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Geschichtsreisen Reiseführer zu den heiligen Denkmälern in der Tschechischen Republik

Magni Baedeker - Probestück

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Touristischer Reiseführer für kulturelle und sakrale Denkmäler in Tschechienwww.magni.cz

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GeschichtsreisenReiseführer zu den heiligen Denkmälern in der Tschechischen Republik

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Magni. GeschichtsreisenDie Anfänge des Christentums und des Judentums in den Tschechischen Ländern gehen auf das Ende des 9.Jh. zurück. Sie sind mit der Ankunft von Kyrill und Methodus in Großmähren verbunden und mit der Annahme des Christentums durch Prinz Bo!ivoj und seine Frau Ludmilla. Die alten Handelswege führten auch jüdische Bürger nach Böhmen und Mähren, die sich besonders dem Fernhandelsgeschäft widmeten.

Böhmen und Mähren wurde zum Zentrum vieler geistiger Ereignisse in Europa. Es entstanden schöne und stattliche Bauwerke, und es entwickelte und vertiefte sich auch die geistige Ausbildung.

Die Zeugnisse der früheren Jahre sind noch heute Plätze, die in jeder Generation aufs Neue diejenigen anziehen, die mehr verstehen wollen – oder zumindestens eine Weile vor der weltlichen Hektik flüchten wollen. Solche Orte gibt es in allen böhmischen und mährischen Städten, Dörfern und in der freien Natur. An diesen Orten stehen Kathedralen, Klöster, Schulen, Kirchen, Oratorien, Synagogen, Friedhöfe oder nur kleine Kapellen oder auch nur schlichte Steine oder Kreuze irgendwo auf dem Feld.

Entdecken Sie die Geschichten von fast vergessenen, wiederbelebten Gedanken , welche die Geschichte Böhmens, Mährens, Europas, und sogar der ganzen Welt berühren. Berühren Sie alte Steine, Gebäude und Statuen, die seit Jahrhunderten großen historischen Ereignissen beiwohnen und edle und spannende Geschichten erlebten. Magni, das sind Reisen mit Geschichte.

ISBN 978-80-260-1099-9

Cesty s p!íb"hem

Geistliche Geschichte Böhmens und Mährens 7

Prag und Mittelböhmen (Hauptstadt Prag und Region Mittelböhmen) 37

Geschichte eines Weges: Der Winterkönig – Friedrich V. von der Pfalz 38

Charakter der Landschaft 40

Ereignisse und Persönlichkeiten 40

Wichtige Orte in Prag 48

Wichtige Städte in Geschichte und Gegenwart 53

Routen 58

Südwestböhmen (Südböhmische und Pilsener Region) 77

Geschichte dreier Wege: Die drei Jans 78

Charakter der Landschaft 80

Ereignisse und Persönlichkeiten 80

Wichtige Städte in Geschichte und Gegenwart 84

Routen 92

Nordwestböhmen (Region Karlovy Vary und Ústí nad Labem) 105

Geschichte eines Weges: Bischof und Fürst – Jind!ich B!etislav 106

Charakter der Landschaft 107

Ereignisse und Persönlichkeiten 108

Wichtige Städte in Geschichte und Gegenwart 112

Routen 119

Nordostböhmen (Region Liberec und Hradec Králové) 125

Geschichte eines Weges: Adelig, heilig und einfach – Zdislava von Lemberk 126

Charakter der Landschaft 128

Ereignisse und Persönlichkeiten 128

Wichtige Städte in Geschichte und Gegenwart 133

Routen 140

Inhalt

INHALT 5O

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Böhmisch-Mährische Grenzregionen (Vyso!ina und Region Pardubice) 149

Geschichte eines Weges: Der Hussitenkönig – Georg von Podiebrad 150

Charakter der Landschaft 152

Ereignisse und Persönlichkeiten 152

Wichtige Städte in Geschichte und Gegenwart 159

Routen 165

Nordmähren und Schlesien (Mährisch-Schlesische Region) 175

Geschichte eines Weges: Schlesischer Autor eines slowakischen

Bestsellers – Ji!í T!anovsk# 176

Charakter der Landschaft 178

Ereignisse und Persönlichkeiten 178

Wichtige Städte in Geschichte und Gegenwart 184

Routen 189

Mittelmähren (Region Olomouc und Zlín) 199

Geschichte eines Weges: Der Lehrer der Nationen – J.A. Comenius 200

Charakter der Landschaft 202

Ereignisse und Persönlichkeiten 202

Wichtige Städte in Geschichte und Gegenwart 207

Routen 213

Südmähren (Region Südmähren und Zlín) 223

Geschichte eines Weges: Der Maharal – Rabbi Jehuda ben Bezalel 224

Charakter der Landschaft 226

Ereignisse und Persönlichkeiten 226

Wichtige Städte in Geschichte und Gegenwart 233

Routen 238

MAGNI | GESCHICHTSREISEN6O

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„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde. Geboren werden und sterben, pflanzen und ausrotten, was gepflanzt ist, würgen und heilen, brechen und bauen, weinen und lachen, klagen und tanzen, Stein zerstreuen und Steine sammeln, herzen und ferne sein von Herzen, suchen und verlieren, behalten und wegwerfen, zerreißen und zunähen, schweigen und reden, lieben und hassen, Streit und Friede hat seine Zeit.“ (Bibel, Buch Prediger 3,2)

Interieur der St.-Veits-Dom auf der Prager Burg, Prag. Foto: CzechTourism

Magni | Geschichtsreisen.

Die Tschechische Republik, ein Land im Herzen Europas, ist eine Kreuzung vieler Wege. Im Verlaufe der Jahrhun-derte reisten auf ihnen Kaufleute und auch Militärtruppen aus allen Himmels-richtungen, jedoch auch Wallfahrer mit tiefgründigen Ideen, die die Geheimnisse des Lebens und der ganzen Welt berühr-ten. Auf diesen Wegen kamen hierher aus dem mazedonischen Thessaloniki die Brüder Kyrill (damals noch Konstantin) und Method, die in wesentlicher Weise zur Verbreitung des christlichen Glaubens beitrugen. Auf diesen Wegen zogen junge Fürsten zur Taufe, zum Studium der Theologie und zum Kennenlernen der westlichen Kultur fort. Über diese Pfade zogen Könige, Kaiser, Professoren, Kar-dinäle, Gesandte, Kuriere oder Boten mit wertvollen Büchern, versiegelten Urkun-den und auch architektonischen Plänen. Und über diese Wege strömte gemeinsam mit den Wallfahrern das Bemühen, den christlichen Glauben zu verbreiten und zu heilen, damit er seiner ursprünglichen Mission näherkommen möge.Böhmen und Mähren waren viele Male der Mittelpunkt des geistlichen Ge-schehens in Europa. Es wuchsen hier erhabene und architektonisch herrliche Bauwerke empor, es entwickelte und vertiefte sich die Bildung. Daher musste es unweigerlich auch zu einem geistigen Ringen, zu Konflikten in Bezug auf die Reinheit des Glaubens, auf die Enthüllung jenes Geheimnisses des Lebens und der Welt kommen. Mit den Kämpfen kamen auch die Armeen, die erneut zerstörten, plünderten und das „Herz Europas“ zur

Peripherie des europäischen Geschehens werden ließen. Ein Zeugnis der Zeiten des Bauens und Zerstörens, der Kämpfe und auch des Friedens sind bis heute die Orte, die in jeder Generation stets aufs Neue all jene anziehen, die mehr zu begreifen bemüht sind – oder für eine Weile der Hektik dieser Welt entfliehen möchten. Diese Orte gibt es wohl in allen böhmischen und mährischen Städten, Städtchen, Dör-fern wie auch in der freien Landschaft. An diesen Orten stehen Kathedralen, Klöster, Kirchen, Schulen, Gebetsstätten, Synagogen, Friedhöfe oder lediglich kleine Kapellen, Sühnesteine oder -kreuze irgendwo in den Feldern. Sie sind Zeugen und Zeichen der uralten menschlichen Sehnsucht, die Geheimnisse zu berühren und Antworten auf ihre Fragen zu finden. Wir können uns erneut auf diese Wege und an diese Kreuzungen begeben und gemeinsam nach beinahe vergessenen Begebenheiten zu suchen, Ideen wieder-zubeleben, die Europa, ja die ganze Welt in Bewegung versetzten. Uralte Steine, Gebäude und Statuen zu berühren, die bereits über Jahrhunderte Zeugen einer großen Geschichte, überwältigender und erhabener Begebenheiten sind. Magni, das sind Wege mit einer Geschichte.

Aus den Wegen der Kelten, Römer und Slawen wurden Wege der Christen

Anmerkung (9.–11. Jh.): Nach dem Zerfall des fränkischen Reiches Karls des Großen

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in drei Teile (814) und im Schatten des neu in Erscheinung tretenden ostfränki-schen Reiches wuchs die Basis eines neuen Staatsgebildes der Westslawen, das Groß-mährische Reich, das Kontakte sowohl zum christlichen Abendland (Rom) als auch zum Osten (Byzanz) unterhielt. Nach seinem Untergang wurde das Zentrum der westslawischen Staatlichkeit das Böhmen der P"emysliden, das sich mehr an das abendländische Christentum anlehnte. Herausragende Gestalten dieser Zeit sind die byzantinischen Missionare Konstantin und Method, der P"emyslidenfürst Václav (Wenzel) und der Bischof der Slawnikiden Vojt#ch (Adalbert). An die Epoche der Geburt der tschechischen Staatlichkeit knüpfte die Ära des Aufschwungs des Hei-ligen Römischen Reiches an, das den Sieg der christlichen Bildung und Kultur mit sich brachte. Dem europäischen Kontinent wurde eine gemeinsame geistige Dimensi-on in die Wiege gelegt.

Auf den bereits damals uralten Wegen, über die über Jahrhunderte keltische Kaufleute und Druiden, römische Legien, slawische Stämme, awarische Nomaden, irische Missionare und auch fränkische Truppen zogen, kamen im Jahre 864 in das Gebiet Mährens aus dem mazedo-nischen Thessaloniki zwei Brüder, Kon-stantin und Method. Der byzantinische Kaiser Michal III. hatte sie auf Ersuchen des großmährischen Fürsten Rostislav I. hierher entsandt, um in Mähren die christliche Religion zu lehren, Priester heranzubilden und Kirchen zu gründen. Der Erfolg der beiden Brüder lag vor allem darin begründet, dass sie nicht am Latein festhielten, sondern nach dem Vorbild des griechischen Alphabets eine slawische Schrift schufen – die glagolitische Schrift

(Glagoliza), in die sie die grundlegenden christlichen Texte übertrugen und somit den Slawen die christliche Botschaft in ih-rer Sprache übermittelten. Die Abhaltung der Gottesdienste und der Unterricht des Christentums erfolgt in altslawischer Sprache. Relikte der Denkmäler aus jener Zeit können wir in Südmähren finden, vor allem in Mikul!ice und in Staré M"sto bei Uherské Hradi#t".

