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Mitschrift Andrea Mayer-Edoloeyi http://www.andreame.at
VL Zeit und EwigkeitVorlesung Prof. Gruber Sommersemester 2009
4.3.09
Einleitung
Norbert Elias: In alten archaischen Ritualen und Vorgängen werden die
unsichtbaren, aber wirksamen Götter dargestellt; numinose Wirklichkeit wird
anschaulich. Christliche Tradition distanziert sich von diesen bildhaften
Darstellungen – Gott ist der bildlose, die alles bestimmende Wirklichkeit, der
eine Gott, der Schöpfergott – Gott, die bestimmende Wirklichkeit über die
Zeit. Zeit ist nicht von der Transzendenz losgelöst. Zeit ist immer Produkt,
Effekt, Ausdruck von Ewigkeit -> Verändern der Relation von Zeit und Ewigkeit.
Zeit ist kein eigener Gott mehr. Alles, was in der Zeit passiert, ist
gottbestimmt, alles Geschehen hat letzte Ursache, die auf das Göttliche
zurückgeführt wird.
Heute: Radikale Säkularisierung der Zeit. Gott nicht mehr verstanden als
Herr der Zeit, der Mensch selbst wird zum Herrn der Zeit.
Die Immanenz der Zeit: Was war vor dem Urknall – mit dem Urknall entstand
die Zeit.
Wenn wir Zeit beschleunigen, schrumpft die Zeit. Alltägliche Erfahrung
der Postmoderne, Spätmoderne. Selbst die Zukunft ist kein Gestaltungsraum
mehr, die Gegenwart wird zur eigentümlichen Gleichzeitigkeit von
Vergangenheit und Zukunft. Die Zukunftserwartung wurde anders als vor 200
Jahren – wir können nicht mehr sagen, was morgen sein wird, morgen es ganz
anders sein kann -> Komplexität. Heute fast wieder geschichtslose Zeit.
Zeit – Grundbegriff der Theologie
Zeit ist konstituiert mit Schöpfung, Form der Lebensbedingung für alle
Geschöpfe. Im Anfang wurden Raum und Zeit konfiguriert. Zeit ist nicht
Ewigkeit wie im griech. Denken – Zeit ist christlich mit Geschöpflichkeit
1/37
gegeben. Holam = Ewigkeit ist gedacht als Dauer, das was immer ist und
bleibt. Biblisch: Gott ist derjenige, der in die Zeit eingeht. Das Göttliche ist
nicht nur das andere der Zeit, sondern wird selbst zeitlich -> Inkarnation.
Markus 1,15: Die Zeit = Kairos ist erfüllt. Dann ist das Reich Gottes schon
nahe gekommen. Kairos bringt in Chronos eine bestimmte Qualität hinein.
Christus: Reich Gottes, Gott ist präsent im Sinn der Kairos-Zeit, im Sinn der
Ereignisse -> Heilungen, Mähler, Begegnungen, ... als qualifizierte Kairos-
Zeichen, die die Chronos-Zeit neu ausrichten.
Zeit ist kultureller Code, wir erleben Zeit und Zeitkonzepte (Kalender) als
unveränderlich. Wocheneinteiligung ist Konvention, ein Code, mit dem wir
Ordnung schaffen, Zeit strukturieren. Kalenderreformen am Beginn neuer
Epochen!
Literatur zum Thema
siehe Powerpoint-Folie
1. Was ist Zeit I. Phänomenologische und
sozialwissenschaftliche Zugänge
1.1.Zeiteindrücke
Zeit als Konstrukt: 7-Tage-Woche von den Sumerern erfunden und den
JüdInnen übernommen.
Kalenderzeit.
Unterschiedliche Zeitkulturen.
Zeitmomente: Chronologische und kairologische Dimension der Zeit.
Zeiterleben: „Die Zeit“ ist Abstraktum, dass es nicht gibt. Unterschiedliche,
subjektive Befindlichkeiten.
2/37
1.2. Kurze Geschichte der Zeiterfahrung
Lineare und zyklische Zeit.
1.2.1. In illud tempore: Profane und mythische Zeit
Radikaler Unterschied zw. mythischen Kultur und uns in der Zeitwahrnehmung.
Mythos: in illud tempore. „Im Anfang“ ist keine histor. Zeitbestimmung,
sondern „im Ursprung“, „in principio“. Es gibt Alltagszeit, aber Vorrang der
mythischen Zeit. Heilige Zeit ist Urerinnerung der Zeit vgl. Kirchenjahr. Mythos
erinnert nicht Vergangenheit, sondern die Gegenwart des Ursprungs. Vgl.
Märchen „Es war einmal ...“ = immer, das was immer gilt „Und wenn sie nicht
gestorben sind, dann leben sie noch heute ...“ - Kontrast gegenüber die histor.
Zeit.
Ägypten:
Nil – Nilüberschwemmung.
Jd. Pharaokrönung war nicht nur Machtwechsel, sondern Beginn eines neues
epochalen Zyklus. Sonnenlauf ist mythisches Geschehen, einer Dramaturgie
von Leben und Sterben. Sonnengott wandelt sich 3 x pro Einheit (Aufgang –
am höchsten – Untergang der Sonne). Liturgie war am Sonnenlauf
ausgerichtet, er soll erhalten werden und nicht durcheinanderkommen.
Sonnenfinsternisse waren fürchterliche Ereignisse. Zeit hat keine profane
astronomische Funktion, sondern sakrale Funktion.
Assmann: Zwei Begriffe von Ewigkeit:
• Neheh = Zeitqualität der ewigen Wiederkehr = Bewegung in der Zeit,
Zeitenlauf, Jahreslauf
• Djet = Bleiben, Dauer, Erde
Sumerer:
Hatten fast schon Interesse an Geschichte. Zweistromland: Trockenheit &
3/37
Überschwemmung. Interesse an der Astrologie – Vorwegdeutung der Zeit
durch die Priester, Antizipation der Zeit.
Mittelalter: Die Welt war 6000 Jahre alt. Man dachte, dass 1000 Jahre lang der
Satan freigelassen werde und dann das Ende der Welt kommt –
Jahrtausendwende, Glaube an den Weltuntergang. Symbolische Konzeption!
Dieses Denken gibt es bis heute z.B. Zeugen Jehovas -> verändert völlig das
Lebensgefühl.
Was soll heute „Ende der Welt“ & andere symbolische Zeitsignaturen?
Herausforderungen der Hermeneutik. Mythos ist zu Ende. Im Mythos bin ich
drin, bei der Frage danach bin ich aus dem Mythos draussen.
Heute gehen autochtone Steinzeitkulturen zugrunde, wenn sie mit unserer
Kultur in Berührung kommen. Kulturen gehen so zu Ende.
Eliade: Mythos ist Kognitionsstruktur einer Kultur, Mythos ist
grundlegende Regelung, wie wir Wirklichkeit denken, handeln, Rituale
vollziehen. Performatives Verständnis. Mythos wollte nie Information sein.
Eliade: Funktion des Neujahrsfestes in Babylon „Aikito“ - ständige
Rezitiation des Schöpfungsmythos. Wirklichkeit entsteht aus Süß- und
Salzwasser - Götterhimmel entsteht - Kämpfe – Babylon wiederholt im
Neujahrsfest die Dramaturgie der Entstehung -> existentielle Dimension ->
Osterfest: Finsternis und Licht, Chaos und Heil. Das Jahr in Babylon wird
erneuert – kairologische Füllung bei uns auch zu Sylvester.
Wenn Menschen keine Rituale haben, fallen sie in Trauer, weil sie nicht mehr
artikulieren können, was sie bedrückt. Liturg. Handeln ist
komplexitätsreduziertes Handeln zur Entlastung vom Dauerpalaver, gegen die
Dauerdistanz der kognitiven Reflexion.
Entwertung der profanen Zeit – Markierung bestimmter Zeiten mit Qualitäten
z.B. Geburtstag. Geburtstag erinnert den Tag als ich auf die Welt gekommen
bin.
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Geschichtskulturen und Zeitvorstellung
Neue Vorstellung der Zeit. Entscheidend ist die Zeit der Kultur selbst, der
Blickwinkel ändert sich. Jüdisches Volk brachte seine Geschichte mit
monotheist. Konzeption zusammen. Nicht mehr die Wiederkehr des
Ewiggleichen, sondern Geschichtszeit des Volkes und erwartete Zeit des Neues
ist entscheidend. Leidenserfahrung des Volkes ist Dramaturgie der
Zeiterfahrung: Exodus, Exil, Landnahme, Eschaton, ... Schemata zur
Einordnung der Zeit. In mythischer Kultur wird Göttergeschichte memoriert, in
Israel wird Volksgeschichte memoriert, wird zum Muster der
Sakralgeschichte: Geschichte des Gehens Gottes mit dem Volk.
Schöpfungstradition brauchte Entsakralisierung, Natur ist profan, Stück Welt, in
ihr gibt es nichts mehr Göttliches. Erste Aufklärung.
Für uns heute auch befremdlich.
Geschichtsbewusstsein kommt aus dem Jüdischen, wurde übers Christentum
ins griechische Denken transportiert. Hesiod schrieb nur Exemplargeschichte,
aber die Geschichte ansich hat ihn nicht interessiert.
Mittelalter
Viel Wald, wenig Häuser, wenig Bilder, wenig Zivilisation, ... in Mitteleuropa.
Bäuerliche, einfache Lebensweise. Keine komplexe Stadtkultur der Antike. Da
entsteht die christliche Welt. Eigene Qualität romanischer Kirchen: Ruhe,
Harmonie der Rundbögen.
Mensch bekommt die Zeit geliehen, Zeit ist sakrale Kategorie. Leben ist
vergänglich, sündig, gefallen, gebrochen, ausgerichtet auf das Kommen
Gottes, auf das Gericht, wo die Weltzeit zu Ende kommt.
Zeit hatte keine Uhr, keinen Geldwert.
Individuum war Teil eines Größeren. Fortführung der Familientradition.
Apokalypt. Vorstellungen zum Jahrtausendwechsel. Welt war sozial ausser
Rand und Band. Armutsprediger, Bussprediger.
