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Zum Stellenwert der persönlichen Erfahrung in der personenzentrierten Beratung Master - Thesis Masterstudiengang Beratung Fachbereich Soziale Arbeit Prüfer: Prof. Dr. Roland Haenselt Zweitprüfer: Prof. Dr. Volker Kraft Vorgelegt von: Norbert Reuß urn:nbn:de:gbv:519-thesis2010-0077-1 Neubrandenburg,10.01.2011

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Zum Stellenwert der persönlichen Erfahrung in der

personenzentrierten Beratung

Master - Thesis

Masterstudiengang Beratung

Fachbereich Soziale Arbeit

Prüfer:

Prof. Dr. Roland Haenselt

Zweitprüfer:

Prof. Dr. Volker Kraft

Vorgelegt von: Norbert Reuß

urn:nbn:de:gbv:519-thesis2010-0077-1

Neubrandenburg,�10.01.2011�

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 3

2. Zur Relevanz subjektiver Erkenntnis 8

2.1. Ein Exkurs in die philosophische Epistemologie 8 2.2. Subjektive Erkenntnis in Beratung und Therapie 13

3. Entwicklungsphasen im Werk von Carl Rogers 15

3.1. Die nicht-direktive Phase 17 3.1.1. Erfahrungen und Lernerlebnisse 17 3.1.2. Menschenbild und Persönlichkeitstheorie 20 3.1.3. Wertschätzung oder Bedingungsfreies Akzeptieren 26 3.1.4. Fallgeschichte: Der Fall Herbert Bryan 28 3.1.5 Zusammenfassung der nicht-direktiven Phase 31

3.2. Die Klientenzentrierte Phase 32 3.2.1. Erfahrungen und Lernerlebnisse 32 3.2.2. Menschenbild und Persönlichkeitstheorie 35 3.2.3. Empathie oder Einfühlendes Verhalten 38 3.2.4. Fallgeschichte: Der Fall Miss Tir 40 3.2.5. Zusammenfassung der klientenzentrierten Phase 42

3.3. Die Personenzentrierte Phase 42 3.3.1. Erfahrungen und Lernerlebnisse 42 3.3.2. Menschenbild und Persönlichkeitstheorie 45 3.3.3. Kongruenz oder Authentizität 47 3.3.4. Fallgeschichte: Der Fall Gloria 49 3.3.5. Zusammenfassung der personenzentrierten Phase 50

4. Aspekte einer Klientenzentrierten Beratung 50

4.1. Warum „klientenzentriert“? 50

4.2. Zum Unterschied von Therapie und Beratung 53

4.3. Erste Erfahrungen mit klientenzentrierter Beratung 54

4.4. Eigene Erfahrungen mit dem Personenzentrierten Ansatz 56

4.5. Fazit und Ausblick 58

Literatur 62

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Zusammenfassung

Stellt das Leben und Werk von Carl R. Rogers (1902-1987) dar und diskutiert den gegenseitigen Einfluss von seinen persönlichen Erfahrungen und seinem theoretischen Werk. Quellen sind veröffentliche Biografien, persönliche Berichte, seine wissenschaftlichen Publikationen und Sekundärliteratur. Es gibt drei Phasen in dem Werk von Rogers. Das Menschenbild der Theorie und die Haltungen des Beraters sind hier jeweils unterschiedlich. Es werden Vor- und Nachteile des personenzentrieten Ansatzes besprochen und die Unterschiede von Therapie und Beratung erörtert.

Abstract

Outlines the life and work of Carl R. Rogers (1902-1987) and discusses the mutual influence of his personal experience und his theoretical work. Sources are published biographies, personal reports, his scientific publications and secondary literature. There are three phases in his work. Idea of man of the theory and the attitudes of counselor are different in each case. It also discusses the advantages and disadvantages of the “Personal-Centered-Approach” and the differences between therapy and counseling.

1. Einleitung

„Zum Stellenwert der persönlichen Erfahrung in der personenzentrierten Beratung“ – eine

Thematik, die sich so umfangreich und allgemein darstellt, dass es zunächst darum gehen

wird, sie einzugrenzen und zu konkretisieren.

Das soll hauptsächlich auf zwei Ebenen geschehen:

Zum einen auf inhaltlicher Ebene: Personenzentrierte Beratung ist bekanntlich eng mit dem

Namen Carl Rogers verbunden. Ich werde mich somit im Wesentlichen auf ihn beziehen,

wenn ich von personenzentrierter Beratung spreche. Rogers hat sein Werk im Laufe von fast

50 Jahren verständlicherweise weiterentwickelt. Wesentliche Elemente seiner Theorie sind in

dieser Zeit von ihm unterschiedlich gewichtet und benannt worden. Sabine Weinberger1 teilt

den Ansatz von Rogers daher in drei Phasen auf: Als Erstes die nicht-direktive Phase; die

zweite Phase nennt sie klientenzentriert und die dritte und letzte Phase in den 70er Jahren

������������������������������������������������������������1 Vergl. Weinberger S.22ff�

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bezeichnet sie als die personenzentrierte Phase2- eine, wie ich finde, sinnvolle Einteilung, die

zum besseren Verständnis unterschiedlicher Aspekte und Gewichtungen der Theorie von

Rogers beitragen kann. Weinbergers Einteilung wird von mir somit in diese Arbeit

übernommen.3 Es soll deutlich werden, dass sich die Entwicklung von Rogers Theorie nicht

„an sich“ oder gar ausschließlich in einem eigenen Gedankengebäude vollzog. Vielmehr fand

sie stets statt in der Auseinandersetzung mit anderen Theorien und gesellschaftlichen

Rahmenbedingungen, als auch mit seinen hierbei gemachten persönlichen Erfahrungen.

Rogers eigene Erfahrungen erhalten in der Darstellung und Bewertung vieler Fragestellungen

eine immer größere Gewichtung.

Exemplarisch wird dieser Prozess anhand zweier wesentlichen Kategorien erläutert: Zum

einen an den allseits bekannten Haltungen oder Einstellungen, auch bekannt unter

Therapeutische Variablen; zum anderen an dem damit eng verbundenen Menschenbild, das

gewissermaßen die philosophische und anthropologische Grundlage für seine Arbeit darstellt.

Die zweite Ebene ist die erkenntnistheoretische: Diese Arbeit enthält ein starkes subjektives,

scheinbar willkürliches Moment. Es geht in dieser Arbeit nicht primär um einen mehr oder

minder gelungenen Beitrag zur aktuellen Rogers-Forschung, sondern um eine

Standortbestimmung meiner Erfahrungen und Erkenntnisse und um eine Darstellung meiner

Erkenntnisentwicklung in Bezug auf für mich als wesentlich erachtete Kriterien für eine

sinnvolle Beratung.

Carl Rogers selbst hat besonders in seinen Spätwerken wichtige Themen im Zusammenhang

eigener Erfahrungen und Erlebnisse behandelt und immer wieder auf die Relevanz dieses

subjektiven Momentes hingewiesen.4

So heißt es in der Einführung von „Eine Theorie der Psychotherapie“:

������������������������������������������������������������2 Biermann-Ratjen et al. kommen zu einer ähnlichen Einteilung. Bezeichnen das Gesamtwerk von Rogers mit dem heute gängigen Begriff Gesprächspsychotherapie. Vergl. S.7ff. - Ein ähnlicher Ansatz findet sich bei Tausch und Tausch, vergl. S.26ff und Bommert, vergl. S.15ff �3 Wenn hier aber von personenzentrierter Beratung gesprochen wird, ist im Allgemeinen das Gesamtwerk von Carl Rogers gemeint; nicht nur die nach Weinbergers Einteilung dritte Phase. �4 Hierzu Groddeck, S.138: „Mit seinem Buch „On Becoming A Person“ überschreitet Rogers die engen Grenzen der psychologischen Fachliteratur und wendet sich als Mensch an eine allgemeine Öffentlichkeit, indem er das Thema zwischenmenschlicher Beziehung nicht nur im strengen Sinne fachpsychologisch behandelt, sondern in einer universalen menschlichen Dimension. Er erlaubt sich, von sich selber zu sprechen und lädt den Leser ein, an seinen Erfahrungen teilzuhaben bzw. angeregt von seinen Erfahrungen über die eigenen Lebenserfahrungen nachzudenken. Rogers betritt mit dieser Art der autobiographischen und selbstreflektierenden Schreibweise eine neue Dimension als Autor: Wie er als Therapeut in dem Schizophrenie-Projekt gelernt hat, dass Kontakt und Beziehung auch durch selbstöffnende Worte des Therapeuten ermöglicht werden können, so ermöglicht er nun durch Mitteilung seiner eigenen Erfahrungen einen persönlichen existenziellen Kontakt zwischen Leser und Autor.“ �

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„Keine Theorie kann ohne Kenntnis ihrer kulturellen und persönlichen Grundlage richtig verstanden werden.

Folglich liegt mir die gründliche Darstellung des Hintergrundes zu Beginn dieses Entwurfes am Herzen. Dies

bedeutet, dass ich den Leser und die Leserin mit autobiographischem Material konfrontieren muss; denn obwohl

die personenzentrierte Richtung in jeder Hinsicht zu einer Gemeinschaftsarbeit herangewachsen ist, trage ich als

Person beträchtliche Verantwortung für ihre Initiierung und für anfängliche Formulierung der Theorie. Ich werde

daher kurz einige kulturelle Einflüsse und persönliche Erfahrungen erwähnen, die möglicherweise Relevanz für

die Theorie selbst haben könnten.“5

Es mag womöglich anmaßend erscheinen, mich in diesem Zusammenhang zu nennen, aber

ich habe in dieser Arbeit auch etwas mitzuteilen – genauso wie ich unterstelle, dass im Prinzip

Jeder etwas zu erzählen hat, was für den Anderen von Interesse und Bedeutung sein könnte.

Barry Stevens schreibt hierzu in ein der Einführung zu ihrem gemeinsam mit Carl Rogers

verfassten Buch „Mensch zu Mensch“:

„Ich schreibe über meine eigene Erfahrung, weil ich die einzige Person bin, in deren innere Vorgänge ich

wirklich Einsicht habe; aber ich sehe diese Erlebnisse nicht als etwas Einzigartiges an, sondern als etwas, das,

wie mir scheint, für uns alle zutrifft.“6

Diese zutiefst humanistische Erkenntnis zieht sich durch das gesamte Werk von Carl Rogers:

Beratung im personenzentrierten Kontext gestaltet sich - und das soll an dieser Stelle schon

vorweg genommen werden – im Wesentlichen als eine Begegnung von Mensch zu Mensch, in

der das Einbringen persönlicher Erfahrungen eine unverzichtbare Konstante ist.

Das Einbeziehen von persönlichen Erfahrungen ist bei Rogers nicht beschränkt auf die

Darstellung seiner theoretischen und methodologischen Annahmen,7 sie sind darüberhinaus

kennzeichnend für das eigentliche therapeutische Verfahren. „Erlebnisorientiert ist dieses

Verfahren, da das Erleben des Patienten als ein unmittelbarer, präreflexiver und authentischer

Vorgang im Zentrum der therapeutischen Aufmerksamkeit steht.“8 Das Erleben

(„experiencing)9 des Augenblicks hat dabei eine zentrale Stellung und bezieht sich nicht

ausschließlich auf die Ansammlung vergangener Erfahrungen.10 Der Begriff Erfahrung

(„experience) ist bei Rogers sehr weit gefasst; bezeichnet er doch „nicht nur kognitive

Erlebnisinhalte, sondern alle Erlebnisse, die dem Bewusstsein zugänglich sind, wie

������������������������������������������������������������5 Rogers 2009, S. 14�6 Stevens/Rogers S.13�7 Hierzu Alterhoff, S.39: „Am Lebensweg Rogers´ lässt sich deutlich ablesen, dass bei ihm die Erfahrung vorder Theoriebildung steht. Seine theoretischen Ansätze sind eher induktiv als deduktiv.“�8 Finke 2004, S.1�9 ebenda�10 Vergl. Nykl, S.47�

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Wahrnehmung, Gedanken, Gefühle usw.“11 Alterhoff verweist auf die Schwierigkeit, die

Begriffe Erleben und Erfahrung voneinander zu unterscheiden und verwendet sie daher als

Synonyme. Er beruft sich dabei auf Rogers selbst, der unter „experience“ die Gesamtheit des

Erlebens zu einem gegebenen Zeitpunkt verstand.12

„Dieser Begriff beinhaltet all das, was sich innerhalb des Organismus in einem bestimmten Augenblick abspielt

und was potentiell der Gewahrwerdung zugänglich ist. Er schließt Ereignisse ein, deren sich das Individuum

nicht gewahr ist, ebenso wie Phänomene, die im Bewusstsein (consciousness) sind. (…) Der Begriff Erfahrung

schließt den Einfluss der Erinnerung und den vergangener Erfahrungen ein, sofern diese in einem bestimmten

Augenblick aktiv sind und so die Bedeutung verschiedener Stimuli verändern.“13

Somit beinhaltet diese Arbeit gleichsam mehrere Rahmungen bzw. Ebenen: Zu allererst wird

aufgezeigt, dass Carl Rogers selbst für die Darstellung seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse

das Einbringen eigener persönlicher Erfahrungen zunehmend nutzte. Zweitens leite ich aus

dieser Erkenntnis für mich eine gewisse Berechtigung ab, in der Abfassung dieser Arbeit auch

persönliche Erfahrungen mit einfließen lassen zu dürfen. Und drittens soll daraus ihre hohe

Relevanz für die ganz konkrete Praxis in der personenzentrierten Beratung deutlich werden;

was - ohne dass an dieser Stelle schon detailierter auszuführen - wiederum zu Schwächen und

Gefahren für den Beratungsprozess und seiner theoretischen Implikationen führen kann.

Im folgenden Kapitel wird zunächst ein kurzer Blick auf die Entwicklung unseres

erkenntnistheoretischen Denkens geworfen, das durch die Ergänzung eigener Erfahrungen

eine sehr spezifische und subjektive Komponente erhält. Damit soll der Kontext verdeutlicht

werden, innerhalb dessen gerade Carl Rogers Ansatz für mich von Bedeutung geworden ist.

Ich nehme es hier schon vorweg und komme später noch ausführlicher drauf zurück: Anfangs

schien der Ansatz für mich als etwas fundamental Neues – hob er sich von vorher mir

bekannten eher deterministischen Ansätzen14 grundsätzlich dadurch ab, dass er den Menschen

als Subjekt und Gestalter seiner Möglichkeiten und Ressourcen betrachtete und ihn somit

nicht primär als tragisches Opfer seiner defizitären Entwicklung und von gesellschaftlichen

Bedingungen ansah. Erst heute wird mir zunehmend klar, dass dieses für mich scheinbar

������������������������������������������������������������11 Bommert, S.14 und ausführlicher an anderer Stelle: „Hierunter ist alles zu verstehen, was im Organismus zu jedem gegebenen Zeitpunkt vor sich geht, das dem Bewusstsein potentiell zugänglich ist, aber nicht bewusst sein muss, so dass Bewusstes wie Nichtbewusstes eingeschlossen ist. Es handelt sich hierbei um eine psychologische, nicht um eine physiologische Definition.“ (S.20/21) �12 Vergl. Alterhoff, S.59�13 Rogers 2009, S.27/28�14 Ohne an dieser Stelle ins Detail zu gehen, sind für mich hierunter die meisten soziologischen, materialistischen und psychoanalytischen Denkansätze subsumiert.�

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Neue schon früher in meinem Denken angelegt, aber noch nicht entfaltet war…15 Durch das

Aufzeigen der erheblichen Bedeutung einer gleichsam subjektivistischen Erkenntnistheorie

und Methodologie wird von mir implizit zudem der Anspruch abgeleitet, persönliche

Erfahrungen auch in einen wissenschaftlichen Kontext einbringen zu dürfen, ohne dabei

zugleich unter den pauschalen Verdacht der „Schriftstellerei“ zu geraten.

Eigentlicher Kern meiner Arbeit ist das dritte Kapitel. Hier soll es darum gehen, die drei oben

genannten Phasen der Theorie von Carl Rogers zu explizieren, indem zunächst auf seine

persönlichen Erfahrungen und Lernerlebnisse in dieser Zeit eingegangen wird. Hierbei wird

Wert auf ein gewissermaßen narratives Moment gelegt: Carl Rogers selbst wird

Biographisches erzählen und über „persönliche Lernerfahrungen“ und „philosophische

Einsichten“ berichten. „Ich spreche als Einzelner aus einem Kontext persönlicher Erfahrung

und persönlicher Lernerlebnisse.“16 Im zweiten Abschnitt wird anhand des Menschenbildes

erörtert, was gleichsam die anthropologische Grundlage seiner Persönlichkeitstheorie ist. Im

dritten Abschnitt befasse ich mich mit den allseits bekannten „Rogersvariablen“. Dabei wird

immer nur die Variable ausführlich besprochen, die meines Erachtens für die jeweilige Phase

von größter Bedeutung ist. Selbstverständlich sind alle drei therapeutischen Einstellungen

nachgewiesenermaßen eng miteinander verbunden. „Es sind vielleicht drei Dimensionen eines

elementaren Faktors.“17 Auf keine kann somit im Einzelnen verzichtet werden. Dennoch will

ich aufzeigen, dass die Gewichtung der einzelnen Elemente in den jeweiligen Phasen

unterschiedlich ist.

Das vierte Kapitel beleuchtet Aspekte der klientenzentrierten Beratung. Ich lege dar, warum

eine Beratung im Sinne von Carl Rogers klienten- und nicht personenzentriert benannt

werden sollte; gehe kurz auf zentrale Kriterien zur Differenz von Beratung und Therapie und

berichte über eigene Erfahrungen mit dem Ansatz von Rogers. Abschließend wird versucht

ein vorläufiges Resümee meines Verständnisses vom Rogers` Ansatz zu ziehen, was für

meine weitere praktische beraterische Tätigkeit dann hoffentlich auch bereichernd und

wertvoll ist.

������������������������������������������������������������15 Auf diesen von Hegel oft genutzten Begriff, der den Zusammenhang von Geist und Vernunft und Bewusstsein erschließt, soll hier nicht näher eingegangen werden. �16 Rogers 2009a, S.18 �17 Rogers 2007a, S.163�

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2. Zur Relevanz subjektiver Erkenntnis

2.1. Ein Exkurs in die philosophische Epistemologie

Beratung und Therapie18 finden nicht in einem ihr eigenen, gleichsam autonomen Raum oder

Rahmen statt. Sie sind vielmehr eingebunden in einen wissenschaftlichen Kontext bzw.

Diskurs. Zudem wird jeder, der auf diesem Gebiet tätig ist bzw. eine sozialwissenschaftliche

Arbeit oder Studie erstellt, - somit an dieser Stelle auch ich - mehr oder weniger mit der Frage

konfrontiert: „Was ist Realität bzw. Wahrheit; wie erkenne ich sie und wie bilde ich sie ab?“

Schon Sokrates forschte diesbezüglich nach sozusagen objektiven, allgemeingültigen und

verstandesmäßig überprüfbaren Normen.

„Das sokratische Philosophieren ist als ein vermittelter Neuanfang innerhalb einer geschichtlichen Strömung zu

verstehen, die als der Weg vom Mythos zum Logos beschrieben werden kann. (…) Philosophie ist für ihn die

Suche nach dem „besten Logos“. Das Entscheidende jedoch ist, dass diese Suche bei ihm über den Umweg des

Dialogs erfolgt. Sokrates entwickelt die Methode des philosophischen Dialogs.“19

Sokrates stritt darüber u.a. mit den Sophisten, die eher den pragmatischen Weg des subjektiv

Machbaren betonten.20 Im Grunde geht es hier um einen wissenschaftlichen Disput, der bis

heute anhält und meines Erachtens immer noch nicht endgültig entschieden ist: Ein Lager

geht darin von einer gegebenen objektiven Wahrheit aus. Es gelte diese zu erkennen und zu

erforschen. Zum einen durch logisches Nachdenken. Hegel - der Exponent dieses Denkens -

will „die Wahrheit zur Erscheinung bringen“.21 Später haben Soziologen wie Karl Mannheim

vom „notwendig falschen Bewusstsein“ gesprochen, das nicht in der Lage sei, die hinter

„seinem Rücken liegende Wahrheit“ aufgrund seiner „Seinsgebundenheit“ zu erkennen.

„Das will besagen: Die wissenssoziologische Analyse hat die Aufgabe, das wert, standort-, willensmäßig

gebundene Moment aus jeder konkret vorliegenden „Erkenntnis“ herauszuschälen, es als Fehlerquelle zu

beseitigen und so auch hier zu einem „wertfreien“, „übersozialen“, „überhistorischen“, Gebiet der „objektiv“

geltenden Gehalte zu kommen“.22

Die Kritische Theorie der Frankfurter Schule sprach von einem Waren-Fetischcharakter in

der Gesellschaft, der das eigentlich Wahre verschleiere. Th.W.Adorno prägte den berühmten

Satz: „Es gibt kein richtiges Leben im falschem!“

������������������������������������������������������������18 Auf den begrifflichen Unterschied von Beratung und Therapie komme ich später noch genauer zurück.�19 Pleger, S.8/9 Etwas später verweist Pleger auf die Entwicklung des philosophischen Dialogs über Schleiermacher hin zu Buber und Rosenzweig. �20 vergl. Stavemann, S.12ff�21 vergl. Hegel, Werke�22 Mannheim, S.163�

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Zum anderen sollte Wahrheit und Realität durch naturwissenschaftliche Forschungs-

methoden23 erkennbar werden. Für die Sozialforschung entwickelten sich die sogenannten

„quantitativen oder empirischen Sozialforschungsmethoden“. Hierin wird angestrebt, durch

objektive, standardisierte, von dem einzelnen Individuum unabhängige Methoden, Aussagen

über die Wirklichkeit zu erhalten, die jederzeit für jedermann verifizier- und überprüfbar

sind.24

Spätestens mit Kant entwickelte sich zum dem oben genannten gleichsam objektivistischen

Denken eine gegensätzliche Denkrichtung. Kant betont die Beschränktheit des menschlichen

Denkens, führt den Blick weg von einer objektiv gegebenen „Wahrheit an sich“ hin zu dem,

was an Erkenntnis für den Menschen in seiner „Bedingtheit“ möglich ist.25

Wenn dem so ist, dass es uns unmöglich sei, die „Wahrheit“ zu erkennen, liegt es nahe, sich

darauf zu beschränken zu erkennen, wie wir sie interpretieren. Hermeneutik und

Symbolischer Interaktionismus zielten ab auf Deutung und Interpretationen von subjektivem

Handeln, ohne dabei den Anspruch an eine allgemeine Wahrheit zu erheben.26

Diese Sichtweise führte wiederum zur anderen Extremform des Denkens, das des

konstruktivistischen Denkens: Es gibt keine objektive vom menschlichen Denken

unabhängige Wahrheit – zumindest ist die Frage danach unbedeutend. Entscheidend ist

vielmehr, was die Menschen über ihre Realität denken. Wirklichkeit ist somit nichts anderes,

als das von den Menschen selbst Konstruierte. Es ist müßig, eine Trennung von

Subjekt/Objekt oder Innen/Außen vorzunehmen. Wahrnehmung und Erkenntnis sind nichts

Endgültiges, sondern ein sich beständig verändernder Prozess.27

Paul Watzlawick schreibt, „dass der Glaube, es gäbe nur eine Wirklichkeit, die gefährlichste

all dieser Selbsttäuschungen ist; dass es vielmehr zahllose Wirklichkeitsauffassungen gibt, die

������������������������������������������������������������23 Erkenntnistheorie und Methodologie stehen m.E. in einem unmittelbaren Zusammenhang. Insofern wird in dieser grob umrissenen entwicklungsgeschichtlichen Darstellung auf eine exakte Trennung dieser Ebenen verzichtet. Mir kommt es hierbei gewissermaßen auf „Tendenzen“ und „Orientierungen“ an �24 Vergl. Friedrichs�25 vergl. Kant �26 Vergl. Bortz/Döring, S. 278ff�27 Heinz v. Foerster (1998, S.18ff) sagt hierzu: „ Erkennen bedeutet, dass innerhalb des Nervensystems, Zusammenhänge zwischen verschiedenen Empfindungen hergestellt werden (…)Die gesamte Sensomotorik, die Muskeln und die Sinne, erzeugen ununterbrochen eine Wechselwirkung, in deren Verlauf Objekte kreiert werden (…) Das, was wir als Objekt bezeichnen, wandelt sich ständig. Man nimmt niemals ein und denselben Gegenstand, ein und dasselbe Glas, ein und denselben Würfel wahr.“�

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sehr widersprüchlich sein können, die alle das Ergebnis von Kommunikation und nicht der

Widerschein ewiger, objektiver Wahrheiten sind.“28

Wer das so sieht, wird die Perspektive seiner wissenschaftlichen Praxis nicht so sehr auf vom

Subjekt unabhängige, objektivierbare „Wahrheiten“ legen. Vielmehr wird er Wert legen auf

eben diese „subjektiven Wahrnehmungen“ - auf das persönliche Erleben des Individuums -

möglichst in seiner „authentischen“ Lebenswelt. Er wird womöglich eher die „qualitativen

Forschungsmethoden“ bevorzugen, um erlebte individuelle Erfahrungen als legitimen

„Forschungsgegenstand“ zu erheben. Dies wird im ethnomethodologischen Begriff von

H.Garfinkel zum Ausdruck gebracht, der seinen Untersuchungsgegenstand sieht als „eine

Rekonstruktion derjenigen Methoden, mit denen die Mitglieder einer Gesellschaft in ihren

alltäglichen Handlungen die Wirklichkeit hervorbringen, in der sie handeln. Die

Ethnomethodologie begreift „soziale Wirklichkeit als Vollzugswirklichkeit. Sie tut dies

insofern in einer radikalen Weise, als ihrem Verständnis nach außerhalb sozialer Interaktion

soziale Wirklichkeit nicht existiert.29

Was für ein Gegensatz von anscheinend unversöhnlichen Positionen. Dieser spiegelt sich

auch mit meinen eigenen persönlichen Erfahrungen mit Wissenschaft und Forschung wieder:

Noch in den 70er/Anfang 80er Jahren war es am Soziologischen Institut an der Universität

Hamburg mehr oder weniger Konsens, dass Sozialforschung das Erheben von

objektivierbarem Datenmaterial mit standardisierten Methoden bedeutete. Begriffe wie

„Alltag“, „Lebensweltnah“ oder „Orientierung an der Subjektivität des Adressaten“ gehörten

für viele Professoren in kein soziologisches Seminar.

