22
Monumenta Germaniae Historica Studien und Texte Band 29 Turbata per aequora mundi Dankesgabe an Eckhard Müller-Mertens Hannover 2001 Hahnsche Buchhandlung

Monumenta Germaniae Historica Studien und Texte · Monumenta Germaniae Historica Studien und Texte Band 29 Turbata per aequora mundi Dankesgabe an Eckhard Müller-Mertens Hannover

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • Monumenta Germaniae Historica

    Studien und Texte

    Band 29

    Turbata per aequora mundi Dankesgabe an Eckhard Müller-Mertens

    Hannover 2001 Hahnsche Buchhandlung

  • Turbata per aequora mundi Dankesgabe an

    Eckhard Müller-Mertens

    Unter Mitarbeit von Mathias Lawo

    herausgegeben von Olaf B. Rader

    Hannover 2001

    Hahnsche Buchhandlung

  • TORSTEN FRIED

    Schrift und Bild = Münzen als Herrschaftszeichen

    Seinen Aufsatz «Nationale Frage, deutscher Staat, Ermittlungsmethoden» leitete Eckhard Müller-Mertens mit der Erinnerung an ein Geschehnis aus dem Jahre 1978 eint. In diesem Jahr veranstaltete man anläßlich des sechs- hundertsten Todestages Kaiser Karls IV. eine Ausstellung auf dem Hrad- schin in Prag. Die Teilnehmer seines Berliner Seminars wollten diese besu- chen. Da ein Besucheransturm ohnegleichen herrschte, war es ihnen nicht vergönnt, Eintritt in die Exposition zu erhalten. Das von den Studenten wahrgenommene lebendige Nationalgefühl registrierte Müller-Mertens mit Wohlgefallen. Aus einem anderen Blickwinkel erscheint diese Begebenheit ebenfalls beachtenswert, zeigt sie doch trefflich, welch große Bedeutung Jubiläen für die Erinnerungskultur zukommt'-.

    Zwanzig Jahre später stand wiederum ein Jubiläum an, das ursächlich auf Karl IV. zurückging und in diesem Fall einen hohen Stellenwert für Mecklenburg besaß3. Es jährte sich am B. Juli 1998 zum sechshundertfünf- zigsten Mal die durch den Luxemburger vollzogene Erhebung Mecklen- burgs zum Herzogtum. Verschiedene Vortragsveranstaltungen widmeten sich dem Ereignis, darüber hinaus gab es aber keine nennenswerten Akti- vitäten im Land. Das dürfte sicher nicht zuletzt auf das Faktum zurück- zuführen sein, daß erst drei Jahre zuvor das Jubiläum «1000 Jahre Meck- lenburg» mit beträchtlichem Aufwand und ungewöhnlicher Resonanz be-

    gangen worden war4.

    1) Eckhard MÜLLER-MERTENS, Nationale Frage, deutscher Staat, Ermittlungsmetho- den. Bemerkungen zu Forschungen an der Humboldt-Universität über das mittelalterli- che Reich, in: Mittelalterforschung nach der Wende 1989, hg. von Michael BORGOLTE (HZ Beihefte N. F. 20,1995) S. 27-42, hier S. 27.

    2) Vgl. Michael MITTERAUER, Anniversarium und Jubiläum. Zur Entstehung und Entwicklung öffentlicher Gedenktage, in: DERS., Dimensionen des Heiligen. Annähe-

    rungen eines Historikers (2000) S. 137-213. 3) Seit 1996 Leiter des Schweriner Münzkabinetts, ist der Verfasser auf besondere

    Weise mit Mecklenburg und seiner Geschichte verbunden. 4) Vom 23. Juni bis 15. Oktober 1995 fand im Schloß Güstrow die Landesausstellung

    zu diesem Jubiläum statt; vgl.: 1000 Jahre Mecklenburg. Geschichte und Kunst einer eu- ropäischen Region. Katalog zur Landesausstellung Mecklenburg-Vorpommern 1995, hg. von Johannes ERICHSEN (1995).