Zeit ist im Besitz Gottes -> Zinsverbot. Wir dürfen mit Zeit nicht Geld
machen, weil wir Zeit nicht besitzen.
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11.3.09
Die europäische Vormoderne
1.2.3. Die Zeit beginnt zu laufen – Zeitkultur der „Neu-Zeit“
Als die Zeit eine Uhr bekommt. Uhren als High-Tech-Produkte der Zeit.
Vorher waren Sonne und Mond entscheidend -> Neukonfiguration der Zeit.
„Zug der Zeit“ - Zeit wird Erfahrung von Beschleunigung durch die
Quantifizierung der Zeit. Die Neuzeit wird mit der Glocke des Uhrturm
eingeleitet.
Zeit wird ein Faktor für die Wirtschaft, ein Faktor, der berechnet werden muss.
Handel mit Fernost. Kontakt zwischen ProduzentIn und KonsumentIn
aufgebrochen – Zeit wird zum Faktor der Kalkulation. Bankhäuser.
Verknüpfung von „Zeit“ und „Geld“. Ware wird zum Zeitfaktor
umgerechnet. Benjamin Franklin: „Bedenke, dass Zeit Geld ist“.
Zeit wird zum sozialen Gut. Kinder werden auf abstrakte Zeit getaktet.
Wer über die Zeit anderer bestimmen kann, ist der Chef -> das ist ein
Marker für Macht. Darum kommen PolitikerInnen zu spät als
Machtdemonstration. Es hat Jhdt. gedauert, bis die EuropäerInnen zeitfähig
geworden sind.
Pünktlichkeit wird erst ein Wert ab der Aufklärung, mit der Schulerziehung.
Fleiß und Pünktlichkeit sind klassische Tugenden. Damit wurde die Zeit
sozialpsychologisch knapper, weil sie organisiert wird.
Zeit ruft Geschichtsbewusstsein hervor. Davor war die christliche Kultur
relevant, dass die Welt vor 6000 Jahren erschaffen wurde. Es gab keine
synchronisierte Weltzeit, sondern eine sakrale Zeit aus der Bibel. Dort
schwamm die profane Zeit mit. Menschen rechneten mit dem Endgericht, die
Geschichte kommt vors Endgericht. Es gab keine Zukunft, es gab das morgen.
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Geschichte war Exemplargeschichte, Familiengeschichte wird als
Ereignissgeschichte erzählt. Zukunft gab es nicht.
Im 17./18.Jhdt. Säkularisierung der Zeit: Fortschrittsidee und
Universalgeschichte werden dominant. Der Mensch ist der Herr der Zeit,
nicht mehr Gott.
Löwith: Neue Zeit ist die Säkularisierung der christlichen Eschatologie,
an die Stelle des Endgerichts, Himmels tritt jetzt der Fortschritt. Zukunft, die
besser, endlich vollkommen wird (-> Marx).
„Sattelzeit“ zwischen 1750 und 1830 (Kosselek): Sattel wird überschreitet
und man kann nicht mehr zurück. Wir sind eine Menschheit. Wir tackten die
Zeiten der Völker auf eine gemeinsame Universalgeschichte,
Weltgeschichtskonzeption aus der europäischen Perspektive, die in der
Kolonialisierung verbreitet wird, aber nicht global ist. Bsp. andere Perspektive
aus China. Enthnozentrisches, europäisches Konstrukt mit unserem Kalender,
der anderen aufgedrückt wird über die UNO.
Die Hunnen und Napoleon waren in ihren Kriegszügen nicht schneller.
Geschwindigkeit verdichtet Räume, so entsteht Bewusstsein der Einheit der
Räume der Welt.
Religion muss lernen in zwei Zeitwelten zu leben, sonst wird sie
weltfremd. Bsp. Osternacht JC gestern-heute-morgen ist unverständlich in
profaner Zeitordnung aufgrund der sakralen Struktur. Beschleunigung bringt
das religiöse System unter Druck.
1.2.3. „Beschleunigung“ – Zeitkultur der Moderne
Teilchenbeschleuniger in Genf.
Hartmund Rosa: Veränderung der Zeitstruktur in der Moderne
Modernisierung ist Beschleunigung. Beschleunigung ist die Ursache für
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Modernisierung.
Drei Beschleunigungskreisläufe:
– Technische Beschleunigung: intentionale B. zielgerichteter Prozesse
– Beschleunigung des sozialen Wandel = Steigerung der Verfallsraten von
handlungsorientierenden Erfahrungen und Erwartungen und Verkürzung der
Funktions-, Wert- und Handlungssphären, die als Gegenwart (im
zeitpsychologischen Sinn) wahrgenommen werden. Mit der Verfallszeit wird
die Gegenwart kürzer, z.B. PCs.
Tempo des Wandels hat sich von intergenerationalen
Veränderungsgeschwindigkeit in der Frühmoderne über dieine Phase
annähernder Synchronisation mit der Generationsfolge in der klassischen
Moderne zu einer in der Spätmoderne intragenerational gewordenen
Tempo gesteigert. Bsp. Lebensfremde 40j. gegenüber Jugendlichen.
– Beschleunigung des Lebenstempos = Zunahme der
Handlungsgeschwindigkeit und strukturell versus Veränderung der
Zeiterfahrung des Alltagslebens. Bsp. Handy.
Grafik Triebkräfte siehe Folie
Motor der ökonom. Beschleunigung ist das Geld.
Motor der Beschleunigung des sozialen Wandels ist die funktionale
Differenzierung.
Motor der Beschleunigung des Lebenstempos ist die Kultur, die Verheissung der
Beschleunigung. Verheissung der Beschleunigung ist Prosperität =
Reichtum. Marianne Gronemayer: Mein Leben ist die letzte Gelegenheit. Zeit
ist das einzige, was ich im Leben habe, wenn ich das nicht habe, habe ich
verloren. Für christlichen Menschen ist Zeit eigentlich immer entschleunigt: Der
Tod ist die Eröffnung einer anderen, nicht endlichen Zeit. In Säkularisierung ist
Unendlichkeit kein Faktor mehr. Überlappung funktioniert nicht mehr Bsp.
Ablass – kein Zufall, dass das an der Wende zur Neuzeit passiert ist.
Ablass ist heute das, was die Kulturindustrie vorgibt. Gutscheine, Bons, ...
wenn du bis zum XX. in das Geschäft kommst. -> Stress und Druck, weil die
Zeit immer dieselbe ist.
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1.2.4. „Rasender Stillstand“ - Zeitkultur der Spät-/Postmoderne
Kommunikation in Echtzeit und globale Synchronie: Internet, Email.
Zeitverschiebung, die real existiert, existiert nicht mehr.
In der Echtzeitkommunikation wird alles gleichzeitig.
Kürze der Zukunft, über 10 Jahre kann man nicht mehr hinausdenken.
Zeit kommt in eine Art Stillstand: rasender Stillstand.
Verlust des Geschichtsbewusstseins.
Von der Zukunfts- und Trendforschung: nur mehr Trendforschung, keine
Zukunftshoffnung mehr wie Marx und Bloch. Am Ende der Zukunftshoffnung
steht die Entschleunigung lt. Marx.
Entwertung von Wissen und Tradition. Aber heute kommt man in den
Firmen wieder drauf, dass von den 25 -35jährigen nicht alles zu haben ist.
Immerwährende Gegenwart: Nichts bleibt wie es ist, aber es ändert
sich nichts. Ständiges technisches Umlernen, ständige Veränderung, aber auf
tieferer Ebene ändert sich nichts mehr.
Entschleunigungstendenzen. Unterbrechen geht nur im Unterbrechen des
Kreislaufes. Dazu müsste aber die technische Beschleunigung gestoppt
werden, das ginge nicht ohne Zusammenbruch.
„Zeitkrankheiten“
Vergessen: Wir können keine präzisen Geschichten mehr erzählen und uns
diese merken. Kein Sinn mehr für die Qualität von Information, die Selektivität
macht uns vergesslich.
Fragmentierung: Wir leben zig Rollen. Darum der Schrei nach
Ganzheitlichkeit.
Depression ist die Zeitkrankheit der Gegenwart, Unerträglichkeit von
Augenblick zu Augenblick, die Erfahrung jede Sekunde vergeht.
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Die „Gegenwart“ als Signatur der Erlebnisreligiosität: Apokalypt. und
utopische Religiositäten leben in der Zukunft, Kairos hebt die Gegenwart
heraus; aber Menschen können nur mit der Gegenwart angesprochen werden.
-> Eventkultur: Event als qualifizierte Zeit der Zusammengehörigkeit.
Individualisierte Menschen leben traditionslos, darum werden Ereignisse zum
Event, zur angereicherten Heilszeit. Events werden erzeugt, um genau diesen
Effekt herzustellen.
2. Was ist Zeit II? Naturwissenschaftliche Zugänge
Zeit im Kontext von Theologie und Naturwissenschaft
Naturwissenschaftlicher Zeitbegriff bringt die trad. Eschatologie durcheinander.
Revolution unseres Weltbildes. Theologie als Reflexion der Religion ist massiv
herausgefordert.
Galilei und Newton: Das physikal. Modell der absoluten Zeit – unabhängig von
den Dingen. Zeit ist ein absolutes Maß, innerhalb dessen sich etwas ereignet.
Alle Ereignisse werden auf eine homogene Zeit umgedacht.
Ist Zeit eine Welle oder Licht? Analyse der Geschwindigkeit des Lichts – Frage:
Wie schnell ist Licht? Licht dürfte dann eine variable Grösse sein, wenn ich es
mit einem System in Bewegung korreliere.
E 19.Jhdt: Hineinrechnen der Erdrotation. Egal ob ich hier oder dort messe,
das Licht ist immer gleich schnell.
Einsteins Paradigmenwechsel:
Lichtgeschwindigkeit ist konstant. Relativitätstheorie: Zeit ist abhänig von der
Bewegung von Initialsystemen. Zeit ist von Bewegung abhängig – bisher
unabhängig gedacht. Je schneller ich mich bewege, umso schneller vergeht die
Zeit. Zwillingsparadoxon: Reise zur anderen Galaxis. Zeit und Raum wird
miteinander verknotet. Veränderte die Physik radikal.
