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1 Jürgen Wagner Mit Sicherheit keine Entwicklung! Die Militarisierung der Entwicklungszusammenarbeit Studie im Auftrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE. August 2007 Elektronische Vorab-Fassung Zum Autor: Jürgen Wagner ist Politikwissenschaftler und geschäftsführender Vorstand der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.

Mit Sicherheit keine Entwicklung!

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Page 1: Mit Sicherheit keine Entwicklung!

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Jürgen Wagner

Mit Sicherheit keine Entwicklung! Die Militarisierung der Entwicklungszusammenarbeit

Studie im Auftrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE.

August 2007

Elektronische Vorab-Fassung

Zum Autor: Jürgen Wagner ist Politikwissenschaftler und geschäftsführender Vorstand der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.

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"Armut zu bekämpfen, ist die übergeordnete Aufgabe der deutschen Entwicklungspolitik." Bundesministerium für Zusammenarbeit: Entwicklungspolitischer Jahresrückblick 2005, S. 7 "Das vorrangige, alles umfassende Ziel der EU-Entwicklungszusammenarbeit ist die Beseitigung der Armut im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung, wozu auch die Verfolgung der Millenniums-Entwicklungsziele gehört." Der Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik 2006, S. 2 "Das 21. Jahrhundert wird die Ära eines neuen Kolonialismus sein. [...] Dem Wettbewerb nicht gewachsene Regionen werden untergehen. Die Kolonien der Zukunft werden vor allem Ressourcenlieferanten und Absatzmärkte für die Kolonialmächte sein. Die politische Führung und danach das Militär der reichen Länder treten nur dann in Aktion, wenn ihre wirtschaftlichen Interessen durch illegale Praktiken oder die Ausübung von Gewalt beeinträchtigt werden - nationale Interessen sind heutzutage in erster Linie wirtschaftliche Interessen. [...] Sich verschärfende weltweite soziale Gegensätze werden dazu führen, daß die Instrumente Diplomatie, wirtschaftliche Hilfe und humane Interventionen immer selektiver eingesetzt werden." Oberstleutnant i. G. Reinhard Herden, Truppenpraxis/Wehrausbildung 2-3/1996

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INHALTSANGABE Einleitung.................................................................................................................................... 6 1. Die "Neuen Kriege" und der entwicklungspolitische Paradigmenwechsel ................... 11

1.1 Der Staatenkrieg als Auslaufmodell................................................................................. 11

1.2 Kriegsursachen aus Sicht der Neuen Kriege................................................................... 13

1.3 Krieg als militärischer Humanismus................................................................................. 14

1.4 Krieg als sicherheitspolitischer Imperativ......................................................................... 16

1.5 Die Neuen Kriege und die Rekolonisierung der Peripherie ............................................. 17

2. Armut als Kriegsursache: Die Militarisierung des Neoliberalismus und die Krisentendenzen der Weltwirtschaftsordnung...................................................................... 22

2.1 Die Bankrotterklärung des Neoliberalismus..................................................................... 23

2.2 Armut als Kriegsursache Nummer Eins........................................................................... 24

2.3 Krisentendenzen und militärischer Neoliberalismus ........................................................ 26

2.4 Militärischer Investitionsschutz als entwicklungspolitisches Projekt ................................ 29

3. Stabilitätsexport als neues außen- und entwicklungspolitisches Leitbild ..................... 32

3.1 Stabilitätsexport als moralisch-sicherheitspolitischer Imperativ....................................... 32

3.2 Vernetzte Sicherheit: Die Subordination der Entwicklungshilfe ....................................... 35

3.3 Entwicklungspolitischer Paradigmenwechsel: Von der Armutsbekämpfung zur

Sicherheitspolitik.................................................................................................................... 38

4. Krieg als Entwicklungshilfe................................................................................................. 41

4.1 Was ist ODA? .................................................................................................................. 41

4.2 Phantomhilfe und vorgegaukelte Großzügigkeit.............................................................. 42

4.3 Sicherheitskonditionalität: Entwicklungshilfe als Terrorbekämpfung ............................... 43

4.4 Dammbruch: Die sicherheitspolitische Erweiterung der ODA-Kriterien........................... 48

4.5 Sicherheitssektorreform: Entwicklungshilfe als Aufstandsbekämpfung........................... 50

4.6 Kriegseinsätze mit Entwicklungshilfegeldern?................................................................. 55

4.7 Krieg als Entwicklungshilfe: Das Beispiel der African Peace Facility .............................. 57

4.8 Entwicklungszusammenarbeit und Rohstoffinteressen ................................................... 60

4.9 Kritik: Sicherheit statt Entwicklung................................................................................... 61

Exkurs: Die Vereinigten Staaten als Blick in die Kristallkugel ............................................ 64

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5. CIMIC - Das Ende eigenständiger Entwicklungszusammenarbeit .................................. 71

5.1 CIMIC I: Vereinte Nationen.............................................................................................. 72

5.2 CIMIC II: Europäische Union ........................................................................................... 78

5.3 CIMIC III: NATO............................................................................................................... 80

5.4 Prototyp Afghanistan: Regionale Wiederaufbauteams .................................................... 81

5.5 Von Helfern zu Kollaborateuren zu Anschlagszielen....................................................... 83

5.6 Fazit: CIMIC als integraler Bestandteil westlicher Kriegspolitik ....................................... 87

6. Neoliberales Nation Building .............................................................................................. 91

6.1 Neoliberalismus als europäische Kernideologie .............................................................. 91

6.2 Bittere Medizin: Neoliberale Entwicklungshilfe als Armutsbekämpfung .......................... 93

6.3 Neoliberales State Building I: Theorie ............................................................................. 95

6.4 Neoliberales State Building II: Afghanistan...................................................................... 97

6.5 Neoliberales State Building III: Kosovo............................................................................ 98

7. Verschärfung von Armutskonflikten und globaler Kriegszustand................................ 103

7.1 Neoliberaler "Stabilitätsexport" und selektive Interessensdurchsetzung ....................... 103

7.2 Verschärfung von Armutskonflikten und Fehlallokation von Ressourcen...................... 105

7.3 Stabilitätsexport und gewaltsamer Widerstand.............................................................. 106 8. Fazit: Plädoyer für eine systemkritische Fokussierung der Entwicklungspolitik........ 110 Bibliographie .......................................................................................................................... 112

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Grafik 1: Die Kluft zwischen Arm und Reich: Immer größere Unterschiede zwischen Industrie und Entwicklungsländern ....................................................................................... 23 Grafik 2: Armut fördert Bürgerkriege: Mit wachsendem Wohlstand sinkt die Gefahr gewaltsamer Konflikte ............................................................................................................. 25 Grafik 3: Rohstoffe finanzieren Krieg und Terror.................................................................. 26 Grafik 4: Bedrohungsanalyse der deutschen und europäischen Sicherheitsstrategie .... 34 Grafik 5: Alternative Bedrohungsanalyse unter Berücksichtigung der Folgen von Neoliberalismus und Armut .................................................................................................. 108 Tabelle 1: Phantomhilfe der EU-Länder im Jahr 2005 .......................................................... 43 Tabelle 2: Aufschlüsselung der dem Statistischen Berichtssystem des DAC im Jahr 2005 gemeldeten sicherheitsrelevanten Ausgaben (in Mio. Dollar) .................................... 62 Tabelle 3: Opfer unter humanitären Helfern zwischen 1997 und 2005................................ 86 Tabelle 4: Truppenbedarf für den "Stabilitätsexport"......................................................... 104 Kasten 1: ODA-Anrechenbarkeit bestimmter Ausgaben im Bereich Krisen, Friedensentwicklung und Sicherheit...................................................................................... 49 Kasten 2: Zivil-militärische Zusammenarbeit - Kritikpunkte............................................... 88

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Einleitung

Obwohl die reichen Industrienationen seit je her bestrebt sind, die Vergabe von

Entwicklungshilfe1 als selbstloses Unterfangen zu verkaufen, zielte sie stets auch -

wahrscheinlich sogar primär - auf die Durchsetzung machtpolitischer Interessen ab2: "Für die

Geberländer war Entwicklungshilfe - und ist es weiterhin - ein Instrument, um ihre

außenpolitischen Ziele zu verfolgen. Offiziell bezogen sich diese Ziele auf ökonomische,

soziale, kulturelle und politische Entwicklung, mit einer besonderen Betonung auf

Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung in der Dritten Welt. Trotzdem waren die

Motive der meisten Geberländer weniger altruistisch und bezogen sich eher auf die

Verfolgung egoistischer Interessen."3

Gerade zu Beginn des Kalten Krieges richteten sich Art, Form und Umfang der

bereitgestellten "Leistungen" primär nach den Erfordernissen im "Kampf gegen den

Kommunismus", dem sämtliche Ressourcen untergeordnet wurden. Erst im Laufe der 1960er

geriet die unterschiedslose Vermengung humanitärer und sicherheitspolitischer Motive

immer stärker in die Kritik. "Unterentwicklung wurde zunehmend als eigenständiges

Problemfeld gesehen; eine Vermischung mit wirtschaftlichen und politisch-strategischen

Überlegungen als hinderlich oder sogar kontraproduktiv."4 Vor diesem Hintergrund bildete

sich innerhalb der Entwicklungscommunity allmählich ein Konsens heraus, das eigene

Arbeitsfeld nicht mehr länger korrumpieren zu lassen, die Vergabe von Entwicklungshilfe

explizit auf das Ziel der unmittelbaren Armutsbekämpfung zu verpflichten und so weit wie

möglich von sicherheits- und machtpolitischen Erwägungen zu entkoppeln.5

1 Die Begriffe "Entwicklungshilfe" und "Entwicklungszusammenarbeit" werden in dieser Studie synonym verwendet. 2 Vgl. bspws. Hudson, Michael: Super Imperialism: The Economic Strategy of American Empire, London 2003 [1972]; Hayter, Teresa: Aid as Imperialism, Harmondsworth 1971. Vgl. für eine der wenigen Gegenpositionen McGillivray, Mark: Modelling Aid Allocation. Issues, Approaches and Results, World Institute for Development Economics Research (WIDER), Discussion Paper No. 2003/49. 3 Olav Stokke zit. nach Frerks, Georg: The Use of Peace Conditionalities in Conflict and Post-conflict settings: A Conceptual Framework and a Checklist, Netherlands Institute of International Relations (‘Clingendael’), Conflict Research Unit, October 2006, S. 5. 4 Brzoska, Michael: Analyse und Empfehlungen zur internationalen Erfassung von sicherheitsrelevanten Ausgaben innerhalb und außerhalb der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA), BICC paper 53/2006, S. 7. 5 "In den letzten Jahrzehnten gelangten viele in der Entwicklungshilfecommunity zu dem Schluss, dass die Risiken sich mit konflikt- und sicherheitsrelevanten Angelegenheiten zu befassen die Vorteile überwogen. Die Risiken bestanden darin, exzessiv in die egoistische Außen- und Sicherheitspolitik der wichtigsten Geberländer verwickelt zu werden; in der Politisierung und 'Verunreinigung' von Entwicklungshilfeprogrammen; in der Erhöhung des Risikos für humanitäre Helfer vor Ort; und, dass die Entwicklungshilfeetats anfällig für die Ausnutzung durch mächtige nationale Sicherheitsakteure werden." Vgl. Greene, Owen/Vienings, Tracy: Promoting Conflict Sensitive Development Aid in Africa: Issues and Challenges, Conflict Prevention, Management and Reduction in Africa, Paper 6, ohne Jahr, S. 4. Wie in dieser Studie gezeigt werden soll, waren diese Sorgen sehr berechtigt und kommen heutzutage allesamt voll zum Tragen.

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Genau diese strikte Trennung erodiert in jüngster Zeit zusehends, erneut ist "eine

Annäherung zu verzeichnen, die noch vor wenigen Jahren undenkbar erschien."6 Aus

diesem Grund schlagen mittlerweile zahlreiche - wenn auch leider beileibe nicht alle -

Entwicklungshilfeorganisationen in Europa (und den USA) Alarm: "Die Entwicklungspolitik

droht mehr und mehr in sicherheitspolitischen Überlegungen eingebettet zu werden", kritisiert

bspws. Josef Sayer von Misereor.7 Das ganze Politikfeld läuft somit Gefahr, erneut unter das

"Kuratel der Sicherheitspolitik" zu geraten.8 Offensichtlich hat ein fundamentaler

entwicklungspolitischen Prioritätenwechsel stattgefunden, der von zwei Autoren des

Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) folgendermaßen treffend zusammengefasst

wurde: "'Keine Entwicklung ohne Sicherheit' wird immer mehr zu einem

entwicklungspolitischen Paradigma, das neue Handlungsweisen in der Entwicklungspolitik

erforderlich macht."9

Diese hier als "Versicherheitlichung" (securitization) bezeichnete Entwicklung soll in dieser

Studie in ihren verschiedenen - ideologischen, interessengeleiteten, strukturellen und

praktischen - Dimensionen für Deutschland und die Europäische Union10 untersucht und

kritisch auf ihre Auswirkungen für die Entwicklungshilfe als Instrument zur

Armutsbekämpfung überprüft werden.11 Dabei wird gezeigt, dass mittlerweile dringend

benötigte Gelder für die Durchsetzung macht- bzw. sicherheitspolitischer Interessen bis hin

zur Finanzierung von Kriegseinsätzen regelrecht zweckentfremdet und so der

Armutsbekämpfung entzogen werden. Obwohl es schlimm genug ist, dass hiermit eine - de

6 Hamann, Birte: Sicherheit und Entwicklung. Veränderungen in der Entwicklungspolitik der USA und Deutschlands angesichts neuer Sicherheitsbedrohungen, Kölner Arbeitspapiere zur internationalen Politik, Nr.30/2005, S. 108; vgl. auch Tannous, Isabelle: Schnittstellen von Entwicklung und Sicherheit der EU. Strategien und Mechanismen für mehr Politikkohärenz, BICC, März 2007, S. 4: "Noch vor wenigen Jahren wäre es ebenso undenkbar gewesen, auf Expertise und Ressourcen der Entwicklungspolitik für originär militärische Maßnahmen zurückzugreifen wie militärische Akteure zur Unterstützung entwicklungspolitischer Zielsetzungen zu verpflichten." 7 Martin, Peter: Entwicklungspolitik im Zeichen des Kampfes gegen den Terrorismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 35-36/2004. 8 Schilder, Klaus: EU-Entwicklungspolitik - Unter dem Kuratel der Sicherheitspolitik?, Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, 02/2004. 9 Klingbiel, Stephan/Roehder, Katja: Das entwicklungspolitisch-militärische Verhältnis: Der Beginn einer neuen Allianz?, DIE Analysen und Stellungnahmen, 1/2004, S. 1. 10 Die Parallele Schwerpunktsetzung ergibt sich zwingend aus der Relevanz, die der Europäischen Union für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zukommt: "Deutschlands Beitragszahlungen an die Europäische Gemeinschaft (EG) stellen den wichtigsten Einzelposten seiner multilateralen ODA dar (rd. 60% der multilateralen Leistungen bzw. durchschnittlich 20% der gesamten ODA-Bruttoleistungen)." Vgl. OECD-DAC Prüfbericht über die Entwicklungszusammenarbeit, 2006. 11 Insofern weicht die hier verwendete Methodologie von der "Kopenhagener Schule" um Barry Buzan und Ole Weaver ab, die primär konstruktivistisch argumentiert, ohne auf den strukturellen Niederschlag der von ihnen begrifflich geprägten Versicherheitlichung einzugehen. Der hier verfolgte Ansatz findet sich bspws. auch bei Popovic, Goran: Securitization of EU development policy. To what extent has the EU development policy become securitized in the post-9/11 environment?, Lund University, Spring 2007. Vgl. zur Kopenhagener Schule vgl. Buzan, Barry/Weaver, Ole/Wilde, Jaap de: Security: A New Framework for Analysis, Boulder 1998.

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facto nicht vorhandene - Erhöhung der Offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)12 vorgegaukelt

wird, handelt es hierbei allerdings lediglich um die Spitze des Eisbergs.

Denn die Entwicklungshilfe wird immer mehr zu einem integralen Bestandteil der westlichen

Kriegs- und Besatzungspolitik, die auf die Perpetuierung bestehender Hierarchie- und

Ausbeutungsverhältnisse, statt auf deren Überwindung abzielt. Mehr noch, sie trägt

mittlerweile sogar maßgeblich zu ihrer Effektivierung bei, wie hier herausgearbeitet werden

soll. So warnt Peter Runge vom Verband Entwicklungspolitik deutscher

Nichtregierungsorganisationen (VENRO) davor, "dass Entwicklungszusammenarbeit und

humanitäre Hilfe zum festen Bestandteil politisch-militärischer Interventionsstrategien werden

und diese unterstützen, flankieren oder legitimieren sollen - wie im Fall der militärischen

Interventionen in Afghanistan oder im Irak bereits geschehen."13 Eine kritische Analyse der

Versicherheitlichung kann und darf sich somit nicht allein auf die bloße Zweckentfremdung

und Umleitung von Geldern zugunsten sicherheitsrelevanter Bereiche reduzieren, sondern

muss auch die Funktion der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) als Flankierungsmaßnahme

für die herrschenden Ausbeutungsstrukturen des globalen Weltwirtschaftssystems in den

Blick nehmen.

Vor diesem Hintergrund soll in dieser Studie deshalb zuerst der Frage nachgegangen

werden, wie eine derart weit gehende Re-Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik

gelingen konnte. Hierfür werden zunächst die ideologischen Prämissen des

entwicklungspolitischen Paradigmenwechsels dargestellt, die dem Prioritätenwandel von

der Armutsbekämpfung zur Sicherheitspolitik zugrunde liegen. Zentral ist in diesem

Zusammenhang ein theoretisches Konstrukt, die Theorie der Neuen Kriege, das

Bürgerkriege in der so genannten Dritten Welt nahezu ausschließlich auf Binnenfaktoren

(Habgier von Warlords, religiöse oder ethnische Konflikte usw.) zurückführt, womit die Frage

der Kriegsursachen bewusst von der Interessenspolitik der kapitalistischen Mächte und den

Auswirkungen der Weltwirtschaftsordnung abgekoppelt wird. Da diese Gewaltkonflikte, die

aus moralischen aber auch sicherheitspolitischen Erwägungen nicht länger toleriert werden

dürften, nahezu ausschließlich auf die Erosion staatlicher Strukturen zurückgeführt wird,

leitet sich hieraus die Forderung ab, sämtliche Kapazitäten einschließlich der

Entwicklungshilfe auf die Herstellung von Sicherheit, Stabilitätsexport und Staatsbildung

(Nation bzw. State Building14) zu konzentrieren. Dabei wird argumentiert, dass so genannte

gescheiterte Staaten, in denen Bürgerkriege herrschen, ohne eine militärische Stabilisierung

mit anschließender Staatsbildung nicht zu einer Integration in den Weltmarkt in der Lage

seien, die wiederum als Vorbedingung für eine erfolgreiche Bekämpfung von Armut und 12 Manchmal wird auch der Begriff auch "Öffentliche Entwicklungshilfe" verwendet. 13 Runge, Peter: Zwischen Distanz und Kooperation. Zum Spannungsverhältnis von Sicherheitspolitik und Entwicklungspolitik, in. INKOTA-Brief 133, September 2005. 14 Die Begriffe Staatsbildung sowie Nation Building und State Building werden hier synonym verwendet.

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hieraus resultierenden Konflikten zurechtinterpretiert werden. Hiermit wird Absicherung und

Ausweitung der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung kurzerhand zu einem

entwicklungspolitischen Projekt umdefiniert, eine Fokussierung entwicklungspolitischer

Maßnahmen auf Stabilitätsexport und Nation Building zulasten der unmittelbaren

Armutsbekämpfung begründet und eine Umleitung entsprechender Mittel in

sicherheitsrelevante Bereiche legitimiert (Kapitel 1). Damit ignoriert dieses Konstrukt jedoch,

dass die Kriegsursachenforschung nahezu einheitlich Armut als zentrale Konfliktursache identifiziert. Die durch die herrschende Weltwirtschaftsordnung verursachte Verarmung

weiter Teile der Weltbevölkerung führt somit zu wachsenden Auseinandersetzungen, die sich

in zunehmendem Widerstand und Krisentendenzen widerspiegeln und den immer häufigeren

Einsatz des Militärs erfordern (Kapitel 2).

Dennoch hat die Theorie der Neuen Kriege einen beeindruckenden Siegeszug im gesamten

politik-wissenschaftlichen Spektrum angetreten, gerade weil sie sich perfekt als

Rechtfertigungsideologie des neuen Militärinterventionismus eignet. Dies zeigt sich

insbesondere anhand der Sicherheitsfokussierung innerhalb der Strategieplanung. Sowohl

in den zentralen sicherheits- als auch entwicklungspolitischen Dokumenten wird der

Staatsbildung absolute Priorität eingeräumt, wofür vor allem eine enge Zivil-militärische

Zusammenarbeit als notwendig erachtet wird. Dabei ist das Konzept der "vernetzten

Sicherheit" von besonderer Bedeutung, in dessen Rahmen die Entwicklungspolitik zu einem

integralen Bestandteil westlicher Außenpolitik umfunktioniert und dabei außen- und

sicherheitspolitischen Interessen untergeordnet wird (Kapitel 3).

Das anschließende Kapitel behandelt die direkte Zweckentfremdung von

Entwicklungshilfegeldern für sicherheitspolitische Belange. Einmal die

Sicherheitskonditionalität, bei der die Vergabe von Geldern an außenpolitisches

"Wohlverhalten", insbesondere im Rahmen des "Kriegs gegen den Terror" geknüpft wird.

Dabei findet zudem eine Re-Allokation der Ressourcen statt, da sich immer stärker auf

strategisch relevante Länder in dieser Auseinandersetzung konzentriert wird. Noch

gravierender ist die Aufweichung der ODA-Kriterien, die lange sicherheitsrelevante

Bereiche kategorisch ausgeschlossen hatten. Diese Kriterien sind von enormer Relevanz, da

sie festlegen, welche Maßnahmen der Geberländer als armutsorientierte Entwicklungshilfe

einzustufen sind. Obwohl schon allein hierdurch Mittel von der direkten Armutsbekämpfung

weggeleitet werden, ist das eigentliche Problem, dass hiermit die Büchse der Pandora

geöffnet wurde. Wenn auch - noch - nicht ODA-anrechenbar werden schon heute

verschiedentlich Militäreinsätze aus Entwicklungshilfetöpfen finanziert, bspws. über die

African Peace Facility. Mittlerweile häufen sich sogar die Forderungen, selbst "humanitäre

Interventionen" und "Stabilisierungsmissionen" wie bspws. in Afghanistan als ODA

abrechnen zu können, womit ein drastischer Anstieg der Entwicklungshilfe vorgegaukelt

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werden könnte. Selbst vor Forderungen, die Entwicklungshilfe unmittelbar für die

Durchsetzung ökonomischer und machtpolitischer Interessen - insbesondere im Bereich der

Rohstoffsicherung - zu instrumentalisieren, wird kein Halt mehr gemacht (Kapitel 4).

Anschließend soll dargestellt werden, wie die Entwicklungshilfe im Rahmen der Zivil-

militärischen Zusammenarbeit (CIMIC) zu einem integralen Bestandteil von

Stabilisierungsmissionen wird, die in der jeweiligen Bevölkerung jedoch häufig als quasi-

koloniale Besatzungsregime wahrgenommen werden. Indem sie dabei der militärischen

Logik untergeordnet wird, verliert die Entwicklungshilfe ihre politische Neutralität, was fatale

Folgen hat: Humanitäre Helfer werden zu Gegnern und zunehmend zu Opfern gezielter

Anschläge, die Bedrohungslage verschlechtert sich gravierend, teils bis zu dem Punkt, dass

ein Abzug der Hilfskräfte erforderlich wird (Kapitel 5). Das Argument, der zivil-militärische

Wiederaufbau sei erforderlich, um langfristig tragfähige Strukturen aufzubauen, entlarvt sich

jedoch anhand der beobachtbaren Praxis als Heuchelei, die sich nur als Neoliberale

Staatsbildung bezeichnen lässt. Hierbei wird die Gesellschaftsordnung einer umfassenden

Transformation unterzogen und entlang neoliberaler Vorgaben umstrukturiert, auch und

gerade mit Hilfe der Entwicklungshilfe (Kapitel 6). Die trügerische, ja naive Hoffnung, damit

langfristig tragfähige staatliche Strukturen aufzubauen und Sicherheit herzustellen, ist jedoch

bestenfalls illusorisch. Das neoliberale State Building führt einerseits zur Verschärfung von

Armutskonflikten andererseits wächst auch der Widerstand gegen solche

Stabilisierungseinsätze. Anstatt grundlegend umzusteuern, haben sich die westlichen

Staaten jedoch dazu entschlossen, das neoliberale System mit Klauen und Zähnen zu

verteidigen. Damit nehmen sie nicht nur Armut und daraus resultierende Gewaltkonflikte

billigend in Kauf, sondern sind sich auch völlig darüber im Klaren, das es zwingend

notwendig wird, immer häufiger auf das zivil-militärische Nation Building zurückzugreifen, um

den Dampfkessel der Globalisierungskonflikte halbwegs unter Kontrolle zu halten (Kapitel 7).

Umso tragischer, wenn die Entwicklungshilfe zu einem integralen Bestandteil dieses

Bestrebens wird, weshalb am Ende ein Plädoyer für eine systemkritische Fokussierung

der Entwicklungshilfe steht, die Veränderungen im Norden in den Mittelpunkt ihrer Arbeit

stellt, ohne die weder Sicherheit noch Entwicklung möglich sein werden (Kapitel 8).

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1. Die "Neuen Kriege" und der entwicklungspolitische Paradigmenwechsel

"Ohne Sicherheit keine Entwicklung", dieser Satz ist mittlerweile, wie eingangs bereits

erwähnt, fast schon so etwas wie ein Glaubensgrundsatz der deutschen Außen-,

Sicherheits- und mittlerweile auch Entwicklungspolitik geworden. "Was die Prioritäten beim

Staatsaufbau nach Konflikten anbelangt, so herrscht weitgehend Konsens darüber, dass der

Verbesserung der Sicherheitslage in gescheiterten Staaten Vorrang zukommt. Dabei ist die

Herstellung innerer und äußerer Sicherheit Voraussetzung für Fortschritte auf anderen

Gebieten, wie etwa bei der Armutsbekämpfung, Demokratisierung und beim Wiederaufbau

des Wirtschaftssystems in einem gescheiterten Staat."15

Diese Sichtweise trifft auch für die Entwicklungspolitik zu und begründet den

Paradigmenwechsel von der Armutsbekämpfung zur pro-aktiven Sicherheitspolitik. Er basiert

auf einer grundlegend neuen Interpretation - der "Theorie" der Neuen Kriege - über die

Zusammenhänge zwischen Weltwirtschaftssystem, Armut und Entwicklung. Sie verdreht

zwar die Ergebnisse der Kriegsursachenforschung auf perfide Weise, indem die

konfliktverschärfende Wirkung westlicher Interessenspolitik ausgeblendet wird, gerade

deshalb erweist sie sich aber als perfektes Legitimationskonstrukt des westlichen

Militärinterventionismus. Denn aus den Grundannahmen der Neuen Kriege wird ein

moralisch-sicherheitspolitischer Imperativ abgeleitet, sämtliche Ressourcen auf die

Stabilisierung und die gleichzeitige Umstrukturierung der Gesellschaftssysteme (Nation

Building bzw. State Building) gescheiterter Staaten zu konzentrieren.

1.1. Der Staatenkrieg als Auslaufmodell Alle Vertreter der Neuen Kriege, deren führende europäische Vertreter Herfried Münkler und

Mary Kaldor sind, stimmen darin überein, es habe ein tief greifender Formwandel

gewaltsamer Konflikte stattgefunden. Ein "neuer Typus organisierter Gewalt" sei

entstanden16, der sich wahlweise in Begriffen wie "Kriege der dritten Art" (Holsti),

"Privatkriege" (Hobsbawm), "post-nationalstaatliche Konflikte" (Duffield), "postnationale

Kriege" (Beck) oder etwa "neo-hobbessche Kriege" (Trotha) niederschlägt. Die 1998 von

Mary Kaldor in die Debatte eingeführten "Neuen Kriege" beendeten diese babylonische

Sprachverwirrung und setzten sich in der Folge als Bezeichnung für das zu beschreibende

Phänomen durch. "Gemeinsam ist den meisten dieser Studien, dass sie innerstaatliche

Kriege thematisieren, deren Grundmerkmale herausstellen und zunächst auf die

Unterscheidung zu dem als 'alt' angesehenen Typ des zwischenstaatlichen Krieges zielen. 15 Bajohr, Ulrike: Deutschland und das State Building in Afghanistan, 10. Oktober 2005, URL: http://www.fernuni-hagen.de/imperia/md/content/politikwissenschaft/ha_bajohr.pdf (eingesehen 02.08.2007), S. 5. 16 Kaldor, Mary: Neue und alte Kriege: organisierte Gewalt im Zeitalter der Globalisierung, Frankfurt 2000, S. 7.

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Das Attribut 'neu' soll diese Kriege von den für eine frühere Epoche typischen Kriegsformen

abgrenzen."17

Diese Herangehensweise ist allerdings, salopp gesagt, in etwa so aufschlussreich, wie die

Unterschiede zwischen Äpfeln und Birnen herauszuarbeiten. Um also überhaupt zu

sinnvollen Aussagen gelangen zu können, müssten "alte" und "neue" innerstaatliche

Konflikte vergleichend untersucht und auf Veränderungen überprüft werden.18 Allein schon

dieser gravierende methodologische Einwand lässt Fragen aufkommen, weshalb die "Neuen

Kriege" innerhalb weiter Kreise des politik-wissenschaftlichen Spektrums eine derart hohe

Akzeptanz genießen. Hiermit wird zudem erfolgreich ein Alarmismus erzeugt, der förmlich

zum (militärischen) Handeln aufruft. Denn dem klassischen zwischenstaatlichen Krieg, der

etwa seit dem Ende des 17. Jahrhunderts zur vorherrschenden Form des Konfliktaustrags

geworden war, werden verschiedene Merkmale zugesprochen, die ihn vom heute

dominierenden Barbarismus in der Dritten Welt abgrenzen würden. Betont wird dabei

insbesondere die zentrale Rolle der Staaten als "Monopolisten der Gewalt". Krieg war also

lange "ein Geschöpf des zentralisierten, ‘rationalisierten’, hierarchisch geordneten modernen

Flächenstaats."19 Als besonderes Charakteristikum der klassischen Staatenkriege wird deren

"Zivilisierung" durch das Kriegsvölkerrecht und damit die Begrenzung und Eindämmung der

Gewalt hervorgehoben.20 Diese Staatenkriege seien nunmehr ein Relikt der Vergangenheit,

sie seien, in den inzwischen häufig zitierten Worten Herfried Münklers, zu einem

"historischen Auslaufmodell geworden."21 Demgegenüber steige aber gleichzeitig die Zahl

innerstaatlicher Konflikte rapide an, die sich zudem grundlegend von klassischen Kriegen

unterscheiden würden. Insbesondere auf zwei Faktoren wird diesbezüglich aufmerksam

gemacht: Die Privatisierung, Kommerzialisierung und damit Entpolitisierung sowie die

Brutalisierung des Krieges.

Heutzutage, so die These, seien die Staaten als Monopolisten des Krieges abgelöst und

durch privatwirtschaftlich organisierte Kriegsunternehmer ersetzt worden. Genannt werden

hier immer wieder Kriegsherren, Gewaltunternehmer, Rebellen, Guerilleros, Banditen,

Milizen, Söldner sowie organisierte Kriminelle. Dabei habe der "Krieg aus Habgier" lange

maßgebliche politisch-ideologische Motivationen fast vollständig verdrängt. Es gehe nicht

17 Matthies, Volker: Der vernachlässigte Blick auf den Frieden, in: Der Bürger im Staat, 4/2004, S. 185-190, S. 186. 18 "Der entscheidende Schwachpunkt der Studien über die 'neuen Kriege' besteht darin, dass sie die Entstehung eines neuen, unkontrollierten und womöglich unkontrollierbaren Phänomens suggerieren und dieses Phänomen negativ absetzen von den 'eingehegten', nach Regeln ausgetragenen zwischenstaatlichen Kriegen der europäischen Mächte des 19. Jahrhunderts. Würden sie sich systematisch einem historischen Blickwinkel öffnen und auch nicht-zwischenstaatliche Konflikttypen über längere Zeiträume betrachten, kämen sie auch zu differenzierteren Ergebnissen." Kahl, Martin/Teusch, Ulrich: Sind die 'neuen Kriege' wirklich neu?, in: Leviathan, 3/2004, S. 382-401, S. 400. 19 Kaldor 2000, S. 27. 20 Vgl. Pradetto, August: Neue Kriege, in: Gareis, S./Klein, P. (Hg.): Handbuch Militär und Sozialwissenschaft, Opladen 2004, S. 192-202, S. 192f. 21 Münkler, Herfried: Die neuen Kriege, Bonn 2002, S. 7.

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mehr darum, einen Sieg davon zu tragen bzw. Territorium zu erobern, sondern vielmehr sei

es nunmehr das Ziel, die Bedingungen für die Realisierung von Profiten - den Krieg - als

Erwerbsquelle und Lebensform längstmöglich aufrecht zu erhalten. Dies trage zu einer

Verselbstständigung und einer langen Dauer der Kriege bei, indem z.B.

Entscheidungsschlachten vermieden würden.22

Ein weiterer zentraler Befund ist, dass die postulierte Einhegung zwischenstaatlicher Kriege

verloren gegangen sei. In den "Neuen Kriegen" wäre die frühere Unterscheidung in

Kombattanten und Nicht-Kombattanten aufgehoben, es komme zu steigenden Opferzahlen

unter der Zivilbevölkerung, insbesondere im Kontext ethnischer und sexueller

Gewaltexzesse, die teilweise systematisch angewandt würden. Zusammen mit der

praktischen Bedeutungslosigkeit des Kriegsvölkerrechts habe somit eine dramatische

Barbarisierung der Gewalt stattgefunden.23

1.2 Kriegsursachen aus Sicht der Neuen Kriege Eine Hauptursache für das Aufkommen der "Neuen Kriege" wird in den gewandelten

Finanzierungsformen gesehen: Dass sich "Krieg wieder lohnt" sei eine zentrale Motivation

für nicht-staatliche Gewaltakteure, denn "ohne Rentabilität der Gewalt keine Privatisierung

des Krieges." Diese Rentabilität sei vor allem deshalb gegeben, weil der "Neue Krieg" in der

Dritten Welt "mit leichten Waffen, billigen Kämpfern und Anschlussmöglichkeiten an die

großen Geschäfte der globalisierten Wirtschaft geführt werden kann."24

Zwar wird neben den gewandelten Finanzierungsformen ein ganzes Bündel von

Konfliktursachen präsentiert, fast nirgendwo taucht dabei allerdings eine wie auch immer

geartete Verantwortung westlicher Interessenspolitik auf: "Die neuen Kriege werden von

einer schwer durschaubaren Gemengelage aus persönlichem Machtstreben, ideologischen

Überzeugungen, ethnisch kulturellen Gegensätzen, sowie Habgier und Korruption am

Schwelen gehalten."25

Die wichtigste und überragende Ursache für den Ausbruch "Neuer Kriege" erblicken Kaldor

wie Münkler jedoch in der Erosion staatlicher Autorität: "Die Aushöhlung der Autonomie des

Staates, in Extremfällen eine völlige Auflösung, bildet den Kontext, aus dem die neuen

Kriege erwachsen."26 Hierdurch ist der Argumentationsteppich ausgebreitet, der eine

Notwendigkeit westlicher Pazifizierungskriege nahe legt: Die "Neuen Kriege", so Herfried

Münkler, sind "reine Staatszerfallskriege, die zerstörte Gesellschaften ohne tragfähige

Zukunftsperspektiven erzeugen. Diese Gesellschaften sind [...] nicht nur auf den Import von

Nahrungsmitteln und medizinischer Hilfe, sondern mindestens ebenso auf den von 22 Vgl. Kaldor 2000, S. 15ff; Münkler 2002, 33ff. 23 Vgl. Münkler 2002, S. 28, 145; Kaldor 2000, S. 8. 24 Münkler 2002, S. 161. 25 Münkler 2002, S. 16. 26 Kaldor 2000, S. 12.

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Staatlichkeit angewiesen."27 Auch für Mary Kaldor liegt der "Schlüssel" in der

"Wiederherstellung einer - sei es lokalen, nationalen oder globalen - öffentlichen Kontrolle

der organisierten Gewalt."28 Es bedarf also des Westens, um die Dritte Welt aus ihren

selbstverschuldeten Konflikten zu befreien, und zwar indem sämtliche Kapazitäten auf die

Herstellung von "Staatlichkeit" und "Sicherheit" konzentriert werden. Während Münkler

hierfür primär sicherheitspolitische Motive anführt, geben für Kaldor vorwiegend moralisch-

humanitäre Argumente den Ausschlag, sich hierfür einzusetzen.

1.3 Krieg als militärischer Humanismus

Die Neuen Kriege koppeln die Frage der Kriegsursachen auf zweierlei Weise von der

Interessenspolitik der kapitalistischen Mächte ab. Erst diese Generalabsolution ermöglicht es

die westlichen Architekten der Krise mit deren Lösung zu beauftragen und hierfür auch noch

moralische Argumente wortwörtlich ins Feld zu führen: "Erstens werden Konflikte oder Krisen

in nicht-westlichen Staaten als Ergebnis innerstaatlicher oder interner Probleme dargestellt,

die durch habgierige oder kriminelle Eliten ohne jegliche politische Legitimität verschlimmert

werden. Deshalb besitzt die Herangehensweise der Vereinten Nationen während des Kalten

Krieges, Neutralität und Respekt vor Friedensvereinbarungen, die von den Konfliktparteien

abgeschlossen werden, keine Gültigkeit mehr; stattdessen werden internationale Akteure für

notwendig gehalten, um einen gerechten Frieden herzustellen und abzusichern. Zweitens,

und wichtiger, [...] wird behauptet, es gäbe keine Eigeninteressen hinsichtlich externer

Interventionen, die vielmehr mit neutralen Politikmaßnahmen gleichgesetzt werden und

lediglich internationale oder 'kosmopolitische' Normen und Gesetzte durchsetzen würden."29

Gerade linksliberale "Kosmopoliten" vertreten die Auffassung, dass aus moralischen

Gründen dem Töten und Sterben in der Dritten Welt mittels militärischem "Stabilitätsexport"

begegnet werden müsse. So äußert sich Mary Kaldor folgendermaßen: "Die Analyse der

neuen Kriege legt jedoch nahe, dass nicht Friedenssicherung, sondern die Durchsetzung

kosmopolitischer Normen erforderlich ist, also die Durchsetzung des humanitären

Völkerrechts und der Menschenrechte."30 Westliche Pazifizierungskriege sind also aus

diesem Blickwinkel nicht mehr die Fortsetzung der (Interessens)Politik mit anderen Mitteln,

sondern der selbstlose Ausdruck für "eine neuartige, postnationale Politik des militärischen

Humanismus, des Einsatzes transnationaler Militärmacht mit dem Ziel, der Beachtung der

Menschenrechte über nationale Grenzen hinweg Geltung zu verschaffen."31

27 Münkler 2002, S. 135. 28 Kaldor 2000, S. 21 29 Chandler, David: Back to the future?, in: Review of International Studies, 32/2006, S. 475-494, 484f. 30 Kaldor 2000, S. 197. 31 Beck, Ulrich: Über den postnationalen Krieg, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 8/1999, S. 984-990, S. 987.

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Für die Vertreter der Neuen Kriege ist die Welt zweigeteilt in eine "Friedenszone der

westlichen Demokratien", geprägt von der Akzeptanz kosmopolitischer, universeller Werte

und einen barbarischen Rest (die Dritte Welt), der dringend auf die "aufgeklärte

Fremdverwaltung" (Max Boot) des Westens angewiesen sei, um seiner selbstverschuldeten

Gewaltexistenz zu entkommen. Mary Kaldor etwa vertritt die These, dass die ideologisch-

politischen Auseinandersetzungen vergangener Zeiten "durch eine neue politische

Frontstellung abgelöst worden sind: die zwischen einer, wie ich es nennen werde,

kosmopolitischen, also auf Werten der Einbeziehung, des Universalismus und

Multikulturalismus basierenden Politik und einer Politik partikularer Identitäten."32

Auf dieser Grundlage erweisen sich die Kosmopoliten als Vorreiter einer Re-Hierarchisierung

der internationalen Beziehungen, indem sie fordern, das auf der Gleichheit und der

Souveränität aller Staaten basierende internationale System ad acta zu legen und

stattdessen den "Demokratien" das alleinige globale Deutungs- und Gewaltmonopol zu

übertragen. Kurz zusammengefasst wird dabei folgendermaßen argumentiert: Da liberale

Demokratien grundsätzlich friedfertig (oder zumindest friedfertiger als sämtliche anderen

Organisationsformen)33 sind und deutlich höhere zivilisatorische Standards an den Tag legen

würden als andere Staatsformen, müssten ihnen auch besondere Befugnisse und Rechte

zugesprochen werden. "Sie [die Kosmopoliten] plädieren für die formelle Re-Hierarchisierung

der internationalen Gemeinschaft, bei der demokratischen Staaten spezielle

Regierungsbefugnisse zugestanden werden - insbesondere mit Blick auf die legale

Anwendung von Gewalt - und für andere Ländern das kategorische Recht auf

Selbstbestimmung und Nicht-Einmischung eingeschränkt wird."34

Aus der Sicht dieser Linksliberalen ist "Souveränität" nicht mehr länger eine

Selbstverständlichkeit, sondern eine von den "Demokratien" ausgestellte und an

Bedingungen geknüpfte Lizenz, die jederzeit wieder aberkannt werden kann, sollte gegen die

kosmopolitischen Werte verstoßen werden.35 Hierdurch wird eine "kopernikanische Wende"

in der internationalen Sicherheitspolitik eingeleitet, indem das völkerrechtliche Angriffsverbot

und das Nicht-Einmischungsgebot endgültig für nichtig erklärt werden. Über die Frage von

Krieg oder Frieden soll künftig ausschließlich in den Hauptstädten der westlichen

32 Kaldor 2000, S. 15. 33 Allerdings ist die Frage, ob und inwiefern Demokratien tatsächlich zu friedfertigerem Verhalten neigen, hochgradig umstritten. Vgl. Hasenclever, Andreas: Liberale Ansätze zum ‚demokratischen Frieden‘, in: Schieder, Siegfried/Spindler, Manuela (Hrsg.): Theorien der internationalen Beziehungen, Opladen 2003, S. 199-225; Layne, Christopher: Kant or cant: the myth of the democratic peace, in: International Security, Vol. 19, No.2, Fall, 1994, pp. 5-49. 34 Reus-Schmitt, Christian: Liberal hierarchy and the licence to use force, in: Review of international studies 31/2005, S. 71-92, S. 72. Wichtige Vertreter des "Kosmopolitischen Interventionismus" sind u.a. Power, Samantha: A Problem from Hell: America and the Age of Genocide,New York 2003 und Hinsch, Wilfried/Janssen, Dieter: Menschenrechte militärisch schützen, Bonn 2007. 35 Vgl. Gowan, Peter: Neoliberal Cosmopolitanism, in: New Left Review, 11 (September-October 2001), S. 79-93.

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Demokratien entschieden werden, die sich hiermit das globale Gewaltmonopol aneignen:

"Wird die Selbstkonstruktion von Demokratien als das friedenspolitisch überlegene politische

System handlungsbestimmend, dann führt dies zu einer Aufkündigung des so genannten

Westfälischen Staatensystems, das sich dadurch auszeichnete, dass Staaten unabhängig

von ihrer inneren Verfasstheit als gleichberechtigte Subjekte der internationalen Politik

angesehen werden. [...] Was hier [...] umgesetzt wird, ist der Übergang von einer auf der

formalen Gleichheit der Staaten aufbauenden Sicherheits- zu einer demokratisch

begründeten Ordnungspolitik im internationalen System."36

Ohne diese moralischen Argumente hätten quasi-koloniale Stabilisierungsmissionen

erhebliche Rechtfertigungsprobleme, wie im Magazin Newsweek deutlich ausgeführt wurde:

"Es gibt chaotische und von Gewalt beherrschte Teile auf dem Globus,

zusammengebrochene Staaten und schreckliche ethnische und religiöse Kriege. In einigen

von ihnen könnte eine äußere Macht gut die Ordnung sichern und dabei helfen, sie auf den

Kurs wirklicher Selbstbestimmung zurückzuführen. [...] Wenn heute ein gütiger und liberaler

Kolonialismus funktionieren soll, dann muss er in einen Mantel eingehüllt sein, der nicht

bedrohlich wirkt. Dieser Mantel ist die 'internationale Gemeinschaft'. […] Niemand prangert

den Kolonialismus in Kosovo, Bosnien, Osttimor, Kambodscha oder anderswo an, wo

internationale Protektorate errichtet wurden."37

Um aber sicherzugehen und diesem moralischen Legitimationskonstrukt zusätzliche

Durchschlagskraft zu verschaffen, wird zudem postuliert, der "Stabilitätsexport" sei die einzig

effektive Maßnahme zur Terrorbekämpfung.