Vereinzelt gab es aber auch schon andere Auffassungen:

„Als Korrektiv gegenüber den Absolutheitsansprüchen sozialwissenschaftlicher Expertenkulturen (…) wird eine

stärkere Alltagsorientierung der sozialwissenschaftlichen Forschung angemahnt“.30

Besonders Frauen machten sich auf, dieses Verständnis von objektivierbarer Wissenschaft in

Frage zu stellen. Heute finde ich wieder, was damals nur wenige (Frauen) dachten:

������������������������������������������������������������28 Vergl. Watzlawick, 1976, S.7ff; sowie v. Foerster S.29: „Mein Ziel ist es vielmehr, den Begriff der Wahrheit selbst zum Verschwinden zu bringen. Er erzeugt die Lüge, er trennt die Menschen in jene, die recht haben, und jene, die – so heißt es – im Unrecht sind. Wahrheit ist, so habe ich einmal gesagt, die Erfindung eines Lügners.“�29 Vergl. Bohnsack et al., S.54ff. �30 Danzer, S.3�

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„Die feministische Kritik des herrschenden Wissenschaftsverständnisses impliziert eine Kritik der herrschenden

Methoden; und vorherrschend sind in der empirischen Sozialforschung am Prinzip der Standardisierung

orientierte, quantifizierende Verfahren“. 31

Ich denke auch an Frigga Haug, bei der ich meine Diplom-Arbeit schreiben durfte, die damals

Studentinnen das „Geschichtenschreiben von Euch über Euch“ lehrte; dies im Rahmen einer

kollektiven Erinnerungsarbeit. Für mich gilt dies schon als Klassiker, ohne seine Relevanz für

aktuelle Themen und Fragestellungen verloren zu haben:

„Um herauszufinden, wie das Leben der vielen im Einzelnen geschieht, müssten wir es besichtigen. Eine

Möglichkeit ist es, Geschichten zu schreiben, Alltagsskizzen und Jedermanns-Erlebnisse von uns aufzuzeigen.

Um zu vermeiden, dass so das Alltägliche begriffslos und vorurteilvoll bloß verdoppelt wird, gilt es, diese

Notizen kollektiv zu bearbeiten. Um die soziale Konstruktion, die Mechanismen, Verknüpfungen, Bedeutungen

unserer Taten und Empfindungen herausarbeiten zu können, müssen wir historisch vorgehen.(…) Die Betonung

liegt auf kollektiv, auf Erinnerung und auf Arbeit. Das Resultat ist eine notwendige, genussvolle, neue große

Empirie“.32

In meiner 25jährigen „Abstinenz“ von der Wissenschaft hat sich viel getan. Heute finde ich in

der Bibliothek der Hochschule Neubrandenburg zum Thema „Qualitativer Sozialforschung“,

„Erzählen“ und „Dialog“ eine Reihe von Büchern. Es scheint, vieles (alles?) hat heute seine

Berechtigung.

„Es ist, als ob das Interview (….) von einem geheimnisvollen Fluch geschlagen wäre: zwischen reich aber weich

und hart aber armselig scheint es unmöglich, das richtige Mittelmaß zu finden. Daher kommt es auch, dass der

Methodenkonflikt (…) wie ein Pendel, das die gerade aktuelle Mode anzeigt, hin und her schwingt: einmal zum

Weichen, dann wieder zum Harten hin“.33 (Kaufmann, 1999, S.23)

Ist das Pendel zur anderen Seite gekippt? Zählt die subjektive Erfahrbarkeit heute mehr als die

Suche nach den „wahren“ Gründen? Es scheint mir so.

Vielleicht sehe ich das zu dualistisch. Deutet sich doch auch in Vielem eine Entwicklung von

„Mischformen“ an, die die o.g. „reinen“ Theorien und Methoden in die „wissenschaftliche

Mottenkiste“ zu verdrängen scheinen. So versuchen Ethnomethodologen „Strukturen“,

„Regelmäßigkeiten“ oder „Verallgemeinerungen“ aus der Menge von erhobenem Material zu

entwickeln, die unabhängig vom jeweiligen Einzelfall existent sind.34

������������������������������������������������������������31 Behnke/Meuser 1999, S.12�32 Haug, S.46/47 �33 Kaufman 1999, S.23�34 vergl. Bergmann S.19ff�

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Ein Ansatz, der bereits 1959 von Carl Rogers analog artikuliert wurde:

„Forschung und Theorie sind m.E. gerichtet auf eine der Erfahrung innewohnenden Ordnung (…) Es ist das

beständige, disziplinierte Bemühen darum, eine Ordnung der subjektiven Erfahrungen zu entdecken.“35

Er warnt davor, die in den therapeutischen Sitzungen gewonnenen Erfahrungen als eine

Anhäufung mehr oder weniger isolierter Ereignisse zu belassen. „Man spürt, dass eine

Ordnung in diesen Ereignissen besteht.“36

Auch verdeutlicht der heute zunehmend im wissenschaftlichen Sprachgebrauch benutzte

Begriff der Triangulation, dass sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden idealerweise

miteinander kombiniert werden sollten:

„Vereinfacht ausgedrückt bezeichnet der Begriff Triangulation, dass ein Forschungsgegenstand von (mindestens)

zwei Punkten aus betrachtet – oder konstruktivistisch formuliert: konstituiert – wird.“37

„Triangulation kann sich auf die Verbindung verschiedener qualitativer Methoden beziehen (…), sie wird aber

auch in Bezug auf die Verbindung von qualitativen mit quantitativen Methoden relevant.“38

Zusammengefasst kann somit gesagt werden, dass Forschung und Erkenntnistheorie in den

letzten Jahrzehnten zunehmend eine Entwicklung weg von „objektiv Gegebenen“ und ihren

daraus resultierenden diagnostischen bzw. analytischen Verfahren, und hin zu einer Vielfalt

gleichsam „subjektiver“ und „relativistischer“ Ansätzen gemacht hat, die in der Regel auf

allgemeingültigen, „absoluten“ Bewertungen verzichten. Das mögen Einige bedauern, da die

„Sicherheit“ von allgemeingültigen Erkenntnissen kaum noch gegeben ist. Andere mögen

darin eine Chance für neue Formen wissenschaftlichen Handelns sehen, wenn hierdurch auch

die Gefahr des „anything goes“ bestehen könnte: Wenn (fast) Alles „irgendwie“ seine

Berechtigung hat, stellt sich zunehmend die Frage nach Entscheidungskriterien, die –wenn sie

sich nicht primär an intersubjektiver Vernunft und Inhalten orientieren – letztlich womöglich

auf individueller Willkür oder/und anonymer systemimmanenter Machtausübung beruhen

könnten.

������������������������������������������������������������35 Rogers 2009, S. 17�36 Ebenda; somit ist es nicht verwunderlich, wenn neben phänomenologisch-deskriptiven Auffassungen auch phänomenologisch-hermeneutische Interpretationen der Theorie von Rogers ihre Berechtigung haben. Hier wird Gewicht gelegt auf die Bedeutung des empirisch Gegebenen, auf seinen Sinn. (vergl.u.a.Finke 1994, S.13ff) Es wird m.E. an dieser Stelle schon deutlich, wie schwer es ist, Rogers Theorie eindeutig „wissenschafts-theoretischen Lagern“ zuzuordnen. �37 Flick, S.11�38 Ebenda, S.84�

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2.2. Subjektive Erkenntnis in Beratung und Therapie

Es verwundert jedoch nicht, dass das Primat der subjektiven Erkenntnis originär dort

vielfältig zu verorten ist, wo es um gleichsam individuell erfahrene Problematiken geht: In der

Therapie und Beratung.39 Subjektivistische Erkenntnistheorien und Methoden haben meines

Erachtens daher besonders für Beratungsansätze eine dreifache Bedeutung:

� Für sie ist in erster Linie die subjektive Befindlichkeit des Ratsuchenden bzw.

Klienten relevant. Es ist in der Regel unerheblich, inwieweit das subjektiv

Empfundene im Widerspruch zu objektiv gegebenen Wahrheiten steht. Entscheidend

ist nicht was ist, sondern was wahrgenommen wird.

� Ihr Blick betont signifikant das Machbare im „Hier und Jetzt“ und analysiert weniger

Vergangenes und Defizitäres in seiner Determiniertheit.40

� Der Berater ist nicht „außen vor“, sondern Teil dieses Prozesses. Seine eigene

subjektive Befindlichkeit kann - muss aber nicht – mit in die Arbeit und Darstellung

von „Wirklichkeit“ einfließen.

In den nächsten Kapiteln soll gezeigt werden, dass namentlich der Ansatz von Carl Rogers

exakt an dieser Stelle des oben aufgezeigten wissenschaftlichen Diskurses positioniert ist.41

Rogers gilt bekanntlich als Mitbegründer der Humanistischen Psychologie, die sich als

sogenannte „dritte Kraft“ neben Psychoanalyse und Behaviorismus etabliert hat.42

„In der Psychologie existieren bis heute zwei dominierende Menschenbilder. Die orthodoxe Psychoanalyse sieht

das Verhalten des Menschen durch die biologischen Grundlagen determiniert (biologischer Determinismus).

Kennzeichnend für dieses Konzept sind Begriffe wie Triebenergie, Mechanismen und Funktionen. Die

psychoanalytische Auffassung ist beeinflusst von den mechanistischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts und

betrachtet den Menschen als hydraulisches System, dessen Triebenergie durch das Öffnen und Schließen von

Schleusen in einem Gleichgewichtszustand gehalten wird.

Der Behaviorismus ist sehr stark durch die naturwissenschaftliche und technologische Entwicklung geprägt

worden. Im Rahmen dieses Konzepts wird der Mensch als komplizierte Maschine gesehen, deren

������������������������������������������������������������39 Selbst Freuds Psychoanalyse, deren grundlegende Annahmen hinsichtlich einer subjektiven Erkenntnistheorie völlig „unverdächtig“ erscheinen, arbeitet zunächst mit der Technik des „Geschichtenerzählens“. Was sie aber nicht davon abhält diese dann gleichsam „diagnostisch“ und „analytisch“ zu bearbeiten �40 Vergl. Frankl 2009, S.40ff, der Freuds Psychoanalyse deterministischen „Psychologismus“ nennt. �41 Das soll nicht heißen, dass Rogers generell quantitative, gleichsam „objektive“ Forschungsmethoden abgelehnt hat. Im Gegenteil: Gerade in den 40er Jahren wurden zahlreiche quantitative Studien durchgeführt, die den Erfolg seines Ansatzes wissenschaftlich belegen sollten. In seiner eigentlichen beraterische Arbeit spielten sie und diagnostische Verfahren – soviel schon vorweg – eine untergeordnete Rolle. �42 Frenzel hat hierzu, konkret auf Rogers bezogen, die These: „Der PCA ist eine radikale Abkehr von einer mechanistischen, fremdbestimmten Vorgangsweise. Seine „Gegner“ im Bereich der „Behandlung“ sind von den Ursprüngen her die Psychoanalyse und der Behaviorismus gewesen.“ (S.12)�

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Gesetzmäßigkeiten man kennen muss, um sie zu verstehen. Menschliches Verhalten wird im Wesentlichen als

eine Funktion interner oder externer Stimulierung gesehen (S-R-Psychologie).“ 43

Auch wenn die genannte Auffassung etwas undifferenziert und pauschal erscheinen mag,

wird an ihr doch deutlich, um was es der Humanistischen Psychologie gehen muss, wenn sie

die oben genannten biologistischen und mechanistischen Vorstellungen überwinden will.

„Sie möchte an deren Stelle ein Menschenbild setzen, das der menschlichen Natur gerechter

wird.“44 Dabei konstatiert Ulrich Völker, dass das humanistische Menschenbild sich ebenso

wenig überprüfen lasse, wie die beiden anderen Modelle, weil es auf Annahmen beruhe, „die

weder beweisbar noch widerlegbar sind.“45 Er benennt hierzu vier grundlegende Annahmen,

die gewissermaßen eine Ontologie der menschlichen Natur skizzieren sollen.46

� Autonomie: Der menschliche Organismus ist bestrebt, sich selbst und seine Umwelt zu

beherrschen und dadurch unabhängig von äußerer Kontrolle zu werden. Der Mensch

ist für sich und sein Leben selbst verantwortlich und ist in der Lage dafür notwendige

Veränderungen an sich und seiner Umwelt vorzunehmen.

� Selbstverwirklichung: Durch ständigen Austausch mit seiner sozialen Umwelt ist der

Mensch in der Lage, sein Selbst zu entwickeln.

� Ziel- und Sinnorientierung: Das psychische Geschehen ist nicht purer Zufall, sondern

zielgerichtet und bedeutungsvoll. Diese zielgerichteten Tendenzen können bewusst

oder unbewusst ablaufen. Eine scharfe Trennung von bewussten und unbewussten

Prozessen ist nicht erforderlich.

� Ganzheit: Die Ganzheit des Menschen („Das Ganze ist mehr als die Summe der

Teile“) und die Einheit des Menschen mit seiner für ihn bedeutungsvollen Umgebung

werden zum Ausgangspunkt von Forschungs- und Beratungsprozessen gemacht.

Im Folgenden wird unter anderem dargelegt, dass die erkenntnistheoretischen und

methodologischen Positionen von Carl Rogers sehr eng mit den genannten vier Kriterien

verbunden sind; ihnen gleichsam „wesensverwandt“ sind.47

������������������������������������������������������������43 Völker, S. 15/16�44 ebenda�45 ebenda�46 Vergl. im folgenden: Völker, S.16ff �47 Vergl. Weinberger, S. 27ff, die ebenfalls die enge Verbundenheit von Rogers mit der Humanistischen Psychologie betont �

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3. Entwicklungsphasen im Werk von Carl Rogers

Zunächst einige Bemerkungen zur Begriffsbestimmung: Rogers selbst benannte seine erstes

größeren Kreisen bekanntes Buch „Counseling and Psychotherapy“. In Deutschland übersetzt

mit „Die nicht-direktive Beratung“.48 An dieser Stelle wird schon angedeutet, dass Rogers die

Begriffe Beratung und Therapie nicht exakt voneinander unterscheidet. Eine Praxis, die den

gängigen Umgang in den USA mit diesen Begriffen widerspiegelt. Später sprach Rogers vom

„Person-Centered-Approach= PCA “49 – im deutschen Sprachraum übersetzt mit

„Personenzentrierter Ansatz = PZA.50 Gleichwohl existiert in Deutschland noch eine weitere

Bezeichnung, wenn es mehr darum geht, das „heilkundliche Verfahren“51 – also den

therapeutischen Aspekt – zu betonen: man spricht hier in der Regel von der

„Gesprächspsychotherapie (GPT)“ Dieser Begriff ist auf Reinhard Tausch zurückzuführen,

dem Berufskollegen bei Einführung des Verfahrens vorgeworfen hatten, er betreibe

unberechtigterweise „Psychotherapie“. Diese aber stehe in der Regel unter der Vorherrschaft

der medizinischen Profession und dürfe somit nicht ohne weiteres von einem

Psychologieprofessor gelehrt werden.52 Tausch benannte den Ansatz daher um in

Gesprächstherapie. Denn er ging folgerichtig davon aus, „dass Gespräche selbst in

Deutschland niemand verbieten könne“.53 Etwas später wurde aus der Gesprächstherapie die

bis heute geläufige Gesprächspsychotherapie (GPT).54

Bevor auf die Zeit eingegangen wird, die „den Rogers“ markiert, der über einschlägige Kreise

hinaus bekannt ist, soll kurz über Einstellungen und Erfahrungen des jungen Carl Rogers

berichtet werden. Er selbst hat sich als einen Menschen in den Kindheits- und Jugendjahren

bezeichnet, der „keinen engen Freund und nur oberflächlichen persönlichen Kontakt“55 zu

Gleichaltrigen hatte.

„Ich war ein völliger Außenseiter – ein Zuschauer in allem, was persönliche Beziehungen betraf. Mein intensives

wissenschaftliches Interesse am Sammeln und Aufziehen von Nachtfaltern war zweifellos Kompensation, Ersatz

für das Fehlen enger Bindungen. Es wurde mir zunehmend bewusst, dass ich eigenartig war, ein Einzelgänger,

dem es an Gelegenheiten fehlte, Menschen kennenzulernen. Meine sozialen Fertigkeiten waren kaum entwickelt,

������������������������������������������������������������48 Vergl. Rogers 2007�49 Vergl. Frenzel. S.7�50 Vergl. Kriz/Slunecko S. 7�51 ebenda�52 Ähnliches ist Rogers zu Beginn seiner Laufbahn auch widerfahren. Vergl. Rogers 1977, S.7�53 Kriz/Slunecko S.7�54 Vergl. GwG S. 38ff: Pavel betont hier die starke Akzentuierung der empirischen Forschung gegenüber „anthropologischen und persönlichkeitstheoretischen Überlegungen“, die die GPT durch Tausch in der BRD erfahren hatte. �55 Rogers/Rosenberg S.186�

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meine Phantasien in dieser Zeit, so nehme ich an, müssen absonderlich gewesen sein und wären von einem

Diagnostiker wahrscheinlich schizoid klassifiziert worden, aber zum Glück kam ich nie mit einem Psychologen

in Berührung.“56

Erst später, auf einem landwirtschaftlichen College, lernt er, was es heißt „Kameraden, und

sogar Freunde zu haben.“57 Er zeigt hier lebhaftes Interesse an Diskussionen über moralische

und ethische Fragen, aber auch an Gesprächen über persönliche Probleme. Letzteres war ihm

aus seinem Elternhaus völlig unbekannt.58 In dieser Zeit lernt er, Beziehungen und Bindungen

zu Menschen über Gespräche einzugehen. „Rückblickend wird mir klar, dass mein Interesse

am Gespräch und an der Therapie zum Teil wohl aus meiner früheren Einsamkeit

herrührte.“59 Er lernt hier zudem seine spätere Frau Helen kennen. Später absolviert er eine

Ausbildung in klinischer Psychologie. Danach „wusste ich – mit der Sicherheit eines frisch

Ausgebildeten – wie man mit Menschen professionell umging.“60

Jahre danach – 1972 – fasst er seine damalige Auffassung über den professionellen Umgang

mit einem Hilfebedürftigen wie folgt zusammen:

„Ich werde eine Riesenmenge Daten über diesen Menschen sammeln: seine Lebensgeschichte, seine Intelligenz,

seine besonderen Fähigkeiten, seine Persönlichkeit. Aus all diesem Material kann ich eine Diagnose erstellen,

ich kann die Ursachen seines augenblicklichen Verhaltens sowie seiner persönlichen und sozialen Ressourcen

aufzeigen und eine Prognose für seine Zukunft erstellen. Ich werde mich bemühen, all dies den verantwortlichen

Stellen, den Eltern und dem Kind – sofern es dies versteht – in einfacher Sprache zu erklären. Ich werde

vernünftige Vorschläge zur Verhaltensänderung machen, und ich werde die Bemühungen um Veränderung durch

häufigen Kontakt verstärken. Bei all dem werde ich versuchen, objektiv zu sein und nur dann meine

persönlichen Gefühle zu äußern, wenn dies zu Herstellung einer befriedigenden Beziehung notwendig ist.“61

Rogers wusste also, was zu tun war, als er nach Rochester ging. „Ich war mir meiner Sache so

sicher!“62 Seine wohl formulierten Vorstellungen von Therapie wurden jedoch schnell auf die

Probe gestellt. Er selbst beschreibt die Erfahrung - durch Erleben lernen, nicht hauptsächlich

durch Theorie – sehr anschaulich:

„Aber meine Anschauungen gerieten allmählich ins Wanken. Da ich in einer stabilen Gemeinde lebte, hatte ich

auch mit den Folgen meines Rates und meiner Empfehlungen zu leben – und sie führten nicht immer zum

Erfolg. (…) Ich war erstaunt, dass ein Junge mitunter sich weigerte, mich wiederzusehen, und zwar gerade

nachdem ich ihn tags zuvor in einem besonders „guten“ Gespräch alle Ursachen seines Fehlverhaltens gedeutet ������������������������������������������������������������56 Ebenda�57 Ebenda S.187�58 Vergl. ebenda S.185ff�59 Ebenda, S.189�60 Ebenda S. 190�61 Ebenda�62 Ebenda�

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hatte. So musste ich ihn zurückgewinnen, um herauszufinden, was fehlgelaufen war. Ich begann durch Erleben

zu lernen.“63

Sein umfangreiches theoretisches Wissen half im offenbar wenig, seine Klienten wirklich zu

verstehen.64 Mit seinen Diagnosen und guten Ratschlägen konnten seine Klienten nicht so

recht etwas anfangen; stammten sie oft zu sehr aus der Perspektive des Psychologen „und

nicht aus der Realität, wie sie sie erlebten.“65 Somit war notwendig, stärker als bisher, die

Sichtweise des Klienten in die Arbeit mit einzubeziehen.