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Irrelevant im Alltag, aber anderes Verständnis des Kosmos – kein Anfang und
Ende. Inflationäre Zeit im Urknall.
Zeitkonzept der Physik und des Kosmos spiegelt sich zurück in unsere
Auffassung von Welt: Kosmische Geschichte wird Art mythische Geschichte.
Zeit ist nicht gerichtet, aber wird so von den Physikern erzählt. Differenz von
Anfang und Ende, Irreversibilität. Kosmos ist eine endliche Größe.
Biologische Zeitkonzepte:
Zyklische und linare Zeit sind verschränkt, z.B. Biorhythmen.
Bewusstsein von Evolutionszeit, Zeit ist leeres Band, dass unendlich gross ist.
Auswirkung auf das allg. Zeitbewusstsein. Evolution - Anthropolog.
Konsequenz: Einzelleben ist bedeutungslose Mikrosekunde. Gattung Mensch
nur als Durchgangsphänomen.
Die zeitlose Zeit der Evolution - „Chrono-kratie“?
Biblische Tradition macht die Geschichtszeit zur Sakralzeit, Profangeschichte
wird Heilszeit. Wenn aber die Geschichtszeit zerfällt, zerbricht dieses Modell mit
Gott dahinter.
Literatur zum Thema
siehe Folie
3. Was ist Zeit III?
Zur Philosophie der Zeit und Ewigkeit
3.1. Die Metaphysik der Zeit
Parmenides: Aufhebung der Zeit im Begriff des „Seienden“. Im Seinenden ist
keine Veränderung, darum muss es immer sein, es hat keine Zukunft, ist
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immer ganz -> Wahrheit und Identität sind zeitlos: Das was ist, ist das was ist
und verändert sich nicht. Zeitdualismus: Identität als zeitlos gedacht, schafft
Probleme bei Veränderung. Wenn Wahrheit sich verändert, war sie nie
Wahrheit. Das was Seiend ist, ist radikal das Unveränderliche.
Platon: Ontologische Ordnung. Annahme von identitätsbeständiger, zeitloser
Wirklichkeit = Welt der Ideen. Daneben veränderliche Welt. Ziel ist
Reinkommen in die Welt der Ideen.
Chronos und Aion: Zeit = Chronos ist das aionhafte Abbildbild des im Einen
verharrenden aion, da nach Zahl fortschreitet. Zeit war als Einheit darstellbar
= unbewegte Zeit. Ewigkeit ist das Prinzip der Ideen, dort wo wird die Zeit am
nähesten an der Ewigkeit wahrnehmen, ist die Zeit der Gestirne. Chronos ist
das Abbild vom Abbild der Gestirnsbewegungen, die ewigen Ideen sind das
Immergleiche.
Aristoteles: Zeitbegriff: Zahl der Bewegung. Quantifizierung. Zeit ist Zahl der
Bewegung, Bewegung der Körper.
Unterscheidung früher/später wege nder Seele = Psyche als Einheit von Leben
und Bewegung. Zeit ist etwas subjektives.
18.3.09
Augustins Zeitphilosophie
Tradition der plotinischen und platonischen Tradition, kennt Aristoteles (Zeit als
Maß der Bewegung, Äon).
Eion/Ewigkeit griech. = Einheit der Wirklichkeiterfahrung einer
Lebensspannung. Unser Ewigkeitsbegriff dt. ist geprägt von linearem
Verständnis.
Zeit gibt es gar nicht, existiert nicht -> Zurückführung der Zeit auf das
Subjekt. Auch lt. Aristoteles ist das Zählen eine Aktivität des Geistes, darum ist
12/37
Zeit das Maß des Geistes und nicht etwas objektives. Erst bei Augustinus
kommt es zu einer Gesamtkonzeption der Rückführung auf das Subjekt.
Berühmter Text: Kapitel 11 in den Confessiones
Gottes Ewigkeit ist der Rahmen der Zeit (Zeitlosigkeit und Einheit der
Zeitmodi). Zeit ist selbst eine geschöpfliche Wirklichkeit, Zeit hat mit der
Schöpfung begonnen. Was ist vorher? Für solche Fragen hat Gott die Hölle
geschaffen, das ist eine sinnlose Frage. Zeit kann vor der Wirklichkeit nicht
existieren (hat die Quantenphysik bestätigt).
Was ist Zeit? Die berühmte Frage Augustinus in den Bekenntnissen. Die
Zeitmodi (Vergangenheit, Zukunft, Gegenwart) und ihr ontologischer, prekärer
Status; ontologisch existiert Zeit nicht, Vergangenheit gibt’s nicht mehr,
Zukunft gibt es noch nicht, Gegenwart ist die nicht feststellbare
Übergangszone zwischen Vergangenheit und Zukunft -> die drei Zeitmodi
sind sprachliche Täuschungen -> Gegenwart der Vergangenheit, Zukunft
der Vergangenheit, Gegenwart des Gegenwärtigen. Legitim ist es von drei
Zeitmodi zu sprachen, aber es gibt eine „Dreiheit in der Seele“ und anderswo
sieht er sie nicht.
Zeit ist eine Ausdehnung. Aber was sie ist, weiss er wieder nicht. Wenn wir
ein Lied singen, entsteht ein Eindruck der Ausdehnung der Zeit, da kommt eine
eigenartige Einheit zum Ausdruck. Präsenzbewusstsein daudert 2-3 Sekunden,
so nehmen wir im Liedsingen Gegenwart wahr.
Zeit ist Erinnerung/memoria, Erwartung/expectatio, Wahrnehmung/
attentio – sind Gegenwartsphänomene, die sich erstrecken, aber so wird
Gegenwart erfassbar.
Diese Ausdehnung ist für A. ein Mangel, eine schlechte Qualität der
Wirklichkeit. Geist ist immer zerstreut, lebt nicht in der fokussierten
Gegenwart, bringt den Menschen nicht aus der Zerfahrenheit heraus. A. hat
keinen qualitativ positiven Zugang zur Zeit.
Vor diesem Hintergrund hebt sich die Zeit Gottes, die Ewigkeit ab. In der
13/37
Zeit Gottes hat der Mensch seine Befreiung aus der Zerfahrenheit. Zeit ist
Durchgang, Abfall, Erprobungsraum. Es gibt nur eine Lösung: Die Lösung der
Heilsgeschichte: Weil Gott selbst in die Zeit eingegangen ist, darum ist gibt
es eine Brücke zwischen der Zeit des Menschen und der Ewigkeit. Ziel der
Erlösung ist es, aus der Zeit herauszukommen. Radikale Umorientierung
gegenüber dem Judentum. Damit hat das Christentum den Sinn für die
konkrete Geschichte verloren, Gegentendenz ist aber in der Apokalyptik da
(Eingeständnis, Gott hat seine Geschichte verlassen).
Nähe zu asiatischen, buddhistischen Traditionen in der Fokussierung auf die
Gegenwart.
3.2. Die Subjektivierung der Zeit in der Philosophie der Neuzeit
Kant: transzendentalphilosophischer Zeitbegriff
Das wir etwas räumlich sehen, ist etwas, was in unserem Verstand abläuft:
Kant nennt das apriorische Anschauung, vor jeder Erfahrung.
Zeit ist innerer Sinn des Geistes, der alles nach vorher/nachher
unterteilt. Wir nehmen alles zeitlich wahr. (Auch der Raum hat
Einheitsfunktion, Organisationsfunktion). Raum und Zeit haben in Bezug auf
die Dinge an sich nur ideale Bedeutung, nur bedeutsam in der Wahrnehmung.
Ewigkeit hat keinen objektiven, sondern einen regulativen Status.
Objektive Erkenntnis ist entweder logisch oder empirisch, immer mit
der Raumzeitlichkeit verbunden. Darum kann man Ich, Welt, Gott, ... nicht
wahrnehmen. Das sind aber keine Erkenntnisbegriffe in der reinen Vernunft:
Seele, Ich, Freiheit, ... Der Begriff Welt reguliert alles, was wir sinnlich
erkennen, ereignet sich innerhalb der Welt, Welt ist der Grenzbegriff aller
sinnlichen Erkenntnis, Welt als solches kann ich nicht erkennen, der Begriff
Welt ist ein synthetisierender Begriff. Der Begriff Gott synthetisiert alles auf
eine erste Ursache, einen ersten Grund – aber keine Anschauung, die
notwendig wäre für eine objektive Erkenntnis.
-> Revolution des theologischen Sprechens von Ewigkeit. Ewigkeit ist
14/37
missverstanden als Begriff unendlicher, fortgesetzter Dauer, so ist es nur
Projektion, dass etwas nicht aufhört. Phil. und theolog. Begriff ist das nicht.
Für K. ist Ewigkeit ein Begriff der praktischen Vernunft. Nicht-Zeit.
Theoretisch nicht fassbar, nur praktisch. Der Mensch ist von seiner
Subjektivität her auf Ewigkeit angelegt, der Mensch strebt nach Glück und dem
höchsten Gut. Das kann er allerdings im sittlichen Handeln nicht einlösen. Das
ist Widerspruch in der Moralpraxis. Begriff Ewigkeit hat praktische Dimension.
-> Eschatologie: Performative Theorie! Wer kann die Ontologie des Jenseits
rational garantieren?
Heidegger „Sein und Zeit“
Problem der Philosophie liegt in der parmenideischen Entgegensetzung von
Sein und Zeit, damit ist die Zeitlichkeit nicht erfasst. Zeit wurde immer als das
Andere des Seins erfasst. H. versucht das menschliche Dasein radikal von der
Zeiterfahrung her zu denken.
Metaphysik: Im Denken verobjektivieren wir, die Denkinhalte werden
eingeebnet, Erkenntnisse der Welt, des Denken, des Subjekts werden wie
Objekte auf den Tisch gelegt -> Das Wesen, dass das alles denkt, ist das
Subjekt, Subjekt ist verstehendes Wesen. Mensch ist das grundlegende
Seiende: Der Mensch ist Dasein. Keine Metaphysik ohne Reflexion auf die
Grundbedingungen des Dasein (=Mensch). Existentialphilosophie (Nietzsche,
...) - Form der Kantischen Ph. kann so nicht mehr gedacht werden ->
radikaler: Der Mensch ist immer zeitliches Wesen, versteht sich als zeitliches
und verstehendes Wesen, der Mensch braucht Erfahrung von Sinn, um
überhaupt da sein zu können.