Von oben verbreitete sich der GlaubeDie erste Taufe böhmischer Fürsten erfolgte bereits im Jahre 845 im deutschen Regensburg, jedoch verwandelten sich uralte heidnische Wege in christliche auch dann, als im Jahre 880 in Mähren der P$emyslidenfürst Bo$ivoj mit seiner Gemahlin Ludmila aus den Händen des

Heiliger Kyrill und MethodJosef Zelen!, 1863Bild im Kloster Rajhrad

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Erzbischofs Method die Taufe empfing. Der ganze Akt fand sicherlich in einer nach dem Vorbild byzantinischer Tempel errichteten Kirche statt. Ihre durchleuchtete und leicht gestaltete, das Himmelszelt darstellende Kuppel symbolisierte das himmlische Königreich unter der Herrschaft Christi; der untere Saal zur Versammlung der Menschen stellte die menschliche Welt das (das berühmteste Beispiel eines Tempels dieses Typs ist die Hagia Sophia im heutigen Istanbul). Byzantinische Kirchen hatten eine überdachte Vorhalle namens Narthex, die für bislang ungetaufte, sich die Lehre des Christentums erst aneig-nende Menschen bestimmt war. Auf Bo!ivoj, den ersten bekannten Fürsten der P!emysliden, musste diese Reise einen tiefen Eindruck hinterlassen haben – der slawische Gottesdienst wurde in Böhmen sodann neben dem abendlän-dischen, lateinischen Gottesdienst bis in die Zeit seines Enkels, des Fürsten Václav (Wenzel), abgehalten. Wenzels Wege waren jedoch bereits in Richtung des Abendlandes, des ostfränkischen Reiches abgesteckt. Nach den westlichen Vorbil-dern entstanden auf böhmischem Gebiet die ersten vorromanischen Kirchen. Die älteste von ihnen ist die Rotunde auf der Burg Lev% Hradec, die dem Hl. Clemens geweiht war, dessen sterbliche Überreste gerade von den Aposteln aus Thessaloniki von der Krim nach Rom gebracht worden waren. Die gleiche Weihe erfuhr auch die Kirche in Stará Boleslav (Alt-Bunzlau), die Fürst Wenzel (als hölzernes Gotteshaus) errich-ten ließ. Nach dem späteren romanischen Umbau wurde sie mit wertvollen Fresken geschmückt, auf denen nicht nur die Dar-stellung des Fürsten, sondern auch seiner

frommen Großmutter, der Hl. Ludmila, in Erscheinung tritt. Selbige erzog ihn gemeinsam mit dem Bruder zu einem Christen, während im Lande als Regentin die Mutter der min-derjährigen Knaben, Fürstin Drahomíra, regierte, der, im Gegenteil, christliche Neuheiten nicht allzu willkommen waren. Die Rivalität zwischen der Schwiegermut-ter und der Schwiegertochter endete erst mit der politischen Ermordung der Hl. Ludmila durch Schergen aus dem Gefolge von Drahomíra. Der Hauptstreit beider Fürstinnen stand allerdings weniger im Zusammenhang mit der Annahme oder Nichtannahme des Christentums. Die eine wollte sich in der Außenpolitik auf Bayern orientieren, mit welchem Wenzels Vater, Vratislav, gute Beziehungen unter-hielt, während sich die andere Sachsen zuwandte, dessen König Heinrich der Vogler immer mehr an Macht gewann. Weitere Stimmen, denen der verräteri-sche Boleslav gehör schenkte, rieten im Gegensatz hierzu, sich von den deutschen Fürsten und Königen die volle Souveräni-tät zu erkämpfen…Kaum hatte Wenzel die Volljährigkeit erlangt und die Herrschaft übernommen,

Hl. LudmilaAlfons Mucha, 30er Jahre des 20. Jh.Bleiverglasung im St.-Veits-Dom, Prag

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ließ er Ludmila auf der Prager Burg be-statten, wobei er seine Mutter zur Strafe vom fürstlichen Hofe verbannte (womög-lich auch des Landes verwies). Später vermochte er jedoch, ihr zu verzeihen, wobei es durchaus möglich ist, dass ge-rade Drahomíra bemüht war, Wenzel vor dem Ansinnen seines Bruders Boleslav zu warnen, der von den kampflüsternden Vladiken zum Brudermord angespornt wurde, den er vor der Kirche der Hl. Cosmas und Damian in Stará Boleslav (Alt-Bunzlau) im Jahre 935 verübte.

Gründung des Bistums in PragBöhmen und Mähren unternahmen einen bedeutenden geistlichen Schritt im Jahre 973 bei der Gründung des Prager Bistums. In der Rotunde auf dem Lev# Hradec, wo er vorher eingesegnet und zum Diakon geweiht worden war, wurde zum zweiten Prager Bischof (und ersten böhmischer Herkunft) im Jahre

982 Vojt"ch Slavníkovec (lat. Adalbert, aus dem Geschlecht der Slawnikiden) gewählt. Als junger Bursche hatte er Theo-logie in Magdeburg studiert, wo er dem späteren Kaiser Otto III. nähergekommen war. Die asketischen Züge des großen Slawnikiden gerieten jedoch in Böhmen in Widerspruch zur Realität des bischöfli-chen Amtes in dem erst unlängst und nur oberflächlich getauften Lande.Nach fünf Jahren vergeblichen Bemü-hens, den Handel mit Sklaven, (aus welchem das damalige Prag seinen Reich-tum schöpfte), die Polygamie und den Alkoholismus auszumerzen, verließ er an-gewidert das bischöfliche Amt und reiste mit seinem Bruder und unzertrennlichen Weggefährten, dem Hl. Radim (Gauden-tius) nach Rom. Nach einem Appell des Fürsten Boleslav II. kehrte Vojt"ch im Jahre 992 auf seinen bischöflichen Thron zurück und brachte eine Gruppe italieni-scher Benediktiner mit, für die er unweit der Prager Burg in B!evnov (Breunau) das erste Männerkloster in Böhmen gründete. Das erste Kloster in den böhmischen Lan-den war der Benediktiner-Frauenkonvent zu St. Georg (Ji!í) auf der Prager Burg, der bereits im Jahre 976 gegründet worden war. In einer Zeit, in der Vojt"ch während einer Missionsreise zu den baltischen Prussen den Märtyrertod erlitt, wurde das ostfränkische Reich in Verbindung mit der geistlichen Autorität Roms zu einer Großmacht Mitteleuropas, zum Heiligen Römischen Reich. Der Bischof Vojt"ch war bemüht, die Autonomie der Kirche zu stärken, die damals von der weltlichen macht stark abhängig war. Er war einer der führenden Heiligen auch in Ungarn und in Polen, für die er ein Apostel war (der Legende nach soll er den späteren

Hl. Vojt!ch (Adalbert)Mihály Kovács, 1855Öl auf Leinwand

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(Andreas von Guttenstein) im Jahre 1222 mit P!emysl Ottokar I. das „Große Privilegium der böhmischen Kirche“ vereinbarte.

Das Böhmische KönigreichP!emysl musste dieses Zugeständnis nicht allzu belasten – dank der „Golde-nen Sizilianischen Bulle“, die durch den Kaiser bereits 10 Jahre früher erlassen worden war, erlangten die P!emysliden die königliche Krone auf dem Erbwege. Der Einfluss des Böhmischen Königrei-ches nahm ständig zu, nicht zuletzt dank der Entdeckung der Silbervorkommen bei Kutná Hora (Kuttenberg), seinerzeit die reichsten in ganz Europa. Böhmen erlebte unter dem Taktstock eiserner und goldener Könige eine „silberne“ Ära der mittelalterlichen Kultur, der gotischen Architektur und der Entwicklung vieler Städte, Burgen und Dörfer. Bei den meis-ten Gemeinden in Böhmen und Mähren stammen die ersten urkundlichen Er-wähnungen gerade aus jener Zeit. Im 13. Jahrhundert kamen nach Böhmen neue Orden: die Franziskaner mit dem Armut-sideal, die Dominikaner mit der Mission, die Rechtgläubigkeit der katholischen Kirche zu behüten.Der wachsende Einfluss und Reichtum der Herrscher aus dem Geschlecht der P!emysliden standen in Kontrast zur Geschichte der jüngsten Tochter des böhmischen Königs P!emysl Ottokar I. und Konstanze von Ungarn, der Prinzes-sin Ane&ka (Agnes), die sich nach dem Vorbild der Elisabeth von Thüringen entschied, ihr Leben der Fürsorge um die Kranken und Bedürftigen zu weihen. Sie gründete in Prag das Spital des Hl. Franz und wurde Oberin des neuen Klosters der Klarissen. Für den Rest ihres Lebens, das

sie mit uneigennütziger Hilfe, Liebe und Demut ausfüllte, ließ sie sich nur „ältere Schwester“ nennen. Nicht zufällig schlug den gleichen Weg auch eine andere edle Frau ein, Zdislava von Lämberg. Obwohl sie vermählt war und vier Kinder erzog, beteiligte sie sich auf ihrem Dominium energisch an der Errichtung der Klöster und des Spitals in Turnov (Turnau) und in Jablonné v Podje#t"dí (Deutsch-Gabel). Beide Frauen gaben ein Beispiel, dass Vermö-gen nicht vor allem ein Instrument zur Erlangung politischer Macht, sondern zu Taten der Liebe und Barmherzigkeit sein sollte.

Wege der Inquisitoren, eifrigen Prediger, der Ketzer, der Hussiten

Anmerkung (14.–16. Jh.): Die Epoche des Hochmittelalters, des Zeitalters der Kathedralen und der autoritär siegrei-chen Kirche endete durch die Krise des abendländischen Papsttums und somit des Vertrauens der Menschen in die

Karl IV.Meister Theodoricus, um 1370Fragment eines Votivbildes

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Institutionen der Kirche. Auf die Unge-wissheit hinsichtlich der Erlösung der Seele reagierten neue geistliche Strömungen, eine neue Frömmigkeit (devotio moder-na). Man war auf der Suche nach einem „Heilmittel der Gewissheit“ vor allem im direkten Herrschen des höchsten Königs, Jesu Christi, in der Durchsetzung der Kenntnis der Bibel, im Predigen des Evan-geliums. Nicht mehr in der Institution der Kirche, die zwei und auch drei Päpste auf einmal hatte, sondern direkt bei Gott suchten die Menschen die Gewissheit der Errettung. Auf diese unruhige Zeit reagier-te Kaiser Karl IV., der Europa ein neues geistiges Zentrum im „hunderttürmigen Prag“ anbieten wollte. Allerdings war das einfache Volk nicht mehr bereit, lediglich geduldiger Empfänger des Herrscher-willens zu sein, indem es selbst geistliche Geschichte schreiben wollte. Hierin hatte es seine Führer: Jan Milí! z Krom#"í$e (Jo-hann Militsch von Kremsier), Jan Hus, Jan %i$k, Petr Chel!ick& (Peter von Chel!itz) und weitere. Die Ära der Ritter und des königlichen Glanzes war zu Ende, es kam die Zeit der Prediger, der Reformatoren und der Hussitenmkämpfer.

Das „Zeitalter der Kathedralen“, das Zeitalter der über die Könige (Kampf um die Investitur) und über die Heiden (Kreuzzüge) siegenden Kirche dauerte jedoch nicht lange. Die Ära der Kreuzzüge in das Heilige Land endete definitiv mit dem Verlust der eroberten Gebiete und der scheinbar ausgefochtene Kampf um die Investitur kehrte im Jahre 1303 über die Hintertür im Streit des Papstes Boni-fatius VIII. mit dem französischen König Philipp IV., dem Schönen, den der Papst nicht zum Kaiser krönen wollte. Weitere heilige Väter wurden in das französische

Avignon umgesiedelt und beim Versuch der Wahl eines neuen, im Jahre 1378, wurden zwei Päpste gewählt – (Gegen-papst) Clemens VII. in Avignon und (Papst) Urban VI. in Rom. Ein Kandidat war bezeichnend französischer Kardinal und der andere italienischer Kardinal. Die universelle Macht des Papstes und der Kirche im abendländischen Europa war gebrochen. Zu damaliger Zeit tauchten jedoch immer mehr Denker, Theologen und einfache fromme Menschen auf, die sich nicht fürchteten, die Krise der Kirche beim Na-men zu nennen und ihr häufig von unten entgegenzutreten. Für sie bedeutete die päpstliche Doppelwahl lediglich, dass dem einköpfigen Drachen ein zweiter und einige Jahre später sogar ein dritter Kopf gewachsen war. Bereits früher endete mit der Brandmar-kung als Ketzer Petrus Valdes, ein Lyoner Kaufmann, der sich entschlossen hatte, das einträgliche Gewerbe an den Nagel zu hängen, die Familie materiell abzusichern und den Rest des Geldes für Abschriften

Die Verbrennung des Magisters Jan HusDiebold Schilling d. Ä., 1485Fragment aus der Chronik

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der Bibel und das Dasein als Wanderpre-diger auszugeben. Die Waldenser oder auch „lombardischen Armen“, in Europa von der Inquisition verfolgt, wanderten in der vorhussitischen Zeit über die Pfade des Böhmerwaldes auch bis nach Südböhmen, um sich hier der „deutschen Kolonisierung“ anzuschließen. Andererseits hatte im Rahmen der Kirche ein günstigeres Schicksal Franz von Assi-si, der ebenfalls dem Besitz entsagte, Bet-telpilger wurde und eine Gemeinschaft gleichgesinnter Brüder – den Bettelorden der Franziskaner – gründete. Zwischen den Heiligen und den Ketzern bestand oftmals nur eine hauchdünne Trennlinie. Durch die Ironie des Schicksals wurden einige Franziskaner im Laufe der Zeit mit der Inquisitionstätigkeit gerade gegen die Waldenser beauftragt.

