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12. FEBRUAR 2014 MITTWOCH ORTSGESPRÄCH SOEST Blick in ein Flüchtlingslager im Libanon. Die Menschen, die dort Zuflucht gefunden haben, hausen in notdürftig errichteten Verschlägen. Foto: Lejeune Menschen leiden Not Jürgen-Wahn-Stiftung hilft Flüchtlingen, die in Salamiyah Obdach gefunden haben SOEST Ein Ende des Konfliktes in Syrien ist nicht in Sicht. Men- schen befinden sich in ständiger Lebensgefahr und sterben in den Kämpfen. Millionen sind auf der Flucht. Es fehlt an allem, an Lebensmitteln und an Medika- menten. Die Jürgen-Wahn-Stif- tung hilft und gibt unter ande- rem Geld für Babynahrung. Dr. Hassan Daoud, der im er- weiterten Vorstand der Orga- nisation mitarbeitet, stammt aus dem Land in Vorderasien. Zwar verließ er seine Heimat schon vor Jahrzehnten, doch die Verbindungen sind nie- mals abgerissen. Er steht in ständiger Verbindung zu sei- ner Nichte Dr. Abir Moha- mad, die ihm über die aktuel- le Situation berichtet und Schreckensbilder des Alltags beschreibt. Erst kürzlich schickte sie einen Hilferuf: Eine dramatisch steigende Zahl von Bürgerkriegs-Flücht- lingen suche Obdach in Sala- miyah, gut 40 Kilometer nordöstlich von Homs. Abir und Gadfan Mohamad halten seit vielen Jahre Kontakt zur Jürgen-Wahn-Stiftung, die sich in Syrien für behinderte Kinder einsetzt. Ihre Schilde- rungen machen deutlich, wie groß die Not ist. Zwar tut die Bevölkerung was sie kann, um die Famili- en zu versorgen, die sich in Sicherheit bringen und froh sind, Aufnahme zu finden. „Aber“, so Dr. Abir Mohamad, „die Liste der Bedürftigen ist so lang, dass die örtlichen In- stitutionen nicht in der Lage sind, diesen armen Menschen eine angemessene Hilfe zu- kommen zu lassen.“ Schon ein kleiner Betrag reicht, damit Menschen, die alles verloren haben, wenigs- tens keinen Hunger leiden müssen. Gerade zehn Euro genügen, so die Koordinato- rin. Doch machen zwei weite- re Zahlen die Dimensionen der Aufgaben klar: 145 000 Menschen leben normaler- weise in dieser Stadt, die mit- ten in der Wüste liegt. Jetzt kommen noch um die 150 000 Flüchtlinge dazu, die zu essen brauchen, sauberes Wasser und manches mehr. Deshalb bittet Dr. Abir Moha- mad um Unterstützung. Von den Beträgen, die die Jürgen-Wahn-Stiftung bisher zur Verfügung stellte, war es – dank der Spender – mög- lich, Milch für die Kinder zu kaufen sowie Grundnah- rungsmittel für 30 Familien: Reis, Öl, Nudeln, Burgul, But- ter, Linsen, Zucker, Kicher- erbsen, Dicke Bohnen. Außer- dem bekamen sie Wollklei- dung, Strümpfe und Mützen, um den kalten Winter zu überstehen. Was die Menschen durch- machen, führte Dr. Abir Mo- hamad in einem Brief am Bei- spiel dreier Familien vor Au- gen: Inah Mustafa ist behin- dert und flüchtete mit acht Kindern aus Homs. In einer zweiten Familie ist eine Mut- ter mit zehn Kindern allein auf sich gestellt, weil sie ih- ren Mann durch den Krieg verlor. Ganz schlimm aber steht es um die Großfamilie von Abd Albaset Hamazeh. Er versorgte 35 Menschen, doch nun verlor er durch die Flucht seine Arbeit. Köp. Ortsgespräch: HILFSEINSATZ IN SYRIEN „Millionen von Menschen sind auf der Flucht“ linge nationale und internationale Zuwendungen, die als regierungs- freundlich angesehen werden. So kommt es, dass ein großer Teil der Flüchtlinge aus Homs und Hamah – deren Loyalität zum Regime ange- zweifelt wird – bei der Unterstüt- zung durch staatlich kontrollierte Hilfsorganisationen benachteiligt werden. Diese Gruppe von Flüchtlin- gen ist also auf Hilfe durch private Personen angewiesen. Viele Familien aus Homs und Hamah flüchten