Masterarbeit_First Mover Advantage in der Elektromobilität

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    First-Mover Advantage:Eine empirische Analyse in der Elektromobilitt

    Masterarbeit

    vorgelegt am 29.04.2015

    An der Fakultt fr WirtschaftswissenschaftenInstitut fr Informationswirtschaft und Marketing (IISM)

    Forschergruppe Marketing & Vertrieb

    Prof. Dr. Martin Klarmann

    Betreuerin:M.Sc./MBA Sophie Fleischmann

    Doctoral Candidate

    Karlsruher Institut fr Technologie (KIT)

    Wintersemester 2014/2015

    vonMaximilian Brandenburger

    [email protected]

    Karlsruhe, 29.04.2015

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    INHALTSVERZEICHNIS

    Abkrzungsverzeichnis iv

    Abbildungsverzeichnis v

    1 Einleitung 1

    1.1 Motivation und Zielsetzung 1

    1.2 Aufbau der Arbeit 3

    2 Konzeptionelle Grundlagen 4

    2.1

    Grundzge des Markteintritts 4

    2.2 Der Pionier-Begriff 4

    2.3

    Der Folger-Begriff 5

    2.4 Der Pioniervorteil 6

    2.4.1 Angebotsbezogene Pioniervorteile 7

    2.4.1.1 Kostenvorteile durch technologische Fhrung 8

    2.4.1.2 Besetzung knapper Ressourcen 10

    2.4.2 Nachfragebezogene Pioniervorteile 10

    2.4.2.1 Produktdifferenzierung 11

    2.4.2.2 Geringere Qualittsunsicherheiten 11

    2.4.2.3 Psychologische Wettbewerbsvorteile 11

    2.4.2.4 Dominantes Design und Netzwerkeffekte 12

    2.5 Pionier-Nachteile 12

    2.5.1 Free-Rider-Effekte 13

    2.5.2 Risikofaktoren 14

    2.5.3 Lerneffekte der Folger und Trgheit des Pioniers 14

    2.6 Fazit der Auswirkungen der Pionierstrategie 15

    3 Forschungsberblick 16

    3.1 Historische Entwicklung der Pionierforschung 16

    3.2 Beziehungsstrukturen in der empirischen Forschung ber Pioniervorteile 17

    3.2.1 Direkte Beziehungsstruktur 17

    3.2.2 Direkte Beziehungsstruktur mit moderierenden Einflssen 18

    3.2.3

    Indirekte Beziehungsstruktur 19

    3.3 Kritische Betrachtung der Literatur 22

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    3.4 Zusammenfassung des Forschungsgebietes 24

    3.5 Forschungslcke 25

    4 Empirie 26

    4.1 Methodische Grundlagen 26

    4.1.1

    Qualitative Datenerhebung 26

    4.1.2 Qualitative Inhaltsanalyse 28

    4.2 Ergebnisse 30

    4.2.1 Charakteristika der Experteninterviews 30

    4.2.2 Schwierige Definition des Pioniers 31

    4.2.3 Stellungnahme der Experten zu den Vor- und Nachteilen der

    Pionierstrategie 31

    4.2.3.1 Skaleneffekte 32

    4.2.3.2 Erfahrungskurve 33

    4.2.3.3 Technologievorsprung 34

    4.2.3.4 Sicherung knapper Ressourcen 36

    4.2.3.5 Prferenzbildung beim Kunden 37

    4.2.3.6 Psychologischer Wettbewerbsvorteil 38

    4.2.3.7 Qualittsunsicherheiten 42

    4.2.3.8

    Asymmetrische Marketingvorteile 44

    4.2.3.9 Free-Rider-Effekt 45

    4.2.3.10 Unsicherheiten bezglich Technologie, Markt und Kunden 48

    4.2.3.11 Lerneffekte der Folger 48

    5 Zusammenfassung und Implikationen 50

    5.1 Herausforderungen der Automobilindustrie 50

    5.2

    Zentrale Ergebnisse 52

    5.3 Implikationen fr die Forschung 54

    5.4 Implikationen fr die Praxis 55

    Anhang 57

    A.1 bersicht ber empirische Studien zur Pionierforschung 57

    A.2 Leitfaden fr strukturierte Experteninterviews 70

    A.3 Transkriptionsregeln 72

    Literaturverzeichnis 74

    Eidesstattliche Erklrung 80

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    Abkrzungsverzeichnis

    BEV - Battery Electric Vehicle

    EXP - Experte

    FCEV - Fuel Cell Electric Vehicle

    HEV - Hybrid Electric Vehicle

    PHEV - Plug-In Hybrid Electric Vehicle

    PIMS - Profit Impact of Marketing Strategies

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    v

    Abbildungsverzeichnis

    Abbildung 1: Mechanismen des Pioniervorteils ____________________________________ 7

    Abbildung 2: Mechanismen des Pioniernachteils _________________________________ 13

    Abbildung 3: Modell mit direkten Beziehungen; Grundmodell von Urban et al. _________ 18

    Abbildung 4: Modell mit indirektem und direktem Einfluss auf Erfolg _________________ 18

    Abbildung 5: Modell mit Markt- und Ressourcencharakteristika _____________________ 20

    Abbildung 6: Arbeitsschritte der qualitativen Inhaltsanalyse ________________________ 29

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    1 Einleitung

    Natrlich ist es auch unsere Aufgabe, den nchstbesseren Antrieb zu finden, der auf

    l verzichtet. Nicht sofort, aber der Umstieg wird stattfinden, bevor der letzte Tropfen

    l verbraucht ist.(Zetsche 2015)

    1.1 Motivation und Zielsetzung

    Die Automobilindustrie befindet sich in einem Wandel, von konventionellen und lbasierten

    Antrieben hin zu alternativen Antrieben, die (lokal) emissionsfrei arbeiten. Nach Meinung

    vieler Automobilhersteller wird dieser Umstieg definitiv kommen. Unklar ist lediglich der

    Zeitpunkt. In einem Kommentar an das Jugendmagazin Spiesser erklrt Dieter Zetsche,

    Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, dass Daimler diesen Umstieg kontinuierlich, aber nichtberstrzt vollziehen wird. Andere Hersteller wie zum Beispiel der deutsche

    Automobilhersteller BMW oder die US-amerikanische Tesla Motors haben einen schnelleren

    Weg eingeschlagen.

    Ein Blick auf die letzten Jahrzehnte zeigt, dass sich die Anzahl der Hersteller in der

    Automobilbranche kontinuierlich verndert. Chinesische und indische Automobilhersteller

    entstehen und bieten ihre Produkte nach und nach auf dem Weltmarkt an; etablierte Anbieter

    wie ehemals Daimler-Chrysler trennen sich durch De-Konsolidierungen; Hersteller wie

    Borgward verschwinden eine Zeit lang vom Markt und planen nun einen Wiederanfang;

    Hersteller wie Porsche werden Teil eines greren Konzerns. Die Elektromobilitt als

    Innovation innerhalb einer Branche hat die Kraft, solche Verschiebungen zu begnstigen bzw.

    vorher nicht denkbare Kooperationen entstehen zu lassen. Hierbei ist schon heute zu sehen,

    dass neue und branchenfremde Hersteller wie der US-amerikanische Elektropionier Tesla

    Motors, in Zukunft vielleicht auch Google oder Apple mit den etablierten Herstellern

    konkurrieren. Zudem kooperieren etablierte Hersteller zunehmend in dem neuen Bereich derElektromobilitt miteinander.

    Lange Zeit waren die deutschen Automobilhersteller Innovationsfhrer und sind somit

    gegenber den internationalen Wettbewerbern als Pioniere aufgetreten. Mit dem Beginn der

    Elektromobilitt schwindet diese Stellung. In den ersten Phasen der Elektromobilitt hatten die

    deutschen Automobilhersteller den Konkurrenten aus Japan und Korea nur wenig zu entgegnen.

    Dieser Wechsel der Pionierttigkeitder deutschen Automobilhersteller war Ausgangspunkt

    dieser Arbeit, um die Effekte der Pionierstrategie genauer zu untersuchen.

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    Die Wahl des zeitlichen Markteintrittszeitpunkts spielt eine wesentliche Rolle fr den Erfolg

    oder Misserfolg eines Unternehmens im Markt. Auch wenn noch eine Vielzahl von weiteren

    Faktoren den Erfolg beeinflusst, wird der Reihenfolge des Markteintritts von Unternehmen eine

    groe Bedeutung zugeschrieben. Da die Meinungen ber die Umstellungen der

    Antriebstechnologien weit auseinander gehen, gibt es dafr folgerichtig auch verschiedeneKonzepte. Zum einen knnen Unternehmen die Pionierstrategie whlen, indem ein

    Unternehmen als Erstes die Produktinnovation auf dem Markt anbietet. Alternativ kann die

    Folgerstrategie fr Unternehmen attraktiv erscheinen, bei der Konkurrenzunternehmen bereits

    im Markt agieren. Neben dem Zeitpunkt Wann, mssen die Unternehmen ebenfalls ber das

    Wo und das Wie entscheiden.

    ber die letzten Jahre betrachtet, schreitet die Umstellung der Antriebsform in der

    Automobilindustrie langsam voran, weshalb die Frage im Raum steht, warum mancheHersteller schneller in der Umsetzung der neuen Technologie sind und andere sich wiederum

    mehr Zeit lassen. Daraus ergibt sich zwangslufig die Betrachtung von Pionier- und

    Folgerunternehmen. Welche Strategie fr welches Unternehmen die passende ist, lsst sich im

    Vorfeld nicht zweifelsfrei bestimmen. Fakt ist, dass in diesen beiden strategischen Anstzen

    sowohl Chancen als auch Risiken liegen, die als Vorteile und als Nachteile aus der jeweiligen

    Strategie abgeleitet werden knnen.

    ber die Auswirkungen der Pionierstrategie in Form der Vor- und Nachteile herrscht keine

    Klarheit. Verschiedene Studien kommen zu dem Schluss, dass die Unternehmen, die die

    Pionierstrategie angewendet hatten, schlussendlich auch grere Markterfolge aufgewiesen

    haben. Gleichermaen gibt es Studien, die die Pionierstrategie kritisch sehen und den daraus

    resultierenden Markterfolg infrage stellen. Auffllig ist, dass die Vor- und Nachteile der

    Pionierstrategie in der Literatur oft generalisiert werden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die

    verschiedenen Vorteile und Nachteile aus der Literatur zu extrahieren und in den Kontext der

    Praxis sowie des neuen Innovationsfeldes der Elektromobilitt zu heben. Im Einzelnen zeigtdiese Arbeit, welche Vor- und Nachteile fr Unternehmen in der Elektromobilitt von

    Bedeutung sind. Darber hinaus werden Grnde und Erklrungen der jeweiligen Vor- und

    Nachteile diskutiert und damit fundierte Informationen fr zuknftigen Entscheidungen

    erarbeitet. Ziel ist es, den Weg der Pionierstrategie nachzuvollziehen sowie die ngste der

    Folger genauer zu beleuchten. Die verschiedenen Ergebnisse dieser Arbeit liefern die

    Grundlage um zu verstehen, welchen Nutzen sich Pionierunternehmen von der gewhlten

    Strategie erhoffen.

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    3

    1.2 Aufbau der Arbeit

    Die vorliegende Arbeit stellt zur Einfhrung in Kapitel 2 die Definitionen der zentralen Begriffe

    sowie die Darstellung der Pioniervorteile und Pioniernachteile aus der Literatur vor. Des

    Weiteren werden die flexibel genutzten Begriffe des Pioniers sowie des Folgers vorgestellt und

    fr die Verwendung in dieser Arbeit vorbereitet.

    Kapitel 3 gibt einen berblick ber die bestehende Literatur anhand der historischen

    Entwicklung der Forschung ber die Pioniervorteile und die Pioniernachteile. Dazu werden drei

    Erklrungsmodelle zu den Auswirkungen der Pionierstrategie detailliert dargestellt. Die

    kritische Betrachtung dieser Modelle und deren Ergebnisse beeinflussen die qualitative Studie

    mit Experteninterviews als Datenerhebungsmethode.