1.4 Krieg als sicherheitspolitischer Imperativ Da von den "Neuen Kriegen" eine "hohe Infektionsgefahr" (Martin van Creveld) ausgehe,

36 Nielebock, Thomas: Der Friede zwischen den Demokratien: Friede den Palästen, Krieg den Hütten?, in: Rittberger, Volker (Hg.): Weltpolitik heute, Baden-Baden 2004, S.165-191, S. 185f. So spricht sich beispielsweise Robert Keohane, einer der prominentesten Kosmopoliten, für eine Art "Allianz der Demokratien" aus, die auch außerhalb eines Mandats des UN-Sicherheitsrates das legale Recht für sich beanspruchen könne, in fremden Staaten militärisch einzugreifen: "Wenn eine präventive Aktion durch ein Mehrheitsvotum des Sicherheitsrates oder von einem Veto eines der ständigen Mitglieder blockiert wird, können diejenigen, die eine präventive Aktion anstreben, sich an ein anderes Gremium richten - eine Koalition der demokratischen Staaten." Dies habe den Vorteil, dass "Entscheidungen über die Anwendung präventiver Gewalt aus der Reichweite des Vetos der ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat herausgelöst werden." Aufnahme finden hierbei allerdings nur "moralisch verlässliche" und "verantwortlich handelnde" Staaten, wobei als Kandidaten dieser "globalen NATO", deren Einsetzung nicht von der Zustimmung des Sicherheitsrates abhängig sei, u.a. Australien, Kanada, Chile, Japan, Südkorea und Südafrika genannt werden. Der große Vorteil sei, dass hierdurch "alle Mitglieder des Sicherheitsrates realisieren, dass sie nicht mehr länger über ein uneingeschränktes Monopol in der Frage der Autorisierung präventiver Gewaltanwendung verfügen." Vgl. Buchanan, Allen/Keohane, Robert O.: The Preventive Use of Force: A Cosmopolitan Institutional Proposal, o.O, o.j., URL: http://islandia.law.yale.edu/hathaway/files/001-022_buch_keo.pdf (eingesehen 03.04.2007), S. 2; vgl. auch Hoffmann, Stanley: America Goes Backward, in: New York Review of Books, Vol. 50, No. 10 (2003). 37 Meaer, Jörg: Souveränität und (politische) Handlungsfähigkeit, URL: http://www.transforma-online.de/deutsch/transforma2003/papers/meyer.html (eingesehen 16.01.2007).

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werden diese auch zu einem sicherheitspolitischen Problem. Dabei werden Spenglersche

Untergangsfantasien bemüht, um eine direkte Bedrohung des Westens zu untermauern. Für

Münkler ist "das Konglomerat aus Raubzügen und Plünderungen, Massakern und

Gewaltexzessen [...] ein Menetekel dessen, was Europäer und Amerikaner ereilen wird,

wenn es ihnen nicht gelingt, das aufgebrochene Gewaltmonopol der Staaten im globalen

Maßstab wiederherzustellen."38

Dies gelte besonders "für den internationalen Terrorismus, dessen Ausbildungslager und

Rückzugsgebiete vorzugsweise dort liegen, wo im Verlauf eines innergesellschaftlichen

Krieges die staatlichen Strukturen zusammengebrochen sind. [Weshalb] es in einer

globalisierten Welt keine Region mehr gibt, in denen die staatlichen Strukturen

zusammenbrechen können, ohne dass dies schwer wiegende Folgen für die weltpolitische

wie weltwirtschaftliche Ordnung hätte."39 Hieraus leitet sich eine sicherheitspolitische

Notwendigkeit zum militärischen Stabilitätsexport ab, der Westen müsse bereit sein, "sich auf

bewaffnete Pazifizierungen ganzer Regionen einzulassen."40 Selbstredend lägen dem

keinerlei ausbeuterische Motive zugrunde, da "es sich - anders als die Theorien des

Neokolonialismus und Imperialismus unterstellen - zumeist um defensive, nicht offensive

Interessen handelt."41

Vor diesem Hintergrund wird dem Westen die Befugnis zugesprochen, mittels

"Stabilisierungsmissionen" de facto eine Rekolonisierung der Peripherie überall dort

einzuleiten, wo er seine Interessen verletzt sieht und im Zuge des Nation Building die

jeweiligen Gesellschaftssysteme grundlegend (neoliberal) umzustrukturieren.

1.5 Die Neuen Kriege und die Rekolonisierung der Peripherie Wie bereits angedeutet ist die Aufkündigung des staatlichen Souveränitätsrechts der

logische Endpunkt, der sich zwingend aus dem Konstrukt der Neuen Kriege ableitet: "Es ist

unerlässlich, am Beginn des 21. Jahrhunderts eine kontroverse, möglicherweise unbequeme

Realität zu akzeptieren: Das Konzept der staatlichen Gleichheit - dass alle Staaten über

dieselben juristischen Rechte, Souveränitätsprerogative und mit derselben Unverletzbarkeit

ihrer territorialen Integrität ausgestattet sind - wird nicht universell akzeptiert. Während es

einstmals politisch schwierig war auch nur die Vorstellung von Treuhandschaften für

Regionen, die sich staatlicher Verantwortung entziehen, zu äußern, könnte dies heute

unvermeidbar sein."42

38 Münkler 2002, S. 63. 39 Münkler 2002, S. 227. 40 Münkler 2002, S. 221. 41 Münkler 2002, S. 226. 42 Newmanm, Edward: The ‘New Wars’ Debate: A Historical Perspective Is Needed, in: Security Dialogue, Vol. 35, No. 2 (2004), S. 173-189, S. 187.

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Im Klartext bedeutet dies, Staaten solange unter koloniale Verwaltung zu stellen, bis sie wie

gewünscht "funktionieren", wie der Politikwissenschaftler Ulrich Menzel bestätigt: "Im Falle

der 'Failed States' kann die Einrichtung von 'liberalen Protektoraten' erforderlich sein, um

treuhänderisch das Gewaltmonopol herzustellen."43 Fast genauso klingt Mary Kaldor: "Wo

noch keine legitimen örtlichen Behörden existieren, können treuhänderisch Mandate oder

Protektorate in Erwägung gezogen werden."44 Mit der Reaktivierung des in die Kolonialzeit

zurückreichenden Treuhandprinzips wird also völlig unverfroren gefordert, Ländern und ihrer

Bevölkerung das Recht auf Selbstbestimmung abzuerkennen und das im Souveränitätsrecht

verankerte staatliche Gleichheitsprinzip endgültig ad acta zu legen: "Was die

Wiederbelebung des Treuhandkonzeptes bedeutet, ist die Rückkehr zu einer hierarchischen

Weltordnung."45

Für diese Vorschläge können sich auch Konservative begeistern: "Was wäre schlecht an

einem neuen Imperium?", so die inzwischen häufig gestellte Frage, hier vom

Chefkolumnisten der Welt am Sonntag, der die moralisch-sicherheitspolitisch legitimierte

Ausweitung der europäischen Einflusszone sogar zu einem "Modernisierungsprojekt"

hochstilisiert: "Wenn aber Europa seine imperiale Bestimmung realisiert, so ist eben diese

Ausdehnung einerseits schlicht und einfach notwendige Bedingung seiner Sicherheit,

andererseits ein zivilisatorischer Auftrag, der Europas müde Eliten neu beleben könnte."46

Ganz offen wird inzwischen also auch in Europa versucht, dem Imperialismusbegriff eine

positive Konnotation beizumischen, wie sich anhand von Herfried Münklers Ausführungen

exemplarisch zeigen lässt. "Im Gefolge der ökonomischen Imperialismustheorien haben wir

uns daran gewöhnt, Imperien mit Unterdrückung und Ausbeutung zu identifizieren. Genauso

lassen sich Imperien aber auch als Friedensgaranten, Aufseher über politische und kulturelle

Werte und Absicherer großräumiger Handelsbeziehungen und Wirtschaftsstrukturen

begreifen."47 Folgerichtig plädiert Münkler für "die Herstellung von imperialer Ordnung

zwecks Absicherung von Wohlstandszonen an den Rändern. [...] Der Zwang zu einer

zunehmenden Politik der Intervention ist auch die Reaktion auf die Konsequenzen der

Globalisierung an der Peripherie. Es bleibt die Frage, ob es gelingt, die zentralen Bereiche in

die Wohlstandszonen zu inkludieren, also in der Fläche Ordnung herzustellen, und den Rest

zu exkludieren. Es steht aber außer Frage, dass an diesen neuen 'imperialen

Barbarengrenzen' der Krieg endemisch wird, nämlich in Form von Pazifizierungskrieg aus

dem Zentrum in die Peripherie hinein und in Form von Verwüstungskrieg aus der Peripherie

ins Zentrum. [...] Dann entstehen an den Grenzen Europas jene Gefällestrukturen, die

43 Menzel, Ulrich: Wenn die Staaten verschwinden, taz, 30.08.2003. 44 Kaldor 2000, S. 211. 45 Bain, William: The Political Theory of Trusteeship and the Twilight of International Equality, in: International Relations, Vol 17, No. 1 (2003), S. 59-77, S. 74. 46 Posener, Alan: Empire Europa, in: Internationale Politik (Januar 2006), S. 60-67, S. 60, 67. 47 Münkler, Herfried: Das imperiale Europa, in: Die Welt, 29.10.2004.

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typisch sind für imperiale Machtformen. Deshalb werden wir lernen müssen, die Kategorie

des Imperiums in Zukunft [...] vielmehr als eine alternative Ordnungskategorie des

Politischen, nämlich als Alternative zur Form des Territorialstaates" zu denken.48

Ein besonders prägnantes Plädoyer für die moralisch-sicherheitspolitische Rechterfertigung

eines neuen Kolonialismus liefert der Neokonservative Francis Fukuyama in seinem

Grundlagenwerk mit dem bezeichnenden Titel "Staaten bauen". Dort führt er einerseits

sicherheitspolitische Motive an, indem er davor warnt, dass "gescheiterte Regierungen ein

nicht hinnehmbares Sicherheitsrisiko in Form von Terroristen mit Massenvernichtungsmitteln

darstellen können." Auf der anderen Seite vergisst er jedoch auch die moralische

Komponente nicht, denn es bestünde "nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, im

Namen der Menschenrechte und der demokratischen Legitimität einzugreifen."49 Deshalb

kommt er zu dem Schluss: "Angesichts der Tatsache, dass es in vielen gescheiterten

Ländern nur ein niedriges Niveau oder gar keine Staatlichkeit gibt, ist nicht klar, ob es eine

wirkliche Alternative für ein quasi permanentes, quasi-koloniales Verhältnis zwischen der

internationalen Gemeinschaft und den 'begünstigten' Ländern gibt."50 Es ist gerade diese

Verbindung moralischer und sicherheitspolitischer Argumentationsmuster, die "große

Zustimmung innerhalb eines breiten politischen Spektrums findet. Progressive können die

Aussage unterstützen, dass Staaten die Pflicht haben in gescheiterten oder autoritären

Staaten aus humanitären Gründen zu intervenieren, während Neokonservative betonen,

dass Interventionen in diesen Staaten zur Wahrung der nationalen und internationalen

Sicherheit notwendig sind."51

Neben den bereits erwähnten gravierenden methodologischen Einwänden gibt es aber eine

Reihe weiterer Kritikpunkte an den Zentralaussagen der Neuen Kriege. So lässt sich zwar

einerseits empirisch tatsächlich ein Rückgang zwischenstaatlicher Kriege feststellen, sie aus

diesem Grund allerdings für irrelevant zu erklären legt die "Fehldeutung nahe, 'alte' Kriege

seien empirisch wie theoretisch inzwischen bedeutungslos."52 Schon allein die steigende

Zahl westlicher Pazifizierungskriege deutet in eine andere Richtung. Zudem ist anzumerken,

dass das Bild vom "eingehegten" Staatenkrieg eine stark idealisierte Sichtweise darstellt,

48 Alte Hegemonie und Neue Kriege: Herfried Münkler und Dieter Senghaass im Streitgespräch, in: Blätter für deutsch und internationale Politik 5/2004, S. 539-552, S. 549f. 49 Fukuyama, Francis: Staaten Bauen: Die neue Herausforderung der Internationalen Politik, Berlin 2006, S. 138f. 50 Fukuyama 2006, S. 147. 51 Etzioni, Amitai: Sovereignty as Responsibility, in: Orbis, Winter 2005, S. 71-85, S. 76. Dabei verwischen die Grenzen zwischen beiden Flügeln aber zunehmend. So lassen sich "kosmopolitische", "moralische" Argumentationsmuster kaum mehr von denen der Neokonservativen unterscheiden. Vgl. Thompson, Helen: The Case for External Sovereignty, in: European Journal of International, Vol. 12(2), S. 251-274, S. 262. Für einen konservativen Beitrag, der auf moralische Argumente zurückgreift vgl. Nau, Henry: A Conservative Grand Strategy for America, in: ders./Shambaugh, David (eds.): Divided Diplomacy and the Next Administration, Washington 2004. 52 Chojnacki, Sven: Wandel der Kriegsformen? - Ein kritischer Literaturbericht, in: Leviathan, 3/2004, S. 402-424, S. 407.

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blendet sie doch die Brutalität der westlichen Kriege im 19. und 20. Jhd. systematisch aus,

die teils bewusst gegen die Zivilbevölkerung geführt wurden.53

Ebenso verhält es sich mit der These einer Brutalisierung der Gewalt: "Bürgerkriege [...]

haben sich von jeher durch besondere Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit ausgezeichnet.

[...] Von einer 'neuen' Entwicklung kann also hier ebenfalls nicht gesprochen werden."54

Weder was sexuelle noch ethnische Gewalt anbelangt, scheint die jüngere Vergangenheit

eine signifikante Ausnahme von der unbestritten grausamen, aber eben nicht "neuen" Regel

innerstaatlicher Konflikte zu sein.55 Damit soll natürlich in keiner Weise die grausame Realität

heutiger Kriege verharmlost oder relativiert werden - im Gegenteil. Vielmehr geht es darum

zu zeigen, wie mit Hilfe empirisch schwach belegter Thesen Bedrohungsängste geschürt und

politische Schlussfolgerungen gezogen werden, die die Bereitschaft zu einem militärischen

Eingreifen erhöhen, dieses legitimieren und sich so perfekt für die Zwecke westlicher

Kriegspolitik instrumentalisieren lassen. Klaus Jürgen Gantzel etwa fragt in diesem Kontext

völlig zu Recht, "ob die ‘Neuentdecker’ - bewusst oder unbewusst, zumindest unbedacht -

nicht einer tieferen Strömung zu Diensten sind. Ihre generalisierenden Darstellungen einer

unmenschlichen Kriegswelt wecken diffuse Bedrohungsgefühle, die geeignet sind, einer sich

bis in Privatzonen hineinfressenden Sicherheitspolitik den Weg zu ebnen, die letztlich

zerstört, was zu schützen sie vorgibt: eine starke demokratische Gesellschaft. Solche

Bedrohungsgefühle können aber auch dazu genutzt werden, einem bloßen Draufhauen

Vorschub zu leisten, etwa auf eine erfundene ‘Achse des Bösen’."56

Was die Neuen Kriege als Legitimationskonstrukt des aktuellen Militärinterventionismus so

attraktiv macht, ist das von ihnen erzeugte Bild, dass "’schwache Staaten nicht in der Lage

sind, im internationalen System auf eigenen Füßen zu stehen.’ […] Hierdurch wird die

Forderung nach einer Art internationaler Treuhandschaft für ehemalige Kolonien begründet,

die darauf abzielt, dass 'Chaos im Inneren', die 'hoffnungslos delinquenten Länder' wie

Afghanistan, Kambodscha, Haiti und Sudan zu kontrollieren und eine 'Reformation der

Entkolonisierung' einzuleiten."57 Ähnlich argumentiert Susanne Söderberg: "Diese

[Zustimmung für Stabilisierungseinsätze] wird vor allem durch einen Diskurs produziert, der

'die Anderen' als eine passive, schweigende und homogene Einheit beschreibt, die sich der

53 Vgl. Pradetto 2004, S. 196; Chojnacki 2004, S. 407. 54 Kahl/Teusch 2004, S. 393f. 55 Vgl. Chonjacki 2004, S. 412; Pradetto 2004, S. 196. 56 Gantzel, Klaus Jürgen: Neue Kriege?, in: Friedensgutachten 2002, S. 80-89, S. 88f.; Vgl. auch Pradetto 2004, S. 195. 57 Bilgin, Pinar/Morton, Adam: Rethinking State Failure: The Political Economy of Security, in: Lambach, Daniel/Debiel, Tobias (Eds.): State Failure Revisited I: Globalization of Security and Neighborhood Effects, INEF Report 87/2007, S. 7-31, S. 20. Das Zitat stammt von Jackson, Robert H./Sørensen, Georg: Introduction to International Relations. Theories and Approaches, Oxford 2003.

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neoliberalen Modernisierung verweigert und daher stets eine potentielle Bedrohung für 'den

Westen' bleibt."58

Wer aber "Sicherheit" und "Stabilität" herbeibomben will, um Länder anschließend im

Rahmen des Nation Building so lange unter die Schirmherrschaft westlicher Protektorate zu

stellen, bis sie neoliberalen Spielregeln gehorchen, perpetuiert damit lediglich den

Teufelskreis aus Armut und Gewalt. Exakt dies ist aber die traurige Praxis, die sich hinter

dem beschönigenden Begriff des "Stabilitätsexports" verbirgt (siehe Kapitel 6). Denn es ist

genau jene "neoliberale Modernisierung", die maßgeblichen Anteil an der Eskalation von

Konflikten in der Dritten Welt hat, wie im folgenden Kapitel dargestellt werden soll.

58 Söderberg, Susanne, Das amerikanische Empire und die "ausgeschlossenen Staaten", in: Prokla 34/2004, S. 299-319, S. 316.

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2 Armut als Kriegsursache: Die Militarisierung des Neoliberalismus und die Krisentendenzen der Weltwirtschaftsordnung

Auf Grundlage ihrer Thesen fordern die Vertreter der Neuen Kriege unisono, dass mittels

westlicher Stabilisierungseinsätze, einem kombinierten Einsatz militärischer, humanitärer,

wirtschaftlicher oder polizeilicher Instrumente, der diagnostizierten Erosion von Staatlichkeit

Einhalt geboten wird. Diese Forderung gründet allerdings auf einer stark verkürzten

Interpretation der Ursachen und damit auch Lösungen heutiger Gewaltkonflikte, für die es

wenig hilfreich ist, sie völlig losgelöst von der westlichen Interessenspolitik zu analysieren.

Sicher ist es richtig, dass nach dem Kalten Krieg und dem (teilweisen) Wegfall der

Unterstützungsleistungen seitens der Großmächte neue Finanzierungsformen gesucht (und

gefunden) wurden.59 Wenn Münkler aber meint, es sei notwendig, "stärker den Blick auf die

sich mit den Mitteln militärischer Gewalt durchsetzenden ökonomischen Interessen zu

richten", so ist einzuwenden, entgegnet ihm Horst Großmann richtigerweise, "dass er im

wesentlichen die Ökonomie auf die ökonomischen Interessen regional agierender Subjekte,

Kriegsfürsten, Warlords u.s.w. reduziert und sie von den ökonomischen Interessen der

kapitalistischen Großmächte abkoppelt."60 Darüber hinaus greifen Habgier und Staatszerfall

als entscheidende Kriegsursachen deutlich zu kurz, da "die Motivation zur Gewaltanwendung

[...] ohne Bezug auf den Mangel bzw. die Verknappung an physischer und ökonomischer

Sicherheit in zerfallen(d)en Staaten nicht verstanden werden [kann]."61

Staatszerfall, massenhaft gewaltbereite, weil sozial deprivilegierte Jugendliche und die

Finanzierung durch Raub sind Symptome, die nicht mit Ursachen verwechselt werden

dürfen. Selbstverständlich begünstigen all diese Faktoren das Ausbrechen gewaltsamer

Auseinandersetzungen, sie kratzen jedoch nur an der Oberfläche und hängen allesamt mit

tiefer liegenden Ursachen zusammen, westliche Interessenspolitik, Armut und neoliberale

Weltwirtschaftsordnung: "Sicherheitsstrategen im Norden versäumen es dabei allerdings

gern, ihre Mitverantwortung für den wirtschaftlichen, sozialen, politischen und ökologischen

Niedergang einzugestehen, der Staaten erst scheitern lässt, interne und regionale Konflikte

auslöst und die Herausbildung von international agierenden Verbrechern oder Terroristen

begünstigt. [...] Diese Sicht auf Gewalt und die Notwendigkeit des Schutzes von Menschen

reagiert auf Symptome, betrachtet aber nicht die Ursachen und Dynamiken von Konflikten."62

59 Berdal, Mats: "How 'New' Are 'New Wars'?, in: Global Governance 9 (2003), S. 477-502, S. 484 nennt etwa das Beispiel der angolanischen UNITA, die sich nach dem Kalten Krieg über den Verkauf von Diamanten weiter finanzierte. 60 Großmann, Horst: Die "neuen Kriege", in: DSS-Arbeitspapiere Heft 70, S. 73-84, S. 80. 61 Chojnacki 2004, S. 410. 62 Robinson, Clive: Wessen Sicherheit? Zusammenführung und Eigenständigkeit der Sicherheits- und der Entwicklungspolitik der Europäischen Union. Eine Untersuchung im Auftrag der "Association of World Council of Churches related Development Organisations in Europe (APRODEV), Brüssel, Juni 2005, S. 14.

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2.1 Die Bankrotterklärung des Neoliberalismus Die Tatsache, dass die Globalisierung häufig wertfrei als zwangsläufiger Prozess

zunehmender internationaler Verflechtung verstanden wird, verfehlt den tatsächlichen Gehalt

dieser Entwicklung. Denn worum es wirklich geht, ist die gezielte politische Umsetzung einer

Strategie, die auf eine maximale Durchsetzung der Marktkräfte setzt und damit nur als

neoliberale Globalisierung zu beschreiben ist.63 Als wesentliche Mittel hierfür fungieren

Privatisierung, Deregulierung, Abbau staatlicher Sozialleistungen, Öffnung der Märkte bzw.

Freihandel, welche von den westlich dominierten Organisationen wie IWF, Weltbank und

WTO durchgesetzt werden. Inzwischen dürfte wohl allgemein bekannt geworden sein, dass

die Umsetzung dieser Maßnahmen zu einer massiven Verarmung weiter Teile der

Weltbevölkerung (auch innerhalb des Zentrums) geführt hat (siehe Grafik 1).64

Grafik 1: Die Kluft zwischen Arm und Reich: Immer größere Unterschiede zwischen Industrie und Entwicklungsländern

63 Vgl. Brand, Ulrich: Globalisierung als Projekt und Prozess, in: AUSDRUCK - Das IMI-Magazin (Februar 2004), S. 3-7. 64 Vgl. für aktuelle Zahlen Garnreiter, Franz: Die Enteignung des Südens, isw-Report 65 (April 2006); Siehe auch Stiglitz, Joseph: Die Schatten der Globalisierung, Berlin 2002; und Chang, Ha-Joon: Kicking Away the Ladder: The "Real" History of Free Trade, FPIF, Special Report, Dezember 2003.

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Gerade in den Bereichen, in denen Drittweltstaaten wettbewerbsfähig wären, schotten sich

die Industrieländer mittels Schutzzöllen ab. Nach Schätzungen der Weltbank verlieren die

Entwicklungsländer allein hierdurch jährlich 200-500 Mrd. Dollar.65 Es gäbe also unmittelbar

zahlreiche Möglichkeiten die Lebenssituation der Menschen in der Dritten Welt dramatisch

zu verbessern, ohne hierfür ausgerechnet auf das Militär zurückzugreifen. Die Tatsache,

dass man hierzu offenbar nicht gewillt ist, hat entscheidenden Einfluss auf die Frage von

Krieg und Frieden in der Welt.

2.2 Armut als Kriegsursache Nummer Eins Die entscheidende Kritik an der Theorie der Neuen Kriege ist, dass sie es konsequent

vermeidet, die von der Weltwirtschaftsordnung verursachte Verarmung als entscheidende

Ursache für die gewaltsame Eskalation von Konflikten anzuerkennen (siehe Grafik 2). Dies

ist umso erstaunlicher, da dies selbst von der Weltbank in einer bemerkenswerten Studie

eingeräumt wird: "Empirisch ist das auffälligste Muster, dass sich Bürgerkriege besonders

auf arme Staaten konzentrieren. Krieg verursacht Armut, aber wichtiger noch für diese

Konzentration ist, dass Armut die Wahrscheinlichkeit von Bürgerkriegen erhöht. Somit kann

unser zentrales Argument bündig zusammengefasst werden: die zentrale Konfliktursache

(central root cause of conflict) ist das Scheitern ökonomischer Entwicklung."66 Auch die

ebenfalls linker Ambitionen unverdächtige Bertelsmann-Stiftung, kam in einer Ende 2006

veröffentlichten Studie zu dem Ergebnis, dass "die weitaus überwiegende Zahl von

politischen Gewalttaten auf lokale Ursachen wie Hunger, Ungleichheit oder Entrechtung

zurückzuführen" sind.67 Dies deckt sich mit der überwiegenden Mehrheit der

wissenschaftlichen Befunde: "Dabei ist in der Kriegsursachenforschung unumstritten, dass

Armut der wichtigste Faktor für Kriege ist. Armut steht als Indikator für wirtschaftliche als

auch für soziale Benachteiligung, bis hin zum Mangel an Möglichkeiten, das eigene Leben in

Würde zu gestalten. Die Kriege der Zukunft werden immer häufiger Kriege um Wohlstand

und Würde sein - und zumindest jenen, die sie betreiben, rational erscheinen."68 Hätte man

65 Vgl. Mallaby, Sebastian: Relief the Poor? Watch Farming and Textiles, International Herald Tribune, 07.11.2001. Die Schätzungen variieren erheblich. Auf 162.5 Mrd. $ taxiert die UNCTAD den jährlichen Abfluss. Vgl UNCTAD: Trade and Development Report 2003, S. 26; Oxfam schätzt die Verluste durch Zölle auf Agrarprodukte auf 100 Mrd. Dollar, die katholische Hilfsorganisation CAFOD beziffert den Raub am Süden sogar auf jährlich knapp 900 Mrd. Dollar. Vgl. Turner, Mandy: At War’s End: Building Peace after Civil Conflict, Cafod 2004, URL: http://www.democratiya.com/review.asp?reviews_id=44 (eingesehen 20.08.2007). 66 Collier, Paul: Breaking the conflict trap, World Bank Policy Research Report 2003, S. 53. 67 Croissant, Aurel/Hartmann, Hauke: Der Kampf der Kulturen findet nicht statt, Frankfurter Rundschau, 21.11. 2006; vgl. auch Bertelsmann Stiftung (Hg.): Political Violence, Extremism and Transformation, Gütersloh 2006. Zu demselben Ergebnis kommt bspws. auch Congressional Budget Office: Enhancing US Security Through Foreign Aid, Washington, DC, April 1994, S. 5. 68 Brzoska, Michael: Wie werden wir die nächsten hundert Jahre überleben?, Zeit Online, 17.08.2006.

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25

also tatsächlich ein Interesse an einer effektiven Konfliktprävention, müsste der Hebel an der

ungerechten Weltwirtschaftsordnung angesetzt werden.

Grafik 2: Armut fördert Bürgerkriege: Mit wachsendem Wohlstand sinkt die Gefahr gewaltsamer Konflikte

Zwei weitere unmittelbar mit westlicher Interessenspolitik zusammenhängende Faktoren

tragen darüber hinaus zur Eskalation von Konflikten maßgeblich bei. So zeigen einmal

Studien, dass Rüstungsexporten entscheidenden Anteil an Unterentwicklung und Armut

haben sowie bestehende Konflikte erheblich anheizen.69 Dass die Gemeinsame Konferenz

Kirche und Entwicklung (GKKE) gerade Deutschlands Rüstungsexportpolitik in

Entwicklungsländer, an die allein im Jahr 2005 Güter im Wert von 1.65 Mrd. Euro geliefert

wurden, als "expansiv" kritisiert, spricht Bände.70 Wie entscheidend westliche

Interessenspolitik und gewaltsame Konflikte zusammenhängen zeigt sich letztlich auch darin,

dass deren Wahrscheinlichkeit exponential steigt, je rohstoffreicher ein Land ist - und zwar

69 Vgl. Chanaa, Jane: Arms sales and development: making the critical connection, in: Development in Practice, Volume 15, Issue 5, August 2005, S. 710-716. 70 Fischer, Martina: "Safety first" - Oder kommt Entwicklung vor Sicherheit?, Beitrag für Tagung "Welche Sicherheit, für wen und mit welchen Mitteln? - Erweiterte Sicherheit und das neue Weißbuch in der Diskussion" Evangelische Akademie Loccum, 15.-17.12.2006, S. 13.

Page 26: Mit Sicherheit keine Entwicklung!

26

nicht nur aufgrund habgieriger lokaler Eliten, sondern auch weil von westlicher Seite,

insbesondere durch die hiervon profitierenden Konzerne, häufig Öl ins Feuer gegossen wird

(siehe Grafik 3).71

Grafik 3: Rohstoffe finanzieren Krieg und Terror

Es würde also viele Optionen effektiver Konfliktbearbeitung geben, nur müsste man hierfür

eben an den Ursachen ansetzen, indem die zugrunde liegenden Hierarchie- und

Ausbeutungsstrukturen verändert werden. Da es aber tatsächlich das Ziel ist, diese

Strukturen ad infinitum aufrecht zu erhalten und abzusichern, wird hierfür der Rückgriff auf

das Militär erforderlich.

2.3 Krisentendenzen und militärischer Neoliberalismus Da sich Konflikte negativ auf die Fähigkeit zu Kapitalinvestitionen und die daraus

resultierenden Profitmöglichkeiten auswirken, ist westlichen Großkonzernen (meist) an deren

Vermeidung bzw. "Befriedung" gelegen: "Die unter der Führung der internationalen

Wirtschaftsinstitutionen vorangetriebene 'Globalisierung' hat dem Finanzkapital neue

Horizonte eröffnet, doch macht sie auch den Schutz und die Sicherheit der 'Eigentumsrechte'

71 "Rohstofffluch" (resource curse) wird dieses Phänomen bezeichnet. Erstmalig wurde der Begriff verwendet von Auty, Richard M.: Sustaining Development in Mineral Economies: The Resource Curse Thesis. London 1993.

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27

auf natürliche Ressourcen, auf Land, aber auch der Finanztitel (Aktien, Obligationen,

Schuldtitel) notwendig."72

Darüber hinaus zielt der westliche Militärinterventionismus aber auch ganz grundsätzlich

darauf ab, die gegenwärtigen Hierarchie- und Ausbeutungsverhältnisse abzusichern und das

immer anfälliger werdende Weltwirtschaftssystem gegen jede Form von Bedrohung zu

"verteidigen"73: "Die Globalisierung verändert also die traditionellen Ansätze im Bereich der

Sicherheit grundlegend. Als Folge davon bedeutet inzwischen die Sicherheit einer Nation

nicht mehr nur die Unverletzlichkeit ihres Territoriums, wie es seit Jahrzehnten der Fall war,

sondern ebenfalls die Lebensfähigkeit - das reibungslose Funktionieren - ihrer globalen

Systeme."74 Dies erfordert den militärischen Schutz westlicher Profitinteressen, aber auch

von vitalen Ressourcen, Handelswegen und ganz generell die Herstellung von "Stabilität",

eben alles, was die neoliberale Weltwirtschaftsordnung zum Funktionieren benötigt. Da

dieses System offensichtlich einige Gewinner und zahlreiche Verlierer produziert, muss es

zwangsläufig militärisch gegen die "Verdammten dieser Erde" abgesichert werden. Die

Österreichische Militärische Zeitschrift (ÖMZ) redet diesbezüglich Klartext: "Die zunehmend

globalisierte Welt ist anfällig geworden gegenüber unbeabsichtigten Störungen. Dies hat

wieder zur Folge, dass Konflikte und Kriege an Orten, die vergleichsweise weit entfernt

liegen, ein Spill-over-Potenzial auch auf Wohlstands- und Friedensregionen der Welt

besitzen. Da im Rahmen der Globalisierung Grenzen und Schutzwälle abgebaut wurden,

liegt es nunmehr an den einzelnen Akteuren der Weltpolitik [...] die erforderlichen

Maßnahmen einzuleiten, um ein derartiges Überschwappen von Konflikten auf sonst

konfliktfreie Zonen zu verhindern. Zu diesen Maßnahmen gehört auf jeden Fall auch die

Option, im Bedarfsfall auf Streitkräfte und damit auf gewaltsame Mittel zurückgreifen zu

können."75

Die katastrophalen Auswirkungen der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung haben darüber

hinaus zu einer breiten Legitimationskrise geführt, denn in der Tat "hat sich die allgemein

übliche Annahme, die Entfesselung des Marktes steigere den Wohlstand der

Bevölkerungsmehrheit, nicht nur als falsch erwiesen, sondern diese Politik hat auch zu

einem Mangel an öffentlicher Unterstützung für neoliberale Prinzipien geführt."76 Dies äußert

sich innerhalb der Metropolen in einer wachsenden globalisierungskritischen Bewegung,

gegen die immer repressiver vorgegangen wird. Insbesondere aber in der Peripherie sieht

72 Serfati, Claude: Militarismus: der bewaffnete Arm der Globalisierung, in: Zeller, Christian (Hrsg.): Die globale Enteignungsökonomie, Münster 2004, 21-59, S. 39. 73 So stellt bspws. der geopolitische Altmeister Gray, Colin S.: The Sheriff: America's Defense of the New World Order, Lexington 2004, S. 4 klar: "Jede internationale Ordnung bevorteilt einzelne Länder und Interessen mehr als andere und benötigt deshalb eine Absicherung." 74 Serfati 2004, S. 24. 75 Pöcher, Harald: Globalisierung: Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts, in: Österreichische Militärische Zeitschrift 2/2006, S. 181-186, S. 184f. 76 Söderberg 2004, S. 303.

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28

sich die herrschende Ordnung mannigfaltigen "Angriffen" ausgesetzt, sei es von Seiten der

sich emanzipierenden lateinamerikanischen Länder, von sog. Schurkenstaaten oder von

terroristischen Organisationen.77 Die westliche Reaktion erfolgt in Form einer Militarisierung,

sie steht für einen grundlegenden Wandel im "Muster staatsgelenkter Liberalisierung. Die

ökonomischen Axiome der Strukturanpassung, der finanzpolitischen Austerität und des

Freihandels sind jetzt, so scheint es, um die direkte Anwendung militärischer Gewalt ergänzt

worden."78

Dabei sind es besonders die systembedingten Armutskonflikte, die eine delegitimierende

Wirkung haben und aus diesem Grund "befriedet" werden müssen. Denn es steht einiges auf

dem Spiel: Gelingt es nicht, den Dampfkessel der Globalisierungskonflikte mitsamt ihren

verschiedensten Ausprägungen halbwegs unter Kontrolle zu halten, steht die

Weltwirtschaftsordnung selbst mehr und mehr zur Disposition, wie zwei führende US-

Demokraten, Michael O'Hanlon und Peter Singer, verdeutlichen: "In einer Welt, die im

Wesentlichen von den Industriedemokratien am Laufen gehalten und dominiert wird, wird ein

anhaltendes Versagen, solchen Konflikten zu begegnen, nicht nur ihre moralische Integrität

schwächen, sondern ihre internationale Legitimität als globale Führer untergraben."79

Folgerichtig plädieren die beiden für den Aufbau einer amerikanisch-europäischen

"Stabilisierungstruppe" im Umfang von 600.000 Soldaten, eine Idee, die, wie in den späteren

Kapiteln gezeigt wird, immer mehr Anhänger findet. Francis Fukuyama bringt die Bedeutung

des Nation Building folgendermaßen auf den Punkt: "Auf jeden Fall wird die Kunst des

Staatenbaus eine Schlüsselkomponente der nationalen Macht und genauso wichtig wie die

Fähigkeit sein, traditionellere Militärgewalt zur Aufrechterhaltung der Weltordnung

einzusetzen."80 Ein Kommentar in der Zeit räumt offen ein, dass die gesamte Entwicklung auf

einen "demokratischen Neokolonialismus" hinausläuft und beschreibt die dahinter stehende

Logik folgendermaßen: "Längst dienen militärische Interventionen der Selbstbehauptung

westlicher Demokratien - als Instrument ihrer Weltinnenpolitik. Diese läuft auf einen

‚demokratischen Neokolonialismus’ hinaus. Der Unterschied zum klassischen Kolonialismus

ist groß. Es geht nicht mehr um die Aufteilung der Welt. Der demokratische

Neokolonialismus reagiert vielmehr auf das verstärkte Zusammenwachsen einer Welt, in der

innere und äußere Probleme und Bedrohungen immer schwerer zu unterscheiden sind.

Streng genommen, kann diese neokolonialistische Epoche erst enden, wenn überall auf der

Erde ein Minimum an Rechtssicherheit für das Leben und das Eigentum des Einzelnen

herrscht, wenn die Rechte kollektiver Minderheiten geschützt sind. Nur dann kann von einer 77 Vgl. zur Bündelung der Krisentendenzen Pieterse, Nederveen: Globalization or empire, New York 2004, S. 14. 78 Roberts, Susan/Secor, Anna/Sparke, Matthew: Neoliberal Geopolitics, in: Antipode, Vol. 35, No. 5 (2003), S. 886-897, S. 887. 79 O'Hanlon, Michael/Singer, Peter: The Humanitarian Transformation, in: Survival, Vol. 46, Issue 1, (Spring 2004), S. 77f. 80 Fukuyama 2006, S. 170.

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29

globalen Ordnung im eigentlichen Sinne die Rede sein. Ohne sie ist eine Zukunft der offenen

Gesellschaften des Westens nicht vorstellbar."81 Besonders perfide dabei ist, dass dieser

demokratische Neokolonialismus als eine Art aktive Entwicklungshilfe verkauft wird.

2.4 Militärischer Investitionsschutz als entwicklungspolitisches Projekt Entlarvend und richtungweisend waren die Ausführungen während der NATO-

Sicherheitskonferenz Anfang 2005 in München. Dass auf der Tagung neben dem Ex-IWF-

Chef und heutigen Bundespräsidenten Horst Köhler der damals frisch gewählte Vorsitzende

des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), Jürgen R. Thumann, die wichtigsten

Akzente setzte, ist bezeichnend: "Es liegt im Grundinteresse eines jeden funktionierenden

Staates, der Privatwirtschaft breite Entfaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Handel ist die

beste Hilfe zur Selbsthilfe", äußerte sich Köhler. "Zwischen Sicherheit und wirtschaftlicher

Entwicklung besteht ein Zusammenhang. Das ist fast schon eine Binsenweisheit. Ohne

Sicherheit kann es keine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung geben."82

Thumann tat sich auf der Sicherheitskonferenz primär damit hervor, die Forderung nach

einer Absicherung westlicher Profitinteressen und die Herstellung eines

investitionsfreundlichen Umfeldes zu einer militärischen Aufgabe zu machen: "Investitionen

in Entwicklungsländern schaffen Jobs und Einkommen. [...] Dort wo unsere Unternehmen

aktiv sind, stärken sie die Wirtschafts- und Finanzstrukturen. Aber die Wirtschaft braucht

sichere Rahmenbedingungen. Mangelnde Rechtssicherheit und Rechtstaatlichkeit machen

Investitionen schwer verantwortbar." Entscheidend ist, dass Thumann auf dieser Grundlage

die entwicklungspolitische Prioritätensetzung auf den Kopf stellt: "Die Grundhypothese 'ohne

Entwicklung keine Sicherheit' stellt sich häufig genau anders herum dar. 'Ohne Sicherheit

keine Entwicklung'."83 Erst in Folge einer militärischen Stabilisierung mit gleichzeitigem

Nation Building könnten, so diese Sichtweise, die neoliberale Maßnahmen greifen und zu

einer Reduzierung der Armut beitragen. Aus dem Bestreben, militärisch für die Realisierung

von Profitinteressen zu garantieren, wird somit schamlos ein entwicklungspolitisches Projekt

gemacht.

81 Herzinger, Richard: Wo Demokraten schießen, in: Die Zeit, Nr. 25/2003. 82 Köhler, Horst: Wirtschaftliche Entwicklung und Sicherheit, Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, 11.02.2005. Einen Tag vor der Tagung fand die 1. Finanzierungskonferenz Nordafrika Mittelost im Rahmen der Nordafrika Mittelost Initiative der Deutschen Wirtschaft (NMI) mit dem bezeichnenden Titel "Mehr Sicherheit durch Investitionen" statt. Dieser Titel wurde laut BDI-Erklärung gewählt, "weil spezifische Sicherheitsrisiken und politische Unsicherheiten Handel und Investitionen in der Region Nordafrika und Mittelost behindern", weshalb die NMI-Tagung laut Veranstalter auch bewusst an die Sicherheitskonferenz angekoppelt wurde. Nordafrika Mittelost Initiative der Deutschen Wirtschaft, Pressemitteilung, Berlin, 10.02.05, URL: http://www.bdi-online.de/Dokumente/Internationale-Maerkte/NMI-PM_13-05.pdf (eingesehen 03.10.2005). 83 Thumann, Jürgen R.: Interrelation of Economic Development and Security, Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, 12.2.2005.

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30

Hiermit geht eine doppelte Entgrenzung des Verteidigungsbegriffs einher, sowohl territorial

("Deutschland wird am Hindukusch verteidigt" - Peter Struck) als auch funktional ("das

umfassende Verständnis von Sicherheitspolitik" - Angela Merkel), der nunmehr jegliche

Bedrohung der Weltwirtschaftsordnung einschließt. Dies geht auch aus Aussagen von

Robert Cooper hervor, auf dessen Entwurf die Europäische Sicherheitsstrategie basiert.84

Der Büroleiter des EU-Außenbeauftragten Javier Solana fordert schon lange einen "liberalen

Imperialismus", dessen beide Komponenten von ihm als Grundlage der künftigen

europäischen Außenpolitik betrachtet werden: "Der postmoderne Imperialismus hat zwei

Komponenten. Die erste ist der freiwillige Imperialismus der globalen Ökonomie. Er wird

normalerweise von einem internationalen Konsortium durch internationale

Finanzinstitutionen wie IWF und Weltbank ausgeübt […] Diese Institutionen bieten Staaten,

die ihren Weg zurück in die globale Ökonomie und in den tugendhaften Kreis von

Investitionen und Prosperität finden wollen, Hilfe an. Im Gegenzug stellen sie Forderungen

auf, von denen sie hoffen, dass sie die politischen und ökonomischen Versäumnisse

beheben, die zu der ursprünglichen Notwendigkeit für Unterstützung beitrugen."85 Dieses

kaltschnäuzige Bekenntnis zur neoliberalen Globalisierung mitsamt ihren katastrophalen

Konsequenzen wird vom zweiten Bestandteil ergänzt, der sich mit ihrer militärischen

Absicherung befasst: "Die Herausforderung der postmodernen Welt ist es, mit der Idee

doppelter Standards klarzukommen. Unter uns gehen wir auf der Basis von Gesetzen und

offener kooperativer Sicherheit um. Aber wenn es um traditionellere Staaten außerhalb des

postmodernen Kontinents Europa geht, müssen wir auf die raueren Methoden einer

vergangenen Ära zurückgreifen - Gewalt, präventive Angriffe, Irreführung, was auch immer

nötig ist, um mit denen klarzukommen, die immer noch im 19. Jahrhundert leben, in dem

jeder Staat für sich selber stand. Unter uns halten wir uns an das Gesetz, aber wenn wir im

Dschungel operieren, müssen wir ebenfalls das Gesetz des Dschungels anwenden."86

Das zweite wesentliche Motiv für die Fokussierung auf Stabilitätsexport ist die wachsende

Abhängigkeit von Rohstoffimporten. Deutschland sei "in hohem Maße von einer gesicherten

Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen in globalem Maßstab abhängig. [...] Von

strategischer Bedeutung für die Zukunft Deutschlands und Europas ist eine sichere,

nachhaltige und wettbewerbsfähige Energieversorgung. […] Energiefragen werden künftig

84 Cameron, Fraser: Europas neue Sicherheitsstrategie, in: Internationale Politik, 1/2004, S. 39-50, S. 42. 85 Cooper, Robert: The Post-Modern State, in: Leonard, Mark (ed.): Re-Ordering the World, London 2002, S. 11-20, S. 18. 86 Cooper 2002, S. 16. Verklausuliert findet sich diese Drohung auch in der Europäischen Sicherheitsstrategie 2003, S. 10. "Eine Reihe von Staaten hat sich von der internationalen Staatengemeinschaft abgekehrt. Einige haben sich isoliert, andere verstoßen beharrlich gegen die internationalen Normen. Es ist zu wünschen, dass diese Staaten zur internationalen Gemeinschaft zurückfinden, und die EU sollte bereit sein, sie dabei zu unterstützen. Denen, die zu dieser Umkehr nicht bereit sind, sollte klar sein, dass sie dafür einen Preis bezahlen müssen, auch was ihre Beziehungen zur Europäischen Union anbelangt."

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für die globale Sicherheit eine immer wichtigere Rolle spielen." Aus diesem Grund, so das

Weißbuch der Bundeswehr vom Oktober 2006, "muss die Sicherheit der Energieinfrastruktur

gewährleistet werden."87

Es sind diese Überlegungen, die sich hinter den Forderungen verbergen, gescheiterten

Staaten mittels westlichem Militär "Stabilität" und "Demokratie" zu verordnen. Sie sind der

Grund, weshalb der "Stabilitätsexport" mittlerweile ins Zentrum der westlichen Strategie- und

Streitkräfteplanung gerückt ist: "Tatsächlich haben Forschungsarbeiten 'kritischer'

Wissenschaftler [...] argumentiert, dass Peace-Building in Form der Staatsbildung

instrumentelle Interessen westlicher und/oder globaler Mächte widerspiegelt, indem

hierdurch interventionistische Gerüste geschaffen werden, die, selbst wenn sie in

emanzipatorische Sprache [...] gehüllt werden, darauf abzielen, nicht-westliche Regierungen

und ihre Bevölkerung zu kontrollieren und zu disziplinieren. Dieses Interesse ist deshalb

instrumentell, weil sein letztliches Ziel einerseits der Schutz der Funktionsweise des globalen

Kapitals und damit die liberaler Märkte auf globaler Ebene darstellt. Andererseits geht es

darum zu verhindern, dass Unordnung und Instabilität in unterentwickelten Regionen auf die

industrialisierten Länder überschwappen."88

87 Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr, Oktober 2006, S. 17f. 88 Kartas, Moncef: Post-conflict Peace-building - Is the Hegemony of the ‘Good Governance’ Discourse Depoliticising the Local?, Draft paper for the Annual Conference of the Nordic International Studies Association (NISA) in Odense, Denmark, from 24-25 Mai 2007, S. 1.