Das Neue Jerusalem im Herzen EuropasIn der Zeit des sog. Exils von Avignon wollte der junge böhmische König und Kaiser Karl IV. von Luxemburg, dem das böhmische Land im Unterschied zu seinem ritterlichen Vater Johann zur wirklichen Heimat wurde, aus dem Böhmischen Königreich und konkret aus Prag das geistige Zentrum Europas ma-chen und so vielen christlichen Pilgern, die nach Rom oder Avignon wanderten, eine näherliegende Alternative anbieten. Böhmen mit Prag an der Spitze sollte die europäische Kreuzung Nummer Eins werden. Karls Bemühungen um die Förderung des Böhmischen Königreiches waren sicher sowohl religiös, als auch politisch-pragmatisch motiviert – Prag wurde zunehmend nicht nur ein Zentrum der Weltpolitik, sondern auch des geisti-gen Lebens, gewissermaßen ein zweites Rom.Kaiser Karl beschloss, in der Stadt seines kaiserlichen Sitzes alles zu haben: Das Bistum erhob er in den Rang einer Erzdiözese, gründete die Universität, ließ gotische Kathedralen erbauen, wollte hier möglichst viele Glaubensorden, Reliquien Heiliger, Geschäfte, Bücher und auch Gelehrte haben. Seine „geistige Sammlerleidenschaft“ illustriert wohl die Gründung des Emmaus-Klosters, wohin er slawische Benediktiner aus Kroatien berief, sodass somit nach einem Viertel-jahrtausend in den böhmischen Landen erneut die slawische Liturgie erklang.Prag mit dem Emmaus-Kloster sollte das Zentrum der slawischen kirchlichen Bil-dung werden. Karl wählte als Standort des Emmaus-Klosters die neu entstandene Prager Neustadt, die von ihrem Grundriss her an die Stadt Jerusalem erinnert. Die fünf Neustädter Kirchen bilden aufgrund

Jan Rokycana (Johann von Rokitzan)Jan Balzer, 18. Jh.Kupferstich

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ihrer Lage ein gleichschenkliges Kreuz. Und da über das gesamte Mittelalter die Überzeugung vorherrschte, dass das himmlische Jerusalem nicht fern sei, soll-te die böhmische Metropole nach dem Willen des luxemburgischen Kaisers ein Tor zur Ewigkeit werden. Ein Meisterstück der gotischen Kunst ist die Kapelle des Hl. Kreuzes auf der Burg Karlstein, wo der Kaiser selbst abgebildet ist.

Die Urväter der ReformationKarl zögerte auch nicht, Prediger zu berufen und zu unterstützen, die den Zustand der Kirche kritisierten, wobei er konkret aus Österreich den flammen-den Redner Konrad Waldhauser berief, der mit seinen Predigten in Prag „neue Wege der Kirche“ anregte, an welche Jan Milí! z Krom"$í&e (Johann Militsch von Kremsier) im Zeichen der Armut und der Hilfe für ausgestoßene, der Prostution bezichtigte Frauen anknüpfte. Nach ihm begab sich sein Schüler Mat"j z Janova (Matthias von Janov) auf Bildungsreisen, vor allem zum Studium der Bibel. Und als Karls Tochter Anna, die Gemahlin des englischen Königs Richard II., in der neuen Heimat die Sprache ihres Gemahls anhand der Erstübersetzung der Bibel in das Englische von John Wycliff, einem aus Oxford stammenden Kritiker der Kirche und vor allem des Papsttums, erlernte, war die wechselseitige Verknüp-fung der böhmischen Bemühungen um die Reform der Kirche lediglich eine Frage der Zeit. Eine Abschrift von Wycliffs „ketzerischen“ Schriften vermochte vor ihrer Verbren-nung Jeron%m Pra&sk% (Hieronymus von Prag) zu erstellen, der sie nach Prag mit-brachte und sie zum Lesen dem Magister der „freien Künste“ der Prager Universität

Jan Hus vorlegte. Diesem schienen die Ideen des Oxforder Professors bei Betrachtung des damaligen Zustandes der Kirche gerechtfertigt zu sein. Was sie damaligen Vertreter der Kirche auch unternahmen, alles wurde nur noch schlimmer. Die Wahl des dritten Papstes und die Ablasskampagne gesellten sich zu den alten Missständen: das Erkaufen von Kirchenämtern (sog. Simonie bzw. Ämterkauf), hohe Zahlungen der einfa-chen Menschen für sämtliche kirchlichen Zeremonien, Reichtum und weltlicher Lebensstil der kirchlichen Würdenträger im Kontrast zur Armut einfacher Leute. Die Abkehr von der ursprünglichen Kirche der Apostel, wie ihr Leben die Bibel beschreibt, war mehr als vielsagend. Es war nur erforderlich, den einfachen Menschen das zu predigen, was wirklich in der Bibel geschrieben steht, ja noch mehr, die Predigten zugleich in jener Sprache zu halten, die auch das einfache Volk zu verstehen vermochte. Aufgrund dieser Bedürfnisse entstand in der Prager Altstadt eine Kapelle namens Betlehem-Kapelle (Betlémská), die von Anbeginn ausschließlich für das Predigen des Evangeliums in tschechischer Sprache bestimmt war. Die Bezeichnung „Kapelle“ war allerdings nur hierarchisch, denn das Bauwerk war keinesfalls klein. Mit Platz für 3000 Menschen wurde die Kapelle die größte Versammlungsstätte in Prag. Auf Anregung von Jakoubek ze St$íbra (Jakob von Mies) wurde im Jahre 1414 den Laien das Altarsakrament erstmals unter bei-derlei Gestalt, somit auch aus dem Kelch gereicht (Kommunion unter beiderlei Gestalt – communio sub utraque specie), und zwar in der unweit gelegenen Kirche St. Martin in der Mauer. Die „böhmische Reformation“ konnte auch nicht durch

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die Verbrennung von Jan Hus am 6. Juli 1415 und ein Jahr später des Hieronymus von Prag auf dem Konzil in Konstanz aufgehalten werden.Auf diesem Konzil wollten paradoxerwei-se auch die Kirchenoberhäupter zu einer Reform der Kirche gelangen – allerdings auf anderen Wegen. Hussens Lehre und Predigten ließen ein dogmatisches Programm der Hussitenbewegung ent-stehen, und zwar in Form der Vier Prager Artikel – 1. Freie Verkündung des Wortes Gottes (d.h. rein auf die Bibel gestützte Predigten), 2. Empfang des Abendmahls unter beiderlei Gestalt (Darreichung des Kelches auch an Nichtpriester), 3. Verbot des weltlichen Herrschens der Priester (Einschränkung des Vermögens und der Macht der Kirche), 4. Bestrafung der Sün-den in allen Ständen (beispiellose Gleich-heit der Menschen vor dem Gesetz).

Hussitische StürmeDem Konstanzer Konzil gelang es den-noch, die gespaltene katholische Kirche wieder zu vereinigen (wenn auch nicht zu reformieren). Der neue Papst Martin V. konnte somit bereit den Kreuzzug gegen das ketzerische Böhmen verkünden. Dank der militärischen Genialität, der Führungsfähigkeiten und der Ergebenheit des Jan 'i&ka von Trocnov gegenüber dem hussitischen Programm ereilte die Anhänger des Hussitentums kein ähnli-ches Schicksal wie z. B. die südfranzösi-schen Katharer (Albigenser). Hiermit be-gannen die ursprünglich aus Gründen der Verteidigung geführten, langandauern-den und blutigen Kriege auf böhmischem Gebiet und aus dem gewaltablehnenden religiösen Hussitenprogramm wurde ein vor allem kriegerisches Programm, das mit dem Schwert, „das Land vom Besitz der Kirche für Gottes Gericht säuberte“ und an dessen Ende der hussitische „Gotteskämpfer“ ein Synonym für einen Söldner, Fachmann für Befestigungsan-lagen und die Eroberung von Burgen, der in den weiteren europäischen Konflikten auf allen Seiten kämpfte, sowie auch des Niederbrennens von Kirchen und Klöstern wurde (während der Hussiten-kämpfe wurden ihrer 170 in Schutt und Asche gelegt). Der Zusammenschluss der böhmischen Länder gegen die Kreuzritterheere bedeu-tete jedoch bei Weitem nicht die Einheit der Nachfolger Hussens in Angelegen-heiten des Glaubens. Die taboritische Richtung, die sich im Jahre 1420 durch die Wahl eigener Priester etablierte, vertrat radikale Reformen, auf die die Angehö-rigen des Prager konservativen Flügels nicht einzugehen bereit waren. Darüber hinaus gestaltete sich die Situation noch

Karl der Ältere von Scherotein (Karel star"í ze #erotína)Jan Vilímek, 1886Zeichnung

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komplizierter durch die Anwesenheit je-ner, denen von Hussens und Jakobs (von Mies) Reform lediglich der Empfang des Altarsakraments unter beiderlei Gestalt genügte, indem sie sich ansonsten mit der Tradition Roms und somit auch des gesamten übrigen Europas identifizierten.Und so wurde allmählich alles „Böhmi-sche“ für lange Zeit als verdächtig und ketzerisch erachtet. Aus der geistigen Kreuzung Europas wurde auf einen Schlag für viele Jahre eine derart abgelege-ne Peripherie, dass William Shakespeare Böhmen in seinem Wintermärchen ein Meer zusprach. Den Trend vermochten auch die hussitischen Theologen Mikulá# Biskupec z Pelh$imova (Nikolaus von Pelgrims) oder Petr Chel!ick% (Peter von Chel!itz) nicht aufzuhalten, zu deren Gedankengut über Jahrhunderte viele In-tellektuelle zurückkehren, auch nicht der hussitische (jedoch von Rom nie bestätig-te) Erzbischof Jan Rokycana (Johannes von Rokitzan), der in der Theynkirche auf dem Prager Altstädter Ring wirkte. (Von ihrem Giebel aus strahlte seinerzeit auf den Altstädter Ring ein großer vergoldeter Kelch.)Nach 14 Jahren des aufreibenden Bürgerkrieges wurde der radikale Flügel der Hussiten in der Schlacht bei Lipan (1434) besiegt, während sich die übrigen an den Verhandlungstisch setzten. Zwei Jahre später wurde auf dem Marktplatz in Jihlava (Iglau) das Baseler Kompaktat veröffentlicht – ein Abkommen zwi-schen dem Baseler Kirchkonzil und den Vertretern der hussitischen Partei. Von den vier Artikeln wurde den böhmischen Protoprotestanten lediglich der zweite zu-erkannt (Empfang des Abendmahls unter beiderlei Gestalt), die sonstigen Punkte jedoch nicht. Nach Jakob von Mies

(Jakoubek ze St!íbra), dem Gründer des Utraquismus, wurde für die weiteren 35 Jahre zum Vorsteher der utraquistischen hussitischen Kirche Jan Rokycana (Johann von Rokitzan).

Der ursprüngliche Katholizismus wurde in Böhmen für weitere 150 Jahre eine Minderheitskonfession. Das Prager Erz-bistum war nicht besetzt und das Prager Kapitel übersiedelte vom häretischen Prag nach Pilsen. Die utraquistische Kirche träumte von der Einigung mit Rom und von der päpstlichen Bestätigung des Jan Rokycana als Erzbischof. Die böhmi-schen Lande versanken für lange Zeit in einem Chaos und in der Isolation von den europäischen geistigen Strömungen. Von der Karlsuniversität verblieb lediglich ein Torso. Zum Programm der Hussitenbewegung bekannte sich auch ein Teil des mähri-schen Adels. Die großen Städte mit Brünn an der Spitze stellten sich jedoch hinter den katholischen Herrscher Sigismund von Luxemburg, den der mährische Landtag im Jahre 1419 zum mährischen Markgrafen wählte. Der Kaiser revan-chierte sich gegenüber seinen mähri-schen Verbündeten durch die Verleihung von Privilegien, womit er wiederum leicht eine gewisse Autonomie Mährens stärkte, jedoch auch durch die Verbannung der Juden aus den königlichen Städten. Die jüdischen Gemeinden mussten damals in den adligen Lehen Unterschlupf suchen.

Obwohl das Hussitentum und der Utra-quismus auf Mähren weniger Einfluss als auf Böhmen hatten, war die mährische Autonomie in der Zeit vor der Schlacht auf dem Weißen Berg (1620) nach dem ersten böhmischen Ständeaufstand

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(1547) den Nichtkatholiken wohlge-sonnen, sodass in ganz Mähren starke Zentren der Neuutraquisten (Lutheraner) und der Böhmischen (bzw. Mährischen) Brüder (Gebiet um Olmütz, Brünn, Wala-chei) entstanden.