  • 234 TORSTEN FRIED

    In zwei 1998 gehaltenen Vorträgen, die später publiziert wurden, nah- men sich Ernst Münch5 und Tilmann Schmidt6 der Vorgänge um die Erhe- bung Mecklenburgs zum Herzogtum an7. Vor allem Schmidt widmete sei- ne Aufmerksamkeit dem eigentlichen Erhebungsakt in seinen verschiede- nen Stufen und dem damit eng zusammenhängenden Fragenkomplex nach der Titelführung der Obodritenfürsten. Zu letzterem stellte er nach dem Studium der Quellen «erste Beobachtungen»8 an. Daß hierbei ausschließ- lich Schriftquellen betrachtet wurden, ist sicher eine Herangehensweise, die der üblichen Praxis entspricht. Dennoch sollte nicht außer acht gelassen werden, daß weitere Quellengattungen zur Verfügung stehen. Gemeint sind hier Münzen, die auch bei der Erforschung mittelalterlicher Herr- schaftsausübung einen eigenständigen Informationswert besitzen. Bei ih-

    nen sind Schrift und Bild auf eine Weise verbunden, die der Herrschaftsre- präsentation besonderen Raum bieten.

    Die Münzprägung der Mecklenburger Niklotiden hatte am Beginn des 13. Jahrhunderts eingesetzt. Es sind einseitig geprägte Hohlpfennige, die als bildliche Darstellung den Stierkopf zeigen, weshalb sie als Stierkopfbrak- teaten bezeichnet werden. Entsprechende Fundmünzen liegen in großer Zahl vor9. Seit ca. 1280 wurde dann in der Teilherrschaft Werle (Linie Werle-Güstrow) der zweiseitig geprägte Denar emittiert; allerdings kehrte man um die Jahrhundertwende wieder zur Prägung von Hohlpfennigen zurück10. Unter den Denaren finden sich zwei Typen, die mit einer auf Ro- stock hindeutenden Umschrift versehen sind11. Ansonsten stellen sich die

    5) Ernst MÖNCH, Mecklenburg auf dem Gipfel - Voraussetzungen und Folgen der Herzogswürde, Mecklenburgische Jbb. 114 (1999) S. 49-63.

    6) Tilmann SCHMIDT, Die Erhebung Mecklenburgs zum Herzogtum im Jahr 1348, in: FS für Christa Cordshagen (Mecklenburgische Jbb. Beiheft zu 114,1999) S. 63-74.

    7) Immer noch wichtig Wolf-Dieter MOHRMANN, Karl IV. und Herzog Albrecht II. von Mecklenburg, in: Kaiser Karl IV. 1316-1378. Forschungen über Kaiser und Reich, hg. von Hans PATZE (zugleich BDLG 114,1978) S. 353-389.

    8) SCHMIDT, Erhebung (wie Anm. 6) S. 66-71. 9) Die frühen landesherrlichen Münzen sind vor allem nachweisbar in den Funden:

    Bünstorf (1827), Bokel (1928), Tommerup (1775), Stintenburg (1842), Roggentin (1869), Kanneberg (1885), Eutin (1904), Karrin (1937), Gielow (1974); vgl. Reinhard UECKER/ Michael KUNZEL, Die frühen mecklenburgischen Stierkopfbrakteaten ca. 1201 bis um 1245 (mit Tafel 5 bis 9), Berliner Numismatische Forschungen 3 (1989) S. 29-64, hier S. 32-35.

    10) Michael KUNZEL, Die werlesch-mecklenburgische Denarprigung vom 13. bis 15. Jahrhundert (mit Tafel 4 bis 6), Berliner Numismatische Forschungen 4 (1990) S. 35- 49, bes. S. 38 f. und 42 f.

    11) Ebd. S. 42 f. Nr. 3 und 7.

  • Schrift und Bild - Münzen als Herrschaftszeichen 235

    damals in Mecklenburg entstandenen Münzen als Münzverein

    galt lange als Standardwerk zur deutschen Wittenprägung: Wilhelm JESSE, Der Wendi-

    sehe Münzverein (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte N. F. 6,1928; Neudruck mit Ergänzungen und Verbesserungen 1967). Neuere Forschungen erbrachten aber wichtige Korrekturen; eine zusammenfassende Sicht gibt zuletzt Gerald STEFKE, Der «wendische Münzverein» und seine Nachbarn. Ein Überblick auf der Grundlage des heutigen Forschungsstandes, Geldgeschichtliche Nachrichten 167 (1995) S. 125-133.