3.1. Die nicht-direktive Phase

3.1.1. Erfahrungen und Lernerlebnisse

Bevor „Counceling and Psychotherapy“ 1942 erschien, veröffentlichte Rogers ein Reihe von

Fachaufsätzen und schrieb 1937 sein erstes Buch mit dem Titel „The Clinical Treatment of

the Problem Child“.66 Rogers war zu dieser Zeit Leiter einer sozialpsychiatrischen

Beratungsstelle in Rochester und hatte viele „praktische Beratungsarbeit zusammen mit

Sozialarbeitern kennengelernt.“67

„Die (…) zwölf Jahre in Rochester waren außerordentlich wertvoll. Mindestens die acht ersten Jahre ging ich

vollkommen im praktischen psychologischen Dienst auf. Ich stellte Diagnosen für die straffällig gewordenen

und unterprivilegierten Kinder, die uns die Gerichte und die Fürsorge schickten, machte Pläne und in vielen

Fällen führte ich „Behandlungsgespräche“. Es war eine Periode relativer fachlicher Isolierung, in der meine

einzige Sorge darin bestand, möglichst noch effektiver mit unseren Klienten zu arbeiten. Wir mussten mit

unseren Misserfolgen wie auch mit unseren Erfolgen leben können, und so waren wir gezwungen, zu lernen. Es

gab nur ein Kriterium für die Methoden, mit diesen Kindern umzugehen: „Klappt es? Ist die Methode effektiv?“

Allmählich formulierte ich meine Ansichten immer mehr aus der tagtäglichen Arbeitserfahrung heraus.“68

In seinem ersten Buch versucht er „seine Erfahrungen theoretisch aufzuarbeiten“,69 setzt sich

zunächst mit den damals gängigen Behandlungskonzepten in der Sozialarbeit mit sogenannten

Problemkindern auseinander.70 Er plädiert in dieser Zeit für standardisierte Testverfahren, die

es erleichtern herauszufinden, „was nun gerade für dieses Kind oder für diese Familie ������������������������������������������������������������63 Rogers in: GwG, S.15/16�64 Vergl. Pörtner, S.23�65 Ebenda�66 Vergl. Groddeck S. 57ff�67 Alterhoff S.39�68 Rogers 2009a, S.26�69 Alterhoff, S.39 �70 Alterhoff resümiert an dieser Stelle: „Am Lebensweg Rogers lässt sich deutlich ablesen, dass bei ihm Erfahrung vor der Theoriebildung steht. Seine theoretischen Ansätze sind eher induktiv als deduktiv entstanden.“ S.39�

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geeignet sein könnte.“71 In den 30er Jahren wurden hierzu in den USA die ersten Methoden

individueller Fallarbeit (case work) entwickelt, die sich primär an den Möglichkeiten und

Fähigkeiten der Menschen orientierten und nicht so sehr an deren Defiziten, wie es noch in

den 20ern geschah.72 Das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ war „bereits in die Praxis der

Sozialarbeit eingedrungen“,73 die Rogers in dieser Zeit kennengelernt hatte. Norbert

Groddeck führt in seiner Rogers-Biographie an, dass gerade die Vertreter der sogenannten

funktionalistischen Schule, „die von Otto Ranks „Beziehungs- und Willenstherapie“

maßgeblich beeinflusst war“,74 Rogers sehr ansprachen und hilfreich für seine weitgehende

pragmatische lösungsorientierte, aber dennoch zugleich wissenschaftsbezogene

Vorgehensweise waren.75 Rank, der bekanntlich zunächst als „Ringträger“ zum engsten Kreis

von Freud gehörte, sich später aber von ihm distanzierte, hatte Vorstellungen entwickelt, die

später von Rogers ähnlich formuliert wurden: Nicht das sogenannte Unbewusste ist das

Entscheidende in der Therapie, sondern die subjektive Realität des Patienten im „Hier und

Jetzt“ ist von Bedeutung. Nicht das Aufdecken von Verborgenem, sondern das Anerkennen

von Gefühlen, Gedanken und Erfahrungen des Patienten ist für den Heilungsprozess von

Relevanz.76

„Die funktionalistische Methode grenzte sich von der diagnostischen Methode dadurch ab, dass sie eine

Psychologie des Wachstums und der Persönlichkeitsentwicklung favorisierte und auf eine Diagnose von

Störungen und Krankheiten weitgehend verzichtete“.77

Rogers macht zunehmend die Erfahrung, „dass der Klient derjenige ist, der weiß, wo der

Schuh drückt, welche Richtungen einzuschlagen, welche Erfahrungen tief begraben gewesen

sind, und dass der vom Klienten gewählte Problemlösungsprozess meistens der günstigste

ist.“78

������������������������������������������������������������71 Groddeck S.67�72 Vergl. Rogers, 2007 S.20�73 Alterhoff S.39�74 Groddeck, S.70�75 Vergl. auch Rogers 2007, S.36�76 Vergl. Köhler-Weisker et.al. S.10ff. Sie weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es in dieser Zeit viele „Theoretiker und Praktiker“ diese Richtung einschlugen (u.a. Perls, Moreno, Lewin und Horney). Rogers Ideen entstammen somit auch einem gewissen „Zeitgeist“, der nach neuen therapeutischen Formen und handlungsorientierten, pragmatischen Lösungen suchte. �77 Groddeck S.70�78 Christen, S.28�

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„Langsam merkte ich, dass, wenn ich es nicht nötig hätte, meine Cleverness und Gelehrsamkeit zu

demonstrieren, ich besser daran täte, mich auf den Klienten zu verlassen, was die Richtung des Prozessablaufs

anging.“79

In seinen Spätwerken schreibt Rogers an unterschiedlichen Stellen über „das für mich

entscheidendste Ereignis“80in dieser Zeit. Er berichtet über seine Arbeit mit einer Mutter,

„deren Junge ein rechter kleiner Teufel war.“81 In vielen Gesprächen, versuchte er ihr darin

zu helfen, „Einsicht in ihr Verhalten und die daraus folgenden negativen Auswirkungen auf

ihren Jungen zu gewinnen.“82 Sie kamen aber nicht so recht voran und Rogers schlug

schließlich vor, die Gespräche zu beenden.

„Als sie dabei war, den Raum zu verlassen, drehte sie sich um und fragte: „Beraten Sie auch Erwachsene?“

Verwirrt antwortete ich, dass dies manchmal der Fall sei. Woraufhin sie ihren Stuhl zurückkehrte, die

Geschichte ihrer Schwierigkeiten zwischen ihr und ihrem Mann hervorsprudelte und von ihrem großen

Bedürfnis nach Hilfe sprach. Ich war vollständig überwältigt. Was sie mir erzählte, ähnelte in keiner Weise der

glatten Geschichte, die ich ihr entlockt hatte. Ich wusste kaum, was zu tun sei, also hörte ich erst einmal zu (…)

Das war für mich eine Erfahrung von größter Bedeutung. Ich war ihr gefolgt, nicht sie mir. Ich hatte zugehört,

anstatt sie zu dem diagnostischen Verständnis zu bringen, das ich schon erreicht hatte.“83

Rogers macht die entscheidende Erfahrung: In dem Maße, wie die Frau sich durch die mehr

persönliche, als „professionelle“ Beziehung zu ihm zunehmend freier fühlte, nahmen sowohl

die Probleme in ihrer ehelichen Beziehung, als auch die Probleme ihres Sohnes ab.84

Allmählich wurde ihm in dieser Zeit bewusst, „dass ich offensichtlich etwas Neues (und

vielleicht sogar Originelles) über Beratung und Psychotherapie sagte.“85 Nicht der Therapeut,

sondern der Klient bestimmt letztendlich, was in der therapeutischen Beziehung geschehen

soll. Die neue Therapie ist somit weitgehend frei von therapeutischen Interventionen; sie ist in

diesem Sinne „nicht-direktiv“.

������������������������������������������������������������79 Rogers 2009a, S.28�80 Rogers/Rosenberg S.191�81 Rogers 2009a, S.27�82 Rogers Rosenberg S.191�83 Ebenda, S.191/192�84 Vergl. ebenda�85 Ebenda S.192�

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3.1.2. Menschenbild und Persönlichkeitstheorie

Die grundlegende Hinwendung zu einer Überzeugung, „dass nämlich jedes Individuum die

Fähigkeit besitzt, seine eigene Problemlösung selbst zu finden“,86 kommt in „seinem

thematischen Erstlingswerk“87 sehr anschaulich zum Ausdruck. Es ist ein Aufsatz mit dem

Titel „The Process of Therapy“, den Rogers im Jahre 194088 im „Journal of Counseling

Psychology“ veröffentlichen ließ und auf den heftig reagiert wurde.89 Hier ist schon vieles

angelegt, was den Kern seines Ansatzes schon erahnen lässt. Groddeck zitiert hieraus einen

von Rogers skizzierten idealtypischen Therapieablauf in sechs Schritten, der schon die

„Grundlinien des nicht-direktiven Ansatzes“90 umreißt:

„1. Therapie solle einen guten menschlichen Kontakt zwischen Therapeuten und dem Klienten herstellen können, in dem der Klient sich sicher und akzeptiert fühlen kann. Der Therapeut müsse Balance finden zwischen Identifikation und Neutralität und sollte sich nicht scheuen, emotionale Wärme zu zeigen.

2. Der Klient solle sodann seine Gefühle frei ausdrücken und auch ausagieren können. Da dies im Liegen auf der Couch nicht möglich sei, lehnte er das klassische Setting der Psychoanalyse ab und empfahl stattdessen das Setting des Gespräches in der „face-to-face“-Situation.

3. Der Klient solle in einem Gespräch dann in den vom ihm erlebten Gefühlen sein spontanes Selbst erkennen und akzeptieren

4. Aufgabe des Therapeuten sei es, den Klienten anzuleiten, dass dieser verantwortliche Entscheidungen treffen kann.

5. Der Klient solle sodann zusammenfassende Einsichten aus der Arbeit gewinnen und formulieren (nicht der Therapeut!)

6. Am Ende dieser therapeutischen Erfahrung solle schließlich ein Erziehungsprozess oder auch Umerziehungsprozess stehen. D.h. der Therapeut stellt in dieser Phase unterstützende Information bereit, damit der Klient seinen Weg alleine weitergehen kann. Lange andauernde Therapien seien nicht nützlich (Rogers 1940)“.91

Erkennbar ist an dieser Stelle schon dass explizite Ablehnen einzelner psychoanalytischer

Elemente:92 Der Therapeut ist hier nicht mehr der neutrale und emotionslose Analytiker. Er

������������������������������������������������������������86 Groddeck, S.70�87 ebenda S.79�88 Rogers nahm in diesem Jahr seine erste Professur – an der Ohio State University – an, an der er fünf Jahre arbeitete. �89 Dazu Rogers 2009a, S.29: „Ich machte zum ersten Mal die Erfahrung, dass eine neue Idee von mir, die mir so voll glänzender und vielversprechender Möglichkeiten zu stecken schien, für einen anderen Menschen eine große Bedrohung darstellen kann. Es brachte mich aus der Fassung, bereitete mir Zweifel und Kopfzerbrechen, im Zentrum der Kritik mitten zwischen Pro und Contra zu stehen.“ �90 Groddeck, S.79�91 ebenda�92 Köhler-Weisker et.al. an anderer Stelle kommen zu einer anderen Bewertung, wenn sie über Rogers in den Anmerkungen schreiben: „Ganz allgemein bleibt Rogers´ Auseinandersetzung mit fremden Ansätzen eher kursorisch. Von einer ernsthaften Kritik der Psychoanalyse kann nicht die Rede sein. So bleibt seine Ablehnung der von ihm kritisierten „abgrenzenden“ bzw. „konfrontierenden“ Tendenzen, die er der „klassischen

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begegnet dem Klienten von face-to-face – wir sagen heute auf Augenhöhe. Es ist der Klient,

der in einem Gespräch Einsichten und Erfahrungen gewinnt. Dabei spielen emotionale

Wärme und Akzeptanz eine wichtige Rolle. In diesem Kontext aber sind die später allseits

bekannten „Therapeutenhaltungen“ noch nicht voll entfaltet.

In seinem nächsten Werk jedoch, das ihn über einschlägige Kreise hinaus bekannt gemacht

hat93 bricht er mit vielen gängigen Vorstellungen und Selbstverständlichkeiten.

„Anfängliches Interesse an der Diagnose wich einem viel stärkeren Interesse am Prozess der Beratung und

Therapie“.94

Bereits in seinem Vorwort von „Counseling and Psychotherapy“ verdeutlicht Rogers, um was

es ihm in diesem Buch geht: Es gehe nicht primär um Analyse und Diagnose, denn das

Gewicht habe sich eindeutig „von der Diagnose auf die Therapie und vom Verstehen des

Individuums auf das Interesse an den Prozessen verlagert, durch die es Hilfe finden kann“.95

Es geht also im Wesentlichen um die Betrachtung von Prozessen, um „Beratung als

Prozess“.96

„Der Terminus „Beratung“ wird besonders im pädagogischen Bereich immer häufiger benutzt. Kontakte mit

dem Ziel der Heilung und Wiederherstellung kann man als „Psychotherapie“ bezeichnen; dieser Terminus wird

meistens von Psychologen und Psychiatern verwendet. Im vorliegenden Buch werden all diese Bezeichnungen

mehr oder weniger austauschbar verwandt werden, und zwar weil sie sich alle auf die gleiche grundlegende

Methode beziehen – auf eine Reihe direkter Kontakte mit dem Individuum, die darauf abzielen, ihm bei der

Änderung seiner Einstellungen und seines Verhaltens zu helfen. (…) Es lässt sich (...) nicht bestreiten, dass

intensive und erfolgreiche Beratung von intensiver und erfolgreicher Psychotherapie nicht zu unterscheiden ist.

Beide Begriffe werden deshalb benutzt werden, da beide in diesem Fachbereich allgemein üblich sind“97.

Die Begriffe Beratung und Therapie werden von Rogers also synonym verwandt.98 Zudem

wird in diesem Kontext darauf verwiesen, dass Beratung kein „Allheilmittel für sämtliche ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������Psychoanalyse“ (…) zuschreibt, bei der bloßen Etikettierung stehen und führt zu einer Reihe von Missverständnissen und Fehleinschätzungen.“ S.231 �93 Groddeck beschreibt es differenzierter: „Unter den praktizierenden helfenden Berufen wurde es rasch zum Bestseller. In der akademischen psychologischen Fachwelt fand es wenig Anklang und wurde von keiner der großen Fachzeitschriften besprochen.“ (S. 82/83) �94 Rogers 2007, S.13�95 ebenda�96 ebenda S.17�97 ebenda, auf die Problematik der begrifflichen Abgrenzung werde ich noch später zurückkommen. �98 Eine Praxis, die besonders in der Systemischen Therapie bzw. Beratung bekanntlich heute noch üblich ist, da z.B. der mit der „Therapie“ eng verbundene Krankheitsbegriff gerade hier häufig sehr kritisch betrachtet wird. In seinem Spätwerk „Kraft des Guten“ ist zur Begriffsbestimmung zu lesen: „Als man mir zu Beginn meiner Laufbahn vorhielt, dass es für einen Psychologen völlig ausgeschlossen sei Psychotherapie zu betreiben, weil dies die Aufgabe des Psychiaters sei, versuchte ich nicht, meine Auffassungen in einem Frontalangriff durchzusetzen. Stattdessen umschrieb ich unsere Arbeit zunächst mit dem Begriff „Behandlungsgespräch“. Später schien uns der Terminus „Beratung“ zutreffender.“ (Rogers 1977, S.7) �

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Fehlanpassungen“99 sei, die wahllos überall angewendet werden könne. Beratung sei nur eine

Methode, „wenn auch wichtige Methode im Umgang mit den zahlreichen

Anpassungsproblemen, die das Individuum zu einem weniger nützlichen, weniger wirksamen

Mitglied seiner sozialen Gruppe werden lassen“.100 Rogers lehnt für gewisse Bereiche der

„Fehlanpassung“ – „im Fall des Kriminellen, des Psychopaten, des Defekten oder des

Individuums, das aus anderen Gründen außerstande ist, für sich Verantwortung zu

übernehmen“101 - auch mehr oder minder direktive „Behandlungen des Individuums durch

Manipulation seiner Umgebung“ nicht grundsätzlich ab, sofern sie „Einstellungen,

Verhaltensweisen und Anpassung des Individuums außerordentlich verändern“.102 Zu

beachten sei dabei, dass hierzu „sozial definierte und akzeptierte“ Zielvorstellungen

formuliert worden sind.

Obgleich es sehr einsichtig ist, dass jede Beratung auch ihre Grenzen hat, schwingt hier aber

ein Aspekt mit hinein, der meines Erachtens eher im Kontext ehemaliger traditioneller

Sozialarbeit zu verorten ist: das Individuum als Problem unzureichender gesellschaftlicher

Anpassung.103 Ein Aspekt, der offensichtlich die zeitliche Nähe zur Rogers langjähriger

Tätigkeit bei der „Rochester Society for the Prevention of Cruelty to Children“ in den 30er

Jahren aufzeigt, wo es in seiner Arbeit in erster Linie „um die Wiederanpassung der Kinder

und der Familien an das normale Leben ging“.104 Zumindest wird an dieser Stelle deutlich,

dass die Sicht des „späten“ Rogers, ganz die „Person als Mittelpunkt der Wirklichkeit“105 zu

sehen, zumindest an dieser Stelle noch nicht eindeutig und konsequent „klientenzentriert“

entwickelt ist.

Allerdings wird die „neuere Psychotherapie“ einige Seiten später wieder schärfer in ihrer

Abgrenzung zur Psychoanalyse umrissen: Rogers verweist hierbei auf „verschiedene Quellen,

die aufzuzählen nicht ganz einfach ist, “106 benennt dabei jedoch explizit Otto Rank, sowie die

„moderne Freudsche Analyse, die endlich ausreichend selbstsicher ist, um Freuds

������������������������������������������������������������99 Rogers 2007, S.23�100 ebenda, �101 ebenda, S.26�102 ebenda, S.25 �103 zur Problematik sozialer Benachteiligung, vergl. z.B. Galuske in: Chasse, S. 63ff�104 Groddeck, S.57�105 Vergl. Rogers/Rosenberg 2005�106 Rogers 2007 S. 36�

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therapeutische Verfahren zu kritisieren und zu verbessern.“107 Bekannteste Vertreterin sei

Karen Horney.108

„Der neuere Ansatz unterscheidet sich von dem älteren dadurch, dass er ein grundlegend anderes Ziel hat. Er

zielt direkt auf die größere Unabhängigkeit und Integration des Individuums ab, statt zu hoffen, dass sich diese

Resultate ergeben, wenn der Berater bei der Lösung des Problems hilft. Das Individuum steht im Mittelpunkt der

Betrachtung und nicht das Problem. Das Ziel ist es nicht, ein bestimmtes Problem zu lösen, sondern dem

Individuum zu helfen, sich zu entwickeln, so dass es mit dem gegenwärtigen Problem und mit späteren

Problemen auf besser integrierte Weise fertig wird. Wenn es genügend Integration gewinnt, um ein Problem

unabhängiger, verantwortlicher, weniger gestört und besser organisiert zu bewältigen, dann wird es auch neue

Probleme auf diese Weise bewältigen.

Wenn dies alles etwas vage klingt, können wir es vielleicht deutlicher machen, indem wir noch genauer auf die

Unterschiede zwischen diesem neueren und dem alten Ansatz eingehen. Erstens stützt er sich viel stärker auf den

individuellen Drang zum Wachsen, zur Gesundheit und zur Anpassung. Therapie ist nicht etwas, das man dem

Individuum antut oder das veranlasst, etwas Bestimmtes für sich selbst zu tun. Therapie macht es vielmehr frei

für normales Wachsen und Entfalten, sie beseitigt Hindernisse, damit es sich wieder vorwärts bewegen kann.“109

An dieser Stelle wird somit formuliert, was wesentlich für das Menschenbild von Carl Rogers

in der ersten Phase ist: Das Individuum hat einen Drang zum Wachsen, zur Gesundheit und

zur Anpassung,110 es ist prinzipiell in der Lage, „sein eigenes Schicksal zu gestalten und seine

eigenen Gedanken zu denken.“111

„Rogers war (…) von Anfang an von der äußersten Rationalität dessen, was Individuen tun, beeindruckt. Seiner

Meinung nach reagiert jeder auf die Welt, wie er sie wahrnimmt. Der Klient handelt deshalb grundsätzlich

sinnvoll. Nur aus der Sicht eines Außenstehenden erscheint sein Verhalten irrational, dumm oder neurotisch.“112

Diese humanistische Auffassung menschlicher Existenz hat für Rogers zur Konsequenz, dass

dirigistische Interventionen nicht Aufgabe des Therapeuten sein können. Ratschläge und

Verhaltensanweisungen sind zu unterlassen.113 Vielmehr muss es darum gehen, den Klienten

in seinem Streben nach Wachstum und Entwicklung zu unterstützen. Dazu benennt Rogers

weitere Kriterien, die den Unterschied von älterer und neuerer Psychotherapie markieren:

������������������������������������������������������������107 ebenda�108Leider wird an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt, welche Inhalte darunter zu verstehen sind; was ein weinig die von Köhler/Weisker geäußerte Kritik der Etikettierung unterstreicht. (Vergl. Anm. 92) �109 Rogers 2007, S. 36/37 Viele Jahre später wird Rogers diese Stelle nochmals benennen, um seine im Jahre 1940 vollzogene „Wende in der Politik der Therapie“ (Rogers 1977, S.16) aufzuzeigen�110 Bommert, S.15: „Mit Anpassung ist nicht gemeint, dass das Individuum unkritisch die Forderungen von Autoritätspersonen oder Normen der Gesellschaft übernimmt, sondern dass es sich gewissermaßen an sich selbst anpasst, indem es seine Ziele auswählt, diesen Zielen entsprechend handelt und dazu fähig ist, Probleme und Schwierigkeiten aus eigener Kraft zu bewältigen.“�111 Barton, S.170�112 ebenda�113 vergl. Bommer, S.15 �

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� In der neueren Therapie überwiegen emotionale Elemente und Gefühlsausdrücke

gegenüber intellektuellen Aspekten: „Sie verwirklicht endlich die seit langem

vorhandene Erkenntnis, dass die meisten Fehlanpassungen keine Mängel des

Wissens sind, sondern dass Wissen unwirksam ist, weil es blockiert wird durch die

emotionalen Befriedigungen, die das Individuum durch seine gegenwärtigen

Fehlanpassungen erhält.“114

� In der neueren Therapie ist die derzeitige Situation, das „Hier und Jetzt“, wichtiger als

die Vergangenheit. „Vergangenes ist zum Zwecke der Forschung und zum

Verständnis der Genetik des menschlichen Verhaltens sehr wichtig. Für die

Therapie ist es aber nicht unbedingt wichtig.“115

� In der neueren Therapie wird die therapeutische Beziehung in ihrer Praxis als eine

Erfahrung von Entwicklung und Wachstum erlebt. „In ihr lernt das Individuum, sich

selbst zu verstehen, unabhängig zu entscheiden und sich erfolgreich und auf

erwachsenere Weise in Beziehung zu einer anderen Person zu bringen.“116

Damit ist gewissermaßen die neuere Psychotherapie schon grob wie folgt umrissen: Die nicht-

direktive Psychotherapie ist Resultat von Rogers´ eigenen erlebten persönlichen Erfahrungen

im beraterischen Kontext, als auch von seinen kritischen Überlegungen gegenüber der

orthodoxen Psychoanalyse. Erkenntnistheoretische Grundlage hierzu ist ein ähnlich wie bei

Otto Rank formuliertes Menschenbild, das vom Vermögen des Individuums ausgeht, seine

Probleme selbst bewältigen zu können bzw. zu wollen, da es über einen ihm immanenten

Drang nach persönlicher Entwicklung und Entfaltung verfügt.