in die Stadt Salamiyah, weil sie wissen, dass sie dort unabhängig von ihrer politischen Gesinnung auf- genommen werden. Aber die Liste der hilfsbedürftigen Familien ist so lang, dass die privaten Hilfsorgani- sationen nicht in der Lage sind, all diesen Menschen angemessene Hil- fe zukommen zu lassen. Deshalb wurden mein Mann und ich gebe- ten, 25 Familien mit 290 Mitgliedern zu unterstützen. Sie gehören zu de- nen, die mit keiner staatlichen Hilfe rechnen können. Als Beispiel für die Flüchtlingsschicksale verweise ich auf die Odyssee der Familie Asaad Abdolkader, über die ich anderen- orts berichtet habe. (Siehe Bericht oben rechts.) Mein Mann und ich wollen mit eini- gen Freunden in Salamiyah Hilfe leis- ten. Deshalb werde ich demnächst wieder nach Syrien zurückkehren, um die Hilfe vor Ort zu organisieren. Dabei geht es zunächst darum, etwa 300 Personen am Leben zu erhalten. Mit zehn Euro pro Monat und Person könnten wir dieses Ziel erreichen und verhindern, dass diese Men- schen in die Hände von Extremisten oder Kriminellen getrieben wer- den.Bei der oben angegebenen Zahl von Hilfsbedürftigen bedeutet dies eine monatliche Zuwendung von 3000 Euro. Die baldige Hilfe der Jür- gen-Wahn-Stiftung würde es uns er- möglichen, unsere humanitäre Auf- gabe gegen über diesen Menschen wahrzunehmen.“ Aus einem Brief Dr. Abir Moha- mads an den Vorstand der Jür- gen-Wahn-Stiftung aus dem vo- rigen Jahr. „Die Gewalt in Syrien nimmt kein Ende. Seit zwei Jahren tobt dort ein Bürgerkrieg, unter dem die Zivil- bevölkerung massiv leidet, und die roten Linien werden täglich über- schritten. Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht. Viele flüchten ins Ausland. Die meis- ten von ihnen haben nur ihr Leben gerettet. Humanitäre Hilfe finden zurzeit aber nur diejenigen, die sich in Flüchtlingslagern außerhalb von Syrien befinden. Flüchtlinge, die sich in den von Milizen kontrollierten sy- rischen Gebieten aufhalten, werden durch Gelder aus Saudi-Arabien und Katar unterstützt. In den von der Re- gierung beherrschten Gebieten be- kommen aber nur diejenigen Flücht- Nahrung für Babys SOEST Die Jürgen-Wahn-Stif- tung setzt sich in Syrien seit 2002 in Salamiyah und seit 2006 in der Hafenstadt Tartus – durch Vermittlung ihres Vorstandsmitglieds Dr. Has- san Daoud – für behinderte Kinder ein. Ein Patenschafts- programm hilft, dass Kinder armer Eltern von der Jürgen- Wahn-Stiftung geförderte Ta- gesstätten besuchen können. Nach Beginn der kriegeri- schen Auseinandersetzung in Syrien und dem damit ver- bundenen Flüchtlingselend vermittelt die Syrerin, Dr. Abir Mohamad – Nichte von Dr. Hassan Daoud – den Kon- takt zwischen der Jürgen- Wahn-Stiftung und syrischen Hilfsorganisationen in der Stadt Salamiyah. Insbesonde- re sorgt sie dafür, dass die zahlreichen dorthin geflüch- teten Familien Babynahrung erhalten. „Die Not zu lindern ist un- ser Ziel“, fasst der Vorstand das Engagement zusammen. Hilferuf „Durch Kämpfe in den benach- barten Städten Hama und Homs kamen etwa 150 000 Flüchtlinge nach Salamiyah, in eine Stadt, die selbst nur 145 000 Einwoh- ner hat. Die Wasservorräte sind erschöpft. Krankheiten und Seu- chen breiten sich aus. Es fehlt an Ärzten und Medikamenten. Stadt und Umgebung sind voller Flüchtlinge, die in Lagern leben. Vor allem die Kinder leiden! Könnt ihr uns helfen?