    In Kapitel 4 wird zunchst das methodische Vorgehen der Arbeit erlutert. Dabei wird sowohlauf die qualitative Datenerhebung und auf die daraus resultierenden Besonderheiten

    eingegangen, als auch der Ansatz zur qualitativen Inhaltsanalyse dargelegt. Die Analyse, die

    Interpretation und die Bewertung der Experteninterviews schlieen das Kapitel ab.

    In Kapitel 5 werden die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst. Darber

    hinaus werden die Auswirkungen aufgezeigt, die sich fr die Forschung und die Praxis ergeben.

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    2 Konzeptionelle Grundlagen

    2.1 Grundzge des Markteintritts

    Nach Calantone und Montoya-Weiss ist die Einfhrung eines neuen Produktes einer der

    teuersten und risikoreichsten, gleichzeitig aber am wenigsten durchdachten Schritte im

    Lebenszyklus eines Produkts (vgl. Calantone/Montoya-Weiss 1993, S. 217ff.). Ein

    Markteintritt liegt vor, wenn ein Unternehmen Geschfte auf einem bisher nicht bedienten

    produkt- bzw. zielgruppenbezogenen oder rumlichen Markt vornimmt. Dies trifft sowohl fr

    neue Unternehmen als auch fr bestehende Unternehmen zu, die ihr Produktportfolio

    diversifizieren oder neue Mrkte erschlieen (vgl. Remmerbach 1988, S. 1ff.).

    Das Risiko des Eintritts in einen neuen Markt beruht auf der Ungewissheit dem Neuen

    gegenber. Unternehmen streben deshalb an, dieses Risiko durch Untersuchungen, Annahmen

    und vorhergehende Erfahrungen zu minimieren. Ein wichtiger Bestandteil zur

    Risikominimierung ist die Markteintrittsplanung, die sich in strategische und taktische

    Entscheidungen unterteilt. Dabei mssen Fragen zum strategischen Was, Wo, Wann,

    Warumund zum taktischen Wiedes Markteintritts beantwortet werden (vgl. Hultink 1997,

    S. 243). Whrend die taktische Entscheidung Wie, die Fragestellungen ber den Marketing

    Mix sowie ber einen selbststndigen oder nichtselbstndigen Markteintritt abdeckt,

    beschftigt sich das Wasmit dem eigentlichen Produkt, das Womit der geographischen

    Verteilung und das Warummit dem daraus erhofften Nutzen.

    Die zeitliche Komponente des Markteintritts einer Produktinnovation das Wannnimmt

    eine zentrale Rolle ein und kann ein strategisch bedeutsamer Erfolgsfaktor sein (vgl. Simon

    1989, S. 70ff.). Der Erfolg kann sich z.B. in einem hheren Marktanteil widerspiegeln (vgl.

    Kerin/Varadarajan/Peterson 1992, S. 33). Bei der Entscheidung ber das Wannstehen den

    Unternehmen grundstzlich zwei Strategien zur Verfgung, die sich im Pionier oder im Folger

    darstellen lassen (vgl. von der Oelsnitz 2000, S. 200f.; Remmerbach 1988, S. 177). Nach den

    bisherigen Erkenntnissen aus der Literatur haben beide Strategien unterschiedliche

    Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg. Der berwiegende Teil der Studien zeigt auf, dass

    Unternehmen, die als Erstes auf den Markt kommen, langfristig den grten Erfolg haben (siehe

    AnhangA.1).

    2.2 Der Pionier-Begriff

    Der Begriff des Pioniers hat in der Literatur keine einheitliche Definition, was bereits

    Liebermann und Montgomery 1988 feststellten: Perhaps the most fundamental problem with

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    the concept of first-mover is that of definition (Lieberman/Montgomery 1988, S. 50).

    Ursprnglich stammt dieser Begriff aus dem Lateinischen pedes (dt. Fu) sowie aus dem

    Franzsischen pion (dt. Fugnger/Fusoldat) (Duden 2015). In der wissenschaftlichen

    Literatur werden dem Pionier Assoziationen wie innovativ oder neu zugeschrieben. Das

    Pionierunternehmen ist deswegen in einer besonderen Situation, weil es zeitlich in einerAktivitt vor allen anderen Unternehmen steht.

    Der Pionier kann auf unterschiedliche Art und Weise definiert werden. Der Produktpionier

    stellt als erstes einen Prototypen oder ein funktionierendes Modell her, d.h. die erstmalige

    technische Realisierung des Produkts. Der Marktpionier hingegen ist jenes Unternehmen, das

    das Produkt als erstes vermarktet und verkauft (vgl. Golder/Tellis 1993, S. 159). Folgerichtig

    erzeugt nur der Marktpionier einen neuen Markt. Die empirische Pionierliteratur verwendet die

    Begriffe Pionier, Marktpionier und den englischen Begriff First-Mover weitestgehendsynonym, was in dieser Arbeit ebenfalls so gehandhabt wird.

    2.3 Der Folger-Begriff

    Als Folger werden diejenigen Unternehmen bezeichnet, die zeitlich nach dem Pionier in den

    Markt eintreten. Sie lassen sich in zwei Arten einordnen: entweder nach der numerischen

    Reihenfolge, in der sie in den Markt eingetreten sind (erster Folger, zweiter Folger, usw.), oder

    nach der seit Markteintritt des Pioniers vergangenen Zeit in Early Follower bzw. frher Folger

    und Late Follower bzw. spter Folger (vgl. Lieberman/Montgomery 1988, S. 51;

    Robinson/Fornell/Sullivan 1992, S. 609). Der frhe Folger gilt als strkster Konkurrent des

    Pioniers, da die Markteintritte zeitlich voneinander nur geringfgig abweichen (vgl.

    Smith/Grimm/Gannon 1992, S. 140). Dem spten Folger werden wiederum nur geringe

    Chancen auf einen Markterfolg zugeschrieben, da die Dauer der Produktlebenszyklen

    tendenziell rcklufig ist und die bisherigen Marktteilnehmer in der Zwischenzeit

    gegebenenfalls wirksame Barrieren aufbauen konnten (vgl. von der Oelsnitz 1996b, S. 109). In

    der Literatur herrscht jedoch Uneinigkeit bezglich dieser Aussage, da auch diese Strategie

    unter bestimmten Umstnden erfolgreich sein kann. In ihrer Studie fanden Lilien und Yoon

    heraus, dass die dritten bis fnften Folger langfristig signifikant erfolgreicher sind als der erste

    und zweite Folger (vgl. Lilien/Yoon 1990, S. 576). Entscheidend fr den Erfolg ist, ob die

    Folger imitierend oder modifizierend bezglich dem Pionierprodukt agieren (vgl. von der

    Oelsnitz 2000, S. 202).

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    2.4 Der Pioniervorteil

    Die Literatur zeigt, dass ein frhes Eintreten in einen neuen Markt Wettbewerbsvorteile oder

    Gewinne gegenber den Folgern nach sich zieht, welche die Kosten der Pioniertat bersteigen

    knnen (vgl. Lieberman/Montgomery 1988, S. 41; Frawley/Fahy 2006, S. 273). Dieses Konzept

    wird pioneers advantage, first mover advantageund order of market entry effectgenannt

    (Lieberman/Montgomery 1988, S. 41; Robinson/Fornell 1985, S. 305; Lambkin 1988, S. 137).

    Im Deutschen wird dies mit Pioniervorteil sowie Reihenfolgeneffekt bersetzt (Zentes

    2012, S. 97; Fischer/Himme/Albers 2007, S. 539).

    Die Vorteile der Pionierstrategie resultieren aus bestimmten Mechanismen, die auf

    Markteintrittsbarrieren zurckzufhren sind. Die ersten Untersuchungen in diesem Gebiet

    stellte Bain 1956 an, mithilfe derer er das Zusammenspiel von Pioniervorteilen und den daraus

    resultierenden Markteintrittsbarrieren fr die Folger im Markt erklrt. Markteintrittsbarrieren

    sind dabei potentielle Kosten, die fr ein neu in den Markt eintretendes Unternehmen anfallen,

    nicht aber fr das im Markt bereits etablierte Unternehmen (vgl. von Weizsacker 1980, S. 400).

    Zwischen den 70er und 80er Jahren stieg die Zahl an Studien auf diesem Gebiet rapide an.

    Einen wichtigen Beitrag leistete damals Gal-Or 1985, indem er zeigte, dass wenn zwei

    identische Marktteilnehmer in unterschiedlicher Reihenfolge den Markt betreten, der First-

    Mover grere Vorteile als der Follower realisiert, sofern der Pionier Imitationen vermeiden

    kann (vgl. Gal-Or 1985, S. 649). Die Studien zu der Zeit konnten die Vorteile, Grnde und

    Zusammenhnge der Pionierstrategie nicht abschlieend klren. In der Folge fhrte dies zu

    weiteren Entwicklungen in der Pionierforschung mit dem Ziel, die komplexen Zusammenhnge

    verschiedenster Faktoren auf den Erfolg eines Pioniers zu klren.

    Die Pionierstrategie ergibt sich aus der unternehmerischen Ttigkeit, vor allen anderen

    Wettbewerbern mit einer Produktinnovation auf den Markt zu kommen. Robinson und Fornell

    (1985) argumentierten frh, dass es nicht die Reihenfolge per se ist, die den hheren Marktanteil

    des Pioniers beeinflusst, sondern die dadurch ausgelsten Vorteile (vgl.

    Fershtman/Mahajan/Muller 1990, S. 900). Deshalb wurde diese Thematik genauer hinterfragt.

    Warum existieren Reihenfolgeneffekte? Warum haben Pionierunternehmen Leistungsvorteile,

    in Form von Marktanteilen, Profitabilitt, Kosten- und Differenzierungsvorteilen sowie

    Eintrittsbarrierenvorteile gegenber Folgern? Die ersten Erklrungsversuche konzentrierten

    sich auf die Stabilitt der Konsumentenprferenzen (vgl. Bain 1956), Eintrittsbarrieren fr

    Folger durch Markennamen sowie Patente (vgl. Porter 2008, S. 222) und das Risiko der Kunden

    neue Marken auszuprobieren (vgl. Schmalensee 1982, S. 29). Neuere Untersuchungen hatten

    gezeigt, dass vorangegangene Studien zu einseitig ausgerichtet waren und nur einzelne

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    Faktoren in Betracht gezogen hatten. Deshalb wurden komplexere und systematischere Studien

    durchgefhrt. Der Reihenfolgeneffekt mit daraus entstehenden Pioniervorteilen wurde mit

    Kostenvorteilen, Qualittsvorteilen, der Sicherung knapper Ressourcen, dem

    Erfahrungskurveneffekt, umfangreicheren Informationen fr Konsumenten sowie

    Wechselkosten begrndet (vgl. Robinson/Fornell 1985, S. 306; Conrad 1983, S. 353;Lieberman/Montgomery 1988, S. 44; Robinson 1988, S. 88; Carpenter/Nakamoto 1989, S.

    285). In den spten 80er Jahren sowie in den 90er Jahren kamen weitere Erklrungsversuche

    auf, die sich strker an den Konsumenten und deren Prferenzbildung sowie an deren

    Lernprozessen orientierten (vgl. Carpenter/Nakamoto 1989, S. 285; Brown/Lattin 1994, S.

    1368; Alpert/Kamins 1995, S. 34; Niedrich/Swain 2003, S. 468). Auerdem bercksichtigten

    diese den Effekt einer positiven Reputation (vgl. Fershtman/Mahajan/Muller 1990, S. 901), den

    Kaufentscheidungsprozess (vgl. Kardes/Kalyanaram 1992, S. 343) sowie die unterschiedlichenRessourcenausstattungen (vgl. Lieberman/Montgomery 1998, S. 1112). Ein Blick in die

    Literatur verdeutlicht, dass zwischen angebots- und nachfragebezogenen Pioniervorteilen

    differenziert wird, was inAbbildung 1 dargestellt ist (vgl. Vidal 1993, S. 39ff.).