Um sich gegenüber den „älteren Theorien“ behaupten zu können, ist Rogers in dieser Zeit

bestrebt, seinen Ansatz – sollte er nicht bloß hypothetisch-spekulativ erscheinen – mit

empirischer Forschung zu untermauern. Rogers gründet daher parallel zu seinen ersten

Veröffentlichungen auch eine „neue klinisch-psychologische Forschungseinrichtung“117

„Sie erhob zum ersten Mal in der Geschichte der Klinischen Psychologie den Anspruch, Psychotherapie mit den

Methoden der empirisch-psychologischen Forschung transparent zu machen. Das Neuartige dieses

Forschungsansatzes lag besonders in dem Versuch, Hypothesen zur Psychotherapie und den bis dahin

������������������������������������������������������������114 ebenda�115 ebenda�116 ebenda�117 Pavel in: GwG, S.25 �

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weitgehend mystisch behandelten psychotherapeutischen Prozess der empirischen Erforschung zugänglich zu

machen und in ihrer Wirksamkeit zu überprüfen.“118

So wird beispielsweise begonnen, die größte Anzahl der therapeutischen Gespräche mittels

der neu entwickelten Tonbandtechnik aufzunehmen, um so eine Grundlage für differenzierte

Untersuchungen und Gesprächsanalysen zu haben. Die Auswertungen der Tonbandprotokolle

ergeben, dass „unterschiedliche Reaktionen des Therapeuten auf den Klienten stark

differierende Grade an therapeutischer Entwicklung nach sich zogen.“119 Aus den

beobachteten Phänomenen werden wiederum neue „theoretische Konstrukte abgeleitet, deren

Aussagegehalt durch empirische Forschung überprüft wird.“120 „Psychotherapie wird hier

verstanden als eine psychologische Methode, die durch die Mittel der psychologischen

Forschung transparent und überprüfbar gemacht werden soll.“121 In „Counseling and

Psychotherapy“ werden die ersten Untersuchungen veröffentlicht, die eine Vielzahl

unterschiedlicher Interventionen und Kennzeichen des Direktiven und des Nicht-direktiven

Ansatzes aufzeigen. Herbei gehen Rogers und seine Mitarbeiter im Wesentlichen

phänomenologisch vor; das heißt, sie beschreiben in der Regel den wahrnehmbaren Prozess

der Interaktion zwischen Therapeut und Klient; auf eine Analyse im Sinne Freuds wird

gänzlich verzichtet.122 Somit verwundert es nicht, wenn der Ansatz von Rogers in dieser

Phase als „Beratungs- und Therapiemethode“123 bezeichnet wird und die Anwendung von

„Beratertechniken“ in den Blick der Forschung gerät und dabei der Aspekt des „Nicht-

direktiven“ eine besondere Beachtung erfährt.

„Die wichtigste Technik besteht in der Ermutigung zum Ausdruck von Einstellungen und Gefühlen, bis sich das

einsichtige Verstehen spontan und von selbst einstellt. Einsicht wird häufig durch Bemühungen des Beraters, sie

hervorzurufen, verhindert und bisweilen unmöglich gemacht.“124

Damit benennt Rogers „zentrale Merkmale jeder Art von Therapie“, die zudem den Verlauf

des therapeutischen Prozesses beschreiben:125

-Katharsis: Der Berater ermutigt und unterstützt den Klienten, seine bis dahin unerkannten emotionalisierenden Einstellungen und Gefühle auszudrücken.

������������������������������������������������������������118 Ebenda�119 Rogers 2007a, S.18�120 Pavel in: GwG, S.25�121 Ebenda S.27�122 An dieser Stelle soll auch nicht darauf eingegangen werden, ob das von Rogers skizzierte Menschenbild als Annahme für seine Theorie von ihm hinreichend „bewiesen“ ist. Ich komme aber später darauf zurück. �123 Rogers 2007a, S.28 �124 Rogers 2007, S.177�125 Ebenda S.123; vergl. auch Christen S.74ff �

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- Einsicht: Die Konsequenz von Katharsis ist die Einsicht. Sie ist eine neue Art der Wahrnehmung, in die angesammelte Erfahrungen integriert werden. Vorher unverstandene Tatsachen werden in ihren Zusammenhängen erkannt. Die eigene Persönlichkeit kann stärker angenommen und akzeptiert werden. Vertrauen in die eigene persönliche Entscheidungskraft entsteht.

- Positive Handlungen: Die durch die Einsicht neu gewonnenen Ziele werden in selbst-initiierte Handlungen umgesetzt. Sie stellen die wichtigste Art von Wachsen dar und erzeugen neues Vertrauen und Unabhängigkeit.

Was aber setzt diesen Prozess in Gang? Für Rogers ist es u.a. die „akzeptierende

Beratungsbeziehung“,126 die das auslösende Moment darstellt. Damit soll die erste der drei

therapeutischen Haltungen - das Bedingungsfreie Akzeptieren – im nächsten Abschnitt

ausführlicher erörtert werden.

3.1.3. Wertschätzung oder Bedingungsfreies Akzeptieren

Im ersten Kapitel von „Counseling and Psychotherapy“ formuliert Rogers zum Abschluss

seine „grundlegende Hypothese“: „Wirksame Beratung besteht aus einer eindeutig strukturierenden, gewährenden Beziehung, die es dem Klienten

ermöglicht, zu einem Verständnis seiner selbst in einem Ausmaß zu gelangen, das ihn befähigt, aufgrund dieser

neuen Orientierung positive Schritte zu unternehmen.“127

Mir kommt es hier nicht auf den etwas irreführenden Begriff „strukturierend“ an.128 Vielmehr

will ich den Blick lenken auf den Ausdruck „gewährend“. Er setzt etwas voraus, was ohne

jede Vorbedingung gegeben bzw. gewährt wird: Für Rogers ist es die therapeutische Haltung

des bedingungsfreien Akzeptierens.129 Es ist die „Anteilnahme und die Akzeptanz aller

Möglichkeiten, der Begabung und der Seinsweise einer Person (ohne Bedingung und ohne

Wertung).“130 Diese Haltung ist verbunden mit einer tiefen und echten Zuwendung, die frei

von Beurteilungen und Bewertungen der Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen des

Klienten ist. Der Klient erhält damit die Möglichkeit, sein jeweiliges momentanes Gefühl

ausleben zu können, ohne dass die Gefahr der Ablehnung besteht. Der Berater akzeptiert den

Klienten so, wie er ist und nicht, wie er sein sollte. „Ich bin in vielerlei Hinsicht leichtgläubig und akzeptiere meinen Klienten als den, der er zu sein behauptet,

ohne hintergründig zu argwöhnen, dass er vielleicht anders sein könnte.“131

������������������������������������������������������������126 Rogers 2007, S.195�127 Rogers 2007, S.28 �128 Gemeinhin könnte man annehmen, dass dabei eine aktivierende Intervention seitens des Beraters zu verstehen sei. M.E. meint Rogers hiermit eher eine Rahmung, das Schaffen einer gleichsam „angstfreien Atmosphäre“. (Vergl. Pavel in: GwG, S.27ff) �129 In “Counseling und Psychotherapy” ist dieser Begriff so noch nicht voll entfaltet. Rogers spricht hier vom „Achtung vor dem Individuum“ (S.222) als eine der „notwendigen Fähigkeiten eines guten Beraters“.(S.221) �130 Nykl, S.19�131 Rogers 2007a, S.155�

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Die Haltung des Beraters ist in der Beziehung zu dem Klienten positiv, warm und

entgegenkommend. Diese positive Zuwendung ist vergleichbar „mit jener Gefühlsqualität, die

Eltern für ihr eigenes Kind empfinden, wenn sie es als Persönlichkeit, ungeachtet seines

augenblicklichen Verhaltens anerkennen.“132 Der Klient erfährt zunehmend diese echte

Zuneigung; fühlt sich umsorgt und macht in dieser gewährenden Beziehung eine neue

Erfahrung: „Ich fühle mich bei ihr frei, das zu sagen, was ich denke.“133

Ein Klient von Rogers hat das Gefühl des Angenommenseins ihm gegenüber einmal so

ausgedrückt: „Hier bei Ihnen kann ich immer einfach ich selbst sein. Ich mache mir nie Gedanken darüber, ob ich mich richtig

verhalte. Und wenn ich von hier fortgehe, fühle ich mich immer sehr viel kreativer – und dieses Gefühl dauert

hinterher an.“134

In diesem Klima der bedingungsfreien Akzeptanz kann der Klient sich somit frei fühlen, auch

unangenehme Aspekte seiner Person anzusprechen. Er kann beginnen, die innere Welt der

Gefühle zu erforschen – „ob es Wut, Verwirrung, Zorn, Mut, Liebe oder Stolz, Feindseligkeit

oder Zärtlichkeit, Auflehnung oder Fügsamkeit, Selbstvertrauen oder Selbstentwerten ist“135 -

ohne dabei Ablehnung oder Zurückweisung durch den Berater befürchten zu müssen.

Der Klient selbst wird aktiv diesen Weg bestreiten. Der Berater hat dabei in erster Linie eine

begleitende Funktion. Mit seiner Haltung der bedingungsfreien Akzeptanz, die Ausdruck

findet in seiner konkreten beraterischen Praxis – Anerkennen, Ermutigen und Solidarisieren136

- schafft er gewissermaßen den Rahmen für die Möglichkeit neuer Erfahrungen.137 Dabei hat

der Berater grundsätzlich alles zu unterlassen, was den Klienten von seinem selbstgewählten

Weg abbringen oder beeinflussen könnte.138 „Der Therapeut ist nun nicht mehr der Ursprung der Veränderung, sondern er erfüllt eine Art

„Hebammenfunktion“. Er legt die letzte Entscheidungsbefugnis in die Hände des Klienten, ob es um kleine

Dinge, wie die Richtigkeit einer Reaktion des Therapeuten, geht oder um schwerwiegende Entscheidungen, wie

die Bestimmung der Richtung des eigenen Lebens. Es ist nun ganz klar die Sache des Klienten, abzuwägen und

Entscheidungen zu treffen.“139

������������������������������������������������������������132 ebenda, S.281�133 Tauch, S.73 �134 Rogers 2007a, S.155�135 Nykl, S.19�136 Vergl. Finke 2004, S.15�137 Rogers 1978, S.21: „Die Forschungen haben ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Therapie um so größer ist, je stärker diese Einstellung bei dem Therapeuten ausgeprägt ist.“�138 Vergl. Weinberger S.71ff, die hierzu eine Reihe „nicht-adäquater Verhaltensweisen - wie Bagatellisieren, Diagnostizieren, Dirigieren, Examinieren, Interpretieren, Moralisieren und Intellektualisieren – aufzählt. �139 Rogers 1978, S.26�

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Warum aber sollte der Klient diesen Weg beschreiten? Warum sollte er beginnen, neue

Erfahrungen machen zu wollen? Das geschieht nach Rogers nur dann, „wenn aus einem

Zustand der Unausgeglichenheit ein bestimmtes Maß an psychischer Not erwächst.“140 „Die Beratung und die Psychotherapie (…) können nur dann wirksam sein, wenn ein Widerspruch zwischen

Wünschen und Anforderungen besteht, der Spannung erzeugt und nach irgendeiner Lösung verlangt.

Grundsätzlich scheint folgende Darstellung der Situation am ehesten zuzutreffen: Beratung kann erst wirksam

sein, wenn die Spannungen die durch diese widersprüchlichen Wünsche und Forderungen verursacht werden, für

das Individuum schwerer zu ertragen sind, als der Schmerz und der Druck, den die Suche nach einer Lösung des

Konfliktes verursacht.“141 Zu der an anderer Stelle bereits formulierten Annahme von Rogers, das Individuum verfüge

über einen Drang zum Wachsen, zur Gesundheit und zur Anpassung muss somit noch eine

weitere Bedingung hinzukommen, um ein Bedürfnis nach Entwicklung und Veränderung

beim Klienten auszulösen: Der Klient muss ein Problem haben, das einen gewissen

Leidensdruck in ihm hervorruft. Erst dann wird er Schritte unternehmen, die ihn am Ende

dazu befähigen könnten, „sich völlig frei auszudrücken, wodurch er allmählich Einsicht in

seine Situation und sein Verhalten gewinnen und aufgrund dieser Einsichten effektiver

handeln kann.“142

Die Forderung eines nicht-direktiven Verhaltens seitens des Beraters, dessen wesentliche

Grundlage eine Haltung der bedingungsfreien Akzeptanz ist, wird von Rogers anschaulich

anhand einer Fallgeschichte erörtert.

3.1.4. Fallgeschichte: Der Fall Herbert Bryan

Im letzten Teil von „Counseling and Psychotherapy“ stellt Rogers einen vollständig

protokollierten Ablauf einer nichtdirektiven Beratung dar. Sie erfolgte in acht Sitzungen, die

Rogers als „Interviews“ bezeichnet. Seines Wissens „wird hiermit zum ersten Mal ein Fall in

allen Einzelheiten veröffentlich.“143

������������������������������������������������������������140 Rogers 2007, S.57�141 Ebenda, S.57/58 damit ist ein Konflikt zwischen „innen“ und „außen“ gemeint; somit nicht im Sinne Freuds, der Spannungen eher in innerpsychischen Instanzen vermutete. Rogers: „Wir haben allzu lange und weitgehend aufgrund der klassischen Freudschen Tradition den Konflikt als einen innerlichen und psychischen gesehen und nicht erkannt, dass alle Konflikte eine starke kulturelle Komponente enthalten, und ein Konflikt in vielen Fällen durch irgendeine neue kulturelle Anforderung verursacht wird, die einem individuellen Bedürfnis zuwiderläuft.“ (S.57) �142 Bommert, S.16�143 Rogers 2007, S.229�

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Der Fall: Herbert Bryan ist ein junger Mann Ende Zwanzig, hochintelligent, der Hilfe sucht

aufgrund von Problemen, die er als tiefsitzend bezeichnete. „Seine Probleme sind die eines

Neurotikers, nicht die eines Kriminellen oder eines Studenten mit Berufsproblemen.“144

Im Folgenden ist eine längere Passage dieses dokumentierten Falles aufgeführt, die einen

Eindruck geben soll von dem, was Rogers unter „nicht-direktiv“ und „wertschätzend“

verstanden hat. Er selbst hat die beschriebenen Interaktionen in seinen Anmerkungen

besonders unter diesem Aspekt hin ergänzend kommentiert. „K 331: Wie sieht Ihre Theorie in Hinblick auf die Psychoanalyse aus? Sind der Schlüssel und das Umdrehen ein

und dasselbe, oder glauben Sie, die Psychoanalyse zeigt, wo der Schlüssel liegt, und das Individuum dreht ihn

um oder sollten wir uns damit heute nicht befassen?

B 331: Nun ich will jetzt sicherlich nicht auf psychoanalytische Theorien eingehen, aber ich glaube, unsere

gemeinsame Erfahrung zeigt, dass zur Auffassung des Schlüssels beide ihr Teil beitragen müssen. Den Schlüssel

umzudrehen ist dagegen ihre Sache.

K 332: Ja. Dann habe ich mir noch etwas überlegt: Gibt es diesen mystischen Schlüssel überhaupt? Ich meine,

habe ich vielleicht etwas gesucht, das gar nicht unbedingt da ist? Ich meine, liegt der Schlüssel vielleicht nicht

im intellektuellen Bereich, sondern in der emotionalen Entschlussfassung?

B 332 Richtig. Das heißt, ich glaube, es besteht kein Zweifel daran, dass Sie heute einen Schlüssel gefunden

haben – wobei der Schlüssel die Frage ist, was sie zutiefst und wirklich tun wollen – nicht nur die oberflächliche

Feststellung, was sie gerne möchten, sondern was…

K 333: Hm, ich hatte die Vorstellung, dass irgendwo ein Knopf verborgen lag, den ich übersehen hatte und den

ich bloß zu drücken brauchte. Ich wusste, dass ich dazu eine Motivation und Willenskraft brauchte, aber ich

hatte das Gefühl, dass ich ihn zuerst finden musste – jetzt fange ich an zu glauben, dass es diesen Knopf als

ideologisches Konzept an sich gar nicht gibt – dass es darauf hinausläuft, dass man sich sein derzeitiges Leben

ansieht und sagt: „so, was willst du jetzt tun – wie willst du reagieren?“ Und dass diese emotionelle

Entschlussfassung, die wir als Willensakt bezeichnen, die negativen Gefühle abschwächt, ohne dass man hinter

irgendein verborgenes Geheimnis oder dergleichen kommen muss.

B 333: Das glaube ich auch.

K 334: Das freut mich zu hören.

B 334: es besteht außer Zweifel, dass sie recht hatten, als Sie heute bei ihrem Kommen sagten, Sie hätten vieles

zu sagen.

K 335: ich wusste es. Ich meine, ich kenne mich ziemlich gut. Ich glaube, ich bin mir selbst gegenüber ziemlich

ehrlich.

B 335: Und Sie werden immer ehrlicher, würde ich sagen.

K 336: Hm. Ja. Ich glaube, das ist die wahre Funktion der Psychoanalyse – dass sie die Probleme eindeutig

klarstellt und genau umreißt, damit der Entschluss in die richtige Richtung gehen kann.

B 336: Letztes mal fragten Sie mich, ob ich der Auffassung sei, dass Sie Fortschritte machen. Ich glaube, heute

brauchen Sie diese Frage nicht zu stellen. (Lacht)

������������������������������������������������������������144 ebenda�

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K 337: Nein. Ich werde jetzt nicht mehr nach irgendeinem geheimnisvollen Ereignis in meinem Leben suchen –

ich hatte bislang die Vorstellung, dass es vielleicht ein wichtiges Ereignis gab, das ich ins Unterbewusstsein

abgedrängt hatte und das ich für die Therapie wieder hervorholen musste. Aber ich sehe jetzt, dass…der

Ursprung ist unwichtig, diese Dinge wirken eben auch in der Gegenwart, und ihre derzeitige Funktion ist das,

was eigentlich wichtig ist.

B 337: Ich bin versucht zu sagen, da haben sie verdammt recht.“145 Rogers würdigt in seinen Anmerkungen, dass die in K 331 gestellte direkte Frage vom Berater

auf der konkreten Beziehungsebene beantwortet wurde: Der Berater bezieht den Klienten mit

ein, indem er auf „unsere gemeinsamen Erfahrungen“ verweist. Macht aber auch deutlich,

dass es der Klient – nicht der Berater – ist, der daraus die Schlüsse zu ziehen hat. Damit wird

zudem „eine unfruchtbare intellektuelle Diskussion“146 vermieden. Für Rogers ist die darauf

folgende Reaktion des Klienten „äußerst erstaunlich“, da dieser erkenne, „dass wirkungsvolle

Therapie eher auf emotionaler Entschlussfassung, denn auf intellektuellen Verstehen

basiert.“147 Rogers bewertet die vom Klienten in K 333 und K 337 getroffenen Feststellungen

als „derart ausgezeichnet“, „dass es kaum zu glauben ist, dass nicht der Berater, sondern der

Klient sie getroffen hat.“148 „Die therapeutische Erfahrung hat aus diesem Klienten offenbar einen Psychologen gemacht. Zu erkennen, dass

Symptome nicht wegen ihres in der Vergangenheit liegenden Ursprungs, sondern wegen ihrer derzeitigen

Bedeutung und Wichtigkeit werden, stellt eine tiefere Einsicht in menschliches Verhalten dar, als mancher

Psychologe sie besitzt.“149

Diese Anmerkung beinhaltet meines Erachtens mehrere interessante Aspekte:

� Erstens wird deutlich, dass der Klient die Erkenntnisse selbst zieht, wenn der Berater

ihm durch nicht-direktives und anerkennendes Verhalten nur den Raum dazu gibt.

� Zweitens wird ein „Seitenhieb auf die Psychoanalyse“150 erkennbar, der Rogers

offensichtlich unterstellt, sie befasse sich primär mit Symptomen, deren Ursprünge in

der Vergangenheit zu suchen seien. Entscheidend sei jedoch, wie die Dinge in der

Gegenwart wirken.151

� Damit wird jedoch drittens eine Schwierigkeit des nichtdirektiven Ansatzes markiert:

Der Berater weiß an dieser Stelle schon, was gleichsam „richtig“ und was „falsch“ ist.

Seine eigene Meinung dazu ist in dieser Frage offensichtlich. Er bewertet die

������������������������������������������������������������145 Ebenda S.296/297�146 Ebenda S.296�147 Ebenda�148 Ebenda �149 Ebenda�150 Köhler-Weisker et.al, S.106�151 Köhler-Weisker et.al. formulieren hierzu drastisch: „Rogers wendet sich hier gegen das Prinzip der weiterreichenden Analyse von Zusammenhängen und verharrt auf seiner recht beschränkten Vorstellung von Verstehen.“ (S.106)�

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Vorstellungen des Klienten, indem er sie gutheißt. Es ist meines Erachtens somit nicht

ganz auszuschließen, dass der Klient damit vom Berater „auf den richtigen Weg

gebracht wird.“152

Der letzte Aspekt lässt erahnen, wie schwer im Einzelfall der beraterische Praxis erkennbar

ist, wann bedingungslose Akzeptanz zur subtilen Beeinflussung des Klienten gerät. Eine

Problematik, die Rogers offenbar in seinen Anmerkungen implizit erkennt, jedoch etwas

diffus aufzulösen versucht: „In B 332 und B 333 werden Vorstellungen gutgeheißen, deren Anerkennung vorzuziehen gewesen wäre. Auf

der anderen Seite findet sich in B 334 und B 336 die Art von Reaktion, die den Klienten ganz allgemein

ermutigt, ohne seine Ideen besonders zu billigen. Bei diesem Stand von Therapie scheint das von Nutzen.“153

Wer aber entscheidet an dieser Stelle, was „von Nutzen“ ist? Ist es der Klient, ist es der

Berater? Oder ist es Carl Rogers, der schließlich doch genau weiß, was „nützlich bei diesem

Stand der Therapie“ ist? Für mich ist der nichtdirektive Ansatz dann überzeugend, wenn er

wirklich offen ist: Ohne Vorgaben und Vorstellungen, wie der therapeutische Prozess

abzulaufen hat. Auch wenn dadurch die Gefahr besteht, das der therapeutische Prozess nicht

„vorankommt“, gleichsam nur auf der Stelle tritt, weil lediglich wiederholt wird, was der

Klient gesagt hat.154 Er wird dann problematisch, wenn zugunsten eines vermeintlichen

(kurzfristigen) therapeutischen Erfolges oder Nutzens doch therapeutische Interventionen

legimitiert werden. Denn es ist schließlich nach Rogers in erster Linie der Klient, der in

diesem Kontext sich ausdrückt, Einsicht gewinnt und handelt – nicht der Therapeut.

3.1.5. Zusammenfassung der nicht-direktiven Phase

Die erste Phase der Theorie von Rogers ist gekennzeichnet durch seine theoretische und

praktische Abgrenzung von der traditionellen Psychoanalyse. Eigene persönliche Erfahrungen

in seiner therapeutischen Arbeit mit sogenannten „Problemkindern“ lassen ihn zu dem

Schluss kommen, dass es letztendlich die Klienten selbst sind, die wissen, erkennen und

entscheiden können, wo ihre Probleme liegen und wie sie zukünftig damit umgehen wollen.