“ Dr. Abir Mohamad Die Odyssee der Familie Abdolkader Dr. Abir Mohamad schildert Schicksal SOEST Um ein Bild des All- tags in Syrien zu vermitteln, schildert Dr. Abir Mohamad die Odyssee der Familie Ab- dolkader, die ruhig und si- cher schon lange in einem Wohnviertel im östlichen Homs an der Straße nach Sa- lamiyah wohnte. Vor zwei Jahren drangen unerwartet Milizionäre aus einem be- nachbarten Wohngebiet in das Haus ein, nahmen den Bruder von Asaad Abdolkader und einige Männer aus der Nachbarschaft gefangen und töten sie grausam. Aus Furcht davor, dass die Milizionäre wiederkommen, flüchtete Asaad Abdolkader, der bei diesem Massaker verschont geblieben war, mit seiner Mutter, mit der Frau des getö- teten Bruders, ihren Kindern und weiteren Kinder aus der Nachbarschaft, die ihre El- tern verloren hatten, in ein anderes, scheinbar sicheres Viertel von Homs. Wenig später war dann die Lage auch dort nicht mehr si- cher. Deshalb machte sich die Gruppe auf den Weg ins 40 Kilometer entfernte Salamiy- ah. Dort hatten sich die Ein- wohner im Konflikt neutral verhalten, so dass der Ort bis- her von Unruhen verschont geblieben war. Außerdem hatte es sich herumgespro- chen, dass Flüchtlinge dort hilfreich aufgenommen wer- den, daher kamen viele ge- strandete Menschen aus Homs, Hama und Umgebung dorthin. Zivile Organisatio- nen versorgten sie notdürftig mit Nahrung. Doch im August 2012 wurde Asaad Abdolkader von staatli- chen Sicherheitskräften ver- haftet, da man ihn für einen Regimegegner hielt, weil er ja aus dem umkämpften Homs stammte. So verlor die Großfamilie Abdolkader ih- ren Betreuer, und die Frauen waren plötzlich mit all ihren kleinen und hilflosen Kin- dern auf sich allein gestellt. Im September, zu Beginn des Schuljahrs, mussten alle Familien die Schulen verlas- sen. So entschloss sich die Fa- milie Abdolkader, wieder in ihre alte Wohnung nach Homs zurückzukehren. Aber sie konnte nicht lange dort bleiben, irrte in verschiede- nen Vierteln der Stadt und ih- rer Umgebung umher. Auf der Suche nach einer siche- ren Unterkunft kam sie schließlich zum stark um- kämpften Ort Talbieseh, ei- ner Kleinstadt nördlich von Homs. Vater starb bei Angriff aufs Dorf Im Januar 2013 entließ man Asaad Abdolkader aus dem Gefängnis, und er begab sich zu seiner Familie in Talbie- seh. Doch bei einem Bombar- dement der Stadt wurde er verwundet und in einer Laza- rett in der Nähe von Salamiy- ah gebracht. Danach ging er allein zum Dorf Tal-Hassan- Pascha, das östlich von Sala- miyah liegt. Im Februar stieß seine Familie zu ihm. Kurz darauf wurde er im März 2013 bei einem Angriff auf das Dorf getötet, als er flüch- ten wollte. Und nun lebt sei- ne Familie, die wiederum le- diglich aus Frauen und Kin- der besteht, in Salamiyah ohne Hilfe, ohne Betreuung. Um den Flüchtlingsfamilien zu helfen, stellt die Jürgen-Wahn-Stiftung aus Spenden Geld für Nahrungsmittel zur Verfügung. Viele Menschen suchen in Salamiyah Zuflucht. Die Familie Abdolkader wollte sich in Sicherheit bringen und irrte umher. Der Vater Asaad kam bei einem Bombardement ums Leben. Zwei Mädchen tragen Stapel aus Fladenbrot auf dem Kopf. Konzert für guten Zweck Erlös geht an Flüchtlingskinder SOEST Die Jürgen-Wahn-Stif- tung, die Musikschule Soest und die Gemeinde Neu-St.- Thomä veranstalten am 2. März, 17 Uhr, ein Benefinz- konzert zugunsten syrischer Flüchtlingskinder. Auf dem Programm steht „Kammer- musik aus Orient und Okzi- dent“ des aus Salamiyah stammenden Komponisten Rami Chahin. In seinen Wer- ken verbindet er traditionelle orientalische Elemente mit zeitgenössischen Ausdrucks- formen. Die Mitwirkenden: Rami Chahin (Komposition), Stefa- nie Golisch (Sopran) Ulrich Rikus (Violoncello) und Karo- la Kalipp (Orgel). Ein Teil des Kirchen-Innen- raums wirdzu einem Steh- Café mit Büfett. Die Spenden gehen an die syrischen Flüchtlingskinder.