Der Mensch ist Sorge. Dasein ist Vorlaufen auf die Zukunft, auf den Tod.
Unser In-der-Welt-Sein ist von Augenblick zu Augenblick kommen.
Orientierung auf die Zukunft. Irgendwann kommen wir nicht mehr weiter ->
Der Mensch als das um seine Zeit, seine Zukünftigkeit besorgte Wesen.
Schienen für das politische Denken, z.b. Marxismus.
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Gegenwart ist der entscheidende Augenblick, Extase und Entrückung. Der
Mensch kommt in seine Eigentlichkeit. Das Dasein wird aus der Sorge
heraus wesentlich, Sorge macht den Menschen zerstreut, das wird bewältigt
durchs Verlieren an die Zeit, lebt in den Tag hinein, verliert die Fokussierung –
und verliert sein eigentliches Dasein. Eigentlicher und uneigentlicher
Lebensvollzug. Eigentlich wird der Mensch, wenn er sich seines
Vorlaufens auf den Tod bewusst wird. Damit bildet er das Leben als
Ganzheit ab. Durch das Denken an den Tod wird das Leben ganz und der
Mensch wird eigentlich.
Fixierung auf den Tod ist zeitbedingt, z.B. auch bei Wittgenstein, der aber völlig
anders denkt. Existentiales Angespanntsein.
Ewigkeit ist extatische Gegenwart, aber keine ontologische Wirklichkeit,
Ewigkeit ist kein Thema der Philosophie mehr lt. H. Für H. ist das eine Grenze,
die die Philosophie erreicht hat.
3.3. Die „Zeit“ in der dekonstruktivistischen Philosophie
Derridas Kritik der Überwindung der Metaphysik
Wie ist Metaphysik überhaupt noch möglich? als immer wiederkehrende
Grundfrage, antimetaphysianische Philosophie kommt auch nicht aus dem
Bann der Metaphysik heraus, wird selbst metaphysisch.
Aus dem Phänomen der Zeichen kommt man nicht heraus, in den Zeichen liegt
etwas, das über das Zeichen hinausweist, auch morgen kann ich wieder
sprechen. Mit den Zeichen vergewissern wird uns der Präsenz und
Verständigkeit. Das Zeichen ist somit gefährdet ein Zeichen von
Überzeitlichkeit zu werden – aber: Die Bedeutung des Zeichens ist immer auch
nicht präsent. Die Bedeutung ist auch in der Negation mitgegeben.
Signifikat/Signifkant: Signifikant ist z.B. B.a.u.m, das Signifikat ist „Baum“
(das Bedeutete). Ich bedeute etwas mit Zeichen, die Zeichenkonstruktion ist
völlig willkürlich. Zeichen B hat aber keine Bedeutung, entscheidend ist nur,
16/37
dass ich damit etwas sagen kann. Zeichen konfigurieren nicht nur, indem sie
das andere nicht bezeichnen. Darum geht auch T.r.e.e.
Zwischen Signifikat und Signifikant herrscht keine Abbildung, keine
Repräsentation. Zeichen repräsentieren nichts, schon gar nicht ein
überzeitliches Phänomen, keine Dauer.
Wenn man das radikal durchdenkt, dann kommen wir nicht zu einer letzten
Bedeutung. Was ist der Sinn von „Baum“? Lexikonartikel bedingt schon wieder
eine Sprache – Bedeutung hängt von der Bedeutung von der Bedeutung ... ab.
Gefährliches Phänomen, weil wir immer glauben, dass es sowas wie eine letzte
Bedeutung gibt z.B. bei Interpretation eines Textes. Sinn kann man nicht
sagen, Sinn ist offen, morgen kann er schon anders sein in der Bedeutung.
Alles, was wir mit Zeichen bedeuten ist nie abschließbar im Netz der Zeichen.
Es gibt keine Urdifferenzierung. „G.o.t.t“ ist nicht die Urbedeutung für erste
Ursache. Auch der Signifkant Gott kann nicht ohne Zeichen bezeichnet werden,
macht nur Sinn in semantischem Universum. Metaphysik an der Wand.
Wenn ich statt Gott Nichts (Nietzsche, Heidegger) setze, ist das auch sinnlos,
so lässt sich die Metaphysik auch nicht kippen.
Difference ist die Struktur unsrer Zeichen. Nur aus der Differenz kann ich
etwas bezeichnen. Nur indem ich Zeichen hinzusetze oder austausche habe ich
eine andere Bedeutung. Baum -> Bau. Den anderen Signifikanten erreiche ich
nur durch Differenz. Das Sprachspielt funktioniert nur in Difference.
Differance, franz. = unterscheiden, aufschieben. Letzte Bedeutung müssen wir
immer aufschieben. Wir können den Sinn des Bedeutens nie vollständig fassen,
müssen wir immer aufschieben. Radikale Kritik an der Gegenwart! Gegenwart
als Summe der Wirklichkeit ist eine Fiktion. In der Gegenwart da ist nur
die Spur. Bedeuten kommt zu keinen Anfang und keinem Ende. Gegen
Diskurse, die Letztbedeutungen darstellen. Dagegen ist keine Negation setzbar,
weil die Negation schon wieder bezeichnet -> dekonstruktivistische
Philosophie. Im Dekonstruieren wird sofort wieder konstruiert, aber die
Philosophie ist sich dessen bewusst. Metaphysik kann nicht zerstört werden.
Wo ist das Andere, das Nicht-Bezeichnete?
Diskurse haben eine bestimmte Semantik. Der männliche Diskurs hat ein
17/37
bestimmtes Bedeutungsvokabular. Man kann an Diskursen beobachten,
was verschwiegen wird. Nicht Vergessen, sondern Machtfrage. Der Diskurs
der Mächtigen hängt am Ausschluss der Ohnmächtigen. Was wird nicht gesagt,
nicht bedeutet, was wird nicht bezeichnet? Warum? Wenn wir sprechen,
können wir nur das sprechen, was wir sprechen und nicht das sprechen, was
wir nicht sprechen -> das soll uns bewusst sein. Illusion von Letztgültigkeiten
in Diskursen. Hermeneutik, die an kein Ende kommt. Verschiedene Spuren im
Text. Text und Kommentar prägt, er stellt Text und Kommentar nebeneinander.
Das hat mit Zeit zu tun: Idee von Ewigkeit, Präsenz, Absoluten, ...
aufbrechen, immer nur als difference.
3.4. Die messianische Zeit in der
Geschichtsphilosophie Walter Benjamins
Rückgriff auf die bibl. Tradition.
Im Denken selbst muss die Frage der Leidenden vorhanden sein, sonst wird
der Denkprozess wieder ein Denken der Täter.
B. geht vom Begriff der Geschichte aus, Geschichte ist erzählte Zeit. Der
Sinn von Zeit erschließt sich erst über den Sinn von Geschichte.
Geschichte wichtig für Marxismus und Historismus: Sattelzeit s.o. ->
Paradigmenwechsel im Geschichtsbewusstsein der Menschen, Geschichte als
Geschichte gedacht, vorher keine abstrakte Weltzeit -> Verwissenschaftlichung
des Geschichtsbewusstseins. Schock im Ethnozentrismus. Pluralisierung von
Geschichte -> Positivismus: Geschichte wird positiv darstellbar -> Für den
Marxismus ist das nicht aushaltbar, es geht um den engagierten Blick auf die
Leidenden, es braucht endliche eine gerechtere Phase, wo keine Opfer mehr
produziert werden. Enkel sollen es besser haben. Qualitätsbruch zwischen
historistischen und marxistischer Betrachtung der Geschichte – das analysiert
B.: Geschichte des Historismus ist grundsätzlich anders zu verstehen als die
Geschichte in der marxistischen Tradtion: Geschichte ist Eingedenken, sich
der Opfer zu erinnern. Messianisches Verständnis ist auch so geprägt, B.
18/37
führt das zusammen. B. erzählt in den geschichtsphilosophischen Thesen
(posthum gefunden, 28 Thesen) sein Verständnis:
„... gewinnen soll immer die Puppe, die man historischen Materialismus nennt
... die Theologie in ihren Dienst nimmt, die heute klein und hässlich ist ....“ -
Die Puppe gewinnt nur, wenn sie sich die Theologie zu nutze macht.
These 9: „... Bild von Klee angelus novus ... Engel ... Engel der Geschichte ...
Antlitz der Vergangenheit zugewendet ... sieht Katastrophe ... Toten betten ...
Zerschlagene zusammenfügen ... Sturm weht vom Paradiese her ... treibt ...
Trümmerhaufen vor ihm ... das was wir den Fortschritt nennen, ist dieser
Sturm“. Bibl. Begriffe für die Zeiterfahrung, der engagierte Engel sieht nicht
Begebenheiten, sondern Katastrophe sich anhäufen. Engel der Geschichte ist
ein Bild des Judentums, der Engel möchte erwecken, kann es aber nicht, er ist
ohnmächtig.
-> Zugang B. zu Geschichte, nicht blenden lassen von Historismus, Geschichte
aus der Perspektive der Opfer, Eingedanken -> Geschichte ist nicht die
Entspannung in die Zeit, sondern Konstellation: Anordnung von
bestimmten Elementen -> Etwas in der Vergangenheit kommt ganz nahe, z.B.
wenn ein Mensch stirbt. So passiert es in der Geschichte immer wieder,
Einstellung konstellativ auf Ereignisse in der Vergangenheit. Die Zeit ist nur ein
Phänomen, eine Illusion. Jüdisches Erlösungselement: Erlösung im
Eingedenken, wenn solche Konstellationen aufblitzen. Messias.
25.3.2009
Zeitbewusstsein löst je anderes Geschichtsbewusstsein aus.
Benjamin greift v.a. die Geschichte der Leidenden, der Opfer auf. Relevant für
die politische Theologie (Metz). Eingedenken ist jüdische Theologie
schlechthin. Für B. ist Geschichte nicht nur positives Erfassen von Fakten,
sondern Konstellation.