Ähnlich wie Otto Rank und andere moderne Psychoanalytiker geht Rogers von einer der dem

Individuum innewohnenden Tendenz aus, sich in Richtung Wachstum, Gesundung und

������������������������������������������������������������152 ebenda�153 Rogers 2007, S.296�154 Vergl. Pörtner, S.62�

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Anpassung zu bewegen. Aufgabe des Beraters ist es somit nicht, dem Klienten Ratschläge zu

erteilen oder zu bestimmten Handlungen zu veranlassen. Vielmehr besteht seine Aufgabe

darin eine angstfreie entspannte Atmosphäre zu schaffen, in der sich der Klient in seiner

gesamten Persönlichkeit angenommen und akzeptiert fühlt.

Insofern erhält gerade die therapeutische Haltung des „bedingungsfreien Akzeptierens“ in

dieser Phase eine ganz besondere Gewichtung. Rogers selbst fasst seine Überzeugungen im

letzten Teil von „Counceling and Psychotherapy“ wie folgt zusammen: „Wenn der Klient die Freiheit erhält, seine Situation zu erforschen, ohne dabei in die Defensive gedrängt zu

werden, wenn der Berater sich relativ akzeptierend und nicht-direktiv verhält und wenn Berater und Klient

gemeinsam zu einer Klärung der Gefühle und der Einstellungen des Individuums gelangen, dann kommt es fast

mit Sicherheit zu einem allmählichen Wachsen der Einsicht, zum Erkennen der Entscheidungen, die getroffen

und der Schritte, die unternommen werden können. Das ist das faszinierende an der Therapie, dass die Kräfte

real und vorhersagbar zu sein scheinen und neue Ausblicke für weiteres Fortschreiten eröffnen.“155

Mit dieser sehr optimistischen Einschätzung soll übergeleitet werden in die zweite Phase, in

der die Persönlichkeit des Klienten stärker in das Blickfeld der therapeutischen Betrachtung

gerät.

3.2. Die Klientenzentrierte Phase

3.2.1. Erfahrungen und Lernerlebnisse

Carl Rogers ging 1945 an die Universität in Chicago, an der er die Möglichkeit erhielt eine

neue Beratungsstelle zu eröffnen; „wobei ich selbst das Vorgehen bestimmen und das

Personal auswählen konnte.“156 Seine in Rochester und Ohio gemachten Erfahrungen mit dem

nicht-direktiven Ansatz sollten nicht nur in die Beratungspraxis, sondern auch in die tägliche

universitäre Lehr- und Verwaltungstätigkeit einfließen. „Ich bin dazu gekommen, Menschen zu vertrauen, ihrem Vermögen, sich selbst und ihre Schwierigkeiten zu

erforschen und zu verstehen, und ihrer Fähigkeiten, solche Probleme zu lösen. Voraussetzung ist nur eine enge,

andauernde Beziehung, in der ich ein wirkliches Klima der Wärme und des Vertrauens schaffen kann.“157

Rogers Vertrauen in die Entscheidungsfähigkeiten seiner Mitarbeiter und Studenten ließ ihn

in vielen Bereichen auf Leitungsfunktionen verzichten. So bestand er beispielsweise darauf,

nicht der „Director“, sondern lediglich der „Executive Secretary“ seiner Beratungsstelle zu

������������������������������������������������������������155 Rogers 2007, S.299�156 Rogers in: GwG, S.18 �157 ebenda�

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sein.158 Er erhoffte sich ein Klima, „in jeder für das Handeln der gesamten Gruppe

verantwortlich ist und wo die Gruppe für jeden Einzelnen Verantwortung trägt.“159

Rogers hatte in dieser Zeit zudem „im Überfluss Gelegenheit“160 seine Erfahrungen und

Hypothesen in Forschungsprojekten zu überprüfen. Die Zahl seiner zu Forschungs- und

Ausbildungszwecken aufgezeichneten Interviews stieg von anfangs 4000 jährlich auf mehr als

11000 im Jahr 1957. Darüberhinaus führte er 7 -10 Beratungen die Woche selbst durch. Die

Fülle dieser Aktivitäten und Innovationen begründet vermutlich die These, die zwölf

Chicagoer Jahre seien die erfolgreichsten und kreativsten in der akademischen Karriere von

Carl Rogers.161 Er selbst kommt zu einer ähnlichen Einschätzung – „Chicago brachte mir

bedeutende Erfahrungen“162- wenn auch mit einer überraschenden Begründung: „Endlich wurde dies eine Periode wesentlichen Lernens in meinem persönlichen Leben. (…) Jetzt lernte ich, was

es bedeutet, an einem Tag eine erschreckende Woge neuer Einsichten zu verspüren, nur um am folgenden in

einer Welle der Verzweiflung alles zu verlieren.“163

Rogers bezieht sich hier eine „verpfuschte therapeutische Beziehung“164zu einem schwer

schizophrenen Mädchen, die ihn in eine tiefe innere Krise trieb. „Es ist eine lange Geschichte; ich war so fest entschlossen, dem Mädchen zu helfen, dass ich an den Punkt kam,

wo ich mein „Selbst“ nicht mehr von dem ihren trennen konnte. Ich verlor mein „Selbst“ im wahrsten Sinne des

Wortes. Die Bemühungen meiner Kollegen, mir zu helfen, blieben ohne Erfolg, und ich kam zu der

Überzeugung (vermutlich nicht ganz ohne Grund), dass ich wahnsinnig wurde.“165

Rogers wurde offenbar zunehmend Opfer seines eigenen nicht-direktiven Anspruches:166 Ein

nicht-direktive Berater muss jederzeit in der Lage sein, einer Klientin durch bedingungslose

positive Wertschätzung und verständnisvolle Zuwendung ein Beziehungsangebot zu machen,

das ihr ermöglicht, zunehmend selbständig und selbstverantwortlich handeln zu können.

� Was aber passiert, wenn die Klientin keinen Gebrauch von diesem Angebot macht, die

Freiheit der Wahl und der Selbstbestimmung nicht in Anspruch genommen wird?

� Was ist, wenn der Berater daraufhin zunehmend Ablehnungsgefühle, Mistrauen und

Zweifel in sich spürt; damit in Widerspruch zum Gebot der bedingungslosen

Akzeptanz gerät?

������������������������������������������������������������158 Vergl. Groddeck, S.92�159 Rogers in: GwG, S.18 �160 ebenda�161 Vergl. ebenda, S.89ff�162 Rogers in: GwG S.18�163 Ebenda, S.19 �164 Ebenda�165 Ebenda, S.31�166 Vergl. Groddeck, S.98ff �

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Rogers hatte erhebliche Schwierigkeiten, sich diese negativen Gefühle einzugestehen,

geschweige denn, sie gegenüber der Klientin auszudrücken; passten sie doch nicht so recht in

sein Bild von einem wertschätzenden Berater. „Carl, der perfekte Zuhörer, konnte sich in

diesem Fall nicht „richtig“ abgrenzen.“167 Rogers fühlte sich zunehmend ausgelaugt und

benutzt.168 Er geriet zusehends in Panik und sagte schließlich zu seiner Frau Helen: „Ich muss

hier raus! Ich muss weg, weit weg!“169 Nach einem längeren Urlaub mit ihr „ging ich zu

einem Kollegen in die Therapie, was mir sehr half.“170 Dort arbeitete er an seinen

Kindheitserlebnissen und seiner tiefen Verletzbarkeit. „Hinzu kam die spezielle Problematik von Überforderung, Wertlosigkeit und Einsamkeitsgefühlen, die Rogers

als Mensch in seinem Leben erfahren und erlitten hatte, und seine Unfähigkeit, diese negativen Gefühle zu

kommunizieren.“171

Damit war Rogers in die Wirklichkeit der anderen Person der therapeutischen Beziehung

gelangt. Jetzt war er gleichsam der Mittelpunkt der therapeutischen Beziehung. Jetzt machte

er in erster Linie Erfahrungen über sich und mit sich selbst. „Ich erfuhr, dass ich nicht nur Klienten, Mitarbeitern und Studenten vertrauen kann, sondern auch mir selbst.

Langsam kam ich dahin, den Gefühlen, den Ideen, den Tendenzen zu trauen, die fortwährend in mir aufstiegen.

Dies war nicht leicht zu erlernen, aber höchst wertvoll, und es dauerte an. Ich spürte, wie ich freier wurde,

echter, tiefer verstehend, nicht nur in Beziehung zu meinen Klienten, sondern auch zu anderen Menschen.“172

Womöglich spielt diese persönliche Krisen- und Therapieerfahrung eine wesentliche Rolle,

wenn es um die veränderte Gewichtung einzelner therapeutischer Elemente geht:173 Verhielt

sich der Berater in der nicht-direktiven Phase eher passiv-zurückhaltend mit geringeren

„verbalinhaltlichen Anteilen“174 – und beschränkt sich eher auf die „kognitive Klärung und

������������������������������������������������������������167 Ebenda, S.99�168 Ebenda�169 Rogers 1984a,S.31�170 Ebenda, S.32 Rogers teilt hier zum Thema „Zusammenleben von Paaren und Ehepaaren“ eigene sehr persönliche Erfahrungen aus seinem Eheleben mit Helen mit und resümiert: „Jeder von uns hat dem anderen in kummervollen oder qualvollen Zeiten zur Seite gestanden.“ �171 Groddeck, S.99�172 Rogers in: GwG, S.19�173 So resümiert Rogers in „Client-Centered Therapy“ über die nicht-direktive Phase und seinen neuen eigenen Erfahrungen: „Ich habe schon früher die Anwendung von nicht-direktiven Techniken gesehen – nicht bei mir selbst. Damals waren die Techniken die dominierenden Faktoren, und ich war mit den Resultaten nicht immer zufrieden. Ein Ergebnis meiner eigenen Erfahrung als Klient ist die Überzeugung, dass die vollkommene Akzeptierung des Beraters, der Ausdruck seiner Einstellung, dem Klienten wirklich helfen zu wollen, und seine seelische Wärme, wie sie durch seine aufrichtige Hingabe an den Klienten in vollkommener Zusammenarbeit mit allem, was der Klient tut oder sagt, ausgedrückt wird, grundlegend sind für diese Art von Therapie.“ (S.49) �174 Alterhoff, S. 126: „Während sich Einfühlendes Verstehen“ inhaltlich im Wahrnehmen und Kommunizieren der Gefühle des Klienten durch den Helfer und Echtheit im Erkennen und Mitteilen der eigenen Gefühle des Beraters ausdrückt, bezieht sich Emotionale Wärme und Wertschätzung mehr auf die nichtsprachlichen Anteile des Beraterverhaltens.“ �

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Einsicht in die Problemlage des Klienten“175 - so erhält in der klientenzentrierten Phase die

selbstexplorative Auseinandersetzung des Klienten mit seiner Gefühlswelt eine immer

größere Bedeutung.176 Sie wird unterstützt durch einen Therapeuten, dessen Bemühen sich

darin gründet, diesen Prozess gleichsam „mitfühlend“ zu unterstützen und zu begleiten. „In dieser Phase (…) entwickelte sich das Therapeuten-Verhalten von einem anfänglich reinen Reflektieren der

offensichtlichsten wichtigen Gefühle hin zu einem umfangreicheren und subtileren Einfühlen in die Gefühls- und

Erlebniswelt des Klienten.“177

Das Konzept des Selbst tritt stärker in den Blick therapeutischer und theoretischer

Betrachtung.

3.2.2. Menschenbild und Persönlichkeitstheorie

Das 1951 erschienene Erfolgsbuch „Client-Centered Therapy“ kennzeichnet mit seinem

Namen die zweite Phase. Es gilt als qualitative Ergänzung und Erweiterung der Ansichten,

die Rogers in „Counseling and Psychotherapy“ ausgeführt hat.178 Anders als im ersten, erhält

dieser Band schon in seiner Einleitung eine gleichsam erkenntnistheoretische Note: Die

wahre, die echte und wirkliche Bedeutung eines Wortes lasse sich nie in Worten ausdrücken.

„Ich würde sofort auf alle Worte verzichten, wenn ich die Erfahrung, die Therapie ist, auf irgendeine Weise

zeigen könnte. Therapie ist ein Prozess, ein Ding an sich, eine Erfahrung, eine Beziehung, eine wirksame Kraft.

Therapie ist weder das, was dieses Buch, noch was irgendein anderes Buch über sie sagt, ebenso wenig wie eine

Blume die Beschreibung ist, die der Botaniker von ihr gibt. Wenn dieses Buch als Wegweiser zu einer Erfahrung

für unsere Sinne dient und bei einigen das Interesse weckt, dieses Ding an sich tiefer zu erforschen, dann hat es

seinen Zweck erfüllt.“179

Zweck dieses Buches ist es, einen Anreiz zu geben eigene sinnliche Erfahrungen zu machen –

offenbar eine Kategorie, die mit Worten und Begriffen alleine schwer zu erfassen ist. Diese

neue Form der Erfahrung kann nicht einfach gelernt werden. Somit darf das Buch nicht als

Anleitung oder Lehrbuch missverstanden werden. „Und wenn es aufs äußerste erniedrigt und zum Lehrstoff wird, wenn es in Form von toten Worten in die

Gehirne passiver Studenten eingetrichtert wird, die als lebendige Individuen die toten und sezierten Teile von

etwas mit sich herumtragen, das einmal lebendige Gedanken und Erfahrungen war, ohne sich auch nur bewusst ������������������������������������������������������������175 Pavel in: GwG, S.29�176 Vergl. ebenda�177 Ebenda�178 Vergl. Rogers 2009b, S.15�179 Ebenda; zur Thematik des „Zeigens“ als pädagogische Kategorie vergl. Prange �

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zu sein, dass all dies einmal erlebt worden ist – dann wäre es wahrhaft besser, dieses Buch wäre nie geschrieben

worden. Therapie gehört zum Wesen des Lebens, und so muss sie verstanden werden. Nur die überaus

unzureichende Fähigkeit des Menschen zur Kommunikation macht das Risiko erforderlich, das in dem Versuch

liegt, diese lebendige Erfahrung in Worte zu fassen.“180

Dieser sehr offene Ansatz lässt vermuten, auf was es Carl Rogers ankommt: Im Sinne seines

gleichsam nicht-direktiven Denkens will er kein Lehrmeister sein. Menschen sollen ihre

eigenen Erfahrungen machen und nicht vergessen, dass das bereits Gedachte selbst Ergebnis

von gelebten Leben ist. Damit wird implizit von einem Menschenbild ausgegangen, das den

Menschen in der Lage sieht, seine erlebten und gelebten Erfahrungen für sich konstruktiv zu

nutzten, ohne dass er generell darauf angewiesen ist, von anderen mittgeteilt zu bekommen,

was für ihn „gut“ und „richtig“ sei. Dieser Ansatz ist nicht neu bei Rogers; und steht zudem -

wir erinnern uns - in Kongruenz zu seinem eigenen nicht-autoritären Verhalten im

universitären Umfeld: Man muss Vertrauen haben zu seinen Mitmenschen und ihnen Räume

schaffen. Dann werden zunehmend Verantwortung übernehmen - für sich und für andere.

In „Client-Centered-Therapy“ entwickelte Rogers erstmalig eine „Theorie der Persönlichkeit

und des Verhaltens“181 – umrissen in Form von 19 Thesen – über die er in seinem Sinne

konsequenterweise sagt, sie sei etwas Vorläufiges - nichts Endgültiges. „Es geht um das Gefühl der Unbestimmtheit und Vorläufigkeit, mit dem wir diese Theorien vorbringen in der

Hoffnung, dass sie hier oder dort einen Funken entzünden, der dazu beiträgt, das ganze Gebiet besser zu erhellen

und deutlicher sichtbar zu machen.“182

Schlüsselbegriff seiner Persönlichkeitstheorie ist das sogenannte Selbstkonzept183 Die Struktur

des Selbst formt sich aus dem Erlebnis der individuellen Auseinandersetzung des

Individuums mit seiner Umwelt. Diese Umwelt ist gewissermaßen das „Erscheinungs- oder

Erfahrungsfeld“ (These I) des Individuums. Es reagiert auf dieses Erfahrungsfeld, je nachdem

wie es erfahren und wahrgenommen wird. Es ist sozusagen die subjektive „Realität“ des

Individuums (These II).184 Organische und psychische Bedürfnisse sind gleichsam

Teilaspekte des gesamten Organismus und streben danach sich selbst zu aktualisieren und zu

������������������������������������������������������������180 Ebenda, S.15/16 ich habe diese Sätze ausführlich zitiert, weil sie m.E. auch für die heutige Situation an Wahrheit nichts eingebüßt hat und zudem aufzeigt, dass die Theorie von Rogers nicht zur bloßen Methode oder gar Technik reduziert werden sollte. �181 Rogers 2009b, S.417�182 Ebenda, S.17�183 Vergl Pavel in: GwG, S.30f, auf den ich mich in dieser Darstellung im Wesentlichen beziehe. �184 Hierzu Rogers 2009b, S.419: „Ich reagiere nicht auf irgendeine absolute Realität, sondern auf meine Wahrnehmung dieser Realität. Diese Wahrnehmung ist meine Realität.“�

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erhalten (These IV). „Verhalten ist grundsätzlich der zielgerichtete Versuch des Organismus,

seine Bedürfnisse, wie sie in dem wahrgenommenen Feld erfahren werden, zu

befriedigen“185(These V). Dieses zielgerichtete Verhalten wird begleitet und gefördert durch

Emotionen (These VI). Das Selbstkonzept wird weiter bestimmt sein durch unterschiedliche,

womöglich sich widersprechende Erfahrungen, die die ergeben können aus der Differenz von

momentanen Erlebnissen zu angestrebten Zielen und Werten (Idealkonzept). Diese Werte und

Ziele können von anderen introjiziert oder übernommen, aber auch in so verzerrter Form

wahrgenommen werden, als wären sie direkt übernommen worden (These X) Das Individuum

versucht, neue Erfahrungen mit seinem Selbstkonzept in Einklang zu bringen. Jede neue

Erfahrung aber, die mit dem Selbstkonzept nicht zu vereinbaren scheint, wird verzerrt

wahrgenommen oder schlichtweg ignoriert (These XI). Ansonsten wird sie als Angst

auslösende Bedrohung wahrgenommen, was zu potentiellen psychischen Spannungen führt

(These XIV). Das Individuum beginnt somit, scheinbar nicht zu integrierende Erfahrungen

gleichsam abzuwehren, sein Selbstkonzept wird immer starrer (These XVI). „Das Individuum kann nicht mehr in freier und angemessener Weise auf wichtige eigene Erfahrungen reagieren,

es entsteht Verhaltensunsicherheit und Angst, sowie das Gefühl, die eigene Erlebnis- und Handlungsweise nicht

mehr zu verstehen.“186

Es geht daher darum, Bedingungen zu schaffen, „zu denen in erster Linie ein völliges Fehlen

jedweder Bedrohung für die Selbst-Struktur gehört“187, die es dem Individuum ermöglicht,

neue Erfahrungen in ein gleichsam flexibleres Konzept zu assimilieren und zu integrieren

(These XVII). Gelingt dieser Schritt, wird das Individuum zudem verständnisvoller und

akzeptierender im Umgang mit anderen sein (These XVIII) und zunehmend in der Lage sein,

sein übernommenes Wertesystem - „das weitgehend auf verzerrt symbolisierten

Introjektionen beruhte“188 - durch ein flexiblen, permanent zu aktualisierenden

„Wertungsprozess“ zu ersetzen (These XIX).

Entscheidend ist somit – wir kennen das schon aus der nicht-direktiven Phase – die

Entwicklung eines möglichst sicheren und akzeptierenden Klimas, das es dem Klienten

erlaubt, sein starres und teils blind übernommenes Selbstkonzept in Frage zu stellen und in

Kongruenz mit sich zu gelangen.189

������������������������������������������������������������185 Ebenda, S. 424�186 Pavel in: GwG, S. 30�187 Rogers 2009b, S.445�188 Ebenda, S.449�189 Daher betonen einige Autoren an dieser Stelle nicht das Selbst, sondern die Kongruenz oder Inkongruenz (Finke 2004, S.15); andere wiederum die Aktualisierungstendenz (Alterhoff, S.44) als wesentliches Element in der Persönlichkeitstheorie von Rogers. �

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„Alle Äußerungen des Therapeuten sollten daher frei sein von Interpretationen, die das Selbstkonzept bedrohen

könnten und damit Angst und Verteidigungshaltung auslösen können. Er sollte sich vielmehr einfühlen in die

Erlebniswelt des Klienten und versuchen, dessen Gefühle möglichst so genau zu verbalisieren, als ob er sie

selbst erleben würde.“190 Damit kommen wir zur zweiten notwendigen Haltung in der Beratung.