    2.4.1 Angebotsbezogene Pioniervorteile

    Die Pionierstrategie erffnet dem Pionierunternehmen Chancen aus der zeitlich befristetenMonopolstellung Kapital zu schlagen. Die angebotsbezogenen Pioniervorteile sind im

    Angebotsbezogene Pioniervorteile

    Technologische Fhrung

    Erfahrungskurveneffekte Skaleneffekte

    Asymmetrien in den

    Marketingaufwendungen

    Besetzung knapper Ressourcen

    Physische Inputfaktoren

    Humankapital

    Partnerschaften mit Zuliefer

    Technologievorsprung

    Nachfragebezogene Pioniervorteile

    Produktdifferenzierung

    Geringere Qualittsunsicherheiten Psychologische Wettbewerbsvorteile

    Dominantes Design

    Netzeffekte

    Abbildung 1: Mechanismen des Pioniervorteils. In Anlehnung an (Vidal 1993)

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    Wesentlichen auf Markteintrittsbarrieren begrndet. Diese Markteintrittsbarrieren stellen

    finanzielle oder psychologische Kosten dar, die der Folger gegenber dem Pionier zu tragen

    hat (vgl. Porter 2008, S. 7ff.). Der Pionier kann in der temporren Monopolphase angebotsseitig

    Markteintrittsbarrieren errichten, indem dieser Kostenvorteile ausnutzt oder sich knappe

    Ressourcen sichert.

    2.4.1.1 Kostenvorteile durch technologische Fhrung

    Pionierunternehmen haben die Chance, durch Kostenvorteile nachhaltige Wettbewerbsvorteile

    zu generieren. Die Kostenvorteile knnen durch Erfahrungskurveneffekte, zunehmende

    Skalenertrge oder Asymmetrien in den Marketingaufwendungen erzielt werden.

    Erfahrungskurveneffekte

    Der Pionier profitiert im Gegensatz zu den Folgern frher von Erfahrungswerten. Die Boston

    Consulting Group entwickelte in den 70er Jahren das Konzept der Erfahrungskurve, das auch

    als Lernkurve bezeichnet wird (vgl. Henderson/Glweiler 1984, S. 14). Das Konzept sagt aus,

    dass bei einer Verdopplung der kumulierten Produktionsmenge die Stckkosten des Produktes

    um einen konstanten Anteil von 20 % bis 30 % sinken (Gabler Wirtschaftslexikon 2015a).

    Whrend der temporren Monopolsituation kann der Pionier Erfahrungen ber seine Prozesse

    sammeln und diese durch die Lernerfahrung in Kostenreduktionen umwandeln. Der Pionier

    kann einen Kostenvorteil erringen, wenn er beim Eintritt des Folgers die optimierten Ablufe

    anwendet und diese vor dem Folger geheim halten kann (vgl. Perillieux 1995, S. 274). Der

    Erfahrungskurveneffekt lsst sich weiter in organisatorische, technologische und

    marktbezogene Faktoren unterteilen. Aus organisatorischer Sicht kann der Pionier seine

    internen Prozesse optimieren. Technologische Faktoren sind fr den Pionier von Vorteil, da

    dieser das Produkt bestndig verbessern kann, wohingegen der Folger auf einem geringeren

    technischen Niveau einsteigt. Unter marktbezogenen Faktoren knnen Informationen ber das

    Kundenverhalten verstanden werden, die in der Pionierphase gesammelt werden (vgl.

    Kerin/Varadarajan/Peterson 1992, S. 41f.).

    Unterstellt man nun allen Marktteilnehmern die gleiche Erfahrungskurve, so resultieren die

    Erfahrungen in zeitlich versetzten Kostenreduktionen, wobei der Pionier zu einem bestimmten

    Zeitpunkt immer die hchste (kumulierte) Kostenreduktion aufweist. Dies stellt fr die Folger

    eine Eintrittsbarriere dar. Damit Erfahrungskurveneffekte erzielt werden knnen, mssen die

    Erfahrungen geschtzt und der Lernprozess aufrechterhalten werden. Im Zeitalter der

    Informationstechnik ist der Schutz der Erfahrungen allerdings nicht mehr in ausreichendem

  • 7/21/2019 Masterarbeit_First Mover Advantage in der Elektromobilitt

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    9

    Umfang gegeben, was zu einer verringerten Bedeutung fhren knnte (vgl.

    Lieberman/Montgomery 1988, S. 42f.).

    Skaleneffekte

    Skaleneffekte oder Economies of Scale liegen vor, wenn mit zunehmender Ausbringungsmenge

    pro Periode die Stckkosten sinken. Sofern der Pionier frhzeitig Investitionen1 in die

    Ausbringungskapazitt ttigt, ist es ihm spter mglich, sogenannte Betriebsgrenersparnisse

    zu realisieren. Damit besitzt der Pionier so lange einen Kostenvorteil gegenber dem Folger,

    bis dieser die gleiche Ausbringungsmenge erreicht hat. Fr Folger ist ein geringeres

    Produktionsvolumen nicht attraktiv, da die Stckkosten ber denen des Pioniers liegen.

    Differenziert der Folger sein Produkt nicht und erschliet somit keine Nische, hat der Folger

    kaum Aussicht auf Markterfolg (vgl. fr den in diesem Absatz ausgefhrten Gedankengang

    Porter 1980, S. 7f.; Lambkin 1992, S. 6f.; Kerin/Varadarajan/Peterson 1992, S. 6).

    Die Wirkung der Skaleneffekte auf den Pioniervorteil ist somit zweigeteilt. Es existieren

    Kostenvorteile in der Produktion sowie eine beherrschende Marktstellung, wenn Folger durch

    die Kostenvorteile vom Markteintritt abgehalten werden knnen (vgl. Lambkin 1992, S. 6f.).

    Asymmetrien in den Marketingaufwendungen

    Asymmetrien in den Marketingaufwendungen stellt die dritte Mglichkeit dar, Kostenvorteile

    zu erzielen. Whrend der temporren Monopolzeit kann der Pionier die Kunden ungehindertund exklusiv mit Werbemanahmen beeinflussen, was Einfluss auf die Wirkung der

    Werbebotschaften hat. Die Kunden verfgen in der frhen Phase meist nur ber unzureichende

    Informationen ber die Produktinnovation. In Kombination mit der lngeren

    Werbekonfrontation kann der Pionier Markenloyalitt und Markenerinnerung aufbauen (vgl.

    Kerin/Varadarajan/Peterson 1992, S. 41ff.; Alpert/Kamins 1995, S. 43). Potentielle Folger

    mssten beim Markteintritt dementsprechend hufiger und kreativer werben, um die

    Aufmerksamkeit des Kunden zu erreichen und um gegen eine etablierte Marke anzukmpfen.Folglich werden die Marketingaufwendungen fr die Folger hher ausfallen (vgl.

    Clement/Litfin/Vanini 1998, S. 208).

    1Investitionen drfen nicht zu gering ausfallen, sonst wird der Pionier vom Folger berholt. Beispiel: RC Colafhrte vor Coca-Cola und Pepsi Cola eine Light Variante ein. Investitionen reichten allerdings nicht aus, um sichgegenber den Folgern zu behaupten (vgl. Teece (1986), S. 286).

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    2.4.1.2 Besetzung knapper Ressourcen

    Neben den Kostenvorteilen kann der Pionier auch durch die Besetzung knapper Ressourcen

    Wettbewerbsvorteile erzielen und somit die Marktchancen der Folger verschlechtern (vgl.

    Lieberman/Montgomery 1988, S. 44; Golder/Tellis 1993, S. 168f.). Unter Ressourcen werden

    physische Inputfaktoren, Partnerschaften mit anderen Unternehmen, ein etwaiger

    Technologievorsprung sowie Humankapital verstanden. Im Gegensatz zu den Kostenvorteilen

    durch technologische Fhrung liegt der Vorteil bei der Besetzung knapper Ressourcen mehr im

    Besitz und der Kontrolle von wichtigen Vermgensgegenstnden (vgl.

    Lieberman/Montgomery 1988, S. 44).

    Inputfaktoren, Humankapital und Partnerschaften mit Unternehmen

    In der anfnglichen Monopolsituation besitzt der Pionier gegenber den Folgern einenInformationsvorteil, zum einen in Form von Marktkenntnissen und zum anderen in der

    Kenntnis von Kundenbedrfnissen. Wenn der Pionier diese Kenntnisse nutzt um knappe

    Faktoren z.B. mittels gnstigen und langfristigen Liefervertrgen zu besetzen, kann dies in

    Kostenvorteilen resultieren. Sofern Folger in den Markt eintreten und die Nachfrage nach den

    Ressourcen steigt, wird mit einem Kostenanstieg gerechnet. Bedingt durch seinen Status ziehen

    Pionierunternehmen zu Beginn ihrer Ttigkeit eine groe Auswahl an Fachkrften an, und

    knnen sich somit geeignete Humanressourcen sichern (vgl. fr den in diesem Absatzausgefhrten Gedankengang Lieberman/Montgomery 1988, S. 44; Kerin/Varadarajan/Peterson

    1992, S. 42).

    Technologievorsprung

    Fasst man die Technologie des Produkts als Ressource auf, so kann sich der Pionier um einen

    stndigen technologischen Vorsprung bemhen und damit dem Kunden das beste Produkt

    anbieten. Diese technologischen Vorteile wiegen umso schwerer, je besser die Technologie vor

    den Folgern geschtzt werden kann und je umfassender die Fortschritte auf der

    Erfahrungskurve ausfallen (vgl. fr den in diesem Absatz ausgefhrten Gedankengang

    Golder/Tellis 1993, S. 160).

    2.4.2 Nachfragebezogene Pioniervorteile

    Neben den angebotsbezogenen Pioniervorteilen existieren parallel nachfragebezogene

    Pioniervorteile. Diese resultieren aus dem Umstand, dass Kunden zuerst die Pionierprodukte

    kaufen (vgl. Golder/Tellis 1993, S. 159). Zu erklren ist dies durch Konzepte der

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    Produktdifferenzierung, der Qualittsunsicherheiten, der psychologischen Wettbewerbsvorteile

    sowie des dominanten Designs.

    2.4.2.1 Produktdifferenzierung

    Pioniere knnen ihre Produktinnovation als Erstes im neuen Markt platzieren. Um eine

    maximale Nachfrage abzudecken und um die Diffusion der Produktinnovation zu begnstigen,

    erfolgt dies meist im Zentrum des Produktmarktraums. Dies kann eine wirksame

    Markteintrittsbarriere darstellen, da Folger zwischen einem Preiskampf im Zentrum oder einer

    Nischenstrategie mit geringerem Marktanteil abwgen mssen. Pioniere profitieren gegenber

    den Folgern von dieser zentralen Positionierung, welcher die Attraktivste im

    Wahrnehmungsraum darstellt (vgl. fr den in diesem Absatz ausgefhrten Gedankengang Vidal

    1993, S. 64).

    2.4.2.2 Geringere Qualittsunsicherheiten

    Der Erwerb einer Produktinnovation stellt fr den Kunden einen Kauf unter Unsicherheit dar.

    Dem Kunden fehlen Informationen ber die Qualitt des Produkts (vgl. Schmalensee 1982, S.

    349). Treten zu einem spteren Zeitpunkt Folger in den Markt ein, kennen potentielle Kunden

    die Qualitt des Pioniers und besitzen nun eine Unsicherheit gegenber dem Folgerprodukt.

    Zustzlich werden Folgerprodukte mit dem Pionierprodukt verglichen und das Pionierprodukt

    dient dementsprechend als Referenzprodukt (vgl. Lieberman/Montgomery 1988, S. 46;

    Schmalensee 1982, S. 360).

    Die Folger mssen potentielle Kunden demzufolge von der eigenen Produktqualitt

    berzeugen. Kunden kaufen ein anderes (risikobehaftetes) Produkt nur, sofern der erwartete

    Nutzen des neuen Produkts grer ist als der bekannte Nutzen des Pionierprodukts (vgl.

    Schmalensee 1982, S. 352).

    2.4.2.3 Psychologische Wettbewerbsvorteile

    Zustzlich zur besseren Informationslage und der besseren Erinnerung an das Pionierprodukt,

    profitiert der Pionier von psychologischen Vorteilen. Dies liegt daran, dass Kunden die

    Pioniermarke bezglich ihrer Reputation und ihrer Qualitt hher einschtzen.

