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Aktuell Allgäuer Bauernblatt 11/2017 17 P rofessor Künast stellte das »Eh-da- Konzept« vor. Eh-da-Flächen, das sagt schon der Name, sind »einfach da«: Eh-da-Flächen sind Offenlandflä- chen in Agrarlandschaften und im Siedlungsbereich, die weder einer wirtschaftlichen Nutzung noch einer naturschutzfachlichen Pflege unter- liegen. Sie sind meist unbeachtet, für Kommunen, Straßenbauämter oder Bundesbahn oft nur ein Kostenfaktor. Es sind Böschungen an Verkehrswegen, Verkehrsinseln, Bahndämme, Wegrän- der und gemeindeeigene Grünflächen, Zwickel in der Agrarlandschaft. »Eh- da-Flächen sind keine Agrarflächen und es sind auch keine ausgewiesenen Naturschutzflächen«, betonte Profes- sor Künast. Meist sind die Flächen schmal, aber sehr lang. Diese Flächen haben Funktionen, unter anderem für den Schutz vor Erosion, sie können aber ökologisch aufgewertet werden. »Wir sprechen hier von einem enor- men Flächenpotentzial. Etwa zwei bis sechs Prozent, je nach Region, sind in Deutschland Eh-da-Flächen.«, meinte Professor Künast. »Dies ist viel – und das spricht dafür, diesen Flächen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.« Auch für Bienen Seit vier Jahren arbeitet ein Wissen- schaftler-Team am Institut für Agrar- ökologie in Neustadt/Pfalz am Eh-da- Projekt. Das Konzept zielt darauf ab, viele Einzelflächen, beispielsweise in ei- ner Gemeinde, in einem ökologisch sinnvoll verbundenen Gesamtkonzept zu vernetzen. Professor Künast beton- te in seinem Vortrag, dass nicht nur Luchse, Wölfe und Bären für biologi- sche Vielfalt stehen. Viele Arten, oft unscheinbar und kaum beachtet wie Insekten, Spinnen oder bodenbewoh- nende Kleintiere, finden auf Eh-da-Flä- chen Lebensräume. Da wären Bienen zu nennen: Honigbiene und Wildbie- nen benötigen Blüten, Wildbienen zu- sätzlich Lebensräume für die Fortpflan- zung (z.B. vegetationsfreie Flächen, Le- sesteinhaufen). Von den 560 Wildbie- nenarten, die in Deutschland vorkom- men, stehen derzeit viele (verschiede- ne Rote Listen haben hier unterschied- liche Zahlen) auf der Roten Liste, ob- wohl Wildbienen aus ökologischer und aus ökonomischer Sicht eine sehr be- deutende Rolle spielen. Denn: Wildbie- nen und Honigbienen sind unverzicht- bar für die Bestäubung von Kultur- (Obst, Raps und Gemüse) und Wild- pflanzen. Eh-da-Flächen bieten aber auch Tritt- stein-, Korridor- und Saumbiotope, über die sich viele gefährdete oder sel- tene Arten ausbreiten. Eh-da-Flächen können deshalb eingebunden werden in übergeordnete Landschafts- und Biotopverbundprojekte. Eh-da-Flä- chen bedürfen der gezielten Pflege, um ökologisch aufgewertet zu werden. Durch eine Vermeidung von Verbu- schung und Förderung von Blühpflan- zen, durch das Anlegen von Lesestein- haufen und Trockenmauern können Lebensräume für Zauneidechsen, Blindschleichen und Mauswiesel ge- schaffen werden. Freiwilligkeit Eh-da-Projekte basieren auf Freiwillig- keit. Vordergründig verspricht dieses Projekt einer Gemeinde keinen Nut- zen. Erst auf den zweiten Blick werden die Vorteile für Kommunen sichtbar, wenn Schulen miteinbezogen werden, Politiker ein ökologisches Thema ein- binden, Blühflächen das Lebensumfeld der Bevölkerung attraktiver machen und die Presse das Thema aufgreifen kann. Professor Künast bedauerte, dass vor allem im Süddeutschen Raum das Eh-da-Flächenprojekt bisher wenig Beachtung findet. Eine Frage, die in der Regel am Anfang bei einem Projekt steht, ist: Was kostet das? Die Antwort ist: Der Kostenrah- men ist sehr flexibel. Es gibt Bürger- meister, die berichten, dass keine nen- nenswerten Kosten anfielen, weil der lokale Bauhof ohnehin die Flächen pflegt und dies nun vermehrt nach ökologischen Gesichtspunkten tut. Andererseits können Saatgut, Bienen- hotels, Bodenaufbereitung nennens- werte Kostenfaktoren sein. Planung und die rechtzeitige Umset- zung der beschlossenen Maßnahmen erweisen sich oft als wichtiger als fi- nanzielle Mittel. Damit das Eh-da-Flä- chen-Projekt langfristig erfolgreich ist, sollte ein »Kümmerer« für die Projekt- koordination vor Ort eingesetzt wer- den, so Professor Künast. E. Luttner Es ist gesellschaftspolitischer Konsens, dass der Verlust biologischer Vielfalt nicht nur gestoppt, sondern sogar umgekehrt werden muss. Die Geister scheiden sich aber bei der Frage nach dem ›Wie‹. Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Siedlungsbau, Tourismus und Naturschutz konkurrieren um die vorhandenen Flächen. Professor Christoph Künast referierte dazu am Hans-Eisenmann-Zentrum in Freising-Weihenstephan. Mehr Artenvielfalt am Wegesrand Weitere Informationen: Forum Moderne Landwirtschaft e.V. Fanny-Zobel-Str. 7 12435 Berlin 030/8145555-0 [email protected] Solche Flächen entsprechen nicht immer dem Anspruch vieler Bürger nach »ordent- lich gepflegten« Flächen. Darin tummeln sich aber viele Insekten und Kleintiere. Foto: Edith Luttner 17 Aktuell (Mehr Artenvielfalt)_Layout 1 23.03.17 09:54 Seite 17