3.2.3. Empathie oder Einfühlendes Verstehen

In „Client-Centered Therapy“ verlässt Rogers das aus der nicht-direktiven Phase bekannte

Konzept der Einsicht und entwickelt das Konzept der Einfühlung.191 Es sei zu

„intellektualistisch“, wenn die Aufgabe des Beraters primär darin bestünde, den Klienten

darin zu unterstützen, seine Gefühle zu klären und zu objektivieren.192 Rogers spricht von

einem „feinen Unterschied zwischen einer erklärenden und einer einfühlenden Einstellung

von seiten des Beraters“193 und verweist selbstkritisch auf den bereits erwähnten Fall Herbert

Bryan, wo noch „letzte Reste direktiven Verhaltens“ allzu deutlich spürbar und erkennbar

waren.194 Dieses Intellektualisieren „kann dann bedeuten, dass nur der Berater weiß, welche

Gefühle der Klient hat.“195 „Wenn wir Verständnis dafür aufbringen können, wie der Klient sich in diesem Augenblick selbst sieht, dann

kann der Klient alles Übrige allein erledigen. Der Therapeut muss aufhören, sich mit der Diagnose zu

beschäftigen, er muss seinen diagnostischen Scharfsinn ruhen lassen und den Wunsch aufgeben, professionelle

Wertbestimmung vorzunehmen; er muss aufhören, genaue Prognosen stellen zu wollen, und der Versuchung

widerstehen, das Individuum insgeheim zu lenken; er darf sich nur auf ein Ziel konzentrieren: Zu tiefen

Verstehen und zur Akzeptierung der Einstellungen zu gelangen, die der Klient in dem Augenblick bewusst

einnimmt, in dem er Schritt für Schritt in das gefährliche Gebiet eindringt, dass er bislang seinem Bewusstsein

gegenüber geleugnet hat.“196

Womöglich mögen Rogers´ eigene Erfahrungen als Klient mit dazu beigetragen haben, sich

noch konsequenter auf die innere subjektive Erlebniswelt des Klienten zu beziehen, die damit

den Ausgangspunkt des beraterischen Handelns markiert: Der Berater muss ein unmittelbares

Gespür für die innere Welt des Klienten entwickeln. Er schlüpft gleichsam in die Haut des ������������������������������������������������������������190 Pavel in: GwG, S.30f�191 Vergl. Stipsits et al, S. 38 – Alterhoff weist auf ein weiteren Unterschied zur ersten Phase hin: „Als Rogers erstmals sein therapeutisches Konzept umfassend beschrieben und veröffentlich hat (1942), wählte er die Bezeichnung „reflecting of feeling“, die dann zu dem Missverständnis geführt hat, dass es sich um eine Technik des bloßen Wiederholens gefühlsbezogener Klientenäußerungen handle. Die Bezeichnung wie „Spiegelnde Methode“ oder „Reflektieren von Gefühlen“ sind auf Rogers´ ursprüngliche Bezeichnung zurückzuführen.“ (S.84)�192 Vergl. Rogers 2009b, S.40f�193 Ebenda S.41�194 Ebenda S.43�195 Ebenda S.41�196 Ebenda S.43�

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Klienten, geht gewissermaßen in seinen Schuhen einige Schritte in seiner Erlebniswelt;197 und

nimmt damit an seiner „inneren Welt komplexer Sinngehalte“ teil.198 „Unter optimalen Umständen ist der Therapeut so sehr in der privaten Welt des anderen drinnen, dass er oder sie

nicht nur die Bedeutung klären kann, deren sich der Patient bewusst ist, sondern auch jene knapp unterhalb der

Bewusstseinsschwelle. Diese Art des sensiblen, aktiven Zuhörens ist äußerst selten in unserem Leben. (…)

Dennoch ist diese ganz besondere Art des Zuhörens eine der mächtigsten Kräfte der Veränderung, die ich

kenne.“ 199

Empathie ist für Rogers keine Technik, die man mechanisch anwenden könnte. Sie ist

gleichsam ein „Zustand einer Person, die das innere Bezugssystem eines anderen mit allen

emotionalen Komponenten und Bedeutungen genau wahrnehmen kann, als ob sie der andere

wäre, ohne aber diese „Als-ob-Qualität“ aufzugeben.“200 „Das bedeutet, Schmerz oder Freude des anderen zu empfinden, gerade so wie er empfindet, dessen Gründe

wahrzunehmen, so wie er sie wahrnimmt, jedoch ohne jemals das Bewusstsein davon zu verlieren, dass es so ist,

als ob man verletzt würde usw. Verliert man diese „als ob“- Position, befindet man sich im Zustand der

Identifizierung.“201

In „Client-Centered Therapy“ hat Rogers Einstellung und Prozess des Einfühlenden

Verstehens aus der Sicht eines Beraters sehr prägnant beschrieben: „Um Ihnen behilflich zu sein, stelle ich mich selbst – das Selbst der gewöhnlichen Interaktion – beiseite und

dringe so vollständig wie möglich in Ihre Wahrnehmungswelt ein. Ich werde in gewisser Weise ein zweites

selbst für Sie – ein alter ego Ihrer eigenen Einstellungen und Gefühle – eine ungefährliche Gelegenheit für Sie,

sich selbst wahrer und tiefer zu erfahren und signifikanter zu wählen.“202

Aus den schon benannten Thesen der Persönlichkeitstheorie lässt sich daraus folgender

idealisierter Entwicklungsprozess für den Klienten ableiten:

Der Klient fühlt sich auch in seiner inneren Welt beachtet, lernt „sich selber besser verstehen

und kann mehr von seinem aktuellem Erleben, das in ihm leibhaft (at a gut level) abläuft, in

seinem Bewusstsein zulassen. (…) Die Erfahrung, von jemandem verstanden zu werden, ist in

sich selbst ein machtvoller, die Entwicklung fördernder Faktor.“203 Der Klient kommt in einen

inneren Kontakt mit seinem Selbst. Er kann sich mit seinen Erfahrungen und mit seinem

������������������������������������������������������������197 Tausch S. 33�198 Vergl. Rogers 2007a, S. 23ff�199 Rogers 2007b, S.68�200 Alterhoff, S.84; vergl. auch Rogers 2007a, S.23 �201 Rogers 2009, S.44 – Finke 2004, weist auf den Unterschied von Einfühlen und Einsfühlen hin: „Beim Einsfühlen kommt es zu einer Gefühlsansteckung, zu einer Stimmungsübertragung, also gewissermaßen zu einer Art emotionaler Verschmelzung zwischen Therapeut und Patient.“ (S.29) �202 Rogers 2009b, S.47�203 Rogers 2007 a, S.24�

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Fühlen zunehmend freier und ohne Angst auseinandersetzen. Anfänglich als bedrohlich

empfundene Erfahrungen können jetzt immer mehr zugelassen werden. Diese eigene aktive

Auseinandersetzung mit der inneren Welt bewirkt zudem eine Änderung der aktuellen

Wahrnehmungen. Zunehmend fühlt der Klient sich in der Lage, eigene Probleme lösen zu

können. Diese Erfahrung führt schließlich zu mehr Kongruenz mit seinem Selbst.204 „Diese Selbstexploration des Klienten wird durch das einfühlende Verstehen des Helfers gefördert ohne

bedeutsame Lenkung, ohne Ratschläge, Empfehlungen, Direktiven.“205

Abschließend soll an dieser Stelle auf den Aspekt der notwendigen „professionellen Distanz“

kurz eingegangen werden. Finke weist explizit auf diesen Punkt hin: „Um die „innere Welt“ des Patienten wirklich ausloten zu können, muss sich der Therapeut vom Erleben des

Patienten auch tangieren lassen, muss er ein Stück weit auch eine Gefühlsansteckung zulassen können, darf er

nicht jedes Verschmelzungserleben schon im Ansatz abwehren. Dass der Therapeut sich dabei nicht vom

Erleben des Patienten überfluten lassen darf, dass er immer wieder dann auch Distanz zu einem eigenen Erleben

finden muss, ergibt sich schon aus der Aufgabe der Einfühlung selber, macht aber auch ihre Schwierigkeit

aus.“206

Leicht lässt sich erahnen, wie schwierig es in jedem einzelnen Fall sein kann, ständig die

nötige Balance von Nähe und Distanz zu halten. Es setzt meines Erachtens einen hohen Grad

an permanenter Selbstreflexion seitens des Beraters voraus. Ansonsten führt die Haltung des

einfühlenden Verstehens womöglich zu einem Prozess des von Rogers oben erwähnten

Identifizierens.

3.2.4. Fallgeschichte: Der Fall Miss Tir

Im Zusammenhang von Übertragungs-Einstellungen stellt Rogers in „Client-Centered

Therapy“ den Fall Miss Tir vor. Miss Tir ist „in den Dreißigern“, alleinstehend und so tief

gestört, „dass sie in den Begriffen einer äußeren Wertung wahrscheinlich als psychotisch

bezeichnet worden wäre.“207 Der folgende Ausschnitt zeigt meines Erachtens anschaulich,

wie „einfühlendes Verstehen“ in der therapeutischen Praxis Ausdruck finden kann.

„Zwölftes Interview

K: (minutenlanges Schweigen. Beginnt dann mit monotoner Stimme, die ganz anders ist als sonst, zu sprechen.

Sieht den Berater nicht an. Vieles wurde wiederholt, aber der folgende Abschnitt gibt die wichtigsten Gedanken

������������������������������������������������������������204 Vergl. Tausch, S.43�205 ebenda�206 Finke 1994, S.61f�207 Rogers 2009b, S.198�

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wieder) Sie meinen, ich käme gern, aber das stimmt nicht. Ich komme nicht mehr wieder. Es nutzt nichts. Ich

mag sie nicht. Ich hasse Sie. Ich wünsche, Sie wären nie geboren worden.

B: Sie hassen mich eben sehr.

K: Ich glaube, ich werfe Sie in den See. Ich werde Sie zerstückeln! Sie meinen, Leute wie Sie…aber das stimmt

nicht. Sie meinen, Sie wirken auf Frauen anziehend, aber das ist nicht wahr…Ich wünsche, Sie wären tot.

B: Sie verabscheuen mich und würden mich gern loswerden.

K: Sie, glauben, mein Vater habe üble Sachen mit mir gemacht, aber das hat er nicht getan! Sie meinen, er sei

ein schlechter Mensch gewesen, aber das war er nicht. Sie meinen, ich wollte Geschlechtsverkehr, aber das will

ich nicht!

B: Sie haben das Gefühl, dass ich ihre Gedanken vollkommen falsch interpretiere.

K: …Sie glauben, Sie können die Leute dazu bringen, dass sie zu Ihnen kommen und Ihnen alles erzählen und

dass sie denken, es würde ihnen geholfen, aber geholfen wird ihnen nicht! Es macht Ihnen einfach nur Spaß, sie

leiden zu lassen. Sie meinen, Sie können sie hypnotisieren, aber das können Sie nicht! Sie meinen, Sie wären

gut, aber das sind Sie nicht! Ich hasse Sie, ich hasse Sie, ich hasse Sie!

B: Sie haben das Gefühl, dass ich sie leiden lasse, dass ich Ihnen aber nicht helfe.

K: Sie glauben, ich würde nicht die Wahrheit sagen, aber ich habe es getan. Ich hasse Sie! Ich habe nur gelitten,

nichts als gelitten. Sie glauben, ich kann mein eigenes Leben nicht leiten, aber ich kann es. Sie glauben, ich kann

mich nicht wieder erholen, aber ich kann es. Sie glauben, ich hätte Halluzinationen gehabt, aber das stimmt

nicht. Ich hasse Sie. (Lange Pause. Stützt sich erschöpft auf den Schreibtisch) Sie glauben ich sei verrückt, aber

das bin ich nicht.

B: Sie sind überzeugt, dass ich glaube, Sie seien verrückt.

K: (Pause) Ich bin gefesselt, und ich kann einfach nicht loskommen! (Stimme klingt verzweifelt. Tränen) Ich

hatte eine Halluzination und ich muss sie loswerden! (Spricht weiter über ihre tiefen Konflikte und erzählt von

der Halluzination. Ihre Stimme klingt sehr angespannt, aber ihre Einstellung ist ganz anders als zu Beginn des

Interviews)208

In seiner Anmerkung weißt Rogers darauf hin, dass es unmöglich sei „den Hass und die

Verachtung in der Stimme der Klientin auf dem Papier mitzuteilen.“ Es sei auch unmöglich

einen Eindruck von der „Tiefe der Einfühlung“ zu vermitteln, die in den Antworten des

Therapeuten liegen. „Geschrieben wirken seine Worte unglaublich blass, aber in der Situation

waren sie voll von dem gleichen Gefühl, das die Klientin so kalt und tief ausdrückt.“209

Es lässt sich meines Erachtens dennoch gut erahnen, was Rogers mit diesem Hinweis meint:

Der Therapeut ist ganz im Gefühl der Klientin - er nimmt nur sie wahr - er reagiert nur auf das

Gefühl – er geht nur am Rande auf die Inhalte ein – er vermeidet damit jeglichen

intellektuellen „Schlagabtausch“, der dem entstehenden Prozess der Katharsis mit Sicherheit

abträglich gewesen wäre. In diesem einfühlsamen Klima fühlt die Klientin sich akzeptiert und

angenommen und ist dadurch in der Lage, selber tiefer über ihre Konflikte zu forschen.- Ein ������������������������������������������������������������208 Ebenda, S.199f �209 Ebenda�

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wie ich finde sehr anschauliches Bespiel für den Prozess der Selbstexploration; unterstützt

durch einen offenbar sehr einfühlsamen Berater.210

3.2.5. Zusammenfassung der klientenzentrierten Phase

In der zweiten Phase entwickelt sich Rogers Theorie weg von der Konzeption der Einsicht hin

zum Konzept der Einfühlung. Eigene Erfahrungen als Klient tragen dazu bei, das aktuelle

Gefühlserleben und die innere Welt des Klienten noch stärker in den Mittelpunkt der

therapeutischen Betrachtung zu stellen. Der Berater hat hierbei die Aufgabe, den Klienten in

seiner selbstexplorativen Auseinandersetzung mit seiner Gefühlswelt durch einfühlendes

Verstehen gleichsam als das alter ego zu begleiten. Erkenntnistheoretische Grundlage dieses

Prozesses ist das Selbstkonzept. Danach ist jedes Individuum bestrebt, seine organischen und

psychischen Bedürfnisse mit dem subjektiven Erfahrungsfeld abzugleichen und zu

aktualisieren. Durch potentielle Differenzen von aktueller Wahrnehmung und eines teilweise

übernommenen Idealkonzepts können psychische Spannungen erwachsen. In diesem

angstauslösenden Zustand werden scheinbar nicht zu integrierende Erfahrungen gleichsam

abgewehrt, um das immer starrer werdende Selbstkonzept nicht zu gefährden. In einem Klima

von Akzeptanz und Verständnis wird es dem Individuum zunehmend möglich, bisher nicht

wahrgenommene Gefühle zu erfahren und anzunehmen. Dieser Prozess führt zu mehr

Kongruenz im Selbstkonzept.

3.3. Die personenzentrierte Phase

3.3.1. Erfahrungen und Lernerlebnisse

Im Jahre 1957 wechselt Carl Rogers an die Universität in Wisconsin. Er glaubt, „dort die

Möglichkeit zu haben, sowohl in der psychologischen Abteilung wie auch in der

psychiatrischen Abteilung zu arbeiten.“211 Vier Jahre später erscheint sein drittes bekannteres

Buch „On Becoming a Person“. Der Inhalt des ersten Kapitels besteht aus persönlichen

Erfahrungen und viel „Biographischem“ zum Thema: „Das bin ich“.212

������������������������������������������������������������210 Ich möchte zumindest in dieser Anmerkung das Ende dieses Interviews festhalten, weil es ganz konkret aufzeigt, was Rogers unter „Entwicklung zu mehr Kongruenz“ meint: „K: Ich war mir darüber klar, dass ich dass irgendwo loswerden musste. Ich hatte das Gefühl, ich könnte zu Ihnen kommen und es Ihnen sagen. Ich wusste, dass sie es verstehen würden. Ich konnte nicht sagen, dass ich mich selbst hasse. Das ist wahr, aber ich konnte es nicht sagen. Deshalb habe ich mir all die hässlichen Dinge ausgedacht, die ich stattdessen zu Ihnen gesagt habe. B: Die Dinge, die Sie zu sich selbst sagen wollten, aber nicht konnten, und die Sie dann zu mir sagen konnten. K: Ich weiß, dass wir auf felsigen Grund kommen… (S.200)�211 Groddeck, S.125�212 Vergl. Rogers 2009a, S.19ff�

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„Carl, der zurückhaltende und scheue Mensch, der perfekte klienten-zentrierte Zuhörer, beginnt in diesem

Lebensabschnitt (…) den Focus auf seine eigenen Erfahrungen zu legen und die Kommunikation mit anderen

Menschen dadurch zu suchen, indem er von sich spricht. (…) Er erlaubt sich, von sich selber zu sprechen und

lädt den Leser ein, an seinen Erfahrungen teilzuhaben bzw. angeregt von seinen Erfahrungen über die eigenen

Lebenserfahrungen nachzudenken. “213

Diese selbstreflektierende und autobiographische Schreibweise ist in diesem Maß neu für ihn.

Er betritt hierdurch eine „neue Dimension als Autor.“214 Rogers erörtert in diesem Buch zwölf

eigene „wichtige Lernerfahrungen“, deren erste und „wichtigste“ sich sogleich mit der

Thematik Kongruenz befasst: „In meinen Beziehungen zum Menschen habe ich herausgefunden, dass es auf lange Sicht nicht hilft, so zu tun,

als wäre ich jemand, der ich nicht bin. Es hilft nicht, ruhig und freundlich zu sein, wenn ich eigentlich ärgerlich

bin und bedenken habe.“215 Und ergänzend hierzu formuliert er Lernerfahrung Nummer zwei: „Mir scheint, ich erreiche mehr, wenn ich mir selbst zustimmend zuhören kann, wenn ich ganz ich selbst sein

kann.“216

Dieses „Man-Selbst-Sein“, erleichtere es, lebendige und bedeutungsvolle Beziehungen

einzugehen.217

Rogers hat zu dieser Zeit an der Universität erhebliche Schwierigkeit im Kollegenkreis.

Aufgrund seiner nicht-autoritären Arbeitsweise hatte er einer großen Arbeitsgruppe „Autorität

und Verantwortung der Gruppe“218 übergeben. Die Gruppe war aber noch nicht so weit. Denn

es fehlte das dafür notwendige Klima offener und interpersonaler Kommunikation. Es kam zu

Krisen. Rogers reagierte mit der Zurücknahme seiner Maßnahmen. „Rebellion und Chaos war

verständlicherweise das Ergebnis.“219 „Das war eine der schmerzlichsten Lehren, die ich jemals empfangen habe; eine Lehre, wie man

partnerschaftliche Leitung eines Unternehmens nicht handhaben sollte.“220

Diese Krise führt schließlich neben anderen Schwierigkeiten und Streitigkeiten dazu, dass er

1964 nach La Jolla, Kalifornien geht. Hier an einem privaten Forschungsinstitut macht er

„viel günstigere Erfahrungen“221 Eine „Gruppe Gleichgesinnter“222 hatte sich zu sehr

������������������������������������������������������������213�Groddeck,��S.137f�214�Ebenda,�S.138�215�Rogers�2009a,�S.32�(Hervorh.�im�Original)��216�Ebenda,�S�33�217�Vergl.�ebenda�218�Rogers�in:�GwG,�S.19��219�Rogers�2005,�S.�194�220�Rogers�in:�GwG,�S.19f�221�Ebenda,�S.20�

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unterschiedlichen Forschungsvorhaben auf der Basis vermehrter Gruppenarbeit

zusammengeschlossen. Rogers ist von diesem lockeren Zusammenschluss (jeder ist finanziell

für sich allein verantwortlich), aber dennoch engen Form der Zusammenarbeit (intensive

gegenseitige Unterstützung) beeindruckt:223 „Es gibt nichts, was uns zusammenhält – außer unserem gemeinsamen Engagement für Würde und Potential der

Menschen und außer der bleibenden Gelegenheit zu tiefer und echter Kommunikation miteinander. Für mich ist

es ein großartiges Experiment, eine lebendige Gruppe (wirklich eine „Nicht-Organisation“), die gänzlich auf die

Kraft zwischenmenschlichen Teilhabens baut.“224

Rogers beginnt seine Erkenntnisse aus der Einzeltherapie auf die Arbeit mit Gruppen zu

übertragen und dabei die Interaktion der Gruppenmitglieder – der Begegnung - untereinander

intensiver zu erforschen.225 Es kommt in dieser Zeit vermehrt zur Gründung sogenannter

Encounter-Gruppen, die sich aus Menschen aller gesellschaftlichen Gruppierungen

zusammensetzen; damit nicht notwendig dem therapeutischen oder beraterischen Umfeld

zuzuordnen sind. „In einer solchen Gruppe lernt das Individuum sich selbst und jeden anderen umfassender kennen, als dies

gewöhnlich in der gesellschaftlichen Beziehung möglich wäre. Es lernt die anderen Mitglieder und sein eigenes,

inneres Selbst kennen, jenes Selbst, das meist hinter einer Fassade verborgen ist. Daher fällt es ihm innerhalb der

Gruppe und später im alltäglichen Situationen leichter, Beziehungen zu anderen herzustellen.“226

Die schnelle Verbreitung der Encounter-Gruppen ist nicht nur auf Rogers´ gleichsam „basis-

demokratischen“ Ansatz zurückzuführen, sondern hat auch mit den damaligen

gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun.227 In der in den 60er-Jahren vorhandenen

Aufbruchsstimmung war es gewissermaßen „in“, neue Formen des menschlichen Umgangs

auszuprobieren.228 Rogers - bekanntermaßen im menschlichen Umgang eher scheu, wenn der

therapeutische Raum fehlte - macht neue persönliche Erfahrungen durch die Leitung und

Teilnahme an diesen Gruppen. Er beginnt, sich auch außerhalb des therapeutischen Rahmens

zu „öffnen“ und beschließt, diese neuen Erfahrungen auch in eine „Theorie der Begegnung“

einfließen zu lassen.

������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������222�Rogers�2005,�S.194�223�Vergl.�ebenda�224�Rogers�in:�GwG,�S.20�225�Vergl.�Groddeck,�S.145ff�–�Rogers�selbst�verweist�auf�die�Anfänge,��sogenannte�T�Gruppen,�1947�durch�Kurt�Lewin�;�nennt�aber�auch�seine�Arbeit�mit�Gruppen��von�Kriegsopfern�in�dieser�Zeit�(vergl.�Rogers�1984,�S.8ff���226�Rogers�1984,�S.16�227�Vergl.�Groddeck,�S.143ff�228�Ich�will�an�dieser�Stelle�nicht�weiter�der�Frage�nachgehen,�inwieweit�eine�Gewisse�Form�von�„Schwärmerei“�nicht�auch�zu�einer�„Verwässerung“�der�Theorie�von�Rogers�beigetragen�hat.���

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3.3.2. Menschenbild und Persönlichkeitstheorie

Rogers benennt - neben seinen Erfahrungen mit Encounter-gruppen - „einen weiteren Einfluss

auf mein Lernen“229, der ihn veranlasst hat, seine grundlegenden Annahmen über das

menschliche Verhalten zu erweitern. In einem persönlichen Brief wurde er darauf

hingewiesen, dass sein „Denken und Handeln eine Art Brücke zwischen östlichem und

westlichen Denken zu sein scheine.“230 Dieser für ihn zunächst überraschende Gedanke

gründet sich auf gewissermaßen wesensverwandte Aussagen „zwei meiner liebsten

Denker“231: Martin Buber ( „In das Leben der Dinge eingreifen, bedeutet, ihnen wie sich

Schaden zuzufügen…Wer sich jemanden auferlegt, hat die geringe, sichtbare Macht; wer sich

nicht auferlegt, hat die große, verborgene Macht.“232) und Laotse, der in diesem Kontext von

Rogers ausführlich mit einem Spruch – „mir vielleicht der liebste“233 - zitiert wird: „Wenn ich vermeide, mich einzumischen, sorgen die Menschen für sich selber.

Wenn ich vermeide, Anweisungen zu geben, finden die Menschen selbst das rechte Verhalten.

Wenn ich vermeide, zu predigen, bessern die Menschen sich selber.

Wenn ich vermeide, sie zu beeinflussen werden die Menschen sie selbst.“234

Beide Zitate verweisen wieder auf zwei Kernelemente im Menschenbild von Carl Rogers, die

meines Erachtens für sein Gesamtwerk prägend sind: Ein aktives Eingreifen in die Belange

eines Anderen ist zu vermeiden, da schädigend. Denn der Mensch ist selbst am besten in der

Lage, für sich zu sorgen und zu seinem „Selbst“ zu gelangen.

Rogers befasst sich in dieser Zeit ausführlich mit existentialistischen Denkweisen. Und es ist

Sören Kierkegaard, dessen bekannte Forderung „das Selbst sein, das man in Wahrheit ist“, zur

Grundlage der Persönlichkeitstheorie von Rogers wird.235 Dabei geht es ihm nicht mehr

primär um die Betrachtung des therapeutischen Kontextes, sondern um „eine noch

weiterreichende Hypothese über alle zwischenmenschlichen Beziehungen“:236 „Es gibt allen Grund anzunehmen, dass die therapeutische Beziehung nur einen Fall zwischenmenschlicher

Beziehungen darstellt, und dass die gleiche Gesetzmäßigkeit alle sozialen Beziehungen regelt.“237

„(…) gleichgültig, ob ich von meiner Beziehung zum Klienten, zu einer Gruppe von Studenten oder Kollegen,

oder von meiner Beziehung zu meiner Familie oder meinen Kindern spreche.“238

������������������������������������������������������������229�Rogers�in:�GwG,�S.20�230�Rogers�2005,�S.195�231�Rogers�in�GwG,�S.21�232�Ebenda�233�Ebenda�234�Ebenda�S.21f����235�Vergl.�Stipsits�in:�Stipsits/Hutterer,�S.�11��236�Rogers�2009a,�S.�50�237�Ebenda�238�Ebenda,�S.52�

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Rogers will „weg vom Eigentlich-sollte-ich, weg vom Erfüllen kultureller Erwartungen, weg

davon anderen zu gefallen.“239 Er will hin zu einer Persönlichkeit, die sich in der Begegnung

mit Anderen zu einem kongruenten Selbst entwickelt. Es ist wiederum Martin Buber, der mit

seinem Begegnungsansatz Rogers Denken entscheidend beeinflusst: Es reicht nicht, den

Einzelnen in seiner Existenz zu betrachten. Der Einzelne – das „Ich“ – definiert sich

grundsätzlich über den Anderen – dem „Du“ ( ich kann nur Ich sein, wenn es ein Du gibt“ ).