Die Böhmischen Brüder (Unitas fratrum)Die Gemeinschaft der Böhmischen Brüder, die im Jahre 1457 in Kunvald in Ostböhmen durch den Bruder $eho! (Gregor) (vom Prager Kalixtiner-Kloster in Emmaus) unter dem Einfluss der Lehre des Petr Chel%ick# (Peter von Chel%itz) gegründet wurde, wollte zunächst keine neue Kirche, sondern eher ein geistlicher Orden sein. Als jedoch die Gemeinschaft der Brüder im Jahre 1467 einen eigenen Priester wählte, sich somit von der römi-schen Kirche und sowie von den böhmi-schen Utraquisten abspaltete, wurde sie faktisch eine Kirche. Die geistlichen und auch Laienvertreter der Gemeinschaft der Brüder wurden zentral gewählt und zu den einzelnen Gemeinden entsandt. Diese nahmen ab dem Ende des 15. Jh. Und im Verlaufe des 16. Jh. vor allem in Ostböhmen und in Mähren (Mladá Boleslav, Brand%s nad Orlicí, Ivan%ice, Uhersk# Brod, P$erov, Fulnek) zahlenmä-ßig zu, obwohl sie bis zum Majestätsbrief Rudolfs II. im Jahre 1609 rechtlich nicht anerkannt war und daher häufig auch verfolgt wurde. Durch ihre moralische Strenge und ihren Arbeitseifer erlangte sie auch Anhänger aus dem niederen und höheren Adel (z. B. des Rosenberger Petr Vok oder der Scheroteiner) und häufig war sie auf den herrschaftlichen Anwesen nicht nur geduldet, sondern auch willkommen. Die Brüder-Priester lebten nicht vom Zehent, sondern mussten sich nach dem

Vorbild der biblischen Apostel mit den eigenen Händen ernähren. Mitglied der Brüder zu sein, bedeutete die lebenslange Formung und Weiterbildung im Glauben, jedoch auch sittliche Strenge, zu Beginn auch Misstrauen gegenüber Handel und Vermögen, gegenüber Bildung und dem Adelsstand. Obwohl die Brüder eine Minderheit waren, vermochte sie eine herausragen-de christliche Gruppe zu sein, die unter anderem Einfluss auf die tschechische Literatur durch ihre Originalübersetzung der Bibel hatte, die erste tschechische Übersetzung aus den Originalsprachen (Hebräisch und Griechisch), während die vorherigen Übersetzungen von der lateinischen Vulgata ausgegangen waren. Nach der Stadt Kralice (Kralitz), wo sie herausgegeben wurde, wird sie als

Jan Amos Komensk$Václav Hollar, 1652Kupferstich

23GEISTLICHE GESCHICHTE BÖHMENS UND MÄHRENS

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Kralitzer Bibel bezeichnet, wobei sie für lange Zeit die Entwicklung der tschechi-schen Sprache beeinflusste. In einigen Zügen ähnelte der Gemein-schaft der Böhmischen Brüder die neue radikalreformatorische Bewegung der sog. Anabaptisten oder Wiedertäufer, die tschechisch als „Habaner“ bezeichnet wurden und eine Spur in Südmähren (Mi-kulov/Nikolsburg) und in der Slowakei hinterließen.

Während das 16. Jahrhundert in Europa die Blütezeit der Kunst der Renaissance war, können wir der Renaissance und dem Humanismus auf unserem Gebiet vor allem in der Literatur und in der Musik begegnen. In der Architektur fand der Stil der Renaissance vor allem durch den Adel Verbreitung, die sich ihren Sitz nach den abendländischen Vorbildern der Renaissance erbauen ließen (Schloss in Litomy#l, Lustschloss der Königin Anna – das Belvédère in Prag, Schloss Nelaho-zeves, Bu%ovice, Velké Losiny).Im Geiste der Renaissance entstanden große urbanistische Stadtkomplexe (Tel!, Slavonice, Nové M"sto nad Metují, T$ebo(), die den zunehmenden Einfluss des Bürgertums, vor allem der utraquis-tischen Bevölkerung symbolisierten. Bei den kirchlichen Denkmälern handelte es sich vor allem um kleinere Kirchen, die zugleich mit den Schlössern entstanden, oder um kleinere ländliche Kirchen. Sie trugen eher die Spuren der ausklingen-den Gotik mit Renaissanceelementen. Eine Ausnahme waren die ursprünglich lutherische Peter- und Paulskirche in Kralovice, die Kirche St. Bartholomäus und die Kirche des Hl. Johannes des Täu-fers in Pardubice oder die Gemeinde der Böhmischen Brüder in Mladá Boleslav.

Wege der Reformation und Gegenreformation, der Missionare

und Exulanten

Anmerkung (16.–18. Jh.): Nicht mehr das Streben nach der Reform, sondern bereits die böhmische und europäische Refor-mation (Abspaltung von der Institution der katholischen Kirche) brachte nicht nur eine Neuaufteilung der Machtzent-ren, neue Konflikte, sondern auch neues Ideengut und theologische Akzente mit sich. Diese Epoche begann mit den Re-formatoren Martin Luther, Jean Calvin, dem Anwachsen der Gemeinschaft der Böhmischen Brüder. Das Bemühen, sich vom Machtzentrum in Rom zu befreien und das Gegenbemühen, sich um jeden Preis zu halten, waren der Motor des neu-en Geschehens und der Spannungen, die in den Dreißigjährigen Krieg mündeten. Nach der Zeit der Noblesse der Renais-sance, der Betonung der menschlichen Individualität, kam die Zeit des emotional ausgelassenen und dynamischen Barocks, der sich erneut an die Macht und Größe Gottes klammerte, ja nicht einmal zögerte, die menschliche Individualität alleinig Gott zu überlassen. Er begann mit dem Antritt des Jesuitenordens und fand seine Fortsetzung mit dem Werk des Jan Amos Komensk&, jedoch auch des Arno't Vojt#ch z Harrachu (Ernst Adalbert von Harrach) und des Jan Bla$ej Santini oder der Bau-meisterfamilie Dientzenhofer. Zumindest für jenen Teil Europas, der sich der Reformation anschloss, gab der deutsche Augustinermönch und Professor Martin Luther, der ähnlich wie Hus ein Jahrhundert zuvor zunächst mit der Kritik der Ablässe gegen die Kirche auftrat, Böh-men und Mähren Rang und Klang zurück.

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Prag und MittelböhmenHauptstadt Prag und Region Mittelböhmen

Lassen Sie sich nicht entgehen...• Prager Burg – St. Veitsdom• Jüdische Stadt – Altneu-Synagoge• !eynkirche• Betlehem-Kapelle• Kathedrale St. Kyrill und Method• Heiliger Berg bei P"íbram

• Stará Boleslav – Basilika St. Wenzel und Kirche St. Clemens

• Kutná Hora – Kathedrale St. Barbara• Karlstein – Kapelle des Hl. Kreuzes• #áslav - Peter- und Paulskirche und $i%ka-Saal

Die Theynkirche vom Altstädter Ring aus gesehen, Prag. Foto: Magni

Der Winterkönig – Friedrich V. von der Pfalz Es war noch vor dem Morgengrauen, als sich einige Pilger von der Prager Burg im unfreundlichen Herbstwetter eilend auf einen weiten und unsicheren Weg machten. Unter ihnen floh von Böhmen unwürdig auch Friedrich V. von der Pfalz, der von den böhmischen Protestantenständen – den Vertretern der höheren Adeligen, der niedrigeren Adeligen und der königlichen Städte – erwählte König.

Ihr Heer verlor nämlich am Vortag, am 8. November 1620, mit den Heeren der Katholischen Liga keine große, nur zwei Stunden lang dauernde, aber durch ihre Reichweite sehr bedeutende Schlacht am Weißen Berg. In dieser Schlacht gipfelten jene Ereignisse, die im Jahre 1618 mit dem Prager Fenstersturz der königlichen Statthalter als Ausdruck des Widerstan-des gegen den Habsburger Absolutismus und gegen die religiöse Intoleranz ihren Anfang nahmen.

Der trotzige König Friedrich Der Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz wur-de am 26. August 1619 zum böhmischen König erwählt. Seine Herrschaft in den böhmischen Landen überdauerte lediglich einen Winter, weshalb man ihn iro nisch „Winterkönig“ nannte. Zur Wahl des Kal-vinisten Friedrich führte eine Reihe voran-gehender Ereignisse – außer dem Streben nach dem Gewinn einer größeren Macht-autonomie gegenüber den „fremden“ (und katholischen) Habsburgern ging es auch um die Emanzipation des protestantischen Glaubens, zu dem sich die Mehrheit der böhmischen Stände bekannte.

Friedrich war eigentlich ein trotziger König der protestantischen Stände statt Ferdinand II. Dieser wurde ein Jahr zuvor zum Nachfolger von Matthias II. erwählt, weil er sich verpflichtete, die Majestät Rudolfs zu ehren. Seinem Versprechen kam er allerdings nicht nach, und als er die Protestantenkirche in Hroby (heute auf Tschechisch Hrob und auf Deutsch Klostergrab genannt) abreißen ließ, machten die empörten Stände ihrer Wut durch den Fenstersturz der königlichen Statthalter Luft. Als der fliehende Friedrich V. von der Pfalz Prag verließ, verlor er nicht nur die Residenzhauptstadt, sondern das gesamte Königreich. Das mittelalterliche Stichwort PRAGA CAPUT REGNI (Prag der Kopf des Königreiches), das am Altstädter Rathaus eingemeißelt ist, sagt ziemlich zutreffend darüber aus, wie untrennbar die Schicksale des Böhmi-schen Königtums (des tschechischen Staats, der Republik) und Prags, dessen Hauptstadt, verknüpft sind. Die Schlacht in den böhmischen Landen bedeutete den Anfang des Dreißigjähri-gen Kriegs, der einen bedeutenden Teil des europäischen Kontinents traf. Der Westfälische Frieden, der im Jahre 1648 von fast allen Kriegsparteien geschlos-sen wurde, , festigte den Grundsatz des Augsburger Religionsfriedens (1555) cuius regio, eius religio – wessen Regierung, dessen Religion – und in der Mehrheit Europas bedeutete er deshalb bessere Bedingungen für protestanti-sche Religionen. In den böhmischen Ländern, die unter der Regierung der katholischen habsburgischen Dynastie

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Friedrich I. (als böhmischer König)Gerard van Honthorst, 1634Öl auf Leinwand

standen, brachte er aber den Protestan-ten 200 Jahre Illegalität, Verfolgung und Rekatholisierung.

Die Majestät Rudolfs und „der Bruder-streit im Habsburger Haus“ 1609 erließ der Kaiser Rudolf II. einen kaiserlichen Majestätsbrief hinsichtlich der religiösen Freiheit, der in den böh-mischen Ländern die Religionsfreiheit sicherte. Die 35 Jahre lange Ära der Herr-schaft Rudolfs neigte sich jedoch eilig dem Ende zu. Der alternde Herrscher litt

langfristig an Depressionen, zu denen sich eine syphilitische nervliche Degene-rierung gesellte, wobei darüber hinaus sein krankhaft ehrgeiziger, jüngerer Bruder Matthias II. seit langem die Hand nach der kaiserliche Krone ausstreckte.Seine Majestät Rudolf musste im Jahre 1608 den böhmischen Ständen Zugeständnisse einräumen, um ihre Unterstützungen gegen Matthias zu erwirken, dessen Heer bereits vor Prag stand. Der zwischen den Brüdern damals geschlossene Liebener Frieden (benannt nach dem Prager Viertel Libe& = Lieben) beließ Rudolf die Regierung über Böhmen, Schlesien und die Nieder- sowie Oberlausitz; Österreich, Mähren und Ungarn fielen Matthias anheim, der bereits 1606 vom habsburgischen Reichstag zum zum Führer des Ge-schlechts erklärt worden war – allerdings heimlich, ohne dass Rudolf davon wuss-te. Nach dem Einmarsch der von ihrem Cousin, dem Bischof Leopold, geführten Passauer wurde Rudolf gezwungen zu abdizieren. Im Gegensatz zum laschen Rudolf nahm Matthias II. die Rekatho-lisierung des Böhmischen Königreiches in Angriff, nachdem er den ersehnten Thron bestiegen hatte. Weil Matthias genauso wie sein Bruder Rudolf allerdings kinderlos und deshalb ohne Nachkömmling war, wählten die böhmischen Stände als seinen Nach-folger Ferdinand II. von der Steiermark. Dieser annullierte nach der Besteigung des Throns den Majestätsbrief nicht nur inhaltlich, sondern auch im wahrsten Sinne des Wortes, indem er ihn zer-schnitt und seine Siegel verbrannte. Im Jahre 1627 erhob er in Böhmen den Ka-tholizismus als einzig erlaubte Religion in den Rang eines Gesetzes.

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PRAG UND MITTELBÖHMEN

Ereignisse und Persönlichkeiten Prag wird das Herz Europas genannt, und zwar nicht nur dank seiner geogra-phischen Lage. Es ist der Traditionssitz der tschechischen Fürsten und Kö-nige, aber ihren Sitz hatten hier auch einige römische Kaiser. Es gehört zu den schönsten Städten in Europa – neben der vielgliedrigen, interessanten Abwechs-lung der Berge, Täler und Ebenen tragen zu seinem malerischen Anmut die Krüm-mungen des Flusses Moldau. Vergessen darf man aber auch das Mittelböhmengebiet nicht, ohne das Prag seinen Ruhm nicht hätte erreichen können – es ist der Hals, auf dem der Kopf – Prag – steht und ohne den es keinen Kopf hätte geben können. Außer den fruchtbaren Landwirtschaftsflä-chen strotzte die Region vor allem vor Bodenschätzen. Das hiesige Revier bot im Mittelalter ungefähr ein Drittel der Silberproduktion in Europa. Im Verlauf der Jahrhunderte war Prag ein Zeuge von vielen umstürzlerischen Ereignissen. Erinnern wir stichpro-benweise an die Gründung des Prager Bistums (993) und des Erzbistums (1334), die Entstehung der Prager Universität (1347), die erste Predigt von Johannes

Huss in der Bethlehemkapelle (1402) und den Reformationsbeginn, den Aufstand der böhmischen Stände und die Schlacht am weißen Berg (1620), eines der Schlüs-selereignisse des Anfangs des Dreißigjäh-rigen Kriegs, nach dessen Ende bis dahin überwiegend protestantische Böhmen und Mähren oft auch mit Gewalt reka-tholisiert wurden.

