18.5 Erreichbare Kosten- und Bestandssenkung

Die Zentraldisposition nach der Strategie des virtuellen Zentrallagers führt zu mi-nimalen Lagerlogistikkosten bei einem optimalem Gesamtbestand, der – abgesehenvon den Sicherheitsbeständen – nicht wesentlich größer ist als der Bestand eines rea-len Zentrallagers für den Summenabsatz.

Wie in Abb. 20.35 für 2 Lager beispielhaft dargestellt, wird in einem virtuellenZentrallager der Nachschub um eine Zeitdifferenz Δt früher ausgelöst als in einemrealen Zentrallager, wenn in einem der dezentralen Lager der Bestellpunkt früher er-reicht wird als für den Zentralbestand. Das kann bei dezentralen Anfangsbeständenmit gleicher Reichweite nur vorkommen, wenn der aktuelle Verbrauch vom erwar-teten Verbrauch systematisch oder zufällig abweicht. Aus der mittleren Bestellzeitdif-ferenz Δt resultiert ein mittlerer Bestand des virtuellen Zentrallagers, der um Δt ⋅ λShöher ist als der mittlere Bestand eines realen Zentrallagers. Die Bestandsdifferenzzwischen dem virtuellen und dem realen Zentrallager ist daher bei gleichmäßigemAbsatz minimal. Sie nimmt mit der Streuung und der abweichenden Dynamik derdezentralen Absatzwerte zu.

Abgesehen von der stochastisch oder dynamisch bedingten Bestandsdifferenzfolgt aus demWurzelsatz der Bestandszentralisierung, der aus den zentralen Formeln(20.47) und (20.49) resultiert (s. Abschn. 11.10), die allgemeine Regel:

• Kosteneinsparung und Bestandssenkung durch eine Zentraldisposition nach derStrategie des virtuellen Zentrallagers steigen mit der Anzahl der Lager und mitder Höhe der Nachschubauftragskosten.

So ergibt sich durch die Strategie des virtuellen Zentrallagers für 3 dezentrale La-ger mit annähernd gleichemAbsatz eine Reduzierung der Lagerlogistikkosten bis zueinem Faktor 1/

3 = 0,58 und eine Senkung des Gesamtbestands bis zu 40%.Die Nachschubauftragskosten sind für die Versorgung aus einer Produktionstelle

primär von den Rüstkosten bestimmt und infolgedessen besonders hoch. Daher hatdie Zentraldisposition für dezentrale Produktionsauslieferlager den größten Effekt.

20.18.6 Disposition zweistufiger Distributionsnetze

Für ein zweistufiges Distributionsnetz, wie es inAbb. 20.34 gezeigt ist, führen folgen-de Dispositionsstrategien zu minimalen Kosten und optimalen Beständen:

� Nachschub und Bestände in den einzelnen Zentrallagern, die ihren Nachschub di-rekt aus einer Produktion erhalten, werden nach der Strategie des virtuellen Zen-trallagers zentral disponiert.

� Lagerhaltige Artikel (SKU: store-keeping units) und Kundenaufträge sowie Nach-schub und Bestände in den nachgelagerten Regionallagern und Handelslagernwerden unabhängig voneinander dezentral so disponiert, dass die Auftrags-,Transport- und Lagerkosten der Belieferung aus dem Zentrallager minimal wer-den (s. Kap. 11).

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� Aufträge und Lagerhaltigkeit ebenso wie Nachschub und Bestände in den End-verkaufsstellen undVerbrauchsstellenwerden von diesenmit Programmunterstüt-zung dezentral so disponiert, dass die Auftrags-, Transport- und Lagerkosten derBelieferung aus deren Lieferstellen minimal werden (s. Abschn. 11.14).

� Die Lieferfähigkeit der Endverkaufs- und Verbrauchsstellen wird durchMinimie-rung derRisikokosten (11.14) aus den Fehlmengenkosten abgeleitet oder ist – eben-so wie die Lieferzeiten – durch die Anforderungen des Marktes oder der Kundenvorgegeben (s. Abschn. 11.8.5).