    Carpenter und Nakamoto (1989) gehen davon aus, dass zur Einfhrung der Produktinnovation

    die Kunden noch keine genauen Vorstellungen ber ihre Prferenzen besitzen. Daher formt das

    Pionierprodukt die Prferenzen und die Erwartungen der Kunden an das Produkt. Das

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    Pionierprodukt wird somit zur Referenz. Empirische Studien beweisen, dass die Produkte des

    Pioniers die hchsten Marktanteile erzielen und dies signifikant den psychologischen

    Wettbewerbsvorteilen zuzuschreiben ist (vgl. Carpenter/Nakamoto 1989, S. 285ff.;

    Kardes/Kalyanaram 1992, S. 354f.). Die zeitliche Komponente spielt ebenfalls eine nicht zu

    vernachlssigende Rolle. Mit steigender Zeit als erfolgreicher Anbieter im Markt, nimmt aufder Kundenseite die Glaubwrdigkeit, das Qualittsverstndnis und die Verlsslichkeit zu (vgl.

    Alpert/Kamins 1995, S. 39).

    2.4.2.4 Dominantes Design und Netzwerkeffekte

    Pioniere knnen durch ihre Produktinnovation einen Standard im Markt etablieren. Ein

    dominantes Design bzw. ein Standard ist ein spezifischer Pfad entlang einer

    Entwicklungshistorie, der sich gegen andere Pfade durchgesetzt hat. Ein dominantes Design

    beinhaltet eine bestimmte Kombination von Produkteigenschaften. Wollen Folger

    konkurrenzfhig sein, sollten diese sich an den Standard halten. Im Allgemeinen ist es fr

    Folger schwer, dominante Designs zu durchbrechen (vgl. fr den in diesem Absatz ausgefhrten

    Gedankengang Surez/Utterback 1995, S. 416)

    Das dominante Design wird durch Netzwerkeffekte untersttzt. Hinter Netzwerkeffekten steht

    die Theorie, dass die Teilnahme eines Handelnden an einem Netzwerk positive Auswirkungen

    fr alle weiteren Teilnehmer des Netzwerkes hat. Netzwerkeffekte bauen auf den bisherigen

    nachfragebezogenen Pioniervorteilen auf und erzeugen Rckkopplungen. Hat sich ein

    bestimmtes dominantes Design im Markt etabliert, steigt die Nachfrage nach diesem Produkt

    bis zu einem gewissen Sttigungsgrad weiter, was wieder vorteilhaft fr das Netzwerk ist (vgl.

    Katz/Shapiro 1985, S. 424).

    2.5 Pionier-Nachteile

    Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Goethe (Gtz von Berlichingen)

    Neben den in Kapitel 2.4 vorgestellten Pioniervorteilen, zieht die Pionierstrategie auch

    Nachteile mit sich. Diese werden in der Literatur mit First-Mover disadvantage (dt.

    Pioniernachteil) bezeichnet (Lieberman/Montgomery 1998, S. 1111). Diese Pioniernachteile

    wirken sich negativ auf den Erfolg des Pioniers aus und bevorteilen infolgedessen den Folger.

    Solche Nachteile sind Free-Rider-Effekte, Risikofaktoren, Lerneffekte der Folger und die

    Trgheit des Pioniers (Abbildung 2).

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    Die Pioniernachteile resultieren aus verschiedenen Faktoren. Das Gegenteil der

    kostenbedingten Vorteile liegt in den kostenbedingten Nachteilen. Der Pionier muss in den

    Aufbau des neuen Marktes investieren. Diese Kosten entfallen dem Folger zu groen Teilen

    (Free-Rider). Ferner minimiert der Folger durch den Zeitversatz sein Risiko gegenber Markt-

    , Technologie- und Kundenfaktoren. Sofern sich einer dieser Faktoren nicht erwartungsgementwickelt, kann der Markteintritt berdacht werden. Der letzte Faktor betrifft gewissermaen

    die Aktivitt der Marktteilnehmer. Aufgrund der Investitionen des Pioniers fr die

    Produktinnovation mchte dieser nur ungern seinen eingeschlagenen Weg verlassen, weshalb

    dem Pionier eine Trgheit nachgesagt wird. Auf der anderen Seite erlaubt der zeitliche Versatz

    dem Folger aus den Fehlern des Pioniers zu lernen (vgl. Lieberman/Montgomery 1988, S. 47ff.,

    1998; Kerin/Varadarajan/Peterson 1992; Golder/Tellis 1993, S. 161).

    2.5.1 Free-Rider-Effekte

    Free-Rider-Effekte entstehen wenn Folgerunternehmen von der Aufbauleistung des Pioniers

    profitieren. Dies kann im Rahmen von Forschung und Entwicklung sowie hinsichtlich der

    Kundenerziehung oder der Infrastruktur ausgenutzt werden. Bei radikalen Produktinnovationen

    muss der Begriff der Infrastruktur weit gefasst werdenz.B. Aufbau von Lieferanten, Schulung

    von Personal und ffentliche Infrastruktur. Free-Rider-Effekte lassen die frhen Investitionender Pionierunternehmen unattraktiv wirken und reduzieren das Ausma sowie die Dauer des

    Profits (vgl. Lieberman/Montgomery 1988, S. 47). Auf der anderen Seite knnen die

    Produktentwicklungskosten sowie die Kosten fr den Markteintritt fr den Folger geringer

    ausfallen, da das grundlegende Produktdesign bereits entwickelt wurde und der Markt damit

    vorbereitet ist. Dies lsst sich darauf zurckfhren, dass Imitationskosten der Folger meist

    geringer ausfallen als Innovationskosten der Pioniere und dass das Risiko von

    Fehlentscheidungen reduziert ist (vgl. Mansfield/Schwartz/Wagner 1981, S. 909). Geht mandavon aus, dass Mitarbeiter des Pioniers im Rahmen des Marktaufbaus bezglich der

    Innovation geschult und ausgewhlt worden sind, kann der Folger versuchen, diese

    Free-Rider-Effekte Risikofaktoren

    Lerneffekte derFolger

    Trgheit desPioniers

    Abbildung 2: Mechanismen des Pioniernachteils. In Anlehnung an (Clement/Litfin/Vanini(1998), S. 210)

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    14

    Humanressourcen abzuwerben. Die Kosten pro Mitarbeiter sind nach dem Free-Riding-Prinzip

    trotz eventueller Transferzahlungen geringer, als wenn der Folger die Mitarbeiterentwicklung

    und Mitarbeiterauswahl selbst vornehmen wrde (vgl. Guasch/Weiss 1980, S. 454).

    2.5.2

    Risikofaktoren

    Neben potentiellen Chancen ist das Risiko fr ein Pionierunternehmen und dessen

    Markteinfhrung einer Produktinnovation gro. So kann die tatschliche Marktentwicklung

    von der prognostizierten abweichen. Aufgrund der Neuheit des Marktes knnen leicht Fehler

    entstehen und Unsicherheiten bezglich der weiteren Entwicklungen fhren zu falschen

    Allokationen. Die Folger knnen diese Pionierrisiken zu ihrem Vorteil nutzen, indem sie aus

    den Fehlern des Pioniers lernen und so lange mit dem Markteintritt warten, bis die Risiken

    berschaubar werden.

    Folgende risikobezogene Faktoren lassen sich fr den Pionier erkennen (vgl.

    Lieberman/Montgomery 1988, S. 47ff.; Robinson/Min 2002, S. 126; Clement, Litfin and

    Vanini 1998, S. 209ff.; Kerin/Varadarajan/Peterson 1992, S. 45):

    Unsicherheiten bezglich der Marktentwicklung (Nachfrage, Geschwindigkeit).

    Unsicherheiten und Vernderungen bezglich der technologischen Entwicklung (u.a.

    Leapfrogging, wenn Folger Pioniertechnologie berspringen und bessereFolgegeneration anbieten).

    Vernderungen der Kundenbedrfnisse.

    2.5.3 Lerneffekte der Folger und Trgheit des Pioniers

    Die Lerneffekte der Folger sowie die Trgheit des Pioniers stellen die letzten Pioniernachteile

    dar und bauen auf zuvor genannten auf. Macht der Pionier aufgrund der Ungewissheit ber den

    Markt Fehler, kann der Folger auf diese reagieren oder daraus lernen und reduziert damit seine

    eigenen Risiken sowie Kosten.

    Die meisten Fehler beruhen auf der Trgheit bzw. Inflexibilitt des Pioniers (vgl.

    Lieberman/Montgomery 1988, S. 48). Diese Pioniere ttigen im Zuge der Entwicklung und

    Einfhrung der Produktinnovation groe Investitionen, die irreversibel sind. War die

    Marktpositionierung nicht korrekt, ndern sich Markt- oder Technologiebedingungen oder

    mssen organisatorische Vernderungen vorgenommen werden, fllt es dem Pionier schwer,

    diese Investitionen als verloren anzuerkennen und nderungen anzustoen (vgl. Porter 1980,

    S. 226ff.; Kerin/Varadarajan/Peterson 1992, S. 47). Die Trgheit als Nachteil wird in der

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    15

    Literatur kritisch hinterfragt, denn auch der Pionier selbst kann aus seinen eigenen Fehlern

    lernen. Somit kommt es strker auf die Unternehmenskultur und die Flexibilitt des

    Unternehmens an (vgl. von der Oelsnitz 1996b, S. 109).

    2.6

    Fazit der Auswirkungen der Pionierstrategie

    Aus der vorangegangenen Diskussion um die Vorteile und Nachteile der Pionierstrategie lsst

    sich keine allgemeine Handlungsempfehlung ableiten. Empirische Studien zeigen, dass das

    Ausma der Pioniertat von zahlreichen Faktoren abhngt und die Pionierstrategie eher als

    Chance mit daraus resultierenden Vorteilen verstanden werden kann. Diese Chancen zu nutzen

    hngt von Wettbewerbsfaktoren sowie von Markt- und Ressourcencharakteristika ab.

    Aus der Literatur geht nicht eindeutig hervor, welche dieser Pioniervorteile fr die Praxis am

    Wichtigsten sind. Es ist lediglich eine leichte Tendenz zu erkennen, dass die Effekte der

    technologischen Fhrung grere Vorteile generieren als die der Besetzung knapper

    Ressourcen.

    Die zuvor beschriebenen Mechanismen der Pionierstrategie liefern Ansatzpunkte fr den

    empirischen Teil dieser Arbeit. Zunchst wird im folgenden Kapitel auf den aktuellen

    Forschungsstand eingegangen. Hierbei werden die verschiedenen Forschungsstrme

    herausgearbeitet und mittels drei Erklrungsmodellen diskutiert. Dies bildet die Grundlage fr

    die empirische Untersuchung, die mittels einer qualitativen Studie die Pionierstrategie

    erforscht.

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    16

    3 Forschungsberblick

    In der empirischen Forschung zum Thema Pionierstrategie gibt es eine Vielzahl von Studien,

    die den Effekt des Markeintritts des Pioniers untersuchen. Viele dieser Studien zeigen

    empirisch die positiven Auswirkungen der Pionierstrategie (vgl. Robinson/Fornell 1985;

    Urbanet al. 1986; Lambkin 1988; Parry/Bass 1990; Carpenter/Nakamoto 1989;

    Kardes/Kalyanaram 1992; Brown/Lattin 1994, S. 654ff.; Huff/Robinson 1994, S. 654ff.).

    Andere Studien kommen zu keinem klaren Ergebnis, da sie die jeweiligen Vor- und Nachteile

    der Pioniere gleichwertig aufdecken (vgl. Robinson/Fornell/Sullivan 1992;

    Bohlmann/Golder/Mitra 2002). Die dritte Gruppierung von Studien geht von einem deutlichen

    Pioniernachteil aus (vgl. Golder/Tellis 1993).