In der Begegnung mit anderen Menschen macht das Individuum in der Regel seine

Erfahrungen über sich selbst. Der Aspekt der Beziehung erfährt daher in der

personenzentrierten Phase eine besondere Bedeutung. Der Mensch soll und darf in der

Beziehung zum Anderen gleichsam ungeniert Mensch sein, um so mehr er Selbst zu werden

zu können.240 Diese Begegnung von Person zu Person ermöglicht die Entwicklung der

Persönlichkeit und wird in „On Becomming a Person“ abschließend wie folgt beschrieben: „Wenn ich eine Beziehung herstellen kann, die auf meiner Seite so charakterisiert ist:

Authentizität und Transparenz, ich zeige mich in meinen wirklichen Gefühlen;

Warmes Akzeptieren und Schätzen des anderen als eigenständiges Individuum;

Einfühlung, die Fähigkeit, den anderen und seine Welt mit seinen Augen zu sehen;

Dann wird der anderen in dieser Beziehung:

Aspekte seines Selbst, die er bislang unterdrückt hat, erfahren und verstehen;

Finden, dass er stärker integriert ist und eher in der Lage sein, effektiv zu agieren;

Dem Menschen, der er sein möchte, ähnlicher werden;

Mehr Selbständigkeit und Selbstbewusstsein zeigen;

Mehr Persönlichkeit werden, einzigartiger und fähiger zum Selbstausdruck;

Verständiger, annahmebereiter gegenüber anderen sein;

Angemessener und leichter mit den Problemen des Lebens fertig werden können.“241

Dieser nach Rogers auf fast alle Lebenslagen anwendbare Ansatz zeigt selbst in dieser sehr

allgemein gehaltenen Formulierung auf, dass die drei schon bekannten Haltungen die

entscheidenden Voraussetzungen sind, um den oben beschriebenen Prozess initiieren zu

können. Für den speziellen Rahmen der Therapie und Beratung ergibt sich hieraus

folgerichtig als erstes die Forderung an den Berater: „Lerne Menschsein, und behindere dabei

nicht andere, Mensch zu sein!“242 Neben dem Aspekt des Nicht-direktiven erhält somit die

������������������������������������������������������������239�Stipsits�in:�Stipsists/Hutterer,�S.11�240�Vergl.�ebenda,�S.�13�241�Rogers�2009a,�S.51f�242�Stipsits�in:�Stipsits/Hutterer�S.13�

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Forderung nach Authentizität und Person in der interpersonellen Begegnung eine besondere

Bedeutung; unpersönlich Theoretisches ist dabei nur hemmend: „Ich darf sogar die Hypothese wagen, dass die jeweilige Theorie des Therapeuten unmittelbar in der Beziehung

selbst unerheblich ist und, falls sie dem Therapeuten in jenem Augenblick gerade bewusst ist, der Therapie sogar

abträglich ist. Ich will damit sagen, dass die existentielle Begegnung wichtig ist. Unmittelbar im Augenblick der

therapeutischen Beziehung ist für theoretisches Bewusstsein kein gedeihlicher Platz.

Man kann auch sagen, dass wir in eben dem Maße, in dem wir in der Beziehung theoretische Gedankengänge

nachhängen, zum Zuschauer werden und nicht mehr selber mitspielen – aber erfolgreich sind wir nur als

Mitspieler.“243

3.3.3. Kongruenz oder Authentizität

In einem seiner späteren Aufsätze im schreibt Rogers über Echtheit oder Kongruenz: „Dies ist die grundlegendste unter den Einstellungen des Therapeuten, die den positiven Verlauf einer Therapie

fördern. Eine Therapie ist mit größter Wahrscheinlichkeit dann erfolgreich, wenn der Therapeut in der

Beziehung zu seinem Klienten er selbst ist, ohne sich hinter einer Fassade oder Maske zu verbergen.“244

Für Rogers ist es wichtig, dass ein vertrauensvolles Verhältnis in der Begegnung von

Therapeut und Klient entstehen kann.245 Voraussetzung hierfür ist, dass der Klient den Berater

in seiner Echtheit wahrnehmen kann. Der Berater muss er selbst sein. Das Gesagte steht nicht

im Widerspruch zu dem, was er gerade fühlt.246 Der Berater zeigt dem Klienten offen seine

Gefühle und Einstellungen. Er macht sich dadurch gegenüber dem Klienten „transparent“.

Der Klient wird nicht mit bewährten Phrasen, ausgeklügelten Wendungen oder einer

professionellen Haltung abgespeist.247 Denn Menschen erkennen in der Regel intuitiv, ob der

Andere es wirklich so meint, wie er es ausdrückt. Ist dem nicht so, glauben sie im nicht.248

Das hätte für die therapeutische Beziehung fatale Folgen: Der Klient wird sich auf die

Beziehung nicht richtig „einlassen“ können. Er wird mit dem ihm vertrauten Muster reagieren

und abwägen, ob es „richtig“ ist, wie er sich verhält. Die Sicherheit und Verlässlichkeit einer

bedingungsfreien akzeptierenden Beziehung wird sich nicht entwickeln können. War Rogers

in der nicht-direktiven Phase noch der Meinung „die wichtigste Voraussetzung für einen

������������������������������������������������������������243�Rogers�2007a,�S.200�244�Ebenda,�S.30f��245�Ebenda�S.�151ff�246�Pörtner�weist�aber�darauf�hin,�dass�dies�nicht�bedeuten�muss,�dass�er�dem�Klienten�das�Gefühlte�auch�ständig�mitteilen�muss.�(vergl.�Pörtner,�S.28)�247�Vergl.�Rogers�2007a�,S.151ff�248�Vergl.�Rogers�2009a,�S.276ff��

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guten Berater ist die Fähigkeit, menschlichen Beziehungen gegenüber feinfühlig sein zu

können“249, so bewertet er dies in den 70er Jahren anders. „Im Augenblick bin ich der Meinung, dass von den drei Einstellungen, die der Therapeut besitzen sollte,

Echtheit oder Kongruenz die grundlegende ist. Als Therapeut muss ich sehr starkes Einfühlungsvermögen

erwerben, um die therapeutische „Arbeit“ erfüllen zu können. Ein solches Gespür für das augenblicklich „Sein“

einer anderen Person setzt aber voraus, dass ich diese andere Person akzeptiere und ihr einige Hochschätzung

entgegenbringe. Diese Haltungen sind jedoch nur dann von Bedeutung, wenn sie wirklich sind, und deshalb

muss ich in der therapeutischen Beziehung zuallererst integriert und echt sein.“250

Der Aspekt der Kongruenz hat bei Rogers gleichsam einen Doppelcharakter: Einerseits ist er

notwendige grundlegende therapeutische Haltung, um besonders am Anfang einen

Entwicklungsprozess beim Klienten zu initiieren. Andererseits ist er gewissermaßen auch

„Ziel“ dieser Entwicklung. Der Klient erfährt mehr Kongruenz zu seinem Selbst. Rogers

selbst weist zudem auf ein paradoxen Aspekt dieser Haltung hin: „Je mehr ich einfach gewillt bin, inmitten dieser ganzen Komplexität des Lebens ich selbst zu sein, um je mehr

ich gewillt bin, die Realitäten in mir selbst und im anderen zu verstehen und zu akzeptieren, desto mehr scheint

Veränderung in Gang zu kommen. Es ist eine sehr paradoxe Sache – in dem Maße wie jeder von uns gewillt ist,

er selbst zu sein, entdeckt er, dass er sich verändert, und nicht nur das: Er findet auch, dass sich andere

verändern, zu denen er Beziehung hat. Dies ist zumindest ein sehr lebendiger Teil meiner Erfahrung und eine der

tiefliegenden Erkenntnisse, die ich in meinem persönlichen und beruflichen Leben gewonnen habe.“251

Rogers verweist in diesem Zusammenhang auf einen wichtigen Aspekt: Kongruenz hat im

Wesentlichen mit eigenen Erfahrungen zu tun: Ein authentischer Mensch ist sich darüber

sicher, dass seinen Erfahrungen trauen kann.252 Erfahrungen sind für Rogers die „höchste

Autorität“. Sie sind in der Regel nichts ausschließlich Geistiges, denn „ich habe gelernt, dass

das Gefühl, mit dem mein ganzer Organismus eine Situation wahrnimmt, verlässlicher ist als

mein Intellekt.“253 Dieses Vertrauen, sich selbst und seinen persönlichen Erfahrungen trauen

zu können, ist vermutlich der Schlüssel zu einem kongruenten Leben - mit sich und mit

anderen. Diese Vertrauen zu sich selbst und seinen eigenen Erfahrungen erklärt vermutlich

Rogers´ Aversionen gegen Autoritäten und vorgegebenen Lehrmeinungen. Denn: „Weder die Bibel noch die Propheten, weder Freud noch die Forschung, weder die Offenbarungen Gottes noch

des Menschen können Vorrang vor meiner direkten Erfahrung haben.“254 ������������������������������������������������������������249�Rogers�2007,�S.221�250�Rogers�2007a,�S.162�251�Rogers�2009a,�S.37��252�Vergl.�Ebenda,��S.38ff�253�Ebenda,�S.38�254�Ebenda,�S.39�

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Wenn es aber so ist, dass ein Berater seine echte Person in die therapeutische Beziehung

einbringt und sich zudem „natürlich und spontan verhält“255, dann erhalten damit auch

„Therapietechniken“ wie Konfrontieren, Beziehungsklären und Selbsteinbringen256eine

gewisse Relevanz, die meines Erachtens zumindest mit einem streng nicht-direktiven Ansatz

schwer zu vereinbaren sind. Die Forderung nach einem authentischen Verhalten des

Therapeuten hat somit zu Folge, dass die Gewichtung des nicht-direktiven Aspektes

zugunsten eines aktiveren Beraterverhaltens verlagert wird.

3.3.4. Fallgeschichte: Gespräch mit Gloria

Zunächst eine Bemerkung zum Auswahlverfahren. Trotz einiger Bemühungen ist es mir nicht

recht gelungen, eine geeignete Fallgeschichte zum Aspekt „Authentizität“ in Rogers´ Büchern

zu finden. Denn die bereits oben aufgeführten „Therapietechniken“ sind nach meiner

Kenntnis in den dokumentierten Gesprächen kaum auffindbar. Allerdings lässt der Anfang

des oft zitierten „Gesprächs mit Gloria“ erahnen, was unter der therapeutischen Haltung

„Kongruenz“ zu verstehen ist. Rogers führt mit Gloria, „einer attraktiven dreißigjährigen

Frau“, ein halbstündiges Gespräch, das „alle charakteristischen Merkmale der

klientenzentrierten Psychotherapie enthält.“257

„Th.: Guten Morgen. Ich bin Dr. Rogers, und Sie sind sicher Gloria.

K.: Ja, das bin ich.

Th.: Wollen Sie sich setzen? Nun wir haben also eine halbe Stunde miteinander, und ich weiß tatsächlich nicht,

was wir daraus machen können, aber ich hoffe, wir werden etwas daraus machen. Ich bin an allem interessiert,

was Sie angeht.

K.: Nun ich bin im Augenblick etwas nervös, aber die Art, wie Sie so leise mit mir sprechen, macht mich

ruhiger; auch hab` ich nicht das Gefühl, dass Sie grob zu mir sein werden. Doch…

Th.: Ich höre das Zittern in ihrer Stimme…“

K.: Nun ja, worüber ich vor allem mit Ihnen sprechen möchte, ist Folgendes: …“ 258

Dieser kurze Ausschnitt macht meines Erachtens schon deutlich, wie achtsam sich Rogers in

dieser Anfangsphase verhält. Er umschreibt die zeitliche Rahmung und verdeutlicht sein

Interesse „an allem, was Sie angeht.“ Dies könnte auch floskelhaft wirken - wir kennen seine

Stimme nicht. Dennoch wirkt es meines Erachtens in diesem Kontext echt. Denn Rogers weiß

tatsächlich nicht, was wir daraus machen können. Rogers bemüht sich hier nicht, den ������������������������������������������������������������255�Rogers�2007a,�S.�199�256�Vergl.�Finke�1994,�S.31ff�257�Rogers�2007a,�S.�166�258�Ebenda�

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Experten zu spielen, der schon weiß, wo es lang geht. Er ist völlig offen für diese Situation, in

der wir – also beide – die Gestalter dieser Begegnung von Person zu Person sein werden. Es

verwundert somit nicht, dass Gloria sich sogleich von Rogers angenommen und akzeptiert

fühlt und bereit ist – wenn auch anfangs mit zittriger Stimme – über ihre Probleme zu reden. -

Ein wie ich finde anschauliches Beispiel dafür, wie ein zwangloses und dennoch interessantes

Gespräch durch eine authentische und emphatische Haltung begonnen werden kann.

3.3.5. Zusammenfassung der personenzentrierten Phase

Carl Rogers verlässt den ihm vertrauten universitären Rahmen von Forschung, Therapie und

Beratung und wendet sich gleichsam „offeneren“ Arbeitsweisen zu. Durch das Erleben

menschlicher Begegnungen in Encounter-Gruppen macht er neue persönliche und berufliche

Erfahrungen, die es ihm ermöglichen, auch außerhalb des therapeutischen Kontextes als

Person kongruenter zu sein. Das Einbringen eigener persönlicher Erfahrungen spielt jetzt in

seinen Büchern eine noch größere Rolle. Durch die Beschäftigung mit existentialistischem

und fernöstlichem Denken kommt er zu der Einschätzung, sein Ansatz sei auf fast alle

Bereiche des menschlichen Daseins anwendbar. Der Beziehungsaspekt in der Begegnung der

„Person zur Person“ erhält eine größere Gewichtung. Rogers tritt ein für eine Entwicklung des

Individuums weg von vorgegebenen gesellschaftlichen Erwartungen hin zu mehr Kongruenz.

Damit erhält auch die Rolle des Beraters im therapeutischen Kontext eine andere Gewichtung.

Der Berater ist nicht nur professioneller Helfer, sondern auch „Person und Mensch“ mit

einem größerem Anteil an persönlicher Authentizität in der Beziehung zum Klienten.

4. Aspekte einer klientenzentrierten Beratung

4.1. Warum „klientenzentriert“?

Im vorherigen Kapitel ist dargelegt worden, dass Carl Rogers´ persönliche Erfahrungen

mittelbar und unmittelbar in seine theoretische und beraterische Arbeit einflossen. Dieser

enge Zusammenhang erklärt womöglich, dass zuletzt kaum noch unterschieden wurde

„zwischen Rogers´ persönlicher Entwicklung und der Entwicklung der Psychotherapie.“259

������������������������������������������������������������259 Pörtner, S.18�

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Im Folgenden werden zunächst einzelne Entwicklungslinien seiner Theorie noch einmal

zusammenfassend dargestellt:

� Überwog im ersten bekannten Buch „Counseling and Psychotherapy“ noch stark der

kritische Akzent gegenüber der traditionellen Psychoanalyse - dessen Ergebnis dann

eine „neuere Psycho-Therapie“ war, die in erster Linie ausdrückte was sie nicht sein

wollte, nämlich direktiv – wurde Rogers´ Ansatz zum Schluss immer universeller und

spiritueller; was beispielsweise Ausdruck fand in seiner „Konzeption der

menschlichen Persönlichkeit und der Welt.“260

� War anfangs der Blick eher auf den jeweiligen einzelnen Klienten gerichtet, spielten

später Beziehungen, Gruppen und selbst die gesamte Menschheit in seinen Themen

eine immer größere Rolle.

� Beschränkten sich die Themen zunächst auf die beraterische bzw. therapeutische

Ebene, wurden später geradezu alle Lebensbereiche erfasst.

� War die nicht-direktive Phase noch von einem gewissen „Intellektualismus“ geprägt,

in der emotionale Erlebnisse nicht die entscheidende Rolle spielten, änderte sich

dieses im Laufe der Entwicklung grundsätzlich hin zur einen gefühlsbetonten und

erlebnisorientierten Ansatz.

� Hatten die ersten Bücher eher einen traditionellen wissenschaftlichen Anspruch mit

der Darstellung von empirisch abgesicherten Forschungsergebnissen, wurde später

zunehmend Wert auf eine gleichsam qualitative Forschung und Darstellung gelegt.

� Spielte das Einbringen eigener persönlicher Erlebnisse in der ersten Phase eher eine

untergeordnete Rolle, wurden später viele Themen von Rogers mit seinen

persönlichen Erfahrungen eingeleitet bzw. untermauert

� Hatte der Berater im therapeutischen Kontext zunächst primär eine

„Hebammenfunktion“, wurde seine gesamte Persönlichkeit besonders unter dem

Gesichtspunkt der Authentizität im Laufe er Entwicklung immer wichtiger.

Der anfängliche spezifisch neue individualistische Psychotherapeutische Ansatz von Rogers

vollzog somit eine Entwicklung hin zu einer gleichsam universellen Gesellschaftstheorie.

Meines Erachtens hatte diese Entwicklung mehrere Gründe:

� Erstens liegt es im „Wesen“ dieses Ansatzes: Er ist immer sehr „offen“ gewesen.

Wenig wurde vorgegeben. Jede Person sollte ihre eigenen Erfahrungen machen.

������������������������������������������������������������260 Rogers 2007b, S.180 �

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Rogers wollte nie ein Lehrer sein. Verwahrte sich immer, seine Bücher als

Anleitungen oder gar Lehrbücher zu sehen. Insofern war es aus seiner Sicht nur

konsequent, nie die Gründung einer eigenen Schule anzustreben.

� Es hat zweitens mit der Person Rogers zu tun: Im Laufe seines Lebens entwickelte sich

Rogers von einem schüchternen jungen Psychologen - der mit sich, seinen Umfeld und

der vorherrschenden Psychoanalyse haderte - hin zu einem „Weltbürger“, der auf

seine eigenen Fähigkeiten vertraute und an die Kraft zur Veränderung einer

bedrohlichen Weltlage glaubte.

� Und drittens entsprach sein offener und humaner Ansatz sehr den Bedürfnissen einiger

gesellschaftlicher Gruppen, die besonders ab den 60er-Jahren nach neuen,

demokratischen Formen des menschlichen Zusammenlebens suchten.

Damit fällt es schwer, diesen nicht ganz griffigen Ansatz in dieser Allgemeinheit zu

beurteilen. Sein mir sympathischer offener und universeller Charakter ist meines Erachtens

auch gleichzeitig seine Schwäche: Wenn die Theorie von Rogers auf fast alle Lebenslagen

„irgendwie“ von „Jedermann“ anzuwenden ist, verliert sie auch ihre Schärfe: Allzu

Allgemeines verwässert leicht zur Beliebigkeit261 - obgleich ich mir persönlich wünschen

würde, dass Haltungen und Menschenbild einen wichtigeren Stellenwert haben in unserem

alltäglichen zwischenmenschlichen Umgang.

Somit ist es meines Erachtens erforderlich, erneut einige Begriffsunterschiede und

Abgrenzungen zu benennen; denn:

„Wo alle Unterschiede verwischt sind, können auch die Gemeinsamkeiten nicht erkannt werden. Diese

Vernachlässigung der Unterschiede gefährdet die klientenzentrierte Psychotherapie ebenso wie den

personenzentrierten Ansatz.“262

Wenn also im Kontext allgemeinen menschlichen Umgangs oder/und gesellschaftlicher

Fragen von Rogers Theorie die Rede ist, halte ich den Begriff personenzentriert durchaus für

angebracht. Wenn es aber darum geht, Rogers´ Ansatz in einem therapeutischen oder

beraterischen Rahmen zu behandeln, ist es meines Erachtens sinnvoller, von klientenzentriert

zu sprechen. Eine Person, die sich rat- oder hilfesuchend an eine für sie zuständige

������������������������������������������������������������261�Hierzu�Hutterer�in:�Stipsits�et.al,�S.4:�„Eine�unreflektierte�Universalisierung�des�Personenzentrierten�Ansatzes�birgt�jedoch�die�Gefahr�einer�theoretischen�Verwässerung�und�des�praktischen�Scheiterns.“��262 Pörtner, S.132�

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professionelle Person oder Institution begibt, wird in der Regel Klient genannt.263 Es müsste

weiter zu klären sein, wann die Begriffe Beratung und Therapie ihre Berechtigung haben.

4.2. Zum Unterschied von Therapie und Beratung

Allein die aktuell geführte Diskussion um das Thema „Beratung“ zeigt auf, wie schwierig es

ist, hierzu zu eindeutigen und allgemeingültigen Erkenntnissen zu gelangen. Denn auf die

Frage, „was ist eigentlich Beratung?“ erhält man im „Handbuch der Beratung“ gleich auf den

ersten Seiten eine „einfache und gleichzeitig komplizierte Antwort:“264 Beratung ist

einerseits „eine uns allen vertraute Kommunikationsform“, die in den meisten

gesellschaftlichen Bereichen eingebunden ist; denn „irgendwie“ war jeder schon mal sowohl

„Berater“ als auch „Ratsuchender“. Andererseits „verbietet es sich nahezu im Singular über

Beratung zu sprechen.“265

„Die Breite des Begriffes, insbesondere seine Verortung im Professionellen, Semiprofessionellen aber auch im

alltäglich Unprofessionellen, macht ihn schwierig – und das mit spürbaren Konsequenzen. So versieht z.B. die

Alltäglichkeit, mit der wir Beratung assoziieren, auch das professionelle Beratungsangebot mit Nähen zu

unserem alltäglichen Leben – Beratung wird schwellenniedrig anbietbar.“266

Damit sind Kriterien genannt, die eine Abgrenzung zur Psychotherapie – zumindest

theoretisch – erlauben:267

� Beratung ist näher am Alltag verortet: In der Regel hat der Ratsuchende ein

bestimmtes, sachliches oder inhaltliches Problem, für das er eine Lösung sucht. Er

wendet sich damit an eine Person, von der er sich erhofft, dass sie ihm einen Rat

erteilt, der seine Entscheidungsfindung erleichtert und zur Problemlösung beiträgt.

- Anders in der Therapie: Hier geht es primär um heilkundliche Aspekte, die die

Person als „ganzes“ im Blick hat – bis hin zur Thematik

Persönlichkeitsveränderung.

� Beratung blickt mehr auf äußerliche Dinge, ist lösungsorientiert: Welche

Möglichkeiten und Ressourcen hat der Klient, um sein Problem zu beheben? -

������������������������������������������������������������263 Auf die spezifischeren Begriffe „Mandant“ – für den administrativen-juristischen – und „Patient“ – für den ärztlichen Bereich will ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. �264�Nestmann�et.al,�S.34���265�ebenda�266�ebenda�267�Vergl.�Pörtner,�S.99ff�

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Therapie schaut eher nach innen: Welche psychischen Konflikte bzw. Hemmnisse

beeinträchtigen den Klienten in seiner Entscheidungsfindung?

� Beratung kann strukturiert werden: Ein bestimmtes Problem ist eher eingrenzbar.

Thema ist häufig das Fokussieren auf mehrere Lösungsmöglichkeiten. – In der

Therapie wird eine Eingrenzung auf ein bestimmtes Problem selten angestrebt.

� Beratung ist kurzfristig: Wenn eine Lösung für das bestimmte Problem gefunden

scheint, ist der Beratungsprozess zu Ende. – Anders in der Therapie: Sie ist

langfristiger, weil innere Konflikte in der Regel nicht sofort „heilbar“ sind.