Menschen leiden Not - juergen-wahn-stiftung.de · Homs, Hama und Umgebung dorthin. Zivile Organisatio-nen versorgten sie notd rf tig mit Nahrung. Doch im A ugust 2012 wurde Asaad

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Page 1: Menschen leiden Not - juergen-wahn-stiftung.de · Homs, Hama und Umgebung dorthin. Zivile Organisatio-nen versorgten sie notd rf tig mit Nahrung. Doch im A ugust 2012 wurde Asaad

12. FEBRUAR 2014MITTWOCH ORTSGESPRÄCH SOEST

Blick in ein Flüchtlingslager im Libanon. Die Menschen, die dort Zuflucht gefunden haben, hausen in notdürftig errichteten Verschlägen. � Foto: Lejeune

Menschen leiden NotJürgen-Wahn-Stiftung hilft Flüchtlingen, die in Salamiyah Obdach gefunden haben

SOEST � Ein Ende des Konfliktesin Syrien ist nicht in Sicht. Men-schen befinden sich in ständigerLebensgefahr und sterben inden Kämpfen. Millionen sind aufder Flucht. Es fehlt an allem, anLebensmitteln und an Medika-menten. Die Jürgen-Wahn-Stif-tung hilft und gibt unter ande-rem Geld für Babynahrung.

Dr. Hassan Daoud, der im er-weiterten Vorstand der Orga-nisation mitarbeitet, stammtaus dem Land in Vorderasien.Zwar verließ er seine Heimatschon vor Jahrzehnten, dochdie Verbindungen sind nie-mals abgerissen. Er steht inständiger Verbindung zu sei-ner Nichte Dr. Abir Moha-mad, die ihm über die aktuel-le Situation berichtet undSchreckensbilder des Alltagsbeschreibt. Erst kürzlichschickte sie einen Hilferuf:

Eine dramatisch steigendeZahl von Bürgerkriegs-Flücht-lingen suche Obdach in Sala-miyah, gut 40 Kilometernordöstlich von Homs. Abirund Gadfan Mohamad haltenseit vielen Jahre Kontakt zurJürgen-Wahn-Stiftung, diesich in Syrien für behinderteKinder einsetzt. Ihre Schilde-rungen machen deutlich, wiegroß die Not ist.