Lineares Denken der Zeit ist für ein Fortschrittsmodell sinnvoll, Geschichte ist
so nach vorne hin offen. Wir leben in einer Zeit, wo sich das Alte gegenüber
19/37
dem Neuen ausweisen muss – umgekehrt in geschlossenen Zeitkulturen.
Fortschritt kann rasender Stillstand sein (Paul Virilio), Beschleunigung selbst ist
der Fortschritt – das wird zum Rückschritt. Je schneller, je mehr Ausblenden
von Gefahren. Existentielle und kulturelle Erfahrungen – z.B. heute
Wirtschaftskrise – Heraufbeschwören der 1930er-Jahre. Manchmal ist
Geschichte viel näher als die jüngste Vergangenheit – abhängig von der
Konstellation.
Anhang der 28 Thesen zur Geschichte:
Spannung historistische und messianische Zeit: „Der Historismus (=alle
Geschichtsdaten sind gleich und neutral) begnügt sich ... mit Kausalnexus ...
aber kein Tatbestand ist als Ursache bereits ein historischer ... er ist es durch
Ereignisse, die oft Jahrtausende von ihm getrennt sind ... erfasst die
Konstellation ... Begriff der Gegenwart als der Jetztzeit, in welcher
Splitter der messianischen eingesprengt sind. Erst derjenige erfasst die
Konstellation, der seine eigene Epoche in der Verwandtschaft zu einer anderen
Epoche erkennt ...“.
Messianische Zeit wartet schon auf uns, jetzt ist Kairos, nicht Chronos, wenn
man den Kairos übersieht, hat man den Messias übersehen. Dimension des
Messianisches ist in der Jetztzeit, in der Kairoszeit zu erfassen.
Religiöse Qualität von Zeit auf transzendente Dimension kommunizieren wir in
Raum-Zeit -> Missverständnisse vorprogrammiert.
Messianismus von dem Benjamin spricht, ist der, der heilt. „Sicher wurde die
Zeit von den Wahrsagern ... weder als homogen noch als leer erfahren ... im
Eingedenken ist die vergangene Zeit erfahren worden .... Eingedenken
... entzauberte die Zukunft ... Juden wurde die Zukunft doch nicht zur
homogenen und leeren Zeit ... jede Sekunde, die Pforte, durch die der
Messias treten konnte“. Offen sein radikal für die Möglichkeit des Ankommen
des Messias. Hoffnung auf das Hier und Heute.
Argumentationsmuster wie bei Habermas – semantisches Potential der
Theologie, die die Philosophie nicht abschöpfen kann & umgekehrt.
20/37
4. Was ist Zeit IV? Eine kleine Theologie der Zeit
4.1. Die befristete Zeit
Metz: Im Grunde gibt es keine Theologie der Zeit, viele Reflexionen. Gottrede
ist aber so stark mit dem Thema Zeit verbunden. Frage: Wir verhalten sich
Gott und Zeit? Griech./jüd.christl. unterschiedliche Modelle.
Judentum und Christentum setzt Gott und Zeit in engstes Verhältnis.
Idenfitikation von Gott und Ewigkeit, Zeitlichkeit ist Endlichkeit.
Östliche Theologie: Gott ist nicht zeitlich, Logos kann in der Zeit zeitlich
werden.
Reflexionen in der Schöpfungstheologie, Inkarnation & Erlösung, Eschatologie
und Endzeit -> alle Grundkategorien des Glaubens haben einen
Zeitindex nach Metz. Zeit ist ein Grundbegriff der Theologie.
Anknüpfung bei der Apokalyptik. Zeit und Gott ist da explodiert. Apokalyptik
ist v.a. Phänomen der Textproduktion (Jesaja 25.28 Ende der Zeit – Gericht),
in der zweiten Phase passiert Neues: Nachdenken über die Weltgeschichte,
Bewertung, Hoffnung, dass am Ende der leidvollen Geschichte ein Endkampf
ist, in dem Gott für die Gerechten siegen wird. Apokalyptik hat kein
Vertrauen mehr in den Gang und Sinn der Geschichte <->
Heilsgeschichtliche Deutungen. Apokalyptik meint, dass Gott nicht mehr
anwesend ist, nicht mehr Herr der Geschichte, sondern am Ende muss er
kommen, die Welt vernichten, Gericht, Welt neu erschaffen. Extreme Leid- und
Verfolgungssituation im 1.Jh.v.Chr. - einzige Hoffnung auf Besserung ist die
Zukunft. Von diesem Druck und Schock kommt die Apokalyptik her und
projiziert das Gericht – im Gegensatz zu den Zeloten – auf das Jenseits. In der
hellenist. Phase ist die Apokalyptik ausgelaufen innerhalb des Christentums -
21/37
„Jesus kommt wieder“ ist falsifiziert worden – Konstantin.
Aus der Naherwartung (typ. apokalypt. Haltung) ist Stetserwartung
(irgendwann) geworden. Entstehung der Staatskirche, Reichsreligion.
„Unzeitgemässe Thesen zur Apokalyptik“ von Metz:
Exeget. Streit um die Apokalyptik in den 1960er-Jahren (Bultmann –
Käsemann). Käsemann: Christl. Theologie kam aus der Apokalyptik und kann
darauf nicht verzichten als eigene Quellen / heute gilt das so nicht mehr.
Metz: Zeitproblem hat in der Apokalyptik theolog. qualitat. Ort.
-> Kürzeste Defintion von Religion ist Unterbrechung.
Zeit ist befristet. Religion ist Unterbrechung der Leiden, Ansage der
Unterbrechung der Leidensgeschichte, Protest gegen die
Leidensgeschichte. Leidunempfindliche Theologie ist so wie sie ist, weil wir
die apokalypt. Sensibilität für die Zeit verloren haben im Wohlstand. In
Lebensgefahr wollen wir die Unterbrechung des Leidens. Gegeneinander
ausspielen funktioniert nicht von 1 Opfer und tausenden Opfern.
Statt der Leidempfindlichkeit hat das Christentum seit Konstantin die
Sündenempfindlichkeit gefunden. Judentum: Zentralisierung der Stämme
bedeutet Hierachisierung und gleichzeitig komplexere Organisationsform der
Gesellschaft.
Alle Begriffe von Zeit sind abstrakt gemacht worden. Wir reden ständig von
Zeitlichkeit, aber lt. Metz Blick auf die Opfer: aus der Zeitlichkeit die Zeit
bedenken, aus der Geschichtlichkeit die konkrete Geschichte bedenken.
Apokalyptik bringt das Verhältnis Zeit und Gott wieder zusammen.
Apokalyptik ist nicht eine Chronologie, sondern die Hoffnung, dass
Gott eingreift. Maranatha! Komm Herr! (Offb 22,20).
Neuzeitliche Kultur leidet an Problematik: Wir denken Zeit ohne Finale. Zeit
ist Schöpfungszeit, nicht ewig, begrenzt. Wir leben aber in anderer Kultur.
22/37
Naturwissenschaft präsentiert unfassbare Zeiträume.
„Keiner hat Zeit, keiner nimmt sich Zeit“. Machbarkeit. Alles ist überholbar.
Dialektik! Evolution wird zum neuen Mythos. Wir leben eigentlich in einer
Chronokratie – die Uhrzeit ist der letzte Herrscher über uns. Evolution ist
neuer Mythos, ohnmächtiger Mensch gegenüber Gott.
Glücks ist nur mehr durch Vergessen möglich in so einer Zeitkultur, weil
das Leiden, das Eingedenken, ja nicht glücklich machen kann. Die Postmoderne
kündigt das Ende des Subjekts an (Nietzsche, Foucault, Strukturalismus). Neue
Herrschaft der Naturzeit – das aufgeklärte Subjekt, dass Herr/Frau der
Geschichte ist, der/die Geschichte gestaltet. „List der Vernunft in der
Geschichte“ (Hegel) funktioniert nicht mehr. Wir Menschen sind ein
Naturprodukt, das da ist und vergeht. Nach dem „Tod Gottes“ (Nietzsche) ist es
für Metz konsequent den „Tod des Menschen“ (Foucault, Die Ordnung der
Dinge) zu verkünden. Theologie ist lt. Metz im Bann der Zeitlosigkeit.
Theologie hat sich angepasst. Metz spitzt zu auf die Frage: ist der Theologie
die Zeit eine befristete Zeit oder ist die Zeit eine leere, unendliche
Zeit?. „Das Reich Gottes kommt“ bedingt die Befristetheit.
Biblisches Erbe ist eine gefährliche Erinnerung an die Opfer, die
Leidenden halten die Fragen nach der Erlösung offen. Einseitigkeit, wenn
Opferbegriff nicht ganz klar definitiert ist und eher Opfer der politischen
Verhältnisse meint – wird das dem Menschen gerecht? Opfer- und
Leiderfahrungen macht jeder Mensch. Jeder hat die Frage nach der Erlösung.
Konflikt Metz – Drewermann: Drewermann spiegelt alles zurück in das Opfer,
dass der Mensch psychisch darstellt. Für Metz ist die psych. Problematik eine
Frage der Gerechtigkeit, wenn es Gerechtigkeit gibt, gibt es keine psych. Opfer.
Dialektik der beiden Positionen!
4.2. Zeit und Ewigkeit bei Karl Rahner
23/37
Keine ausgearbeitete Theologie der Zeit, aber „improvisierte theologische
Bemerkungen über die Zeit“.
Metz wirft Rahner vor, er rede zwar vom Menschen, aber total abstrakt, das
konkrete Subjekt ist nicht gemeint. Transzendentaltheologischer Ansatz
ist lt. Metz eine idealistische Versöhnungstheologie dargelegt am
Märchen vom Hasen und Igel: Hase und Igel vereinbaren eine Wette, Igel
kann sowas nicht gewinnen und schummelt mit der Frau am anderen Ende und
bleibt stehen. Als der Hase ankommt ist der Igel immer dort. Hase läuft
solange bis er tod zusammenbricht. Blöff, dass er immer schon da war. ->
Trick der Tranzendentaltheologie: Gott ist immerschon bei mir da bevor ich
entdecke, dass er da ist. Eigentlich hat Rahner lt. Metz keinen Begriff für wahre
Geschichte, das ist die Geschichte des Hasen, der Igel ruht wie der
Metaphsyiker ausserhalb der Geschichte. Rahner hat sich gewehrt, so einfach
ist es nicht – wer sich in der Geschichte erschöpft kann nicht mehr idealistisch
denken. Reden wir von Igeln oder Hasen? „Immer schon“ ist das igelhafte, die
Hasen sind die Opfer in Auschwitz.