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3. Stabilitätsexport als neues außen- und entwicklungspolitisches Leitbild Wie im vorigen Kapitel beschrieben, legen die Ergebnisse der Kriegsursachenforschung eine

Konzentration auf direkte Armutsbekämpfung und die Errichtung einer gerechteren

Weltwirtschaftsordnung als vordringlichste Maßnahmen zur Konfliktprävention nahe.

Dennoch setzt sich derzeit die Sichtweise durch, der Stabilisierung gescheiterter Staaten

müsse absolute Priorität eingeräumt werden.

Als Begründung dient das moralisch-sicherheitspolitische Legitimationskonstrukt der Neuen

Kriege, das mittlerweile den Diskurs um Ursachen und Lösungen von Konflikten in der

Dritten Welt nahezu vollständig dominiert. Dies gilt in zunehmendem Maße auch für

entwicklungspolitische Dokumente und Strategien und mündet in eine direkte Unterordnung

der Entwicklungshilfe unter sicherheitspolitische Erwägungen, wie in diesem Kapitel

aufgezeigt werden soll.

3.1 Stabilitätsexport als moralisch-sicherheitspolitischer Imperativ

Gescheiterte Staaten rücken nicht zuletzt deshalb in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit,

weil in ihnen eine direkte Bedrohung gesehen wird: "Der Hinweis auf das vom Zerfall

ausgehende große Bedrohungspotenzial fehlt fast nie. Dabei wird versucht, den

Zusammenhang zwischen Staatszerfall, internationalem Terrorismus und der Verbreitung

von Massenvernichtungswaffen zu belegen."89

Obwohl ein derartiger Zusammenhang äußerst fragwürdig ist90, findet sich diese

Bedrohungsanalyse mittlerweile - ergänzt um eine moralische Komponente - in nahezu

jedem sicherheitspolitischen Grundlagendokument. So argumentiert das Weißbuch der

Bundeswehr folgendermaßen: "Die Erosion staatlicher Strukturen, der Zerfall ganzer Staaten

und damit oft einhergehende Bürgerkriege ebenso wie das Entstehen von Gebieten, die sich

außerhalb der internationalen Ordnung stellen, eröffnen Aktionsräume sowie

Rückzugsgebiete für bewaffnete Gruppen und terroristische Organisationen." Hieraus leitet

sich genau jener moralisch-sicherheitspolitische Imperativ zur Durchführung von

"Stabilisierungseinsätzen" und "Nation Building" ab, wie ihn die Vertreter der Neuen Kriege

propagieren: "Staatsversagen sowie eine unkontrollierte Migration können zur

Destabilisierung ganzer Regionen beitragen und die internationale Sicherheit nachhaltig

89 Reinhardt, Dieter: Staatszerfall, Neue Kriege und Bedrohungspotenziale, in: Internationale Politik und Gesellschaft 3/2004, S. 164-176, S. 164. 90 "Mit Blick auf die Ursachen der verschiedenen sicherheitspolitischen Herausforderungen (Terrorismus, Massenvernichtungswaffen, regionale Konflikte, Völkermord, organisierte Kriminalität) ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass diese in der Regel nicht in einem systematischen oder strategischen Verbund miteinander stehen." Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Zum Verhältnis von entwicklungspolitischen und militärischen Antworten auf neue sicherheitspolitische Herausforderungen, BMZ Diskurs 001, Mai 2004, S. 6 (zit. als BMZ-Diskurs 2004).

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beeinträchtigen. Neben der moralischen Verpflichtung zur Hilfe steht dabei die

Verantwortung für die Sicherheit unseres Landes."91

Genauso lautet die Bedrohungsanalyse der im Dezember 2003 verabschiedeten

"Europäische Sicherheitsstrategie": "Bei einer Summierung dieser verschiedenen Elemente -

extrem gewaltbereite Terroristen, Verfügbarkeit von Massenvernichtungswaffen, organisierte

Kriminalität, Schwächung staatlicher Systeme und Privatisierung der Gewalt - ist es

durchaus vorstellbar, dass Europa einer sehr ernsten Bedrohung ausgesetzt sein könnte."92

Die identifizierten Bedrohungen, die explizit als Folge des Globalisierungsprozesses

beschrieben werden, dienen dazu, eine buchstäblich grenzenlose "Verteidigung" Europas

einzufordern: "Im Zeitalter der Globalisierung können ferne Bedrohungen ebenso ein Grund

zur Besorgnis sein wie näher gelegene. [...] Die erste Verteidigungslinie wird oftmals im

Ausland liegen. Die neuen Bedrohungen sind dynamischer Art. [...] Daher müssen wir bereit

sein, vor Ausbruch einer Krise zu handeln. Konflikten und Bedrohungen kann nicht früh

genug vorgebeugt werden."93 Dass dieses frühzeitige Agieren explizit militärische Aktionen

einschließt und die Europäische Union damit implizit eine Präventivkriegsstrategie

übernommen hat, ist ebenso bedenklich, wie die hierfür gelieferte Begründung. Denn als

eine der "Hauptbedrohungen", die in diesem Zusammenhang bekämpft werden müsste, wird

von der ESS benannt: "Das Scheitern eines Staates [...] ist ein alarmierendes Phänomen,

das die globale Politikgestaltung untergräbt und die regionale Instabilität vergrößert."94

Die Fokussierung auf Stabilitätsexport wird dabei folgendermaßen begründet: "Eine Reihe

von Ländern und Regionen bewegen sich in einem Teufelskreis von Konflikten, Unsicherheit

und Armut." Während es sich hierbei noch um eine weit gehend unstrittige Tatsache handelt,

ist die entscheidende Frage jedoch, wie aus diesem Teufelskreis ausgebrochen werden

kann und welche Prioritäten damit gesetzt werden: "Sicherheit ist eine Vorbedingung für

Entwicklung."95 Auch hier wird der Stabilitätsexport also zu einem entwicklungspolitischen

Projekt umdefiniert und zu einer vorrangigen Aufgabe erhoben: "Der beste Schutz für unsere

Sicherheit ist eine Welt verantwortungsvoll geführter demokratischer Staaten. Die

geeignetsten Mittel zur Stärkung der Weltordnung sind die Verbreitung einer

verantwortungsvollen Staatsführung, die Unterstützung von sozialen und politischen

Reformen, die Bekämpfung von Korruption und Machtmissbrauch, die Einführung von

Rechtsstaatlichkeit und der Schutz der Menschenrechte."96 EU-Außenkommissarin Benita

Ferrero-Waldner fasst die augenblicklich dominierende Position folgendermaßen zusammen:

"Aktives 'State Building', das heißt der Aufbau staatlicher Strukturen in Krisengebieten, ist 91 Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands 2006, S. 16f. Hervorhebung JW. 92 Europäische Sicherheitsstrategie: Ein sicheres Europa in einer besseren Welt, Dezember 2003, S. 5. 93 Europäische Sicherheitsstrategie 2003, S. 6f. 94 Europäische Sicherheitsstrategie 2003, S. 4. 95 Europäische Sicherheitsstrategie 2003, S. 2. 96 Europäische Sicherheitsstrategie 2003, S. 10.

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viel mehr als ein Aspekt der Entwicklungszusammenarbeit. Es ist ein sicherheitspolitischer

Imperativ, auch für Europa, dem man nur mit einem breiten Ansatz gerecht wird."97

Grafik 4: Bedrohungsanalyse der deutschen und europäischen Sicherheitsstrategie

Dieser "breite Ansatz" fußt auf der beschriebenen Grundlogik - ohne Sicherheit keine

Entwicklung - und legt somit nahe sämtliche Kapazitäten einschließlich der Entwicklungshilfe

auf den Sicherheitsbereich zu konzentrieren. Diese Sichtweise wurde von dem

entwicklungspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Christian Ruck in einem

gemeinsamen Papier mit Christian Schmidt, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, auf

den Punkt gebracht. In ihrem Plädoyer für "eine strategische Orientierung und bessere

Verzahnung der deutschen Entwicklungs- und Sicherheitspolitik" begründen sie ihre

Forderung folgendermaßen: "In den letzten Jahren hat sich die Distanz zwischen

97 Ferrero-Waldner, Benita: Europa als globaler Akteur - Aktuelle Schwerpunkte Europäischer Außen- und Nachbarschaftspolitik, Rede bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin, 24. Januar 2005 (SPEECH/05/30).

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Entwicklungs- und Sicherheitspolitik, zwischen militärischen und entwicklungspolitischen

Akteuren merklich verringert. Dies liegt vor allem an der Erkenntnis, dass Entwicklung ohne

Sicherheit nicht möglich ist. [...] Die Konfliktbeendigung und militärische Sicherung eines

vormaligen Kriegs- oder Bürgerkriegslandes ist nur der Anfangspunkt für dessen langfristige

Stabilisierung und nachhaltigen Aufbau. Die Entwicklungspolitik ist im Rahmen des 'Peace-

Building' ein wichtiger Akteur."98 Obwohl es hierbei um eine Instrumentalisierung der

Entwicklungshilfe für die Durchsetzung machtpolitische Interessen geht, wie aus anderen

Absätzen ihres Papiers eindeutig hervorgeht (siehe unten Kapitel 4.8), handelt es sich

hierbei um eine Art Standardbegründung für die Subordination der Entwicklungshilfe als

flankierende und unterstützende Maßnahmen des militärischen Stabilitätsexports. So betont

auch Verteidigungsminister Franz-Josef Jung: "Der Schlüssel zum Erfolg liegt im

umfassenden, vernetzten sicherheitspolitischen Ansatz, der militärische Sicherung mit

zivilem Wiederaufbau und Entwicklung verbindet. Beide Elemente bedingen einander - ohne

Sicherheit keine Entwicklung, ohne Entwicklung keine Sicherheit."99

3.2 Vernetzte Sicherheit: Die Subordination der Entwicklungshilfe Vernetzte Sicherheit ist das neue außenpolitische Leitbild, nicht nur in Deutschland, sondern

auch in der Europäischen Union. Die Grundidee dabei ist, künftig sämtliche Kapazitäten,

völlig egal, ob militärische oder entwicklungspolitische, auf Stabilitätsexport und Nation

Building zu fokussieren. In der Europäischen Sicherheitsstrategie heißt es hierzu: "Dies gilt

für die gesamte Palette der uns zur Verfügung stehenden Instrumente der Krisenbewältigung

und Konfliktverhütung, einschließlich unserer Maßnahmen im politischen, diplomatischen,

militärischen und zivilen, handels- und entwicklungspolitischen Bereich. Es bedarf einer

aktiveren Politik, um den neuen, ständig wechselnden Bedrohungen entgegenzuwirken. Wir

müssen eine Strategie-Kultur entwickeln, die ein frühzeitiges, rasches und wenn nötig

robustes Eingreifen fördert."100

Ziel ist es also, die Entwicklungshilfe aktiv für sicherheitspolitische Belange zu

instrumentalisieren, insbesondere was begleitende Maßnahmen von und die Nachsorge im

Anschluss an westliche Militärinterventionen anbelangt. Denn damit die militärische

Stabilisierung nur halbwegs Aussicht auf Erfolg hat, ist sie dringend auf flankierende zivile

Maßnahmen angewiesen (siehe Kapitel 5). EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner

betätigt sich bereits unverhohlen als Totengräberin einer eigenständigen Entwicklungsarbeit:

"Einige im Entwicklungs- und Außenpolitikbereich glauben immer noch, dass eine klare

98 Gemeinsames Thesenpapier von Christian Schmidt und Christian Ruck: Vertrauen - Zukunft - Sicherheit. Für eine strategische Orientierung und bessere Verzahnung der deutschen Entwicklungs- und Sicherheitspolitik, 08.02.2005 (zit. als Schmidt/Ruck 2005). Hervorhebung JW. 99 Jung, Franz-Josef: "Krisenherd Nah/Mittelost - Europas möglicher Beitrag für Frieden und Stabilität", Rede auf der Handelsblattkonferenz am 3. Juli 2007 in Berlin. 100 Europäische Sicherheitsstrategie 2003, S. 11.

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Unterscheidung zwischen Außen- und Entwicklungspolitik gemacht werden sollte. [...] Die

Wahrheit ist, dass diese Unterscheidung ihre Bedeutung verliert. Oder, vielleicht sollte ich

besser sagen, sie hat ihre Bedeutung bereits verloren."101

Ebenso trägt das Bundeswehr-Weißbuch der Tatsache Rechnung, dass eine langfristige

Besatzung allein mit militärischen Mitteln zum Scheitern verurteilt ist und deshalb auch auf

zivile Komponenten setzen muss: "Die Bewältigung dieser neuen Herausforderungen

erfordert den Einsatz eines breiten außen-, sicherheits-, verteidigungs- und

entwicklungspolitischen Instrumentariums zur frühzeitigen Konflikterkennung, Prävention und

Konfliktlösung."102 Damit wird die Forderung begründet, im Rahmen der so genannten

vernetzten Sicherheit eine ganze Reihe ziviler Akteure der Logik militärischer

Interessensdurchsetzung unterzuordnen: "Staatliches Handeln bei der Sicherheitsvorsorge

wird künftig eine noch engere Integration politischer, militärischer, entwicklungspolitischer

wirtschaftlicher, humanitärer, polizeilicher und nachrichtendienstlicher Instrumente der

Konfliktverhütung und Krisenbewältigung voraussetzen."103

Als richtungweisend wird dabei im Bundeswehr-Weißbuch das noch unter der Rot-Grünen

Regierung erarbeitete Gesamtkonzept der Bundesregierung "Zivile Krisenprävention,

Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung" gelobt, es sei ein zentraler "Baustein dieses

gesamtstaatlichen Sicherheitsverständnisses."104 In diesem "Referenzdokument", dem auch

unter Schwarz-Rot weiterhin zentrale Bedeutung zugemessen wird105, wird, in den Worten

eines seiner Architekten, des Grünen Verteidigungsexperten Winfried Nachtweih,

"Vorstellungen pazifistischer Friedensorganisationen eine Absage erteilt, die hier und heute

zivile Konfliktbearbeitung als Alternative zum Militär sehen."106 Auch im Weißbuch heißt es

unmissverständlich: "Der Begriff zivile Krisenprävention ist nicht als Abgrenzung zu

militärischer Krisenprävention zu verstehen, sondern schließt diese mit ein."107

Im Aktionsplan zeigt sich die Reichweite der Theorie der Neuen Kriege überdeutlich. Die

Kriegsursachenanalyse könnte direkt von Herfried Münkler abgeschrieben worden sein: "Die

Kriege, die seit dem Ende der Blockkonfrontation das Konfliktgeschehen dominieren,

unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von den Kriegen, die noch vor 1989 geführt wurden.

Um veränderten Faktoren Rechnung zu tragen, hat sich der Begriff der 'Neuen Kriege'

eingebürgert. Ausgangspunkte der meisten innerstaatlichen Konflikte sind nur formal oder

rudimentär existierende staatliche Strukturen bzw. der Zerfall von Staatlichkeit. Die

101 Ferrero-Waldner, Benita: Human Security and Aid Effectiveness: The EU’s challenges, London, 26 October 2006 (SPEECH/06/636). 102 Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands 2006, S. 2. 103 Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands 2006, S. 7. 104 Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands 2006, S. 21. 105 Klingbiel, Stephan: Globaler Aktionismus reicht nicht, in: Internationale Politik, August 2006, S. 96. 106 Nachtwei, Winfried: Aktionsplan Krisenprävention: Großer Fortschritt an Friedensfähigkeit, URL: http://www.nachtwei.de/pdf/ak_plan_ziv_wn.pdf (eingesehen 15.10.06), S. 2. 107 Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands 2006, S. 23.

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gegenwärtigen Konflikte werden oft über sehr lange Zeiträume hinweg mit wechselnder

Intensität ausgetragen. In der Realität der Neuen Kriege verschwimmen die drei

traditionellen Konfliktphasen immer mehr - die krisenhafte Phase, bevor es zum Ausbruch

der Gewalt kommt; die eigentliche Kriegsphase, in der systematische Gewalt eingesetzt wird,

und die Phase der Friedenskonsolidierung nach formaler Beendigung der bewaffneten

Auseinandersetzung."108 Die von den gescheiterten Staaten ausgehende Bedrohung

erfordere zwingend deren Stabilisierung, die zu einer "Querschnittsaufgabe" sämtlicher

Ressorts erklärt wird und der sämtliche Kapazitäten unterzuordnen seien: "Krisenprävention

erfordert daher häufig eine enge Zusammenarbeit von zivilen und militärischen

Komponenten im Rahmen eines Sicherheitskonzepts, das politische, diplomatische,

wirtschaftliche, humanitäre und militärische Mittel einschließt."109 Obwohl hier und in der

gesamten Debatte permanent von Krisenprävention und Friedenskonsolidierung gesprochen

wird, sollte nicht vergessen werden, dass es dabei um die zivile Flankierung militärischer

Maßnahmen in den zu stabilisierenden Ländern geht.

Im Schwarz-Roten Koalitionsvertrag von 2005 wurde der Aktionsplan zivile Krisenprävention

nochmals gestärkt: "Deutsche Außenpolitik fußt auf einem umfassenden Sicherheitsbegriff,

der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik miteinander verknüpft. Dabei wollen wir

insbesondere unsere Instrumentarien zur Krisenprävention und -reaktion ausbauen. Diese

prioritäre Querschnittsaufgabe erfordert die Zusammenführung vorhandener finanzieller und

personeller Ressourcen und zusätzliche Mittel. Es geht neben den militärischen Fähigkeiten

nicht zuletzt um genügend ziviles Personal für den (Wieder-)Aufbau tragfähiger

rechtsstaatlich-demokratischer Institutionen, zum Beispiel Polizei, Richter, Staatsanwälte.

Der Ressortkreis Zivile Krisenprävention soll gestärkt, Frühwarnmechanismen sollen

verbessert werden. Nationale und EU-Mechanismen sind noch besser zu verzahnen. Wir

werden den Aktionsplan der Bundesregierung zur Zivilen Krisenprävention umsetzen."110 Der

OECD-Prüfbericht zur deutschen Entwicklungspolitik betont die große Relevanz des

Aktionsplans für die Praxis: "Die Umsetzung des Aktionsplans wird zu bedeutenden

Veränderungen der Deutschen Entwicklungszusammenarbeit führen, vor allem auf dem

Gebiet der EZ-Planung und des Konzepts der fragilen Staaten, was sich wiederum auf die

Ressourcenallokation auswirken dürfte."111

Was hiermit klar wird ist, dass Zivile Konfliktbearbeitung und Entwicklungszusammenarbeit

als eigenständige und vollständig unabhängig vom Militär agierende Konzepte in den Köpfen

der Strategieplaner - und zunehmend auch vor Ort (siehe Kapitel 5) - praktisch aufgehört

108 Aktionsplan "Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung", Berlin, 12. Mai 2004, S. 5. 109 Aktionsplan "Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung" 2004, S. 7. 110 "Gemeinsam für Deutschland. Mit Mut und Menschlichkeit", Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, 11.11.2005. 111 OECD-DAC Prüfbericht 2006, S. 48.

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38

haben zu existieren, sie bilden eine "konzeptionelle und operative Einheit."112 So wird die

Entwicklungszusammenarbeit zum Erfüllungsgehilfen militärischer Interessen herabgestuft

und verliert ihre so wichtige Eigenständigkeit: "Die Einbindung der Entwicklungspolitik in den

Kanon des auswärtigen Handelns vollzieht sich über die Logik der 'integrierten

Sicherheit'."113

3.3 Entwicklungspolitischer Paradigmenwechsel: Von der Armutsbekämpfung zur Sicherheitspolitik Die Prämissen der Europäischen Sicherheitsstrategie können selbstredend nicht ohne

Folgen für die Entwicklungszusammenarbeit bleiben: "Die Sicherheitsstrategie der EU aus

dem Jahr 2003 geht von einem Konzept der erweiterten Sicherheit aus, das anerkennt, dass

Bedrohungen und erhöhtes Gewaltpotential komplexe und weitreichende ökonomische,

soziokulturelle und umweltbedingte Ursachen haben können. Daraus folgt, dass

Sicherheitspolitik nicht mehr länger auf militärische Mittel und Wege beschränkt bleibt,

sondern in direkter Weise auch andere Politikbereiche, insbesondere die

Entwicklungszusammenarbeit, betrifft."114

Entwicklungspolitik wird somit zum integralen Bestandteil eines Gesamtpaketes, was selbst

in Teilen der Entwicklungscommunity positiv bewertet wird. So schreiben bspws. Dirk

Messner und Jörg Faust vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik: "Vor diesem

Hintergrund fordert das europäische [ESS-]Konzept zu Recht eine engere Verzahnung der

unterschiedlichen Instrumente sowie deren Ausrichtung auf das Zielsystem der

Sicherheitspolitik. Der Entwicklungspolitik kommt in diesem Kontext eine große Bedeutung

zu. Die Entwicklungspolitik muss nun ihren Erfahrungsschatz pro-aktiv in die Gestaltung der

europäischen Außenbeziehungen einbringen und sollte zu diesem Zweck eine Strategie zur

Flankierung des 'Solana-Konzeptes' formulieren."115

Diese Position schlug sich schließlich in der Neufassung des "Europäischen Konsens über

die Entwicklungspolitik" nieder, der folgendes Hauptproblem identifiziert: "Unsicherheit und

gewaltsame Konflikte gehören zu den größten Hindernissen für die Verwirklichung der

Millenniums-Entwicklungsziele [zur Bekämpfung der Armut]."116 Hierauf aufbauend leitet der

Konsens die Notwendigkeit einer engen Abstimmung von Entwicklungs- und

Sicherheitspolitik für die Stabilisierung gescheiterter Staaten ab. Das Dokument ist ganz

112 VENRO-Stellungnahme zum "Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr", Bonn, 30. Oktober 2006. 113 Tannous 2007, S. 5. 114 Six, Clemens: Der Europäische Konsens zur Entwicklungspolitik. Die EU als Geberin in veränderten internationalen Beziehungen, Österreichische Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe, Wien, März 2006, S. 15. 115 Faust, Jörg/Messner, Dirk: Keine Sicherheit ohne pro-aktive Entwicklungspolitik, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, 11/2004. 116 Der Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik, Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission (2006/C 46/01), S. 7.

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39

generell ein gutes Beispiel für das Ausmaß der entwicklungspolitischen Versicherheitlichung

in den letzten Jahren: "Der Themenkomplex Entwicklung, Sicherheit und fragile Staaten hat

sich von einem Randthema, das in der Stellungnahme zur Entwicklungspolitik von 2000

praktisch nicht vorkommt, im Konsens 2005 zu einem zentralen Anliegen entwickelt."117

Derart vor den sicherheitspolitischen Karren gespannt, wurde mit der offiziellen

Degradierung der Entwicklungshilfe im EU-Rahmen schon länger begonnen. Sichtbarster

Ausdruck hierfür war die auf dem EU-Gipfel in Nizza im Jahr 2000 beschlossene und zwei

Jahre später erfolgte faktische Abschaffung des Rats der Entwicklungshilfeminister, der in

den Rat für Allgemeine Angelegenheiten integriert bzw. von ihm absorbiert wurde.118 Dies

bedeutet eine offensichtliche Herabstufung, mit der überdeutlich signalisiert wurde, dass der

"der Entwicklungspolitik zukünftig keine eigenständige Rolle mehr zugestanden werden

soll."119 Nunmehr sind es die Außenminister, die über Entwicklungsfragen entscheiden,

während die eigentlich zuständigen Fachminister aufs Abstellgleis geschoben wurden. "Vor

diesem Hintergrund lässt sich somit deutlich erkennen, welche Bedeutung dem Ressort

'Entwicklungspolitik' im politischen Ranking beigemessen wird. Oder um es leicht überspitzt

zu formulieren: Die Entwicklungspolitik ist zu einem Nebenschauplatz der Außenpolitik

herabgestuft worden. Sie dient nunmehr als Instrument der außenpolitischen Diplomatie."120

Als weiteres Beispiel lassen sich die - auch ohne "offiziellen" Verfassungsvertrag weiterhin

anvisierten - Kompetenzen des künftigen EU-Außenministers anführen, der dazu befugt sein

wird, "Mittel der Entwicklungszusammenarbeit für Ziele der gemeinsamen Außen-,

Sicherheits- und Verteidigungspolitik einzusetzen."121

Diese Versicherheitlichung spiegelt die Interessen der Industrienationen wider. Schon in der

Pariser Erklärung im Jahr 2005 "haben sich die Geber das Ziel gesetzt, in fragilen Ländern

legitime gesellschaftliche Institutionen aufzubauen oder zu stärken sowie Staatsversagen

und Staatszerfall entgegenzuwirken."122 Am 11. April 2007 unterstrichen die

Entwicklungshilfeminister der wichtigsten Geberländer erneut die "Fokussierung auf

117 Six 2006, S. 19. Vgl auch Popovic 2007, S. 23. 118 In die Zuständigkeit des Rates für "Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen" fallen seither die "Durchführung sämtlicher außenpolitischer Maßnahmen der Union, und zwar Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Außenhandel sowie Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe." Vgl. Europäischer Rat (Sevilla). Tagung vom 21. und 22. Juni 2002, S. 22. In der Zusammensetzung der Entwicklungshilfeminister tagt der Rat zwar weiter, allerdings nur informell. 119 Lieser, Jürgen: Hilfe als Waffe? Wie die EU Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe in den Dienst der Terrorismusbekämpfung stellen will, Caritas, Mai 2004. 120 Klever, Martin: Die EU-Entwicklungspolitik zwischen Anspruch und Realität. Europas Verantwortung für den afrikanischen Kontinent, Dissertation, Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, November 2006, S. 142. 121 Lieser 2004. Vgl auch Popovic 2007, S. 12. 122 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Entwicklungsorientierte Transformation bei fragiler Staatlichkeit und schlechter Regierungsführung, BMZ Konzepte 149, März 2007, S. 4.

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Staatsbildung als zentralem Ziel."123 Auch in BMZ-Dokumenten wie der "Strategie zur

Friedensentwicklung", wird betont: "Eine besonders enge Verbindung ergibt sich zudem zum

Umgang mit Staatsversagen und -zerfall, da es eine signifikante Schnittmenge zwischen den

betroffenen Ländern, den so genannten fragilen Staaten, und Konflikt- bzw. Post-Konflikt-

Ländern gibt."124 Das Konzept der "vernetzten Sicherheit", de facto also die Unterordnung

und Eingliederung der Entwicklungshilfe, findet sich mittlerweile in nahezu jedem BMZ-

Dokument: "Gerade unter schwierigen Rahmenbedingungen kommt es aber auch auf

kohärentes Zusammenwirken von der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik sowie

anderer Politikfelder an."125 In der "Strategie zur Friedensentwicklung" wird diesbezüglich die

Notwendigkeit zur "Vernetzung mit internationalen Reaktionsmechanismen" betont: "Hierbei

sind Instrumente der Diplomatie und Sicherheitspolitik (z.B. internationale

Beobachtermissionen, Reaktionen des VN-Sicherheitsrats), aber auch der Handels-,

Wirtschafts- und Finanzpolitik (z.B. Stabilisierung bei Preisschocks oder Finanzkrisen)

gefragt."126 Die Aufwertung sicherheitspolitischer Aspekte zeigt sich auch anhand der

Einrichtung eines Referats "Außen- und Sicherheitspolitik, Friedensentwicklung und

Krisenprävention" im BMZ.127 Mit der Bildung eines "Ressortkreises für zivile

Krisenprävention" im September 2004 unter Federführung des AA sitzen mittlerweile die

Akteure verschiedener Ministerien an einem Tisch, dies soll zu einer "engeren Abstimmung

zwischen diplomatischen, entwicklungspolitischen und sicherheitspolitischen Aktivitäten

führen."128

Summa summarum: "Krisenprävention, die Stabilisierung schwacher Gesellschaften und der

Wiederaufbau von Institutionen in Post-Konfliktsituationen gehören zunehmend zu den

Aufgaben der Entwicklungspolitik."129 Vor diesem Hintergrund werden

Entwicklungshilfegelder zunehmend auch für sicherheitsrelevante Aspekte verwendet.

123 OECD: Principles for Good International Engagement in Fragile States, April 2007, S. 2. 124 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Übersektorales Konzept zur Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und Friedensförderung in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Eine Strategie zur Friedensentwicklung (Strategy for Peacebuilding), Juni 2005, S. 9 (zit. als BMZ-Strategie zur Friedensentwicklung 2005). 125 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Entwicklungsorientierte Transformation bei fragiler Staatlichkeit und schlechter Regierungsführung 2007, S. 7. 126 BMZ-Strategie zur Friedensentwicklung 2005, S. 10. 127 Hamann 2005, S. 86. 128 Aktionsplan "Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung" 2004, S. 4. 129 Runge 2005.

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4. Krieg als Entwicklungshilfe

Nachdem im vorigen Kapitel beschrieben wurde, wie und dass die Stabilisierung

gescheiterter Staaten mittlerweile als eine Hauptaufgabe der Entwicklungspolitik erachtet

wird, sollen im Folgenden die gravierenden praktischen Auswirkungen dieser

Schwerpunktverlagerung dargestellt werden. Denn dies hatte zur Folge, dass die Kriterien,

was als Offizielle Entwicklungshilfe (ODA) abgerechnet werden kann, um

sicherheitsrelevante Bereiche erweitert wurden, womit einer Zweckentfremdung von

Geldern, die - eigentlich - ausschließlich der Armutsbekämpfung dienen dürfen, Tür und Tor

geöffnet wurde. Anschließend werden die verschiedenen Dimensionen aufgezeigt, die davon

bereits betroffen sind und schließlich beschrieben, welche erheblich weitergehenden

Maßnahmen bis hin zur direkten Finanzierung von Kriegseinsätzen, darüber hinaus derzeit

debattiert und eingefordert bzw. teils durch die Hintertür bereits umgesetzt werden.

4.1 Was ist ODA?

Nachdem im Laufe der 60er Jahre der Druck immer weiter wuchs, sich intensiver der

Armutsbekämpfung zu widmen, stimmten die Industriestaaten mit der mit Verabschiedung

von UN-Resolution 2626 vom 24. Oktober 1970 schließlich explizit der Selbstverpflichtung

zu, mindestens 0,7% ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Entwicklungshilfe zu verwenden.

Diese Selbstverpflichtung, verbunden mit dem strikten Fokus auf Armutsbekämpfung,

erforderte ein einheitliches Erfassungssystem, das bereits im Jahr 1969 eingerichtet wurde.

Seither legt der OECD-Entwicklungshilfeausschuss (OECD-DAC), dem die 22 wichtigsten

Geberländer plus die Europäische Kommission angehören, nach dem Einstimmigkeitsprinzip

verbindliche Kriterien fest, was als Offizielle Entwicklungshilfe bezeichnet und abgerechnet

werden kann.130 "Als ODA werden Leistungen der öffentlichen Hand angerechnet, die

erstens an Länder vergeben werden, die von der OECD als Entwicklungsländer eingestuft

werden, zweitens das Ziel der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung verfolgen und

drittens ein Zuschusselement von mindestens 25 % beinhalten."131

Die ODA-Kriterien sind von enormer Relevanz, da sie Aufschluss darüber geben, inwieweit

die Geberländer ihrer - ohnehin schon sehr bescheidenen - Zusage aus Res. 2626 (1970)

nachkommen, wenigstens 0,7% ihres BIP für Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen:

"ODA-Zahlen haben eine herausragende politische Bedeutung. Die seit den späten 1960er

Jahren von der Gemeinschaft der Geber aber auch einzelner Gruppen von Gebern

abgegebenen politischen Verpflichtungen beruhen durchgehend auf der ODA-Definition der

OECD DAC. [...] Die Diskrepanz zwischen internationalen politischen Zusagen und den

tatsächlichen ODA-anrechenbaren Ausgaben ist auch ein Instrument der innenpolitischen 130 Vgl. Brzoska 2006, S. 6f. 131 Hamann 2005, S. 3.

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42

Lobbyarbeit zur Erhöhung der EZ-Ausgaben."132 Nachdem militärische Aspekte

jahrzehntelang kategorisch ausgeschlossen wurden133, liegt es auf der Hand, dass jede

Öffnung der ODA-Kriterien zugunsten sicherheitspolitischer Ausgaben die Rüstungsetats

entlasten hilft, eine Erhöhung der Entwicklungshilfe lediglich vorgaukelt und so gleichzeitig

die miserable Bilanz der Gebeländer schönen hilft.

4.2 Phantomhilfe und vorgegaukelte Großzügigkeit Die europäischen Länder haben sich mittlerweile nochmals auf einen Fahrplan verständigt,

mit dem die mehr als dreißig Jahre alten Zusagen endlich umgesetzt werden sollen: "In den

Schlussfolgerungen des Rates vom Mai 2005 ist Folgendes festgelegt: Diejenigen

Mitgliedstaaten, die noch unter der ODA-Quote von 0,51 % des BNE liegen, verpflichten

sich, diese im Rahmen ihrer jeweiligen Haushaltsaufstellungsverfahren bis 2010 zu

erreichen; die Übrigen setzen ihr Engagement fort. Diejenigen Mitgliedstaaten, die der EU

nach 2002 beigetreten sind und deren ODA-Quote noch unter 0,17 % des BNE liegt, werden

sich bemühen, ihre Quote bis 2010 im Rahmen ihrer jeweiligen

Haushaltsaufstellungsverfahren auf diesen Wert aufzustocken; die Übrigen setzen ihr

Engagement fort. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, bis 2015 eine Quote von 0,7 % des

BNE zu erreichen; diejenigen, die diese Zielquote bereits einhalten, verpflichten sich, sie

nicht zu unterschreiten; die Mitgliedstaaten, die der EU nach 2002 beigetreten sind, werden

sich bemühen, ihre Quote bis 2015 auf 0,33 % des BNE zu erhöhen."134 Der ODA-Anteil des

deutschen Haushalts wird im Jahr 2007 aller Voraussicht nach bei 0,37 % liegen.135

Doch für einen Großteil dieser "Hilfsgelder" prägte die britische Action Aid den Begriff

"Phantomhilfe", um mit ihm zu beschreiben, dass hiermit kein oder nur ein extrem geringer

Beitrag zur direkten Armutsbekämpfung geleistet wird - eigentlich ja die Grundvoraussetzung

für eine ODA-Anrechenbarkeit (siehe Tabelle 1): "Ein Drittel der deutschen ODA-Quote

besteht aus Ausgaben, die nicht unmittelbar der Armutsbekämpfung zugute kommen",

kritisiert etwa VENRO.136 Dazu gehören Schuldenerlasse, Ausgaben für ausländische

Studenten und die Kosten für die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen

(einschließlich der Abschiebungskosten!).137 Selbst dem DAC-OECD-Prüfbericht zur

132 Brzoska 2006, S. 16f. 133 Vgl. Christian Aid: The Politics of Poverty. Aid in the New Cold War, 2004, S. 5. 134 Der Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik 2006, S. 5. 135 Mark, Lothar, Rede in der 2./3. Lesung zum Haushalt des Auswärtigen Amtes, 22.11.2006, URL: http://www.lothar-mark.de/presse_detail.php?id=1357 (eingesehen 23.08.2007). 136 VENRO: Nur die halbe Wahrheit. Neue OECD-Daten zur staatlichen Entwicklungszusammenarbeit, Pressemitteilung 10/2007. 137 So wurden in Deutschland zwischen 2002 und 2005 insgesamt 487 Mio. Euro (6% der gesamten ODA) für die Ausbildung ausländischer Studenten aufgebracht, die höchste Summe in der gesamten Europäischen Union. Allein 2005 beliefen sich die ODA-abgerechneten Kosten für die Unterbringung von Asylbewerbern auf 49 Mio. Euro. Vgl. EU aid: genuine leadership or misleading figures? An independent analysis of European Governments’ aid levels, Joint European NGO Report April 2006, S. 18.

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deutschen Entwicklungspolitik fällt es schwer hierin Maßnahmen zur Armutsbekämpfung

erkennen zu können.138

Tabelle 1: Phantomhilfe der EU-Länder im Jahr 2005

Land Offizielle ODA

Phantomhilfe Gesamt

Offizielle ODA/BSP

Tatsächliche ODA/BSP

Anteil Phantomhilfe

2005 (€) 2005 (€) 2005 (%) 2005 (%) 2005 (%) Luxemburg 212 0 0,87% 0,87% 0% Schweden 2640 174 0,92% 0,86% 7% Dänemark 1696 129 0,81% 0,75% 8%

Niederlande 4130 477 0,82% 0,73% 12% Irland 557 1 0,41% 0,41% 0,3%

Belgien 1590 400 0,53% 0,40% 25% Finnland 722 132 0,47% 0,38% 18%

Großbritannien 8656 2977 0,48% 0,31% 34% Frankreich 8096 3252 0,47% 0,28% 40%

Spanien 2514 435 0,29% 0,24% 17% Griechenland 431 2 0,24% 0,24% 0,4% Deutschland 7081 3412 0,35% 0,20% 43%

Portugal 295 16 0,21% 0,20% 5% Österreich 1249 772 0,52% 0,20% 62%

Italien 4067 1365 0,29% 0,19% 34%

Gesamt 44836 13546 30%

Quelle: EU aid: genuine leadership or misleading figures? An independent analysis of European

Governments’ aid levels. Joint European NGO Report, CONCORD (April 2006), S. 11.

Nicht viel besser sieht es für die anderen Länder der Europäischen Union aus, die

zusammen mehr als die Hälfte der weltweiten Entwicklungshilfe aufbringen. Was am Ende

von der ganzen vorgegaukelten Großzügigkeit übrig bleibt, ist mehr als beschämend.

Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass das erklärte Ziel, bis zum Jahr 2015 eine Halbierung

der Armut zu erreichen, der Kernpunkt der so genannten "Millennium Development Goals"

(MDGs) aus dem Jahr 2000, in weite Ferne gerückt ist.139 Angesichts dessen ist es

unverantwortlich, die Vergabe von Geldern zur Armutsbekämpfung von außenpolitischem

Wohlverhalten im "Krieg gegen den Terror" abhängig zu machen.

4.3 Sicherheitskonditionalität: Entwicklungshilfe als Terrorbekämpfung Die Regierungschefs der EU-Staaten gaben bereits kurz nach den Anschlägen des 11.

September 2001 die Richtung vor, indem sie betonten, der "Kampf gegen den Terror" solle

fortan das zentrale Element "sämtlicher Politikbereiche der EU darstellen."140 Der OECD-

138 OECD-DAC Prüfbericht 2006, S. 35f. 139 Sachs, Jeffrey (Project Director): Investing in Development. A Practical Plan to Achieve the Millennium Development Goals, New York 2005. 140 Knuchel, Lars: No Security without Development - No Development without Security: Comments on Current Trends in EU Foreign Policy, development policy briefing 04/2004.

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Entwicklungshilfeausschuss zog im Jahr 2003 mit dem Papier "A Development Co-operation

Lens on Terrorism Prevention" (Betrachtung der Terrorismusprävention durch die Brille der

Entwicklungszusammenarbeit) nach, in dem die Terrorbekämpfung zu einer

entwicklungspolitischen Aufgabe gemacht wurde: "Terrorismus ist eine Form gewalttätiger

Konflikte und Konfliktprävention ist ein integraler Teil der Armutsbekämpfung. [...] Diese

Erkenntnis kann für die Entwicklungszusammenarbeit Auswirkungen auf die Festlegung ihrer

Prioritäten, des Umfangs und der Verwendung ihrer Finanzmittel sowie auf die

Anrechenbarkeit als ODA haben."141 Absurderweise wird hiermit die Terrorbekämpfung als

praktische Armutsbekämpfung deklariert, weshalb das OECD-Papier auch fordert, "die

gegenwärtigen Hilfszuweisungen und Ansätze in den Bereichen sorgfältig neu zu kalibrieren,

in denen Terrorprävention ein relevantes Entwicklungsziel darstellt."142

Hiermit wurde einer Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik für den "Kampf gegen den

Terror" Tür und Tor geöffnet: "Javier Solana, Verfasser der EU-Sicherheitsstrategie, setzte

sich vehement dafür ein, den Kampf gegen den Terrorismus als Bedingung für

Entwicklungshilfe in der neuen EU-Verfassung zu verankern. Das gelang ihm zwar nicht.

Trotzdem wird die EU ihre Entwicklungshilfe künftig von der Bereitschaft der

Empfängerländer abhängig machen, in Sicherheitsfragen zu kooperieren: Diese

Verknüpfung ist in den 60 Anti-Terror-Maßnahmen enthalten, welche die EU-Außenminister

am 25. März 2004 beschlossen."143 Immer häufiger wird die Vergabe von Entwicklungshilfe

inzwischen an das Wohlverhalten im Krieg gegen den Terror geknüpft

(Sicherheitskonditionalität), wie ein EU-Beamter bestätigt, indem er angibt, dass "Handel und

Hilfsleistungen davon betroffen sein könnten, falls man zu der Auffassung gelangt, dass der

Kampf gegen den Terror nur unzureichend betrieben wird."144

Offensichtlich wurde dies bei der turnusgemäßen Überarbeitung des Cotonou-Abkommens

zwischen den 78 AKP-Staaten (AKP: Afrika, Karibik, Pazifik) und der EU im Jahr 2005.

Dabei machte die EU die Unterzeichnung von der Bereitschaft zur Umsetzung der

internationalen Vereinbarungen zur Terrorismusbekämpfung und zur Nicht-Verbreitung von

Massenvernichtungswaffen abhängig, die nunmehr integrale Bestandteile des Abkommens

darstellen. Hierfür verpflichtete sich die EU im Gegenzug zusätzliche Mittel aus dem

Europäischen Entwicklungsfond bereitzustellen.145 "Die EU droht sogar mit Aussetzung der

EU-Entwicklungszusammenarbeit im Falle der Nichteinhaltung. Diese Entwicklungen auf EU-

141 OECD-DAC: A Development Co-operation Lens on Terrorism Prevention. Key Entry Points for Action. A DAC Reference Document, 2003, S. S. 11 142 OECD-DAC: A Development Co-operation Lens on Terrorism Prevention 2003, S. 8. 143 Laubscher, Michèle: Zurück in die Zukunft, GSoA Zeitung März 2005; Vgl auch Christian Aid 2004, S. 20. 144 Bianchi, Stefania: War on Terror 'Threatens Aid', IPS 25.03.2004. 145 Vgl. Popovic 2007, S. 26; Robinson 2005, S. 29. Erreicht wurde dies, indem Ergänzungen zur Kooperation beim Kampf gegen den Terror (Art. 11a) und gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (Art. 11b) aufgenommen wurden.

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Ebene machen deutlich, dass die EU-Sicherheitspolitik enorm an Bedeutung gewonnen hat

und auch andere Politikfelder in den Sog strategischer Sicherheitsinteressen geraten

sind."146 Selbst der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler gab an: "Wir waren eigentlich

als Parlamentarier auch von der europäischen Seite ein bisschen enttäuscht insofern, als der

Rat dort diese ‚Weapons of Mass Destruction’ den AKP-Staaten aufgedrückt hat. [...] Ich

finde das ein bisschen beschämend."147 Ebenfalls 2005 lieferte die EU-Kommission erst auf

massive Nachfragen einiger Parlamentarier Informationen über das "Philippine Border

Management Project" (ASIA/2004/016-924), in dessen Rahmen Maßnahmen zum Kampf

gegen den Terrorismus mit Entwicklungshilfegeldern in Höhe von 4.9 Mio. Euro finanziert

wurden.148

Ein "Programming Fiche", ein Richtlinienpapier für die Vergabe von EU-Hilfe vom Januar

2006, zeigt, wohin derzeit die Reise geht. Es macht die Hilfsvergabe explizit von folgenden

Fragen abhängig: "1. Ist das Land relevant im Krieg gegen den Terrorismus? Ist es für die

EU-Außenpolitik von Bedeutung? 2. Hält es die UN-Sicherheitsratsresolution 1773 (2001)

über den Kampf gegen den Terrorismus ein?"149 Diese Sicherheitsfokussierung führte bereits

direkt zur Re-Allokation verschiedener Mittel. So wurde die Erhöhung der EU-Hilfe für

Pakistan nach dem 11. September damit begründet, dass das Land sich dazu entschieden

hätte, die internationale Koalition gegen den Terrorismus zu unterstützen.150 Von den 190

Mio. Euro, die als Hilfsgelder für den Irak zur Verfügung gestellt wurden, stammten 90 Mio.

aus Töpfen, die zuvor für den Balkan bestimmt und nun einfach umgeleitet wurden.151 Eine

Erhöhung der Entwicklungshilfe ereignet sich also nur da, wo substanzielle Interessen

betroffen sind, statt dort, wo die bitterste Armut dies am dringendsten gebietet.152

Beispielsweise leitete die britische Regierung Gelder für Lateinamerika direkt in den Irak um,

obwohl zuvor versichert wurde, dass dies nicht geschehen würde. Dennoch wurde im

Oktober 2004 der Öffentlichkeit ein Papier des Entwicklungsministeriums mit dem Titel

146 Runge 2005. 147 Schmitz, Kathrin: Kontinuität und Innovation in den entwicklungspolitischen Beziehungen der Europäischen Union mit den afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten, o.J., S. 95, URL: http://www.uni-bonn.de/~uholtz/lehrmaterial/eu_akp_bez.pdf (eingesehen 20.08.2007). Auch Abkommen mit Syrien wurden vom "Respekt demokratischer Prinzipien und fundamentaler Menschenrechte und der Kooperation bei der Verhinderung der Proliferation von Massenvernichtungsmitteln und ihren Trägersystemen und der Terrorbekämpfung" abhängig gemacht. Vgl. EU and Syria Mark End of Negotiations on Association Agreement, News Release No. 144-04, October 19, 2004, URL: http://www.eurunion.org/News/press/2004/200400144.htm (eingesehen 18.07.2007). 148 Allen, Tom/Gavas, Mikaela: The Slow Death of EC Aid for Development, the networker April 2006, URL: http://www.bond.org.uk/networker/2006/april06/ecaid.htm (eingesehen 12.06.2007). 149 The fight against terrorism, Programming Guide for Strategy Papers, Programming Fiche, Januar 2006, URL: http://ec.europa.eu/development/How/iqsg/docs/fiches_pdf/F36_terrorism_fin.pdf (eingesehen 14.08.2007). 150 Vgl. The EU's relations with Pakistan, April 2007, URL: http://europa.eu.int/comm/external_relations/pakistan/intro/ (eingesehen 18.07.2007). 151 CIDSE Study on Security and Development, Reflection Paper, January 2006, S. 20. 152 Popovic 2007, S. 39.