Zwar tut die Bevölkerungwas sie kann, um die Famili-en zu versorgen, die sich inSicherheit bringen und frohsind, Aufnahme zu finden.„Aber“, so Dr. Abir Mohamad,„die Liste der Bedürftigen istso lang, dass die örtlichen In-stitutionen nicht in der Lage

sind, diesen armen Menscheneine angemessene Hilfe zu-kommen zu lassen.“

Schon ein kleiner Betragreicht, damit Menschen, diealles verloren haben, wenigs-tens keinen Hunger leidenmüssen. Gerade zehn Eurogenügen, so die Koordinato-rin. Doch machen zwei weite-re Zahlen die Dimensionender Aufgaben klar: 145 000Menschen leben normaler-weise in dieser Stadt, die mit-ten in der Wüste liegt. Jetztkommen noch um die150 000 Flüchtlinge dazu, diezu essen brauchen, sauberesWasser und manches mehr.Deshalb bittet Dr. Abir Moha-mad um Unterstützung.

Von den Beträgen, die dieJürgen-Wahn-Stiftung bisherzur Verfügung stellte, war es – dank der Spender – mög-lich, Milch für die Kinder zu

kaufen sowie Grundnah-rungsmittel für 30 Familien:Reis, Öl, Nudeln, Burgul, But-ter, Linsen, Zucker, Kicher-erbsen, Dicke Bohnen. Außer-dem bekamen sie Wollklei-dung, Strümpfe und Mützen,um den kalten Winter zuüberstehen.

Was die Menschen durch-machen, führte Dr. Abir Mo-hamad in einem Brief am Bei-spiel dreier Familien vor Au-gen: Inah Mustafa ist behin-dert und flüchtete mit achtKindern aus Homs. In einerzweiten Familie ist eine Mut-ter mit zehn Kindern alleinauf sich gestellt, weil sie ih-ren Mann durch den Kriegverlor. Ganz schlimm abersteht es um die Großfamilievon Abd Albaset Hamazeh. Erversorgte 35 Menschen, dochnun verlor er durch dieFlucht seine Arbeit. � Köp.

Ortsgespräch:

HILFSEINSATZIN SYRIEN

„Millionen von Menschen sind auf der Flucht“linge nationale und internationaleZuwendungen, die als regierungs-freundlich angesehen werden. Sokommt es, dass ein großer Teil derFlüchtlinge aus Homs und Hamah –deren Loyalität zum Regime ange-zweifelt wird – bei der Unterstüt-zung durch staatlich kontrollierteHilfsorganisationen benachteiligtwerden. Diese Gruppe von Flüchtlin-gen ist also auf Hilfe durch privatePersonen angewiesen.Viele Familien aus Homs und Hamahflüchten in die Stadt Salamiyah, weilsie wissen, dass sie dort unabhängigvon ihrer politischen Gesinnung auf-genommen werden. Aber die Listeder hilfsbedürftigen Familien ist solang, dass die privaten Hilfsorgani-

sationen nicht in der Lage sind, alldiesen Menschen angemessene Hil-fe zukommen zu lassen. Deshalbwurden mein Mann und ich gebe-ten, 25 Familien mit 290 Mitgliedernzu unterstützen. Sie gehören zu de-nen, die mit keiner staatlichen Hilferechnen können. Als Beispiel für dieFlüchtlingsschicksale verweise ichauf die Odyssee der Familie AsaadAbdolkader, über die ich anderen-orts berichtet habe. (Siehe Berichtoben rechts.)Mein Mann und ich wollen mit eini-gen Freunden in Salamiyah Hilfe leis-ten. Deshalb werde ich demnächstwieder nach Syrien zurückkehren,um die Hilfe vor Ort zu organisieren.Dabei geht es zunächst darum, etwa

300 Personen am Leben zu erhalten.Mit zehn Euro pro Monat und Personkönnten wir dieses Ziel erreichenund verhindern, dass diese Men-schen in die Hände von Extremistenoder Kriminellen getrieben wer-den.Bei der oben angegebenen Zahlvon Hilfsbedürftigen bedeutet dieseine monatliche Zuwendung von3000 Euro. Die baldige Hilfe der Jür-gen-Wahn-Stiftung würde es uns er-möglichen, unsere humanitäre Auf-gabe gegen über diesen Menschenwahrzunehmen.“

Aus einem Brief Dr. Abir Moha-mads an den Vorstand der Jür-gen-Wahn-Stiftung aus dem vo-rigen Jahr.