Entstehung des böhmischen Staates und seine Christianisierung

Den mittelböhmischen Talkessel, in dem Prag liegt, bewohnten ursprünglich germanische Stämme, seit 6. Jahrhundert bewohnen das Gebiet die Slawen. Die Fundamente des böhmischen Staats legte hier im 9. Jahrhundert Bo!ivoj, der erste böhmische historisch belegte und zugleich getaufte Fürst. Die durch Bo!ivoj gegründete fürstliche und später königli-che Primislidendynastie wurde damit seit ihrer Erstentstehung christlich und hat das Hauptverdienst an der Christianisie-rung der böhmischen Länder.Bis heute zeugt davon eine große Menge der durch die Primisliden gegründeten

Charakter der LandschaftDer so genannte mittelböhmische Talkessel erhebt sich schrittweise auf alle Seiten in Richtung zur Staatsgrenze vom Moldau-Tal und der breiten Elbe-Tiefebene, die hauptsächlich im Nordteil bedeutende Landwirtschaftsbereiche sind. Das übrige Gebiet machen über-wiegend mäßige bewaldete Berge und Hügel interessant.

Am bedeutendsten von ihnen ist das Bridy-Bergland (Brdská vrchovina oder kurz Brdy), das südwestlich von Prag beginnt und sich mehrere zehn Kilo-meter zieht. Weiter sind es der Böhmi-sche Karst (Kalkstein), Pürglitzer Wald (K!ivoklátsko) mit tiefen Wäldern… Im Mittelalter hatten die großen Silberfund-stellen bei Kuttenberg (Kutná Hora) eine Schlüsselbedeutung.

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Betlehem-Kapelle, Prag. Foto: Magni

Kirchen und Klöster sowohl in Prag – z.B. die im Jahre 926 erbaute St. Veit Rotunde (rotunda sv. Víta), die St. Georg Kirche (chrám sv. Ji!í) und das erste Kloster in Böhmen auf der Prager Burg, die St. Laurentius- sowie St. Peter und St. Paulus Basiliken auf Prager Hochburg (Vy#ehrad), das männliche Benedikti-nerkloster in B$evnov, das Prämonst-ratenserkloster in Prag auf Strahov, das Zisterzienserkloster auf Zbraslav (Kö-nigsaal) oder das Agneskloster (Ane&sk% klá#ter) der Klarissen in der Altstadt – als auch außerhalb Prags als Zentrum der slawischen Ausbildung, das Sasau-Klos-ter (Sázavsk% klá#ter) und viele andere.Der Agnes´ Ehemann Wenzel I. leitete nach 1231 den Altstadt-Festungswerk-bau. Spätestens seit der Zeit der Burg-gründung wurde auch das linke Ufer der Moldau besiedelt, also die Vorburg, der 1257 von Ottokar II. P!emysl Stadtrechte

erteilt wurden. So ist die Kleinere Prager Stadt – die heutige Kleinseite – entstanden.

Die Primislidendynastie regierte den böhmischen Ländern 400 Jahre lang. Als 1306 in Olmütz (Olomouc) Wenzel III. er-mordet wurde, setzte sich auf den Thron der Ehemann der Primislidenprinzessin Anna, Heinrich von Kärnten. Statt der er-forderlichen Konsolidierung ließ er aber den Staat verarmen und demontieren.Die böhmischen Herren entschieden sich deshalb, ihn zu entthronen und die Heirat der letzten ledigen Tochter von Wenzel II. – Elisabeth die Primislidin – mit dem römischen Kaiser Johann von

Die hunderttürmige StadtDer in der UNESCO-Welterbelis-te eingetragene historische Kern und eine Menge überlieferter weltlicher sowie kirchlicher architektonischer Denkmäler locken jedes Jahr Millionen Touristen aus aller Welt nach Prag aus der ganzen Welt – nach London, Paris, Wien, Madrid und Berlin ist es die meistbe-suchte Stadt Europas. Das Prager Stadtdenkmalschutzgebiet sowie der Komplex der Prager Burg gehören zu den größten ihrer Art auf der Welt. Das Attribut „hunderttürmiges Prag“ lebte sich seit 19. Jahrhundert ein. Damals zählten die Historiker die Prager Türme – abgesehen von Privathaus- und Wasser-werktürmen – und gelangten zur Nummer 103.

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PRAG UND MITTELBÖHMEN

St.-Barbara-Kathedrale, Kutná Hora (Kuttenberg). Foto: Magni.

der Mariä Himmelfahrt Kirche in der UNESCO-Welterbeliste eingetragen. Außer dem erwähnten Kuttenberg hatten das obere Recht auch die Städte )áslav (Tschaslau), Kolín (Köln an der Elbe) oder P$íbram (Pibrans), die sich im Eigentum des Prager Bistums befanden. Auf dem Mittelböhmengebiet kann man auch den ältesten mit der Sankt-Wenzel-Tratidion verknüpften Wallfahrtsort fin-den – Altbunzlau (Stará Boleslav). An der Tür der hiesigen St. Cosmas und Damian Kirche wurde (etwa 935) der Fürst Wenzel meuchlerisch ermordet. Um ein Jahrhundert später (1039) erbaute hier der Fürst B!etislav I. über der Todesstelle seines Vorfahren die St.-Wenzel-Basilika, neben der er auch das St. Cosmas und

Luxemburg einzufädeln. Als Johann an der Front der Reichsarme kam, half Heinrich nicht einmal das, dass seine Kärntner Söldner Prag und die damals zweitbedeutendste böhmische Stadt Kuttenberg (Kutná Hora) besetzten. Die Wende war vollbracht und die Luxem-burger regierten in Böhmen etwa weitere 100 Jahre.Wegen der Bedeutung von Kuttenberg (Kutná Hora), das damals innerhalb eines gewissen Zeitraums auch die Hauptstadt des Königtums werden konnte, wurde 1142 im unweiten Sedletz (Sedlec) das erste Zisterzienserkloster in Böhmen gegründet. Zusammen mit der St. Barbara Kathedrale in Kutten-berg (Kutná Hora) ist das Kloster mit

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SüdwestböhmenSüdböhmische und Pilsener Region

Lassen Sie sich nicht entgehen...

Große Synagoge, Pilsen. Foto: CzechTourism

• Tábor – Hussitenmuseum und Kirche Verwandlung des Herrn

• Husinec – Jan-Hus-Gedenkstätte• Kloster Vy&&í Brod (Hohenfurth) und Kloster Zlatá Koruna (Goldenkron)

• Trocnov – Jan-$i%ka-Gedenkstätte• Pilsen – Große Synagoge• Koster Kladruby• Kloster Plasy und Wallfahrtsort Mariánská T'nice• Klatovy (Klattau) – Jesuitenkirche mit Katakomben

Wichtige Städte in Geschichte und Gegenwart

wurde um das Jahr 1323 von König Johann von Luxemburg gegründet. Die bekanntesten Besitzer der Stadt waren die 'ternberks (Sternbergs), deren Grabsteine in der Klosterkirche ausgestellt sind, wie auch der letzte Vertreter der Rosenbergs, Petr Vok. Eine Ausstellung über sein Leben ist im hiesigen Schloss zu sehen. Eine weitere wichtige Sehenswürdigkeit der Stadt ist die aus der Zeit der Wende vom 13. zum 14. Jh. stammende Matthäuskir-che (kostel sv. Mat"je).Sehenswürdigkeiten: Matthäuskirche (kostel sv. Mat#je), 1740 umgebaut; Klosterkirche Mariä Himmelfahrt (kostel Nanebevzetí Panny Marie, 1491); Schloss aus dem 16. Jh.

entstand im 13. Jahrhundert auf Veran-lassung P!emysl Otakars II. als Stütze der königlichen Macht in dieser Region und als Gegengewicht zum Einfluss der Witigonen (insbesondere der Rosenbergs). Die unter Denkmalschutz stehende Stadt ist die Hauptstadt der Region Südböhmen. Außer sakralen Baudenkmälern ist auch eine Reihe von Museen vom Museum für Regionalgeschichte bis hin zum Brauerei-museum einen Besuch wert.Sehenswürdigkeiten: Dominikaner-kloster mit Mariä-Opferungs-Kirche (kostel Ob#tování Panny Marie, 1265); barocker Samson-Brunnen (1721–27);

St.-Nikolaus-Kathedrale (katedrála svatého Mikulá'e, gegr. 1265, seit Mai 2011 2 Jahre lang in Renovierung), Glockenturm der Kirche – der Schwarze Turm ((erná v#$), der bis zum 5. Stockwerk im gotischen Stil gebaut und im Renaissancestil fertig-gestellt wurde; dreischiffige Hus-Kirche (Hus)v sbor, 1924)

die einzigartige, zauberhafte Stadt an der Moldau wurde zu Beginn des 13. Jh. ge-gründet. Später verlegten die Rosenbergs ihren Sitz hierher. Die Ambitionen dieses Adelsgeschlechts kamen auch in seiner Bautätigkeit zum Ausdruck. Das mittelal-terliche Stadtzentrum wurde in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.Sehenswürdigkeiten: Staatliche Burg und Schloss (esk& Krumlov; Stadtkern mit vielen gotischen, Renaissance- und Barockhäusern; dreischiffige gotische St.-Veits-Kirche (kostel sv. Víta) aus den Jahren 1408–39; in der gotischen St.-Justus-Kirche (kostel sv. Jo'ta) befindet sich heute ein Puppenmuseum; neoromanische Synagoge (1909) mit Jugendstilelementen und der ersten Stahlbetonkonstruktion in Österreich-Ungarn

unweit von Prachatice am Fluss Blanice (Blanitz) gelegene Stadt. Der historische Kern der Stadt wurde im Jahr 2003 unter Denkmalschutz gestellt.

Bechyn" (dt.: Bechin)

)eské Bud"jovice (dt.: Böhmisch Budweis)

)esk% Krumlov (dt. Böhmisch Krummau)

Husinec (dt.: Hussinetz)

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Die erste schriftliche Erwähnung der Stadt stammt aus dem Jahr 1291. Im 14. Jahrhundert wurde bei der Gemeinde Záblatí (Sablat) die Burg Hus angelegt. Im nahegelegenen Dorf Chlístová steht eine uralte Linde, unter der bereits der aus Husinec stammende Jan Hus gepredigt haben soll. Jan Hus wurde hier 1369 (vielleicht auch 1370) in dem am Markt befindlichen Nánovsk# domek (Haus Nánovsk#) geboren. Sehenswürdigkeiten: Geburtshaus Jan Hus‘; Rathaus aus dem 16.Jh.; Kreuzerhö-hungskirche (kostel Pov&'ení sv. K"í$e) und St.-Kyrill-und-Method-Kirche (kostel sv. Cyrila a Metod#je)

Geburtsstätte des mittelalterlichen reli-giösen Reformators Petr Chel%ick#. Erste Erwähnungen der Gemeinde stammen aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, als dort das erste bekannte Adelsgeschlecht der Hr(za von Chel%ice seinen Sitz hatte. Im Jahre 1444 wurde das Schloss von Ullrich von Rosenberg (Old!ich z Ro)mberka) gekauft und Václav Hr(za von Chel%ice zum Burggrafen ernannt. Ab dem 15. Jahrhundert war Chel%ice im Besitz der Ritter von Malovice. Seit dem Jahr 2000 gibt es hier einen Petr Chel%ick# gewidmeten Gedenksaal. Sehenswürdigkeiten: Petr-Chel!ick&-Denkmal; St.-Martins-Kirche (kostel sv. Martina)

ist einer der am längsten besiedelten Orte Böhmens. Die erste Erwähnung stammt aus dem Jahre 981. Ursprünglich war die Stadt eine Grenzfestung des