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"Ressourcenallokation" zugespielt, in dem es hieß: "Die Last der Finanzierung des Irak wird

aus den Notfallreserven und Verringerungen der Budgets der Länder Mittleren Einkommens

getragen werden müssen. Diese Pläne bedeuten, dass eine Reihe unserer Programme in

Ländern mit mittleren Einkommen schließen werden müssen."153 Zynischerweise wird zudem

dabei - beispielsweise in Afghanistan oder im Irak - lediglich das wiederaufgebaut, was zuvor

im Rahmen eines westlichen Kriegseinsatzes vom Militär zerstört wurde.154

In diesem Zusammenhang ist wohl auch das deutsche Ankerländer-Konzept zu sehen, das

in Sicherheitskreisen schon länger für eine Konzentration auf besonders

interessensrelevante Länder steht und mittlerweile auch vom BMZ übernommen wurde. In

einem BMZ-Positionspapier aus dem Jahr 2004 werden diese Ankerländer folgendermaßen

charakterisiert: "Sie spielen insbesondere auf der Grundlage ihres wirtschaftlichen Gewichtes

und des politischen Einflusses in ihren Regionen sowie zunehmend auch global eine

wachsende Rolle in der Gestaltung internationaler Politiken - wie auch bei der Erreichung der

Millennium Development Goals (MDGs). [...] Ihnen kommt bei der [...] Sicherung von Frieden

und Stabilität sowie in Fragen der Global Governance und dem Schutz globaler öffentlicher

Güter eine Schlüsselrolle zu."155 Direkt benennt das BMZ dabei China, Indien, Indonesien,

Pakistan, Thailand, Ägypten, Iran, Saudi Arabien, Nigeria, Südafrika, Argentinien, Brasilien,

Mexiko sowie Russland und die Türkei. Mittlerweile wurden InWEnt und das Deutschen

Institut für Entwicklungspolitik vom BMZ mit dem Programm "Managing Global Governance"

(MGG) beauftragt, es soll "die Zusammenarbeit mit 'Ankerländern' voranbringen."156

Es überrascht somit nicht, dass auch in Deutschland eine sicherheitspolitische motivierte Re-

Allokation von Hilfsgeldern unübersehbar ist: "[Es] zeigt sich anhand der länderspezifischen

Hilfszusagen der vergangenen Jahre, dass in einigen Bereichen der Entwicklungspolitik sehr

wohl Veränderungen stattgefunden haben. So hat die Bundesregierung Entwicklungshilfe

gezielt an strategisch wichtige Partner vergeben. Pakistan, mit dem im Sommer 2001

erstmals seit 1997 wieder Verhandlungen über eine Zusammenarbeit aufgenommen wurden,

avancierte zum Beispiel bald nach dem 11. September 2001 zum Schwerpunktpartnerland.

Bereits wenige Wochen nach den Terroranschlägen in den USA war eine Aufstockung der

vereinbarten Hilfe angekündigt worden. Aber auch die zentralasiatischen Länder Usbekistan,

Tadschikistan und Kirgisistan, die für den Einsatz in Afghanistan von großer Bedeutung sind,

die Bundeswehr unterhält einen Truppenstützpunkt in Usbekistan, haben gestiegene

153 Christian Aid 2004, S. 18. 154 Vgl. Padilla, Arnold: Shifting Trends: ODA, Global Security and the MDGs, in: The Reality of Aid 2006 Focus on Conflict, Security and Development, London 2006, S. 219-244, S. 226. 155 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ankerländer - Partner für globale Entwicklung. Ein Positionspapier des BMZ, Dezember 2004, S.5. Auch im Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik, S. 10 findet sich das Ankerländer-Konzept: "Viele Länder mit mittlerem Einkommen spielen eine wichtige Rolle in politischen, sicherheits- und handelspolitischen Fragen, produzieren und schützen globale Kollektivgüter und fungieren als regionaler Anker." 156 Taube, Günther: Strategische Partnerschaft, in: Entwicklung & Zusammenarbeit 5/2006.

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Hilfszusagen erhalten. Tadschikistan wurde im Jahr 2002 zum Partnerland ernannt, mit

Usbekistan und Kirgisistan kooperiert Deutschland schon seit längerer Zeit. Auch für Kenia,

dass Deutschland einen Truppenstützpunkt für den Bundeswehreinsatz im Rahmen der

Operation Enduring Freedom am Horn von Afrika bereitstellt, ist die Entwicklungshilfe in den

letzten Jahren fast verdoppelt worden. Hier zeigt sich, dass Deutschland hingegen

anderslautenden Aussagen Entwicklungspolitik sehr wohl im Rahmen der

Terrorismusbekämpfung und nicht nur der Terrorismusprävention einsetzt."157

Welche Entwicklungshilfegelder aber direkt für den "Kampf gegen den Terror" verwendet

werden, wird mittlerweile gezielt verschleiert, wie folgendes Beispiel zeigt: "Aus den Mitteln

des Antiterrorpaketes wurden dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit

und Entwicklung für das Jahr 2002 mehr als 102 Millionen Euro und für die Absicherung

mehrjährig laufender Vorhaben eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 40 Millionen

Euro zur Verfügung gestellt. Zuletzt wurde dem Haushaltsausschuss des Deutschen

Bundestages im Februar 2003 vom Ministerium über die Verwendung der Mittel berichtet.

Nun wollte die FDP-Bundestagsfraktion mittels einer Kleinen Anfrage wissen, wie hoch die

finanziellen Mittel für die Antiterrorbekämpfung sind und was damit im Einzelnen geschieht.

Mitte Juli 2004 antwortete die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin

für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Uschi Eid (Bündnis 90/Die Grünen):

'Mit dem Bundeshaushalt 2003 wurden die Mittel für Maßnahmen im Zusammenhang mit der

Terrorismusbekämpfung nicht mehr gesondert im Einzelplan 60 ausgewiesen, sondern auf

die betroffenen Einzelpläne verteilt.' Das hat zur Folge, dass auch im Rahmen der

Durchführung von Projekten und Programmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit

'keine Differenzierung mehr zwischen herkömmlichen und der Terrorismusbekämpfung

dienenden Vorhaben' erfolgt: 'Für den Einzelplan 23 ist dies vor dem Hintergrund

konsequent, dass unter anderem vorbeugende und stabilisierende Maßnahmen in

Krisengebieten und Krisenanrainerstaaten eine wesentliche Aufgabe des BMZ darstellen.'"158

Aus diesem Blickwinkel ist also der "Stabilitätsexport" in gescheiterten Staaten sowohl

armutsorientierte Entwicklungshilfe als auch gleichzeitig eine Anti-Terror Maßnahme, eine

Sichtweise, die der OECD-Entwicklungsausschuss, wie bereits erwähnt, schon im Jahr 2003

vertrat.

Somit bestätigt sich die Sorge, "dass die Aufnahme finanzieller Beihilfen für eine Reihe von

Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus in die ODA dem Konzept der

öffentlichen Entwicklungshilfe und seinem obersten Ziel, der Beseitigung der Armut, nur

157 Hamann 2005, S. 103. 158 Martin 2004. Siehe für eine genaue Aufschlüsselung: Deutscher Bundestag Drucksache 15/2868, 15. Wahlperiode, 30.03.2004.

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weiter abträglich sein wird."159 Die Gründe, weshalb eine solche Verwendung scharf kritisiert

werden muss, liegen auf der Hand: "Es lohnt, sich zu überlegen, was falsch daran ist, Hilfe

im Einklang mit einer Anti-Terror-Agenda zu vergeben. Die Antwort ist, knappe Mittel sind in

Gefahr. Selbstverständlich gibt es eine reale terroristische Bedrohung und Regierungen

müssen handeln, um ihre Bevölkerung zu schützen. Aber militär- und sicherheitsbezogene

Ausgaben müssen aus den Außen- und Verteidigungsbudgets stammen."160

4.4 Dammbruch: Die sicherheitspolitische Erweiterung der ODA-Kriterien Wie erwähnt schlossen die ODA-Kritieren jahrzehntelang militär- bzw. sicherheitsrelevante

Ausgaben kategorisch aus. In diesem Zusammenhang kam in den Jahren 2004 und 2005 zu

dammbruchartigen Veränderungen, als die Fachminister auf dem alljährlichen Treffen des

zuständigen OECD-Entwicklungshilfeausschusses (DAC High Level Meeting), die ODA-

Kriterien in zwei Schritten auf sicherheitsrelevante Aspekte erweiterten. Seither sind folgende

Maßnahmen ODA-anrechenbar (siehe genauer Kasten 1):

1. Verwaltung der Sicherheitsausgaben

2. Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft im Sicherheitssystem

3. Kindersoldaten

4. Reform des Sicherheitssystems

5. Zivile Friedensentwicklung, Krisenprävention und Konfliktlösung

6. Handfeuerwaffen und leichte Waffen (SALW).161

Zwar bleiben die Kosten für friedenserhaltende oder friedenserzwingende Einsätze - noch -

ausgeschlossen, dennoch wird hiermit die Möglichkeit eröffnet, zahlreiche Maßnahmen im

sicherheitsrelevanten Bereich als ODA abzurechnen. Insbesondere der Bereich der

Sicherheitssektorreform (SSR) erweist sich hier als besonders problematisch.

159 Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten: BERICHT über die externe Dimension der Bekämpfung des Terrorismus (2006/2032(INI)), ENDGÜLTIG A6-0441/2006 (Berichterstatter Luis Yanez-Barnuevo Garcia), S. 26. 160 Allen/Gavas 2006. 161 OECD erweitert Entwicklungshilfe-Kriterien, in: Entwicklung & Zusammenarbeit, 6/2004; Sicherheit: ODA-Kriterien erweitert, in: Entwicklung & Zusammenarbeit 5/2005; Hamann 2005, S. 94f.

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Kasten 1: ODA-Anrechenbarkeit bestimmter Ausgaben im Bereich Krisen, Friedensentwicklung und Sicherheit (Anhang 5 der DAC-Richtlinien)

1. Verwaltung der Sicherheitsausgaben TZ für die Regierung zur Verbesserung der zivilen Überwachung und der demokratischen Kontrolle der Haushaltsplanung, Verwaltung, Rechnungslegung und Rechnungsprüfung im Bereich der Sicherheitsausgaben einschließlich der Militärhaushalte im Rahmen eines Programms zur Verwaltung öffentlicher Ausgaben. Anmerkung: So wäre die Bereitstellung von TZ für das Heer zur Einführung eines neuen Soldabrechnungsverfahrens beispielsweise nicht anrechenbar. Haushaltsbezogene Maßnahmen zur Verbesserung der demokratischen Kontrolle der Verteidigungshaushaltsplanung, die im Rahmen eines Programms zur Verwaltung der öffentlichen Ausgaben durchgeführt werden, sind hingegen anrechenbar. 2. Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft im Sicherheitssystem Unterstützung der Zivilgesellschaft bei der Verbesserung ihrer Kompetenz und Kapazitäten zur kritischen Beobachtung des Sicherheitssystems, damit es gemäß demokratischen Normen und den Grundsätzen der Rechenschaftspflicht, Transparenz und guten Regierungsführung gesteuert wird. Anmerkung: Hierzu zählt auch Unterstützung für Nichtregierungsorganisationen und andere zivilgesellschaftliche Organisationen, Medien, Universitäten und Forschungseinrichtungen. Ausgeschlossen ist die Ausbildung in militärischen Fähigkeiten. Die Unterstützung des Verteidigungsministeriums bzw. der Streitkräfte ist ausgeschlossen, da sie zum staatlichen Sektor und nicht zur Zivilgesellschaft gehören. 3. Kindersoldaten TZ für die Regierung – sowie Unterstützung für zivilgesellschaftliche Organisationen – zur Förderung und Anwendung von Gesetzen zur Verhinderung der Rekrutierung von Kindersoldaten. Ausgeschlossen sind die Kosten von Militäroperationen gegen Gruppen, die unter Umständen Kindersoldaten rekrutiert haben. Anmerkung: Unterstützung zur Verbesserung der Bildungs- bzw. Beschäftigungschancen von Kindern, um ihrer Rekrutierung als Soldaten entgegenzuwirken, und zum Aufbau von Kapazitäten (auch für advocacy) im zivilen staatlichen Bereich und in der Zivilgesellschaft, um Kinder nicht zu Soldaten werden zu lassen, ist anrechenbar. Maßnahmen zur Demobilisierung, Entwaffnung, Wiedereingliederung, Repatriierung und Neuansiedlung ("DDRRR") von Kindersoldaten sind anrechenbar. Unterstützung für die Streitkräfte selbst hingegen ist nicht anrechenbar. Hilfe, die zur Stärkung der militärischen Fähigkeiten oder der Kampfkraft der Streitkräfte beiträgt, ist ausgeschlossen. 4. Reform des Sicherheitssystems TZ für Parlament, Ministerien der Regierung, Strafverfolgungsbehörden und Justiz zur Unterstützung der Überprüfung und Reform des Sicherheitssystems, um die demokratische Regierungsführung und die zivile Kontrolle zu verbessern. Die anrechnungsfähige Hilfe beschränkt sich auf nichtmilitärische Maßnahmen zur Kompetenz-/Kapazitätserweiterung und strategischen Planung, mit denen die politische, institutionelle und finanzielle Rechenschaftspflicht, zivile Aufsicht und Transparenz gefördert werden. Zudem muss eine derartige Unterstützung für Verteidigungsministerien Teil einer nationalen Strategie zur Reform des Sicherheitssystems sein und von dem Ministerium des Partnerlandes, das die Gesamtverantwortung für die Koordinierung der externen Hilfe trägt, gebilligt sein. 5. Zivile Friedensentwicklung, Krisenprävention und Konfliktlösung Unterstützung von zivilen Maßnahmen im Bereich Friedensentwicklung, Krisenprävention und Konfliktlösung unter Einschluss von Kapazitätsaufbau, Monitoring, Dialog und Informationsaustausch. Die Beteiligung an Militärstrategie- und Verteidigungskooperationen ist ausgeschlossen. Anmerkung: Falls die geförderten zivilen Friedensentwicklungsmaßnahmen die Offenlegung von militärischen Strategien einschließen, ist die Förderung anrechenbar, es sei denn, militärisches Personal oder Mitarbeiter/innen des Verteidigungsministeriums profitieren von der Finanzierung. Die direkte Unterstützung des Verteidigungsministeriums bzw. der Streitkräfte ist ausgeschlossen. Die Förderung kann jedoch indirekt von zivilen Organisationen/Behörden – unter Ausschluss des Verteidigungsministeriums – für die Beteiligung von Beschäftigten des Verteidigungsministeriums oder der Streitkräfte an den oben genannten Maßnahmen genutzt werden. 6. Handfeuerwaffen und leichte Waffen (SALW) TZ zur Bekämpfung, Verhinderung und/oder Verringerung der Weiterverbreitung von Handfeuerwaffen und leichten Waffen (Small Arms and Light Weapons, SALW). SALWMaßnahmen im Sinne dieser Richtlinie sind definiert wie folgt: – Entwicklung von Gesetzen, Vorschriften und Verwaltungsverfahren zur Bekämpfung und Verringerung der Weiterverbreitung von Waffen – Entwicklung von institutionellen Strukturen für politische Beratung, Forschung und Monitoring; – Bewusstseinsbildungskampagnen zu SALW – Förderung der regionalen Zusammenarbeit und des regionalen Informationsaustauschs zu SALW-Programmen – Einsammlung und Zerstörung von Waffen (Die Finanzierung von Aktionen zur gewaltsamen Beschlagnahmung von Waffen ist ausgeschlossen. Die Beteiligung an Programmen zur Einsammlung und Zerstörung von Waffen, die von militärischem Personal durchgeführt werden, ist ausgeschlossen.) Hilfe, die zur Stärkung der militärischen Fähigkeiten oder der Kampfkraft der Streitkräfte beiträgt, ist ausgeschlossen. Quelle: BMZ/Statistik und Berichtswesen: Kurzübersicht zum Förderbereichsschlüssel ab Berichtsjahr 2005, S. 21f.

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4.5 Sicherheitssektorreform: Entwicklungshilfe als Aufstandsbekämpfung Bereits im Jahr 2004 billigte der OECD-Entwicklungshilfeausschusses auf Ministerebene die

Leitlinie "Security System Reform and Good Governance: Policy and Good Practice" und

ermöglichte es hierdurch, wie bereits erwähnt, dass nun auch Teilaspekte von Aktivitäten zur

Sicherheitssektorreform ODA-anrechenbar sind.162 Zwar sind Aktivitäten, an denen

Streitkräfte direkt beteiligt sind (bspws. Ausbildung und Aufbau sowie direkte militärische

Beratung) weiterhin nicht anrechenbar, dennoch geht die Kriterienerweiterung relativ weit.

Während einige Aspekte (bspws. Menschenrechtstraining, Unterweisung in

Demokratisierung etc.) noch relativ unproblematisch sind, ist es doch mehr als fraglich, ob

die Unterstützung zur Erstellung von Planungsdokumenten der Streitkräfte (Weißbücher etc.)

ODA-anrechenbar sein sollte. Insbesondere aber, dass die Ausbildung bzw. der Aufbau

lokaler Polizeikräfte wie auch anderer nicht militärischer Sicherheitsorgane mittlerweile als

ODA abgerechnet werden kann, ist extrem problematisch.163 Aufgrund des häufig

paramilitärischen Charakters vieler Polizeikräfte in der Dritten Welt und ihrem oftmals wenig

zimperlichen Vorgehen gegen Oppositionskräfte, beeilt sich die Bundesregierung folgende

Einschränkung zu betonen: "Ausgeschlossen sind Maßnahmen, die der Befähigung zu

Aufstandsbekämpfung, der politisch motivierten Repression sowie der

nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung dienen."164 Angesichts der beobachtbaren

Praxis, wie sie am Beispiel des Kongo weiter unten in diesem Kapitel beschrieben wird, sind

derlei Einschränkungen aber wenig glaubhaft.

Mittlerweile entwickelt sich die Sicherheitssektorreform von einem Rand- zu einem

Kerngebiet: "Für die Entwicklungszusammenarbeit rückt der 'Sicherheitssektor' - die

Streitkräfte und die Polizei - in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, nachdem sie sich in den

vorangegangenen Jahrzehnten doch vorwiegend auf zivilen Feldern profiliert hatte."165 Ganz

in diesem Sinne bezeichnet auch die Bundesregierung im "Aktionsplan Zivile

Krisenprävention" die Sicherheitssektorreform als vordringlichste Maßnahme zur

Wiederherstellung des staatlichen Gewaltmonopols - die Kernforderung der Neuen Kriege -

und erklärt sie gleichzeitig zu einem elementaren Bestandteil der Armutsbekämpfung: "Ohne

den Schutz der Bürger vor Gewalt und Kriminalität durch ein funktionierendes staatliches

Gewaltmonopol ist eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung aber nicht möglich. [...] Die

Reform des Sicherheitssektors ist daher eine Schlüsselvoraussetzung für Frieden und

nachhaltige Entwicklung."166 Auf dieser Grundlage richtete der "Ressortkreis Zivile

Krisenprävention" eine ministerienübergreifende "Arbeitsgruppe Sicherheitssektorreform" 162 DAC Guidelines and Reference Series: Security System Reform and Governance, OECD 2005. 163 Vgl. Brzoska 2006, S. 33.

164 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Hänsel, Monika Knoche, Paul Schäfer (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 16/3385, S. 5. 165 Rüstungsexportbericht 2004 der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), S. 29. 166 Aktionsplan "Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung" 2004, S. 40

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ein, die ein "Interministerielles Rahmenkonzept zur Unterstützung von Reformen des

Sicherheitssektors in Entwicklungs- und Transformationsländern" erarbeitete, das Ende 2006

erschien.167 Auch dort wird betont, es hätte "sich in den letzten Jahren zunehmend die

Erkenntnis durchgesetzt, dass Reformen mit dem Ziel der Durchsetzung des staatlichen

Gewaltmonopols und der demokratischen Kontrolle des Sicherheitssektors

Schlüsselvoraussetzung für Frieden, Achtung und Schutz der Menschenrechte, nachhaltige

Entwicklung und zugleich strategischer Ansatzpunkt der Krisenprävention sind."168

Inzwischen wurde eine Reihe von Pilotprojekten in Gang gesetzt.169 Dabei sind aus dem

Entwicklungshaushalt beispielsweise im Rahmen "sicherheitspolitischer Beratung" in

Armenien und Aserbaidschan die Erstellung neuer nationaler Sicherheitskonzepte mit jeweils

1 Mio. Euro aus dem BMZ-Haushalt unterstützt worden.170 Da die Weißbücher unter

anderem die Annäherung an die NATO befördern sollten, ist es kein Wunder, dass sich die

durchführende Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) dabei eng mit dem

NATO-Vertreter vor Ort abstimmte.171 Besonders problematisch erweist sich die

Finanzierung der afghanischen Polizei, für die bis Ende 2006 insgesamt 60 Mio. Euro aus

dem Entwicklungshaushalt (Einzelplan 23) aufgewendet wurden.172

Doch auch multilaterale Maßnahmen zur Sicherheitssektorreform nehmen besonders im

Rahmen der Europäischen Union zu. "Der Rat der Europäischen Union hat im November

2005 ein Konzept für die Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors durch die

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik angenommen. Die Europäische

Kommission hat im Mai 2006 ein Konzept für Unterstützungsmaßnahmen der Europäischen

Gemeinschaft im Bereich Sicherheitssektorreform vorgelegt. Der Rat der Europäischen

167 Vgl. Frient Impulse 4/2007. 168 Interministerielles Rahmenkonzept zur Unterstützung von Reformen des Sicherheitssektors in Entwicklungs- und Transformationsländern, Oktober 2006, S. 3. 169 Dazu gehören: Indonesien (Unterstützung der Parlamentarischen und Zivilen Kontrolle des Sicherheitssektors und im Bereich Polizeiausbildung). Demobilisierungs- und Reintegrationsprojekte unter anderem in Angola, Äthiopien, Eritrea, Mosambik und Sierra Leone. In Planung sind Maßnahmen für Ruanda, Burundi und weitere Länder in der Region der Großen Seen. Im Zusammenhang mit Wiederaufbau und Reintegration fördert das BMZ auch Maßnahmen der Minenräumung und Opferfürsorge, so zum Beispiel in Angola, Kambodscha, Laos, Mosambik und Vietnam. Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Medienhandbuch Entwicklungspolitik 2006/2007, S. 287. 170 Vgl. Sicherheit und Stabilität durch Krisenprävention gemeinsam stärkern. 1. Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsplans zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung, S. 27; Interministerielles Rahmenkonzept 2006, S. 12. 171 Roehder, Katja: Die NATO als Kooperationspartner für die Entwicklungspolitik. Neue Konzeptionen zivil-militärischer Zusammenarbeit, 1. Dezember 2005, La Redoute, Bonn, S. 17. 172 Zum Polizeiaufbau in Afghanistan gehören folgende Maßnahmen: "Beratung beim Aufbau einer rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichteten Polizei; Aufbau der Polizeiakademie; Erstellung einer Aus- und Fortbildungskonzeption; Umstrukturierung und Neuorganisation, Rang- und Gehaltsreform, Modernisierung des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens, Renovierung und Ausstattung der polizeilichen Infrastruktur, Einsatz internationaler Mentoren im Innenministerium und in den verschiedenen Polizeibereichen; Entsendung von Polizeiberatern in die Provinzen (on-the-job-training); Ausbildung von Multiplikatoren (train the trainers)." Vgl. Interministerielles Rahmenkonzept 2006, S. 12. Vgl. zu den Kosten Antwort der Bundesregierung - Drucksache 16/3385.

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Union hat im Juni 2006 diese beiden Konzepte zum Rahmen für das Engagement der EU bei

SSR bestimmt."173 Nach Angaben der EU-Kommission wird mittlerweile in mehr als 70

Ländern im Rahmen geografischer und thematischer Programme SSR-relevante

Unterstützung geleistet, ohne dass diese aber transparent aufgeschlüsselt werden.174 Selbst

die Vereinten Nationen rücken die Sicherheitssektorreform immer weiter ins Zentrum ihrer

Tätigkeit.175

Wie brisant eine derartige Verwendung von Entwicklungshilfe ist, zeigt das Beispiel der

Demokratischen Republik Kongo (DRK), wo im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und

Verteidigungspolitik (ESVP) mit der Mission EUPOL Kinshasa der Aufbau Integrierter

Polizeieinheiten (Integrated Police Units, IPUs) überwacht und angeleitet wurde. Der Einsatz

ist u.a. deshalb von besonderer Bedeutung, weil er richtungweisend für den gesamten

Umgang mit gescheiterten Staaten sein soll: "Die DRK ist eines der neun Pilotländer, in

denen die OECD/DAC-Grundsätze für fragile Staaten versuchsweise angewandt werden. [...]

Im Zusammenhang mit der sicherheitspolitischen Governance stellen die allgemeinen

Reformen der Armee, der Polizei und des Justizsystems dringende Prioritäten dar."176 Der

Ende 2004 beschlossene und im darauf folgenden Jahr am 13. April gestartete Einsatz

wurde anfänglich mit 9 Mio. Euro budgetiert, wovon Teile dem Topf des Europäischen

Entwicklungsfonds entnommen wurden.177 Im Dezember 2006 wurde die Mission nochmals

verlängert und die Mehrausgaben auf höchstens 2.075 Mio. Euro begrenzt.178 Mittlerweile ist

EUPOL Kinshasa in die Mission EUPOL RD CONGO überführt worden, die mindestens bis

zum 30. Juni 2008 weiterlaufen wird.179

173 Interministerielles Rahmenkonzept 2006, S. 3. 174 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Ein Konzept für Unterstützungsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft im Bereich Sicherheitssektorreform {SEK(2006) 658}, S. 3. In dem Dokument verweist zwar eine Fußnote auf einen ominösen Annex 2 mit einer detaillierten Auflistung, ohne dass dieser aber in irgendeiner Form auffindbar wäre. Eine Übersicht über einige der Programme findet sich bei Europäische Kommission: Annual Report 2006 on the European Community’s Development Policy and the Implementation of External Assistance in 2005, Brüssel 2006, S. 110. 175 Vgl. Draft Summary Record of the 11th Meeting of the CPDC Network, DCD/DAC/CPDC//M(2007)1/PROV, 25 Mai 2007, URL: http://www.olis.oecd.org/olis/2007doc.nsf/3dce6d82b533cf6ec125685d005300b4/2a96f7373ea7e5d9c12572e6004f2997/$FILE/JT03227823.DOC (eingesehen 13.05.2007). 176 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Anlage zur Mitteilung "Die Governance im Rahmen des Europäischen Konsenses über die Entwicklungspolitik: Schritte für ein harmonisiertes Konzept in der Europäischen Union", {KOM(2006) 421 endgültig}{SEK(2006) 1021}{SEK(2006) 1022}, Brüssel, den 30.8.2006. 177 Javier SOLANA and Louis MICHEL launch EUPOL and reiterate EU support for transition in the Democratic Republic of Congo, Joint Press Release of the EU High Representative for the CFSP and the European Commission Brussels, 30 April 2005 (S174/05). 178 GEMEINSAME AKTION 2004/847/GASP DES RATES vom 9. Dezember 2004 zur Polizeimission der Europäischen Union in Kinshasa (DRK) betreffend die Integrierte Polizeieinheit (EUPOL "Kinshasa"); GEMEINSAME AKTION 2006/913/GASP DES RATES vom 7. Dezember 2006 zur Änderung und Verlängerung der Gemeinsamen Aktion 2004/847/GASP zur Polizeimission der Europäischen Union in Kinshasa (DRK) betreffend die Integrierte Polizeieinheit (EUPOL "Kinshasa"). 179 Réforme du secteur de la sécurité en République démocratique du Congo - Mission EUPOL RD Congo, Briefing de Presse, Bruxelles, 3 juillet 2007.

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Bei diesen mit EU-Hilfe aufgebauten Integrierten Einheiten handelt es sich aber um alles

andere als um Polizisten, die dazu da sind, den Verkehr zu regeln, wie aus ihrer

Beschreibung hervorgeht. Sie sind "spezialisierte, mobile Polizeieinheiten, die schnellstens

an jede Stelle des Landes verlegt werden können."180 Ihren "Wert" für Präsident Joseph

Kabila stellten die Einheiten Mitte 2005 unter Beweis, als dieser die für 30. Juni angesetzten

Wahlen um sechs Monate verschob. Die daraufhin einsetzenden Proteste der

Zivilbevölkerung wurden von Polizei und Militär mit scharfen Waffen angegriffen. Es gab in

mehreren Städten Tote und Verletzte, deren genaue Zahl bis heute unklar ist.181 Bei der

gewaltsamen Unterdrückung dieser Proteste kamen mindestens 3.500 Polizisten, davon

1000 IPUs zum Einsatz.182 Auch in der Folge taten sich die IPUs durch "exzessive

Gewaltanwendung" gegenüber gewaltfreien Protesten der Opposition hervor, wie die UN in

einem Bericht kritisiert.183

Als die Wahlen schließlich im Juli 2006 stattfanden, rief die größte Partei, die nicht aus einer

Miliz hervorgegangen ist, die UDPS, zum Boykott auf, da ein faires Ergebnis unter den

gegebenen Umständen nicht möglich sei. So liefen die Wahlen darauf hinaus, welcher

Warlord, der von der EU unterstützte Joseph Kabila oder sein Kontrahent Jean Pierre

Bemba, die Macht im Land übernehmen wird. Um aber wirklich sicherzustellen, dass die

Machtübernahme Kabilas erfolgreich durchgezogen wird, wurden im Rahmen des vom

Einsatzführungskommando in Potsdam geleiteten EU-Militäreinsatzes EUFOR RD Congo

von April bis November 2006 2.400 Soldaten, darunter allein 780 Deutsche, ins Land

entsendet. Sie hatten "den Auftrag, die freien Wahlen zu sichern", wie die Homepage der

Bundeswehr betont.184 Da Joseph Kabila sich in seiner Zeit als - nicht gewählter -

Übergangspräsident primär dadurch hervortat, den immensen Rohstoffreichtum des Kongo

(u.a. große Mengen an Coltan, Kupfer und Kobalt) an westliche Konzerne zu

verschleudern185, liegt somit der Verdacht nahe, dass die EUFOR-Truppen als

"Rückversicherung" stationiert wurden, um eine nunmehr demokratisch legitimierte

Machtübernahme Kabilas gegebenenfalls militärisch abzusichern. "Stabilität in der

rohstoffreichen Region nützt auch der deutschen Wirtschaft", betonte denn auch

Verteidigungsminister Franz-Josef Jung.186

180 Security Sector Reform in the Congo, International Crisis Group, Africa Report N°104 - 13 February 2006, S. 6.. 181 Marischka, Christoph: Manöver am Congo, IMI-Analyse 2005/016. 182 Security Sector Reform in the Congo 2006, S. 10. 183 The Human rights situation in March 2006 MONUC / Human Rights Division, 08.05.2006, URL: http://www.monuc.org/News.aspx?newsID=10945 (eingesehen 03.04.2007). 184 Kongo: Auftrag erfolgreich abgeschlossen, bundeswehr.de, 30.11.2006. 185 Vgl. Hantke, Martin: Kriegsökonomien und ihre Profiteure - Die Beispiele Kongo und Afghanistan, in: AUSDRUCK - Das IMI-Magazin (Februar 2007); Henken, Lühr: Bundeswehr am Kongo - Sicherung von Wahlen oder Testfall für EU-Einsätze für Rohstoffe und Einflusszonen?, IMI-Studie 2006/06b. 186 Pflüger, Tobias: Kongo-Militäreinsatz: Es geht um EU-Interessen, in: Wissenschaft & Frieden 3/2006.

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Als weiteres Motiv für das große Engagement kommt im Kongo noch hinzu, dass das Land

mit seiner Größe und seinem Rohstoffreichtum eines der Schlüsselländer für das erklärte

EU-Ziel darstellt, den chinesischen (und amerikanischen) Einfluss in Afrika

zurückzudrängen.187 Ganz offensichtlich ist auch der Kongo-Einsatz in diesem

Zusammenhang zu sehen, wie ein Beitrag in der Financial Times Deutschland verdeutlicht:

"Der schwarze Kontinent ist unser Hinterhof. Dort sind auch die Ressourcen zu finden, die

wir in Zukunft für unsere eigene wirtschaftliche Entwicklung brauchen. Die Chinesen haben

das erkannt, sie kämpfen in Afrika schon längst um Öl-Lizenzen, bauen Straßen und

Eisenbahnlinien. Die EU kann es sich nicht erlauben, im Kongo zu scheitern. Deswegen

muss sie klotzen, nicht kleckern: Nicht 1000 Soldaten müssen nach Kongo, sondern 10000

oder mehr."188 Mit beeindruckender Deutlichkeit brachte Ex-Verteidigungsstaatssekretär

Walter Stützle das Ganze auf den Punkt: "Im Kongo ist das Problem, dass der Öffentlichkeit

von der Bundeskanzlerin nicht gesagt worden ist, worum es eigentlich geht. Das konnte man

in Paris sehr deutlich hören. In Paris hat man gehört, wir können Afrika nicht China und den

Vereinigten Staaten überlassen, Punkt! [...] Da man das aber [in Deutschland] eigentlich

nicht sagen wollte, hat man dann die Erfindung mit der Wahl gemacht."189 So ging es bei

dem Einsatz nicht zuletzt auch darum, Stärke und globalen Machtanspruch in der Praxis zu

demonstrieren. Im Bericht des parlamentarischen Staatsekretärs im

Verteidigungsministerium, Thomas Kossendey, vor dem Verteidigungsausschusses des

Bundestages am 28. Februar 2007 heißt es dazu: "Mit der Operation EUFOR RD CONGO

hat die EU ihre Handlungsfähigkeit als globaler Sicherheitsakteur unter Beweis gestellt. [...]

EUFOR RD CONGO ist ein Meilenstein in der Entwicklung der Europäischen Sicherheits-

und Verteidigungspolitik (ESVP)."190

Damit die Opposition auch wirklich nicht in die Quere kam, stimmte sich der EUFOR

Militäreinsatz eng mit der mit Entwicklungsgeldern finanzierten EUPOL Mission ab: "Die

EUPOL Kinshasa-Einheit zur Unterstützung der Koordinierung stimmte sich eng mit der

EUFOR RD CONGO ab; diese militärische Operation der EU wurde auch zur Unterstützung

der Wahlen in der DR Kongo entsandt."191 Unmittelbar nach der Wahl umstellten Kabila-treue

Integrierte Polizeieinheiten einen TV-Sender Bembas, woraufhin Kämpfe entbrannten, die

mindestens 23 - auch zivile - Todesopfer und 43 Verletzte forderten und an denen ebenfalls

IPUs beteiligt waren.192 So lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die EU im Kongo

187 EU to relaunch ties with Africa amid rising Chinese influence, AFP, 28.06.2007. 188 Financial Times vom 09.03.2006, einsehbar unter http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2006-03/artikel-6107319.asp (13.07.2007). 189 PHOENIX Runde vom 07.11.2006. 190 Haydt, Claudia: Ein Erfolg für die Militärmacht EU? IMI-Standpunkt 2007/016. 191 Bericht des Vorsitzes an den Europäischen Rat über die Maßnahmen der EU im Bereich der Konfliktverhütung, einschließlich der Umsetzung des EU-Programms zur Verhütung gewaltsamer Konflikte, Brüssel, den 19. Juni 2007 (11013/07), S. 32. 192 Marischka, Christoph/Pflüger, Tobias: Die EU im Kongo, telepolis, 18.10.2006.

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mit Entwicklungshilfegeldern Aufstandsbekämpfungstruppen ausbildet, die explizit zur

Unterdrückung zivilgesellschaftlicher Oppositionsgruppen und der Bekämpfung

konkurrierender Warlords dient, schwerlich eine Maßnahme, die glaubhaft als

armutsorientiert bezeichnet werden kann. Das Resultat davon ist, dass der Kongo zwar

rohstoffreich, die dort lebenden Menschen aber weiterhin bettelarm bleiben werden. Umso

bedenklicher ist die Tatsache, dass EUPOL Kinshasa als prototypisch für künftige

Sicherheitssektorreformen bezeichnet wird.

Trotz der beschriebenen weit reichenden Aufweichung der ODA-Kriterien für

sicherheitsrelevante Aspekte ging dieser Dammbruch vielen DAC-Staaten offenbar nicht weit

genug: "Für einige Geber war damit die Schmerzgrenze bereits erreicht, andere hingegen

hätten die Messlatte für ODA-anrechenbare Leistungen gern noch stärker in Richtung

Sicherheitspolitik verschoben."193 Während dabei einige Aspekte für sich genommen sicher

positiv sind (bspws. Minenräumung, Hilfe bei der Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer

etc.) ist es dennoch mehr als fraglich, ob eine Finanzierung aus Mitteln zur unmittelbaren

Armutsbekämpfung sinnvoll ist: "Die Schwierigkeit besteht darin, dass Hilfe im Namen von

Sicherheit und Stabilität schnell von den Sicherheitsinteressen der Geber anstatt von den

Entwicklungsinteressen der Empfänger bestimmt werden kann."194 Und in der Tat, nachdem

die Büchse der Pandora geöffnet worden ist, werden immer dreistere Forderungen gestellt,

die Entwicklungshilfe direkt für die Durchsetzung staatlicher Interessenspolitik zu

verpflichten.

4.6 Kriegseinsätze mit Entwicklungshilfegeldern? Schon auf dem High Level Meeting im Jahr 2004 wurde angedeutet, eine nochmalige

Ausweitung der ODA-Kriterien für Maßnahmen zur Sicherheitssektorreform anzustreben.195

Als besonders eifriger Befürworter entpuppte sich der heutige NATO-Generalssekretär Jaap

de Hoop Scheffer. Er setzte sich schon im Jahr 2003 in seiner damaligen Funktion als

niederländischer Außenminister dafür ein, im Rahmen der Sicherheitssektorreform, u.a. die

Lieferung von Militärkomponenten als ODA anzuerkennen - Rüstungsexport mit

Entwicklungsknete sozusagen.196 Hiermit konnten sich er und andere Befürworter aber bei

dem Treffen 2007 nicht durchsetzen.

Der zentrale Streitpunkt war und ist jedoch ohnehin ein ganz anderer. Denn bislang lässt

sich nur ein sehr geringer Teil der Ausgaben für so genannte Friedensunterstützende

193 Elliesen, Tillmann: Sicherheitslücke, in Entwicklung & Zusammenarbeit 5/2007. 194 Allen/Gavas 2006. 195 Brzoska 2006, S. 29. 196 de Hoop Scheffer/Kamp/van Ardenne-van der Hoeven: The Netherlands and crisis management; three issues of current interest, Den Haag 29.10.2003, URL: http://www.aiv-advies.nl/ContentSuite/template/aiv/adv/collection_single.asp?id=1942&adv_id=268&page=aanvraag&language=UK (eingesehen 17.04.2007).

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Einsätze (Peace Support Operations, PSOs) der Vereinten Nationen als ODA abrechnen.197

PSOs umfassen nicht nur friedenserhaltende (peacekeeping), sondern auch

friedenserzwingende Einsätze (peace enforcement), die mit robustem Mandat, also der

Lizenz zur offensiven Gewaltanwendung ausgestattet sind: "Zentrale Prinzipien sind

umfassende Mandate, die enge Zusammenarbeit zwischen militärischen und zivilen Stellen,

robuste Friedenstruppen sowie der fließende Übergang vom Peacekeeping zum Peace

Enforcement."198

Schon im Vorfeld des DAC High Level Meetings im Jahr 2004 wurde Druck ausgeübt, auch

die direkte Finanzierung derartiger UN-Einsätze in die ODA-Kriterien aufzunehmen. So

forderte eine G8-Erklärung im Jahr 2003, "einen Konsens im OECD-

Entwicklungshilfeausschuss herzustellen, Entwicklungshilfe für PSO-bezogene Aktivitäten

freizusetzen."199 Hierbei handelte es sich um den zentralen Streitpunkt, über den kein

Konsens erzielt werden konnte, da sich der Widerstand um das Argument formierte, dass

sich hierdurch die ODA-Budgets radikal verändern würden. Als Kompromiss wurde

beschlossen, diese Frage beim Treffen Anfang 2007 erneut zu behandeln. Seither melden

sich die Befürworter einer solchen Maßnahme, mit der eine Radikalerhöhung der

Entwicklungshilfe vorgegaukelt werden könnte, immer lauter zu Wort. Hierfür sprachen sich

im Vorfeld des 2007er Treffens etwa die Niederlande und Kanada aus200, aber auch von

einigen europäischen Ländern wurde in diesem Zeitraum ein intensives Lobbying betrieben,

um andere Staaten für eine derartige Ausweitung der ODA-Kriterien zu gewinnen.201 Doch

diese Bemühungen erwiesen sich als erfolglos. Zwar stand die ODA-Anrechenbarkeit von

PSOs auf der Tagesordnung, die Gegner einer Ausweitung konnten sich gegen die

Befürworter, Kanada, Schweden und die Vereinigten Staaten - Finnland und Deutschland

197 Bis zum Jahr 2005 waren die diesbezüglichen DAC-Richtlinien ungenau formuliert. Seither gilt ein Beschluss der DAC-Arbeitsgruppe Statistik, wonach die multilateralen Beiträge zum UNO-Kernbudget für Friedensmissionen ab dem Berichtsjahr 2005 zu 6 % als ODA anrechenbar sind. Vgl. OEZA Bericht 2004/2005: Öffentliche Entwicklungshilfeleistungen in Zahlen Teil II, URL: http://www.ada.gv.at/up-media/2531_oeza_jahresbericht_04_05_teil_ii_web.pdf (eingesehen 17.04.2007), S. 14. 198 Peace Support Operations: ein aktives Element der schweizerischen Sicherheitspolitik, ETH Zürich, Juni 2004, S. 23. Tatsächlich verschwimmen die Grenzen in der Praxis ohnehin bis zur Unkenntilchkeit wie das Beispiel Afghanistan zeigt. So gab der dortige britische Oberst James Denny an, die ISAF-Aufgaben im Süden "eher friedenserzwingend als friedenserhaltend." Vgl. Standke, Olaf: Berlin liegt am Hindukusch. Die Koalition setzte vor allem auf die "Globalisierung" der Bundeswehr, Neues Deutschland 13.09.2005. 199 Mollet, Howard: Should Aid Finance Southern Peacekeeping?, the networker, Dezember 2004. 200 Reality of Aid: At Stake: Focus on Ending Poverty, URL: http://www.ccic.ca/e/docs/002_aid_roa_2006_focus_on_ending_poverty.pdf (eingesehen 13.08.2007). 201 Simpson, Erin: Security and Development after 9-11: Key issues for Aid, in: au courant, Volume 14, Number 1, Spring 2006: "Bei einem Kanada-Besuch im Juni 2005 drängten EU-Staatschefs den damaligen Premierminister Paul Martin dazu, sie in dem Bestreben zu unterstützen, die ODA Kriterien für flexible Krisenreaktionen auszuweiten."

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standen einer Ausweitung ebenfalls wohlwollend gegenüber -, durchsetzen.202 Dennoch

wurde eine weitere Evaluierung der Thematik beschlossen203 und die Option offen gehalten,

diesen Aspekt im Jahr 2008 erneut auf die Agenda zu setzen. Darüber hinaus ist die bereits

erfolgte Ausweitung unumstritten, eine Rücknahme dieses Dammbruches ist derzeit nicht

abzusehen und stand zu keinem Zeitpunkt zur Debatte.204

In Deutschland finden sich Befürworter einer ODA-Anrechenbarkeit von Militäreinsätzen

insbesondere in der CDU und im Finanz- und Außenministerium. So wurde bspws. gefordert

Einsätze wie EUFOR im Kongo im Jahr 2006 ODA-anrechenbar zu machen.205 Dies ist nicht

weiter verwunderlich. Die dahinter stehende "Logik" - ohne Sicherheit keine Entwicklung -

brachte der CDU-Haushaltspolitiker Ole Schröder mit beeindruckender Klarheit auf den

Punkt: "Missionen wie zum Beispiel in Nordafghanistan und im Kongo sind eindeutig

Entwicklungshilfe." Entlarvend ist jedoch Schröders Zusatz, durch eine Finanzierung solcher

"humanitärer Missionen" aus dem Entwicklungshilfe-Etat könne der Wehretat "in

Millionenhöhe entlastet" werden.206 De facto wurde jedoch - wenn auch noch nicht ODA-

anrechenbar - mit der Finanzierung von Kriegseinsätzen mit Entwicklungshilfegeldern bereits

im großen Stil begonnen, wie das Beispiel der African Peace Facility zeigt.

4.7 Krieg als Entwicklungshilfe: Das Beispiel der African Peace Facility Schon Ende 2003 verständigte sich der EU-AKP-Ministerrat auf die Einrichtung einer aus

dem Europäischen Entwicklungsfond - zu dessen Budget Deutschland 25% beiträgt -

finanzierten Afrikanischen Friedensfazilität (African Peace Facility), die im April des

folgenden Jahres an den Start ging.207 Ihr Zweck besteht hauptsächlich in der logistischen

und finanziellen Unterstützung von "Friedenseinsätzen" der Afrikanischen Union (AU, gegr.