    13) Hermann DANNENBERG, Zur Pommerschen und Meklenburgischen Münzkunde, Zs. für Numismatik 16 (1885) S. 99-114, hier S. 112 f. Nr. 26.

    14) Otto OERTZEN, Die mecklenburgischen Münzen des großherzoglichen Münz- kabinetts II. Teil: Die Wittenpfennige (1902) S. 51 f.

    15) JESSE, Münzverein (wie Anm. 12) S. 239 Nr. 317.

  • 236 TORSTEN FRIED

    Der Witten zeigt auf seiner Vorderseite den Stierkopf mit ausgeschlagener Zunge und Halsfell, wobei zwischen den Hörnern drei Kugeln eingefügt sind. Auf der Rückseite findet sich ein Kreuz, in jedem Winkel ein Grei- fenkopf. Die Umschrift der beiden Seiten lautet zusammengenommen: MONETA DVCVM / MAGNOPOLENSIVilf, wodurch zweifelsfrei eine Emission der mecklenburgischen Herzöge belegt wird. Wegen der vor 1379/81 einzuordnenden Vorbilder von Hamburg und Lüneburg läßt sich das wahrscheinlich in Schwerin entstandene Stück den Brüdern Al- brecht II. (1329-1379) und Johann I. (1329-1392/93) zuweisen16, in deren Regierungszeit die Standeserhöhung fiel. Daß die Emission eines solchen Witten bisher nur durch ein Exemplar bekannt geworden ist, spricht ohne weiteres für ihren Ausnahmecharakter. Die Einmaligkeit des Witten ver- leiht ihm aber auch ein ausdrückliches Interesse, macht ihn zu einer Quelle, die gesteigerte Aufmerksamkeit verdient. Auf jeden Fall läßt sich die Aus- sage treffen, daß in dem Moment, als eine neue Münzsorte in Mecklenburg Verbreitung findet, die Herzöge das Medium Münze zur Herrschaftsreprä- sentation nutzen, indem sie den ihnen am B. Juli 1348 verliehenen Herr- schaftstitel als Legende auf ihren Münzen erscheinen lassen. Die Frage, warum die herzogliche Emission ephemeren Charakter besaß, soll an dieser Stelle keine Erörterung erfahren, gehört sie doch in den Kontext der wei- tergehenden Fragestellung, inwieweit die mecklenburgische \Vittenprägung unter städtischer Autonomie oder landesherrlicher Regie stattfand, auf die bisher noch keine endgültige Antwort gegeben werden konnte17. Als Randnotiz sei noch vermerkt: Das Argument, daß der im Vergleich zum Pfennig größere Witten eine solche Umschrift aus Platzgründen erst mög- lich gemacht hätte, läßt sich durch die oben genannten Fürstlich-Rostocker Stücke leicht widerlegen.

    Neben den Münzen gelten Siegel und Bullen als weitere Elemente der Herrschaftsrepräsentation. Aus dieser funktionalen Nähe heraus bietet es sich geradezu an, bei der Titelfrage ebenso das sphragistische Material zu beleuchten, obwohl damit das Feld der Numismatik für kurze Zeit verlas- sen wird. Hierzu ist es angebracht, das Mecklenburgische Urkundenbuch zu nutzen und die Urkunden der Obodriten vor und nach dem B. Juli 1348

    16) Bernd KLUGE, Die Wittenprägung in Mecklenburg/Pommern und ihr Anteil am Geldverkehr des Ostseeraumes im 14. und 15. Jahrhundert, Nordisk Numismatik Ars-

    skrift (1981) S. 90-106, hier S. 95f. Nach Michael KUNZEL, Die werlesch-mecklen- burgische Wittenprägung im 14. und 15. Jahrhundert (mit Tafel 4-6), Berliner Numis-

    matische Forschungen 2 (1988) S. 29-50, hier S. 36 und 44 Nr. 22, ist das Stück vor 1392

    vermutlich in Sternberg entstanden. 17) KLUGE, Wittenprägung (wie Anm. 16) S. 97-99.