Zeithintergrund von Rahner: transzendentaler Thomismus / Thomas & Kant
-> R. stellt ein Synthese her inkl. heideggischer Fundamentaltheologie.
Menschl. Existenzvollzug ist nur in und durch Zeit möglich. Zeitlichkeit ist ein
Existential. Wir sind per se zeitlich. Zeit ist aber auch eine Bestimmung
des Geistes als Vermögen der Freiheit. Der Mensch selbst kann sich
entwickeln, Freiheit ist nicht denkbar ohne Zeitlichkeit. Zeit ist die
Voraussetzung für Personalität und Freiheit.
Teilhard de Chardin: Christus als Mensch des Kosmos, auf den die ganze
Entwicklung zuläuft.
Klass. Metaphysik kann Materialität und Geistigkeit nicht miteinander über die
Zeit denken -> will das lösen.
24/37
Auch der Kosmos ist angelegt auf Freiheitsgeschichte.
Freiheit ist nur durch Transzendenzbezug möglich. Übersteigen von sich
selbst, sich selbst bestimmen. Die Freiheit des Menschen ist die
Selbstbestimmung, indem ich mich für etwas entscheide, werde ich
frei. Postmoderne Kultur ist gg. Bindungen – Widerspruch. Für R. gibt es
Freiheit im Kosmos, am Menschen als geistiges Wesen – der Kosmos selbst ist
auf Vollendung ausgerichtet. Wenn der Mensch ein Naturwesen aus der
Evolution ist, dann ist der Kosmos auf Freiheit hin angelegt. Freiheit ist
Ermöglichung, die aus der Materialität des Kosmos selbst herauskommt,
Freiheit ist somit das Ziel des Kosmos. Freiheit ist aus der menschl.
Perspektive die Offenheit auf Transzendenz. Freiheit und Transzendenz ist ein
Möglichkeitverhältnis. Gott ist das Immantenteste der Kultur.
Wenn der Mensch auf Freiheit / mit Gottesbezug / ausgerichtet ist,
dann ist Transzendenz das Innerste der Zeit. Gott ist in die Zeit
hineingegangen in Jesus Christus. Gott ist immerschon das Immanenteste
der Natur, weil Gott die Möglichkeitsbedingung der Freiheit ist.
Ewigkeit ist ein Moment der Zeit. Gott ist jedem Augenblick präsent.
Ewigkeit ist Zeitform Gottes, Ewigkeit ist in der Zeit aufgehoben. Die Jetztzeit,
den Splitter des Messianischen, entdecken wir jetzt schon. Zeit hat als innere
Struktur die Ewigkeit, dort wo es bewusst wird, blitzt die Ewigkeit auf. Die
Ewigkeit ist transzendental in der Zeit da. Tranzendentale Offenbarung: Gott ist
immer in jedem Menschen präsent. Sobald ich irgendwas erkenne, erkenne ich
immer schon Gott mit. Gotteserkenntnis ist immer transzendental. Gott ist die
Möglichkeitsbedingung des Erkennens, Gott ist im Erkenntnisakt
immer dabei. Gott ist wie das Wasser für den Fisch, der gar nicht weiss, dass
er im Wasser ist. Der Mensch ist in Gott, obwohl der Mensch total in der Welt
ist. Gott ist immer apriorisch, immer transzendental.
Versprechen der Errettung gilt für alle, weil Gott JC gerettet hat. Wir müssen
nicht warten. Aber: Was hat dann die Geschichte für eine Bedeutung?
Ewigkeit als unendlich fortlaufende Zeit ist missverständlich, Endlichkeit ist
ereignislose Zeit. Ewigkeit ist Fülle und Einheit der Zeit.
25/37
Begriff von Ewigkeit gewinnen wir aus der Erfahrung der Bleibendheit von
Wirklichkeit. Der Prozess gehört dazu. In der Endphase ist der Anfang schon
drinnen Bsp. Frucht, Blume.
Wenn wir metaphysisch Einheit denken wollen, müssen wir Bleibendheit
denken. Einheit der Zeitmodi braucht es. Erfahrung freier personaler
Entscheidungen – Personwerden, Ich-Eerden gelingt nur, indem ich mich
entscheide. In der christl. Traditionen wird der Mensch genau dadurch das, was
er werden soll: unverwechselbar. Der Mensch ist Personalität und Einmaligkeit
– vor Gott unaustauschbar. Ist das alles Illusion? Ist da drin der Vorschein
von Ewigkeit denkbar? Wir machen Erfahrungen, die auf Ewigkeit
abzielen: Liebe.
Lebenszeit ist Vorwegereigenen von Ewigkeit. So treten wir durch den
Tod hindurch vor Gott. Tod ist nicht die Auslöschung des Menschen zum Nichts,
bei aller Radikalität der Endlichkeit tritt der Mensch in der Ganzheit vor Gott.
Gott vollendet, aber er vernichtet nicht die Zeitlichkeit. -> Schlechtester
Proponent für die Apokalypse. TranzendentaltheologIn erlebt die Göttlichkeit
der Zeit in jedem Moment.
Rahner vs. Metz - Berührungen:
Befristete Zeit – Zeit der Entscheidung.
Gott in der Zeit bei Metz – das ist für Rahner, dass der Kosmos und die
Evolution nicht leer sein müssen, aus dem innersten Moment Gottes selbst
heraus kommen.
Eingedenken – Verantwortung & Liebe -> Liebe und Verantwortung kann nur
Eingedenken sein.
-> sie sind sich näher als sie sich literarisch darstellen.
1. April 2009
Rahner & Metz haben unterschiedlichen Zugang, aber die Perspektiven sind
nicht diametral gegenüberstehend. Metz denkt diachron, Rahner denkt
synchron. Wer leidet, hat ein gebrochenes Verhältnis zur Gegenwart, bei Metz
26/37
wird der eschatologische Aspekt vordergründig, bei Rahner ist der
schöpfungstheologische Aspekt wichtiger.
4.3. Zeit und Ewigkeit bei Wolfhart Pannenberg
P. ist evangelisch.
Hermeneutische Theorie erstmals bei Dilthey.
P. macht dieses für die Theologie fruchtbar. Seine Frage: Wie kann bibl. antikes
Denken mit dem modernen Denken verbunden werden?
Lösung Barths ist für P. nicht möglich, Barth hat positivistischen Ansatz lt. P.
und Bonhöfer (Positivismus: Der sich in der Offenbarung selbstmitteilende Gott
muss nicht vom Menschen mit Vernunft erfasst werden). Ähnlich wie bei
Rahner Reflexion der Möglichkeitsbedingung des Verstehens des Wortes
Gottes.
P: Verstehen ist dialkekt. Bewegung von Text und Kontext. Satz ist erst
im Kontext verstehbar. Ähnlich mit Geschichte: Fakten, Fragmente, Funde, ...
können erst im ganzen Komplex verstanden werden. Man_frau braucht den
Kontext, um etwas genau erschließen zu können. Das Einzelstück ist immer in
Verbindung. Ähnlich: Geschichte können wir nicht begreifen, solange es
Zukunft gibt. Die Zukunft ändert die angeeignete Vergangenheit. Interessant
wird kollektives Gedächtnis. Z.B. heute wissen wir mehr über Ägypten als alle
voher darüber gewusst haben.
Sinnverstehen ist nur möglich durch Transzendieren des Textes. Krise des
Historikers – wie kann Sinn jetzt schon gehauptet werden. Solange es
Geschichte Zukunft gibt, ist etwas unabgeschlossen, weil die Geschichte
weitergeschrieben wird, wir stehen in der Zeit drinnen.
-> Selbstverständnis ist für die personale Identität nur möglich durch den
Vorgriff auf das „ganze Leben“ (Heidegger). Biografien werden erst nach
dem Tod geschrieben. P: Der Tod ist nicht das Ereignis, was das Leben
ganz macht, sondern was das Leben abbricht. Vorlaufen auf den Tod ist
Euphemismus, ist eine Tatsache, aber problematisch. Tod kann auch erfülltes
27/37
Leben abbrechen und zu Ende bringen.
Zukunft ist der fundamentale Zeitmodus für Existenz- und christl.
Sinnverständnis.
Metaphy. Konsequenz: Bestimmung des Seinden nur möglich, wenn die
Offenheit des Zeitlichen mitbedacht wird: keine definit. Erkenntnis eines
Seinden möglich, solange es in der Zeit existiert. Alles in Bewegung nivelliert.
P. will Tradition mit der Gegenwart verbinden.
Was ist dann die theolog. Konsequenz für Gott und Zeit?
AT: Gott ist die zukunftsermöglichende Wirklichkeit. Ex 3,14 Gott als „Ich
bin da“ „Der ich da sein werde“ (hebrä. hat kein Futur). Gott ist die bleibende
Wirklichkeit, v.a. in der Zukunft, Gott ist zukunftserschließend. Das ist
Erfahrung Israels und der Kirche.
Gott ist die Geschichtsmacht, die den Menschen eine Zukunft erschließt.
NT: Gott ist die zeiterfüllende Wirklichkeit. Der auferstandene Christus ist
der Sinn der Zeit. Der prekäre „Sinn von Geschichte“ wird profanhistorisch
zunächst artikuliert. Die Religion redet über das Ganze der Geschichte aus der
Perspektive Gottes, das kann die Geschichte selbst nicht. Historiker greift
implizit auf die Religion hin, auf das Ganze der Geschichte (wie Rahner:
Vorgriff auf Transzendenz). Transzendentalwiss. Aspekt: Theologie ist Vorgriff
der Artikulation auf das Ende der Geschichte. Sinn der Geschichte ist
Vollendung, Erfüllung (Grenzbegriffe). Vollendung wird empirisch in der
Auferstehung. P. ist einer der weniger, der von der Auferstehung JC als
historisches Ereignis spricht, das dass der Auferstehung als empir. Ereignis,
nichts über „wie“. Ansich ist Auferstehung ein eschatolog. Begriff
(Angekommensein in Gott). Auferstehung ist Sinn der Geschichte.