    3.1 Historische Entwicklung der Pionierforschung

    Bain beschftigte sich bereits 1956 mit dem Thema der Markteintrittsbarrieren und erklrt in

    seiner Forschung den Zusammenhang zwischen Pioniervorteilen und einem durch

    Markteintrittsbarrieren erschwerten Eintritt von Folgern (vgl. Bain 1956, S. 3). BainsArbeit

    stellt den Grundstein der nachfolgenden Forschung um die Pionierdiskussion dar. Erfolgreiche

    Pioniere wie Coca-Cola steigerten zudem das Interesse der Wissenschaft, die Eigenschaften

    und Auswirkungen von Pionierunternehmen zu erforschen (vgl. Vidal 1993, S. 139). Beginnend

    mit den 80er Jahren fand schlielich eine Systematisierung der Forschung um die

    Pioniervorteile statt. Diese umfasste verschiedene Untersuchungsdesigns und unterschiedliche

    Annahmen ber den Zusammenhang des zeitlichen Markteintrittszeitpunkts sowie des

    Unternehmenserfolgs, welcher anhand des Marktanteils gemessen wird (vgl.

    Lieberman/Montgomery 1988; Kerin/Varadarajan/Peterson 1992; Brown/Lattin 1994, S.

    1368). Infolge einer steigenden Relevanz des zeitlichen Markteintritts fr die Praxis gewann

    die Pionierforschung an Aufmerksamkeit, sodass mit Beginn der spten 80er Jahren zahlreiche

    Studien mithilfe von PIMS-Datenbanken durchgefhrt wurden. PIMS steht fr Profit Impact

    of Marketing Strategies und stellt () ein empirisches Forschungsprojekt im Bereich der

    strategischen Analyse und Planung, das Anfang der 1960er-Jahre () initiiert () wurde, dar

    (Gabler Wirtschaftslexikon 2015b). Aufgrund der groen Unterschiede zwischen den einzelnen

    Studien variieren die Ergebnisse dementsprechend und die Forschung gelangt nicht zu einem

    eindeutigen Ergebnis. Einige Studien kommen zu dem Ergebnis, dass ein direkter

    Zusammenhang zwischen der Reihenfolge und dem Unternehmenserfolg besteht. Andere

    Studien weisen dem Markteintrittszeitpunkt lediglich eine untergeordnete Rolle in Bezug auf

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    17

    den Unternehmenserfolg zu (vgl. De Castro, Julio O./Chrisman 1995, S. 172; von der Oelsnitz

    1996b, S. 108; Bowman/Gatignon 1996, S. 222; Denstadli/Lines/Grnhaug 2005, S. 872).

    Ein berblick ber die empirischen Arbeiten ist in Anhang A.1 abgebildet. Aufgrund der

    Vielzahl von Forschungsaktivitten seit den spten 1950er Jahren sowie den zahlreichenberschneidungen der Pionierforschung mit anderen Forschungsbereichen ist ein vollstndiger

    berblick nicht realisierbar.

    3.2 Beziehungsstrukturen in der empirischen Forschung berPioniervorteile

    Die Erkenntnisse der bisherigen Forschung lassen sich anhand der drei, aufeinander

    aufbauenden Beziehungsstrukturen darstellen, die sich seit den spten 50er Jahren entwickelthaben. In der ersten Stufe wurde eine direkte Beziehung zwischen dem zeitlichen Markteintritt

    und dem Unternehmenserfolg angenommen. Da sich diese Beziehung in der Praxis nicht immer

    besttigen lie bzw. weitere Faktoren vermutet wurden, entstanden in der zweiten Stufe

    komplexere Modelle mit moderierenden Variablen. Auf der dritten Stufe sind Modelle zu

    platzieren, die Markt- und Ressourcencharakteristika als Moderatoren des Markteintritts sehen

    und somit den Einfluss des direkten Effekts der Markteintrittsreihenfolge auf den Erfolg weiter

    abschwchen (vgl. von der Oelsnitz 1996b, S. 108; Clement/Litfin/Vanini 1998, S. 211ff.).

    3.2.1 Direkte Beziehungsstruktur

    Den Beginn der empirischen Forschung ber die Vorteile der Pionierstrategie stellt die Studie

    von (vgl. Urban et al. 1986) dar. Sie entwickelten ein grundlegendes Modell, das den direkten

    Zusammenhang zwischen der zeitlichen Markteintrittsstrategie und dem Unternehmenserfolg

    modelliert. Das Modell von Urban et al. beschrnkt sich bei der Markteintrittsstrategie jedoch

    nicht nur auf die zeitliche Reihenfolge des Markteintritts, sondern erweitert den Begriff um diezeitlichen Abstnde zwischen den Markteintritten der Wettbewerber, die Hhe der

    Investitionen des Markteintritts sowie die Produktpositionierung beim Markteintritt (vgl. Urban

    et al. 1986, S. 648). Die Grundannahme des Modells ist, dass jede dieser einzelnen

    unabhngigen Variablen direkt auf den Erfolg des Unternehmens wirkt. Dies ist inAbbildung

    3 dargestellt.

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    18

    Als Ergebnis ihrer Studie stellten Urban et al. einen deutlichen Vorteil der Pionierstrategie fest,

    der selbst nach dem Markteintritt von Folgern bestand behielt (Urban et al. 1986, S. 654).

    Sptere Untersuchungen kommen zu einem hnlichen Ergebnis, was die Meinung ber die

    positiven Auswirkungen der Pionierstrategie weiter strkte und immer breitere Zustimmungfand (vgl. Lambkin 1988; Brown/Lattin 1994; Huff/Robinson 1994). In der Folge begannen

    einige Forscher am Modell zu zweifeln und forderten, anstatt der einzelnen Betrachtung des

    direkten Effekts der Markteintrittsstrategie zustzlich weitere, indirekte Faktoren strker zu

    bercksichtigen. Es wurde vermutet, dass durch die einseitige Betrachtung der Reihenfolge des

    Markteintritts der Unternehmenserfolg berschtzt wird (vgl. Lambkin 1988;

    Moore/Boulding/Goodstein 1991; Kerin/Varadarajan/Peterson 1992;

    Szymanski/Troy/Bharadwaj 1995).

    3.2.2 Direkte Beziehungsstruktur mit moderierenden Einflssen

    Diese Kritik war ausschlaggebend fr die Erweiterung des grundlegenden Modells von Urban

    et al., das in der zweiten Stufe um einen weiteren Faktor - die Wettbewerbsstrategie - ergnzt

    wurde. Unter dem Begriff der Wettbewerbsstrategie sind Manahmen wie Produktqualitt,

    Produktlinienbreite, Preis, Marketinginvestitionen sowie Repositionierungen des Produkts zu

    verstehen (vgl. Robinson/Fornell 1985, S. 310; Szymanski/Troy/Bharadwaj 1995, S. 21f.).

    Markteintrittsstrategie Reihenfolge des Markteintritts Zeitlicher Abstand zwischen

    Markteintritten der Wettbewerber Hhe der Markteintrittsinvestitionen Produktpositionierung beim Markteintritt

    Erfolg

    Wettbewerbs-strategie

    Abbildung 3: Modell mit direkten Beziehungen; Grundmodell von Urban et al. InAnlehnung an (Clement/Litfin/Vanini (1998), S. 212))

    Abbildung 4: Modell mit indirektem und direktem Einfluss auf Erfolg. In Anlehnung an(Clement, Litfin, Vanini (1998), S. 212)

    Markteintrittsstrategie Reihenfolge des Markteintritts Zeitlicher Abstand zwischen

    Markteintritten der Wettbewerber

    Hhe der Markteintrittsinvestitionen Produktpositionierung beim Markteintritt

    Erfolg

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    Abbildung 4 verdeutlicht den indirekten und direkten Effekt auf den Erfolg. Die

    Markteintrittsstrategie hat weiterhin einen direkten Effekt auf den Unternehmenserfolg, dieser

    wird darber hinaus nun aber zustzlich von der Wettbewerbsstrategie beeinflusst. Die

    Kostenstruktur, die Komponenten der Marketingmix-Entscheidung sowie das Wissen des

    Konsumenten ber das Produkt beeinflussen nun den Erfolg des Unternehmens im Falle einer

    Pionierstrategie.

    Die Studien mit Bercksichtigung von moderierenden Effekten kommen zu dem Ergebnis, dass

    die Wettbewerbsstrategie einen deutlichen Einfluss auf den Erfolg des Pioniers hat. Die

    Ergebnisse der Studien verdeutlichen erneut den hheren Marktanteil der Pionierunternehmen,

    gepaart mit hherer Produktqualitt und grerer Produktlinienbreite im Vergleich zu den

    Folgern. Der Pioniervorteil existiert somit noch immer, obwohl sich dessen Effekte im Modellder zweiten Stufe allerdings verndert haben. Zudem wurde herausgefunden, dass

    Produktdifferenzierung eine wirksame Markteintrittsbarriere fr Folger darstellt und somit

    ebenfalls moderierend auf den Erfolg des Pioniers wirkt (vgl. Robinson/Fornell 1985, S. 315;

    Robinson 1988, S. 93; Parry/Bass 1990, S. 194; Moore/Boulding/Goodstein 1991, S. 101;

    Murthi, B. P. S./Srinivasan/Kalyanaram 1996, S. 333). Die Studie von Robinson und Fornell

    aus dem Jahre 1985 steht symptomatisch fr die zweite Stufe der empirischen Forschung der

    Pionierrolle. Die zentrale Aussage des Modells mit moderierenden Effekten ist die besondere

    Bedeutung der indirekten Pionierwirkung auf den Erfolg. Einige nachfolgende Studien zeigen

    sogar, dass die indirekte Pionierwirkung auf den Erfolg einen greren Einfluss hat als die

    direkte Wirkung durch die Wahl der zeitlichen Markteintrittsstrategie in Form der Pionierrolle

    (vgl. Robinson 1988, S. 87ff.; Moore/Boulding/Goodstein 1991, S. 103; Huff/Robinson 1994,

    S. 1374ff.). Dies unterstreicht die vorgebrachten Zweifel am Modell der ersten Stufe. Der

    insgesamt positive Effekt der Pionierrolle auf den Erfolg des Unternehmens bleibt in der Regel

    jedoch bestehen.

    3.2.3 Indirekte Beziehungsstruktur

    Das indirekte Modell mit Markt- und Ressourcencharakteristika stellt die dritte

    Entwicklungsstufe der Forschung bezglich der Pionierrolle und deren Vorteile dar. Dieses

    Modell bercksichtigt bisher unbeachtete Faktoren, die durch Wettbewerbsvorteile

    hervorgerufen werden und sich somit auf den Erfolg des Pionierunternehmens auswirken.

    Studien zeigen, dass neue Faktoren aus dem Bereich der Markt- und Ressourcencharakteristika

    einen Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens haben (vgl. Kerin/Varadarajan/Peterson 1992,

    S. 39ff.; Lambkin 1992, S. 18; Green/Barclay/Ryans 1995, S. 3; Szymanski/Troy/Bharadwaj

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    1995, S. 21f.; Rodrguez-Pinto/Gutirrez-Cilln/Rodrguez-Escudero 2007, S. 590).Abbildung

    5 zeigt das abermals erweiterte Grundmodell von Urban et al.

