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2O16 2 Published by Deutschland € 15,20 Österreich € 17,– Schweiz sfr 23,– ISSN 1433-2620 > B 43362 >> 20. Jahrgang >>> www.digitalproduction.com MAGAZIN FÜR DIGITALE MEDIENPRODUKTION MÄRZ | APRIL 02:2016 Fokus: Pipelines Back-ups & Asset-Management- Grundlagen, Tools & Tricks Zoomania Kinorunde mit Star Wars, Disney und The Martian Praxis satt! 4K-Monitore im Test, Quixel, Houdini Engine, Sony A7R II

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2O16

2Published by

Deutschland € 15,20

Österreich € 17,–

Schweiz sfr 23,–

ISSN 1433-2620 > B 43362 >> 20. Jahrgang >>> www.digitalproduction.com

MAGAZIN FÜR DIGITALE MEDIENPRODUKTION MÄRZ | APRIL 02:2016

Fokus: Pipelines Back-ups & Asset-Management-Grundlagen, Tools & Tricks

ZoomaniaKinorunde mit Star Wars, Disney und The Martian

Praxis satt!4K-Monitore im Test, Quixel, Houdini Engine, Sony A7R II

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In dem Imagefilm „Early Birds“, der von der Cinecore GmbH in Stuttgart für die Steinbeis-Stiftung produziert wurde, geht es um junge Wissenschaftler, die in einem Hörsaal versammelt sind. Hierzu hat das junge VFX-Haus Flyvision Media die visuellen Effekte beigesteuert. Dies wurde durch das Alumni-Netzwerk des Animationsinstituts der Film-akademie Baden-Württemberg möglich gemacht. Neben einem per Datenhandschuh gesteuerten Roboter, einem durch den Hörsaal gleitenden Solarflugzeug sowie einigen Set Extensions und Retuschen galt es auch, einen Schwarm Mikrobots zum Leben zu erwecken, die einen angebissenen Apfel reparieren. von Marco Erbrich

Die Grundidee bestand darin, dass sich die Mikrobots aus einem Blatt Papier schälen wie Einzelteile aus einem vor-

gestanzten Bastelbogen. Dieses Motiv steht im Film für die Umsetzung einer Idee vom Papier in die Realität, wofür die Steinbeis-

Stiftung wirbt. Um das zu bewerkstelligen, entwarfen wir bei Flyvision Media faltbare Origami-Mikrobots. Die Makroaufnahme, mit der die Mikrobots im Film eingeführt werden, sollte nahtlos an den vorherigen Shot anschließen. Dazu war ein unsicht-

barer Übergang von real gefilmter Plate zu einem Full-CG Environment notwendig. Für die Umsetzung nach dem Dreh waren nur wenige Tage Zeit, weshalb eine gute Vor-bereitung und ein effizienter, zielorientierter Workflow entscheidend waren.

Early Birds

Für die folgenden Schwarm-Shots baute das Team neben der High-Poly-Version des Mikrobots, die aus lediglich rund 1.2OO Polygonen bestand, auch eine Low-Poly-Version mit etwa 2OO Polys.

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AUSGABE O2:2O16 FOTOGRAMMETRIE | MIKROBOTS

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Design, Modell & Rig

Als Referenz für das Design dienten eine Reihe vom MIT entworfene Roboter, die sich selbstständig mittels Magnetismus zu-sammenfalten können. Nachdem ein paar Versuche mit Schere und Papier die Funkti-onsfähigkeit der Gelenke bewiesen hatten, konnte das 3D-Modell erstellt werden. Flyvi-sion Medias Weapon of Choice war in diesem Fall Autodesks 3ds Max.

Um die Animation möglichst einfach und flexibel zu halten, erstellten wir ein Rig mit nur fünf Handles: vier für die Beine und ei-nen für den Körper. Alle Bauteile des Mikro-bots wurden über IK-Chains oder per Wire-Parameter an die Handles gelinkt.

Das Partikelsystem

Um die vielen hundert Mikrobots nicht ein-zeln animieren zu müssen, kam das 3ds-Max-interne Partikelsystem „Pflow“ zum

Einsatz. Als Partikelinstanz lässt sich Pflow sehr gut mit animierten Objekten sowie Gruppen füttern. Aus diesem Grund erstell-ten wir mehrere Animationen der Mikrobots: auseinandergefaltet und bewegungslos, die „Aufwach“-Animation, in der sich der Bot zusammenfaltet und aufrichtet, einen nor-malen Walkcycle sowie einen Mikrobot, den man als Hero auch einzeln animieren konnte.

Dazu wurde das fertige Rig viermal ko-piert und mit den gewünschten Animationen versehen. Das Partikelsystem erstellt nun per Birth Operator Partikel mit der Shape Instance „Sleep“ – also einen auseinander-gefalteten, flachen Mikrobot. Anschließend gibt er diesen nach einer eingestellten Zeit per Age-Test an den nächsten Event wei-ter, der den Mikrobot mit der Aufwach-Ani-mation instanziiert. Nachdem sich der Bot also zusammengefaltet hat, wird erneut per Age-Test ein neuer Event angesteuert, der dem Bot eine Pfadanimation in die richtige Richtung und die Walkcycle-Animation gibt.