Adelsgeschlechts der Slavnikiden zum Schutz gegen die Österreicher. Nach der Auslöschung der Slavnikiden ging die Stadt in den Besitz der P!emysliden über und gehörte ab 1250 dem Bistum Prag. Im 15. Jh. bauten die nächsten Besitzer, das Adelsgeschlecht der Malovci von Malovic hier eine Wasserleitung. Zu Beginn des 18. Jh. fiel der gesamte Besitz an die Schwarzenbergs, die die Burg zu einem Barockschloss umbauen ließen. Der Marktflecken Ch#nov wurde im Jahr 1903 von Kaiser Franz Joseph I. zur Stadt erhoben.Sehenswürdigkeiten: Franti'ek-Bílek-Haus; Chynover Höhle

entstand vor dem Jahr 1220. Die aus dem 13. Jh. stammende Burg wurde zu einem großen Schlossareal im Renaissancestil umgebaut. Unter Einfluss der Jesuiten, einschließlich Bohuslav Balbíns und Václav Michnas von Otradovic, setzte in der Stadt eine rasante Entwicklung der Bildung ein.Sehenswürdigkeiten: Weihnachtskrippe „Betlehem“ von Tomá' Kr&za mit 1398 Krippenfiguren; aus einer gotischen Burg umgebautes Renaissanceschloss; St.-Johannes-Kirche (kostel sv. Jana K"titel) mit gotischen Fresken und frühbarockem Mobiliar; Maria-Magdalena-Kirche (kostel sv. Má"í Magdaleny); Propsteikirche Mariä Himmelfahrt (kostel Nanebevzetí Panny Marie); Katharinenkirche (kostel sv. Kate"iny) mit Franziskanerkloster

wurde um das Jahr 1350 zum Markt-flecken erhoben, da der Ort durch die

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Ch%nov (dt.: Chejnow)

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Förderung von Gold reich geworden war und zudem am Haupthandelsweg von Prag nach Písek und Budweis lag.Sehenswürdigkeiten: Synagoge; das einzige erhaltene Getto in Westböhmen einschließlich einem erhaltenen Friedhof; Jakobskirche (kostel sv. .Jakuba)

das 1115 im heutigen Bezirk Tachov gegründete Benediktinerkloster fand bereits in der Kosmas-Chronik (12. Jh.) Erwähnung und wurde im Jahr 1230 von König Václav I. aufgrund seiner wichtigen Lage am Landweg nach Nürnberg und in der Nähe von Silberfundstätten zur Stadt erhoben. Auch das Kloster blühte – im Jahre 1233 wurde der monumentale Dom fertiggestellt. Václav IV. beabsichtigte hier ein mit einem loyalen Vertreter besetztes Bistum einzurichten und so die Macht des Erzbischofs Jan von Jen*tejn zu beschrän-ken. Aus Zorn über den Misserfolg dieser Intrige ließ er Jan Nepomuk zu Tode foltern. Während der böhmischen Refor-mation geriet das Kloster in finanzielle Schwierigkeiten. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde es von dem großen barocken Baumeister Santini und nach dessen Tod von K. I. Dientzenhofer mehrmals umgebaut.Sehenswürdigkeiten: Kloster Kladruby (gegr. 1115); Jakobskirche (kostel sv. Jakuba)

die in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts von König P!emysl Otakar II. zur Königsstadt erhobene Gemeinde wurde später zu einem der wichtigsten Zentren der Hussiten. Ähnlich wie in Jind!ich(v

Hradec setzte im 17. Jahrhundert unter dem Einfluss der Jesuiten eine rasante Entwicklung der Stadt ein.Sehenswürdigkeiten: der 81 Meter hohe Schwarze Turm ((erná v#$, 1547 bis 1557); die barocke Jesuitenkirche Mariä Empfängnis und St. Ignaz (kostel Neposkvrn#ného po!etí Panny Marie a svatého Ignáce); Apothekenmuseum in der Barockapotheke „U Bílého jednoro$ce“ („Zum Weißen Einhorn“); Kirche Mariä Geburt (kostel Narození Panny Marie) aus dem 13. Jh.; der Weiße Turm (Bílá v#$) aus dem Jahr 1581, der nach einem Brand im Jahr 1758 restauriert und auf eine Höhe von 60 Metern erhöht wurde; jüdi-scher Friedhof; steinerne Stadtmauer ! der am besten erhaltene Teil der Stadtmauer sind zwei kreisförmige Basteien auf der Ostseite der Stadt

die erste Erwähnung der 2,5 km nördlich von Sezimovo Ústí gelegenen Burg stammt aus dem Jahr 1377. Ab dem Sommer 1413, nach seiner Ausweisung aus Prag, hielt sich Jan Hus auf der Burg auf, wo er einige seiner wichtigsten Schriften verfasste, so z.B. Postila aneb Vylo$enie svat&ch !teni ned"lních (Postille oder Auslegung der heiligen Lesungen zum Sonntag), den Traktat O svatokupect-ví (Über die Simonie), De ecclesia (Über die Kirche) oder O 'esti bludiech (Über die sechs Irrtümer).Sehenswürdigkeiten: gotische Burgruine aus dem 14. Jahrhundert

bereits im 8.Jh. soll sich hier eine slawische Siedlung befunden haben. Die

Burgruine Kozí hrádek

Milevsko (dt.: Mühlhausen)

Kladruby

Klatovy (dt.: Klattau)

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erste schriftliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1184, als der Gründer des ersten südböhmischen Klosters, Ji!í z Milevska (dt.: Georg von Mühlhausen) hier seinen Sitz hatte. Im Jahre 1187 kamen unter der Leitung des Abts Jarloch (Gerlach), des Fortsetzers der Kosmas-Chronik, Prämonstratenser aus +eliv in das Kloster. Die Stadt wurde wohl durch alle Kriege der böhmischen Geschichte beschädigt.Sehenswürdigkeiten: Prämonstratenser-kloster (gegr. 1184–87) mit ursprünglich romanischem Mariä-Heimsuchungs-Dom (chrám Nav'tívení Panny Marie); St.-Bartholomäus-Kirche (kostel sv. Bartolom#je, 1868); Synagoge mit kubisti-scher Fassade (1919) – heute Gebetshaus der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche

die Entwicklung dieser Gemeinde ist eng mit der Gründung des Zisterzienser-klosters im Jahre 1144 wie auch mit der Entwicklung des Handels verbunden. Eine große Einnahmequelle bestand in der Förderung von Gold und Silber. Im Jahre 1730 wurde Nepomuk von Kaiser Karl IV. zur Stadt erhoben. Hier wurde (um 1340) der spätere Märtyrer Jan Nepomuk geboren, der 1729 von Papst Benedikt XIII. heilig gesprochen wurde.Sehenswürdigkeiten: Dom des Hlg. Nepomuk (chrám sv. Jana Nepomucké-ho), der sich angeblich an der Stelle von Nepomuks Geburtshaus befindet; Schloss Zelená Hora (dt.: Grünberg); Erzdekanat und Post, beide von K. I. Dientzenhofer erbaut; ursprünglich gotisches Haus „U !eské lípy“ („Zur böhmischen Linde“)

ursprünglich eine Siedlung, in der aus dem Sand des Flusses Otava Gold gewaschen wurde. Im 13. Jahrhundert wurde Písek von König P!emysl Otakar II. zur königlichen Münzstadt erhoben. Písek ist eine der wichtigsten Städte der Hussitenbewegung, hier wirkte Nikolaus von Pelgrims (Mikulá* z Pelh!imova). Auch eine jüdische Siedlung ist belegt. Darüber hinaus befindet sich in der Stadt u.a. die älteste Steinbrücke Böhmens.Sehenswürdigkeiten: Mariä-Geburts-Kirche (kostel Narození Panny Marie); Kreuzerhöhungskirche (kostel Pov&'ení svatého K"í$e); steinerne Brücke aus dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts; Burg mit königlicher Münzerei; partiell erhaltene Stadtmauer

die Stadt entstand in der Um-gebung eines 1144 gegründeten

Písek (dt.: Pisek)

Plasy (dt.: Plaß)

Nepomuk (dt.: Pomuk)

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Zisterzienserklosters. Während der Hussitenkriege wurde das Kloster ausgebrannt und später rekonstruiert. Seine gegenwärtige Gestalt erhielt es bei einem barocken Umbau in den Jahren 1661–1739, an dem auch die Baumeister Mathey und Santini beteiligt waren. Im Rahmen der Reformen Kaiser Josephs II. wurde das Kloster aufgelöst und ging zusammen mit dem umgebenden Dorf in den Besitz des „Religionsfonds“ („Nábo)ensk# fond“) über. Im Jahre 1824 wurde das gesamte Gut von Fürst Metternich gekauft. 1995 wurde das Kloster zum Nationalen Kulturdenkmal erklärt.Sehenswürdigkeiten: Gebäude des Klo-sterkonvents; barocke Speichergebäude; Prälatur, Wirtschaftshof mit Turm des Hlg. Florian; Mariä-Himmelfahrts-Kirche mit einer einzigartigen Orgel aus dem Jahr 1688; Metternich-Gruft, Friedhofskir-che St. Wenzel (kostel sv. Václava)

ist Hauptstadt der Region Pilsen. Erste Erwähnungen über die Besiedlung

dieses Gebiets (bzw. der Ortschaft Star# Plzenec – Altpilsen) stammen bereits aus dem Jahr 976, als der P!emyslidenfürst Boleslav II. hier auf ein Heer des deutschen Königs Otto II. traf. Im Jahre 1295 gründete König Václav II. (Wenzel II.) am Zusammenfluss von vier Flüssen die Stadt Nová Plze& (Neu Pilsen), die er zu einem Handelszentrum und zum Kreuzpunkt der nach Nürnberg und Regensburg führenden Handelsrouten ausbaute. Zu Beginn der Hussitenkriege hatten die Kalixtiner hier großen Einfluss, und zwar dank des radikalen Pfarrers Václav Koranda. Im Jahre 1420 musste Koranda jedoch zusammen mit Jan +i)ka nach Tábor auswandern und Pilsen wan-delte sich zu einer katholischen Stadt. Die Stadt wurde dreimal erfolglos belagert, zuerst von Jan +i)ka, dann zweimal von Prokop Hol#. 1466 fielen die Pilsener von König Ji!í z Pod"brad (Georg von Podieb-rad) ab und ein Jahr später bezog das Prager Kapitel, in dieser Zeit das höchste Organ der römisch-katholischen Kirche in Böhmen, hier seinen Sitz. Kurzzeitig, während einer Pestepidemie, war die Stadt auch Sitz des römischen Kaisers Rudolfs II. Der historische Kern der Stadt wurde 1989 unter Denkmalschutz gestellt. Im Jahre 1993 wurde das Bistum Pilsen gegründet.Sehenswürdigkeiten: St.-Bartholomäus-Kathedrale (katedrála sv. Bartolom#je, 1292) mit dem höchsten Kirchturm Böhmens; ehemaliges Franziskanerklo-ster mit Mariä-Himmelfahrts-Kirche; barockes Dominikanerkloster mit St.-Anna-Kirche (kostel sv. Anny) aus den Jahren 1711–14, heute eine wissenschaft-liche Bibliothek; Große Synagoge (Velká synagoga), die größte Synagoge in der Tschechischen Republik; Alte Synagoge

Plze( (dt.: Pilsen)

MAGNI | GESCHICHTSREISEN88S

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Sofern Sie vorhaben, mehrere Tage im be-rühmten Bäderdreieck zu verbringen, haben Sie neben der Entspannung auch die Gelegenheit, Neues kennenzulernen und Be-lehrendes zu erfahren. Die heilsamen Mineralquellen und ihre Wirkungen waren bereits seit dem Mittelalter bekannt und zu Beginn des 18. Jahrhunderts begann die tatsächliche Entwicklung des Bäderwesens. Der Ruhm der Quellen verbreitete sich wie ein Feuer, sodass zur Behandlung und Erholung immer mehr Gäste aus unterschiedlichen Ecken und Winkeln Europas anreisten.

Angesichts dessen, dass das religiöse Leben damals ein nicht wegzudenkender Bestandteil des Alltags war, wurde es mit der Zeit not-wendig, in den Kurstädten

neue Kirchen unterschied-licher Konfessionen zu errichten, sodass keiner der Kurgäste um die Befrie-digung seiner geistlichen Bedürfnisse gebracht wurde. Ein verhältnismäßig großer Teil der Gäste reiste im west-böhmischen Kurbad aus dem damaligen Russland an. Im Übrigen war eine der bekanntesten Persönlichkei-ten, die Karlsbad besuchte, der russische Zar Peter I., der Große, der hier gleich zweimal, in den Jahren 1711 und 1712 weilte. Die Flut der russischen Klienten dauerte an und in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannten sich auch zahlreiche tschechische Patrioten sowie Intellektuelle unter Verweis auf die Tradition von Kyrill und Method zur orthodoxen Kirche. Daher wurden in allen drei Städten des sog. Bäderdreiecks mit finanzieller Unterstützung zahlreicher Besucher orthodoxe Kirchen erbaut, die bis heute aufgrund ihrer atypischen architekto-nischen Details zum Interes-santesten gehören, was Sie hier besuchen können.Beginnen können wir beispielsweise bei der bekanntesten dieser

Kirchen, der Kirche St. Peter und Paul in Karlovy Vary. Sie befindet sich auf einem Hügel am linken Ufer des Flüsschens Teplá (Tepl), heute etwas hinter den übrigen Kurhäusern im Jugendstil versteckt. Das Vorbild für den Bau dieser Kirche war die byzantinisch-altrussische Kirche in Ostankino in der Nähe von Moskau, die Pläne schuf der Baumeister und Bürger-meister von Franzensbad Gustav Wiedermann, der übrigens alle drei ortho-doxen Gebetshäuser der Kurorte errichtete. Die Kir-che fasziniert auf den ersten Blick durch ihre goldenen Kuppeln und das blaue Dach. Der reiche Schmuck und die Ausstattung dieser Kirche wurden nämlich zum Teil von vermögenden Karlsbader Patienten russischer Herkunft ge-spendet. Die Kirche wurde in den Jahren 1893-1898 auf zentralem Grundriss eines griechischen Kreuzes mit halbkreisförmigem Abschluss erbaut. Über der Kreuzung erhebt sich sodann die Kuppel mit einer sog. Laterne, die von einer zwiebelförmigen Kuppel abgeschlossen wird.