    Der Erfolg eines Pionierunternehmens ist hier nicht mehr nur durch die Entscheidungsfrage

    Pionierrolle oder Folgerrolle? bestimmt, sondern vor allem durch die Ausprgungen der

    Wettbewerbsstrategie sowie der Marktcharakteristika und Ressourcenausstattung des

    Unternehmens. Unter dem neu hinzugekommenen Variablenbndel Marktcharakteristika und

    Ressourcenausstattung lassen sich folgende Begriffe zusammenfassen: Marktkonzentration,

    Marktwachstum, Marktpotential, Markteintrittsbarrieren, Anzahl der Wettbewerber,

    Wettbewerbsintensitt, Lebenszyklusphase des Marktes, Kapitalausstattung, Fhigkeiten in

    Forschung und Entwicklung/Marketing/Produktion sowie vorherige Eintrittserfahrungen und

    Markenname (vgl. Parry/Bass 1990, S. 190ff.; Kerin/Varadarajan/Peterson 1992, S. 39;

    Robinson/Fornell/Sullivan 1992, S. 609ff.; Green/Barclay/Ryans 1995, S. 3;

    Kalyanaram/Robinson/Urban 1995, S. 217; Bayus/Jain/Rao 1997, S. 59; Rodrguez-

    Pinto/Gutirrez-Cilln/Rodrguez-Escudero 2007, S. 590). Die beiden Variablengruppen

    Produkt- und Marktcharakteristika sowie Ressourcen des Unternehmens haben einen direkten

    Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Verschiedene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass

    sich starkes Marktwachstum negativ, groe Mrkte positiv und hohe Wettbewerbsintensitt

    ebenfalls negativ auf den Erfolg des Pioniers auswirken (vgl. Robinson/Fornell 1985, S. 312ff.;

    Parry/Bass 1990, S. 192ff., Lambkin 1992, S. 15, 1992, S. 15; Szymanski/Troy/Bharadwaj1995, S. 26f.). Robinson et al. besttigen, dass die Managementfhigkeiten einen positiven

    Markteintrittsstrategie Reihenfolge des Markteintritts Zeitlicher Abstand zwischen

    Markteintritten der Wettbewerber Hhe der Markteintrittsinvestitionen Produktpositionierung beim Markteintritt

    Erfolg

    Wettbewerbs-strategie

    Produkt- undMarktcharakteristika

    Ressourcen desUnternehmens

    Abbildung 5: Modell mit Markt- und Ressourcencharakteristika. In Anlehnung an (Clement,Litfin, Vanini (1998), S. 214)

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    Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Dies fhrt laut deren Studie jedoch nicht

    zwangslufig dazu, dass der Pionier intrinsisch strker ist als der Folger. Des Weiteren

    relativieren Murthi et al. den Einfluss von Faktoren wie Managementfhigkeiten auf den Erfolg

    und stellen einen positiven Effekt der Managementfhigkeit auf den Unternehmenserfolg fest.

    Im Hinblick auf das Signifikanzniveau stellt sich dieser jedoch als nicht ausreichend heraus

    (vgl. Murthi, B. P. S./Srinivasan/Kalyanaram 1996, S. 329). Darber hinaus unterscheiden sich

    die Fertigkeits- und Ressourcenprofile der Pioniere von den Folgern deutlich (vgl.

    Kalyanaram/Robinson/Urban 1995, S. 217).

    Neben dem direkten Einfluss von Markt- und Ressourcencharakteristika auf den Erfolg existiert

    auch ein indirekter Effekt. Wie in Abbildung 5 zu sehen ist, wirken die Markt- und

    Ressourcencharakteristika auf die Markteintrittsstrategie ein. Die Entscheidung, ob einUnternehmen die Pionierstrategie oder die Folgerstrategie whlt, wurde bisher als gegeben

    betrachtet. Diese Entscheidung hngt aber auch von den entsprechenden exogenen Markt- und

    Ressourcengegebenheiten ab (vgl. Green/Barclay/Ryans 1995, S. 1ff.). Stimmen die Produkt-

    und Marktcharakteristika, knnen diese dem Pionierunternehmen Chancen erffnen, effektive

    Wettbewerbsvorteile gegenber Folgern aufzubauen. Ob das Unternehmen diese Chancen

    wahrnimmt und ob das Pionierunternehmen davon profitiert, hngt wiederrum von den

    Ressourcen des Unternehmens ab (vgl. Lambkin 1992, S. 1ff.). Der Pionierstatus stellt demnach

    nicht mehr den Garant fr den Unternehmenserfolg dar, sondern bietet dem Unternehmen

    lediglich eine Chance, sich am Markt zu behaupten (vgl. Tellis/Golder 1996, S. 167).

    Einen weiterhin offenen Kritikpunkt stellen alle anderen unbeobachteten Faktoren dar, die zu

    einer verzerrten Einschtzung des Pioniervorteiles fhren knnten (vgl. Murthi, B. P.

    S./Srinivasan/Kalyanaram 1996, S. 329). Hierbei wird von Glck und situationsspezifischen

    Faktoren gesprochen. Es werden aber auch Faktoren wie der Unternehmenskultur oder der

    Reputation ein Einfluss zugesprochen (vgl. Robinson/Fornell/Sullivan 1992, S. 622;

    Hildebrandt/Annacker 1996, S. 1410).

    Forschungsvorhaben, die das Modell der dritten Stufe abbilden, werden sehr komplex und sind

    infolgedessen nicht mehr dazu geeignet, alle Einflussfaktoren auf den Erfolg des

    Pionierunternehmens komplett zu erklren. Einen Ansatz zur Lsung dieses Problems sehen

    Murthi et al. in der Operationalisierung einzelner Variablen mithilfe der Dateneinhllanalyse

    (DEA). In ihrer Studie operationalisieren sie Managementfhigkeiten (vgl. Murthi, B. P.

    S./Srinivasan/Kalyanaram 1996, S. 335). Da nach aktuellem Kenntnisstand nicht alle Faktorenim Modell bercksichtigt werden knnen, wird eine Kontrolle von unbeobachteten Faktoren

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    gefordert (vgl. Hildebrandt/Annacker 1996, S. 1409f.). Diese Bercksichtigung erhlt in der

    Pionierforschung bislang kaum Gewicht (vgl. Jacobson 1990). Es finden sich allerdings auch

    keine Studien, die eine berschtzung durch Nichtbeachtung von unbeobachteten Faktoren

    besttigen wrden. Die Studie von Murthi et al. bindet unbeobachtete Faktoren methodisch

    korrekt ein und ermittelt trotzdem einen hohen Pioniervorteil (vgl. Murthi, B. P.

    S./Srinivasan/Kalyanaram 1996, S. 335).

    3.3 Kritische Betrachtung der Literatur

    Ein Groteil der empirischen Pionierforschung basiert auf Datenmaterial der PIMS-Datenbank.

    Diese kommen zu dem Ergebnis, dass der Pionier durchschnittlich einen um 30 Prozent hheren

    Marktanteil als die entsprechenden Folger aufweist (vgl. Golder/Tellis 1993, S. 168). Werdenanstelle von Lngsschnittstudien mit PIMS-Daten Querschnittsuntersuchungen durchgefhrt,

    sinkt dieser Wert auf bis zu 10 %. Diese Diskrepanz in den Ergebnissen, ausgelst durch die

    zugrundeliegenden Studiendesigns, ist zu hinterfragen.

    Die PIMS-Studien adressieren in ihren Diskussionen oftmals selbst die Beschrnkungen der

    PIMS-Datenbank. Die branchenbergreifenden PIMS-Daten fhren zu einer

    Nivellierungstendenz und die Nicht-Bercksichtigung von spezifischen Situationen kommt

    einer gefhrlichen Vereinfachung gleich (Barzen/Whle 1990, S. 109; Green/Barclay/Ryans1995, S. 13; Mittal/Swami 2004, S. 31). Eine besondere Skepsis gegenber den PIMS-Studien

    ist in den PIMS-Daten selbst begrndet (vgl. Kerin/Varadarajan/Peterson 1992, S. 39;

    Clement/Litfin/Vanini 1998, S. 216f.; von der Oelsnitz 2000, S. 205ff.; Himme 2006, S. 174;

    Tellis/Golder 1996, S. 158f.; Golder/Tellis 1993, S. 158f.). Nachfolgend ein kurzer berblick

    ber die Kritikpunkte, die sich auf die PIMS-Studien in der Pionierforschung beziehen.

    Die Definition des Pionier-Status ist uneinheitlich. Es wurden nur zwei Kategorien

    operationalisiert, one of the pioneers in first developing such products and services und

    follower. Das fhrt dazu, dass ein Pionier nicht unbedingt wirklich als Erster auf dem Markt

    gewesen sein muss, sondern sich lediglich in dieser Position gesehen hat. Zudem zielt diese

    Definition eher auf den Produktpionier als auf den Marktpionier ab. Im Groteil der Literatur

    und in dieser Arbeit wird die Definition des Marktpioniers verwendet (vgl.

    Kerin/Varadarajan/Peterson 1992, S. 38). Diese Tatsache ist schwerwiegend, denn die

    Pionierstrategie zu whlen und damit als erster auf dem Markt zu sein stellt eine aktive

    Entscheidung dar, die in den vorangegangenen Modellen durch den direkten Effekt modelliertwird. Eine weitere Einschrnkung bezglich der Reliabilitt und der Validitt der Daten ist die

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    Tatsache, dass die unternehmenseigenen Befragten den Pionierstatus fr die betreffenden

    Unternehmen selbst klassifizieren (self perception bias) (vgl. Golder/Tellis 1993, S. 167;

    Kerin/Varadarajan/Peterson 1992, S. 38). Dies ist zu beachten, da 70 % der Geschftseinheiten

    der Meinung sind, man sei als einer der Pioniere auf den Markt gekommen (Buzzell/Gale

    1989, S. 153). Auch bei der Auswahl der untersuchten Unternehmen gibt es eine Verzerrung,

    denn in der PIMS-Datenbank sind nur solche Unternehmen verzeichnet, die den Markteintritt

    berstanden haben (survivor bias) (vgl. Robinson/Fornell 1985, S. 309; Lambkin 1988, S. 137;

    Green/Ryans 1990, S. 47; Kerin/Varadarajan/Peterson 1992, S. 38; VanderWerf/Mahon 1997,

    S. 1513; Szymanski/Troy/Bharadwaj 1995, S. 25). Laut der Studie von Golder und Tellis

    scheitern 47 % der Marktpioniere (vgl. Tellis/Golder 1996, S. 163). Zudem sind die

    Geschftsbereiche durchschnittlich gro und umsatzstark, d.h. die Verteilung der

    Unternehmen ist nicht reprsentativ (vgl. von der Oelsnitz 2000, S. 207). Da

    Querschnittsuntersuchungen generell Zeitpunkte untersuchen, ergibt sich zwangslufig eine

    Vergangenheitsbetrachtung. Dieser Zeitversatz kann allerdings zu

    Wahrnehmungsverzerrungen fhren. Demzufolge wurde zum Beispiel Pampers in manchen

    Studien als Pionier bei den Wegwerf-Windeln definiert, tatschlich war die Marke lediglich

    Fast Follower. Die Marke Chux hat den Markt der Wegwerf-Windeln bereits 30 Jahre vor

    der Marke Pampers begrndet (vgl. Tellis/Golder 1996, S. 67; VanderWerf/Mahon 1997, S.

    1514). Eine weitere zeitliche Komponente senkt die Glaubwrdigkeit der PIMS-Studien. Es ist

    unklar, wann der Erfolgsfaktor Marktanteil gemessen wurde. Dementsprechend kann die

    Zeitspanne zwischen dem Markteintritt und der Messung variieren. Oftmals geschah dies zu

    beliebigen Zeitpunkten, was die Vergleichbarkeit mindert (vgl. Parry/Bass 1990, S. 193f.;

    Kerin/Varadarajan/Peterson 1992, S. 39). Wie im Kapitel der Wirkungsmodelle bereits

    erwhnt, knnen einige Kriterien nicht oder nur schwer beobachtet werden und werden

    deswegen aus den Untersuchungen ausgeschlossen. Jedoch wird vermutet, dass diese Kriterien

    den Erklrungsgehalt erhhen wrden (vgl. Murthi, B. P. S./Srinivasan/Kalyanaram 1996, S.329). Auch am hufig verwendeten Erfolgsma Marktanteil, das fr die langfristige

    Profitabilitt des Unternehmens steht, kommen Zweifel auf (vgl. Szymanski/Troy/Bharadwaj

    1995, S. 18; Boulding/Staelin 1990, S. 1174f.). Der Marktanteil sagt nmlich nicht

    zwangslufig etwas ber die Profitabilitt und damit die Chance zu berleben aus (vgl.

    Boulding/Staelin 1990, S. 1174f.; Buzzell 2004, S. 479f.). Das Erfolgsma Marktanteil ist

    selbst von einem Bias2 betroffen (vgl. Lieberman/Montgomery 1988, S. 51): ein hherer

    2Stilisiertes Beispiel: Zwei Firmen mit identischen Wachstumsraten (20 %) und ohne Gewinn. Dann hat derPionier, welcher ein Jahr vor dem Folger auf den Markt kommt, einen natrlichen Marktanteilsvorsprung von20 % (vgl. Lieberman/Montgomery (1988), S. 51).