1993). Interessanterweise bezeichnete der EU-Koordinator für Anti-Terror-Maßnahmen die

Peace Facility als einen direkten Beitrag zur Bekämpfung des Terrorismus.208 Obwohl eine

direkte Finanzierung von Waffen, Munition, militärischer Ausrüstung und Ausbildung sowie

202 Zu den Kritikern gehörten Österreich, Dänemark, Irland, Italien, Japan, Luxemburg, Niederlande, Schweiz, Großbritannien und die Europäische Kommission. Vgl. ODA Eligibility of Conflict, Peace and Security Expenditures, High Level Meeting, 3-4 April 2007, DCD/DAC(2007)23/REV1, 22-Mar-2007, S. 5. 203 Draft Summary Record of the 11th Meeting of the CPDC Network, DCD/DAC/CPDC//M(2007)1/PROV, 25 Mai 2007. 204 ODA Eligibility of Conflict, Peace and Security Expenditures, High Level Meeting, 3-4 April 2007, DCD/DAC(2007)23/REV1, S. 5. 205 Dehmer, Dagmar: Hauptsache, die Quote steigt, Tagesspiegel, 12.01.2007; Koczy, Ute/Hope, Thilo: Kongoeinsatz nicht aus Entwicklungsetat bezahlen, URL: http://www.ute-koczy.de/cms/default/dok/177/177568.kongoeinsatz_nicht_aus_entwicklungsetat.htm (eingesehen 11.07.2007). 206 CDU will Bundeswehr aus Entwicklungshilfe-Etat bezahlen, Spiegel Online, 08.09.2006, URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,435912,00.html (eingesehen 12.06.2007). 207 Decision No 3/2003 of the ACP-EC Council of Ministers on the use of resources from the long-term development envelope of the 9th EDF for the creation of a Peace Facility for Africa. 208 Statement of Gjis de Vries on Joint Hearing before Congress, 14.09.2004, URL: http://www.foreignaffairs.house.gov/archives/108/95829.pdf (eingesehen 02.03.2007).

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Sold nicht erlaubt ist, erfolgt hierdurch dennoch eine erhebliche Teilfinanzierung von

Militäreinsätzen aus Entwicklungshilfetöpfen. Ungeachtet der Diskussionen im OECD-

Entwicklungsausschuss machte Brüssel somit also über die African Peace Facility frühzeitig

Nägel mit Köpfen: "Mit ihr werden erstmals Entwicklungsgelder insbesondere in die

Unterstützung von genuin afrikanischen Friedensmissionen investiert und damit

sicherheitspolitische Inhalte in entwicklungspolitische Formen gegossen."209

Die Erstausstattung der Fazilität betrug 250 Mio. Euro, von denen ursprünglich 200 Mio. zur

Finanzierung von AU-Missionen vorgesehen waren. 2006 wurde der Etat um 50 Mio.

aufgestockt und für die Jahre 2008 bis 2010 erneut 300 Mio. Euro eingestellt.210 Der

Löwenanteil davon, 192 Mio. Euro bis Mitte 2006, wurde zur Finanzierung der AU-Mission im

Sudan (AMIS) verwendet, einem Einsatz, der direkt erhebliche wirtschaftliche und

strategische EU-Interessen berührt. Da aus der Peace Facility etwa 2/3 Drittel von AMIS

finanziert werden, decken Entwicklungshilfegelder somit den Großteil der Kosten dieses

Militäreinsatzes.211 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch noch die

Unterstützung des AU-Einsatzes in Somalia (AMISOM) mit 15 Mio. Euro.212

Zwar wird die Peace Facility als wesentliches Element einer (militärischen) "Hilfe zur

Selbsthilfe" propagiert, de facto behalten sich die EU-Außenminister aber selbstredend ein

Vetorecht vor, um Einsätzen, die nicht im eigenen Interesse liegen, einen Riegel

vorzuschieben.213 Zynisch gesagt ist man also dabei, sich Hilfstruppen aufzubauen, um in

Einsätzen, bei denen größere Verluste zu erwarten sind, afrikanische Soldaten

vorauszuschicken. "[So] eröffnet die operative Unterstützung der au, wie sie im esvp-

Aktionsplan vorgesehen ist, in verstärktem Maße direkte Gestaltungs- und

Einsatzmöglichkeiten quasi über die Hintertür einer partnerschaftlichen eu-au-Diplomatie.

Diese Möglichkeiten für ein pro-aktiveres esvp-Handeln sollen künftig von der eu

offensichtlich auch offensiver genutzt werden. Schon die Genese der Peace Facility weist

darauf hin, dass mit einer pro-aktiven Komponente des Ownership-Konzepts die eu über die

au in der Lage ist, über eine Art 'Hintertürdiplomatie' eigene sicherheitspolitische Ziele zu

209 Wadle, Sebastian/Schukraft, Corina: Die Peace Facility for Africa - Europas Antwort auf die Krisen in Afrika?, in: Internationale Politik und Gesellschaft 4/2005, S. 99-119, S. 101. 210 Vgl. KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN: MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT: Der EU-Afrika-Dialog, Brüssel, den 23.6.2003 KOM(2003) 316 endgültig (zit. als EU-Afika-Dialog 2003). 211 Sudan: African troops in Darfur need more funding and stronger mandate, says ICG, IRIN News, 26.10.2005. Vgl. zu den EU-Interessen im Sudan Marischka, Christoph/ Wagner, Jürgen: Europas Platz an Afrikas Sonne, in: Pflüger/Wagner: Welt-Macht Europa, Hamburg 2006. 212 COUNCIL OF THE EUROPEAN UNION: Council Conclusions on Somalia 2776th EXTERNAL RELATIONS Council meeting Brussels, 22 January 2007. Einen Überblick über die weiteren Finanzierungsleistungen der African Peace Facility bietet AFRICAN UNION COMMISSION - EUROPEAN COMMISSION: FINANCIAL SUPPORT. The European Commission - African Union Commission partnership, URL: http://www.africa-union.org/root/AU/Conferences/Past/2006/October/EU-AU/Financial%20support%20DER%20(2).doc (eingesehen 20.08.2007). 213 Wadle/Schukraft 2005, S. 103.

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lancieren."214 Dennoch behält sich die EU aber auch vor, ggf. selbst militärisch einzugreifen,

falls die Durchsetzung eigener Interessen dies erfordern sollte: "Ungeachtet dieser

verbesserten [AU-]Fähigkeiten werden die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten weiterhin -

einzelfallbezogen - in Erwägung ziehen, ihre eigenen operativen Mittel zur

Konfliktvermeidung und Krisenbewältigung in Afrika [...] einzusetzen, wie dies bei der

Artemis-Operation in der Provinz Ituri der Demokratischen Republik Congo (DRC) bereits

erfolgreich vorgeführt wurde."215

Obwohl betont wurde, bei der Peace Facility handele es sich um "eine aus der Not geborene

Ausnahmelösung"216, deutet die Verstetigung des Etats um weitere drei Jahre in die

entgegengesetzte Richtung, auch wenn das BMZ dieser extremen Zweckentfremdung von

Entwicklungshilfegeldern kritisch gegenübersteht.217 Zwar sind die Ausgaben für die Peace

Facility gegenwärtig nicht ODA-anrechenbar218, sie stehen jedoch durch ihre Entnahme aus

dem Europäischen Entwicklungsfons nicht mehr der Armutsbekämpfung zur Verfügung.

Mehr noch, mit der Peace Facility wurde offensichtlich ein Präzedenzfall geschaffen, an dem

die Forderung nach einer Erweiterung der ODA-Kriterien auf Friedensmissionen aufgehängt

werden kann. Die EU-Kommission jedenfalls fordert genau dies: "Damit zur Unterstützung

friedenssichernder Maßnahmen in Afrika mehr Mittel zur Verfügung stehen, wäre es

angebracht, innerhalb des Entwicklungsausschusses der OECD (DAC) einen Konsens zu

suchen, um das im Rahmen der öffentlichen Entwicklungshilfe als unterstützungswürdig

geltende Hilfespektrum auszuweiten auf die Unterstützung der afrikanischen Kapazitäten zur

Durchführung friedenssichernder und damit zusammenhängender Maßnahmen."219

Neben der Verstetigung des "Ausnahmenfalls Peace Facility" wurde die sicherheitsbezogene

Verwendung von ODA-Geldern mittlerweile auch über ein weiteres Instrument institutionell

verankert. Mit der Verabschiedung des Haushaltsplanes 2007-2013 durch das Europäische

Parlament im Mai 2006 wurde ein neues Stabilitätsinstrument als eines von sieben (vormals

40) zentralen Außenpolitikinstrumenten geschaffen, dessen Etat in diesem Zeitraum 2.5 Mrd.

Euro beträgt.220 Die Ausrichtung des neuen Instruments weist eine eindeutige

Sicherheitsfokussierung auf: "Wichtigstes Ziel des Stabilitätsinstrument[s] ist es, eine

wirksame, zügige, flexible und integrierte Reaktion auf Krisen, entstehende Krisen oder

214 Wadle/Schukraft 2005, S. 116. 215 Gemeinsamer Standpunkt 2004/85/GASP des Rates im Hinblick auf die Vermeidung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten in Afrika, S. L21/27. Hervorhebung JW. 216 Wadle/Schukraft 2005, S. 105. 217 Vgl. BMZ-Diskurs 2004 und Hamann 2005, S. 101. 218 ODA Eligibility of Conflict, Peace and Security Expenditures, High Level Meeting, 3-4 April 2007, DCD/DAC(2007)23/REV1, S. 5. 219 EU-Afika-Dialog 2003, S. 10. 220 Bendiek, Annegret/Whitney-Steele, Hannah: Wein predigen und Wasser ausschenken. Die Finanzierung der EU-Außenpolitik. SWP-Aktuell 2006/A 31, Juli 2006, S. 5.

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anhaltende politische Instabilität zu gewährleisten."221 Das Instrument ist damit ein

Negativbeispiel, das unterstreicht, wie weit die Versicherheitlichung der Entwicklungshilfe

bereits vorangeschritten ist: "Es umfasst Unterstützungsmaßnahmen in den Bereichen wie

Peacebuilding, Mediation und Versöhnungsarbeit, Kleinwaffen, Minenräumung, DDR

[Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration], Frauen in bewaffneten Konflikten und

Menschenrechte im Antiterrorkampf. [...] Das Stabilitätsinstrument fasst also verschiedene

Maßnahmen in einem Rechtsinstrument zusammen mit dem Ziel, rasch, flexibel und

kohärent auf Krisen in Drittländern reagieren zu können. Damit ist seitens der Kommission

die Hoffnung verbunden, den development-security-Nexus zu stärken, indem die Verbindung

zwischen Aktivitäten der Gemeinschaft, die einer entwicklungspolitischen Logik folgen und

solchen der GASP, die außen- und sicherheitspolitisch motiviert sind, verbessert wird."222

Trotz der eindeutigen Sicherheitsfokussierung des Instruments - von Armutsbekämpfung ist

dort an keiner Stelle die Rede - schätzt die EU-Kommission, dass mehr als 70% der

verausgabten Gelder ODA-anrechenbar sein werden.223

4.8 Entwicklungszusammenarbeit und Rohstoffinteressen Derart aufgestellt wird inzwischen jegliche Zurückhaltung aufgegeben und eine direkte

Instrumentalisierung der Entwicklungshilfe für die Durchsetzung machtpolitischer Interessen

eingefordert. Vordenker in diesem Kontext sind der entwicklungspolitische Sprecher der

CDU/CSU-Fraktion Christian Ruck und Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt: "Die

Destabilisierung bestimmter Entwicklungs- und Schwellenländer kann das internationale

Wirtschafts- und Finanzgeschehen und unsere Interessen als Exportnation negativ

tangieren. [...] In grundlegende politische Entscheidungen zu Fragen auswärtiger Politik

sollten stets unsere nationalen Interessen einfließen. Dies gilt nicht nur für militärische

Einsätze, sondern sollte auch auf unser entwicklungspolitisches Engagement ausgedehnt

werden. [...] Hierfür muss die Bundesregierung [...] endlich die Interessenlage unseres

Landes im Hinblick auf die zukünftige Verknüpfung unserer Sicherheits- und

Entwicklungspolitik eindeutig definieren. Deshalb ist es höchste Zeit für die Entwicklung einer

nationalen Gesamtstrategie. Diese sollte Antworten darauf finden, welche Weltregionen für

die Abwehr von Gefahren für unsere äußere und innere Sicherheit eine zentrale Rolle

spielen; 221 European Neighbourhood and Partnership Instrument Georgia, Country Strategy Paper 2007-2013, URL: http://ec.europa.eu/world/enp/pdf/country/enpi_csp_georgia_summary_de.pdf (eingesehen 13.05.2007), S. 7. 222 Erhart, Hans-Georg: Sicherheit + Entwicklung = Frieden? Zur Rolle der Entwicklungspolitik in der zivilen ESVP, BICC Konzeptpapier März 2007, S. 23. 223 Multiannual Financial Framework 2007-2013: Subject: Heading 4 - Further information on Official Development Aid, Fiche no. 104, 08.03.2006, URL: http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2004_2009/documents/dv/fiche_revised_updat/fiche_revised_updated.pdf (eingesehen 07.06.2007).

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61

- der Ausgangspunkt eines besonders hohen Bedrohungspotentials sind;

- der Ursprung von Angriffen auf unsere freiheitlich-demokratischen Grundwerte sind;

- für die Steigerung von Deutschlands politischem und wirtschaftlichem Stellenwert in der

Welt von besonderer Bedeutung sind;

- für den Zugang zu den für unsere Wirtschaft unverzichtbaren Auslandsmärkten und

Rohstoffen besonders wichtig sind;

- und für die Sicherung unserer Energieversorgung eine wesentliche Rolle spielen."224

In etwas verklausulierter Form wurde eine Rohstofffokussierung Ende 2006 auch in ein

Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion übernommen: "Energie- und Entwicklungspolitik

müssen stärker miteinander verzahnt werden. Die Entwicklungspolitik muss als

eigenständiges und nachhaltiges Element in eine umfassende und langfristig angelegte

Energieversorgungspolitik im eigenen Interesse einbezogen werden."225 Zwar konnte sich

diese Position - bislang - noch nicht durchsetzen, der Schwarz-Rote Koalitionsvertrag betont

sowohl die Eigenständigkeit der Entwicklungshilfe als auch die Verpflichtung auf

Armutsbekämpfung226, dennoch gewinnen derartige Instrumentalisierungsversuche

zunehmend an Boden. So betont etwa die Rohstoffstrategie der Bundesregierung vom März

2007, man müsse "Rohstoffpolitische Ansätze in der Entwicklungspolitik stärken".227

4.9 Kritik: Sicherheit statt Entwicklung Nicht nur die direkten Versuche, die Entwicklungshilfe für machtpolitische Zwecke zu

instrumentalisieren, müssen kategorisch abgelehnt werden. Auch die Erweiterung der ODA-

Kriterien auf sicherheitsrelevante Bereiche, ganz zu Schweigen von einer Ausweitung auf

"Friedensmissionen" wirkt sich negativ auf das unmittelbare Ziel der Armutsbekämpfung aus.

Schon die bereits erfolgte Ausweitung der ODA-Kriterien führte zu einem sprunghaften

Anstieg der in diesem Bereich nun abrechenbaren Gelder. So stiegen die der DAC-

Budgetlinie 15210 ("Management und Reform des Sicherheitssektors") gemeldeten Beträge

von null im Jahr 2003 auf 238 Mio. Dollar im Jahr 2005 an. Ähnlich in die Höhe geschnellt

sind die Meldungen für Budgetlinie 15220 (Förderung ziviler Maßnahmen zur

Friedensentwicklung, Krisenprävention und Konfliktlösung) von ebenfalls null auf 593.3 Mio.

Dollar 2005. All diese sicherheitspolitisch verausgabten Gelder, zusammengenommen 1.617

224 Schmidt/Ruck 2005. 225 Energie- und Entwicklungspolitik stärker verzahnen, CDU/CSU-Positionspapier, 18.10.2006. 226 Deutsche Welthungerhilfe e.V./terre des hommes Deutschland e.V. (Hg.): Die Wirklichkeit der Entwicklungshilfe. Vierzehnter Bericht 2005/2006. Eine kritische Bestandsaufnahme der deutschen Entwicklungspolitik, S. 111. 227 Die Bundesregierung: Elemente einer Rohstoffstrategie der Bundesregierung, Stand: März 2007, URL: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/elemente-rohstoffstrategie,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf (24.08.2007): "Die Entwicklungspolitik ist gefordert, insbesondere rohstoffreiche Entwicklungsländer bei der Schaffung und Einhaltung verlässlicher und angemessener Rahmenbedingungen und kompetenter staatlicher Sektorinstitutionen zu unterstützen."

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Mrd. Dollar im Jahr 2005 stehen einer direkten Armutsbekämpfung nicht mehr zur Verfügung

(siehe Tabelle 2).228 Da die meisten Projekte in diesem Bereicht derzeit erst anlaufen, ist für

die nächsten Jahre darüber hinaus mit einem weiteren massiven Anstieg zu rechnen. Mag

man noch über Sinn oder Unsinn von Maßnahmen zur Sicherheitssektorreform, dem Aufbau

von Polizeitruppen etc., streiten, dass solche Maßnahmen inzwischen als offizielle

Entwicklungshilfe abgerechnet werden können und damit nicht mehr der Armutsbekämpfung

zur Verfügung stehen, ist zweifellos negativ.

Tabelle 2: Aufschlüsselung der dem Statistischen Berichtssystem des DAC im Jahr 2005 gemeldeten sicherheitsrelevanten Ausgaben (in Mio. Dollar)

Steuerung und Reform des Sicherheits-systems

Zivile Friedens-entwicklung, Krisenprävention und Konflikt-lösung

Friedens-stärkung nach Konflikten (VN)

Wiederein-gliederung; Bekämpfung von Handfeuerwaffen und leichten Waffen

Landminen-räumung

Kindersoldaten (Prävention und Demobilisierung)

Gesamt

Australien 28.3 0.4 0.4 29.1 Österreich 2.5 17.6 0.0 1.4 0.5 22.1 Belgien 5.7 1.6 1.0 4.4 1.0 13.7 Kanada 2.1 2.9 17.8 0.4 22.2 1.8 47.2 Dänemark 2.0 6.3 8.3 Finnland 1.6 16.2 3.5 1.3 5.1 0.1 27.8 Frankreich 1.4 6.5 7.9 Deutschland 19.5 25.7 42.0 28.7 0.0 116.0 Griechenland 31.3 0.1 2.3 33.7 Irland 0.2 0.1 0.9 0.2 2.5 3.8 Italien n.b. n.b. n.b. n.b n.b. n.b. n.b. Japan 3.5 4.4 7.9 Luxemburg 0.3 0.3 Niederlande 28.7 32.9 22.7 3.5 7.1 94.9 Neuseeland 1.0 0.0 0.2 1.2 Norwegen 1.0 5.7 30.6 5.5 20.3 1.5 64.6 Portugal 5.5 0.1 10.1 15.7 Spanien 0.3 8.7 8.5 0.1 0.3 0.4 18.3 Schweden 0.1 13.9 9.2 9.7 7.4 1.9 42.2 Schweiz 1.1 54.5 2.7 2.9 3.1 64.3 Großbritannien 14.2 14.2 USA 169.2 317.3 1.3 263.6 53.1 804.4 EU 6.1 89.7 30.7 19.6 33.6 179.8 Gesamt 238.7 593.3 258.8 341.3 177.9 7.3 1617.3

Quelle: ODA Casebook on Conflict, Peace and Security Activities, DCD/DAC(2007)20, 27.02.2007, S. 68.

Dies gilt natürlich umso mehr für Überlegungen, Kriegsmissionen unter Leitung der Vereinten

Nationen mit Entwicklungshilfegeldern zu finanzieren. Schätzungen zufolge würde hiermit

eine Erhöhung der ODA um 8-12% erfolgen, ohne dass die Geberländer einen Cent mehr in

die Armutsbekämpfung investieren müssten. Gegenwärtig am teuersten sind jedoch

228 ODA Casebook on Conflict, Peace and Security Activities, DCD/DAC(2007)20, 27.02.2007, S. 68f.

Page 63: Mit Sicherheit keine Entwicklung!

63

Einsätze, die nicht von den Vereinten Nationen geführt werden (Afghanistan, Kosovo etc.).

Sollte sich die Forderung durchsetzen, selbst solche Einsätze als ODA zu deklarieren,

würden die ODA-Zahlen rapide ansteigen. Allein für Deutschland würde dies eine

"Erhöhung" um 25% bedeuten. Im Falle der USA wäre in diesem Fall sogar noch vor dem

extrem kostenintensiven Angriffskrieg gegen den Irak ein ODA-Anstieg um 44% zu

verzeichnen gewesen.229 Es liegt auf der Hand, dass eine derartig vorgegaukelte massive

Erhöhung der Entwicklungshilfe unter allen Umständen verhindert werden muss.

Zusammengenommen hat die derzeitige Entwicklung fatale Auswirkungen, denn die

Entwicklungshilfe verliert den deklarierten Anspruch, ausschließlich der Armutsbekämpfung

zu dienen. Gelder werden zunehmend nach interessengeleiteten Kriterien vergeben, was zu

einer doppelten Verschiebung führt: Erstens geografisch, weg von ökonomisch und/oder

strategisch bedeutungslosen Ländern, hin zu "Ankerländern", in denen zentrale Interessen

durchgesetzt werden müssen (von Tansania nach Afghanistan); und zweitens funktional,

weg von Maßnahmen zur unmittelbaren Armutsbekämpfung hin zu sicherheitsrelevanten

Bereichen (vom Krankenhäusern zu Sicherheitskräften). Allerdings geht die

Instrumentalisierung der Entwicklungszusammenarbeit weit über die geografische und

funktionale Umleitung von Geldern hinaus, indem sie zu einem integralen Bestandteil der

westlichen Kriegspolitik zu werden droht.

229 Brzoska 2006, S. 24f.

Page 64: Mit Sicherheit keine Entwicklung!

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Exkurs: Die Vereinigten Staaten als Blick in die Kristallkugel

Da in den USA die Instrumentalisierung der Entwicklungshilfe für eine neoliberale

Kolonialpolitik noch deutlich weiter fortgeschritten ist, lohnt sich ein Blick auf die andere Seite

des Atlantiks. Um die koloniale Gegenwart verkaufen zu können, muss zuerst die

Vergangenheit zurechtinterpretiert werden. Beispielhaft hierfür war eine Rede George W.

Bushs Ende 2003 in Manila: "Amerika ist stolz auf seinen Beitrag in der großen Geschichte

des philippinischen Volkes. Zusammen befreiten unsere Soldaten die Philippinen von der

Kolonialherrschaft." Es bedarf einer gehörigen Portion Kaltschnäuzigkeit, um aus der

historischen Tatsache, dass die Vereinigten Staaten in der Folge des spanisch-

amerikanischen Krieges 1898 endgültig in den Kreis der Kolonialmächte aufstiegen, einen

emanzipatorischen Akt zu konstruieren. Dass Bush schließlich in derselben Rede die

14jährige Besetzung, in deren Folge mehr als 200.000 Filipinos im Kampf gegen die US-

Okkupanten ihr Leben verloren, als positives Beispiel für die US-Pläne zur Verbreitung der

Demokratie im Mittleren Osten bezeichnete, "spiegelt nicht nur eine verzerrte Sichtweise

einer wichtigen Episode der amerikanischen Außenpolitik wieder, sondern auch die

Ablehnung wichtiger Lehren, die Washington später aus diesem kurzen Experiment der

Schaffung eines überseeischen Imperiums zog."230 Auch damals wurde mit ähnlichen

Legitimationskonstrukten operiert: "Das Konzept des Nation Building hat eine lange

Geschichte in der amerikanischen Außenpolitik. Es war ein wichtiger Bestandteil im

amerikanischen Umgang mit dem kolonialen Imperium, das Washington im spanisch-

amerikanischen Krieg erwarb, insbesondere hinsichtlich der Philippinen."231

Auch in den USA gehört es inzwischen nicht nur unter Neokonservativen zum guten Ton,

das staatliche Souveränitätsrecht als Relikt der Vergangenheit zu betrachten und durch das

selbst erteilte Recht zu einer regelrechten Re-Kolonisierung gescheiterter Staaten zu

ersetzen. Einer der wichtigsten diesbezüglichen Vordenker ist der US-Politikprofessor

Stephen Krasner: "Das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten funktioniert

nicht mehr. [...] Mächtige Staaten können das Phänomen prekärer Staaten nicht ignorieren,

denn deren Sicherheits- und wirtschaftliche Interessen sind durch diese Staaten gefährdet.

[Weshalb] die beste Lösung in der Einrichtung einer De-facto-Treuhandschaft oder eines

Protektorats besteht."232 Der Einfluss Krasners, für den die staatliche Souveränität nichts als

230 Judis, John B.: Imperial Amnesia, in: Foreign Policy, July/August 2004, S. 50-59. Auch die Neokonservativen Max Boot und Robert Kaplan zogen einen ähnlichen Vergleich wie Bush. Vgl. Wiener, John:, Iraq isn't the Philippines, Los Angeles Times, 30.08.2006. 231 Carpenter, Ted Galen: The Imperial Lure: Nation Building as a US Response to Terrorism, Mediterranean Quarterly, Vol. 17, No. 1, Winter 2006, S. 34-47, S. 34. 232 Krasner, Stephen D.: Alternativen zur Souveränität, in: Internationale Politik (September 2005), S. 44-53, S. 44-46.

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"organisierte Heuchelei" ist233, zeigt sich darin, dass der im Jahr 2005 zum Leiter der

wichtigen Politischen Planungsabteilung im US-Außenministerium ernannt wurde. Er gilt als

Hauptarchitekt hinter einer der grundlegendsten Umstrukturierungen der US-Außenpolitik.234

Der große Wurf wurde von US-Außenministerin Condoleezza Rice in einer Grundsatzrede

Anfang 2006 als "umgestaltende Diplomatie" (Transformational Diplomacy) bezeichnet. Mit

ihr wurde eine komplette Re-Organisation des Außen-, Entwicklungs- und

Verteidigungsministeriums eingeleitet, in denen nun sämtliche Kapazitäten auf das Nation

Building in gescheiterten Staaten ausgerichtet werden. Hiermit soll auf die zunehmenden

Konflikte in der Dritten Welt reagiert werden: "der Fokus liegt darauf, das beschädigte

internationale System durch die Konsolidierung seiner Basiseinheiten - die Staaten -, zu

reparieren und sie zu verantwortungsvollen Mitgliedern der internationalen

Staatengemeinschaft zu machen."235

Im Rahmen der Trasformational Diplomacy wurde eine "Global Repositioning Initiative"

angekündigt, mit der die US-Diplomatien vor den Karren des Stabilitätsexports gespannt

werden: "In der heutigen Welt werden unsere Diplomaten nicht nur an unterschiedlichen

Orten, sondern in verschiedenen Gemeinden und unter verschiedenen Bedingungen

arbeiten, wie etwa in Wiederaufbau- und Stabilisierungsmissionen, bei denen sie enger mit

dem Militär zusammenarbeiten müssen."236 Darüber hinaus wurde im Außenministerium

eigens ein Büro für Wiederaufbau und Stabilisierung (S/CRS) eingerichtet, das laut Rice die

Aufgabe hat, "einem gescheiterten Staat dabei zu helfen, verantwortungsvolle Souveränität

auszuüben."237 Dazu gehört nach Selbstbeschreibung der von Befürwortern bereits treffend

als "Kolonialbüro" titulierten Einrichtung, "Gesellschaften beim Übergang von Konflikten und

Bürgerkriegen zu helfen, damit sie den nachhaltigen Weg hin zu Frieden, Demokratie und

Marktwirtschaft einschlagen."238 Max Boot schrieb hierzu: "Die USA benötigen ihre eigene

Version des britischen Kolonialbüros für das postimperiale Zeitalter. Die jüngste

233 So sein Standardwerk. Krasner, Stephen D.: Sovereignty. Organized Hypocrisy, Princeton 1999. Schon sein Vorgänger als Chef der Politischen Planungsabteilung sprach sich dafür aus, bei bestimmten staatlichen Verhaltensweisen das Souveränitätsrecht außer Kraft zu setzen. Vgl. Richard N. Haass, Director, Policy Planning Staff, Remarks to the School of Foreign Service and the Mortara Center for International Studies, Georgetown University Washington, DC January 14, 2003. 234 Vaisse, Justin: Transformational Diplomacy, Chaillot Paper Nr. 103, Juni 2007, S. 16. Krasner trat im März 2007 zurück und war kurzzeitig als Nachfolger von Paul Wolfowitz als Chef der Weltbank im Gespräch. 235 Vaisse 2007, S. 13. 236 Rice, Condoleezza: Transformational Diplomacy, Washington, DC, January 18, 2006. Vgl. auch Weinstein, Michael: Condoleezza Rice Completes Washington’s Geostrategic Shift, PINR-Report, February 2006. 237 Rice 2006. Hervorhebung JW 238 Department of State: About S/CRS, URL: http://www.state.gov/s/crs/c12936.htm (eingesehen 10.04.2006).

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Entscheidung ein Büro für Wiederaufbau und Stabilisierung im Außenministerium

einzurichten ist hierfür ein guter Anfang."239

Noch weit reichender sind die Auswirkungen durch den ebenfalls im Januar 2006

geschaffenen Posten des Director for Foreign Assistance (DFA), der der Außenministerin

unterstellt ist. Da der DFA gleichzeitig auch Direktor von USAID ist, wurde hierdurch die

bislang wenigstens formal unabhängige US-Entwicklungshilfebehörde de facto ins

Außenministerium eingegliedert. Schon zuvor prägte USAID in seiner "Strategie zum

Umgang mit gescheiterten Staaten" auch gleich den Begriff der "umgestaltenden

Entwicklungshilfe" (transformational development), der bereits anzeigt, das es nicht mehr um

direkte Armutsbekämpfung, sondern um tief greifende Eingriffe in die Strukturen und

Institutionen der jeweiligen Gesellschaften geht.240 "Die Restrukturierung [von USAID] ist Teil

der Initiative zur umgestaltenden Diplomatie von Außenministerin Rice, die bestrebt ist,

Auslandshilfe zur Transformation der Empfängerländer zu nutzen."241

Dass es hierbei um eine neoliberale Umstrukturierung geht wird dadurch ersichtlich, dass der

DFA, dem nun fast sämtliche US-Entwicklungshilfegelder unterstehen, sich hinsichtlich der

Vergabekriterien an der Agenda des "Millenium Challenge Account" (MCA) orientiert. An der

Ausarbeitung des MCA war neben Stephen Krasner auch Philip Zelikow maßgeblich

beteiligt, der nun als Nachfolger von Paul Wolfowitz zum neuen Chef der Weltbank befördert

wurde, eine Funktion, in der er diesem Konzept zu maximaler Durchschlagskraft verhelfen

kann. Der MCA ist ein Paradebeispiel dafür, wie durch eine Koppelung von Entwicklungshilfe

an die Erfüllung verschiedener Kriterien (Konditionalität) unter dem Deckmantel von "Good

Governance" Druck auf eine neoliberale Transformation der Gesellschaftsordnung ausgeübt

wird. In Rahmen des MCA kündigte Bush bereits im März 2002 an, zusätzliche

Entwicklungshilfegelder in Höhe von jährlich 5 Mrd. Dollar ausschütten zu wollen (tatsächlich

beantragt wurden schließlich nur 3 Mrd. jährlich, von denen der Kongress zwischen 2004

und 2006 lediglich 3.7 Mrd. bewilligte). Diese Gelder werden allerdings alles andere als

altruistisch vergeben. Eine Bewilligung hängt vom Wohlverhalten in drei Ober- und 13

Unterkategorien ab. Dass dabei die ultraneoliberale Heritage Foundation bspws. über das

OK für die Unterkategorie Handelspolitik befindet (ohne das keine Mittel bewilligt werden),

sagt dabei eigentlich schon alles: "Die Form des MCA ist insofern neu, weil sie eine

unverhohlene Artikulation US-amerikanischer Interessen gegenüber den ausgeschlossenen

Staaten des Südens - so wie sie in der neuen Phase imperialistischer US-Politik definiert

werden - darstellt. Insofern spreche ich von 'präemptiver Entwicklungspolitik'. Während im

239 Logan, Justin/Preble, Christopher: Failed States and Flawed Logic, CATO Policy Analysis No. 560, January 11, 2006; Vgl. auch Ignatius, David: The colossus ponders a Colonial Office, Daily Star, May 19, 2005. 240 USAID: Fragile States Strategy, January 2005 PD-ACA-999. 241 Nowels, Larry/Veillette, Connie: Restructuring U.S. Foreign Aid: The Role of the Director of Foreign Assistance, CRS Report for Congress, Updated September 8, 2006, S. 2.

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Rahmen der Strategie der Konditionalität die Vergabe von IWF- und Weltbank-Krediten an

Bedingungen geknüpft wurde, welche die Empfängerländer nach Bewilligung der Mittel

einhalten mussten, funktioniert preemptive Entwicklungspolitik genau anders herum: Die

zugesagten Mittel werden erst ausgezahlt, wenn alle Forderungen des Geldgebers erfüllt

sind."242

Wie üblich wird diese neoliberale Zurichtung sowohl als armuts- und damit auch als

konfliktmindernde Maßnahme dargestellt. So kommt die "Strategie zum Umgang mit

gescheiterten Staaten" zu dem Ergebnis, dass "Instabilität, die mit fragilen Staaten assoziiert

wird, das Produkt ineffektiver oder illegitimer Regierungsführung ist. […] Ökonomische

Instabilität, Nahrungsmangel und bewaffnete Konflikte sind in der Regel allesamt Symptome

einer gescheiterten Regierungsführung."243 Gleichzeitig unterstreicht USAID den

interessengeleiteten Charakter seiner Hilfeleistungen: "Die Entscheidung, sich in einem Land

zu engagieren, hängt von seiner Bedeutung für die US-Außenpolitik ab."244 Darüber hinaus

pumpt USAID immer häufiger Geld direkt in sicherheitsrelevante Bereiche. So wurden allein

im Jahr 2005 887.5 Mio. Dollar für Anti-Terror-Maßnahmen verausgabt, 7.2% des

Gesamtbudgets.245 Um darüber hinaus die Koordination und Abstimmung mit dem

Verteidigungsministerium in Stabilisierungsmissionen zu verbessern, eröffnete USAID

mittlerweile ein "Büro für Militärische Angelegenheiten."246

Auch im Pentagon fanden bahnbrechende Umstrukturierungen statt, die sich nahtlos in das

Gesamtkonzept der "Transformational Diplomacy" einfügen. Schon im Jahr 2001 betonte der

"Quadrennial Defensive Review" nicht nur die Notwendigkeit zum "Regimewechsel in einem

feindlichen Staat", sondern ebenso die zur anschließenden "Besetzung ausländischen

Territoriums, bis die strategischen Ziele der USA erfüllt sind."247 Zwar geht man weiterhin

davon aus, dass wachsende Konflikte sowohl im Innern als auch mit Staaten der Peripherie

es zunehmend erfordern werden, dort schnellstmöglich zu intervenieren, hierfür werden -

u.a. im Rahmen eines neuen Stationierungskonzeptes - derzeit die Fähigkeiten verbessert.

Doch diese eher traditionelle Aufgabe des Militärs wird derzeit um einen zweiten Aspekt

ergänzt: "Der Leviathan (Flugzeuge, intelligente Bomben) wird Angst und Entsetzen

verbreiten, wie er es in Afghanistan und im Irak getan hat. Darauf wird die

Systemadministrationstruppe (Militärpolizei, humanitäre Hilfe etc.) folgen, die das tun wird,

worin wir im Irak versagt haben."248 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Max Boot: "Das

US-Militär ist hervorragend, wenn es um den Sieg über konventionelle Truppen geht - wie

242 Söderberg 2004, S. 301. 243 USAID 2005, S. 3f. 244 USAID 2005, S. 5. 245 Padilla 2006, S. 237. 246 Bullock, Todd: USAID Announces New Office of Military Affairs, Washington File, 24.10.2005. 247 Quadrennial Defensive Review (QDR) 2001, S. 13. 248 Thomas Barnett zit. nach Barone, Michael: Thomas Barnett’s Blueprint for Action, USNEWS, 15.11.2005.

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der dreiwöchige Blitzkrieg von Kuwait nach Bagdad im Sommer 2003 gezeigt hat - aber es

ist nicht annähernd so gut hinsichtlich der Bekämpfung von Guerillatruppen. [...] Die

Bekämpfung des Terrorismus, wie Washington aus den Erfahrungen in Afghanistan gelernt

hat, erfordert Bodentruppen und das Engagement für Nation Building."249 Das einflussreiche

Defense Science Board stellte deshalb konsequenterweise im Einklang mit zahlreichen

weiteren Studien folgende Forderung auf: "Stabilisierungs- und Wiederaufbaumissionen

müssen zu einer Kernkompetenz, sowohl des Verteidigungs- als auch des

Außenministeriums werden."250

Dieser Vorschlag wurde inzwischen vom Pentagon mit der Direktive 3000.05 vom 28.

November 2005 offiziell übernommen. Sie setzt auf eine enge zivil-militärische Verzahnung

und verändert die bisherige Aufgabenhierarchie radikal: "Stabilitätsoperationen sind ein

Kernbestandteil der amerikanischen militärischen Aufgaben. […] Ihnen sollte eine

vergleichbare Priorität wie Kampfoperationen eingeräumt werden."251 Innerhalb des Militärs

ist man sich über die Tragweite dieser Direktive völlig im Klaren: "Das US-Militär hat in seiner

Geschichte immer versucht Stabilisierungsoperationen zu vermeiden, teilweise basierend auf

der Argumentation, dass hierdurch die Fähigkeiten für Kampfoperationen verringert werden.

[...] Stabilitätsoperationen auf dieselbe Stufe wie Kampfoperationen zu stellen [...] stellt

möglicherweise die wichtigste Veränderung in der Mission des US-Militärs seit vielen Jahren

dar."252 Die Reichweite dieser Direktive wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass

dies eine vollständige Reorganisation des Pentagons, seiner Trainingsmethoden,

Ausbildungslehrgänge und nicht zu vergessen der Karriereleitern erfordert.253 In der

Richtlinie wird dem folgendermaßen Rechnung getragen: "Die Fähigkeiten für

Stabilisierungsoperationen, wie etwa Sprachkenntnisse, regionale Expertise und Erfahrung

mit ausländischen Regierungen und internationalen Organisationen sollen entwickelt und auf

allen Ebenen in die professionelle Militärausbildung integriert werden."254 Worum es hierbei

geht ist eindeutig: "Kurz gesagt, möglicherweise wird gerade eine Armee mit 'kolonialen'

Kapazitäten aufgebaut."255

249 Boot, Max: The Struggle to Transform the Military, in: Foreign Affairs, March/April 2005, S. 103-118. 250 Defense Science Board 2004, Summer Study on Transition To and From Hostilities, December 2004, S. vi; Vgl. auch Council on Foreign Relations: In the Wake of War: Improving US Post-Conflict Capabilities, Independent Task Force Report 55, July 2005; Binnendijk, Hans/Johnson, Stuart (eds.): Transforming for Stabilization and Reconstruction Operations, National Defense University Center for Technology and National Security Policy, April 2004; Scowcroft, Brent/Berger, Samuel R.: In the Wake of War. Getting Serious about Nation-Building, in: The National Interest, No. 81, Fall 2005, S. 49-53. 251 Department of Defense: Military Support for Stability, Security, Transition, and Reconstruction (SSTR) Operations, DIRECTIVE NUMBER 3000.05, November 28, 2005, S. 2. 252 Leatherman, Daniel B.: Making Peacekeepers: The Evolution of United States Policy on Stability Operations, Strategic Studies Institute, 15.03.2006, S. 5f. 253 Vgl. Kaplan, Fred: Do As I Say, Not As I Do, Slate, 02.12.05; Boot 2005. 254 Directive 3000.05, S. 4. Hervorhebung JW. 255 Vaisse 2007, S. 66.

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Im Dezember 2005 untermauerte George W. Bush zudem mit der "National Security

Presidential Directive (NSPD) 44" diese Restrukturierung. Analog zur Pentagon-Richtlinie

3000.05 werden auch dort Stabilisierungsmissionen zu einer Kernaufgabe der US-Politik

erhoben und Außenministerin Condoleezza Rice die Verantwortung für deren

institutionsübergreifende Koordinierung überantwortet: "Der Außenminister soll die

integrierten Bemühungen der US-Regierung für die Vorbereitung, Planung und Durchführung

von Stabilisierungs- und Wiederaufbauaktivitäten koordinieren und leiten." Hierzu gehören

insbesondere die "Förderung von Frieden, Sicherheit, Entwicklung, demokratischen

Praktiken, Marktwirtschaften und Rechtsstaatlichkeit. Dies zielt darauf, es ausländischen

Regierungen zu ermöglichen, die Souveränität über ihr Land auszuüben und zu verhindern,

dass ihr Gebiet als Operationsbasis oder sicherer Hafen für Extremisten, Terroristen, das

organisierte Verbrechen oder andere Gruppen dient, die eine Gefahr für die amerikanische

Außenpolitik, ihre Sicherheit oder ihre ökonomischen Interessen darstellen."256 So

verwundert es nicht, wenn der Bush-Administration wohlwollend attestiert wird, sie bewege

sich in Richtung "einer neuen Form internationaler Herrschaftsausübung, die als Neo-

Treuhandschaft, oder provokanter, als postmoderner Imperialismus, bezeichnet werden

könnte."257

Ein exemplarisches Beispiel für den Neuen Kolonialismus stellt die Besatzung des Irak dar.

"Destroy and Profit", benennt Focus on the Global South die diesbezügliche Strategie der

US-Regierung: "Invasion. Dies war der erste Schritt für das, was seither zu dem

ambitioniertesten, radikalsten und gewalttätigsten Projekt in der jüngsten Geschichte

geworden ist, eine Ökonomie entlang neoliberaler Linien wiederaufzubauen. Seit der

Invasion im Jahr 2003 haben die Vereinigten Staaten versucht nahezu sämtliche Sektoren

der irakischen Wirtschaft für ausländische Investoren zu öffnen; das Land für den

internationalen Handel aufzubrechen; ein massives Privatisierungsprogramm zum Verkauf

von über 150 staatseigener Betriebe zu starten; den Finanzmarkt zu liberalisieren; [...] und

die Grundlagen für die endgültige Privatisierung des irakischen Öls zu legen."258

Gerade die irakische "provisorische Verfassung" ist ein Paradebeispiel, für eine neoliberale

Zurichtung per Dekret: "Geldpolitisch wurde die Unabhängigkeit der Zentralbank von

staatlichen Eingriffen deklariert. Des weiteren wurden niedrige Zolltarife und niedrige Steuern

avisiert, nicht zuletzt mit dem Ziel der Privatisierung der öffentlichen Einrichtungen und der

Industrien. Die Deregulierung sorgt für hohe Arbeitslosigkeit, also für Lohndruck durch eine

flexible Reservearmee, während der Verzicht auf Subventionen für die einheimische

256 The White House, National Security Presidential Directive/NSDP-44, S. 1f. 257 Fearon, James/Laitin, David: Neotrusteeship and the Problem of Weak States, in: International Security 28/4 (2003), S. 7. 258 Docena, Herbert: "Shock and Awe" Therapy, in: Focus on the Global South: Destroy and Profit, January 2006, S. 7-26, S. 8.

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Ökonomie ausländische Firmen vor nationaler Konkurrenz schützt."259 Nicht von ungefähr

soll der Irak integraler Bestandteil und Ausgangspunkt für die Middle East Free Trade Area

(MEFTA) sein, deren Verwirklichung bis zum Jahr 2013 angestrebt wird und ein Kernelement

zur Transformation, sprich Unterwerfung der Region darstellt.260

Da der Widerstand hiergegen aus nachvollziehbaren Gründen wächst, rückt die

Aufstandbekämpfung im Rahmen der kolonialen Besatzungsregime ins Zentrum der

Militärplanung. Nichts symbolisiert dies besser als die Anfang 2007 verkündete

Auswechslung des für den Irak zuständigen Generals George Casey durch Generalleutnant

David Petraeus. Er ist der Verfasser des US-Handbuchs zur Aufstandsbekämpfung (Field

Manual 3-24), das die "Geschichte von Aufständen gegen große Armeen untersucht,

Erhebungen in früheren Kolonien der Europäer etwa, Vietnam, der Balkan, schließlich

Irak."261 Die Schlussfolgerung aus dieser Untersuchung liegt voll im Trend: "Detailliert wird im

Handbuch das Zusammenspiel von militärischen, politischen und sozialen Eingriffen

untersucht. Dabei müsse es Ziel der Militärs sein, mit Polizeikräften, Uno-Organisationen,

staatlichen Hilfsorganisationen, privaten Unternehmen, aber auch nichtstaatlichen

Organisationen (NGOs) zusammenzuarbeiten. Alle Anstrengungen sollen dem Ziel der

Aufstandsbekämpfung dienen."262

Im schlimmsten Fall könnte der Irak in einem weiteren Bereich richtungweisend für künftige

Entwicklungen sein: "[Die] enge Absprache und Zusammenarbeit verschafft den

Besatzungstruppen die vollständige Kontrolle über die Aktivitäten ziviler Organisationen. Das

war von den Militärs von Beginn an angestrebt. Gleich nach Ende des Krieges im Mai 2003,

als die Sicherheitslage noch viel besser war, mussten sich alle ausländischen

Zivilorganisationen, die weiterhin oder neu im Irak arbeiten wollten, bei der US-

Besatzungsverwaltung akkreditieren. Die Zivilorganisationen, die dieses Ansinnen seinerzeit

ablehnten, mussten das Land verlassen bzw. durften ihre Arbeit im Irak nicht aufnehmen."263

259 Alnasseri, Sabah: Imperial(istisch)e Kriege und Kantonisierung oder: die Internationalisierung peripherer Staaten, in: Peripherie, 96/2004. 260 Juhasz, Antonia: Oil, the U.S.-Middle East Free Trade Area and the Bush Agenda, inthesetimes, 15.01.2007. 261 Heine, Roland: Irak: Krieg mit menschlichem Antlitz, Berliner Zeitung, 17.01.2007. 262 Stern, Daniel: US-Militär: Bewaffnete Sozialarbeit, WoZ, 17.7.2006. 263 Zumach, Andreas: Die fatale Dominanz der militärischen Logik, in: eins, August 2007.