Route 11 | Orthodoxe Kirchen des Bäderdreiecks

Ausgangsort: Karlovy Vary (Karlsbad) / Mariánské Lázn! (Marienbad) / Franti"kovy Lázn! (Franzensbad)

Beförderung: Zug

Orte Karlovy Vary (Karls-bad), Mariánské Lázn! (Marienbad), Franti"kovy Lázn! (Franzenbad)

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Ähnliche, wenn auch klei-nere Kuppeln, auch die übri-gen vier Türmchen, ebenso wie der in der Hauptachse über dem Eingangsteil der Kirche befindliche Turm. Das Exterieur des Bauwer-kes ist reich mit ornamen-talen bildhauerischen und architektonischen Details verziert. Im Innern befinden sich ein hölzerner Ikonostas mit zahlreichen Darstellungen Heiliger, ein Kristallkronleuchter und viele weitere Kunstwerke, häufig Spenden der Gönner der Kirche. Das Relief des Bildhauers M. Hiller stellt den russischen Zaren Peter I. beim Bau des Hauses U páva (Zum Pfau) im Jahre 1711 dar. (geöffnet nach vorheriger Vereinbarung)Nachdem Sie auch die wei-teren Sehenswürdigkeiten Karlsbads und das Wasser einer der Minerlaquellen gekostet haben, können Sie sich mit den örtlichen Stadtverkehrsmitteln in das Viertel Doubí (Aich) begeben, wo sich auf dem Doubská hora (Aberg) die jüngste der hiesigen ortho-doxen Kirchen befindet. Zu ihr gelangen Sie auf blau markierter Trasse und die körperlich Tüchtigeren können den Weg, der blauen Markierung weiter folgend, fortsetzen, somit zurück in das Zentrum von

Karlovy Vary. Die hölzerner Kapelle St. Nikolais, bzw. St. Nikolaus, wurde zur Jahrtausendwende geweiht. Errichtet wurde sie nach dem Vorbild der sog. Susdaler Kapellen auf eigene Kosten des Bruders Nikolai Gennadijewitsch Stjepanow. Das Baumaterial ebenso wie der Ikonostas und die Ikonen stammen aus dem größten Kloster in Russland in Sergijew Posad. (zu besichtigen nach Absprache, Gottesdienste Donnerstag, gelegentlich am Samstag)

Von Karlovy Vary aus können wir uns mit dem Zug zu einem weiteren der Höhepunkte des Bäderdrei-ecks auf den Weg machen. Mariánské Lázn" (Mari-enbad) kann sich neben der berühmten Singenden Fontäne, die (in der Kur-saison) zu jeder ungeraden Stunde „erklingt“, und den zahlreichen Kurhäusern auch mit einer orthodoxen Kirche rühmen. Sie ist dem Hl. Wladimir geweiht und wurde in den Jahren 1900–1902 von Gustav Wiedermann als Ersatz für die ursprüngliche, seit dem Jahre 1878 im Gebäude des Rathauses bestehende orthodoxe Gebetsstätte erbaut. Die Pläne schuf Prof. Nikolai Wladimirowitsch

Sultanow, der sie in typischem russisch-byzan-tinischem Stil entwarf. Auch hier geht der Grundriss von der Gestalt eines griechi-schen Kreuzes aus, das für die Orthodoxen typisch ist. Seine quadratische Mitte überhöht drei seitliche halbkreisförmige Apsiden und ist mit einem Türm-chen mit Zwiebelkuppel abgeschlossen. Über dem Eingang zur Kirche ist ein Glockenturm mit kleinerer Zwiebelkuppel. Das ursprüngliche Glockenspiel wurde im Ersten Weltkrieg requiriert. Gegenüber dem reich geschmückten Interi-eur dominiert ein massiver Majolika-Porzellan-Ikono-stas, der ursprünglich für die Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 angefertigt wurde, wo der mit dem Grand Prix gekürt wurde. Zahlreiche Ikonen stammen aus verschiedenen Epochen, vom 17. Bis zum 20. Jahrhundert, wobei es sich wiederum zumeist um Gönnerspenden handelt. (geöffnet täglich 08:30–12:00 und 13:00–16:30, sonntags um 10:00 Gottesdienst)Die älteste orthodoxe Kirche im Bäderdreieck ist die Kirche St. Olga von Franti#kovy Lázn" (Fran-zensbad). Sie wurde in den Jahren 1887-1889 durch den Architekten und späteren

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hiesigen Bürgermeister Gustav Wiedermann erbaut. Das Hauptschiff ist von quadratischem Grundriss, mit gewölbter Kuppel und einem Glocken-Zwiebel-dach mit kleiner Kuppel. Die Ecken des Gebäudes

werden von dekorativen Türmchen geziert, die ebenfalls mit typisch byzantinisch-russischen Kuppeln abgeschlossen sind. Vor dem eigentlichen Schiff ist eine reich gegliederte Vorhalle mit

hohem achtseitigem Turm vorgebaut. Im Innern befinden sich neben dem traditionellen Ikonostas auch weitere Heiligenbilder, wobei das Gewölbe nicht nur ornamental, sondern auch figural reich bemalt ist.

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Das bekannteste tschechi-sche Kurbad Karlovy Vary (Karlsbad) bietet nicht nur Entspannung an dem 12 heißen Quellen und Beispiele der typischen Bäderarchitektur. Sobald Sie die Kolonnaden, von denen die bekann-teste zweifelsohne die Mühlenkolonnade ist, ausreichend genossen und die Stadt aus einigen der vielen Perspektiven (am einfachsten mittels der Seilbahn ist der Aussichts-turm Diana zu erreichen) betrachtet haben, widmen Sie Ihre Aufmerksamkeit den interessanten sakralen Denkmälern der Stadt.

Gewiss sollten Sie die barocke Kirche St. Maria Magdalena nicht auslassen, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts unweit der berühmten Sprudelquelle von Kilian Ignaz Dientzenhofer erbaut

wurde. In ihren unterir-dischen Räumlichkeiten befindet sich eine Krypta, deren Besichtigung mit dem Stadtinfozentrum vereinbart werden kann. Auf dem Marktplatz steht die Dreifaltigkeitssäule, von der aus Sie sich auf einen kleinen Spaziergang entlang der weiteren Karlsbader Kirchen begeben können – zu-nächst kommen Sie an der anglikanischen Kirche St. Lucas vorbei und nach etwa 10 Minuten gelangen Sie zur Perle Karlsbads – zur russischen orthodoxen Kirche St. Peter und Paul, die eine der Dominanten der Stadt ist.Anschließend können Sie den Weg in Richtung Süden entlang des Flüsschens Teplá (Tepl) fortsetzen – welche Variante Sie auch wählen, sicher werden Sie die malerische Land-schaft in der Umgebung genießen. Die erste Station ist Be!ov nad Teplou (Petschau). Das bekannteste Denkmal dieses malerischen Städt-chens, dessen Geschichte bis in das 13. Jahrhundert zurückreicht, ist der gleichnamige Burg- und

Schlosskomplex. Die spät-gotische Burg wurde im Stil der Renaissance umgebaut und im 18. Jahrhundert wurde noch ein neues Barockschloss hinzugefügt. Heute beherbergen seine Gemäuer den nach den böhmischen Krönungs-insignien kostbarsten Schatz in Tschechien – den Reliquienschrein des Hl. Maurus, dem ein ganzer Besichtigungsrundgang gewidmet ist. (geöffnet Mai-September täglich außer montags 09:00–17:00, April und Oktober nur an Wochenenden und Feiertagen)Die zweite Station ist das Kloster der Prämonstra-tenser in Teplá, das durch den seliggesprochenen Hroznata von Ovenec im Jahre 1193 gegründet wurde. Das Kloster überdauerte zwar den Sturm der Hussitenkriege, jedoch wurde es während des Dreißigjährigen Krieges dreimal geplündert – zuerst durch die Truppen des sog. Winterkönigs und dann zweimal durch die Schweden. Nach einem Brand im Jahre 1659 wurde der Konvent vollständig im Barockstil umgebaut

Route 12 | Entlang des Flüsschens Teplá (Tepl) zu den kirchlichen Denkmälern

Ausgangsort:Karlovy Vary (Karlsbad)

Místa: Karlovy Vary (Karlsbad), Be#ov nad Teplou (Petschau), Teplá (Tepl)

Beförderung: Zug (kann mit dem Fahrrad kombiniert werden)

MAGNI | GESCHICHTSREISEN122N

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und ist in dieser Gestalt bis heute erhalten. ZU den größten Anziehungs-punkten gehört neben der romanisch-gotischen Kirche Verkündigung des Herrn auch die Klosterbib-liothek, die zweitgrößte bei

uns. Den Besuch des Areals können Sie durch einen Spaziergang durch den malerischen Klosterpark abrunden. Sollten die Radfahrer immer noch vor Energie sprühen, können Sie einen

Abstecher zum Trappisten-Kloster Nov% Dv*r bei Dobrá Voda wegen seines hervorragenden Mönch-senfes unternehmen (Klosterverkaufsstelle geöffnet an den Wochenen-den nachmittags)

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SüdmährenRegion Südmähren und Zlín

Interieur der Peter- und Paulskirche, Rajhrad. Foto: Magni

Lassen Sie sich nicht entgehen...• Mikulov – jüdische Stadt• Gebiet um Lednice - Valtice – Pohansko bei B"eclav• Mikul(ice - Wälle• Brünn – Kathedrale St. Peter und Kirche St. Jakob

• Uhersk' Brod – J.-A.-Komnesk'-Museum • Velehrad – Basilika der Jungfrau Maria und

der Hl. Kyrill und Method

Man schrieb das Jahr 1553 der christli-chen Zeitrechnung. Schon mehrmals waren die einflussreichsten Männer der wohlhabenden jüdischen Gemeinde Mi-kulov (dt.: Nikolsburg) zusammenge-kommen, um sich darüber zu einigen, wer ihr neuer Rabbiner werden sollte. Je-der der Anwesenden verteidigte seinen Kandidaten und versuchte, die anderen Bewerber schlechtzumachen. Hinterein-ander erklangen mehrere Namen. Doch keiner von ihnen wurde akzeptiert. Da sagte einer der Anwesenden: „Wie wäre es denn mit diesem Jehuda Liva ben Bezalel?“ Einen Moment lang trat Stille ein – manche versuchten sich vergeblich zu erinnern, ob sie diesen Namen schon einmal gehört hatten...