� Die Lieferfähigkeiten der vorangehenden Lieferstellen sind retrograd von Stufe zuStufe so festzulegen, dass die Summe aller Sicherheitskosten (11.49) im gesamtenVersorgungsnetz minimal wird.

� Zur Vermeidung des Peitschenknalleffekts durch das Zusammentreffen vieler Aus-lieferungen am gleichen Tag erhalten die Regionallager und Handelslager ebensowie die Verkaufsstellen und Handelsfilialen ihren Nachschub aus einem Zentral-lager an verteilten Tagen (s. Abschn. 20.19).

� Wenn am Tag der Nachschubanlieferung an ein Zentrallager ein Regionallageroder ein Großabnehmer mit Nachschub zu beliefern ist, wird dieser ohne Zwi-schenlagerung imCrossdocking direkt vomWareneingang zumWarenausgang be-fördert und noch am gleichen Tag wieder ausgeliefert (s. Abschn. 20.1.3).

� Großmengenbestellungen eines Regionallagers, Handelslagers oder Kunden, diegrößer sind als die halbe optimale Nachschubmenge (20.46), werden als Direk-tauftrag an die Produktion weitergeleitet und nach Fertigstellung bei Ganz- undTeilladungen direkt und bei kleineren Mengen im Crossdocking über das Zen-trallager ausgeliefert (s. Abschn. 11.14.4).

� Produktionsmengen für eine Aktion werden in dem zuvor geplanten Verteilungs-schlüssel bei Ganz- und Teilladungen direkt und bei kleineren Mengen im Cross-docking über die Zentrallager an die Empfänger verteilt.

Zur Realisierung der Strategie des virtuellen Zentrallagers muss eine Zentraldispo-sition den täglichen Bestelleingang und die aktuellen Bestände aller Lager kennen,die unmittelbar aus der Produktion beliefert werden. Diese Voraussetzung ist inner-halb des eigenen Distributionsnetzes eines Herstellers über das interne IT-Netz er-füllbar. Handelslager und Großabnehmer können von der Strategie des virtuellenZentrallagers nur profitieren, wenn sie bereit sind, die Disposition der betreffendenArtikelbestände dem Produzenten zu überlassen. Dafür ist eine entsprechende EDI-Verbindung erforderlich.

20.18.7 Strategien des unternehmensübergreifendenNetzwerkmanagement

Bis heute sind folgende Kernprobleme des Netzwerkmanagement allgemein ungelöst:

1. Nach welchen Strategien sind die Sendungsströme und Artikelbestände in ei-nemVersorgungsnetz zu disponieren, damit sich bei Einhaltung der geforderten

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20.18 Virtuelle Zentrallager und Netzwerkmanagement 1031

Lieferzeiten und der benötigten Lieferfähigkeit minimale Gesamtkosten undserviceoptimale Bestände ergeben?

2. Wie viele Zentrallager, wie viele Regionallager und wie viele Umschlagpunktewerden bei optimaler Disposition zur Versorgung eines großen Absatzgebietsmit einem bestimmten Artikelbedarf aus einer gegebenen Anzahl von Liefer-stellen benötigt, damit die Gesamtkosten minimal sind?

Die erste Frage ist Gegenstand der Prozessoptimierung, die zweite Gegenstand derStrukturoptimierung. Die Lösungen beider Fragen sind voneinander abhängig (s.Ab-schn. 1.3). Die allgemeine Lösung dieser Kernprobleme des Netzwerkmanagementist nur für eine zentral gelenkte Planwirtschaft von praktischer Bedeutung. In einerMarktwirtschaft mit freiemWettbewerb kann sich eine theoretisch optimale Lösungnur durchsetzen, wenn sie auch im Interesse jedes einzelnen Akteurs liegt.

Das aber ist im Allgemeinen nicht der Fall. Die einzelnen Akteure – die Produ-zenten und Lieferanten auf der einen Seite, die Verbraucher und Handelsunterneh-men auf der anderen Seite – sind bestrebt, ihr Distributions- oder Beschaffungsnetzso zu gestalten und zu disponieren, dass sich für sie selbst ein maximaler Nutzenund Gewinn ergibt. Sie suchen daher primär nach Gestaltungsregeln und Disposi-tionsstrategien für das von ihnen beherrschte Teilnetz. Das unternehmensübergrei-fende Supply Chain Management (SCM), das besser als Netzwerkmanagement oderSupply Network Management (SNM) bezeichnet werden sollte, umfasst die koordi-nierte Planung und Disposition der Netzwerke von zwei oder mehr Unternehmen.Dazu sind Unternehmen nur bereit, wenn sie nachweisbar davon profitieren.