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Aktuell

Allgäuer Bauernblatt 11/2017 17

Professor Künast stellte das »Eh-da-Konzept« vor. Eh-da-Flächen, das

sagt schon der Name, sind »einfachda«: Eh-da-Flächen sind Offenlandflä-chen in Agrarlandschaften und imSiedlungsbereich, die weder einer wirtschaftlichen Nutzung noch einer naturschutzfachlichen Pflege unter-liegen. Sie sind meist unbeachtet, fürKommunen, Straßenbauämter oderBundesbahn oft nur ein Kostenfaktor.Es sind Böschungen an Verkehrswegen,Verkehrsinseln, Bahndämme, Wegrän-der und gemeindeeigene Grünflächen,Zwickel in der Agrarlandschaft. »Eh-da-Flächen sind keine Agrarflächenund es sind auch keine ausgewiesenenNaturschutzflächen«, betonte Profes-sor Künast. Meist sind die Flächenschmal, aber sehr lang. Diese Flächenhaben Funktionen, unter anderem fürden Schutz vor Erosion, sie könnenaber ökologisch aufgewertet werden.»Wir sprechen hier von einem enor-men Flächenpotentzial. Etwa zwei bissechs Prozent, je nach Region, sind inDeutschland Eh-da-Flächen.«, meinteProfessor Künast. »Dies ist viel – unddas spricht dafür, diesen Flächen mehrAufmerksamkeit zu schenken.«