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5. CIMIC - Das Ende eigenständiger Entwicklungszusammenarbeit

Da mit wachsenden Konflikten sowohl im Innern als auch mit Staaten der Peripherie

gerechnet wird, die es gegebenenfalls schnellstmöglich zu "befrieden" gilt, verläuft die

gegenwärtige Transformation der westlichen Streitkräfte in zwei Richtungen. Zum einen

orientiert sie sich an dem Bedarf, jederzeit schnell und durchsetzungsfähig militärisch auf

Armutskonflikte in der Dritten Welt reagieren zu können. Zu diesem Zweck werden u.a.

derzeit die schnellen Eingreiftruppen der Europäischen Union (Battlegroups) und der NATO

(NATO Response Force) aufgestellt.

Diese eher traditionelle Aufgabe des Militärs wird derzeit um einen zweiten Aspekt ergänzt,

der sich direkt aus der Erkenntnis ableitet, dass künftig der dauerhaften "Stabilisierung"

(Kontrolle) eine ebenso große Bedeutung zukommt, wie dem eigentlichen militärischen Sieg:

"Bei nahezu allen größeren Einsätzen ist auf militärische Effizienz ziviles Chaos gefolgt. Wir

brauchen eine verstärkte Fähigkeit, damit alle notwendigen zivilen Mittel in und nach Krisen

zum Tragen kommen", bringt die Europäische Sicherheitsstrategie diese Logik auf den

Punkt. Dies erfordert jedoch grundlegend neue Kapazitäten, insbesondere eine enge zivil-

militärische Verzahnung, denn man benötigt Juristen, Ingenieure, Militärpolizei bzw.

Polizeisoldaten, die in Aufstandsbekämpfung geschult sind, etc., eben alles, was schon für

eine klassische Kolonialverwaltung erforderlich war: "Die Union könnte einen besonderen

Mehrwert erzielen, indem sie Operationen durchführt, bei denen sowohl militärische als auch

zivile Fähigkeiten zum Einsatz gelangen."264

Wie bereits beschrieben, wird hierfür mittlerweile das Konzept der "vernetzten Sicherheit" als

neues außenpolitisches Leitbild für die Zivil-militärische Zusammenarbeit (CIMIC) propagiert

(siehe Kapitel 3.2). Es basiert auf einer unhinterfragten Annahme, nämlich dass militärischer

Stabilitätsexport und Nation Building alternativlos seien, wie der ehemalige KFOR-

Kommandeur im Kosovo Klaus Reinhardt verdeutlicht: "wenn man einmal drin ist, [ist es

notwendig,] die zivilen und die militärischen Kräfte der EU besser zu verzahnen und

aufeinander abzustimmen."265 Teilt man diesen Ansatz, ist man zwingend auf die zivile

Flankierung angewiesen, um den "Stabilitätsexport" zu effektivieren, wie die betreffende

Bundeswehrdefinition verdeutlicht: "[CIMIC] ist Bestandteil der militärischen

Operationsführung in den Einsatzgebieten der Bundeswehr. Ihr Hintergrund: Die Mittel rein

militärischer Krisenbewältigung reichen allein nicht aus, um eine Region dauerhaft zu

stabilisieren. CIMIC soll helfen, [...] den eingesetzten Streitkräften die Durchführung ihres

Auftrages erleichtern."266 Oder, in den Worten von Stephan Klingebiel vom Deutschen Institut

für Entwicklungspolitik: "Die Herausforderungen des Nation Building, die wir im Moment in

264 Europäische Sicherheitsstrategie 2003, S. 11f. 265 "Wir können nicht ewig im Kosovo bleiben", Interview mit Klaus Reinhardt, taz, 29.05.2005. 266 Fragen und Antworten zu CIMIC, www.bundeswehr.de (eingesehen 10.12.2006).

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Afghanistan, im Kosovo und anderswo sehen, sind durch die Militäraktion noch nicht gelöst.

Oftmals schafft man durch das Eingreifen erst eine Situation, in der man diese staatlichen

Strukturen für einen längeren Zeitraum ersetzen muss. Hier kann Entwicklungspolitik eine

Rolle spielen."267

CIMIC ist also auf die Umsetzung militärischer, nicht entwicklungspolitischer Ziele fokussiert.

Dies geht eindeutig aus den Ausführungen von Oberst i.G. Gerhard J. Klose, Referatsleiter

für Grundsatzfragen im Bereich Zivil-militärische Kooperation im

Bundesverteidigungsministerium, bzgl. der CIMIC-Definition im NATO-Dokument AJP 9

hervor: "An einem Punkt, der gern übersehen wird, ist diese Definition nämlich sehr präzise.

Es heißt dort nämlich klar und eindeutig: in support of the mission, also zur Unterstützung

der militärischen Operation. Damit wird der Zweck klargestellt, dem dieses Aufgabengebiet

zu dienen hat, nämlich ausschließlich der Unterstützung der militärischen Operation. [...] Und

nicht vergessen werden sollte auch, dass der eigentliche Gegner in einer militärischen

Operation nicht das Militär ist, sondern die dahinter stehende zivile Gesellschaft."268 Auch

Oberst i.G. Friedrich Engelhardt vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr gibt

unmissverständlich an: "CIMIC ist integraler Bestandteil der militärischen Operationsführung

und orientiert sich eindeutig am Einsatzauftrag des Militärs."269

Derzeit werden die Weichen zum Aufbau stehender zivil-militärischer Truppen gestellt und

zwar auf sämtlichen Ebenen internationaler Organisationen: "Die jüngsten

richtungweisenden Veröffentlichungen der EU, NATO und UN unterstreichen uno sono die

Integration von Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Im Zentrum dieser Ansätze

steht, dass in zukünftigen Interventionen zivile und militärische Akteure zusammenarbeiten

sollen, um ein koheräntes Vorgehen aus einer Hand zu gewährleisten."270

5.1 CIMIC I: Vereinte Nationen Die bisherigen UNO-Einsätze lassen sich idealtypisch in vier Generationen unterscheiden.

Am Anfang standen Einsätze, die sich auf die Überwachung von

Waffenstillstandsabkommen beschränkten, gefolgt von aktiven, jedoch zivilen Bemühungen

zur Konfliktbeilegung. Die dritte Generation umfasste auch den Einsatz militärischer Gewalt -

das so genannte robuste Mandat. "Zu der vierten Generation werden Einsätze, die nicht nur

robust sind, sondern in denen die UNO exekutive Funktionen ausübt und tendenziell oder 267 Herausforderung Nation Building. Überall dort, wo ein Krieg endet, begegnen sich Militärs und Entwicklungshelfer. Dr. Stephan Klingebiel über die Kooperation in Krisengebieten und über Chancen für Afrika, Bundeszentrale für politische Bildung, Januar 2004, URL: http://www.bpb.de/popup/popup_druckversion.html?guid=Q7MF6E (eingesehen 13.04.2007). 268 Klose, Gerhard J.: Zivil-militärische Kooperation aus Sicht der Verteidigungspolitik, Vortrag auf den Entwicklungspolitischen Diskussionstagen 2004, S. 19. Die "Allied Joint Publication (AJP) 9" vom Juni 2003 konkretisierte die NATO Direktive MC 411/1 vom Juli 2001. 269 Roehder 2005, S. 19. 270 Schetter, Conrad/Glassner, Rainer: Zivil-militärische Grauzone, in: eins: Entwicklungspolitik Information Nord-Süd (August 2007), S. 24-28, S. 27.

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praktisch die vollständige staatliche Souveränität in einer Krisenregion ausübt und eine

Ersatzregierung etabliert hat."271 Besonders der im Rahmen der vierten Generation

praktizierte Stabilitätsexport folgt dem Bestreben, dem "Chaos in der Welt", ausgelöst durch

die negativen Folgeerscheinungen der neoliberalen Globalisierung, Herr zu werden:

"Internationale Organisationen, besonders die Vereinten Nationen, betätigen sich aktiv um

Reformen, die darauf abzielen vormoderne Regierungsformen in geordnete, vorhersehbare,

disziplinierende und disziplinierte Administrationen zu transformieren."272

Als Begründung und Legitimation für ein derart weit gehendes Eingreifen in die staatliche

Souveränität fungiert die so genannte "Responsibility to Protect". Sie fand sowohl Eingang in

den Bericht der eingesetzten Expertengruppe zur Reform der UNO als auch in den Report

des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan zum selben Thema.273 Schließlich wurde

die Doktrin von der UN-Generalversammlung im September 2005 angenommen: "Jeder

einzelne Staat hat die Verpflichtung seine Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen,

ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen."274 Sollte

ein Staat dieser Verpflichtung nicht nachkommen, sei der Sicherheitsrat nun auch befugt,

militärische Maßnahmen zu ergreifen, um in innerstaatliche Konflikte einzugreifen, auch

wenn diese keine Bedrohung des Weltfriedens darstellen. Zwar stellt die Responsibility to

Protect noch kein geltendes Recht dar (eine Pflicht wird daraus ohnehin nie werden), sollte

sie aber in der Praxis Schule machen, könnte sie als Völkergewohnheitsrecht einen neuen

Standard für den legal gedeckten Einsatz von Gewalt setzen. Seit dem Beschluss der

Generalversammlung mehren sich die Bezüge auf die Responsibility to Protect. In UN-

Sicherheitsratsresolution 1674 (28.4.2006) wurden die diesbezüglichen Passagen aus dem

Abschlussdokument der Generalversammlung ausdrücklich bestärkt und am 31. August

2006 wurde die Entsendung von UN-Truppen nach Darfur explizit mit Verweis auf die

Responsibility to Protect gefordert. So werden derzeit die Grundlagen geschaffen, um der

Kolonisierung der Peripherie einen legalen Anstrich zu verpassen. Mittlerweile finden sich

auch in zentralen Entwicklungshilfedokumenten Bekenntnisse zur Responsibility to Protect,

die in ein aktives militärisches Interventionsgebot münden: "Die EU unterstützt auch

nachdrücklich die Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung. Wir können nicht tatenlos

zusehen, wie Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnische Säuberungen oder sonstige

271 Reinhardt, Dieter: Nation-Building oder Protektorate? Neue Kriege, Staatszerfall und Interventionen in Afghanistan, im Irak und in der Region der Großen Seen, Tagung "Flüchtlinge im 21. Jahrhundert" vom 2.5.-3.5.2005 in der Ev. Akademie Bad Boll. 272 Laura Zanotti zit. nach Kartas 2006, S. 15. 273 Vgl. Bericht des Generalsekretärs: In größerer Freiheit: Auf dem Weg zu Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechten für alle", Generalversammlung der Vereinten Nationen, 59. Tagung, Tagungsordnungspunkte 45 und 55, A/59/2005, 21. März 2005. 274 World Summit Outcome Document, G.A. Res. 60/1 139, U.N. Doc. A/60/L.1 (Sept. 20, 2005).

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schwerwiegende Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte

begangen werden."275 De facto zeigt sich, dass die im Rahmen der vierten Generation unter UN-Verwaltung

gestellten bzw. von der UN der Kontrolle einzelner Westmächte übergebenen Gebiete vom

Status klassischer Kolonien im Rahmen des Mandatssystems des Völkerbunds und

anschließend des Treuhandsystems der Vereinten Nationen nicht zu unterscheiden sind,

teils sogar noch weniger Rechte haben.276 Gerade das UN-Treuhandsystem, das es den

Kolonial- und Siegermächten des Zweiten Weltkriegs ermöglichen sollte, ihre Besitzungen

weiter zu behalten (und darüber hinaus die der Achsenmächte zu übernehmen), erlebt

derzeit eine bemerkenswerte Renaissance. Denn eigentlich wurde die Arbeit des Treuhand-

Rates einen Monat nach der Unabhängigkeit Palaus (1.10.1994), der letzten verbliebenen

offiziellen Kolonie, suspendiert.

Da aber im Zuge des "Stabilitätsexports" häufig nichts anderes als eine Rekolonisierung

stattfindet, häufen sich die Vorschläge, bspws. in der renommierten Zeitschrift Sicherheit und

Frieden, "das mit dem Ende der Dekolonialisierung brachliegende Treuhandsystem der VN

einer neuen Aufgabe zuzuführen, eben dem Peacebuilding."277 Ganz im Sinne der

Responsibility to Protect argumentiert dort der Autor, zum Schutz der Menschenrechte sei

buchstäblich jedes Mittel Recht: "Jede Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts, die

diesem Zweck dient und sich auf das beschränkt, was völkerrechtlich notwendig ist, ist

deshalb gerechtfertigt. Aus den genannten Gründen ist die Staatengemeinschaft bzw. die

Besatzungsmacht auch berechtigt, sich in den Prozess der Verfassungsgebung

einzumischen, was auch als Nation Building (oder State Building) bezeichnet wird."278

Obwohl dies einen eindeutigen Verstoß gegen Artikel 78 der UN-Charta darstellt, der die

unfreiwillige Anwendung des Treuhandsystems auf Staaten, die bereits UN-Mitglieder sind,

untersagt279, hält es der Autor dennoch für "fraglich, ob man aus Artikel 78 generell schließen

darf, dass das Volk eines VN-Mitgliedsstaates, das temporär nicht in der Lage ist, sich selbst

zu regieren, nicht dem Treuhandsystem unterstellt werden darf."280 Diese Vorschläge zielen

auf die völkerrechtlich legitimierte Rekolonisierung der Peripherie, die offiziell im Namen der

Menschenrechte vollzogen werden soll: "Diese Zielsetzungen lassen das VN-

Treuhandsystem als geradezu ideal erscheinen zur Einschränkung des

275 EU-Konsens über die Entwicklungspolitik 2006, S. 7. 276 Vgl. Chandler 2006. 277 Sutter, Patrick: Das Treuhandsystem der Vereinten Nationen als Mittel zum Peacebuilding?, in: Sicherheit und Frieden, 1/2006, S. 26-32, S. 27. 278 Sutter 2006, S. 28. 279 "Das Treuhandsystem findet keine Anwendung auf Hoheitsgebiete, die Mitglied der Vereinten Nationen geworden sind; die Beziehungen zwischen Mitgliedern beruhen auf der Achtung des Grundsatzes der souveränen Gleichheit." (UN-Charta Art. 78) 280 Sutter 2006, S. 30.

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75

Selbstbestimmungsrechts."281 Summa summarum: "Eine Idee, die früher einmal bestenfalls

begrenzte akademische Wertschätzung genoss - internationale Treuhandschaft für

gescheiterte Staaten und umstrittene Gebiete -, ist bis auf den Namen zu einer Realität

geworden."282 In diesem Zusammenhang hat das u.a. von der Bertelsmann-Stiftung

finanzierte Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) den Vogel abgeschossen, indem

es unter Bezugnahme auf Stephen Krasner, einem der führenden Propagandisten einer

neokolonialistischen westlichen Besatzungspolitik in gescheiterten Staaten (siehe Exkurs),

forderte, die Vergabe von Entwicklungshilfe künftig an die "freiwillige" Abgabe der

Souveränität und die Akzeptanz einer westlichen Treuhandschaft zu koppeln: "Wie

realistisch ist es, von einem schwachen und oft korrupten Staat zu erwarten, Teile seiner

Souveränität aufzugeben? Eine mögliche Lösung könnte es sein, internationale Hilfe für

bestimmte Staaten von der Einsetzung einer Vereinbarung für geteilte Souveränität abhängig

zu machen."283

Zentral für die Administration solcher UN-Stabilisierungseinsätze ist das Department for

Peace Keeping Operations (DPKO), das grundlegend umstrukturiert wurde und nun "explizit

darauf ausgerichtet ist, Staatversagen und das Abrutschen in den Krieg zu verhindern oder

Ländern bei ihrem Übergang vom Krieg zum Frieden zu helfen."284 Auch in diesem Bereich

erodiert die Trennung zwischen militär- und entwicklungspolitischen Maßnahmen: "Im

Dezember 2005 wurde mit der Annahme der Resolutionen 1645 und 60/180 durch den

Sicherheitsrat und die Generalversammlung der VN die Einrichtung einer Peacebuilding

Commission (PBC) beschlossen. Sie hat zum Ziel, eine im November 2004 (durch das High-

Level Panel on Threats, Challenges and Change) identifizierte 'Lücke' im institutionellen

Gefüge der VN zu schließen und fortan instabile Länder bei ihrem Übergang von Krieg zu

dauerhaftem Frieden zu unterstützen. Konkret soll die Peacebuilding Commission [...]

umfassende, 'integrierte' peacebuilding-Strategien als 'Empfehlungen' ausarbeiten, die sich

(vor allem) an den Sicherheitsrat und die Generalversammlung richten und so die

institutionelle Trennung von 'Sicherheit' und 'Entwicklung' im VN-Hauptquartier überwinden

helfen sollen."285 Am 9. Februar 2006 erließ der UN-Generalsekretär neue Leitlinien, in

281 Sutter 2006, S. 30. 282 Caplan, Richard: A New Trusteeship? The International Administration of War-Torn Territories, Oxford: Adelphi Papers 341/2002, S. 7. 283 Klotzle, Kurt: International Strategies in Fragile States: Expanding the Toolbox?, CAP Policy-Analysis, No. 1 (March 2006), S. 14. 284 A more secure world: Our shared responsibility Report of the High-level Panel on Threats, Challenges and Change, 2004. 285 Burghardt, Diana/Pietz, Tobias: Themenbereiche und Konfliktfelder zivil-militärischer Beziehungen, BICC-Handreichung November 2006, S. 6. Vgl. auch Greminger, Thomas: Streitkräfte und zivile Akteure in komplexen multilateralen Friedensoperationen, in: Military Power Review, April 2007, S. 6-16, S. 10: "Die Schlüsselidee der Integrierten Missionen besteht darin, zivile und militärische Ressourcen und Aktivitäten zu bündeln und in kohärenter und wirksamer Weise in den relevanten politischen, militärischen, humanitären und entwicklungsrelevanten Bereichen einzusetzen. In der UNO ist die Integration bisher am weitesten fortgeschritten."

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denen es dementsprechend heißt: "Integration ist das Leitprinzip für Design und

Implementierung komplexer UN-Operationen in Post-Konflikt Situationen und um die

verschiedenen Dimensionen des Peacebuilding (politische, entwicklungspolitische,

humanitäre, menschenrechtliche, juristische, soziale und sicherheitspolitische Aspekte) in

einer koheränten Strategie miteinander zu verknüpfen."286 Konsequenterweise betont auch

das UN-Entwicklungsprogramm immer stärker sicherheitsrelevante Maßnahmen:

"Krisenprävention und Wiederaufbau ist einer der (insgesamt fünf) Schwerpunkte des

Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), das hierfür eine eigene Abteilung

(Bureau for Crisis Prevention and Reconstruction) eingerichtet hat. Die Bundesregierung

zahlt in UNDP-Fonds für Krisenprävention und Wiederaufbau ein (Thematic Trust Fund for

Crisis Prevention and Recovery), mit besonderem Schwerpunkt auf Entwaffnung und

Demobilisierung (einschließlich Kleinwaffen, Landminen) sowie Sicherheitssektorreform und

Justizsysteme in Übergangszeiten."287

Auch hier ist die Zivil-militärische Zusammenarbeit integraler Bestandteil des

Gesamtkonzeptes, das maßgeblich von deutscher Seite vorangetrieben wird: "Deutschland

wird als einer der größten VN-Beitragszahler in den weichenstellenden ersten beiden

Wahlperioden, d. h. zunächst bis 2010, als Mitglied im Organisationskomitee [der Peace-

Building-Kommission] vertreten sein. In diesem Rahmen wird die Bundesregierung ihre

Expertise im Bereich der Friedenskonsolidierung aktiv einbringen. [...] Zur Sicherung einer

effektiven Planung und Führung multidimensionaler Peacekeeping-Operationen, die zu

einem möglichst frühen Zeitpunkt zivile und militärische Elemente der Friedensschaffung und

Friedenssicherung miteinander verknüpfen, sowie zur Schaffung klarer Zuständigkeiten und

Verantwortlichkeiten hat DPKO eine umfassende interne Reorganisation und

Neuausrichtung seiner Strukturen entsprechend diesen politischen Vorgaben

unternommen."288 Ganz maßgeblich ist Deutschland dabei in die Ausbildung künftiger

"Peacekeeper" involviert: "In Ghana wurde der Aufbau des Kofi Annan International

Peacekeeping Training Centre (KAIPTC) mit einer bisherigen Gesamtsumme von 5,5

Millionen Euro maßgeblich durch Deutschland ermöglicht. Das KAIPTC ist ein Zentrum zur

Ausbildung von militärischem und zivilem Personal für Friedenseinsätze der ECOWAS."289

286 Note from the Secretary General, Guidance on Integrated Missions, 9 February 2006, URL: http://www.reliefweb.int/rw/lib.nsf/db900SID/OCHA-6MHKSR/$FILE/Note%20of%20Guidance%20on%20Integrated%20Missions.pdf?OpenElement (eingesehen 14.08.2007). 287 "Sicherheit und Stabilität durch Krisenprävention gemeinsam stärken". 1. Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsplans Zivile Krisenprävention, 2006, S. 79 (zit. als Überprüfung Aktionsplan 2006). 288 Überprüfung Aktionsplan 2006, S. 78. 289 ECOWAS ist die Abkürzung für die Economic Community of West African States. Vgl. Die Umsetzung des G8-Afrika-Aktionsplans. Bericht zum G8-Gipfel in Gleneagles vom 6.-8. Juli 2005, S. 18. "Zudem wird in Bamako (Mali) mit einer Million Euro seit 2007 der Aufbau der 'École du Maintain de La Paix', einer Schule zur Friedenssicherung, unterstützt. Hinzu kommt die Unterstützung beim Aufbau der 'Standby Force' der westafrikanischen Staaten und für das ECOWAS Sekretariat, die in

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Der deutsche Beitrag konzentriert sich dabei auf die Felder Wahlbeobachtung, Lessons

learned aus Friedensmissionen, Demobilisierung und Reintegration sowie zivil-militärische

Kooperation.290 Die Gelder hierfür stammen aus dem Etat des BMZ und sind ODA-

anrechenbar.291

In Deutschland wird die Ausbildung von Fachkräften für UN-Missionen vom Zentrum

internationale Friedenseinsätze (ZIF) zwar aus dem Etat des Auswärtigen Amtes bezahlt,

allerdings stammen die Gelder für den Zivilen Friedensdienst (ZFD), etwa 14 Mio. Euro

jährlich, aus dem BMZ-Etat und sind ebenfalls ODA-anrechenbar.292 Auch in diesem mit

Entwicklungshilfegeldern finanzierten Bereich der Zivilen Konfliktbearbeitung wächst die

Gefahr der militärischen Vereinnahmung. Schon 1997 wandte sich das Komitee für

Grundrechte und Demokratie gegen "eine mögliche Instrumentalisierung zugunsten

herkömmlicher Macht- und Militärpolitik" und forderte "eine eindeutig pazifistische

Orientierung des Projekts Ziviler Friedensdienst." Seine Vertreter dürften sich "nicht auch nur

in die irgend verwechselbare Nähe zu militärisch gerichteten Herrschaftswirklichkeiten

begeben."293 Anlass für diese Stellungnahmen waren Äußerungen des seinerzeitigen

nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau, er sah damals zivile

Friedensdienste als eine "wichtige Ergänzung zum Einsatz der Bundeswehr im ehemaligen

Jugoslawien."294 Das Militär jedenfalls ist vom sicherheitspolitischen Mehrwert des ZFD

überzeugt. So unterstreicht Oberstleutnant i.G. Peter Braunstein: "Beim Wiederaufbau nach

Konflikten [spielen] beispielsweise auch entwicklungs- und wirtschaftspolitische Faktoren

eine wichtige Rolle." Deshalb sei die Zivil-militärische Zusammenarbeit notwendig, dies

mache wiederum die "enge Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt und einen ganzheitlichen

Ansatz erforderlich: Neue Initiativen der Bundesregierung, z.B. das Konzept Ziviler

Friedensdienst des BMZ, unterstreichen diese Notwendigkeit."295 So wird, insbesondere

wegen der sich hierdurch rapide verbessernden Berufschancen, auch im ZFD-Umfeld die

zivile Flankierung militärischer Einsätze von vielen nicht mehr kategorisch abgelehnt:

"Allerdings schlossen in unseren Diskussionen über mögliche kriegsbegleitende Einsätze in

Afghanistan oder Irak nicht alle Kursteilnehmer aus, dass sie kriegsflankierende Maßnahmen

oder Aufräumarbeiten nach militärischen Einsätzen unterstützen würden. Mir wurde

den kommenden Jahren nicht nur über die Ausstattungshilfe für ausländische Streitkräfte weiter konkretisiert werden soll." Vgl. ebd. 290 BMZ-Medienbuch 2006/2007, S. 422. 291 Kocks, Alexander: The Financing of UN Peace Operations - An Analysis from a Global Public Good Perspective, INEF-Report 77/2005, S. 75. 292 Vgl. Croll, Peter J., Vortrag 29./30.Januar 2007, Evangelische Akademie Bad Boll: Entwicklungspolitik und Sicherheitspolitik. Zwischen notwendiger Kooperation und unerwünschter Vereinnahmung, S. 6. 293 Bricke, Monika: Zivil dem Frieden dienen. Alternative zu militärischem Eingreifen oder zivil-militärische Kooperation?, in: Blätter des iz3w, Juni 2005. 294 Bricke 2005. 295 Bricke 2005.

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entgegen gehalten, dass ich mich bei meiner strikten Verweigerungshaltung gegenüber einer

Zusammenarbeit mit dem Militär auf Dauerarbeitslosigkeit einstellen müsse. Tatsächlich sind

die Wahlmöglichkeiten für Absolventen, die jegliche Kooperation mit dem Militär und die

Teilnahme an Projekten, die militärische Maßnahmen begleiten, strikt ablehnen, nicht gerade

groß."296

5.2 CIMIC II: Europäische Union Der prominenteste Vorschlag für eine Institutionalisierung der Zivil-militärischen

Zusammenarbeit in der Europäischen Union ist die "Human Security Doctrine for Europe",

eine u.a. von Mary Kaldor im Auftrag von Javier Solana verfasste Studie, die genau wie die

Reponsibility to Protect den Schutz menschlicher Sicherheit zur obersten Priorität erklärt. Um

dies zu gewährleisten, plädiert die Studie für den Aufbau einer stehenden zivil-militärischen

Besatzungstruppe aus 10.000 Soldaten und 5.000 Zivilisten (Human Security Response

Force). Typisch an dieser Studie ist vor allem, dass zwar der Herstellung physischer

Sicherheit, notfalls mit militärischen Mitteln, absolute Priorität eingeräumt wird, gleichzeitig

aber ökonomische Sicherheit als nachrangig eingestuft wird.297

Während sich die Aufstellung dieser Truppe gegenwärtig noch im Diskussionsstadium

befindet, wurde an anderer Stelle bereits ein fundamentaler Durchbruch erreicht: "Die zivil-

militärische Zelle zur vorbereitenden, kohärenten Planung zivil-militärischer

Krisenmanagementmissionen ist seit 2005 operativ; sie steht unter Leitung eines deutschen

Generals. Die Zelle hat auch die Verantwortung für einen ständigen Nukleus eines

Operationszentrums."298 Seit Anfang 2007 ist sie nun in der Lage, zivil-militärische Einsätze

bis zu einem Umfang von 2000 Soldaten zu leiten. Perspektivisch könnte sie die Führung der

15.000 Besatzungstruppen übernehmen, die von der Human Security Response Force

vorgeschlagen wurden. Erste Teile dieser Human Security Response Force werden derzeit

als "integrierte Krisenreaktionsteams" aufgebaut: "Im Rahmen der Implementierung des

Konsolidierten Zivilen Planziels 2008 strebt die EU auch die Entsendung integrierter

Krisenreaktionsteams (sog. Civilian Response Teams, CRTs) für die zivile Krisenbewältigung

an."299 Während ursprüngliche Planungen vorsahen, die CRTs erst nach dem Ende von

Kampfhandlungen zu entsenden, geht die Tendenz nun in die Richtung, sie künftig Hand in

Hand mit dem Militär arbeiten zu lassen: "Zu überlegen wäre angesichts des integrierten

zivil-militärischen Ansatzes der ESVP, ob die beiden Stränge nicht noch enger

zusammengeführt und zivile Komponenten bereits in der Planungsphase in die

296 Bricke 2005. 297 A Human Security Doctrine for Europe - The Barcelona Report of the Study Group on Europe’s Security Capabilities, 2004. Für eine ausführliche Analyse siehe Marischka, Christoph: Intelligenter Kolonialismus, in: Wissenschaft und Frieden 4/2005. 298 Überprüfung Aktionsplan 2006, S. 71. 299 Überprüfung Aktionsplan 2006, S. 72.

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Kampfeinheiten inkorporiert werden könnten. [...] Der im Jahr 2005 gegründeten zivil-

militärischen Zelle innerhalb des EU-Militärstabes könnte hier eine Schlüsselrolle

zuwachsen."300 Die CRTs können innerhalb von 5 Tagen zur Krisenbewältigung zum Einsatz

gebracht werden und sollen mit ihrer zivilen Komponente das Militär substanziell entlasten:

Sie werden "besonders für Substitutionsaufgaben in instabilen Situationen vorgehalten und

können vorübergehend unter militärischem Kommando stehen, obgleich es sich um zivile

Kräfte handelt."301

Ein weiterer Bereich, in dem beabsichtigt wird die Zivil-militärische Zusammenarbeit zu

intensivieren, ist der Katastrophenschutz bzw. die humanitäre Nothilfe. So schlug ein von Ex-

EU-Kommissar Michel Barnier im Auftrag der österreichischen EU-Präsidentschaft erstellter

Bericht die Gründung einer um militärische Komponenten ergänzten europaweiten

Katastrophenschutztruppe (europe aid) vor, die aber u.a. auch in Bürgerkriegsszenarien zum

Einsatz kommen soll.302 Zwar suggeriert der Barnier-Report, es gehe lediglich um Pooling für

eine Verbesserung der Nothilfe, wogegen schwerlich etwas einzuwenden wäre. Aber bereits

in der Einleitung heißt es, die Vorschläge bezögen sich auf die "Krisen und Katastrophen, die

wir sehr wahrscheinlich werden bewältigen müssen."303 Diese Formulierung kehrt mehrmals

wieder, während gleichzeitig versteckt in einer Fußnote Krisen derart definiert werden, "dass

von mindestens einer Konfliktpartei sporadisch Gewalt eingesetzt wird."304 Im Klartext

bedeutet diese Definition, dass humanitäre Nothilfe in Bürgerkriegsszenarien künftig integral

mit dem Militär zusammenarbeiten soll, was im Report auch deutlich angesprochen wird: "In

den Krisenszenarien und Protokollen ist auch die Ergänzung durch militärische Hilfsmittel

systematisch zu prüfen, um ein Höchstmaß an Integration zu gewährleisten und die Kosten

für ihre Mobilisierung in Notfällen zu begrenzen."305

Noch konkreter ist die Paramilitarisierung der EU-Außenpolitik bereits im Bereich der

Polizeikräfte fortgeschritten: Anfang 2006 wurde die European Gendamerie Force (EGF) in

Dienst gestellt, eine quasi-militärische Truppe, die primär zur Aufstandsbekämpfung (riot

control) dienen soll. "Mit der EGF hat die Europäische Union eine stehende Polizeitruppe, die

sie in beliebigen Krisengebieten schnell einsetzen kann. Die EGF soll Polizeimissionen und

Krisenmanagement im Rahmen der EU durchführen. Darüber hinaus kann sie auch im

Rahmen der UN, der OSZE, der NATO und in ad hoc Koalitionen eingesetzt werden. Die

300 Kaim, Markus: EU battle groups und civilian headline goal - Zielmarken der ESVP, in: Perthes, Volker (Hg.): Europäische Außen- und Sicherheitspolitik: Aufgaben und Chancen der deutschen Ratspräsidentschaft, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, 2006, S. 19-22, S. 22. Vgl. zum deutschen Beitrag Überprüfung Aktionsplan 2006, S. 72. 301 Rummel, Reinhardt: Die zivile Komponente der ESVP: reichhaltiges Gestaltungspotential für. europäische Krisenintervention, SWP-Studie Juli 2006, S. 9. 302 Barnier, Michel: Für eine europäische Katastrophenschutztruppe: europe aid, Mai 2006. 303 Barnier 2006, S. 3. 304 Barnier 2006, S. 33, FN 25. 305 Barnier 2006, S. S. 13.

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Einheiten können sowohl unter ein militärisches wie auch unter ein ziviles Kommando

gestellt werden - die EGF ist also eine 'Dual-Use-Einheit', ihr Aufgabenspektrum macht diese

Truppe zudem sowohl für Auslandseinsätze als auch für Einsätze im Inneren verwendbar."

Zu den Aufgaben der Truppe zählt laut offizieller Internetseite auch die

Aufstandsbekämpfung "im Falle von Unruhen."306

5.3 CIMIC III: NATO NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer gab in einer Rede Ende 2006 an, "dass

Einsätze wie der in Afghanistan künftig nicht die Ausnahme sein könnten, sondern vielleicht

die Regel."307 Stabilitätsexport entwickelt sich derzeit zur Kernaufgabe der Allianz, wie die

auf dem NATO-Gipfel in Riga im November 2006 verabschiedete "Comprehensive Political

Guidance" (CPG) unterstreicht, ein Planungsdokument, das die Richtlinien für die auf 2009

terminierte Neufassung des Strategischen Konzeptes der NATO vorgibt. Die CPG betont die

"wachsende Bedeutung von Stabilisierungsoperationen und die militärische Unterstützung

von Wiederaufbaubemühungen im Anschluss an einen Konflikt."308

Um hierzu künftig effektiver in der Lage zu sein, werden die Forderungen nach einer

stehenden zivil-militärischen NATO-Truppe immer lauter. Beispielsweise machte sich James

Dobbins, der von Bush kurzzeitig mit dem "Wiederaufbau" Afghanistans betraut wurde, im

Hausblatt der Allianz, dem NATO-Review, für den Aufbau bündniseigener "Stabilisierungs-

und Wiederaufbautruppen" stark. Der viel sagende Titel lautet: "Die Rolle der NATO beim

Aufbau von Staatswesen". Konsequenterweise verlangte dann auch der im Februar 2006

erschienene Quadrennial Defense Review Report (QDR) des Pentagon den "Aufbau von

NATO-Stabilisierungs- und Wiederaufbaukapazitäten."309 Auch das Weißbuch der

Bundeswehr prognostiziert folgende Entwicklung: "Die Anstrengungen der NATO werden

sich künftig stärker auf Stabilisierungseinsätze und militärische Unterstützung für die

306 Vgl. Haydt, Claudia: Out of area - and back again, in: AUSDRUCK - Das IMI-Magazin (Februar 2007). 307 Scheffer, Jaap de Hoop: Die Zukunft der Atlantischen Allianz, Rede am 07.10.2004. 308 Comprehensive Political Guidance. Endorsed by NATO Heads of State and Government on 29 November 2006, Absatz 2.6. Christoph Bertram äußerte sich diesbezüglich im NATO-Hausblatt überdeutlich: Zunächst stellt er fest, dass "Stabilitätsexport" zur Kernaufgabe der NATO geworden ist: "jede Zukunftsprognose deutet darauf hin, dass der Bedarf an dieser Art von Aktivität zunehmen wird." Aus Gründen der "politischen Korrektheit" werde aber weiterhin der Verteidigungsauftrag betont: "Anstatt dass die NATO den ganz offensichtlichen Änderungen des strategischen Umfelds Rechnung trägt, ist sie durch das Erfordernis der politischen Korrektheit an die Maxime des Strategischen Konzepts von 1999 gebunden, wonach die Aufrechterhaltung eines angemessenen militärischen Dispositivs und die eindeutige Bereitschaft zu kollektivem Vorgehen im Interesse der gemeinsamen Verteidigung weiterhin für die Sicherheitsziele des Bündnisses von zentraler Bedeutung sind." Die zunehmende Ausrichtung der Allianz zur Kriegsführung müsse, so Bertram, nun auf eine neue Stufe gehoben werden: "Seit dem Ende des Kalten Krieges hat die NATO eine bemerkenswerte Bereitschaft zur Anpassung an neue Gegebenheiten unter Beweis gestellt. Als nächster Schritt ist nun erforderlich, dass sie Stabilisierungsaufgaben zu ihrem Hauptauftrag erklärt." Vgl. Bertram, Christoph: Abschied vom Krieg, in: NATO Review (Frühjahr 2006). 309 QDR 2006, February 6, 2006, S. 83.

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Wiederherstellung staatlicher Strukturen richten. Dabei kommt es zunehmend darauf an, alle

der NATO zur Verfügung stehenden politischen und militärischen Instrumente und

Kapazitäten koordiniert zu nutzen."310

Für die Ausbildung der hierzu erforderlichen integrierten Truppen richtete die NATO bereits

im September 2006 ein Zivil-militärisches Zentrum in Budel (Niederlande) ein. Setzt sich

diese Entwicklung ungebremst fort, droht eine völlige Vermischung, wie Aussagen von

Ortwin Hennig, Beauftragter für zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und

Friedenskonsolidierung im Auswärtigen Amt, belegen: "Auch die NATO hat das Thema einer

verbesserten Abstimmung zwischen zivilen und militärischen Akteuren für sich entdeckt. Am

Ende eines solchen Prozesses könnte ein Beziehungsgeflecht stehen, das nicht nur zivilen

Organisationen den Zugriff auf die militärischen Fähigkeiten der NATO gestattet, sondern es

auch der NATO ermöglichen würde, auf bestimmte Fähigkeiten ziviler Organisationen den

Zugriff auf die militärischen Fähigkeiten der NATO gestattet, sondern es auch der NATO

ermöglichen würde, auf bestimmte Fähigkeiten ziviler Organisationen zurückzugreifen."311

Aufgrund der grundsätzlich asymmetrischen Kräfteverhältnisse, die sich allein schon aus den

unterschiedlich großen Etats militärischer und ziviler Organisationen ergeben, dürfte sicher

sein, dass diese gegenseitige Instrumentalisierung sehr einseitig verlaufen wird.

In Deutschland macht das Bundesverfassungsgericht in seinem schockierenden Urteil vom

Juli 2007 endgültig den Weg für eine deutsche Beteiligung an der Umstrukturierung der

NATO zu einer globalen Besatzungstruppe frei. "Bei einem Angriff muss die Verteidigung

nicht an der Bündnisgrenze enden, sondern kann auf dem Territorium des Angreifers

stattfinden, wobei auch dessen langfristige und stabile Pazifizierung der Sicherung eines

dauerhaften Friedens des Bündnisses dient. [...] Krisenreaktionseinsätze können auch

unabhängig von einem äußeren Angriff oder ergänzend zur dauerhaften Befriedung eines

Angreifers dem Zweck des NATO-Vertrags entsprechen."312 Im Klartext sieht das BVG damit

die langfristige Besatzung zur Stabilisierung gescheiterter Staaten im Einklang mit dem

Grundgesetz, das - eigentlich - unmissverständlich einen reinen Verteidigungsauftrag der

deutschen Streitkräfte vorschreibt.

5.4 Prototyp Afghanistan: Regionale Wiederaufbauteams Während man derzeit also bestrebt ist, stehende zivil-militärische Kapazitäten aufzubauen,

gibt es diese auf Ad-hoc Basis bereits, nämlich in Form der Regionalen Wiederaufbauteams

(Provincial Reconstruction Teams, PRTs) in Afghanistan. Obwohl das Beispiel eindrucksvoll

die katastrophalen Folgen einer derartigen Vermischung demonstriert, gelten sie als

Vorzeigeprojekt für künftige Einsätze. Denn, wie eine NATO-Vertreterin betont, die

310 Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands 2006, S. 28. 311 Roehder 2005, S. 9. 312 Urteil des BVerfG (2 BvE 2/07) (Tornado-Urteil).

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Regionalen Wiederaufbauteams haben "CIMIC in eine neue Dimension geführt."313

Afghanistan ist derzeit das "Labor für Nation-Building"314, das Land, in dem prototypisch das

neue außenpolitische Leitbild erprobt wird: "Deutschland bemüht sich mit großem

Nachdruck, dieses Prinzip der 'vernetzten Sicherheit' praktisch umzusetzen. In Afghanistan

übernimmt es eine Führungsrolle bei der Polizeiausbildung und verfolgt mit den

Wiederaufbauteams in den Provinzen (Provincial Reconstruction Teams) einen lokalen

Ansatz der vernetzten Sicherheit."315

Es war das US-Verteidigungsministerium, unter dessen Federführung das Konzept der zivil-

militärischen "Regionalen Wiederaufbauteams", damals noch unter dem Begriff "Joint

Regional Teams", entwickelt wurde.316 Mittlerweile sind 25 PRTs unter NATO/ISAF-Führung

in Afghanistan tätig, "die sich aus Diplomaten, Polizeiausbildern, Aufbauhelfern und Soldaten

zusammensetzen."317 Während die USA davon den Großteil befehligen, ist auch

Deutschland mit zwei PRTs in Kundus und Faisabad beteiligt. Die Aufgabenbeschreibung

dieser integrierten Truppen macht ihren zivil-militärischen Charakter mehr als deutlich:

"PRTs weisen eine Stärke von jeweils etwa 50 bis 500 Personen auf. [...] Dabei agieren die

PRTs in drei Dimensionen: Schaffung von Sicherheit, Bildung staatlicher Institutionen und

Durchführung bzw. Ermöglichung von Wiederaufbau. [...] Im Feld sind PRTs als Patrouille,

Vermittler, Netzwerkbilder, Betreiber von Wiederaufbauprojekten, Armee- und

Polizeiausbildner, Demobilisierungs- und Entwaffnungshelfer sowie als

Informationsbeschaffer aktiv."318

Die US-amerikanischen und britischen PRTs werden von Militärs kommandiert und folgen

dementsprechenden Prioritäten: "Die amerikanischen PRTs sind trotz ihrer 'civil affairs'-

Elemente überwiegend auf sicherheitschaffende Operationen ausgerichtet, auch auf

Kampfaktionen, um versprengte Al-Quaida oder Taliban Mitglieder zu jagen."319

Demgegenüber versucht die Bundesregierung ihr PRT-Konzept als positives Gegenbeispiel

abzusetzen: "Die Bundesregierung hatte der Übernahme des PRT erst nach einer

grundlegenden Änderung des amerikanischen Konzepts zugestimmt. Wie die US-Teams

setzen sich auch die deutschen aus einer zivilen und einer militärischen Komponente

313 Stefanie Babst zit. bei Roehder 2005, S. 4. 314 Schmunk, Michael: Die deutschen Provincial Reconstruction Teams. Ein neues Instrument zum Nation-Building. SWP-Studie, November 2005, S. 8. 315 Nitzschke, Heiko/Wittig, Peter: UN-Friedenssicherung: Herausforderungen an die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, in: Vereinte Nationen 3/2007, S. 89-95, S. 95. 316 Hamann 2005, S. 57. 317 Auswärtiges Amt: Deutschland globales Engagement, URL: http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Infoservice/Broschueren/GlobalesEngagement.pdf (eingesehen 13.07.2007), S. 12. 318 Gauster, Markus: Provincial Reconstruction Teams in Afghanistan. Ein innovatives Instrument des internationalen Krisenmanagements auf dem Prüfstand, Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie, 11/2006, S. 10f. 319 Denison, Andrew: Deutschland in Afghanistan: Woher, Wohin?, Dezember 2006, URL: http://www.aicgs.org/file_manager/streamfile.aspx?path=&name=denison1206.pdf (eingesehen 13.06.2007), S. 10. Vgl. auch Gauster 2006, S. 12.

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zusammen. Die deutschen PRT's werden jedoch von einer Doppelspitze geführt. Das zivile

Personal untersteht also nicht der militärischen Führung sondern einem Abgesandten des

Auswärtigen Amts."320 Schon allein der Tätigkeitsbericht der deutschen PRTs zeigt jedoch

deutlich ihren militärlogischen Charakter: "Die deutschen PRTs unterstützen aber nicht nur

den Aufbau der Polizei, sondern sind auch in weiteren Bereichen aktiv, wie u.a. in der

Drogenbekämpfung und der Bekämpfung des Terrorismus, in der Öffentlichkeitsarbeit

(Betreiben von Radiosendern) sowie im Monitoring (Sammeln von Informationen aus den

Bereichen Politik und Militär)."321

Offensichtlich ist man sich auch innerhalb des BMZ nicht über die Bewertung einig. Lobend

äußert sich bspws. Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul: "Wie muss das

Verhältnis von militärischen und zivilen Maßnahmen gestaltet werden? Afghanistan ist ein

gutes Beispiel für eine gelungene Arbeitsteilung. [...] Sicherheitspolitische und

entwicklungspolitische Maßnahmen ergänzen sich und sind zwei Säulen eines

gemeinsamen Konzepts, an dem BMVG, BMZ, BMI und AA beteiligt waren. Sie bleiben

dabei aber eigenständig, und das unterscheidet unser Vorgehen deutlich von dem der

USA."322 Andererseits kritisieren andere Stimmen aus dem Ministerium die dennoch

vorhandene Unterwerfung unter das Militär: "Aber auch das deutsche PRT folge in erster

Linie einer militärischen Logik, kritisiert [BMZ-Staatssekretär Erich] Stather, da die erste

Überlegung sei, wo es aus militärischer beziehungsweise sicherheitspolitischer Perspektive

wichtig sei, Präsenz zu zeigen und erst in einem zweiten Schritt überlegt werde, welche

entwicklungspolitischen Maßnahmen in der gewählten Region sinnvoll seien."323 Noch

deutlicher wird Hans-Joachim Preuß, Generalssekretär der Welthungerhilfe, der angibt,

formal gäbe es zwar eine strikte Trennung, de facto aber eben nicht: "Im deutschen PRT ist

zu unterscheiden die 'funktionale' Trennung der verschiedenen Elemente von der

Sichtbarkeit der Trennung nach außen. Die 'funktionale' Trennung [...] funktioniert eher als

die Trennung nach außen."324

5.5 Von Helfern zu Kollaborateuren zu Anschlagszielen Wie erwähnt ist eines der zentralen Ziele der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit die

"Akzeptanzschaffung" für die jeweilige Kriegsmission. Dabei kommt es zu teils absurden

Beschönigungen des rein militärischen Auftrags: "Der Soldat wird dabei beispielsweise

320 Hamann 2005, S. 98f. 321 Bajohr 2005, S. 11f. 322 Wieczorek-Zeul, Heidemarie: Rede anlässlich des Aktuellen Forums zur Sicherheitspolitik für Chefredakteure und Ressortleiter am 27. Januar 2004 in Berlin zum Thema: "Keine Sicherheit ohne Gerechtigkeit - Entwicklungspolitik ist Friedenspolitik". 323 Hamann 2005, S: 101. 324 Preuß, Hans-Joachim: Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen zum Thema "Zivil-militärische Zusammenarbeit" im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am 25. Oktober 2006, Ausschussdrucksache Nr. 16(19)124.