  • Schrift und Bild - Münzen als Herrschaftszeichen 237

    auf ihre Siegel (das heißt genauer. die Umschriften der Siegel) hin zu unter- suchen18. Das Ergebnis sieht wie folgt aus: Bis zur Erhebung ist ein Siegel benutzt worden, wie es sich auf einer Urkunde vom 15. Juni 1347 darbietet, in der Albrecht von Mecklenburg den Verkauf von Pepelow genehmigt19. Die Umschrift lautet: + S(igillum)` ALBERTI + DEI + GR(ati)A + MAG- NOPOLENS(is)< + STARGARDIE + ET + ROZSTOK + D(omi)NI +. Die erste nach der Erhebung ausgestellte Urkunde datiert vom 1. Septem- ber 134820, und ihr Siegel trägt die Umschrift: SE(cre)T(um)`. ALB(er)TI. DEL GR(ati)A. D(omi)NI. MAGNOPOLENS(is)

  • 238 TORSTEN FRIED

    gelangen auch in Räume, die über den eigentlichen Herrschaftsbereich hin-

    ausgehen. Die mit den Urkunden verbundenen Siegel verbleiben dagegen in der Regel beim Empfänger.

    Münzen und Siegel repräsentieren Herrschaft aus der Sicht des Münz- herrn bzw. Urkundenausstellers. Daß sie als herrscherliche Selbstzeugnisse einzustufen sind, offenbaren unmißverständlich ihre Umschriften. Inson- derheit die Siegel verdeutlichen den hohen Stellenwert der Schrift23, ist doch auffällig, daß das Siegel an der Urkunde vom 24. Januar 1349 vom Bild her ganz dem großen Siegel entspricht, das Albrecht vor seiner Erhe- bung zum Herzog geführt hat24. Allein die Umschrift kündet von der Standeserhöhung. Ein Blick auf das Titelblatt vom 16. Band des Mecklen- burgischen Urkundenbuches25, der das Urkundenmaterial der Jahre 1366 bis 1370 erfaßt, genügt, um zu sehen, daß auch später keine Änderung des Bildes vorgenommen wurde. Dort prangt die Abbildung des herzoglichen Siegels, das dem von 1349 bis auf ganz geringe Abweichungen gleicht.

    Als Karl IV. 1348 die Erhebung Mecklenburgs zum Herzogtum vollzog, war er erblicher König von Böhmen und römischer König. Bis zu seiner Kaiserkrönung 1355 heißt die übliche Königsformel in den Urkunden Ka- rolus dei gracia Romanorum rex semper augustus et Bohe? nie rex, die deut- sche Version lautet in der Regel Wir Karl von gotes gnaden Romsscher ku- nig, ze allen ziten merer des richs und kurvig ze Beheim26. Als König trat Karl auf Gulden in Erscheinung, die er in Prag prägen ließ27.

    23) Zum Thema Schrift und Schriftlichkeit vgl. die angegebene Literatur bei Michael LINDNER, Kaiser Karl IV. und Mitteldeutschland (mit einem Urkundenanhang), in: LINDNER/MÜLLER-MERTENS/RADER/LA\\WO S. 83-180, hier S. 131 Anm. 166.

    24) Me[c]klenburgisches UB (wie Anm. 18) 8 S. 607 Nr. 5676. 25) Me[c]klenburgisches UB (wie Anm. 18) 16 Titelblatt. Ein derartiges Siegel er-

    scheint bei der Urkunde von 1371 April 18: Me[c]klenburgisches UB (wie Anm. 18) 18 S. 40 Nr. 10186.

    26) Vgl. zuletzt Wolfgang EGGERT, Bemerkungen zur Intitulatio in den Urkunden Karls IV., in: LINDNER/MÜLLER-MERTENS/RADER/LA«'O S. 295-311.

    27) Mittelalterliche Goldmünzen. In der Münzensammlung der Deutschen Bundes- bank, bearb. von Joachim WESCHKE/Ursula HAGEN JAHNKE unter Mitarbeit von An-

    nelore SCHMIDT (1982) Tafel 28.