Die Strategie des virtuellen Zentrallagers ist eine relativ neue Netzwerkstrate-gie mit berechenbaren Potentialen, die für die Distribution von Konsumgütern mitgroßen Bedarfsströmen recht erheblich sein können. Sie lässt sichmit geringem Auf-wand implementieren, wenn die einzelnen Lagerstellen bereits über Intranet oderEDI mit der Unternehmenszentrale datentechnisch verbunden sind.

Am wirkungsvollsten ist die Strategie des virtuellen Zentrallagers zu realisieren,wenn ein produzierendes Unternehmen auch die Artikelbestände bei seinen Kundendisponiert. Dieser Vorteil lieferantengesteuerter Bestände (Vendor Managed Invento-ries VMI) ist durch Konsignationslager bei den Kunden erreichbar, deren Beständebis zur Entnahme im Eigentum des Lieferanten verbleiben, aber auch durch andereVereinbarungen über die Disposition von Beständen, die mit Anlieferung Eigentumder Kunden werden.

Andere bekannte Netzwerkstrategien sind die Sammeldisposition (s. Abschnitt11.11), die Fracht- und Transportbündelung über die Umschlagpunkte von Logistik-dienstleistern (s. Abschn. 20.7 und Kap. 21) sowie das Crossdocking und Transship-ment in den Beschaffungsnetzen des Handels (s. Abschn. 20.1.3). Die EntwicklungweitererNetzwerkstrategienmit nachweisbaren, wirtschaftlich interessanten Effektenist eine zentrale Aufgabe der Logistikforschung. Da helfen keine Befragungen, keineTrendanalysen und kein Controlling. Die Strategieentwicklung erfordert kreativesDenken, eine nüchterne Analyse der Zusammenhänge und realistische Simulations-rechnungen zum Test der Strategien und Algorithmen.

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20.19 Bedarfsaufschaukelung und Peitschenknalleffekt

Ein beliebtes Argument für die Vorteile einer Zentraldisposition ist der sogenanntePeitschenknalleffekt (bullwhip-effect), nach dem Entdecker auch Forrester-Aufschau-kelung genannt [227]. Durch Simulation wird für eine Kette aufeinander folgenderLiefer- und Lagerstellen demonstriert, dass sich aus einer geringen Bedarfsänderungeiner Endverbrauchsstelle für die Zulieferstellen ein Absatzverlauf ergeben kann, dersich mit zunehmendem Abstand von der Endverbrauchsstelle immer stärker auf-schaukelt [226, 228–230].

Aus einer Analyse der veröffentlichten Simulationsrechnungen, der Vorausset-zungen und des angenommenen Dispositionsverhaltens der Akteure sowie aus eige-nen Simulationsrechnungen des Verfassers ergibt sich, dass die Bedarfsaufschauke-lung in den Zulieferstellen sehr unterschiedliche Ursachen hat [174]:

1. Wenn alle Lagerstellen bei normalen Lieferzeiten unabhängig voneinander je-weils für sich kostenoptimal disponieren, ergibt sich eine Aufschaukelung derAbsatzstreuung mit zunehmendem Abstand von der Endverbrauchsstelle be-reits daraus, dass die kostenoptimalen Nachschubmengen wegen des höherenGesamtabsatzes und der geringeren Lagerungskosten für vorgelagerte Stellengrößer sind als für nachfolgende. Diese normale Bedarfsaufschaukelung ist dieFolge der bündelungsbedingten Nachschubsprünge der einander belieferndenLagerstellen.

2. Bei synchronem Bestellverhalten und Zusammentreffen der Bestellungen ausmehreren parallelen Bedarfsstellen, zum Beispiel, wenn alle Filialen eines Han-delsunternehmens denselben Artikel am gleichen Tag disponieren, kommt es inder zentralen Lieferstelle zu erheblichen Anforderungsspitzen, die wie ein Peit-schenknall wirken.