Background & Transition

Eine besondere Herausforderung war die Kamerabewegung, die vom real gefilmten ersten Teil des Shots in die Full-CG-Ma-kroaufnahme übergehen sollte. Da wir mit der echten Kamera nicht die gleiche Nähe zum Tisch erreichen konnten wie im Close-up Shot der Mikrobots, mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen. Die Lösung hieß in unserem Fall Photogrammetrie. Hierfür foto-grafierten wir am Set von allen Seiten die Ar-beitsfläche, auf der die Mikrobots erwachen sollten. Etwa 20 Fotos aus verschiedenen Blickwinkeln reichten aus, um durch Auto-desks 123D-Catch ein detailliertes, durch die Fotos bereits texturiertes, 3D Modell erstel-len zu lassen. Die Wahl fiel auf 123D Catch, da die Bedienbarkeit nahezu selbsterklärend ist, die Berechnung und Verarbeitung der Daten durch die Autodesk Online Cloud zur Verfügung gestellt wird und die Anbindung an 3ds Max reibungslos funktioniert.

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Flyvision Media i www.flyvision.media

„Steinbeis Early Birds“ i vimeo.com/140311907

Links

Ein Clean-up der Geometrie oder eine Reto-pologisierung des Meshs war in unserem Fall nicht nötig, da das Modell am Ende nur für den Übergang zwischen Real Plate und Full-CG Shot verwendet wurde und somit in Be-wegungs- und Tiefenunschärfe verschwin-det. Zeitgleich ließ sich für die gedrehte Plate des Shots mit Synth Eyes ein sauberer Matchmove der Kamera erstellen. Am Set gesammelte Informationen wie Brennweite, Filmback und Lens Distortion Grids halfen Synth Eyes dabei, den Camera Track zu prä-zisieren.

Das 3D-Abbild der Szenerie aus 123D Catch konnten wir nun mithilfe der Tracking-punkte aus Synth Eyes an der richtigen Stelle im 3D-Raum positionieren. Durch eine Ka-meraprojektion aus der Matchmove-Kamera auf die 3D-Geometrie war es möglich, die gedrehte Plate zusätzlich auf die Geometrie zu projizieren. Dadurch konnten wir zwi-schen der Textur von 123D Catch aus den Setfotos und der projizierten Textur hin- und herblenden, um den Übergang nahtlos zu gestalten.

Wir erstellten eine zweite Kamera von Hand, die auf die gewünschte Endposition gebracht wurde. Eine dritte Kamera schaffte nun den Übergang per Position Constraint sowie Orientation Constraint mit jeweils zwei Zielen (Matchmove-Kamera und Ziel-kamera).

Nun musste nur noch das Target Weight in der Kamera von der einen auf die ande-re Kamera animiert werden, um einen sau-beren, weichen Übergang zu schaffen.

Mithilfe dieser Methode kann man jederzeit die Endposition sowie die Geschwindigkeit und Länge der Transition korrigieren, bis der ideale Kameraflug gefunden ist. Ab einem gewissen Punkt hielten die 123D-Catch-Geo metrie und die gedrehte Plate der Pro-jektion jedoch nicht mehr Stand, und so blieb uns am Ende nur der Übergang in ein sehr unscharfes Matte Painting.

Als geeigneten Übergangszeitpunkt ins Matte Painting bot sich der Frame mit der größten Bewegungsunschärfe an, in den von der Projektion geblendet werden konnte.

Rendering & Compositing

Lighting, Rendering und Compositing waren gängiger und unproblematischer. Mit am Set geschossenen Chromeball-Fotos, die wir zu HDRIs gestitcht hatten, wurde eine Reflec-tion Sphere aufgezogen. Als Lichtquelle für die Mikrobots dienten zwei simple Mental Ray Arealights und gerendert wurde eben-falls mit Mental Ray. Die üblichen Layer (Diffuse, Specular, Reflection, Ambient Oc-clusion, Normals, Depth, Velocity, et cetera) wurden anschließend mit den Renderings vom projizierten Hintergrund sowie dem Matte Painting in Nuke zusammengefügt. Die große Tiefenunschärfe und die starke chromatische Aberration bei Makroshots ka-men der Glaubwürdigkeit des einzigen Full-CG Shots des Films zugute. Nukes wunder-schönes Bokeh aus dem neuen ZDefocus Node zaubert auch in unscharfe Bereiche noch Zeichnung und Detail.

Marco Erbrich und Florian Greth entstammen beide der Stuttgarter Unexpected GmbH.

Beide studierten am Animationsinstitut der Film-akademie. Florian arbeitete danach freiberuflich als Compositior für Pixomondo, Mackevision und Rise FX während Marco mit „Flyvision Media“ ein eigenes Unternehmen gründete.

Fazit

Insgesamt griffen wir bei der Postproduktion von „Early Birds“ auf ein Toolset zurück, das teilweise aus altbekannten Techniken und vertrauter Software bestand (3ds Max, Nuke, Synth Eyes, et cetera), benutzten aber auch neue Techniken, die wir so vorher noch nicht in laufenden Produktionen eingesetzt hatten.

Im Fall dieses Shots gehört dazu bei-spielsweise Photogrammetrie mit 123D Catch. Durch die vielen Herausforderungen, mit denen wir während des Projekts kon-frontiert waren, konnten wir verschiedene Ansätze zur Herstellung der VFX verfolgen. Alles in allem war „Early Birds“ eine tolle Ge-legenheit, einige neue Tools auszuprobieren und deren Leistungsfähigkeit und Kombi-nierbarkeit innerhalb einer Produktion unter Beweis zu stellen. › ei

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AUSGABE O2:2O16 FOTOGRAMMETRIE | MIKROBOTS