Problem: Wozu noch Geschichte, wenn Sinn schon offenbar ist?
Vgl. Hase und Igel: Wenn ich weiss, dass der Igel am and. Ende sitzt, wozu soll
ich laufen?
Synthesetheologie hat Problem, weil sie sich zu weit hinauswagen in die
Einzelwissenschaften. Empirisch sind für P. die Berichte der Zeug_innen.
Paradigma zu Zeit P. war Bultmann, für den nichts empirisch war im NT,
28/37
sondern alles Mythologem. P. konzipiert ein Gegenkonzept. Auferstehung ist für
Bultmann die Bedeutung des Todes Jesus als heilsbringender Tod. Für uns ist
Auferstehung etwas, was an Jesus selbst passiert ist, nicht nur eine Frage der
Interpretation. -> Hintergrund für P. Konzeption, gerät zwischen alles Stühle,
gg. Entmythologisierer, gg. Exegeten.
Wenn Auferstehung nur ein Interpretament (D.F. Strauss, ...) ist, bin ich dem
Projektionsverdacht ausgesetzt. Anspruch an Normativität, die nicht nur aus
mir heraus kommt. Sinn von Auferstehung wird nur aus der TN-Perspektive
sichtbar.
4.4. Zeit und Ewigkeit bei Jürgen Moltmann
Reformatorischer Theologe.
Kritik am universalgeschichtlichen Ansatz.
Inspiration durch Ernst Blochs „Prinzip der Hoffnung“ (1959) – Pointe ist die
Ontologie des „Noch-Nicht“, der Mensch ist das Wesen, das immer noch am
Werden ist. Gemeinsamer geschichtsoffener Horizont, der Mensch entfaltet
sich. Bloch fundamentiert das im utopischen Denken: Utopie drückt das Wesen
des Menschen aus, der Mensch ist noch am U-Topos, wohin er unterwegs ist.
Spannung. Der Mensch ist immer im Aufbruch. Die Religion des Judentums ist
Exodus-Religion, heidn. Religionen sind Ephiphanie-Religionen (lassen das
Göttliche erscheinen). Judentum hat keine Ephiphanie, dort zeigt sich Gott als
der, der vorausgeht - „Ich bin, der ich da sein werde“. Erschienen ist da aber
nicht Gott, sondern der noch nicht vollendete Mensch. In der
Religionsgeschichte bildet sich das ab, woraufhin der Mensch unterwegs ist.
Rezeption Feuerbach.
M: Reich-Gottes-Tradition ist atheistisch nicht vereinnahmbar. Religion kann
nicht Anthropologie und Marxismus aufgehoben werden. Der christl. Glaube
selbst ist tatsächlich auch Hoffnung. Der christl. Glaube ist Eschatologie.
29/37
„Theologie der Hoffnung“ (1960). Hoffnung ist überall anders okupiert, nur
nicht im Christentum – das macht M. stark inspiriert von Bloch.
Christlicher Glaube ist nicht nur im Anhang, sondern in der Substanz
Eschatologie. Eschatologie ist Hoffnung, nicht nur auf indiv. Erlösung, Hoffnung
auf Kommen Gottes, Vollendetwerden der Schöpfung, Vollendes des Subjekts
und Kommen des Reichs Gottes.
Die Verheissungen des AT und NT sind noch nicht endgültig. Heilsgeschichtl.
Ansatz denkt Geschichte auf einen Höhepunkt (Rahner) – damit ist Hoffnung
abgeschlossen. M: Auch für Jesus ist noch etwas auständig, noch nicht
vollendet.
1 Kor 15,23-28: Was bedeutet Auferstehung für Christus. Gott wird alle Macht
am Ende der Geschichte an Christus übergeben.
-> Solange wir hier noch unter der Herrschaft der Mächte leben, ist es für JC
noch nicht erledigt. Versprochen ist uns das Reich Gottes in Fülle – gedacht für
alle, den ganzen Kosmos.
Darum keine Glorienchristologie (Pantokrator, ....)
Oskar Cullmann: Wie eine Entscheidungsschlacht – aber Krieg ist noch nicht zu
Ende. -> Auferstehung ist schon der Sieg über die Mächte, aber der Krieg geht
noch weiter.
----> Moltmann: Aber auch für JC ist noch etwas offen. Dialektische Spannung
ist noch drinnen. Noch keine Rede vom Sinn der Geschichte.
Vollendung des Kosmos gehört in die Sinngeschichte des Glaubens hinein.
Greshake zum Menschen: Wenn der Mensch stirbt, ist im Tod schon
Auferstehung. Aber der Kosmos besteht weiter .... soll das, das Ende sein.
Chronologie <-> Kairologie. Indiv. gut denkbar, beim Kosmus fraglich.
Schöpfungszeit und Vollendungszeit gehören dialektisch zusammen,
Weltzeit und Geschichtszeit sind creatio continua und sind auf die
Vollendung ausgerichtet. Sabbat der noch ausstehende messianische
30/37
7. Tag der Schöpfung. Der Sabbat ist das Ziel der Schöpfung. Wir leben
als Christ_innen im messianischen Bewusstsein, dass der Tag schon seine
Vorwirkung hat auf unsere Geschichte und Existenz.
Kirche ist eine Kirche des Exodus. Wenn für JC etwas noch ausständig ist,
dann ist die Frage worauf wir unsere Hoffnung setzen: Individualismus oder
weltverändernde Gestalt. Kirche muss an der Seite der Armen, der
Hoffnungslesen stehen – weil in der Kirche die Erfahrung der Hoffnung behütet
wird. Zeit und Ewigkeit ist dialekt. Verschränkung – politische Theologie –
Zeit und Ewigkeit ist politisch wirksam. -> wieder Berührung mit Bloch.
-> verschied. Konzepte und Konsquenzen verschied. Theologen
4.5. Zeit als Kairos. Aspekte einer Theologie der Zeit
„Dualismus“ in den Theologien der Zeit.
(1) Zeit ist Nichtigkeit, Endlichkeit, Leiden (ontologisch)
(2) Zeit ist befristet, katastrophisch (eschatologisch)
(1)Zeit ist Werden, Entfaltung, Ereignis der Personalwerdung (ontologisch)
(2) Zeit ist Schöpfungsgabe zur Entwicklung der Geschöpfe auf dem Weg
der Vollendung in Gott (eschatologisch)
Sh. Folie ...
Beide Positonen haben ihre Berechtigung: Diachron & synchron.
Theologie der Zeit: (1) und (2) ist dialektisch zu vermitteln.
4.5.1. Zeit als Kairos: Die proleptische Form des Gottesreiches
Der Streit um den Status des von Jesus angekündigten Gottesreiches.
• Harnack (bürgerlich): Gottesreich ist in die Seele des Menschen
31/37
gekommen. Wellness des 19.Jhdts.
• Schweitzer: Gottesreich ist eschatolog.-apokaltypt. Missverständnis;
Jesus selbst ist dem Missverständnis nachgelaufen und hat dann
Gottesurteil provoziert. Gott müsse am Kreuz eingreifen – JC ist
gestorben, Messiasidee ist zugrunde gegangen. Weltgeschichte geht
weiter. Nur die Ethik Jesu können wir weiterführen. Histor.krit. Exegese
ist ans Ende gekommen – f. Schweitzer tragische Ergebnisse, wurde Arzt.
• C.H.Dodd: „realized eschatology“ - Eschat. hat sich in Jesus selbst erfüllt,
in der Ankündigung des Reiches Gottes.
• Bultmann: Gottesreich im Augenblick des Kerygmas erfüllt. Kerygma ist
im anspruchsvollem Sinn das Wort Gottes, das mich jetzt anruft.
Radikale TN-Perspektive: im „Ja“ erfüllt sich das Reich Gottes in der
Existentialität des Menschen; dort, wo der Mensch glaubt, ist das Reich
Gottes
• W. Kümmel: Jesus hat präsentische und futurische Reich-Gottes-
Vorstellung - „schon“ und „noch nicht“ gehört zusammen. Wie ist das
Verhalten von „schon“ und „noch nicht“ zu denken?
• Moltmann
Von der enttäuschten Naherwartung (Parusie) zur Stetserwartung (Lebe so,
dass du jeden Moment sterben kannst).
Das hermeneutische Missverständnis: Ankunft des Gottesreiches ist kein
chronologisches, sondern eine eschatologisches Ereignis. Das „schon“ ist ein
eschatolog. Ereignis.
Gegenwart und Zukunft liegen nicht auf derselben Ebene, sondern sie
verhalten sich zueinander qualitativ und performativ. Die Gegenwart wird von
der erwarteten Zukunft schon bestimmt und verändert. Ohne Zukunft würden
wir die Gegenwart nicht aushalten. Zeit ist Qualifikator der Gegenwart – darum
geht’s Jesus im Kairos des Gottesreiches. Es ist die Sache des Gottesreiches –
darauf muss man_frau sich einlassen. „Bekehre dich!“ Ohne metanoia und
Glaube geht es nicht.
32/37
22.4.09
Sensibilität auf Kairos, den qualifizierten Augenblick, der nicht gemacht werden
kann, der sich zeigt – es geht darum, ihn zu sehen.
Jesu Gottesreichbotschaft Mk 1,15, Lk 11,209 par Mt 12,28; LK 17,20
Das Gottesreich ist schon gekommen und doch noch ausständig.
Eschatologische Botschaft Jesu. Reich Gottes ist sichtbar, aber auf eine andere
Weise. Reich Gottes ist eine transzendente Dimension, die aber jetzt schon für
den Menschen gilt.
Satansturz bei Lk: Mystisches Schlüsselerlebnis Gottes, apokalpt. Bild, es ist
eine Zeitenwende passiert, die Welt ist nicht mehr vom Bösen beherrscht, die
Menschen sind nicht mehr entfremdet.