„Die Gewalt in Syrien nimmt keinEnde. Seit zwei Jahren tobt dortein Bürgerkrieg, unter dem die Zivil-bevölkerung massiv leidet, und dieroten Linien werden täglich über-schritten. Millionen Menschen sindinnerhalb des Landes auf der Flucht.Viele flüchten ins Ausland. Die meis-ten von ihnen haben nur ihr Lebengerettet. Humanitäre Hilfe findenzurzeit aber nur diejenigen, die sichin Flüchtlingslagern außerhalb vonSyrien befinden. Flüchtlinge, die sichin den von Milizen kontrollierten sy-rischen Gebieten aufhalten, werdendurch Gelder aus Saudi-Arabien undKatar unterstützt. In den von der Re-gierung beherrschten Gebieten be-kommen aber nur diejenigen Flücht-

Nahrungfür Babys

SOEST � Die Jürgen-Wahn-Stif-tung setzt sich in Syrien seit2002 in Salamiyah und seit2006 in der Hafenstadt Tartus– durch Vermittlung ihresVorstandsmitglieds Dr. Has-san Daoud – für behinderteKinder ein. Ein Patenschafts-programm hilft, dass Kinderarmer Eltern von der Jürgen-Wahn-Stiftung geförderte Ta-gesstätten besuchen können.

Nach Beginn der kriegeri-schen Auseinandersetzung inSyrien und dem damit ver-bundenen Flüchtlingselendvermittelt die Syrerin, Dr.Abir Mohamad – Nichte vonDr. Hassan Daoud – den Kon-takt zwischen der Jürgen-Wahn-Stiftung und syrischenHilfsorganisationen in derStadt Salamiyah. Insbesonde-re sorgt sie dafür, dass diezahlreichen dorthin geflüch-teten Familien Babynahrungerhalten.

„Die Not zu lindern ist un-ser Ziel“, fasst der Vorstanddas Engagement zusammen.

Hilferuf„Durch Kämpfe in den benach-barten Städten Hama und Homskamen etwa 150 000 Flüchtlingenach Salamiyah, in eine Stadt,die selbst nur 145 000 Einwoh-ner hat. Die Wasservorräte sinderschöpft. Krankheiten und Seu-chen breiten sich aus. Es fehlt anÄrzten und Medikamenten. Stadtund Umgebung sind vollerFlüchtlinge, die in Lagern leben.Vor allem die Kinder leiden!Könnt ihr uns helfen?“

Dr. Abir Mohamad

Die Odyssee derFamilie Abdolkader

Dr. Abir Mohamad schildert SchicksalSOEST � Um ein Bild des All-tags in Syrien zu vermitteln,schildert Dr. Abir Mohamaddie Odyssee der Familie Ab-dolkader, die ruhig und si-cher schon lange in einemWohnviertel im östlichenHoms an der Straße nach Sa-lamiyah wohnte. Vor zweiJahren drangen unerwartetMilizionäre aus einem be-nachbarten Wohngebiet indas Haus ein, nahmen denBruder von Asaad Abdolkaderund einige Männer aus derNachbarschaft gefangen undtöten sie grausam. Aus Furchtdavor, dass die Milizionärewiederkommen, flüchteteAsaad Abdolkader, der beidiesem Massaker verschontgeblieben war, mit seinerMutter, mit der Frau des getö-teten Bruders, ihren Kindernund weiteren Kinder aus derNachbarschaft, die ihre El-tern verloren hatten, in einanderes, scheinbar sicheresViertel von Homs.