3. Besonders kritisch wird das Bestellverhalten der Verbrauchsstellen, wenn eineEngpassphase absehbar ist oder auch nur befürchtet wird. Schon ein Gerüchtoder falsche Schlüsse aus einer mehrfach verzögerten Lieferung können dazuführen, dass schlagartig die nächste Bestellmenge erhöht wird, um einen größe-renVorrats- und Sicherheitsbestand aufzubauen.Dieser Effekt kann auch bei ei-ner programmgeregelten Nachschubdisposition eintreten, denn ein Programmerrechnet bei längeren und unzuverlässigeren Lieferzeiten einen größeren Si-cherheitsbestand und zieht damit den Bestellpunkt vor.

4. Wenn eine Verbrauchs- oder Verkaufsstelle eine spekulative Beschaffungsstra-tegie verfolgt, eine Verkaufsaktion vorbereitet oder den Markt monopolisierenwill, kann die plötzliche Bestellung einer ungewöhnlich großen Menge bei derLieferstelle unterschiedlichste, teilweise irrationale Effekte auslösen, die sichmitzunehmender Entfernung von der Endverbrauchsstelle noch verstärken.

Die normale Aufschaukelung der Nachschubströme infolge der Disposition kosten-optimaler Mengen lässt sich grundsätzlich nicht vermeiden, wenn die Gesamtkostenminimiert werden sollen. Die Anliefermengen lassen sich jedoch erheblich reduzie-ren durch die Strategie der kontinuierlichen Nachschubauslieferung und durch dieFertigung auf einer minimalen Anzahl von Produktionsmaschinen (s. Abschn. 10.5.3

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20.19 Bedarfsaufschaukelung und Peitschenknalleffekt 1033

und [225]). Das gilt vor allem für Artikel mit anhaltend hohem Bedarf. Damit wirdeine der gravierendsten Ursachen des Peitschenknalleffekts entschärft.

Das synchrone Bestellverhalten paralleler Bedarfsstellen lässt sich durch einen ab-gestimmten Dispositionsplanmit versetzten Bestelltagen beheben. Da die daraus re-sultierende bessere Lieferfähigkeit eines Zentrallagers im gemeinsamen Interesse al-ler Beteiligten liegt, sind dazu auch Bedarfsstellen bereit, dieWettbewerber sind undnicht dem Betreiber des Zentrallagers gehören.

Wenn viele parallele Bedarfsstellen völlig unabhängig voneinander disponieren,führt die Summe des stochastischen Bedarfs bei der gemeinsamen Lieferstelle sogarzu einer Glättung der zufälligen Bedarfsschwankungen und zu einem Ausgleich desindividuellenDispositionsverhaltens der einzelnenLieferstellen. EineweitereDämp-fung der Endverbrauchsschwankungen bewirken die Pufferbestände in den Bedarfs-stellen.

Der Effekt einer Engpasssituation lässt sich durch eine Zentraldisposition mit denEngpassstrategien ausAbschn. 13.9.6 regeln oder zumindest für die Beteiligten erträg-lichmachen [167]. Hier ist ein rechtzeitiges und planvolles Handeln erforderlich, umPanik- undHamsterbestellungen vorzubeugen. Frühindikatoren einer Engpasssitua-tion sind plötzliche Eilbestellungen für denselben Artikel, die in gleicher Menge vonmehreren Kunden angefragt werden und für denselben Endkunden bestimmt sind.Derartige Phantombestellungen führen zu einer temporären Aufblähung des Bedarfs.

Der Effekt einer spekulativen Beschaffung kann verursacht werden durch spekula-tives Marktverhalten, durch eine spezielle Einkaufstaktik oder durch die Stimmungder Wirtschaftsteilnehmer (s. Kap. 22). Derartige Effekte sind beispielsweise aus derHalbleiterindustrie bekannt. Sie sind prinzipiell nicht prognostizierbar und liegen au-ßerhalb der Einflussmöglichkeiten der Disposition.