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sowohl als Krieger als auch Diplomat und Sozialarbeiter sein müssen. Dies macht Soldaten

zu unschätzbaren Helfern im Kampf gegen Armut und Unterdrückung."325

Während aus Soldaten so Wohltäter gemacht werden, erfolgt die Instrumentalisierung auch

andersherum, indem humanitäre Helfer zu Spionen umfunktioniert werden: "Bereits heute

sind zahlreiche NGOs unmittelbare Zuträger für Militäroperationen. Sie speisen Daten, die

sie in ausländischen Interventionsgebieten über die dortige Sicherheitslage erhoben haben,

in das elektronische System 'Safety Information Reporting Service' (SIRS) ein. Die

Datenbank wurde im Auftrag der 'Crisis Management Initiative' (CMI) des UN-

Sonderbeauftragten für Kosovo, Martti Ahtisaari, von führenden Softwarekonzernen

(Microsoft, Yahoo) entwickelt und steht seit 2005 sowohl NGOs wie auch Militärs offen."326

Anne Bodine, Mitarbeiterin des US-Außenministeriums im PRT in Herat, gab von ihrer

Truppe folgende Selbstbeschreibung: "Wir sind Augen und Ohren der US-Regierung."327

Es muss aber nicht einmal direkte Spionage sein, schon allein die Drohung mit dem Entzug

von Hilfsleistungen, sollte keine Unterstützung des militärischen Auftrags erfolgen, stellt eine

weit reichende Instrumentalisierung dar. "Je mehr sie uns helfen, desto mehr gutes Zeug

bekommen sie", so der in Afghanistan stationierte US-Lieutenant Teid Finn.328 Die

katastrophalen Folgen einer derartigen Instrumentalisierung wurden im Jahr 2004

nachdrücklich unter Beweis gestellt. Koalitionstruppen verteilten damals Flugblätter im

Süden Afghanistans, auf denen die Bevölkerung dazu aufgerufen wurde, "den

Koalitionstruppen sämtliche Informationen über die Taliban, El Quaeda und Gulbuddin

[Hekmatyar] zu übermitteln." Dies sei notwendig, um "zu gewährleisten, dass humanitäre

Hilfe auch weiterhin bereitgestellt wird."329 U.a. Ärzte ohne Grenzen wandte sich damals

öffentlich gegen diese Instrumentalisierung humanitärer Hilfe: "Diese Flugblätter, die unter

anderem ein afghanisches Mädchen mit einem Sack Weizen zeigen, stellen einen

eindeutigen Versuch dar, humanitäre Hilfe für militärische Ziele der Koalition zu

missbrauchen. Ärzte ohne Grenzen lehnt jegliche Verbindung zwischen der Bereitstellung

humanitärer Hilfe und der Zusammenarbeit mit den Koalitionstruppen ab. [...] Die bewusste

Vermischung von humanitärer Hilfe mit militärischen Zielen zerstört den eigentlichen Sinn

der humanitären Hilfe. Dies wird letztlich nur dazu führen, dass dringend benötigte Hilfe

325 Vgl. Pöcher 2006, S. 185. Die Akzeptanzschaffung verläuft auch rückwirkend mit Blick auf die Heimatfront. CIMIC könne "ein dankbares Vehikel sein, den teuren Auslandseinsatz an der Heimatfront zu verkaufen." Greminger 2007, S. 13. 326 Von Helfern zu Kollaborateuren, German-Foreign-Policy.com, 01.07.2007. 327 Christian aid 2004, S. 47. 328 Christian aid 2004, S. 47. 329 Haydt, Claudia: Zivilisierung des Militärischen oder Militarisierung des Zivilen?, in: Tobias Pflüger, Tobias/ Wagner, Jürgen (Hrsg.): Welt-Macht EUropa, Auf dem Weg in weltweite Kriege, VSA-Verlag Hamburg 2006, S: S. 312-323.

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denjenigen in Afghanistan versagt bleiben wird, die sie am dringendsten brauchen.

Gleichzeitig werden diejenigen, die Hilfe bereitstellen, zur Zielscheibe."330

Nachdem zahlreiche Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen tatsächlich zu Opfern von

Anschlägen wurden, sah sich die Organisation schließlich am 28. Juli 2004 nach 24jähriger

Tätigkeit dazu gezwungen, ihre Arbeit in Afghanistan einzustellen. Die Organisation war also

in der Lage unter den Warlords und Taliban humanitäre Hilfe zu leisten, nicht aber unter dem

zivil-militärischen Besatzungsregime des Westens - ein Armutszeugnis für ein Konzept, das

vorgeblich die Lebenssituation der Bevölkerung verbessern soll. Zu diesem Rückzug erklärte

Ärzte ohne Grenzen: "Die Gewalt gegen humanitäre Helfer spielt sich vor dem Hintergrund

einer zunehmenden Instrumentalisierung der Hilfe durch die US-geführte Koalition in

Afghanistan ab. [...] Koalitionsstreitkräfte missbrauchen die Hilfe beständig für ihre

militärischen und politischen Ziele und versuchen damit, die 'hearts and minds' der

afghanischen Bevölkerung zu gewinnen. Dadurch wird humanitäre Hilfe nicht mehr als

unparteilich und neutral angesehen. Dies wiederum gefährdet die Helfer und die Hilfe

selbst."331 Ähnliche dramatisch beurteilt Christian Aid die Realität vor Ort: "Die Situation ist

gefährlicher als unter den Taliban. [...] Dies ist die schlimmste Lage, die Christian Aid in

nahezu zwei Jahrzehnten Arbeit vor Ort in Afghanistan erlebt hat."332 Auch die

Welthungerhilfe reduzierte nach wiederholten Angriffen im Jahr 2007 ihre Aktivitäten in

Afghanistan drastisch. Die Organisation führt diese Angriffe maßgeblich zurück auf "die

Vermischung von Überlebenshilfe und Wiederaufbau mit militärischen Einsätzen und der

damit verbundenen unzureichenden Abgrenzung von zivilen und militärischen Kräften im

Rahmen der Provincial Reconstruction Teams (PRT). Wenn nämlich bewaffnete Kräfte nicht

mehr zwischen Militär und Zivilisten unterscheiden können, werden auch Hilfsorganisationen

zum Ziel von Angriffen."333 Zuletzt wurden im August 2007 drei afghanische Minenräumer der

lokalen Nichtregierungsorganisation MDC (Mine Detection and Dog Center) entführt und kurz

darauf ermordet. Ihre deutsche Partnerorganisation medico international sieht die

Verantwortung hierfür eindeutig in der zunehmenden Vereinnahmung ziviler Akteure für

militärische Ziele: "Für MDC wird es immer schwieriger, die Arbeit des Minenräumens

fortzuführen. Dies gilt im Besonderen, weil es im Rahmen des internationalen

Militäreinsatzes in Afghanistan zu einer zunehmenden Aufweichung der Grenze zwischen

zivilen Hilfsaufgaben und militärischen Einsätzen kommt. Helfer und ausländische Soldaten

verschmelzen in der Wahrnehmung der Bevölkerung und machen unsere Projektpartner

verstärkt zur Zielscheibe."334

330 Haydt 2006. 331 Haydt 2006. 332 Christian aid 2004, S. 3, S. 44. 333 Preuß, Hans-Joachim/Radke, Katrin: Akzeptanz durch Neutralität: Die Deutsche Welthungerhilfe ändert ihre Afghanistan-Strategie, in: eins (August 2007). 334 medico-Newsletter 05/2007.

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Zivile Organisationen werden in den Augen der Bevölkerung zu integralen Bestandteilen des

Besatzungsregimes, wie gerade aus der Praxis der PRTs deutlich wird: "An jedem beliebigen

Tag können sie theoretisch morgens auf Menschen schießen und danach Hilfe in demselben

Gebiet am Nachmittag verteilen. Die Teams können sogar Luftschläge der Koalition

anfordern."335 Dass deutsche Soldaten in Afghanistan mit weißen Geländewagen, dem

traditionellen Erkennungszeichen humanitärer Organisationen, durch die Gegend fahren,

trägt nicht gerade dazu bei, dass die Bevölkerung vor Ort in der Lage ist, zwischen

militärischen und zivilen Akteuren zu unterscheiden.336 Statt dass das Militär angesichts der

beobachtbaren Eskalation in den Hintergrund rückt, führt die Situation in Afghanistan

mittlerweile zu der grotesken Reaktion, dass humanitäre Helfer zunehmend versuchen, ihre

Identität zu verbergen: "Die Attentate auf UN, IKRK und andere Hilfsorganisationen in

Afghanistan und im Irak haben dazu geführt, dass Hilfsorganisationen inzwischen ihre

Identität lieber verbergen und unsichtbar bleiben wollen. Sie haben ihre Aufkleber von den

Fahrzeugen entfernt und die Helfer tragen nicht mehr die T-Shirts mit dem Logo ihrer

Organisation. Die militärische Absicherung von humanitärer Hilfe steht im Widerspruch zum

Neutralitätsprinzip und macht die Hilfsorganisationen unglaubwürdig."337

Tabelle 3: Opfer unter humanitären Helfern zwischen 1997 und 2005 Gesamtzahl Tote Verwundete Kidnappings 1997 77 39 8 32 1998 69 36 15 18 1999 66 29 15 20 2000 94 58 25 11 2001 94 27 20 47 2002 83 38 23 25 2003 145 86 49 8 2004 140 60 55 24 2005 174 61 95 17 Gesamtzahl 947 434 305 202 Quelle: Stoddard, Abby/Harmer, Adele/Haver, Katherine: Providing Aid in Insecure Environments: Trends in Policy and Operations, HPG Report 23, September 2006, S. 11.

Vor diesem Hintergrund ist es zynisch, dass die zivil-militärische Vermischung zumeist mit

der Notwendigkeit zum Schutz der humanitären Helfer begründet wird: "Der ehemalige

Verteidigungsminister Peter Struck begründete im Jahr 2003 die Ausweitung des

335 Christian aid 2004, S. 46. 336 Vgl. Preuß, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen zum Thema "Zivil-militärische Zusammenarbeit" 2006. 337 Lieser, Jürgen: Helfer als Handlanger? Humanitäre Hilfe in den Zeiten der neuen Kriege, in: neue caritas, September 2004.

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Bundeswehrmandats in Afghanistan auf Kunduz auch damit, dass Hilfsorganisationen

geschützt werden müssten. Aus Sicht der Hilfsorganisationen ist ihre Unabhängigkeit und

Unparteilichkeit sowie die Verankerung in der lokalen Bevölkerung der beste Schutz. [...]

Hilfsorganisationen haben die Erfahrung gemacht, dass verstärkte militärische Präsenz nicht

unbedingt mehr Sicherheit bringt. [...] Wo Soldaten aus politisch-militärischen Gründen als

Helfer auftreten, werden auch schnell den zivilen Helfern politisch-militärische Interessen

unterstellt."338 So steigt die Gefährdung humanitärer Helfer in den letzten Jahren dramatisch

an. Im Jahr 2004 wurden 24 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in Afghanistan ermordet,

2005 waren es 31 und 2006 insgesamt 26.339 Dieser Trend lässt sich auch für andere

Krisenregionen beobachten, wie eine Studie zutage förderte. Nahezu 500 humanitäre Helfer

verloren in den letzten zehn Jahren ihr Leben - mit dramatisch steigender Tendenz. Dabei

geraten vermehrt Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen ins Visier und der Charakter

der Anschläge nimmt laut Studie immer gezieltere, politisch motivierte Formen an.340 Allein

2006 wurden weltweit 83 Helfer getötet und fast 800 verletzt.341 Dennoch betonte die

Bundesregierung noch Ende 2006: "Bezogen auf nationale/internationale zivile Akteure

lassen sich aber keine bestätigenden Anhaltspunkte finden, die Übergriffe auf eine zu enge

Zusammenarbeit z. B. mit den Militärkräften eines PRT zurückführen ließen."342

5.6 Fazit: CIMIC als integraler Bestandteil westlicher Kriegspolitik Aus dem bisher dargestellten erübrigt sich eigentlich eine abschließende Kritik an der Zivil-

militärischen Zusammenarbeit. Sie bündelt entwicklungspolitische Kapazitäten für

militärische Aufgaben, die nicht oder allenfalls nur bedingt der Armutsbekämpfung dienen

und vergrößert die Gefahr für humanitäre Helfer erheblich (siehe auch Kasten 2).

Doch da staatliche Gelder in den Haushalten vieler NGOs mittlerweile eine große Rolle

spielen, steht zu befürchten, dass hierüber vermehrt Druck ausgeübt werden wird, auf den

zivil-militärischen Zug aufzuspringen und die Kritik einzustellen. Ein Report der britischen

Action Aid warnt bereits davor, dass NGOs, die sich nicht in die staatliche Agenda einpassen

lasen wollen, sich zunehmenden Schwierigkeiten gegenübersehen werden.343 Noch

deutlicher äußert sich Pierre Micheletti, Vorsitzender der internationalen Hilfsorganisation

Médecins du Monde (Ärzte der Welt): "Dass außerdem die Budgets der NGOs zunehmend

338 Runge, Peter: Helfer in Uniform?, in: Wissenschaft und Frieden, 4/2006. 339 Croll 2007, S. 15. 340 Stoddard, Abby/Harmer, Adele/Haver, Katherine: Providing Aid in Insecure Environments: Trends in Policy and Operations, HPG Report 23, September 2006. 341 Scott, Cameron: Assessing ISAF: A Baseline Study of NATO’s Role in Afghanistan, BASIC, March 2007, S. 6. 342 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Hänsel, Monika Knoche, Paul Schäfer (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 16/3385, S. 7. 343 Cosgrave, John: The impact of the war on terror on aid flows, Action Aid, April 2007, URL: http://www.actionaid.org/docs/terror_aid.pdf (eingesehen 14.08.2007).

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aus institutionellen Mitteln, insbesondere aus EU-Töpfen finanziert werden (die EU ist der

weltweit größte Geldgeber), nährt natürlich den Verdacht, dass die [...] Hilfsorganisationen

letztlich der geostrategischen Linie der Geberländer folgen. Und dies umso mehr, als die

wirtschaftliche Logik die NGOs mitunter dazu verleitet, sich mit Blick auf gewisse

Finanzierungswege in Programme einzubringen, die sie regelrecht zu Dienstleistern

umfunktionieren, quasi strategisch komplementär zum Militär. So gesehen stinkt Geld eben

doch."344

Kasten 2: Zivil-militärische Zusammenarbeit - Kritikpunkte Die folgenden Kritikpunkte an CIMIC von Andreas Buro beziehen sich zwar auf die Zivile Konfliktbearbeitung (ZKB), treffen aber ebenso auf die Entwicklungszusammenarbeit zu. 1. CIMIC ist der Versuch, die zivilen Kompetenzen der Bundeswehr oder allgemein gesprochen des Militärs auszuweiten und dabei auch friedenspolitisch orientierte Gruppen zur Bewältigung insbesondere von Nachkriegssituationen zu instrumentalisieren. 2. Die ZKB-Kräfte geraten dabei in eine Situation die von vornherein militärisch gewaltträchtig bestimmt ist. Als letztes Mittel steht hinter CIMIC stets das militärische Drohmittel und der militärische Einsatz. Dies ist unvereinbar mit der Grundphilosophie Ziviler Konfliktbearbeitung, die gerade auf Dialog, Kooperation und das Aushandeln von Konflikten gerichtet ist. In CIMIC wird ZKB jedoch zum taktischen Instrument militärgestützter Politik. 3. Militärgestützte Politik würde sich eher für eine Intervention entscheiden, wenn sie davon ausgehen könnte, die Nachkriegssituation - natürlich denkt man sofort an den Kosovo und den Irak - durch CIMIC sicherer beherrschen zu können. Damit würde CIMIC zu einer den Krieg fördernden Politik beitragen. 4. Ein Gegenargument könnte lauten: Im Rahmen von CIMIC können wir zumindest in Nachkriegssituationen eine Verschiebung zugunsten von ZKB erreichen. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Doch war das das Ziel Ziviler Konfliktbearbeitung? Ist der Preis hierfür nicht viel zu hoch und lässt sich dieses Ziel nicht viel besser durch eigenständige Projekte erreichen? 5. Angesichts der Asymmetrie der CIMIC-Partner ist es äußerst zweifelhaft, dass die Grundorientierung der Zivilen Konfliktbearbeitung, die auf Prävention und Dialog setzt und Zwang ablehnt, sich gegen die militärgestützte Politik der Regierungen durchsetzen kann. Im Bereich der Prävention, die ja das eigentliche Anliegen der Friedensbewegung darstellt, gewinnen die ZKB-Kräfte durch CIMIC voraussichtlich keinen Einfluss, denn die Form der Prävention gehört zum Herzstück der herrschenden, militärgestützten Politik. Allenfalls könnten bei mehr oder weniger kleinen Konflikten im Bereich der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit Diskussionen über präventive Maßnahmen durch ZKB einflussreich werden. In diesen dürfte allerdings das Militär ohnehin keine oder nur eine Nebenrolle spielen. 6. In Cimic wird ZKB zu einem Bestandteil des militärischen Konfliktaustrags, der auch noch als Legitimationselement für militärische "Friedensmissionen" und "Friedenskonsolidierung" dienen kann und sicherlich auch dafür genutzt wird. Die Legitimationsfolie für militärische Einsätze der Großmächte heißt heutzutage ohnehin, dass sie den "Gerechten Krieg" der "Guten" gegen die "Bösen" führen. Die ZKB-Kräfte landen mit CIMIC auf der Seite der militärisch starken "Guten". Das eigentliche Anliegen von ZKB, die Überwindung des militärischen Konfliktaustrags, bleibt dabei auf der Strecke. 7. CIMIC bedeutet eine Aufspaltung der Kräfte, die eigentlich für eine grundsätzlich veränderte Politik der Konfliktbewältigung, nämlich präventivund mit zivilen Mitteln, eintreten wollten. Diejenigen, die sich auf CIMIC einlassen, werden - so meine Vermutung - materiell und in der öffentlichen Wahrnehmung privilegiert werden. Diejenigen jedoch, die am eigentlichen Ziel der Überwindung des militärischen Konfliktaustrags und der dementsprechenden Abrüstung festhalten, werden wie bisher materiell und in der öffentlichen Wahrnehmung vernachlässigt oder gar diffamiert werden. Quelle: Buro, Andreas: CIMIC - ein brisanter Cocktail, in: FriedensForum 4/2004. 344 Micheletti, Pierre: Schutzlose Helfer, in: Le Monde diplomatique (deutsch), Juni 2007.

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Auch die Summen, die das BMZ jährlich ausschüttet, sind immens. Für das Haushaltsjahr

2007 sind allein für die kirchlichen Träger 166,1 Mio. Euro eingestellt, weitere 29 Mio. für

private Träger.345 Angesichts solcher Beträge ist es schwer vorstellbar, dass NGOs, deren

Etat sich zum Großteil aus diesen Geldern zusammensetzt - staatliche Mittel machen bspws.

beim Evangelischen Entwicklungsdienst 66,6% des Gesamthaushaltes aus -, sich den

Begehrlichkeiten der Politik dauerhaft erwehren werden können.346 Es geht dabei um Jobs

und Existenzen, der hierdurch erzeugte Anpassungsdruck dürfte immens werden, ein

Einknicken bislang noch überwiegend kritischer Positionen zur Zivil-militärischen

Zusammenarbeit steht somit zu befürchten: "Die Entwicklung der kommenden Jahre geht

daher in die Richtung, dass wohl einige wenige NROs, die sich überwiegend über Spenden

finanzieren, in der Lage sein werden, eine eigenständige Politik zu fahren; dagegen dürften

viele NROs, die auf Projektgelder von EU oder staatlichen Gebern angewiesen sind, Teil von

integrierten Missionen werden."347

Es liegt auf der Hand, dass dies unter allen Umständen verhindert werden muss. Denn man

sollte sich keinen Illusionen hingeben, worin die tatsächliche Aufgabe von CIMIC besteht.

Selbstverständlich wird damit darauf abgezielt, "Sicherheit" und "Stabilität" herzustellen, fragt

sich nur für wen und was. Denn es geht nicht darum, die ökonomische Sicherheit der

Bevölkerung zu verbessern, sondern um die Sicherung von Profitinteressen. Der Ex-

Siemens-Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer benannte diesen Zusammenhang in

einem Vortrag vor dem UNO-Sicherheitsrat, mit dem bezeichnenden Titel die "Rolle der

Wirtschaft in Konfliktverhinderung und Friedenserhaltung", recht offen. Die Österreichische

Militärische Zeitschrift fasst seine Aussagen folgendermaßen zusammen: "Die Wirtschaft

könne nur im Kielwasser der Politik schwimmen, Investitionen seien nur möglich, nachdem

die Sicherheit gewährleistet ist und die Politik die Rahmenbedingungen geschaffen habe,

führte er aus. Die Entwicklung des europäischen Krisenmanagements zeige, dass diese

Rahmenbedingungen zumeist durch militärische Operationen zu schaffen waren, in deren

Gefolge wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen - zunächst über das Instrument der

CIMIC (Civil-Military Cooperation) - erst ermöglicht wurden."348

Neben diesem unmittelbaren Interesse daran, bei der Schaffung eines

"investitionsfreundlichen Klimas" behilflich zu sein, findet im Rahmen des zivil-militärischen

Nation Building eine Transformation der jeweiligen Gesellschaftssysteme entlang

neoliberaler Vorgaben statt. Da hierdurch aber bestehende Hierarchie- und 345 Kein Geld für die Armen? Ursachen - Analysen - Alternativen, Socia Watch Deutschland, Report Nr. 6/2006, S. 77. 346 Evangelischer Entwicklungsdienst: Finanzen 2006, URL: http://www.eed.de/de/de.eed/de.eed.eed/de.eed.eed.finanzen.2007/index.html (eingesehen 15.08.2007). 347 Glassner 2007, S. 28. 348 Österreichische Militärische Zeitschrift, 4/2004, S. 489.

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Ausbeutungsstrukturen perpetuiert statt überwunden werden, muss jeglicher Beitrag ziviler

Akteure hieran kategorisch abgelehnt werden, wie im nächsten Kapitel gezeigt werden soll.

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6. Neoliberales Nation Building

Auffällig ist, wie stark neoliberale Politikvorschläge die Debatte um das "richtige" Nation

Building dominieren. Die Frage, wie weit dabei die neoliberale Zurichtung der jeweiligen

Staaten betrieben wird, beantwortet Michael Pugh folgendermaßen: "So weit das Auge

reicht."349 State Building ist nichts anderes, als was von Stephen Gill als "Neuer

Konstitutionalismus" bezeichnet wurde. Dabei wird den besetzten Ländern der

Neoliberalismus per Verfassung oktroyiert, was wiederum eine der zentralen

Vorbedingungen für die Wiedergewährung formaler Souveränität darstellt. Für Gill stellt dies

einen Schlüsseltrend im internationalen System dar: "Die Adaption einer liberalen

Verfassung und anderer Maßnahmen, die dazu führten, dass die Grundzüge neoliberaler

Politik bereits in Gesetzen, Verträgen und ökonomischen Institutionen enthalten sein

musste."350

Ganz ähnlich beurteilt dies Erin Simpson vom Canadian Council for International

Cooperation (CCIC): "Beurteilt man die im Entstehen befindliche Politik der Geberländer

bezüglich gescheiterter und fragiler Staaten zeigt sich, dass das State-Building-Model

hochgradig interventionistisch, ja sogar quasi-kolonial ist. [...] In der ersten Phase erfolgt die

Stabilisierung durch eine militärisch geführte 'Friedensunterstützende Operation'. In der

zweiten Phase folgt der Aufbau von Institutionen, einschließlich der Anfertigung einer neuen

Verfassung und in der dritten und letzten Phase die Konsolidierung der institutionellen und

politischen Reformen. [...] Der unausweichliche Einsatz militärischer Gewalt ebenso, wie die

Neuerstellung von Verfassungen und die groß angelegte Umstrukturierung der Ökonomie in

Wiederaufbauprozessen sollte Befürworter einer demokratischen Entwicklung mit Sorge

erfüllen. Wir waren in den 1980er und 90er besorgt über die Strukturanpassungsprogramme

[des Internationalen Währungsfonds], hier handelt es mit um strukturellen Wiederaufbau - mit

Waffen."351 Zwar entspricht dieser neoliberale "Wiederaufbau" den grundlegenden

ordnungspolitischen Vorstellungen der westlichen Industrienationen, er trägt aber nichts

dazu bei, die Lebenssituation vor Ort zu verbessern, im Gegenteil, wie im Folgenden gezeigt

werden soll.

6.1 Neoliberalismus als europäische Kernideologie Im Zuge der Veröffentlichung ihrer "External Competitiveness Strategy" durch die EU-

Kommission im Oktober 2006 gab Handelskommissar Peter Mandelson die Richtung vor:

349 Pugh, Michael: The political economy of peacebuilding: a critical theory perspective , in: International Journal of Peace Studies, vol. 10, no. 2 (autumn/winter 2005), S. 23-42. 350 Gill, Stephen: Die falsche Antwort auf die amerikanische Frage, in: Prokla, Jg. 34, Nr. 135 (2004), S. 287-297, S. 290. 351 Simpson, Erin: Two Become One: The Integration of Security and Humanitarian Action, the networker, Juni 2006.

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"Was verstehen wir unter externen Aspekten der Wettbewerbsfähigkeit? Wir meinen damit,

dass Europäische Unternehmen [...] dazu befähigt werden müssen, Zugang zu und eine

sichere Operationsfähigkeit in den Weltmärkten zu erhalten. Das ist unsere Agenda."352

Hierfür setzt die Europäische Union außenpolitisch konsequenterweise voll auf neoliberale

Politiken. Obwohl in seiner ursprünglichen Fassung wohl gescheitert, lassen sich hierfür

dennoch exemplarisch die einschlägigen Passagen des EU-Verfassungsvertrags anführen,

der folgendes Ziel ausgibt: "die Integration aller Länder in die Weltwirtschaft zu fördern, unter

anderem auch durch den allmählichen Abbau von Beschränkungen des internationalen

Handels." (Artikel III-193) Weiter beabsichtige man, "zur schrittweisen Beseitigung der

Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen

Direktinvestitionen sowie zum Abbau der Zoll- und anderer Schranken beizutragen." (Artikel

III-216)

Darüber hinaus werden im EU-Verfassungsentwurf ebenso, wie in der Europäischen

Sicherheitsstrategie (ESS) ausgerechnet IWF und Weltbank als "Schlüsselinstitutionen" zur

Armutsbekämpfung bezeichnet. Im EU-Verfassungsvertrag findet sich eine allgegenwärtige

Diskrepanz zwischen hehren Zielen und neoliberalen Mitteln, die von Ulrich Duchrow

folgendermaßen zusammengefasst wird: "Zwar wird hier als Hauptziel 'die Bekämpfung und

auf längere Sicht die Beseitigung der Armut' festgestellt (III.218). Die Erreichung dieses

Hauptziels kann aber nur scheitern, wenn man die zwei fundamentalen Widersprüche ins

Auge fasst, die ihm im Rahmen dieser Verfassung entgegenstehen. Der erste besteht in der

überragenden, die ganze Verfassung durchziehenden Priorität der Liberalisierung. Denn die

Entwicklung von schwächeren Ländern im Rahmen der Weltwirtschaft kann nur mit Hilfe von

Schutzmaßnahmen der eigenen Wirtschaft gelingen. Das ist eine Binsenweisheit, die in der

Geschichte des Kapitalismus hundertfach belegt werden kann. Der zweite Widerspruch

besteht darin, dass die Entwicklungszusammenarbeit im gleichen Artikel III.218 ausdrücklich

an die Politik der zuständigen internationalen Organisationen gebunden wird, d.h. u.a. an

IWF, Weltbank und WTO. Auch hier ist empirisch feststellbar, dass deren Politik Armut

schafft, statt sie zu beseitigen."353

Selbstredend wird diese Politik auch ohne Vertrag fortgesetzt: "Der Versuch, den

Neoliberalismus konstitutionell zu etablieren, ist zwar 2005 gescheitert, die neoliberale Politik

jedoch wird ungehemmt fortgesetzt."354 Gerade was die erzwungene Zurichtung von Ländern

352 Europe competing in the world, Speech by Peter Mandelson at the Churchill Lecture, Federal Foreign Office, Berlin, 18 September 2006, URL: http://ec.europa.eu/commission_barroso/mandelson/speeches_articles/sppm114_en.htm (eingesehen 03.07.2007). 353 Duchrow, Ulrich: Der Gott der EU-Verfassung, in: Zeitschrift für Entwicklungspolitik, Heft 5/6/2004. 354 Altvater, Elmar: S.O.S. Europa, Freitag 51/52/2005.

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der Dritten Welt anbelangt, ist seit einigen Jahren eine Kursverschärfung feststellbar355,

woran auch die Entwicklungszusammenarbeit beteiligt ist.

6.2 Bittere Medizin: Neoliberale Entwicklungshilfe als Armutsbekämpfung Selbstverständlich kritisieren weiterhin viele im Entwicklungsbereich tätige Menschen und

Organisationen die armutsverschärfenden Auswirkungen neoliberaler Politik. Es gibt jedoch

auch dort andere Stimmen. So sehen zwei Vertreter des Deutschen Instituts für

Entwicklungspolitik "eine Entwicklungspolitik notwendig, die in den Partnerländern die

Akzeptanz liberaler Normen im internationalen System begünstigt."356 Auch der EU-Konsens

zur Entwicklungspolitik bedient sich der üblichen Codewörter, die für eine Umsetzung der

neoliberalen Agenda stehen: "Bei den ärmsten Ländern, insbesondere den LDC und kleinen

Ländern, Ländern ohne Zugang zum Meer und Inselstaaten muss der Schwerpunkt

besonders auf der Angebotsseite und auf der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des

Privatsektors liegen."357

Völlig unverfroren gibt Christian Ruck, entwicklungspolitischen Sprecher der CDU/CSU-

Fraktion, an, eine Hauptaufgabe der Entwicklungshilfe bestehe darin, den Marktzugang für

westliche Konzerne zu verbessern: "Die Bekämpfung von Armut und Unterentwicklung und

die Herstellung von Stabilität in den Entwicklungsländern wird nur erreichbar sein, wenn es

gelingt, dort gute Regierungsführung und ein investitionsfreundliches Klima zu etablieren.

Die Lösung dieser Aufgabe fällt vorrangig in die Eigenverantwortung der betroffenen Länder.

Die deutsche Entwicklungspolitik sieht es aber als zentrale Aufgabe an, ihre Partner dabei zu

unterstützen."358 Kein Wunder, dass für viele Menschen in der Dritten Welt die

Entwicklungshilfe lediglich eine Art "freundliche Unterjochung" darstellt, mit der auf nicht-

militärischem Weg die Interessen der Geber durchgesetzt werden sollen: "Selten wird

gesehen, dass meist vor allem strategische Interessen der Geberländer dahinter stehen. [...]

Letzten Endes profitiert nicht Afrika von der Hilfsindustrie, sondern die internationale

Rohstoffindustrie, Banken, Wirtschaftsprüferfirmen und lokale Filialen von auswärtigen

Unternehmen. Paradoxerweise liegt es nicht im Interesse der Hilfsindustrie, einheimische

afrikanische Lösungsstrategien zu fördern."359 Ähnlich äußert sich auch Aminata Traoré, eine

ehemalige Ministerin in Mali: "Wir stellen zudem immer wieder fest, dass westliche

Interessen Vorrang haben und Gegenleistungen erwartet werden. Quidproquo ist 355 Willett, Susan: Development and security in Africa, in: Harris, Geoff (ed.): Achieving Security in Sub-Saharan Africa, Pretoria 2004, S. 101-120, S. 111. 356 Faust, Jörg/Meissner, Dirk: Entwicklungspolitik als ein Kernelement der europäischen Sicherheitspolitik, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Analysen und Stellungnahmen (3/2004), S. 2. 357 EU-Konsens über die Entwicklungspolitik 2006, S. 12. 358 Ruck: Partnerschaft mit der Wirtschaft zu einer "Allianz für Entwicklung" ausbauen!, Mitteilung, 23.01.2006, URL: http://www.christian-ruck.de/infopool/presse/2006/pm_240106WirtschaftEZ.pdf (eingesehen 20.08.2007). Hervorhebung JW. 359 Shikwati, James: Fehlentwicklungshilfe in: Internationale Politik, April 2006.

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entwicklungspolitische Realität. Im Zuge der neoliberalen Globalisierung wollen die reichen

Länder mit ihrer 'Hilfe' das Geschäft ankurbeln, selbst wenn das uns zum Nachteil gereicht.

[...] Auf Bamanan sagen wir: 'Die Hand, die gibt, ist über der, die empfängt.'

Entwicklungszusammenarbeit bildet da keine Ausnahme. Die Konditionen geben den

Geberländern Raum für Entscheidungen, Urteile, Belohnungen und Sanktionen. Indem sie

ihn nutzen, verstoßen sie gegen den demokratischen Geist, der Macht des Volkes, durch

das Volk und für das Volk fordert."360

Offensichtlich gewinnt auch innerhalb des BMZ die Liberalisierungsagenda gegenüber

Maßnahmen zur unmittelbaren Armutsbekämpfung an Boden. So wurde 2004 der Budgettitel

für Ernährungssicherungsvorhaben im Haushalt des BMZ gestrichen, ohne dass an anderer

Stelle die Anstrengungen zur Reduzierung des Hungers verstärkt wurden. Ebenso deutlich

zeigt sich dies anhand der Tatsache, dass der größte Einzelposten unter den zwölf

Schwerpunktbereichen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Jahr 2005 der

Bereich "Wirtschaftsreform und Aufbau der Marktwirtschaft" darstellte.361 Ein deutliches

Beispiel, wie speziell Deutschland im Rahmen der Entwicklungshilfe gezielt neoliberale

Politiken umsetzt, die zu einer Verschärfung der Armut führen, ist die 2004 begonnene

Neuausrichtung der Subsahara-Politik des BMZ. Der lange in Namibia tätige

Wirtschaftswissenschaftler Jörg Goldberg, merkt kritisch an, das BMZ ziele hiermit primär auf

"bessere Rahmenbedingungen für Privatunternehmen" und bewege sich auf den "bekannten

Pfaden von Privatisierung und Deregulierung. [...] Die Erfahrungen der Vergangenheit aber

haben gezeigt, daß es die unterstellte Automatik von besseren Rahmenbedingungen für

private Unternehmen und Armutsreduzierung nicht gibt, speziell nicht in Afrika. [...] Ganz

allgemein ist festzuhalten, daß die klassischen Felder der direkten Armutsbekämpfung

(Bildung und Gesundheit, Ernährungssicherheit, Soziale Sicherheit, Ländliche Entwicklung,

Informeller Sektor) faktisch nicht mehr vorkommen. [...] Ohne verstärkte Aktivitäten der

unmittelbaren Armutsbekämpfung und ohne die Schaffung von mehr Sozialer und

Ernährungssicherheit für die Armen wird es weder nachhaltiges Wachstum noch einen

deutlichen Rückgang der Armutsquoten geben."362

Auf EU-Ebene wird die Vergabe von Entwicklungshilfe zunehmend davon abhängig

gemacht, ob ein Land bereit ist, sich dem neoliberalen Weltwirtschaftssystem auszuliefern.

So stellten hohe Beamte der EU-Kommission während einer Pazifikreise im Jahr 2006

unmissverständlich klar, dass die Vergabe von Entwicklungshilfe an die Bereitschaft zur

Unterzeichnung von Handelsverträgen (Economic Partnership Agreements, EPAs) gekoppelt

360 "Überleben ist unsere Priorität", Interview mit Aminata Traoré, in: Entwicklung & Zusammenarbeit 07/2006. 361 Pedersen, Klaus: Zum eigenen Nutzen. Bundesregierung betreibt Militarisierung der »Entwicklungshilfe«, junge welt, 09.08.2006. 362 Goldberg, Jörg: BMZ und Afrika: Profilbildung als Rolle rückwärts, Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, April 2006.

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ist.363 Auch der EU-Konsens zur Entwicklungspolitik betont: "Die EU unterstützt

nachdrücklich einen raschen, ehrgeizigen und auf Hilfestellung für die Armen ausgerichteten

Abschluss der Doha-Entwicklungsrunde sowie von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen

(EPA) zwischen der EU und AKP-Ländern."364 Dies ist insofern problematisch, da die EPA-

Abkommen extrem negative Auswirkungen haben, wie eine Studie des

entwicklungspolitische Netzwerk EUROSTEP zusammen mit terre des hommes und Weed

feststellt: "Die Autoren der Studie folgern, dass die geplante Handelsliberalisierung mit den

AKP-Staaten massiv den Erfolg der Armutsbekämpfungs-Programme in den untersuchten

Ländern und gefährdet die Ziele des Cotonou-Abkommens selbst untergräbt. [...] Sie

kritisieren, dass sich die derzeitigen Verhandlungen im Eigeninteresse der EU auf den

Zollabbau konzentrieren, während nicht-tarifäre Handelshemmnisse und andere Probleme,

die steigenden Exporten aus den AKP-Staaten in die EU entgegenstehen, ausgeklammert

bleiben. [...] 'Aus der Studie geht klar hervor, dass die Menschen in den AKP-Staaten unter

wirtschaftlichen und ökologischen Fehlentscheidungen leiden werden. Statt aus

ökonomischem Eigennutz auf der Marktöffnung zu bestehen, sollte die EU zunächst eine

autonome regionale Entwicklung unterstützen und auf Freihandel verzichten', so Klaus

Schilder, Projektreferent für EU Nord-Süd-Politik bei WEED."365 Immer häufiger erfolgt die

neoliberale Zurichtung jedoch nicht mehr indirekt über Konditionalitäten und Verträge,

sondern auf direktem Weg im Rahmen des State Building.

6.3 Neoliberales State Building I: Theorie Im Rahmen des "Stabilitätsexports" wird das komplette neoliberale Programm

durchgezogen: Verschleuderung des Staatseigentums durch umfassende Privatisierungen,

Öffnung für ausländische Investoren und Handel, etc. Da diese Maßnahmen zumeist durch

das Militär abgesichert werden, handelt es sich hierbei um "umgestaltende Besetzungen"

("transformational occupations"366), die auf die vollständige neoliberale Zurichtung der

betroffenen Länder hinauslaufen. Nach klassischem Besatzungsrecht sind derartige Eingriffe

in die innere Verfassung des unterworfenen Staates jedoch illegal: "Die Befugnis zur

Änderung des institutionellen Gefüges, zur Revolutionierung der Verfassungsordnung

gewährt das klassische Recht der militärischen Besetzung nicht - im Gegenteil, es schließt

eine derartige Umgestaltung eigentlich bewusst aus. [...] Letzten Endes gibt keiner der

363 Sebban, Florent: EU aid masks big bully tactics in developing world, URL: http://www.indymedia.org.uk/en/2007/01/360715.html (06.08.2007). 364 EU-Konsens über die Entwicklungspolitik 2006, S. 7. 365 Studie belegt Armutsverschärfung durch Freihandel, ngo-online.de, 31.03.2004; Cotonou Working Group: Report of Seminar on the ACP-EU-Partnership Agreement, Brüssel, 20.10.2003. 366 Vgl. Scheffer, David J.: Beyond Occupational Law, The American Journall of International Law, Vol. 97, No. 4 (October 2003), pp. 842-860.

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klassischen Interventionstitel eine Folgebefugnis zur Transformation der staatlichen Ordnung

her."367

Dennoch ist die neoliberale Transformation der Gesellschaftssysteme der Kern der

gesamten Nation-Building-Agenda. Wie erwähnt lautet dabei das Argument, dass ohne

"Stabilitätsexport" mit anschließendem Staatenbau unter kolonialer Beaufsichtigung eine

Integration in den Weltmarkt und neoliberale Umstrukturierungen unmöglich seien, die

ihrerseits als Vorbedingung für eine erfolgreiche Bekämpfung von Armut und hieraus

resultierenden Konflikten zurechtinterpretiert werden. "Unter Wiederaufbau verstehe ich die

Wiederherstellung einer funktionsfähigen, auf allgemeinen Regeln basierenden politischen

Ökonomie", betont etwa Mary Kaldor.368 Unerwähnt bleibt dabei, wer diese Regeln aufstellt

und wie sie sich auswirken. Denn es sind die vom Westen dominierten Institutionen, IWF,

Weltbank und WTO, die die Regeln der internationalen Ökonomie diktierten, was sich auch

in den praktischen Vorschlägen zum Staatenbau niederschlägt.

Ein Paradebeispiel zum Verständnis des neoliberalen State Building und seines quasi-

kolonialen Charakters liefert Roland Paris, einer der führenden Propagandisten dieses

Ansatzes: "Internationale Friedenserhaltungseinsätze streben die Stabilisierung von Ländern

an, die kurz zuvor von Bürgerkriegen heimgesucht wurden. Hierfür wurde von den

internationalen Friedensstiftern eine spezifische Vision verkündet, wie sich Staaten intern

organisieren sollten, auf der Grundlage liberaler Demokratie und einer marktwirtschaftlich

orientierten Ökonomie. Durch den Wiederaufbau vom Krieg erschütterter Staaten im

Einklang mit dieser Vision, haben die Friedensstifter de facto einen Standard für

angemessenes Verhalten vom liberal-westlichen Kern des internationalen Systems auf die

gescheiterten Staaten der Peripherie 'übertragen'. Aus diesem Blickwinkel ähnelt die

Friedenskonsolidierung einer aktualisierten (und wohlwollenderen) Version der mission

civilisatrice oder der Überzeugung während der Kolonialzeit, dass die europäischen

imperialen Mächte eine Pflicht zur 'Zivilisierung' der abhängigen Bevölkerungen und

Territorien hätten."369 Generell plädieren nahezu sämtliche einflussreichen Befürworter des

State Building dafür, dass der Umstrukturierung entlang neoliberaler Linien absolute Priorität

vor allen anderen Aspekten einzuräumen sei: "Obwohl Peacebuilder nicht mit einer

einheitlichen Vision oder einer einzigen Blaupause agieren, leiten liberale Werte so eindeutig

ihre Aktivitäten, dass wir ihre gemeinsamen Anstrengungen als 'Liberales Peacebuilding'

bezeichnen können."370 Offensichtlich handelt es sich beim Nation Building um wenig mehr, als um eine selbst 367 Oeter, Stefan: Post-Conflict Peacebuilding, in: Friedenswarte, Nr. 1-2/2005, S. 41-60, S. 43, 45. 368 Kaldor 2000, S. 209. 369 Paris, Ronald: International Peacekeeping and the "mission civilastrice", in: Review of International Studies 28/2002, S. 637-656. 370 Barnett, Michael: Building a Republican Peace: Stabilizing States after War, International Security. Vol. 30, No. 4 (Spring 2006), pp. 87-112, S. 88. Ein Paradebeispiel für dieses "liberale Peacekeeping" ist Dobbins, James: Preparing for Nation-Building, Survival, vol. 48, no. 3 (Autumn 2006), pp 27-40.

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erteilte Lizenz zum Plündern: "Die selbstgefällige und selbstgerechte Legitimation für die

Interventionskriege liefert das operative Kontrollkonzept, das von seinen Betreibern als

'Demokratie' und als 'nation- und state-building' bezeichnet wird und hinter solchen

Euphemismen nur mühsam das tatsächliche Geschehen verdeckt: die gewaltsame Öffnung

und Enteignung des Südens, im Irak, und nicht nur dort, durchgesetzt durch die territoriale

und politische Fraktionierung der Gesellschaft nach kulturellen, religiösen und ethnischen

Kriterien. Im Kontext imperialer Kriege ist Demokratie in der Peripherie also eine operative

Mission, d.h. die Installierung eines Kontrollregimes, das durch die Anwesenheit der

Besatzungsmächte physische Gestalt annimmt."371

6.4 Neoliberales State Building II: Afghanistan Obwohl das in Afghanistan praktizierte zivil-militärische State Building als protypisch für

sämtliche künftigen Einsätze gesehen wird, hat die Praxis der westlichen Besatzung mit

Wiederaufbau wenig gemein. So wurde mit deutscher Unterstützung ein Investitionsgesetz

vorgelegt und im Dezember 2005 verabschiedet: "Es sieht 100%igen Firmenbesitz von

Ausländern vor, Schutz vor Enteignung, Steuerbefreiung in den ersten acht Jahren,

Zollreduzierung und 100%igen Gewinntransfer."372 Die Bundesagentur für Außenwirtschaft

bemerkt deshalb wohlwollen: "Afghanistan kann als eine der offensten Volkswirtschaften

überhaupt, auf jeden Fall aber als die offenste Volkswirtschaft der Region bezeichnet

werden. Handelsbeschränkungen und Subventionen sind praktisch nicht existent, und die

afghanische Regierung zeigt sich sehr aufgeschlossen für Investitionen im Land."373

Worin hier der Vorteil für die afghanische Bevölkerung liegen soll, bleibt schleierhaft, denn

diese Maßnahmen tragen nichts dazu bei, dass nicht weiterhin 70% der Afghanen chronisch

unterernährt sind und 25% keinen Zugang zu Trinkwasser haben - eher im Gegenteil. Trotz

dieser alarmierenden Zahlen beliefen sich die westlichen Militärausgaben von 2002 bis 2006

auf 82.5 Mrd. Dollar, die Entwicklungshilfe im gleichen Zeitraum jedoch lediglich auf 7.3 Mrd..