Wenig später war dann dieLage auch dort nicht mehr si-cher. Deshalb machte sich dieGruppe auf den Weg ins 40Kilometer entfernte Salamiy-ah. Dort hatten sich die Ein-wohner im Konflikt neutralverhalten, so dass der Ort bis-her von Unruhen verschontgeblieben war. Außerdemhatte es sich herumgespro-chen, dass Flüchtlinge dorthilfreich aufgenommen wer-den, daher kamen viele ge-strandete Menschen ausHoms, Hama und Umgebungdorthin. Zivile Organisatio-nen versorgten sie notdürftigmit Nahrung.

Doch im August 2012 wurdeAsaad Abdolkader von staatli-chen Sicherheitskräften ver-

haftet, da man ihn für einenRegimegegner hielt, weil erja aus dem umkämpftenHoms stammte. So verlor dieGroßfamilie Abdolkader ih-ren Betreuer, und die Frauenwaren plötzlich mit all ihrenkleinen und hilflosen Kin-dern auf sich allein gestellt.

Im September, zu Beginndes Schuljahrs, mussten alleFamilien die Schulen verlas-sen. So entschloss sich die Fa-milie Abdolkader, wieder inihre alte Wohnung nachHoms zurückzukehren. Abersie konnte nicht lange dortbleiben, irrte in verschiede-nen Vierteln der Stadt und ih-rer Umgebung umher. Aufder Suche nach einer siche-ren Unterkunft kam sieschließlich zum stark um-kämpften Ort Talbieseh, ei-ner Kleinstadt nördlich vonHoms.

Vater starb beiAngriff aufs Dorf

Im Januar 2013 entließ manAsaad Abdolkader aus demGefängnis, und er begab sichzu seiner Familie in Talbie-seh. Doch bei einem Bombar-dement der Stadt wurde erverwundet und in einer Laza-rett in der Nähe von Salamiy-ah gebracht. Danach ging erallein zum Dorf Tal-Hassan-Pascha, das östlich von Sala-miyah liegt. Im Februar stießseine Familie zu ihm. Kurzdarauf wurde er im März2013 bei einem Angriff aufdas Dorf getötet, als er flüch-ten wollte. Und nun lebt sei-ne Familie, die wiederum le-diglich aus Frauen und Kin-der besteht, in Salamiyahohne Hilfe, ohne Betreuung.

Um den Flüchtlingsfamilien zu helfen, stellt die Jürgen-Wahn-Stiftung aus Spenden Geld für Nahrungsmittel zur Verfügung. Viele Menschen suchen in Salamiyah Zuflucht.

Die Familie Abdolkader wollte sich in Sicherheit bringen und irrteumher. Der Vater Asaad kam bei einem Bombardement ums Leben.

Zwei Mädchen tragen Stapel aus Fladenbrot auf dem Kopf.

Konzert für guten ZweckErlös geht an Flüchtlingskinder

SOEST � Die Jürgen-Wahn-Stif-tung, die Musikschule Soestund die Gemeinde Neu-St.-Thomä veranstalten am 2.März, 17 Uhr, ein Benefinz-konzert zugunsten syrischerFlüchtlingskinder. Auf demProgramm steht „Kammer-musik aus Orient und Okzi-dent“ des aus Salamiyahstammenden KomponistenRami Chahin. In seinen Wer-ken verbindet er traditionelle

orientalische Elemente mitzeitgenössischen Ausdrucks-formen.

Die Mitwirkenden: RamiChahin (Komposition), Stefa-nie Golisch (Sopran) UlrichRikus (Violoncello) und Karo-la Kalipp (Orgel).

Ein Teil des Kirchen-Innen-raums wirdzu einem Steh-Café mit Büfett. Die Spendengehen an die syrischenFlüchtlingskinder.

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Soester Anzeiger 12.02.2014
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