� Beratung ist niederschwellig: Die Nähe zum Alltag, erleichtert es dem Klienten in

der Regel, sich in eine Beratungssituation zu begeben. Sich beraten zu lassen ist

nichts Verwerfliches. – Anders in der Therapie: Wer sich in Therapie begibt gilt

gemeinhin als krank. Die Nähe zur Psychiatrie wird oft assoziiert. Die Gefahr der

Stigmatisierung ist wesentlich größer.

An dieser Stelle soll nicht weiter darauf eingegangen werden, dass diese theoretischen

Unterscheidungen in der Praxis oft nicht so eindeutig sind: Kann sich doch hinter einem

vermeintlich äußerlichen Problem ein schwerer psychischer Konflikt verbergen. Auch

gegenteilige Fälle sind in der Praxis möglich. Insofern haben die am Prozess beteiligten

Professionellen die Aufgabe, ständig ihren beruflichen Rahmen und ihre Zuständigkeit zu

hinterfragen. Nicht jeder „Fall“ gehört in die Therapie und nicht jedes „Problem“ gehört in die

Beratung.

Gemeinsamkeit ist, dass die bereits erörterten Haltungen verbunden mit einem „Vertrauen in

die potentiellen Fähigkeiten des Individuums zum Lösen von Problemen, zum Lernen, zur

Veränderung“268 in beiden Bereichen notwendige Voraussetzung sind.

4.3. Erste Erfahrungen mit klientenzentrierter Beratung

In meiner Biographie gibt es ähnliche und gegensätzliche Erfahrungen zu denen von Carl

Rogers. Ebenso wie er stamme ich aus einem Elternhaus, das nicht geprägt war von einem

liebe- und verständnisvollen Umgang untereinander; ging es meinen Eltern doch primär

darum, uns Kindern an die gesellschaftlichen Normen anzupassen. Es wurde wenig geschaut,

wer wir wirklich waren, die Entwicklung unseres Selbst wurde wenig unterstützt. Vielmehr

������������������������������������������������������������268�Pörtner,�S.102�–�Sie�spricht�später�von�„Prätherapie“,�die�den�Kontakt�zum�Klienten�eröffnet.�(vergl.S.115)�

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ging es immer darum, uns zu lehren, was „gut und richtig“, was „normal“ ist. Ähnlich wie

Carl Rogers hatte ich Schwierigkeiten, mich in diesem autoritär geprägten Klima an andere

Menschen zu binden, fühlte mich als Außenseiter, der „irgendwie“ anders war. Ebenso wie er,

hatte ich in jungen Jahren Probleme, tiefergehende Beziehungen zu Frauen und Männern

einzugehen.

Ich habe später eine ganz andere berufliche Entwicklung genommen, was zur Folge hatte,

dass meine Sichtweise von einer befriedigenden Kommunikation zwischen Menschen sich

erheblich von seiner Entwicklung hin zu immer mehr Authentizität unterschied. Durch meine

fast 20-jährige Tätigkeit in der Baubranche, war ich es gewohnt, gewissermaßen sehr

authentisch269 zu kommunizieren. Man sagte in der Regel gerade heraus, was einem nicht

passte. Die Sprache war knapp und prägnant. Inhaltlich wurde sich „an der Sache“ orientiert;

persönliche Ansichten spielten eine untergeordnete Rolle. Als Zimmerermeister und

Betriebsinhaber war ich davon überzeugt, dass die Erfahrung in der gemeinsamen Arbeit

wichtiger sei, als irgendwelche persönliche Befindlichkeiten. Einfühlendes Verstehen und

bedingungslose Akzeptanz war in meiner Haltung meinen Kollegen gegenüber schlichtweg

nicht vorhanden. Authentisches Auftreten dagegen umso mehr. Mit dieser Einstellung, so

dachte ich, könne ich auch mit sogenannten „schwer erziehbaren“ Jugendlichen in

„sozialpädagogischer Einzelbetreuung“ umgehen. Wurde doch in diesem Setting immer die

Forderung nach einem wohl durchstrukturierten Alltag mit einer möglichst authentischen

Lebenswelt gestellt. Schnell aber stieß ich mit meiner allzu authentischen Haltung an meine

Grenzen. Es waren die Jugendlichen, die mir durch ihr Verhalten klarmachten, dass in dieser

Arbeit mehr dazu gehörte als authentisches Auftreten und „sinnvolles Arbeiten mit Holz“. -

Es kam zu einer persönlichen und beruflichen Krise. Ich erkannte, dass Lernen keine

Einbahnstraße ist. Wollte ich die Arbeit gut machen, musste ich mich mit ihnen wirklich

befassen. Ich musste zunächst lernen sie zu verstehen und nicht umgekehrt. - Unser

Supervisor verwies auf Carl Rogers…

Von Rogers lernte ich, dass Grundlage einer befriedigenden menschlichen Kommunikation

eben diese drei Haltungen seien; und zwar nicht nur auf der Ebene des therapeutischen und

beraterischen Settings, sondern auf eigentlich jeder Ebene menschlicher Existenz. - Ich

glaube, er hat damit Recht! Ohne diese Erkenntnis hätte ich nie meine Arbeit bei einem

Bildungsträger machen können. Hier erfuhr ich schnell, dass zunächst eine grundsätzliche

������������������������������������������������������������269 Damit ist an dieser Stelle nicht der tiefergehende Begriff wie Kongruenz gemeint, hier meine ich es einfacher: im Sinne von „einfach raus lassen, was ich denke “�

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Akzeptanz der sich in der Arbeitslosigkeit befindlichen Teilnehmer notwendig ist. Wenn

diese Akzeptanz nicht rüberkommt, geht gar nichts; es gibt nur Abwehr und Widerstand. Erst

ein Klima grundsätzlicher Akzeptanz – ich will an dieser Stelle nicht von „bedingungsloser

Akzeptanz“ sprechen – ermöglichte es vielen Teilnehmern, sich ein wenig mir, aber auch

ihren Problemen gegenüber zu öffnen. Dabei war darüberhinaus „einfühlendes Verstehen“

von meiner Seite nötig. Die Teilnehmer mussten sich von mir nicht nur geachtet, sondern

auch verstanden fühlen. Ansonsten wurde mit Rückzug reagiert. Der Prozess zu einer

größeren Offenheit entwickelte sich aber erst, wenn sie wahrnahmen, dass ich ihnen nichts

vorspielte: Ich bin auch ein Mensch, habe auch meine Probleme, bin auch nicht unfehlbar.270

Erst dann war eine „Begegnung von Mensch zu Mensch“ möglich. Es zeigte sich immer

wieder, dass Menschen in der Lage sind, in diesem Klima ihre Probleme anzugehen – wenn

auch häufig nur in ganz kleinen Schritten. Insofern kann ich Carl Rogers beschriebenen

Entwicklungsprozess hin zu etwas mehr „Reife“ und Kompetenz uneingeschränkt bestätigen.

Selbst in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Telefonseelsorger – hier findet eine Begegnung

bekanntermaßen in einem zeitlich und örtlich sehr eingeschränkten Rahmen statt – mache ich

immer wieder die Erfahrung, dass gute Gespräche in erster Linie davon abhängig sind,

inwieweit es mir gelingt, die oben genannten Bedingungen wirklich zu realisieren. Gelingt

mir dies, ergeben sich daraus oft Gespräche, die für beide Seiten wertvoll sind. – Mehr ist in

der Regel nicht nötig.

4.4. Eigene Erfahrungen mit dem Personenzentrierten Ansatz

Alleine diese Erfahrung, dass nicht viel dazu gehört – eine Haltung von Akzeptanz, Empathie

und Kongruenz, sowie der Glaube an die Fähigkeit in jedem Menschen, zu wachsen und sich

weiterzuentwickeln - um einen intensiveren und befriedigenderen Umgang mit Menschen zu

erhalten, macht Carl Rogers und sein Werk so wertvoll. Er hat mich zudem darin bestärkt, zu

meinen Erfahrungen zu stehen und sie wichtig zu nehmen. Denn sie sind ein Teil von mir;

und darüberhinaus – und das ist eigentlich das Erstaunliche – in vielen Fällen auch wertvoll in

meiner Begegnung mit dem Anderen.

Für mich persönlich habe ich durch Carl Rogers´ Ansatz auch viel Elementares gelernt.

Besonders seine Theorie des Selbstkonzepts scheint mir für die Praxis sehr hilfreich zu sein.

������������������������������������������������������������270 Daher half es mir oft, von meinen „desaströsen“ Erfahrungen mit meinen Jugendlichen zu berichten.�

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Ich selber mache gewissermaßen die Erfahrung der Selbstexploration. Ich bin dabei in

meinem Denken und Fühlen wieder offener und neugieriger geworden; muss mich nicht mehr

so „verpanzern“. Ich bin mutiger geworden, meine „Leichen im Keller auch mal

anzuschauen“, mir einzugestehen, dass ich auch viele Seiten an mir habe, die mir nicht so

gefallen. Heute bin ich in der Lage, sie als Teile meines „Selbst“ ein wenig mehr akzeptieren

und annehmen zu können. Das nimmt Druck und gibt mir bisweilen eine gewisse

Gelassenheit und ein Gefühl von Dankbarkeit, das mir manchmal etwas „unheimlich“

erscheint. Denn es hat gleichsam etwas mit einer Haltung von Demut zu tun. Ich weiß, das

sind große Worte. Dennoch bin ich froh, dass ich es so spüren darf. Es nimmt auch das Gefühl

von Einsamkeit, weil ich in der Begegnung mit anderen Menschen erfahren konnte, dass ich

mit meinen Erlebnissen und Erfahrungen häufig gar nicht alleine dastehe. Denn ich bin zwar

Ich, aber zugleich auch ein Teil von Ihnen.

Hierzu will ich zunächst Erich Fromm zitieren - und schlage damit zugleich den Bogen

zurück zur professionellen Ebene. Die „humanistische Prämisse meines therapeutischen

Arbeitens“ hat er einmal wie folgt skizziert:

„Es gibt nichts Menschliches, was mir fremd wäre. Alles gibt es in mir. Ich bin ein kleines Kind, ich bin ein

Erwachsener, ich bin ein Mörder und ich bin ein Heiliger. Ich bin narzisstisch und ich bin destruktiv. Es gibt

nichts im Patienten, was es nicht auch in mir gibt. Und nur in dem Maße, als ich jene Erfahrungen, von denen

mir der Patient indirekt und ausdrücklich berichtet, in mir wiederfinden kann, so dass sie in mir entstehen und

sich in mir wiederspiegeln kann, kann ich verstehen, wovon der Patient spricht und kann ich ihm das, wovon er

spricht, zurückgeben. Dann kommt es auch zu der eigenartigen Erfahrung: der Patient wird nicht das Gefühl

haben, dass ich über ihn rede oder dass ich zu ihm herab spreche; vielmehr wird der Patient spüren, dass ich von

etwas spreche, das wir beide teilen. “271

Carl Rogers hat diesen Aspekt menschlicher und therapeutischer Begegnung prinzipiell

ähnlich beschrieben:

„Ich habe kein euphorisches Bild von der menschlichen Natur. Ich weiß, dass Individuen aus Abwehr und

innerer Angst sich unglaublich grausam, destruktiv, unreif, regressiv, asozial und schädlich verhalten können. Es

ist dennoch einer der erfrischendsten und belebendsten Aspekte meiner Erfahrung, mit solchen Individuen zu

arbeiten und die starken positiven Richtungsneigungen zu entdecken, die sich auf den tiefsten Ebenen bei ihnen

wie bei uns allen finden.“272

������������������������������������������������������������271 Fromm, S. 114 Die Stelle verdeutlicht, wo sich Psychoanalyse und PZA treffen können: In ihrer humanistischen Einstellung. �272�Rogers�2009a,�S.�42���daher�ist�es�auch�falsch,�Rogers�als�jemanden�darzustellen,�der�ausschließlich��an�die�„Kraft�des�Guten“�glaubt.�

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Für diese Erkenntnis, dass sowohl positive als auch negative Aspekte menschlicher Natur in

jedem von uns sind, bin ich diesen beiden großartigen Männern äußerst dankbar. Denn es ist

für das Verständnis menschlicher Kommunikation sehr hilfreich, das andere „Du“ nicht in

polarisierenden Kategorien von „gut - böse“, „richtig – falsch“ oder „entweder – oder“ zu

kategorisieren, sondern ihm vielmehr mit einer Haltung des „Sowohl- als-Auch“ zu begegnen.

4.5. Fazit und Ausblick

Die wesentlichste Erkenntnis meiner Beschäftigung mit der Theorie von Rogers ist: Vieles hat

seinen Sinn und seine Bedeutung, ohne dabei den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben

zu müssen. Dieses gleichsam hermeneutische Denken macht mich in der Bewertung vieler

Inhalte milder und gelassener. Der Anspruch auf allgemeingültige Wahrheiten führt oft zu

einem dogmatischen Denken - gewissermaßen zu einem starren Selbstkonzept.

Bevor aber sogleich der Vorwurf eines relativistischen oder konstruktivistischen Denkens

erhoben wird, will ich an dieser Stelle daher zunächst auf kritische Aspekte der Theorie von

Rogers eingehen. Denn ihre erkenntnis- und gesellschaftstheoretischen, als auch

lerntheoretischen Schwächen werden erkennbar, wenn sie mit einem gewissen analytischen

und ideologiekritischen Blick näher betrachtet wird.

1. Erkenntnistheoretisch:

� Rogers´ Schlüsselbegriff des „Selbst“ in seiner Persönlichkeitstheorie ist ein

theoretisch konstruierter, der empirisch so nicht nachweisbar ist. „Es ist festzuhalten,

dass das Selbst hier als Konstrukt aufgefasst wird, also eine theoretische Modellfigur

darstellt. Konstrukte kann man nicht beobachten, sind sie doch transphänomenal.“273

� Das „Selbst“ existiert im empirischen Sinne als eigenständiges Phänomen somit gar

nicht, folglich kann es auch kein sinnlich erfahrbares wahres oder eigentliches Selbst

geben.274 Der Begriff und andere damit im Zusammenhang stehende Begriffe wie

beispielsweise Kongruenz und Aktualisierungstendenz bleiben folglich schwammig

und sinnlich nicht konkret erfahr- und fassbar.275

� Wenn jedoch zwischen der Konstruktion eines Begriffes und einer von diesem davon

möglicherweise unabhängig existierenden Realität oder Wahrheit nicht mehr

������������������������������������������������������������273�Kropf,�S.�58���274�Ebenda�S.61�275�Vergl.�Bommert,�S.44ff��

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unterschieden wird, erhält jenes einen „Wahrheits- bzw. Realitätsanspruch“, das im

gesellschaftlichen Kommunikationsprozess als Konsens zu gelten hat. Anderes

dagegen erhält gleichsam den Status der willkürlichen und subjektiven Beliebigkeit.

2. Gesellschaftstheoretisch:

� Rogers geht von der Vorstellung aus, das Individuum habe das individuelle Potential

und die gesellschaftliche Freiheit, sein Leben autonom und selbständig zu

gestalten.276 Diese Vorstellung ist insofern idealistisch und subjektivistisch, weil sie

dabei die realen gesellschaftlichen Machtverhältnisse vernachlässigt, die es in vielen

Situationen und Fällen eben nicht gestattet, gleichsam „freie“ Entscheidungen treffen

zu können. „Die Annahme, dass das Individuum durch eine positive therapeutische

Beziehung völlige Entfaltungsmöglichkeit erhält, kann nur so lange Gültigkeit haben,

als sie nicht mit der objektiven gesellschaftlichen Realität kollidiert.“277

� Die starke Betonung emotionaler Anteile in Rogers´ Ansatz und das empirisch nicht

nachweisbare Konzept des Selbst laufen Gefahr, „Haltungen wie Irrationalismus,

Mystizismus, Antiintellektualismus und damit in weiterer Folge Fatalismus und

Passivität auf Kosten einer (auch gesellschaftlich) notwendigen Entwicklung hin zur

größtmöglichen „Subjekthaftigkeit“ zu begünstigen. Diese Gefahr ist in der heutigen

gesellschaftlichen Situation besonders groß.“278 Wenngleich diese Entwicklung von

Rogers vermutlich nicht beabsichtigt war, so halte ich eine Vernachlässigung von

kognitiven und geistigen Fragen und Inhalten für problematisch, weil sie für mich

auch elementare Bestandteile menschlicher Existenz darstellen. Eine allzu einseitige

Fokussierung auf die „Gefühlswelt“ führt meines Erachtens letztendlich zu jenen

Dogmatismus, gegen den sich Rogers aussprach, wenn er der traditionellen

Psychoanalyse „Intellektualismus“ vorwarf.

3. Lerntheoretisch:

� Auf das Paradox, das ein nicht-direktiver Ansatz einen authentischen, gleichsam

„aktiven“ Berater zur Voraussetzung hat, ist schon an anderer Stelle eingegangen

worden. Ein konsequent nicht-direktives Konzept scheint in der Praxis nicht machbar.

Denn wenn es nach Watzlawick nicht möglich ist „ nicht zu kommunizieren, dann

������������������������������������������������������������276�Vergl.�Köhler�Weisker�et.al.�S.�106ff�277�Bommert,�S.45�278�Frenzel�in:�Stipsits�et.al.,�S.68�–�sowie�Hutterer�in:�Stipsits,�S.5:�„Der�personenzentrierte�Ansatz�will�auch�einer�Kultur�des�Misstrauens�und�der�Kälte,�der�Fassadenhaftigkeit�und�Verständnislosigkeit�eine�Kultur�der�Sensibilität,�des�Vertrauens�und�der�Unverfälschtheit�entgegensetzen.�Er�will�ferner�persönliche�Freiheit�und�Verantwortung�kultivieren�in�einer�Gesellschaft,�in�der�wir�täglich�lernen�können,�Macht�und�externe�Kontrolle�zu�ertragen�und�auch�als�Entschuldigung�zu�benutzen.“��

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spricht vieles dafür, dass es in letzter Konsequenz als Berater auch nicht möglich ist,

nicht direktiv zu agieren. Denn die Ausdrucksformen verbaler und non-verbaler

Kommunikation sind derartig vielfältig, dass meines Erachtens immer die Gefahr

direkter und indirekter Beeinflussung durch den Berater besteht. „Es klingt paradox:

Um eine nicht-direktive Haltung zu verwirklichen, ist es notwendig, sich der

direktiven Anteile klar bewusst zu sein. Nur so können sie verantwortungsvoll

gehandhabt und auf ein Minimum beschränkt werden.“279

� „Therapeutische Beziehungen, pädagogische Beziehungen, Partnerbeziehungen sind

nicht alles dieselben Beziehungen“280 Rogers´ Ansatz, die Theorie von der

therapeutischen Beziehung auf fast alle anderen Lebensbereiche zu übertragen, ist

mindestens in einem Punkt problematisch: Wenn man auch davon ausgehen kann,

dass partnerschaftliche Beziehungen in der Regel von Menschen gewissermaßen auf

„Augenhöhe“ geführt werden, stellt sich eine therapeutische Beziehung in der Regel

anders dar. Es ist der Berater, der durch eine kongruente, empathische und

akzeptierende Haltung den Prozess der Selbstaktualisierung beim Klienten auslösen

soll. Der Berater ist es, der gleichsam in „Vorgabe“ geht. Er ist der „Experte“; er ist

es, der sozusagen in die Haut des Klienten schlüpft, nicht umgekehrt. Die

therapeutische Beziehung ist keine klassische partnerschaftliche Beziehung, sondern

in erster Linie eine einseitige Beziehung mit unterschiedlichen Rollen und Aufgaben.

Eine Therapeutin beschreibt den Unterschied: „In der Psychotherapie verpflichte ich

mich zu etwas, was ich in keiner anderen Beziehung tue: Solange ich Therapeutin bin,

richte ich, soweit ich dazu fähig bin, ausschließlich auf den Klienten aus. Ich erlaube

mir nicht, geistig abzuschweifen oder mich ablenken zu lassen. Das erfordert sehr viel

Disziplin, Konzentration und Bewusstheit.“281

Diese aufgeführten theoretischen Schwächen veranlassen mich jedoch nicht, meine

Sympathie für den klientenzentrierten Ansatz auch nur einen Deut aufzugeben. Im Gegenteil:

Dieser Ansatz, der mir verholfen hat, meine beruflichen und privaten Begegnungen mit

anderen Menschen befriedigender zu gestalten, hat trotz seiner theoretischen Defizite für mich

einen immer noch sehr hohen Stellenwert. Zeigt er mir doch wieder einmal, das offenbar

keine Theorie und kein Denken alle Fragen und Probleme zufriedenstellend beantworten

kann. Gerade die ideologiekrtischen Aspekte haben vom Inhalt her sicher ihre Berechtigung.

������������������������������������������������������������279�Pörtner,�S.74�280�Ebenda,�S.�75�281�Ebenda,�S.76�

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Gewiss ist der Anspruch des späten personenzentrierten Ansatzes idealistisch und

problematisch, die Welt verändern zu können, ohne dabei im ausreichenden Maße die realen

Machtverhältnisse zu berücksichtigen. Aber anders herum: Was bleibt, wenn man sich immer

auf die Dominanz gesellschaftlicher Machtverhältnisse beruft? Was nützt es, wenn man

theoretisch „recht“ mit seiner Gesellschaftanalyse hat, und letztendlich darüber seine eigene

Machtlosigkeit wahrnehmen muss? Kann sich nicht die Utopie von einer besseren Welt zur

realen gesellschaftlichen Kraft entwickeln, wenn viele Menschen den Mut und den Glauben

daran haben? Ist dieser Glaube an eine bessere Welt nicht wesentliches Element menschlicher

Existenz? Ist nicht auch viel Wahres dran, wenn wir sagen: „Glaube versetzt Berge“? Ich

denke an Victor Frankl, dessen Glaube an einen Sinn und an die Zukunft dazu beitrug, vier

Konzentrationslager zu überleben…

Fragen bleiben, denn es gibt offenbar kaum endgültige Antworten.

Vermutlich begründet die theoretische Schwäche von Carl Rogers Ansatz auch dessen Stärke;

besonders, wenn er in seinem originär therapeutischen und beraterischen Kontext zu verorten

ist: Der Ansatz ist und hat nichts Fertiges, er muss sich jederzeit in der Praxis gleichsam neu

entfalten. Seine offene und flexible Anwendung koaliert mit einem notwendig kongruenten

Berater, der es anhand seiner eigenen persönlichen und beraterischen Erfahrungen gelernt hat

und weiterhin lernen muss, sich immer wieder aufs Neue auf eine Begegnung mit einem

hilfebedürftigen anderen Menschen wirklich einzulassen. Diese Anforderung bewahrt vor

Selbstgefälligkeit und Ignoranz und begünstigt eine Haltung zur Einsicht in die eigenen

Schwächen und Unvollkommenheiten. Sie anschauen zu können und daran nicht zu

verzweifeln ist – so scheint mir – eine Kunst, die dem Selbstkonzept von Carl Rogers schon

recht nahe zu kommen scheint.

Abschließen will ich mit einem Zitat, das vieles Erörterte - wie ich finde - in wenigen Zeilen

sehr prägnant zusammenfasst:282

„Erfahrung ist für mich die höchst Autorität. Der Prüfstein für Gültigkeit ist meine eigene

Erfahrung. Keine Idee eines Anderen und keine meiner eigenen Ideen ist so maßgeblich für

meine Erfahrung. Ich muss immer wieder zur Erfahrung zurückkehren, um der Wahrheit, wie

sie sich mir als Prozess des Werdens darstellt, ein Stück näher zu kommen.“

Carl Rogers

������������������������������������������������������������282�Zitiert�von�Beuthel�in:�Rogers�2005,�S.VII�

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Erklärung

Hiermit versichere ich, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die

angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.

Neubrandenburg, 10.01.2011

Norbert Reuß