  • Schrift und Bild - Münzen als Herrschaftszeichen

    Abb. 2: Gulden König Karls IV. aus Prag

    239

    Die Umschrift der beiden Seiten liest sich zusammen folgendermaßen: + KAROLVS: D- EI: GRACIA /+ ROMANORVM. ET: BOEMIE: REX. Vergleicht man diese Königsformel mit der in den Urkunden, so fällt auf, daß bis auf zwei Bestandteile Übereinstimmung herrscht, zum einen wird der rex-Titel nur einmal genannt und zum anderen ist die semper-augustus- Formel nicht vorhanden. Was den fehlenden rex-Titel angeht, ließe sich als Grund der auf der Münze im Unterschied zur Urkunde begrenzte Platz ins Feld führen, da eine Minderung des Titels hiermit nicht verbunden war. Die semper-augustus-Formel ist aus diplomatischer Sicht aber anders zu bewerten, kommt ihr doch in der Intitulatio herausragende Bedeutung zu28. Ihr Fehlen in der Münzumschrift markiert einen deutlichen Unter- schied zu den Urkunden. In diesem Fall mit der Platzfrage zu argumentie- ren greift m. E. zu kurz. Wäre auf Münzen diese Formel genauso unent- behrlich gewesen wie in den Intitulationes der Urkunden, hätte man dies durch Abbreviaturen ohne weiteres bewerkstelligen können, denn es fällt

    auf, daß in der Umschrift alle Worte ausgeschrieben worden sind. Die sem- per-augustus-Formel war demnach in den Münzlegenden nicht unmittelba- rer Bestandteil der Titelführung, diente nicht der Herrschaftslegitimation.

    An diesem Punkt erscheint die Frage berechtigt, ob auf mittelalterlichen Münzen überhaupt semper augustus auftaucht. Um hierauf eine Antwort zu erhalten, ist eine Arbeit von Nutzen, die auf Hermann Dannenberg zu- rückgeht, der oben bereits Erwähnung fand und bekanntermaßen Funda-

    28) Vgl. Olaf B. RADER, Zwischen Friedberg und Eco. Die Interpretation von Urkun- dentexten Karls IV. oder Vom Gang durch die Säle der Erkenntnis, in: LINDNER/MÜL- LER-MERTENS/RADER/LAWO S. 245-293, hier S. 250 ff.

  • 240 1 TORSTEN FRIED

    mente deutscher Numismatik gelegt hat29. Er untersuchte die «Titel der Münzherren auf Mittelaltermünzen», wobei er zu dem Ergebnis gelangte, daß semper augustus nur in zwei Fällen auftritt30. Damit bestätigt sich das bei Karl IV. gewonnene Bild, wonach diese Formel auf Münzen nicht zur Anwendung kam, über sie Herrschaft nicht vermittelt wurde. Für die Funktion der Münze als Zahlungsmittel war die semper-augustus-Formel ohnehin nicht vonnöten.

    Die Ausnahmen sollen in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, zumal das oft gebrauchte Gegenargument der Platzfrage sich da- mit erübrigt. Erstens handelt es sich um einen Gulden König Ruprechts aus Frankfurt am Main mit der Vorderseitenlegende RVP(er)T(us)` ROAI(ano- rum) - REXS(em)P(er)` AVGVST(u) S31, zweitens um einen Brakteaten Kaiser Friedrichs I. Barbarossa, dessen Emission in Altenburg erfolgt war und der mit der Umschrift FRIDERICVS IAIPERATOR ET SEMP(er). AV(gustus). versehen ist32.

    Abb. 3: Brakteat Kaiser Fried- richs I. Barbarossa aus Altenburg

    29) Zu dessen wissenschaftlichem Lebenswerk vgl. die Einleitung von Bernd KLUGE, in: Hermann DANNENBERG, Studien zur Münzkunde des Mittelalters (1848-1905) (1984) S. VIII-XXXIX.

    30) Hermann DANNENBERG, Der Titel der Münzherren auf Mittelaltermünzen, Ber- liner Münzblätter 31 (1900) Sp. 2799-2803.2815-2819.2840-2843, hier Sp. 2802.

    31) Der Gulden ist abgebildet bei Arthur SUHLE, Deutsche Münz- und Geldge-

    schichte von den Anfängen bis zum 15. Jahrhundert (41969) Abb. 262 S. 177. 32) Heinrich BUCHENAU unter Mitarbeit von Behrend PICK, Der Fund von Gotha

    (1900) (1928) S. 105f. Nr. 329.