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    Marktanteil muss sich nicht in hheren Gewinnen widerspiegeln, die empirischen

    Korrelationen sind indes gering (vgl. Boulding/Staelin 1990, S. 1160; Clement/Litfin/Vanini

    1998, S. 217). Studien, die sich beim Erfolgsma lediglich auf den Marktanteil beschrnkten,

    ermittelten in 100 % der Flle einen Pioniervorteil, Studien mit anderen Erfolgsmaen lediglich

    in 60 % der Flle (vgl. VanderWerf/Mahon 1997, S. 1512).

    Die Kritiken und Nachteile der PIMS-Datenbank haben gezeigt, dass diese nur bedingt fr die

    Pionierforschung geeignet ist. Trotzdem wurde in den Studien hufig darauf zurckgegriffen.

    Dies lsst sich unter anderem auf die leichte Zugnglichkeit und die verfgbaren groen

    Datenmengen zurckfhren (Himme 2006, S. 175).

    Lngsschnittstudien oder historische Analysen adressieren einige der angesprochenen

    Kritikpunkte und verbessern somit die Aussagekraft der Studien. Allerdings ist auch diesesDesign nicht fehlerfrei. Zum Beispiel knnen Zeitungsartikel und Expertenaussagen als

    Datenquelle als nicht ausreichend betrachtet werden und die geringe Anzahl der Datenpunkte

    zur Reprsentativitt nicht beitragen (vgl. von der Oelsnitz 2000, S. 210).

    3.4 Zusammenfassung des Forschungsgebietes

    Auch wenn sich nach diesen Erkenntnissen kein eindeutiges Forschungsdesign bzw. keine

    eindeutige Forschungsmethode fr die Pionierforschung erkennen lsst, steht das Grundmodell

    nach Urban et al. stark auf dem Prfstandob die Reihenfolge des Markteintritts wirklich den

    Erfolg der Unternehmung erklren kann. Studien, die sich auf die zweite oder dritte Stufe der

    Erklrungsmodelle berufen, heben die Bedeutung von einer Vielzahl von Faktoren und

    Kriterien hervor, die den Unternehmenserfolg beeinflussen (vgl. Kerin/Varadarajan/Peterson

    1992, S. 46). Die Reihenfolge des Markteintritts ist somit nur noch von moderierender

    Bedeutung und die Pionierstrategie bietet lediglich eine Chance auf Erfolg (vgl.

    Bowman/Gatignon 1996, S. 223). Der Einfluss auf den Erfolg kann indirekt und

    mehrdimensional sein, auf jeden Fall ist dieser als komplex einzustufen. Zudem ist

    festzustellen, dass die Strke des Pioniereffekts unabhngig von den Faktoren und Kriterien

    auch stark vom Untersuchungsdesign abhngt und infolgedessen schwankt.

    Ein berblick ber die wichtigsten Studien der empirischen Pionierforschung bietet Anhang

    A.1.

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    3.5 Forschungslcke

    Es wurden zahlreiche empirische Studien zu den Auswirkungen von Markteintrittsbarrieren in

    Bezug auf Pionierunternehmen verffentlicht und damit die Vorteile der Pionierstrategie

    erforscht. Die groe Zahl an verfgbaren Studien hebt die Bedeutung dieses Forschungsfeldes

    hervor. Trotzdem ist das Forschungsfeld nicht zufriedenstellend abgedeckt. Es stellt sich zum

    Beispiel die Frage, warum bei den starken Pioniervorteilen, die in der Literatur zu finden sind,

    nicht jedes Unternehmen die Pionierposition anstrebt. Es ist durchaus mglich, dass dies das

    erklrte Ziel der Unternehmen ist, jedoch knnen solche Sachverhalte durch die quantitative

    PIMS-Forschung nicht bercksichtigt werden. Darber hinaus sind Fragen offen geblieben, wie

    die Unternehmen aus der Praxis Stellung zu den empirischen Vor- und Nachteilen der

    Pionierstrategie nehmen. Was fr Grnde und Einflussfaktoren wirken auf die Wahl einerzeitlichen Markteintrittsstrategie aus Sicht der Unternehmen. Lassen sich Zusammenhnge

    zwischen den Aussagen aus der Praxis und den empirischen Studien erkennen?

    Diese Arbeit legt den Fokus darauf, durch das qualitative Design Antworten auf offene Fragen

    zu finden. Sie soll sich nicht in die Reihe der bisherigen Forschungen zur Pionierstrategie

    einreihen. Vielmehr werden mit strukturierten Experteninterviews Mngel und Defizite der

    bisherigen Forschung adressiert und der Bezug zu den Denkweisen der Unternehmen

    herausgestellt.

    Wir stehen vor einem grundlegenden Wandel der Mobilitt. Und es waren schon oft

    Angreifer von auen, die eine Branche umgekrempelt haben. (Bratzel 2015)

    Als Untersuchungsgebiet wurde die Automobilbranche mit Fokus auf die Elektromobilitt

    ausgewhlt, da sich hier ein neues Innovationsfeld aufgetan hat, das einen Aufbruch der alten

    Strukturen bezglich Pionier- und Folgerunternehmen mglich macht.

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    4 Empirie

    Die bisherigen Ausfhrungen dienten dazu, einen theoretischen Rahmen zur Erklrung

    bestimmter Merkmale der Pionierstrategie zu erstellen. Die nachfolgende Untersuchung wird

    darauf abzielen, die erarbeiteten Merkmale in einem praxisnahen Kontext empirisch zu prfen

    und damit einen Beitrag zur Thematik der Pionierstrategie zu leisten.

    Bei der Durchfhrung empirischer Untersuchungen stellt die Wahl der Methodik einen

    wichtigen Bestandteil dar. Die Methode muss zur Forschungsfrage sowie zum

    Untersuchungshintergrund passen. In den nachfolgenden Kapiteln werden zunchst die

    methodischen Grundlagen zusammen mit der Form der Datenerhebung und der

    Datenauswertung erlutert, bevor schlielich in Kapitel4.2 auf die Auswertung eingegangen

    wird.

    4.1 Methodische Grundlagen

    In diesem Kapitel werden das methodische Vorgehen sowie dessen Begrndung transparent

    gemacht. Insbesondere bei qualitativen Methoden, die meist offen und flexibel sind, ist die

    Methodenkontrolle wichtig. Denn selbst einleuchtende Ergebnisse sind sinnlos, wenn diese

    nicht berprft werden knnen. Dies wird durch ein () explizites, methodischkontrollierbares Verfahren sichergestellt (Mayring 2002, S. 29).

    4.1.1 Qualitative Datenerhebung

    Bei der Festlegung der Methode galt zunchst festzusetzen, ob die Daten quantitativ oder

    qualitativ erhoben werden sollten. Die Fragestellungen dieser Arbeitwie die Praxis zu den

    theoretischen Vor- und Nachteilen der Pionierstrategie Stellung nimmt und welche warum von

    besonderer Wichtigkeit sindlegen eine qualitative Methodik nahe. Diese zielt darauf ab, diesubjektiven Sichtweisen und Zusammenhnge aufzudecken, die unter Umstnden noch gar

    nicht bekannt sind. Dementsprechend ist eine Methodik gefordert, die es den Befragten erlaubt,

    eigene Sichtweisen zu zeigen. Wie bereits in Kapitel3beschrieben wurde, basiert ein Groteil

    der bisherigen Forschung auf quantitativen Methoden, welche die PIMS-Datenbank als

    Datenquelle nutzen. Diese konnte die diffusen und nicht-datenbasierten Verhltnisse nicht in

    ausreichender Tiefe greifen, weshalb sich in dieser Arbeit fr die qualitative Methode

    entschieden wurde.

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    Der Ansatz soll sowohl theoriegeleitet als auch offen sein, um somit neue Aspekte einbeziehen

    zu knnen. Zur Datengewinnung werden strukturierte Experteninterviews genutzt, die einen

    Mittelweg aus starren statischen Interviews und extrem offenen Interviews bieten. Dies wird

    durch einen thematischen Leitfaden sichergestellt, der den Erkenntnissen aus der Literatur folgt,

    aber den Befragten dennoch gengend Freiheiten bezglich der Antworten bietet. Das

    Interview besteht aus zwei Teilen, wobei der erste Teil ein offenes Gesprch umfasst, in

    welchem der Befragte ber Grnde, Einflussfaktoren und Einschtzungen zum zeitlichen

    Markteintritt spricht. Ziel dieses offenen Teils ist es, die Erfahrungen und Sichtweisen des

    Befragten ohne uere Einflsse zu erfassen und dabei zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.

    Der zweite Teil des Interviews basiert auf den aus der Literatur abgeleiteten Vor- und

    Nachteilen der Pionierstrategie. Der Fokus liegt hier auf den subjektiven Sichtweisen und

    Stellungnahmen der Experten zu den einzelnen Themengebieten. Damit sollen die

    theoretischen Vor- und Nachteile der Pionierstrategie kritisch hinterfragt werden und deren

    Eignung im Kontext der Elektromobilitt berprft werden. Der strukturierte

    Interviewleitfaden ist in AnhangA.2 abgebildet.

    Die Experteninterviews wurden von November 2014 bis Januar 2015 durchgefhrt. Der

    Kontakt zu den Gesprchspartnern wurde telefonisch, per E-Mail oder XING hergestellt.

    Relevante Ansprechpartner wurden anhand der Jobbeschreibung in sozialen Netzwerken, den

    Internetauftritten der Unternehmen, landesweiten Portalen zur E-Mobilitt sowie

    Tagungsunterlagen identifiziert3. Insgesamt wurden 23 Interviews durchgefhrt, davon acht

    persnlich, 15 telefonisch. Fr die Datenerhebung sollten zunchst nur persnliche Gesprche

    verwendet werden. Auf ausdrcklichen Wunsch einiger Interviewpartner zu Beginn der

    Erhebung wurde ein Teil der Interviews telefonisch durchgefhrt. Ein Vergleich mit den bereits

    realisierten persnlichen Interviews bescheinigte den telefonischen Interviews eine ebenbrtige

    Qualitt, weshalb im weiteren Verlauf auch telefonische Befragungen zugelassen wurden.

    Telefonische Interviews wurden bei einer Entfernung von mehr als 200 Kilometern oder auf

    ausdrcklichen Wunsch der Experten gewhlt. Den Interviewteilnehmern wurde zu Beginn eine

    Anonymisierung ihrer Daten zugesichert, bei Bedarf wurde dies mittels einer

    Vertraulichkeitserklrung besttigt. Die Experteninterviews wurden mithilfe eines digitalen

    Diktiergerts aufgenommen und anschlieend nach den in Anhang A.3 festgelegten

    Transkriptionsregeln transkribiert.

    3Xing, LinkedIn, e-mobilbw.de, electrive.net.

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    Die Befragten haben sowohl bezglich den Entscheidungen der Vergangenheit als auch

    bezglich zuknftiger Entscheidungen des zeitlichen Markteintritts geantwortet. Hierbei sind

    mehrere Typen der Antwortverzerrungen zu bercksichtigen. Der Retrospektiveneffekt kann

    dazu fhren, dass die Ergebnisse im Rckblick positiver oder negativer bewertet werden (vgl.

    Fahrenberg et al. 2004, S. 5). Der Rezenzeffekt beschreibt den Sachverhalt, dass neuere

    Informationen einen greren Einfluss auf die Erinnerungsleistung der Befragten aufweisen als

    ltere Informationen (vgl. Baddeley/Hitch 1993, S. 146ff.). Der Rckschaufehler beschreibt die

    unzureichende Erinnerung an Ereignisse, nachdem der tatschliche Ausgang des Ereignisses

    bekannt ist (vgl. Grechenig/Roberto 2011, S. 5ff.). Diese drei Typen von Antwortverzerrungen

    spielen in diesem Bereich der Forschung eine untergeordnete Rolle und sind hufiger im

    juristischen Umfeld zu beobachten. Auerdem kann auch der Strfaktor der sozialen

    Erwnschtheit in Interviews auftreten. Hier geben die Befragten Antworten, von denen sie

    glauben, diese sei eine passendere Antwort als die Wahrheit (vgl. Stock 2004, S. 303f.). Durch

    die Gewhrung von Anonymitt, der gezielten Formulierung der Interviewfragen und der

    Tatsache, dass keine persnlichen Themen angesprochen wurden, wurde der Einfluss der

    sozialen Erwnschtheit minimiert.