-> Strengere Gegenwarts- und Zukunftsdefinition: Gegenwart hat in sich
das Heil, das Morgen, das Ende in sich. Es kommt darauf an, in der Gegenwart
zu leben, radikal gegenwärtig werden! Das zeigt sich v.a. in der Wahrnehmung
der Leidenden. Neue Zukunftsdimension: Spannung zwischen Gegenwart und
Zukunft bleibt bei Jesus offen. Berührung und Unterschied zu buddhistischen
Mentalitäten. Schöpfungsbezug! Bleibend offen auf die Vollendung hin.
Metz: Ideologie des „schon“ kritisiert im Hinblick auf die Spannung, dass vieles
noch nicht erlöst ist -> Karsamstagschristologie: Nullpunkt zwischen Tod
und Auferstehung. Die Welt ist unversöhnt.
Keine Vergöttlichung der Gegenwart und auch keine Vergöttlichung der
Zukunft. Hier sollte politische Theologie vorsichtig sein in der Performativität.
Nicht der Abstand der Gegenwart von der Zukunft ist relevant, sondern
das Verhältnis von Gottesreich und HörerInnen-Entscheidung! Parusie
ist radikal negative Theologie, der Mensch weiss es nicht. Spekulationen übers
„wann“ sind Missverständnisse. Der Parusie-Schock war für das Urchristentum
leicht zu schlucken, weil die Pointe woanders liegt.
In der Apokalyptik ist der Zeit-Abstand von Gegenwart und Zukunft aufgrund
der Leiderfahrung zentral: Darum Antizipation des Ende! Jesus lebte in relativ
friedlicher Zwischenzeit, kriegerische Eskalationen davor und später. Darum
33/37
war er gegenüber Zeloten etc. skeptisch. Gegenwartserfahrung ist im Leid eine
grässliche Erfahrung. Tendenz der Apokalytik-Literatur ist das Trösten: Von
Gott her ist die Sache in Ordnung gebracht – Durchhalten! Aushalten!
Die erfüllte Zeit ist „Kairos“ und nicht „Chronos“.
Aber auch: Bruch der Äonen – das Gottesreich ist keine Verlängerung der
Gegenwart in die Zukunft, sondern Ein-Bruch Gottes in die Zeit, Spannung in
der Performativität.
In der Praxis wird Gottesreich sichtbar, aber die Praxis ist nicht das
Gottesreich. Befreiungstheologie: Das zugesagte Reich Gottes löst die
Performativität aus von Basisgemeinden etc. Es ist keine Versöhnung, wenn
gesellschaftliche Verhältnisse, strukturelle Sünde, nicht angerührt werden.
Reich Gottes ist wirklich auch ein Bruch. Darum auch: Ge-Richt – Heilwerden
in der Begegnung von Tätern und Opfern. Intersubjektive Dramatik der
Weltgeschichte kann nicht nur individuell abgebüßt werden (wie z.B. mit der
Wiedergeburt), weil die Begegnung nötig ist für das Einsehen der Schuld der
TäterInnen und das Rechtbekommen der Opfer. Gericht ist die
Wiederherstellung der Opfer.
4.5.2. Michael Theunissen: Der Gebetsglaube Jesu und die Zeitlichkeit
des Christseins
Nennt es „Laienexegese“, will in philosophisches Gespräch treten, er ist
Philosoph.
Ausgangspunkt Lk 11,9-10
Bitten, Suchen, Anklopfen (im Modus der Gegenwart) allein ist schon
hinreichende Bedingung der Erfüllung (im Modus der Zukunft).
-> Jesus modifiziert das Verhältnis Gegenwart – Zukunft. Jessu sieht die jetzt
erfolgte Bitte als schon erfüllt. Die Verheissung („noch nicht“) ist im Modus der
Erfüllung schon Gegenwart („schon“).
Voraussetzung: Radikales Vertrauen auf Gott! Kriterium der Gewissheit der
34/37
Erfüllung = Glaube. Das ist „Prolepse“ Vorwegnahme der Zukunft in der
Gegenwart. Da muss man_frau sich rechtfertigen, dass man_frau nicht
verrückt ist, wer Hoffnung hat, ist immer ein bisserl komisch in dieser Welt.
Leben aus der Prolepse. Das Eschaton ist Prolepse.
Glaube an die Gegenwart des Eschaton ist als Freiheit von sich selbst und
Freiheit zu sich selbst zu bestimmen.
Spannung neuzeitlicher Freiheitsbestimmung: F = Selbstverwirklichung.
Mt 10,39 und 16,25: Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber
das Leben um meinetwillen verliert wird es gewinnen“.
Wie ist da Selbst-Sein und Glaube möglich? = das religionsphil. Thema der
Moderne. Für moderne Phil.: Glauben kann nicht Voraussetzung der Reflexion
der Identität und Praxis sein.
Kierkegaard: Selbstsein gelingt nur, wenn es aus Glaube kommt.
Denn Selbstsein ist kein Vermögen des Subjekts, weil er daran scheitert, denn
das Subjekt will unbedingt selbst sein bzw. unbedingt nicht selbst sein. Weil
der Mensch frei ist, geistig ist, lebt er immer schon verrückt aus der Mitte
heraus (Plessner) – die Mitte gibt es nicht mehr. Die Frage ist nur beantwortet,
wenn ich sie nicht frage. Der Mensch kann sich selbst, aus sich heraus, nicht
begründen.
Selbstsein gelingt nur als Synthese von Endlichkeit und Unendlichkeit, darum
erreicht der Mensch nur im Glauben die Freiheit von sich selbst. Sprung in den
Glauben als Ermöglichung des Selbstseins.
Ontologische, nicht psychologische Analyse!
Glaube ist ständiges Einüben in das Vertrauen. Paradox des
Gleichzeitigwerdens mit Christus. Paradoxale Identität des Menschen ist auch
im Glauben nicht lösbar. Endlichkeit bleibt dem Menschen mitgegeben. Dort,
wo der Mensch aufhört, sein Selbstsein zu machen, gelingt das Menschsein.
Theunissens Kritik: Keine Identifikation von Selbstsein und Glaube, aber
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Glaube als Vertrauen in Gott vergegenwärtigt das Kommen Gottes. Er hält
Kierkegaard für überzogen.
4.5.3. Giorgio Agamben: Die Zeit, die bleibt (2000)
Setzt sich seitens der Philosophie mit klassischen religiösen Texten auseinander
– auf dem Hintergrund des Zeitthemas.
Röm 1,1 „Paulus, Knecht Christi, Jesu, berufen zum Apostel, das Evangelium
Gottes zu verkünden“.
Die Frage A.: Was bedeutet es, „im Messias“ zu leben? Was ist das
messianische Leben? Und welche Struktur besitzt die messianische Zeit?
Wenn wir sagen Jesus Christus, sagen wir Jesus Messisas -> Reinstellen im
messianische Tradition des Judentums und Urchristentums. Christsein heisst in
Messias leben. Messianisches Leben geht nur mit anderem Zeitverständnis.
Der tiefere Sinn der Berufung (klesis) ist das „als ob nicht“.
1 Kor 7,29 – 32
Menschen leben in bestimmter Identität, bestimmten Stand, bestimmten
Existentialität. Paulus meint, es geht gerade darum, dass wir so leben, als ob
wir nicht da drin wären. Die Berufung ruft zu nichts und zu keinem Ort. Die
messianische Berufung ist die Widerrufung jeder Berufung. In der
messianischen Zeit gibt es keine definitive Endgültigkeit an Identität,
Lebensform. Die christliche Lebensform ist immer die Einklammerung der
Lebensform. Die messianische Berufung ist eine allg. Potenz, die man
gebraucht ohne je ihr Inhaber zu sein. siehe Folie
Die Enteignung gründet keine neue Identität. Aufhebung der Differenzen, die
für Paulus entscheidend ist. Christsein heisst jede juristisch-faktische
Unterscheidung aufheben, keine neue Unterscheidung hinzufügen! Leben im
Vorbehalt, im als-ob. -> Eigentümlichkeit messianischer Existenz.
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vgl. Adorno: Philosophie, wie sie im Angesicht der Verzweiflung einzig noch zu
verantworten ist, wäre der Versuch, alle Dinge so zu betrachten, wie sie vom
Standpunkt der Erlösung aus sich darstellten“ (Minima Moralia §153).
Fähigkeit, etwas aus anderer Perpektive zu betrachten. Worauf dürfen wir
hoffen? Das ist bei Adorno nicht mehr so glatt gelöst wie bei Kant (Postulat
Gottes), die Verbindung von Philosophie und Theologie ist so nicht mehr
möglich. Adornos Ph. wird zur Grenzphilosophie, die sich dorthin bewegt, wo
sich die Theologie verankert. Perspektive! Dramaturgie der
Geschichtserfahrung ist ist die Zeiterfahrung eingeschrieben, Perspektive der
Opfer. Die Opfer sind wirklich tot. Erinnerung ist noch nicht Erlösung
(Benjamin).
Agamben: Messianische Zeit ist
• nicht das Ende der Zeit (=eschaton), sondern die Zeit des Ende (G.
Carchia).
• die Zeit, die wir benötigen, um unsere Zeitdarstellung zu beenden.
• weder die chronolog. Zeit noch der Zeitpunkt des Ende, sondern:
operative Zeit, die in der chronolog. Zeit drängt, die diese im Inneren
bearbeitet und verwandelt = die Zeit, die uns bleibt.
Der Mensch ist das, was noch nicht erschienen ist. Immer offen halten!
Messianische Haltung ist diejenige, die die Menschen nicht festlegt auf das,
was sie sind oder gewesen sind – sondern Öffnung auf etwas, was sie noch
nicht sind. Darum geht’s letztlich in der Performativität der Rede von Jesus ist
der Christus. Das ist auch der Osterglaube: nicht Optimismus, sondern
Hoffnung! Wissen um die Tragik des Lebens – wider alle Hoffnung etwas
setzen.
4.6. Ewigkeit und Zeit
Letzte VL keine Mitschrift
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