  • Schrift und Bild - Münzen als Herrschaftszeichen 241

    Ob Eigenmächtigkeiten der Stempelschneider die Begründung für ein sol- ches Abgehen von der gesetzten Norm liefern, ist sicher nicht gänzlich aus- zuschließen, aber in Anbetracht der durch die Legende zum Ausdruck ge- brachten herrscherlichen Selbstaussage kaum anzunehmen. Vielmehr kann es auf eine besondere Motivlage des Münzherrn hindeuten, wenn zum Bei- spiel Barbarossa auf Münzen aus Altenburg diese Formel bringen ließ, zu- mal auf solchen, die aus dem letzten Jahrzehnt seiner Herrschaft stammen. Es sind andere Brakteaten des Kaisers aus dieser Münzstätte überliefert, die mit der üblichen Umschrift (z. B. FRIDERICVS IMPERATOR33) verse- hen sind.

    Die Gulden Karls IV. aus Prag gelten als Gepräge, die in seiner Eigen- schaft als böhmischer König entstanden sind, weil ihre Rückseite der zwei- geschwänzte böhmische Löwe ziert34. Gulden, die den Luxemburger als Kaiser titulieren, liegen dagegen aus Prag nicht vor, allerdings gibt es Gul- den, die als kaiserlich angesehen werden, da Karl auf ihnen die Kaiserkrone trägt35. Paradoxerweise weist ihn die Umschrift auf diesen Stücken als Kö- nig aus.

    In Anlehnung an Ludwig den Bayern hat Karl IV. Schildgulden emit- tiert, die als Reichsmünzen zu qualifizieren sind und auf denen er den Im- perator-Titel führt: + KAROLLVS. DEI. - GR(ati)A. - ROMANORVM. IMP(erator)36. Die auch als Goldene Schilde bezeichneten Münzen zeigen den Herrscher, wie er mit der Linken einen Schild hält, auf dem der Dop- peladler abgebildet ist37. Mit dem Kaisertitel erscheint Karl weiterhin auf

    33) Wolfgang STEGUWEIT, Thüringische Brakteaten des Münzkabinetts Gotha (1981) S. 42 Nr. 3. .

    34) Zur hoheitlichen Bestimmung der zwei Seiten einer Münze vgl. die Formulierung im Landfrieden des Kölner Erzbischofs von 1348 November 6, MGH Constitutiones et acta publica imperatorum et regem 8: 1345-1348, bearb. von Karl ZEUMER/Richard SALOMON (1926) S. 683 Nr. 678: alle ruf der einen sijten uf des riches zeychen, uf der an- dern uf ye der herren oder herschaft zeichen, der oder die nuintze d: rn slan.

    35) Karel CASTELIN, 0 C`est}"ch dukätech 14. stoleti, Numismaticky (asopis 19 (1950) S. 55-73, hier S. 63.

    36) Raymond \VEILLER, Les monnayages etrangers des princes luxembourgeois (1982) S. 47; vgl. Joachim WESCHKE, Die Reichsgoldprägung im Spätmittelalter bis 1450 (Diss. Berlin 1955) S. 23 f.

    37) Daraus, daß die Goldenen Schilde Karls IV. den Doppeladler tragen, kann man nach Johannes Enno KORN, Adler und Doppeladler. Ein Zeichen im Wandel der Ge- schichte (Diss. Göttingen 1969) S. 64 f., noch nicht auf dessen offizielle Anerkennung als kaiserliches Zeichen schließen, weil, so seine Begründung, vor allem im Majestätssiegel des Luxemburgers der einköpfige Adler im Schild des Reiches erscheint.

  • 242 TORSTEN Flinn

    Sterlingen, die er in Aachen schlagen ließ38 - im übrigen als letzter rö- misch-deutscher Kaiser, von dem eine Münzemission in der alten Krö-

    nungsstadt ausging39. Auf der Vorderseite der Gepräge kann man die Um-

    schrift KAROLVS. ROM(anorum). (i)MP(e)R(ator) lesen. Schon die kö-

    niglichen bzw. kaiserlichen Münzen von der späten Karolingerzeit bis zum Ende der Salier lassen eine solche Form der Titelführung erkennen40. An den Herrschernamen ist der Kaisertitel mit dem auf imperiale Herrschaft