    4.1.2 Qualitative Inhaltsanalyse

    Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring zielt auf eine Zusammenfassung der zu

    untersuchenden Texte ab, sodass sich der darin enthaltene Sinn in Kategorien einordnen lsst,

    die selbst einem bestimmten System unterliegen. Das Kategoriensystem dient als

    Ausgangspunkt fr die tiefergehende Analyse sowie fr die Interpretation der Texte.

    Gleichzeitig gewhrleistet es, dass das gesamte zur Verfgung stehende Material bercksichtigt

    wird und keine Bedeutungsstrukturen bersehen werden. Durch diese Regelgeleitetheit des

    inhaltsanalytischen Ablaufmodells ist die Methode berprfbar, systematisch und

    intersubjektiv nachvollziehbar (Mayring/Brunner 2009, S. 543). Die Arbeitsschritte der

    qualitativen Inhaltsanalyse sind inAbbildung 6 dargestellt.

    Die ersten Schritte der qualitativen Inhaltsanalyse befassen sich mit der Bestimmung des

    Ausgangsmaterials. Dabei wird das zu analysierende Material festgelegt und die

    Entstehungssituation der Datenerhebung sowie die formalen Charakteristika der Daten

    beschrieben. Darauf wurde in Kapitel4.1.1bereits eingegangen.

    Fr die Analyse der Texte muss deren Richtung spezifiziert werden, damit die Interpretationeinem Fokus unterliegt. Hierbei werden emotionale oder kognitive Inhalte weniger stark

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    bercksichtigt. Es wird hingegen mehr Wert auf den Inhalt der Aussagen sowie die Intentionen

    des Urhebers gelegt. Die theoriegeleitete Differenzierung setzt sich mit der Fragestellung des

    Forschungsvorhabens auseinander.

    Das Herzstck der qualitativen Inhaltsanalyse [nach Mayring] besteht in der Entwicklung undDurchfhrung des Ablaufmodells, welches die Schritte sechs und sieben umfasst

    (Ramsenthaler 2013, S. 28). Es stehen drei Verfahren der Analysetechnik zur Verfgung

    Zusammenfassung, Explikation und Strukturierungdie sich gegenseitig nicht ausschlieen.

    In dieser Arbeit werden die Zusammenfassung und die Strukturierung miteinander verknpft.

    Die Analysetechnik der Strukturierung soll aus den Texten bestimmte Aspekte extrahieren und

    diese in eine Struktur bringen. Dazu wird vorab ein Kategoriensystem aus den

    Forschungsfragen sowie der Theorie abgeleitet und anschlieend auf die Texte angewandt (vgl.Mayring/Brunner 2009, S. 548). Dagegen ist das Ziel der Zusammenfassung eine Reduktion

    des Datenmaterials, sodass nur die wesentlichen Inhalte der Aussagen erhalten bleiben. Hierbei

    erfolgt die Bildung des Kategoriensystems induktiv und schrittweise aus den Interviewdaten.

    Da mit jeder weiteren Textpassage neue Kategorien hinzukommen knnen, wird das

    Kategoriensystems mehrmals berarbeitet und die jeweiligen Passagen stndig den aktuellen

    Kategorien angepasst (vgl. Mayring/Brunner 2009, S. 547).

    Abbildung 6: Arbeitsschritte der qualitativen Inhaltsanalyse. In Anlehnung an (Ramsenthaler2013, S. 4)

    1. Festlegung des Materials

    2. Analyse der Entstehungssituation

    3. Formale Charakteristika des Materials

    4. Richtung der Analyse bestimmen

    5. Theoretische Differenzierung der Fragestellung

    6. Bestimmung der Analysetechniken,Festlegung des konkreten Ablaufmodells

    7. Definition der Analyseeinheiten

    8. Analyseschritte mittels des Kategoriensystems

    9. Interpretation der Ergebnisse in Richtung derFragestellung

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    Zusammenfassend lsst sich erkennen, dass die Kategorienbildung auf der einen Seite in einem

    bottom-up-Prozess aus dem Material erzeugt wird und auf der anderen Seite mit einem top-

    down-Prozess auf das Material angewendet wird (Ramsenthaler 2013, S. 29). Der offene, erste

    Teil des Interviews wird mittels der Zusammenfassung analysiert, der zweite, strukturierte Teil

    bezglich den Vor- und Nachteilen der Pionierstrategie wird mittels der Strukturierung

    untersucht.

    Das Ablaufmodell verlangt zudem eine Festlegung von Analyseeinheiten. Ein Wort wird als

    kleinste Kodiereinheit festgesetzt, da bereits wenige Worte fr die Zustimmung oder

    Ablehnung gengen. Die grere Kontexteinheit wird mit Aussagen und Textpassagen

    festgelegt. Das entwickelte Ablaufmodell wird auf die transkribierten Texte angewendet und

    entsprechend interpretiert.

    4.2 Ergebnisse

    Nachdem die Formalien der Datenerhebung festgelegt und die methodische Vorgehensweise

    erlutert wurden, folgt nun die Analyse und Interpretation der Experteninterviews. Der Aufbau

    orientiert sich an den Vor- und Nachteilen der Pionierstrategie, die aus der Literatur

    herangezogen wurden und mittels den Experteninterviews hinterfragt und bewertet werden.

    4.2.1 Charakteristika der Experteninterviews

    Nachfolgende Auflistung beschreibt die grundlegenden Charakteristika des Datenmaterials:

    8 persnliche Interviews, 15 telefonische Interviews

    21 mnnliche Experten, 2 weibliche Expertinnen

    5 Experten von deutschen Automobilunternehmen, 10 Experten von Importeuren, 3

    Experten von Beratungsunternehmen, 4 Experten von Zulieferern und 1 Experte aus

    dem Vertrieb

    Die Experten besetzen in den Unternehmen u.a. folgende Stellen bezglich der

    Elektromobilitt: Produktentwicklung, Produktplanung, Produktstrategie,

    Produktmanagement (und Marketing), Beratung, Geschftsfhrung, Public Affairs,

    Unternehmensplanung, Brand Management, Innovationsmanagement.

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    4.2.2 Schwierige Definition des Pioniers

    Ein Kritikpunkt der PIMS-Studien war, dass mit dem Begriff des Pioniers nicht konsistent

    umgegangen wurde. Zudem konnten sich die Teilnehmer selbst als Pioniere oder Folger

    kategorisieren. In dieser Arbeit geht es nicht primr um die Frage Pionier oder Folger,

    vielmehr wird der Fokus auf die Auswirkungen dieser Strategien gelegt. Um die Fragen im

    Gesprchsverlauf entsprechend zu formulieren, wurde die Einschtzung ber den Pionier- oder

    Folgerstatus abgefragt. Mit den Aussagen der Experten kann die Kritik an den PIMS-Studien

    bekrftigt und die Problematik der Pionierdefinition beleuchtet werden.

    Die formale Definition des Pioniers wurde den Befragten vorab klar dargelegt: Ein Pionier ist

    ein Unternehmen, das eine Produktinnovation als Erstes in den Markt einfhrt (siehe Kapitel

    2.2 und AnhangA.2). Folglich kann es theoretisch nur einen Pionier in der Elektromobilitt

    geben. Die entscheidende Frage ist jedoch, wie Granular das Gebiet der Elektromobilitt zu

    fassen ist. Dabei bietet sich zunchst eine grundlegende Untergliederung bezglich der

    Technologie an: BEV, FCEB, HEV, PHEV. Darber hinaus knnen in jeder Kategorie weitere

    Unterteilungen vorgenommen werden, z.B. nach Kleinserie/Groserie, nach Segmenten

    (Kompakt-Klasse, SUV, ) oder nach deutschen Herstellern/Importeuren. Entsprechend steigt

    auch die Anzahl der Pioniere.

    Erschwerend kommt hinzu, dass die Befragten in den Interviews oftmals keine exakten

    Aussagen getroffen haben, sondern mit Kontexteinheiten wie vorne mit dabei oder einer der

    ersten vage blieben. In einem Fragebogen fr das PIMS-Projekt htten sich diese wohl alle als

    Pioniere eingeschtzt. Eine Relativierung dieser Einschtzung fllt mit den quantitativen Daten

    schwer.

    4.2.3 Stellungnahme der Experten zu den Vor- und Nachteilen der Pionierstrategie

    Im zweiten Teil des Interviews bezogen die Experten explizit zu den aus der Literatur bekannten

    Vor- und Nachteilen der Pionierstrategie Stellung, im ersten Teil implizit bzw. umschreibend.

    Wie eingangs bereits beschrieben worden ist, wurden ber die Auswirkungen der

    Pionierstrategie bereits ber Jahrzehnte empirische Studien durchgefhrt. Dabei wurden u.a.

    die in dem Interview abgefragten Vor- und Nachteile identifiziert. Es existieren jedoch keine

    Informationen darber, welche der Vor- oder Nachteile wirklich bei den Unternehmen zum

    Tragen kommen, wie stark diese jeweils ausgeprgt sind und ob diese sich je nach Branche

    unterscheiden. Diese Fragen wurden von den Unternehmensvertretern in den jeweiligen

    Experteninterviews aufgeklrt. Es wird mit der Analyse der Pioniervorteile begonnen.

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    4.2.3.1 Skaleneffekte

    In der Literatur wird angefhrt, dass der Pionier als erstes in der Lage ist, Skaleneffekte zu

    realisieren. Durch diesen Wettbewerbsvorteil hat der Pionier demzufolge hhere Chancen am

    Markt erfolgreich zu sein als die potentiellen Folger.

    In den Interviews zeigten sich 12 Kontexteinheiten, die sich dieser Aussage zuordnen lassen,

    14 Kontexteinheiten sprechen gegen diesen Vorteil. Fr diesen Punkt lsst sich demnach keine

    eindeutige Richtung zuordnen. Das ist noch zu frh, das zu sagen. Das Spiel ist ja noch nicht

    zu Ende (EXP 9).

    Zustimmung

    Die Zustimmung fr den Vorteil der Skaleneffekte ist in den meisten Aussagen mit dem Vorteilder Erfahrungskurve gekoppelt. Pioniere beherrschen durch ihre frhen Marktaktivitten die

    entsprechende Technologie, Produktion von Batterien (...) und knnen damit mglichst

    frhzeitig oder schnell die Kosten () senken(EXP 13). Die Pionierarbeit im Allgemeinen

    und der Aufbau von Skaleneffekten sind allerdings kostenintensiv, was im Abschnitt der

    Nachteile (Kapitel2.5.1)genauer beleuchtet wird (EXP 13). Ein genanntes Beispiel stellt die

    Gigafactory von Tesla dar, mit der sich voraussichtlich Skaleneffekte realisieren lassen (EXP

    2/6/22). Auch bei Toyota, dem Pionier bei Hybrid-Fahrzeugen, sehen Experten diesen Vorteil

    der Skaleneffekte. Die Experten vermuten, dass Toyota momentan der einzige Hersteller ist,

    der bei der Thematik der alternativen Antriebe Skaleneffekte realisiert (EXP 1/10/13). Als vom

    Unternehmen beeinflussbare Voraussetzung fr den Vorteil Skaleneffekte in der

    Elektromobilitt wird eine tiefe Fertigungsstufe gesehen (EXP 6). Denn je geringer die

    Fertigungstiefe bei den Fahrzeugen ist und je mehr Teile an Zulieferer ausgelagert werden,

    desto geringer ist die zu realisierende Gewinnmarge. Und noch schlimmer, wenn ein

    Wettbewerber den gleichen Anteil von Batterien hat und auch noch vom gleichen Zulieferer

    bezieht, [da] habe ich gar kein Kostenvorteil. Auf 50 % meiner Kosten habe ich keinen

    Kostenvorteil (EXP 1). Dementsprechend fllt es schwer, kompetitive Vorteile aufzubauen.

    Aber sofern der Markt wchst, wenn der Markt kommt, dann kann man[als Pionier] absolut

    am strksten mitwachsen (EXP 14). Diese Aussage ist als gr