Auch für BienenSeit vier Jahren arbeitet ein Wissen-schaftler-Team am Institut für Agrar-ökologie in Neustadt/Pfalz am Eh-da-Projekt. Das Konzept zielt darauf ab,viele Einzelflächen, beispielsweise in ei-ner Gemeinde, in einem ökologischsinnvoll verbundenen Gesamtkonzeptzu vernetzen. Professor Künast beton-te in seinem Vortrag, dass nicht nurLuchse, Wölfe und Bären für biologi-sche Vielfalt stehen. Viele Arten, oftunscheinbar und kaum beachtet wieInsekten, Spinnen oder bodenbewoh-nende Kleintiere, finden auf Eh-da-Flä-

chen Lebensräume. Da wären Bienenzu nennen: Honigbiene und Wildbie-nen benötigen Blüten, Wildbienen zu-sätzlich Lebensräume für die Fortpflan-zung (z.B. vegetationsfreie Flächen, Le-sesteinhaufen). Von den 560 Wildbie-nenarten, die in Deutschland vorkom-men, stehen derzeit viele (verschiede-ne Rote Listen haben hier unterschied-liche Zahlen) auf der Roten Liste, ob-wohl Wildbienen aus ökologischer undaus ökonomischer Sicht eine sehr be-deutende Rolle spielen. Denn: Wildbie-nen und Honigbienen sind unverzicht-bar für die Bestäubung von Kultur-(Obst, Raps und Gemüse) und Wild-pflanzen.Eh-da-Flächen bieten aber auch Tritt-stein-, Korridor- und Saumbiotope,über die sich viele gefährdete oder sel-tene Arten ausbreiten. Eh-da-Flächenkönnen deshalb eingebunden werdenin übergeordnete Landschafts- undBiotopverbundprojekte. Eh-da-Flä-chen bedürfen der gezielten Pflege, umökologisch aufgewertet zu werden.Durch eine Vermeidung von Verbu-schung und Förderung von Blühpflan-zen, durch das Anlegen von Lesestein-haufen und Trockenmauern könnenLebensräume für Zauneidechsen,Blindschleichen und Mauswiesel ge-schaffen werden.

FreiwilligkeitEh-da-Projekte basieren auf Freiwillig-keit. Vordergründig verspricht dieses

Projekt einer Gemeinde keinen Nut-zen. Erst auf den zweiten Blick werdendie Vorteile für Kommunen sichtbar,wenn Schulen miteinbezogen werden,Politiker ein ökologisches Thema ein-binden, Blühflächen das Lebensumfeldder Bevölkerung attraktiver machenund die Presse das Thema aufgreifenkann. Professor Künast bedauerte,dass vor allem im Süddeutschen Raumdas Eh-da-Flächenprojekt bisher wenigBeachtung findet. Eine Frage, die in der Regel am Anfangbei einem Projekt steht, ist: Was kostetdas? Die Antwort ist: Der Kostenrah-men ist sehr flexibel. Es gibt Bürger-meister, die berichten, dass keine nen-nenswerten Kosten anfielen, weil derlokale Bauhof ohnehin die Flächenpflegt und dies nun vermehrt nachökologischen Gesichtspunkten tut.Andererseits können Saatgut, Bienen-hotels, Bodenaufbereitung nennens-werte Kostenfaktoren sein. Planung und die rechtzeitige Umset-zung der beschlossenen Maßnahmenerweisen sich oft als wichtiger als fi-nanzielle Mittel. Damit das Eh-da-Flä-chen-Projekt langfristig erfolgreich ist,sollte ein »Kümmerer« für die Projekt-koordination vor Ort eingesetzt wer-den, so Professor Künast. E. Luttner

Es ist gesellschaftspolitischer Konsens, dass der Verlust biologischer Vielfalt nicht nur gestoppt, sondern sogar umgekehrt werden muss. DieGeister scheiden sich aber bei der Frage nach dem ›Wie‹. Landwirtschaft,Forstwirtschaft, Siedlungsbau, Tourismus und Naturschutz konkurrierenum die vorhandenen Flächen. Professor Christoph Künast referierte dazuam Hans-Eisenmann-Zentrum in Freising-Weihenstephan.

Mehr Artenvielfalt am Wegesrand

Weitere Informationen: Forum Moderne Landwirtschaft e.V.

Fanny-Zobel-Str. 712435 Berlin030/8145555-0

[email protected]

Solche Flächen entsprechen nicht immerdem Anspruch vieler Bürger nach »ordent-lich gepflegten« Flächen. Darin tummelnsich aber viele Insekten und Kleintiere.

Foto: Edith Luttner

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