„Warum gerade er?“ wendete einer ein. „Warum nicht lieber einer von seinen älte-ren Brüdern? Die sind auch Rabbiner, wie schon ihr Vater, und sind auch vom Alter her erfahrener.“ Ein anderer fragte: „Wie alt ist er denn eigentlich?“ „Fünfunddrei-ßig Jahre.“ „Nein, ich habe gehört, schon 43!“ „Ach wo, er soll noch nicht einmal dreißig sein...“ Man versuchte den Streit über sein Alter zu schlichten: „Na, es ist doch ganz egal, wenn er nur eine anerkannte Ausbildung hat.“ „Die hat er wohl, er soll in einer Je-schiwa in Polen studiert haben.“ „Da ha-ben Sie was verwechselt, Herr Nachbar. Das war in Deutschland, er ist doch auch in Worms geboren!“ „Nein, er hat in Polen studiert und ist in Posen geboren!“ „Wo er geboren ist, ist doch egal, ich weiß aber, dass er gar keine Schule besucht hat, er hat zu Hause bei seinem Vater und seinen

Brüdern gelernt und wohl auch viel im Al-leingang studiert. Er soll außergewöhnlich belesen sein.“ Aus der Ecke des Raums ertönte eine weitere Meinung: „Ich will Euch nur da-rauf aufmerksam machen, dass Jehuda zwar kürzlich geheiratet hat, und zwar die Tochter des seligen Schmelke aus Prag, aber stellt Euch vor: erst nach fünfzehn Jahren Verlobung! Das finde ich nicht rich-tig. Dahinter steckt was Ernsteres, sage ich Euch.“ Es erklangen noch mehrere andere Mei-nungen – die zeigten, dass Rabbi Jehuda schon zu Lebzeiten ein Mensch war, von dem man sich so dieses und jenes erzähl-te. Die Mikulover Juden aber bereuten ihre Entscheidung nicht, nur manchmal schien ihnen, dass ihr Rabbi (der auch mährischer Landesrabbiner war) viel-leicht nicht gar so viel zu studieren und nicht gar so viele Bücher zu schreiben bräuchte, die zu lesen sie selbst keine Zeit hatten. Doch um die Kinder in der Schule kümmerte er sich wirklich gut. Eigent-lich bedauerten die Mikulover es nur, als ihr Rabbi sie 1573 nach zwanzigjährigem Wirken verließ, um nach Prag zu gehen. Sie ahnten: einen solchen Rabbi würden sie nicht nochmal finden.Es gibt wenig, was wir über Rabbi Jehu-da wissen – doch viel, was man sich über ihn erzählt. So soll er zum Beispiel im In-teresse seiner Landsleute, denen die Aus-weisung aus Prag drohte, einmal auf der Steinernen Brücke (der heutigen Prager Karlsbrücke) die Kutsche Kaiser Rudolfs II. angehalten haben. Die Pferde sollen sogar von selbst vor dem Rabbi stehengeblie-ben sein, als ob sie nicht weiterkönnten.

Der Maharal – Rabbi Jehuda ben Bezalel

MAGNI | GESCHICHTSREISEN224S

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Und der Kaiser erhörte seine Bitte um eine Zusammenkunft – was auf norma-lem Wege wohl kaum möglich gewesen wäre.Man sagt, sie hätten sich mehrmals ge-troffen. Manche denken, dass Kaiser Ru-dolf II., ein bekannter Bewunderer der Alchimie und ähnlicher Fächer, von den Kenntnissen und Erfahrungen des Rabbi beeindruckt gewesen sei. Oder dass der Kaiser ihm sogar einen Teil seines Schat-zes zur Verwahrung anvertraut hätte. Viel-leicht sprachen sie auch über den Schutz des Prager Gettos. – Oder sollte der Kaiser um weitere Darlehen von den reichen jü-dischen Geschäftsleuten gebeten haben?Die bekannteste mit Rabbi Jehuda ver-bundene Geschichte ist jedoch die Legen-de von der Erschaffung des Golem, einer menschenähnlichen Gestalt, die zum Le-ben erweckt, mit bestimmten Aufgaben betraut und dann wieder in den Zustand einer toten Statue versetzt werden konn-te. Diese Legende verbreitete sich ca. zwei Jahrhunderte nach dem Tod des Rabbi, und so machte der (nur vermutlich exis-tierende) Golem auch seinen angebli-chen Schöpfer, Jehuda Liva ben Bezalel, berühmt.In einigen Quellen wird Liva (Lev) durch das hebräische Arje oder auch durch das deutsche Löw paraphrasiert, von dem die wohl bekannteste Bezeichnung des Rabbi – Rabbi Löw – abstammt. Die vielsagends-te Charakteristik seiner Persönlichkeit ist jedoch in einem hebräischen Akronym enthalten (einem Wort, bei dessen Buch-staben, in diesem Falle nur den Groß-buchstaben, es sich um die Anfangsbuch-staben ganzer Wörter handelt): MaHaRaL = Unser großer Lehrer Rabbi Liva.Sicher ist, dass er ein hervorragender, ins-besondere ethisch ausgerichteter Denker

wie auch Philosoph und Pädagoge war (einige denken, dass Jan Amos Komensk# (J. A. Comenius) einen Teil seiner pädago-gischen Ansichten von ihm übernommen hat – und es ist wirklich nicht auszuschlie-ßen, dass ihm diese über die jüdischen Bewohner Südmährens zur Kenntnis ge-langten). Aus der Feder des Rabbi stam-men fast zwei Dutzend Schriften, in denen er sich vor allem mit jüdisch-religi-ösen Themen beschäftigt, so z.B. mit der Bedeutung der jüdischen Feste Ta’anit Es-ther, Purim, Chanuka und Sabbat... Der Rabbi starb im Jahre 1609 und ist auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Prag begraben. Sein Grabstein ist ein An-ziehungspunkt für viele Touristen und Bewunderer der markanten geistigen Persönlichkeit oder auch einfach für Menschen, die hier einen Wunsch hinter-lassen möchten. Die in ihn gemeißelten Worte zeugen von der tiefen Ehrerbietung und Dankbarkeit seiner Zeitgenossen: „Er übertraf alle an Weisheit, die lehren und deuten, er übersah nichts und sammelte das Kleine wie das Große.“

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Rotunde St. Katharina, Znojmo (Znaim)Foto: Magni

Südmähren ist Teil eines historischen Ge-biets, das zwar eng mit der Geschichte des böhmischen Staatswesens verbun-den ist, jedoch immer eine Sonderstel-lung innehatte. In diesem Gebiet entstand das erste wichtige Staatsgebilde auf dem Gebiet der Tschechischen Republik – das Großmährische Reich. Auch nach der Er-oberung durch den böhmischen Fürsten Old!ich (1031) wurde die Eigenständigkeit Mährens respektiert. Dies zeigte sich z.B. in der Gründung einer eigenständigen mährischen Markgrafschaft mit einem ei-genen Herrscher, der seinen Sitz in Brno (Brünn) hatte, wie auch in der Existenz ei-nes mährischen Landtags, der zumeist in Brünn (zu Beginn in Znojmo (Znaim) und zwischenzeitlich auch in Olomouc (Ol-mütz)) tagte.

Das Großmährische Reich

Das Großmährische Reich erstreckte sich an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhun-dert über das Gebiet Südmährens wie auch über Teile Böhmens, der Slowakei und Ungarns. Es kann als Keimzelle des christlichen Staatswesens im Gebiet des heutigen Mitteleuropa betrachtet werden.Als Gründungsdatum des Reichs gilt das

Jahr 833. Damals erweiterte der mähri-sche Fürst Mojmír sein Herrschaftsgebiet um das Gebiet seines politischen Rivalen, des Fürsten Pribina, d.h. um das im Süd-westen der heutigen Slowakei gelegene Fürstentum Nitra. Mojmír wurde so zum ersten großmährischen Herrscher. 846 wurde er von seinem Neffen Rostislav, ei-nem bereits getauften Herrscher, auf dem Fürstenthron abgelöst. Rostislav holte über Vermittlung des byzantinischen Kai-sers Michael III. Missionare in sein Reich, die das Christentum verbreiten sollten.Das Großmährische Reich bestand in

Ereignisse und Persönlichkeiten

Charakter der LandschaftSüdmähren bezaubert durch die Auen des Nationalparks Podyjí, die schneewei-ßen Felsgipfel des Landschaftsschutz-gebiets Pálava und die Vielseitigkeit des Mährischen Karsts (tschechisch: Mo-ravsk# kras). Die durch sanfte Hügel ge-zeichnete Region ist die wärmste Gegend

der Tschechischen Republik und verfügt über einen für Landwirtschaft, Obst- und Weinanbau gut geeigneten Boden. In diesem Gebiet sind alte Volkstraditio-nen in natürlicher Weise lebendig geblie-ben, was wohl auch dadurch bedingt ist, dass ein großer Teil der Bevölkerung in Dörfern und Kleinstädten lebt.

MAGNI | GESCHICHTSREISEN226S

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der Hauptsache aus slawischen Siedlun-gen, sog. Burgstätten (hradi*ti). Bis heute lassen sich in Mähren, aber auch in der Slowakei und in Ungarn Überreste eini-ger solcher Burgstätten finden, so z.B. in Mikul!ice-Valy, Pohansko, Staré Zámky, Znojmo (Znaim) und Olomouc (Olmütz) oder auch in Staré M"sto bei Uherské Hradi#t". Dieses mitunter auch als Veli-grad oder Velehrad („Große Stadt“) be-zeichnete Handelszentrum wird als das Machtzentrum des Großmährischen Rei-ches betrachtet. Über die tatsächliche Lage des Machtzentrums streiten sich je-doch die Historiker. Dieses könnte auch über mehrere Orte Mährens verteilt ge-wesen sein.Das Zentrum jeder Burgstätte war eine Basilika. In Mikul%ice (dt.: Mikultschitz) wurden die Fundamente von zwölf Sak-ralbauten freigelegt. Einer davon ist eine dreischiffige Basilika mit Vorhof und At-rium, die bezüglich ihrer Maße der größ-te bisher entdeckte großmährische Dom ist. Dieser Standort gilt daher als Zent-rum der slawischen Kirchenarchitektur in Mitteleuropa.

Die Ankunft Kyrills und Methods

Im Jahre 863 kamen in das Großmähri-sche Reich die sog. Slawenapostel Ky-rill (eigentlicher Name: Konstantin, den Namen Kyrill nahm er erst bei seinem Eintritt in ein römisches Kloster kurz vor seinem Tod an) und Method, die im Un-terschied zu den lateinisch sprechen-den ostfränkischen Geistlichen ein den Slawen verständliches Idiom, das Alt-kirchenslawische, als Liturgiesprache verwendeten.Gleichzeitig entwickelten sie auch eine Schrift, die sogenannte Glagoliza. Die Un-abhängigkeit Großmährens mit einer ei-genen Erzdiözese und Method als mähri-schem Erzbischof wurde im Jahr 880 von

Mikulov (Nikolsburg), Marktplatz. Foto: Czechtourism.

Auch die Russisch-Orthodoxe Kirche leitet vom Großmähris-chen Reich und dem Vermächtnis Kyrills und Methods die Anfänge ihrer Christianisierung ab.

Interessantes

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Papst Johannes VIII. anerkannt. In dieser Zeit regierte auf dem Fürstenthron Rostis-lavs Neffe Svatopluk. Dieser ließ sich nach dem Tod Methods im Jahre 885 von den ostfränkischen Bi-schöfen davon überzeugen, die Schüler Kyrills und Methods des Landes zu ver-weisen und die kirchenslawische Litur-gie durch die lateinische zu ersetzen. In dieser Zeit begannen sich auch einige Stämme, insbesondere tschechische und sorbische, vom Großmährischen Reich zu lösen und sich dem Ostfränkischen Reich anzuschließen. Gerade mit diesem Reich traten die Nachkommen Svatopluks spä-ter in einen kriegerischen Konflikt.Die Geschichte Großmährens endete in den Jahren 906–907, als das vom Krieg ge-schwächte Land von ungarischen Noma-denstämmen im Dienste des Fränkischen Reichs geplündert wurde.

Die slawische Tradition als Inspiration in späteren Jahrhunderten

Der Geist der slawischen Liturgie ist, wenn auch nicht mehr in Verbindung mit Kyrill und Method, nie ganz aus Böhmen und Mähren verschwunden. Beispiele dafür sind das Sázava-Klos-ter in Mittelböhmen oder das auch „Na Slovanech“ („bei den Slawen“) genannt Prager Emmaus-Kloster, das von Kaiser Karl IV. jedoch nicht zu Ehren der Ky-rills und Methods, sondern zu Ehren des Hlg. Hieronymus gegründet wurde, der an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhun-dert lebte, die Bibel ins Vulgärlateinische übersetzte und angeblich Slawe war. Karl IV. wollte in Prag Vertreter aller Orden und geistigen Traditionen versammeln, denn er beabsichtigte, hier nach Rom ein

Basilika Mariä Himmelfahrt, Brünn. Foto: Magni.

MAGNI | GESCHICHTSREISEN228S

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Die wichtigsten Denkmäler der spirituellen Tradition des Christentums und des Judentums in der Tschechischen Republik.

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Geschichtsreisen

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Magni | Geschichtsreisen

Veröffentlicht von HelpTour – Agentur für die Unterstützung des Tourismus Budejovicka 73, 140 00 Prague, Czech Republic (Europe)tel.: +420 226 209 018, +420 724 091 762, e-mail: [email protected] als Teil des Projektes “Präsentation der religiösen Denkmäler und des kulturellen Erbes in der Tschechischen Republik”:

DAS PROJEKT WURDE FINANZIELL UNTERSTÜTZT VOM PROGRAMM DES STRUKTURFONDS UND MIT STAATSMITTELN DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK

RedaktionsteamEvropské vydavatelství, s.r.o./ Europäische Herausgeber GmbHKate!ina Nohavová, Silvestr 'pa%ek, Bohumil Kej!, David 'orm, Veronika 'mídová, Marek Tou*ek

ExpertenOta Halama, Blanka Rozko*ná, Martin Horálek, Jaroslav 'ebek

ÜbersetzungMezinárodní p!ekladatelsk# servis s.r.o.

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