Gleichzeitig versinkt ein Großteil dieser Gelder zugunsten völlig sinnloser Projekte in den

Taschen westlicher Konzerne. Es hat sich ein Aufbauunwesen ungeheuren Ausmaßes breit

gemacht, das von der afghanischen Politikwissenschaftlerin Fariba Nawa treffend als

"Afghanistan Gmbh" beschrieben wird.374 Wie bereits dargestellt fließt zudem noch ein

Großteil der Hilfsgelder in den Sicherheitssektor (bspws. in den Aufbau der Polizei). So 371 Alnasseri 2004. 372 Baraki, Matin: Afghanistan nach den Taliban, in: Apuz 48/2004. 373 Bundesagentur für Außenwirtschaft: Wirtschaftsentwicklung Afghanistan 2006, URL: http://www.bfai.de/DE/Content/__SharedDocs/Links-Einzeldokumente-Datenbanken/fachdokument.html?fIdent=MKT20061123135733 (eingesehen 18.08.2007). 374 "Die Afghanen verlieren das Vertrauen in die Entwicklungsexperten, deren Aufgabe der Wiederaufbau des Landes ist. [...] Was die Menschen sehen, sind eine Hand voll ausländischer Firmen, die Prioritäten für den Wiederaufbau setzen, die sie reich machen, sich aber teilweise auf absurde Weise gegenüber dem, was notwendig ist, als kontraproduktiv erweisen." Vgl. Nawa, Fariba: Afghanistan Inc., Oakland 2006, S. 28.

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wurden von 2002 bis 2006 nur 433 Mio. Dollar für Gesundheits- und Ernährungsprogramme

ausgegeben, allein die Kosten für die einjährige Verlängerung des deutschen ISAF-

Einsatzes belaufen sich auf 460 Mio. Euro.375

Das Land am Hindukusch ist somit zu einem Paradebeispiel des Neoliberalen Kolonialismus

geworden: "Unter dem formalen Dach der UNO wurde das Land seit Petersberg zu einem

Protektorat der 'internationalen Gemeinschaft' degradiert. Seit Beginn der neunziger Jahre

wird das 'liberale Protektorat' und die 'Treuhandschaft' als eine Chance zu 'nation building'

und zur Demokratisierung von außen propagiert. Die 'failing states' sollen für geraume Zeit

unter internationale Verwaltung gestellt werden, und es wird einem 'neuen Interventionismus'

der westlichen Mächte mit 'robustem' militärischem Mandat das Wort geredet. Die Vertreter

dieser 'Theorie' sind die Emeriti, Ulrich Menzel und Franz Nuscheler. In Afghanistan wurde

sie umgesetzt mit dem bekannten Ergebnis. Da die internationale Gemeinschaft zum

größten Teil aus NATO-Ländern unter US-Führung besteht, ist sie selber voreingenommen

und Partei. Sie kann die Probleme des Landes nicht lösen - im Gegenteil, sie ist Teil des

Problems geworden. Da die UNO zur Schaffung der Protektorate wesentlich mitbeigetragen

und sich damit diskreditiert hat, kann sie keine angemessene und glaubwürdige

Führungsfunktion mehr übernehmen. Weil Protektorate faktisch Kolonien sind, können im

günstigsten Fall Probleme nur verschoben, im ungünstigsten Fall verschlimmert werden. Zu

einer Lösung kommt es in der Tat nicht, wie das Beispiel Afghanistan deutlich macht. [...] Als

NATO-Protektorat hat Afghanistan weder politische noch ökonomische Perspektiven,

geschweige denn eine friedliche Zukunft."376

6.5 Neoliberales State Building III: Kosovo Während Afghanistan wenigstens formal seine Souveränität bewahrt hat, ist der Status des

Kosovo von dem einer Kolonie endgültig nicht mehr zu unterscheiden. Zwar enthielt die UN-

Resolution 1244 vom 10. Juni 1999 noch ein Bekenntnis zur Souveränität und territorialen

Integrität Jugoslawiens, hierbei handelte es sich jedoch offensichtlich um ein

Lippenbekenntnis. Denn in der Resolution wurde ebenfalls die Einsetzung eines

Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs beschlossen und die Zivilverwaltung der UN-

Behörde UNMIK unterstellt (der militärische Arm wird von der NATO-Truppe KFOR gestellt).

Gleich mit ihrer ersten bindenden Anordnung (regulation) 1999/1 erließ sie eine Art

Selbstermächtigungsgesetz: "alle legislativen und exekutiven Autoritäten mit Blick auf den

Kosovo inklusive der Justizverwaltung vereinigt sich auf die UNMIK und wird vom Hohen

Repräsentanten ausgeübt." Hiermit endete die Souveränität Jugoslawiens über das Kosovo,

sie wurde jedoch nicht auf die dortige Bevölkerung, sondern auf die UNMIK übertragen. In

Anordnung 1999/2 wurde anschließend die vormals gültige Rechtsprechung außer Kraft 375 Vgl. Senlis Council: Afghanistan Five Years Later: The Return of the Taliban, Spring/Summer 2006. 376 Baraki, Matin: Zerfallendes Protektorat, Junge Welt, 11.11.2006.

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gesetzt, falls sie den Besatzern gegen den Strich gehen sollte: "Die Gesetze für das Gebiet

des Kosovo, die vor den 24. März 1999 datieren gelten weiter, wenn sie nicht mit [den]

augenblicklichen oder künftigen Regulierungen der UNMIK" kollidieren. In Anordnung

2000/42 gönnte sich die UNMIK das Recht, Verträge mit Nachbarn abzuschließen und

Niederlassungen mit Botschaftscharakter einzurichten. Anordnung 2000/47 erklärte das

UNMIK- und KFOR-Personal "immun gegenüber der Rechtsprechung von Gerichten im

Kosovo" sowie "immun gegenüber jeder Form von Festnahme und Haft" durch einheimische

Justizorgane.377

Die UNMIK-Besatzungsbehörde ist in vier Pfeiler aufgeteilt, die von jeweils anderen

Internationalen Organisationen geleitet werden. Für den inzwischen abgeschafften Pfeiler I,

"Humanitäre Hilfe" war der UNHCR zuständig. Die Zivilverwaltung im Rahmen des Pfeiler II

wurde von den Vereinten Nationen übernommen, während die Demokratisierung und der

Aufbau von Institutionen im Rahmen von Pfeiler III in den Aufgabenbereich der OSZE fällt.

Den zentralen Pfeiler IV schließlich, der für "Wiederaufbau und ökonomische Entwicklung"

zuständig ist und dem lange der deutsche Joachim Rücker vorstand, hat sich die

Europäische Union unter den Nagel gerissen.

Schon mit UNMIK-Anordnung 2001/9 wurde der kosovarischen Bevölkerung eine

"Provisorische Verfassung" oktroyiert, die u.a. bestätigt, dass der UN-Sonderbeauftragte für

die Geld- und Wirtschaftspolitik zuständig ist, die generell auf die Einführung der "freien

Marktwirtschaft" abzuzielen habe, wie sogar in der Präambel festgelegt wurde.378 Wie die

miserable wirtschaftliche Lage verbessert werden soll, erläuterte der stellvertretende Chef

des vierten Pfeilers, Andreas Wittkowsky, ebenfalls ein deutscher, im UNMIK-Hausblatt

"Focus Kosovo". Seine Programm könnte allerdings genauso gut aus der neoliberalen

Giftküche des Internationalen Währungsfonds stammen: "Durch die Einführung investor-

freundlicher Institutionen hat die UNMIK die Grundlagen für die langfristige Entwicklung des

Kosovo geschaffen. Makroökonomische Stabilität wurde dabei primär durch die Einführung

des Euro als Gebrauchswährung erreicht und indem dem Haushalt des Kosovo die

Möglichkeit verwehrt wird, ein Defizit zu produzieren. [...] Mit der Einführung des Euro als

stabiler Währung ist die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch eine

Währungsabwertung keine Option mehr."379 Neben diesem Verbot, die Wirtschaft mittels

keynesianistischer Politik in Gang zu bringen, wurde zudem noch die Verschleuderung der

Staatsbetriebe verfügt. Diese Enteignung staatlichen Eigentums wird über die per UNMIK

Anordnung 2002/12 geschaffene Kosovo-Treuhand-Agentur (KTA) abgewickelt, die im März

377 Zimmermann, Andreas/Stahn, Carsten: Yugoslav Territory, United Nations Trusteeship or Sovereign State?, in: Nordic Journal of International Law, No. 70 (2001), S. 423-460. 378 Constitutional Framework for Provisional Self-Govenrnment in Kosovo, UNMIK/REG/2001/9, 15 May 2001, S. 8. 379 Wittkovsky, Andreas/Bajraktari, Elinor: A vision for Kosovo’s development, in: Focus Kosovo August/September 2005, S. 19/20.

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2007 die nunmehr 24ste Privatisierungsrunde ausrief. Sie kann inzwischen stolz darauf

zurückblicken, fast die Hälfte der vormals staatseigenen Betriebe (270 von 592) meist zu

einem Spotpreis verscherbelt zu haben. Auf die Frage, ob es denn eine Alternative zum

Privatisierungsprozess gebe, antwortete KTA-Generaldirektor Jasper Dick: "Nein, die sehe

ich nicht. [...] Ich bin mit ganzem Herzen Kapitalist und was die Frage privaten bzw.

öffentlichen Eigentums anbelangt glaube ich an die Ideen von Margaret Thatcher."380

Die Resultate dieser Wirtschaftspolitik waren ebenso vorhersehbar wie dramatisch: Nach

einer Studie der Weltbank leben 50% der Menschen im Kosovo in Armut sowie 11% in

extremer Armut mit weniger als einem Dollar pro Tag. Darüber hinaus bewegt sich die

Arbeitslosenrate laut Weltbank zwischen 49 und 57 Prozent (andere Quellen sprechen gar

von 70 Prozent), wozu die umfassenden Privatisierungen wesentlich beitragen. Beispielhaft

ist hier das Baukombinat Ramiz Sadiku in Pristina, dessen vormals 5000 Menschen

umfassende Belegschaft nach der Privatisierung auf 200 geschrumpft ist. Die aus dieser

Arbeitslosigkeit resultierende Armut wird zusätzlich durch massive Lohndrückerei verschärft,

die ebenfalls eine Folge des Privatisierungsprozesses ist: "Maximal 10% der Erwachsenen

arbeiten noch in öffentlichen Betrieben. Dort wird in aller Regel, wenn keine Privatisierung

bevorsteht, noch zwischen 120 und 200 Euro pro Monat bezahlt. Vor der Privatisierung wird

meist von korrupten Eliten die Lohnzahlung eingestellt. Die Arbeiter werden damit erpresst

sonst nicht übernommen zu werden. Die Übernahme ist allerdings keineswegs gesichert.

Nach der Privatisierung sinken nach Gewerkschaftsangaben die Löhne und Gehälter

dramatisch. Die Arbeiter genießen keinerlei Kündigungsschutz und erhalten nur

Arbeitsverträge zwischen 1 und 3 Monaten."381

Verständlicherweise wächst der Widerstand gegen den Privatisierungsprozess. Dabei tat

sich der für den ökonomischen Wiederaufbau lange verantwortliche Joachim Rücker

besonders unangenehm hervor, bspws. als er im Jahr 2005 den Industriegiganten Ferronikel

an die Firma Alferon, an der u.a. Thyssen-Krupp beteiligt ist, gegen den Widerstand der

Belegschaft verschleuderte. Für seine "Leistungen" wurde der ehemalige Sindelfinger OB

belohnt, indem man ihn Ende 2006 zum Leiter der UNMIK beförderte. Notfalls wird die

Privatisierung auch militärisch gegen den Protest der Bevölkerung bzw. der betroffenen

Arbeiterschaft durchgesetzt. Das drastischste Beispiel hierfür war sicherlich die auf

Anordnung des damaligen UNMIK-Chefs und heutigen französischen Außenministers

Bernard Kouchner im Jahr 2000 durchgeführte Besetzung von Teilen der Trepca-Mine durch

800 KFOR-Soldaten. Sie erfolgte gegen den Widerstand der 250 Beschäftigten, die sich

gegen die bevorstehende Privatisierung der auf einen Gesamtwert von fünf Milliarden Dollar

380 Thumbs up for privatisation, Interview with Jasper Dick, Managing Director of the Kosovo Trust Agency, in: Focus Kosovo, March 2007. 381 Brym, Max: Soziale Grausamkeiten, kosova-aktuell.de, 23.03.2007.

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taxierten Mine zur Wehr setzten.382 Wenn Rücker selbstzufrieden angibt, er habe die

Grundlagen "für eine funktionierende Marktwirtschaft geschaffen"383, ist das angesichts der

katastrophalen Ergebnisse der neoliberalen Orthodoxie der blanke Hohn. Dennoch sprach

sich bspws. die Weltbank für eine - intensivierte - Fortführung des Privatisierungsprozesses

aus, dem gegenüber sozialer Grundsicherung Priorität eingeräumt werden müsse.384

Dass der Kosovo de facto zu einer westlichen Kolonie geworden ist, wird teilweise

unumwunden zugegeben, bspws. in einem von der FDP-Fraktion im März 2004

eingebrachten Bundestags-Antrag, der seinerzeit auch von der CDU/CSU unterstützt wurde.

Er plädierte "für einen Status des Kosovo als EU-Treuhandgebiet. Dabei übernimmt die

Europäische Union die Kompetenzen für Außenvertretung und Verteidigung, während die

Kosovaren mittelfristig schrittweise die Verantwortung für die gesamte innere Verwaltung

übernehmen. Die Souveränität des Kosovo geht damit auf die EU über."385 Die Idee für

diesen weit reichenden Vorschlag tauchte erstmals in einem Papier des transatlantischen

Think Tanks International Crisis Group auf386 und wurde vom Bertelsmann-nahen Centrum

für angewandte Politikforschung aufgegriffen, das sich rühmt, besagten Bundestagsantrag

maßgeblich beeinflusst zu haben.387

Die Anfang 2007 veröffentlichten Empfehlungen für die "Lösung" der Kosovo-Frage des

finnischen UN-Sondergesandten Martti Ahtisaari greifen genau diesen Vorschlag auf: Laut

Ahtisaari-Bericht bleibt dabei der nun als "International Civilian Representative" (ICR)

bezeichnete Prokonsul weiterhin die "letzte Autorität", dem auch künftig das Recht zusteht,

das Parlament zu überstimmen und Funktionsträger zu feuern (Annex IX, Art. 21.d). Da der

ICR mit dem EU-Sondergesandten identisch sein wird, wird der Kosovo hiermit endgültig "die

erste Kolonie der Europäischen Union."388 Ahtisaari selbst betont die Notwendigkeit, "den

Privatisierungsprozess fortzuführen" (Annex II, Ziffer 8) und schlägt hierfür die Bildung einer

KTA-Nachfolgeorganisation mit denselben Kompetenzen vor (Annex VII, Art. 2.1). Darüber

hinaus wird dem Kosovo erneut unmissverständlich vorgeschrieben, "eine offene

Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" einzuführen (General Principles, Art. 1.4), was sich

auch in der endgültigen Verfassung ebenso wieder finden muss (Annex I, Art. 1.2), wie die

Einführung einer unabhängigen Zentralbank (Annex I, Art. 9.2).

382 Brym, Max: Joachim Rücker Chef in Kosova/o, Linkezeitung.de, 31.01.2007. 383 "Reif für die nächste Stufe", Interviewmit Joachim Rücker, Deutschlandradio, 11.01.2007. 384 Pugh, Michael: The political economy of peacebuilding: a critical theory perspective , in: International Journal of Peace Studies, vol. 10, no. 2 (autumn/winter 2005), S. 23-42; ders.: Crime and Capitalism in Kosovo’s Transformation, Paper presented at ISA Conference, Hawaii, March 2005. 385 Status des Kosovo als EU-Treuhandgebiet, Bundestag-Drucksache 15/2860. Hervorhebung JW. 386 International Crisis Group: "Intermediate Sovereignty" as a basis for resolving the Kosovo, crisis-Report, 9. November 1998. 387 Meurs, Wim van: Kosovo's Fifth Anniversary - On the Road to Nowhere?, C·A·P Working Paper 01.03.2004. 388 Kanzleiter, Boris: Die erste Kolonie der Europäischen Union, in: Graswurzelrevolution, Nr. 317/2007.

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Der Kosovo wird zudem bereits jetzt ins neoliberale Netz integriert. Am 1. Januar 2007 trat

er, zusammen mit zahlreichen weiteren Ländern der Region, dem "Mitteleuropäischen

Freihandelsabkommen" (CEFTA) bei, das den Abbau von Zöllen und nichttarifären

Handelshemmnissen vorsieht. Für das CAP ist dies allerdings nur ein erster Schritt in die

richtige (neoliberale) Richtung: "So bald wie möglich sollte auch der Handel in

Dienstleistungen und der Schutz rechtlichen Eigentums gestärkt werden." Zudem sei die

Öffnung der regionalen Energiemärkte im Rahmen der Energiegemeinschaft Südosteuropa

(ECSEE), auch für die EU von Vorteil: "Während die Balkanstaaten staatliche Monopole

aufgeben, ergeben sich für die EU-Staaten neue Marktchancen."389 Auch das Europäische

Parlament "begrüßt die Unterzeichnung von Freihandelsabkommen [und] drängt die

Behörden des Kosovo, diese Abkommen umfassend umzusetzen."390 So ist also damit zu

rechnen, dass der neoliberale Zurichtungsprozess auch unter EU-Flagge ungebremst

fortgeführt werden wird.

Vor diesem Hintergrund wächst derzeit der Widerstand gegen das neoliberale State Building,

was zu immer formalerer und militärgestützter Herrschaftsausübung zwingt: "Das Problem

einer eher auf ökonomische als militärische Überlegenheit gestützten Imperiumsbildung

besteht freilich darin, dass sie bei der Sicherung der neu erschlossenen Wirtschaftsräume

auf militärische Präsenz nicht verzichten kann. Solange hierfür der Einsatz kleinerer

Kontingente ausreicht, bereitet das keine ernsten Schwierigkeiten. [...] Das ändert sich, wenn

Aufstände ausbrechen und sich Unruhen ausbreiten, die eine langfristige Entsendung

größerer Truppeneinheiten erforderlich machen."391

389 Tolksdorf, Dominik: Der westliche Balkan nach dem Ahtisaari-Vorschlag - Handlungsfelder auf dem Weg in die EU, CAP Reform-Spotlight 1/2007, S. 7. Hierbei sollte auch die wichtige strategische Lage des Kosovo als möglichem Transitland des kaspischen Öls berücksichtigt werden, worauf eine Studie der SPD-nahen SWP hinweist. Vgl. Altmann, Franz-Lothar: Südosteuropa und die Sicherung der Energieversorgung der EU, SWP-Studie 2007/01. 390 BERICHT zur Zukunft des Kosovo und die Rolle der EU (2006/2267(INI)), ENDGÜLTIG A6-0067/2007, S. 10. 391 Münkler, Herfried: Imperien, Bonn 2005, S. 241.

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7. Verschärfung von Armutskonflikten und globaler Kriegszustand

Die westlichen Staaten haben sich entschlossen, das neoliberale System mit Klauen und

Zähnen zu verteidigen. Damit nehmen sie nicht nur die fortgesetzte Verarmung weiter Teile

der Weltbevölkerung bewusst in Kauf, sondern bereiten sich auch auf die Notwendigkeit vor,

immer häufiger armutsbedingte Gewaltkonflikte wortwörtlich bekämpfen zu müssen. Da sich

der Westen hiermit auf einen dauerhaften Konfrontationskurs mit dem Rest der Welt begibt,

wurde der "Krieg gegen den Terror" nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich entgrenzt. Der

"lange Krieg" (George W. Bush) um den Bestand dieser Weltwirtschaftsordnung wird zur

zentralen und so ziemlich einzigen Aufgabe, zur "ontologischen Begründung des Staates"

(Philip S. Golub). Umso tragischer, dass die Entwicklungshilfe in immer stärkerem Maße zu

einem integralen Bestandteil dieses Krieges zu werden droht.

7.1 Neoliberaler "Stabilitätsexport" und selektive Interessensdurchsetzung Der offensichtliche Widerspruch zwischen formell auf Demokratisierung angelegtem Nation

Building und der praktischen Entmündigung der Bevölkerung im Rahmen des

Stabilitätsexports, sollte gerade moralisch argumentierenden Kosmopoliten zu denken

geben: "Die Demokratie [wird] in der Form ihrer Negation durch das Protektorat

eingeführt."392 Selbst aus Sicht des BMZ scheint die Legitimität derartiger Protektorate und

die damit einhergehende Transformation des Gesellschaftssystems nicht grundsätzlich in

Frage zu stehen, lediglich eine rasche Beendigung wird angemahnt: "Wie kann sichergestellt

werden, dass an die Stelle so genannte 'liberaler Protektorate' so schnell wie möglich wieder

die Eigenverantwortung der betroffenen Länder tritt?"393

Außerdem sollte moralisch argumentierenden Stabilitätsexportbefürwortern zu denken

geben, dass die umfassende und unterschiedslose "Stabilisierung" gescheiterter Staaten

einen exorbitanten Personalbedarf erfordern würde. So kommt eine Studie des Defence

Science Board, das wichtigste wissenschaftliche Beratungsgremium des Pentagon, zu dem

Ergebnis, dass für eine nachhaltige Stabilisierung gescheiterter Staaten 20 Soldaten pro

1000 Einwohner für 5-8 Jahre stationiert werden müssen. Auf dieser Grundlage würden für

den Kongo bspws. mehr als 1.2 Mio. Soldaten benötigt, allein der Gesamtbedarf einer

Besatzungstruppe zur "Stabilisierung" der 20 kritischsten Staaten beliefe sich auf ziemlich

genau 10 Millionen Besatzungstruppen.394

Man kann sich sicher sein, dass die hierfür erforderlichen personellen wie materiellen

Ressourcen niemals bereitgestellt werden. Damit wird der so vollmundig geforderte

392 Ehrke, Michael: Bosnien: Zur politischen Ökonomie erzwungenen Friedens, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn, o.J., URL: http://library.fes.de/pdf-files/id/01456.pdf (eingesehen 02.08.2007), S. 3. 393 BMZ-Diskurs 2004, S. 13. 394 Defense Science Board 2004, S. 27.

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"Stabilitätsexport" zwangsläufig nur selektiv geschehen, und zwar ausschließlich dort - soviel

dürfte sicher sein -, wo erhebliche ökonomische oder strategische Interessen betroffen sind.

In bemerkenswerter Klarheit schreibt das Defence Science Board hierzu: "Bezüglich

Ländern, in denen sehr wichtige US-Interessen betroffen sind und bei denen die

Wahrscheinlichkeit einer US-Intervention hoch ist (hier als 'reif und wichtig' bezeichnet), leitet

der Präsident oder der Nationale Sicherheitsrat die Initiierung eines robusten

Planungsprozesses ein, um die Streitfragen ohne Gewaltanwendung zu lösen, oder, falls die

USA intervenieren sollten, für die Stabilisierungs- und Wideraufbauphase."395

Tabelle 4: Truppenbedarf für den "Stabilitätsexport" (Stationierungsdauer 5-8 Jahre)

Quelle: Christopher Preble/Justin Logan: Failed States and Flawed Logic: The Case against a Standing Nation-Building Office, CATO Policy Analysis no. 560, January 11, 2006, S. 18 auf Basis der Angaben des Defence Science Board.

395 Defense Science Board 2004, S. 27.

Land Ranking Bevölkerung Benötigte Truppen Elfenbeinküste 1 17,298,40 345,961 DR Kongo 2 60,085,804 1,201,716 Sudan 3 40,187,486 803,750 Irak 4 26,074,906 521,498 Somalia 5 8,591,629 171,833 Sierra Leone 6 6,017,643 120,353 Tschad 7 9,826,419 196,528 Jemen 8 20,727,063 414,541 Liberia 9 3,482,211 69,644 Haiti 10 8,121,622 162,432 Afghanistan 11 29,928,987 598,580 Ruanda 12 8,440,820 168,816 Nordkorea 13 22,912,177 458,244 Kolumbien 14 42,954,279 859,086 Simbabwe 15 12,746,990 254,940 Guinea 16 9,467,866 189,357 Bangladesch 17 144,319,628 2,886,393 Burundi 18 6,370,609 127,412 Dominik. Republik 29 8,950,034 179,001 Zentralafr. Republik 20 3,799,897 75,998

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105

Gleichzeitig rücken aber zahlreiche "vergessene Konflikte" noch weiter in den Hintergrund,

als dies ohnehin bereits der Fall ist396, sie werden erst dann relevant, wenn von ihnen eine

erhebliche destabilisierende Wirkung auf das Gesamtsystem ausgeht: "Dabei ist es keine

Frage, dass in vielen Teilen der Welt selbst ein minimales Interesse an Ausbeutung und

Kontrolle nicht vorhanden ist, dass diese 'globalen Favelas' (Buckel) sich selbst überlassen

werden oder durch Privatbanden kontrolliert werden. Die Strategie der Befriedigung durch

State-buildung setzt erst dann ein, wenn eine Ausweitung des Konflikts droht (durch

Migration oder den Export von Terror) oder er in die globale Medienöffentlichkeit Eingang

findet."397 Auch Herfried Münkler lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass moralische

Motive kaum hinter dem neuen Militärinterventionismus stehen. Für ihn ist es der "Prozess

der wirtschaftlich ausgelösten Erosion bestehender Ordnungen, der ihre machtpolitische

Stabilisierung von außen erforderlich machte. (Deshalb) erscheinen die zahlreichen

humanitären militärischen Interventionen des vergangenen Jahrzehnts – von der

Verhinderung bis zur Beendigung von Bürgerkriegen – als Nachfolge der nicht intendierten

Effekte des neuerlichen Globalisierungsprozesses. Der humanitäre Imperialismus, von dem

einige Autoren sprechen, wäre dann nichts anderes, als die politische Nachbearbeitung der

Spuren, die der sozioökonomische Prozess der Globalisierung hinterlassen hat."398 7.2 Verschärfung von Armutskonflikten und Fehlallokation von Ressourcen Wer nicht gewillt ist, die mit heutigen Konflikten elementar zusammenhängende

Weltwirtschaftsordnung grundsätzlich in Frage zu stellen, dem wird wenig übrig bleiben, als

die hieraus resultierenden Konflikte gewaltsam zu "stabilisieren" und diesem Ziel sämtliche

Ressourcen unterzuordnen. Hierdurch wird aber lediglich legitimiert, weiterhin Hunderte von

Milliarden in das Militär zu pumpen, dessen Hauptaufgabe die Ausweitung und Absicherung

der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung darstellt. Als Ergebnis reproduziert man permanent

den Teufelskreis aus Armut und Gewalt und verdeckt gleichzeitig systematisch die Sicht auf

die primäre Ursache so genannter Globalisierungskonflikte, die sozioökonomische

Desintegration als Folge neoliberaler Politik.399

Dennoch zeigen weder die USA noch Europa auch nur die leiseste Bereitschaft, die

neoliberalen Spielregeln der Globalisierung - inklusive der Ausbeutung der Dritten Welt durch

die Industriestaaten - zu ändern und verweigern damit bewusst einem Großteil der

Weltbevölkerung ein menschenwürdiges Leben. Deshalb verwundert es auch nicht weiter,

dass zunehmend militärische Mittel benötigt werden, um die Folgen dieser Entscheidung in 396 Reinhardt, Dieter/Rolf, Claudia: Humanitäre Hilfe und vergessene Katastrophen, INEF Policy Brief 1/2006. 397 Görg, Christoph: Ein neuer Imperialismus? Teil I, in: Sand im Getriebe 32/2004, S. 10-14. 398 Münkler 2005, S. 48f. 399 Vgl. bspws. Putzel, James: The Political Impact of Globalisation and Liberalisation: Evidence Emerging from Crisis States, Crisis States Research Centre LSE November 2004 Discussion Paper no.7; Willett 2004.

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Form eskalierender Konflikte zu bekämpfen: "Die Mächte der kapitalistischen Ordnung

versuchen die Unordnung, die in der Reproduktionsstruktur des globalen Systems vor allem

durch die Ökonomie erzeugt und durch den Markt externalisiert wird, unter Einsatz

politischer und militärischer Macht zu beseitigen."400

Die gleichzeitig vollzogene neoliberale Zurichtung im Rahmen des Stabilitätsexport stößt

dabei in den betroffenen Bevölkerungen auf zunehmenden Widerstand: "Das naive, rein

technokratische Überstülpen westlicher 'Blaupausen' von Rechtsstaat und Demokratie wird

in den meisten dieser Gesellschaften zu erheblichen Verwerfungen und

Abstoßungsreaktionen führen und letztlich zum Scheitern verurteilt sein."401 Dies trifft umso

mehr zu, wenn diese Besatzungen derart offensichtlich als Lizenz zum Plündern benutzt

werden, wie es gegenwärtig der Fall ist, wie eine Studie des Carnegie Endowment for

International Peace belegt: "Eine breit gestützte Akzeptanz des Nation Building von

Ausländern ist nicht mehr aufrecht zu erhalten, wenn die lokale Bevölkerung den Eindruck

gewinnt, dass die Besatzungsmacht nur die eigenen Interessen fördert."402 In der Tat wird

mehr und mehr Menschen in der Dritten Welt bewusst, dass sie es mit Okkupanten, nicht mit

Wohltätern zu tun haben, weshalb sie die Besatzer lieber heute als morgen aus ihrem Land

jagen wollen. Dabei steigt auch der Anteil derjenigen, die bereit sind, sich gewaltsam gegen

den zunehmend als ausbeuterisch wahrgenommenen Westen zur Wehr zu setzen, wie sich

exemplarisch im Irak, aber auch in Afghanistan und im Kosovo zeigt.

7.3 Stabilitätsexport und gewaltsamer Widerstand Zynischerweise sind es gerade die im Namen des "Stabilitätsexports" errichteten

Besatzungsregime, die sich als Wasser auf die Mühlen des Terrorismus erweisen, wie von

Robert Pape, einem der bekanntesten US-Politikwissenschaftler, bestätigt wird. Er fand in

einer breit angelegten Studie heraus, dass praktisch sämtliche Selbstmordattentate "nicht

einfach ein Ergebnis irrationaler Individuen oder fanatischen Hasses sind. Das vorrangige

Ziel von Selbstmordattentaten ist es, [...] die Demokratien dazu zu zwingen, ihre Truppen

aus dem Land, das die Terroristen als ihre Heimat betrachten, abzuziehen." Hieraus erklärt

sich auch der dramatische Anstieg solcher Attentate in den letzten Jahren, weshalb seine

Schlussfolgerung eindeutig ist: "Am wichtigsten ist, dass die enge Verbindung zwischen

ausländischer Besatzung und dem Anstieg von Selbstmordattentaten denjenigen zu denken

geben sollte, die Lösungen favorisieren, die die Eroberung von Ländern einschließt, um

deren politische Systeme zu transformieren. Die Eroberung von Ländern mag terroristische

Operationen kurzfristig behindern, aber es ist wichtig zu erkennen, dass die Besetzung von 400 Mahnkopf, Birgit: Neoliberale Globalisierung und Krieg, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 1/2004, S. 47-57, S. 52. 401 Oeter 2005, S. 42. 402 Minxin Pei/Sara Kasper, Lessons from the Past: The American Record on Nation Building, Carnegie Endowment for International Peace, Policy Brief 24, May 2003.

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mehr Ländern sehr wohl zu einem Anstieg der Zahl der Terroristen führen könnte, die sich

gegen uns richten."403 Selbst die US-Geheimdienste haben inzwischen bestätigt, dass der

Angriffskrieg gegen den Irak die terroristische Gefahr für die Vereinigten Staaten erhöht

hat.404

Auch im Kosovo wird mittlerweile von albanischer Seite gegen die UNMIK-

Besatzungsbehörde mobilisiert, vor allem von der Bewegung "Vetevensdosje"

(Selbstbestimmung) um den ehemaligen Studentenführer Albin Kurti, dessen Meinung von

den westlichen Besatzern, eindeutig ist: "Die UNMIK, die uns Demokratie predigt, ist selbst

eine undemokratische neokoloniale Institution. [...] Die UNMIK hat die absolute Macht in

Kosova, es gibt keine Institution, die nicht von ihr geschaffen und kontrolliert wird. Die

Resultate sind klar, wir sind das ärmste Gebiet in Europa. Die UNMIK plündert unser Land

aus und sie verweigert uns das Selbstbestimmungsrecht."405 Vor diesem Hintergrund

organisierte "Vetevensdosje" zusammen mit anderen Gruppen am 10. Februar 2007

Proteste, bei denen etwa 3000 Menschen gegen den Ahtisaari-Plan demonstrierten. Bei den

darauf folgenden Auseinandersetzungen wurden zwei Menschen durch Gummigeschosse

getötet und Albin Kurti kurze Zeit später als Initiator der Demonstration festgenommen.406

Noch schlimmer ist die Situation in Afghanistan. Dort Befürworten mittlerweile etwa 50% der

Bevölkerung Selbstmordanschläge auf die westlichen Truppen.407 Diesen Widerstand

pauschal, wie es derzeit permanent geschieht, als Terrorismus abzutun, greift jedoch

deutlich zu kurz, wie selbst der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes,

Bernhard Gertz, räumt offen ein: "Wir haben uns getäuscht in der Resonanz unserer

Bemühungen. Kabul ist nicht nur die Region, in der wir heftig präsent sind, sondern die auch

am meisten profitiert hat. Wenn da ein Ereignis wie ein Verkehrsunfall genügt, um eine

Kettenreaktion auszulösen, dann ist die Annahme, die Masse der Bevölkerung stünde hinter

Präsident Hamid Karsai und den Isaf-Truppen, nicht ganz zutreffend. Es sind nicht nur

wenige entschlossene Terroristen, die uns bedrohen. Viele Afghanen stehen als Unterstützer

zur Verfügung."408

Dabei ist es nahe liegend, dass sich der Widerstand nicht ewig ausschließlich gegen die

Truppen vor Ort, sondern irgendwann auch gegen die Bevölkerung der Besatzerstaaten

403 Pape, Robert: The Strategic Logic of Suicide Terrorism, in: American Political Science Review, Vol. 97, No. 3 (August 2003), S. 343-361, S. 345, 357. 404 Pany, Thomas: "Der Irak-Krieg hat es schlimmer gemacht", Telepolis, 25.09.2006. 405 Brym, Max: "Die UNMIK ist gegen die Einwohner Kosovas". Albin Kurti in Kline: Erstmals keine Festnahmen, in: trend info partisan, 08/2005. 406 Tote nach Protesten gegen Kosovo-Plan, oe24, 11.02.2007. Betont werden muss hierbei, dass "Vetevensdosje" keineswegs progressive Ziele verfolgt. Besonders kritisch ist dabei, dass sich die Organisation gegen umfassende Minderheitenrechte und für eine Vereinigung des Kosovo mit Albanien und für den Anschluss von Teilen Mazedoniens, Montenegros und Griechenlands einsetzt. Vgl. Selbstbestimmung, German-Foreign-Policy.com, 13.02.2007; Oschlies, Wolf: Albin Kurti: Mit wohlbekannten Methoden auf dem Weg nach Groß-Albanien, in: Eurasisches Magazin, 30.07.2006. 407 Senils Council 2006. 408 Afghanistan - Angst vor zweitem Irak, Tagesspiegel.de, 31.05.2006.

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richten wird, wie indirekt auch von BND-Chef Ernst Uhrlau bestätigt wird: "Deutschland

rückte und rückt aufgrund seines markanten außen- und sicherheitspolitischen Profils

verstärkt ins Zielspektrum terroristischer Anschläge."409 Genau hiermit wird aber

zynischerweise die Ausweitung militärisch-repressiver Aktivitäten gegen

Globalisierungskritiker im Inland legitimiert, was auf ein letztes aber zentrales

Charakteristikum des Neoliberalen Kolonialismus hindeutet: dass sich die Radikalisierung

des Militärischen zunehmend auch gegen die Bevölkerung im Zentrum bzw. gegen ihre

marginalisierten Teile richtet.

Grafik 5: Alternative Bedrohungsanalyse unter Berücksichtigung der Folgen von Neoliberalismus und Armut

409 "Trügerische Ruhe", FAZ.net, 20.11.2006.

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Einen bitteren Vorgeschmack auf das, was droht, sollte der derzeitige Kurs fortgesetzt

werden, liefert Parameters, die Zeitschrift des amerikanischen Heeres: "Die Zukunft der

Kriegsführung liegt in den Straßen, Abwasserkanälen, Hochhäusern und dem Häusermeer,

aus denen die zerstörten Städte der Welt bestehen. [...] Unsere jüngste Militärgeschichte ist

gespickt mit Städtenamen wie Tuzla, Mogadischu, Los Angeles, Beirut, Panama City, Hué,

Saigon, Santo Domingo - aber diese Zusammenstöße sind nur der Prolog des eigentlichen

Dramas, das uns noch bevorsteht."410 Eine effektive Lösung globalisierungsbedingter

Konflikte kann nur erreicht werden, wenn nicht militärisch Symptome bekämpft werden,

sondern an den Ursachen angesetzt wird (siehe Grafik 5): "Worauf es letztlich ankommt,

erklärte der kanadische Ökonom Robert Wade sechs Monate vor dem 11. September 2001

im 'Economist': 'Die Welt teilt sich zusehends in eine Zone des Friedens und eine Zone des

Aufruhrs. So entsteht eine Menge von arbeitslosen und zornigen jungen Leuten, denen die

neuen Informationstechnologien die Mittel verleihen, nicht nur die Stabilität der

Gesellschaften zu bedrohen, in denen sie leben. Irgendwann werden sie auch die Stabilität

der Staaten aus der Wohlstandszone erschüttern.' Früher oder später, so forderte Wade,

müsse darum 'die Verteilungsfrage auf die Weltagenda gesetzt' werden. Dieser Zeitpunkt ist

nun gekommen."411

Der wahre moralisch-sicherheitspolitische Imperativ unserer Zeit besteht somit in der Abkehr

vom neoliberalen Projekt und einer umfassenden Abrüstung. Die so gesparten Ressourcen

könnten in eine effektive Armutsbekämpfung umgeleitet und so ein wirklicher Beitrag zur

Vorbeugung und Beilegung von Konflikten geleistet werden. Darüber hinaus muss auch

darüber nachgedacht werden, ob sich die Entwicklungsarbeit nicht grundsätzlich einen

neuen Schwerpunkt suchen sollte. So betont eine Studie von Coopération Internationale

pour le Développement et la Solidarité (CIDSE) richtigerweise, dass gegenwärtige Ansätze

"der Illusion anhängen, dass Probleme gelöst werden könnten, ohne die fundamentale

globale Ungerechtigkeit, Machtungleichgewichte und Praktiken wie den Waffenhandel zu

verändern, die Konflikte anheizen und zu Unsicherheit beitragen. CIDSE sieht in der

Veränderung der strukturellen Ursachen von Armut und globaler Ungerechtigkeit zentrale

Elemente seiner Entwicklungsarbeit. Daraus folgt, dass wir nicht glauben, dass globale

Sicherheit ohne Veränderungen im Norden erreichbar sein wird."412

410 Davis, Mike: Planet der Slums, Hamburg 2007. 411 Schumann, Harald: Die wahren Globalisierungsgegner, in ApuZ, B13-14/2003, S. 24-30, S. 30. 412 CIDSE 2006, S. 4.

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8. Fazit: Plädoyer für eine systemkritische Fokussierung der Entwicklungspolitik

Natürlich muss sich die Entwicklungshilfe fragen lassen, ob sie nicht, angesichts des

Versagens die Armut effektiv zu bekämpfen, neue Wege beschreiten muss. Da aber die

Armut in der Dritten Welt nicht losgelöst vom Kolonialismus und den seither fortbestehenden

Ausbeutungsstrukturen gesehen werden kann413, ist es umso absurder, eine Renaissance

kolonialer Praktiken auch und gerade in der Entwicklungspolitik einleiten zu wollen. Sich zum

Komplize des neoliberalen State Building zu machen heißt, bewusst die Armut zu

perpetuieren414: "Entwicklungshilfe hat die Grenzen aus der Kolonialzeit aufrechterhalten,

den Afrikanern die Wirtschaftssysteme der Industrieländer oktroyiert und ihnen so die

Chance genommen, ihren Entwicklungsweg zu bestimmen."415

Unbestreitbar hat die Entwicklungshilfe wenig zur Armutsbekämpfung beigetragen und sie in

vielen Fällen sogar noch verschlimmert.416 Doch selbst wenn die Entwicklungshilfe gut

gemeint und gut gemacht würde, was immer weniger der Fall ist, sollte man sich keinerlei

Illusionen über die Reichweite und Relevanz der diesbezüglichen Möglichkeiten hingeben:

"Im Vergleich zum Weltwirtschaftssystem hat ‘Entwicklungshilfe’ nur marginalen Einfluss."417

Deshalb stellt sich die fundamentale Frage, ob angesichts der Tatsache, dass es schlicht

unmöglich ist, die negativen Auswirkungen der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung vor Ort

in größerem Maße abmildern zu können, nicht das Problem radikal an der Wurzel angepackt

werden müsste und hierauf sämtliche Anstrengungen konzentriert werden sollten: "Der

Mangel an weltweiter Gerechtigkeit tut dem Leben von Milliarden Menschen täglich Gewalt

an. [...] Und das erfordert Strukturveränderungen in der Weltwirtschaft und in der

internationalen Politik, die den Abstand zwischen Reich und Arm verringern. Dieser nämlich

ist, nebenbei bemerkt, in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Erst wenn dies

geschafft ist, wird es sozialen Frieden in der Welt geben. Und ohne sozialen Frieden ist

Sicherheit schwer vorstellbar."418 Dies erfordert aber eine systemkritische Fokussierung der

413 "Zu Rousseaus Zeiten - so scheint es nach der Datenlage - war die ökonomische Ungleichheit zwischen den Weltregionen noch gering. Geringer jedenfalls als innerhalb der einzelnen Länder. Nach 1800 änderte sich das gründlich, und um 1900 herum betrug das Verhältnis zwischen dem durchschnittlichen Einkommensniveau in den reichen Ländern des ‚Nordens’ und dem in den armen Ländern des ‚Südens’ bereits 1 : 4. Ein Jahrhundert später, in der Ära der Globalisierung, haben wir ein Verhältnis von 1 : 30." Vgl. Krätke, Michael R.: Die Armen und die Superreichen, Freitag 02/2007. 414 Zu dem direkten Beitrag, den der Neoliberalismus zur Verschärfung der Armut leistet: Die Millennium-Entwicklungsziele in der handelspolitischen Praxis: Ende der Armut in Sicht?, Bonn 2007, URL: http://www.forum-ue.de/fileadmin/userupload/publikationen/allg_2007_mdg.pdf (eingesehen 19.08.2007). 415 Shikwati 2006. 416 Vgl. The EU’s Footprint in the South:. Does European Community. development cooperation make a. difference for the poor?’, CIDSE-Report, März 2007. 417 Haug, Thomas: Entwicklung? ... Hilfe? - hinter den Kulissen von ‘Entwicklungshilfe’, o.O.,o.J., URL: http://www.emanzipart.de/Hinter%20den%20Kulissen%20von%20Entwicklungshilfe.pdf (eingesehen 08.08.2007), S. 5. 418 Füllkrug-Weitzel, Cornelia: Entwicklungspolitik im Windschatten militärischer Interventionen?, in: Der Überblick, Nr. 3/2004.

Page 111: Mit Sicherheit keine Entwicklung!

111

Entwicklungspolitik, die es sich zur Hauptaufgabe macht, den im Norden liegenden

Armutsursachen durch eine Veränderung der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung

entgegenzuarbeiten: "Von daher wird es in Zukunft stärker darum gehen müssen, die

neoliberalen Wurzeln der MDGs und ihre Verantwortung für die Probleme, die sie zu

bekämpfen suchen, stärker in den Vordergrund zu rücken."419

Eine solche Kehrtwende wäre die einzig richtige Schlussfolgerung aus den gravierenden

Problemen, vor denen die Welt heute steht: "Aus linker Perspektive ist prinzipiell die

Abschaffung von 'Entwicklungshilfe' zu fordern - natürlich nicht als ersatzlose Streichung,

sondern bei gleichzeitiger Einrichtung eines Wiedergutmachungsfonds gegenüber den

Ländern des Südens und unter Herstellung gerechter gesellschaftlicher Verhältnisse ohne

die Möglichkeit zu Kapitalflucht, Gewinntransfer und ohne erpresserische Regeln im

Welthandel. Diese Forderungen klingen derzeit utopisch, aber man sollte sie stets erwähnen,

wenn man sich in irgendeiner Weise zu 'modernen Formen' der

Entwicklungszusammenarbeit äußert oder Reformen des bestehenden Systems

einfordert."420

419 Frein, Michael: Neoliberale Politik vereitelt MDGs, in: eins, 15/16/2007. 420 Pedersen 2006.

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