    verweisenden Zusatz Romanorum angefügt, die dazwischen geschobene Formel Dei gratia ist eigentlich nur für Otto III. zu vermerken. Auf den Aachener Geprägen Karls IV. fehlt im Vergleich zu seinen Gulden aus Prag neben der Gottesgnadenformel41 sein böhmischer rex-Titel42. Zum einen kann in Anlehnung an das bereits zur semper-augustus-Formel Gesagte festgestellt werden, daß auch die Formel Dei gratia offensichtlich zur Le- gitimierung der Münze für ihre Hauptfunktion als Zahlungsmittel nicht notwendig war. Zum anderen zeigt sich, daß Karl IV. bei Münzen auf be- sagten rex-Titel dann verzichtet hat, wenn sie nicht in Böhmen geprägt wurden, er also nicht als Landesherr münzte. Demgegenüber tritt Karl auf seinen Prager Groschen ausschließlich als böhmischer König in Erschei- nung, zudem mit der entsprechenden Ordnungszahl sowie der Gottesgna- denformel KAROLVS PRIMVS DEI GRATIA REX BOEMIE43. Für Neuböhmen stellt sich die Situation nicht in dieser Eindeutigkeit dar: Auf

    38) Julius MENADIER, Die Aachener Münzen (Tafel IX-XVI), Zs. für Numismatik 30 (1913) S. 321122, hier S. 349 Nr. 84.

    39) Walter HÄVERNICK, Aachen, in: Handbuch der Münzkunde von Mittel- und Nordeuropa, hg. von Wilhelm JESSE/Richard GAETTENS 1, Lieferung 1: Aabenraa- Bardowiek (1939) S. 1.

    40) Vgl. dazu und zum folgenden Bernd KLUGE, Deutsche Münzgeschichte von der späten Karolingerzeit bis zum Ende der Salierzeit (ca. 900 bis 1125) (Römisch-Germa- nisches Nationalmuseum. Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte. Monogra- phien 29,1991) S. 86.

    41) Zum Vorkommen der Dei-gratia-Formel auf Münzen vgl. Arthur SUHLE, Dei

    gratia, in: Wörterbuch der Münzkunde, hg. von Friedrich Frhr. von SCHRÖTTER (21970) S. 123 f.

    42) In Urkunden Kaiser Karls IV. bildet eine derartige Titelführung die absolute Aus-

    nahme. Olaf B. Rader ist bislang nur ein Geleitbrief des Luxemburgers bekannt, in dem die Intitulatio auf ..

    Romfischer keiser reduziert worden ist: RADER, Interpretation (wie Anm. 28) S. 250f, Anm. 17.

    43) Vgl. Karel CASTELIN, Grossus Pragensis. Der Prager Groschen und seine Teil-

    stücke 1300-1547 (2. vermehrte Auflage mit zwei gesonderten Beiträgen 1973) S. 5 f. und 18-22.

  • Schrift und Bild - Münzen als Herrschaftszeichen 243

    den dort geprägten pay-ii heißt es sowohl KAROLVS / REX ROMA(no- rum) als auch KAR OLVS / REX BOhEMIE44.

    Wenden wir uns nun den bildlichen Darstellungen auf Münzen zu. In der Numismatik gehört die auf der Münze angeordnete Schrift zum Münzbild45. Bei der vorliegenden Betrachtung wird der Begriff je- doch nicht in dieser Weise als Entsprechung zu Münzbild gebraucht, viel- mehr ist darunter die auf der Münze befindliche bildliche Darstellung zu verstehen46. Eine solche Bestimmung erscheint mir angebracht, um eine begriffliche Unschärfe zu vermeiden. Es sei nur daran erinnert, daß für Pe- ter Berghaus, der in der Neuauflage des Klassikers «Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit» die Münzen untersucht hat, deren Form durch Münzbilder und Legenden bestimmt wird47.

    Seit dem 11. Jahrhundert setzte die Ausbreitung der Bildnismünze ein, die das Herrscherbild als Profilkopf oder frontal präsentierte48. Im Unter- schied zu den Siegeln, bei denen die Frontalansicht zum verbindlichen Ty- pus avancierte49, erlangte bei den Königsmünzen diese Darstellungsart kei- ne Dominanz. Die Bildnismünze war Ausdruck des Bedürfnisses nach 50. Die Herrschaftsausübung benötigte Legitima- tion und Autorität, die durch die gesteigert werden konnte. Den Herrscherdarstellungen wohnte dabei keine Beliebigkeit inne, sie wa-

    I 44) Jiii SEJBAL, Neue Erkenntnisse zum Münzwesen Karls IV. und Wenzels IV. in der böhmischen Pfalz, in: XII. Internationaler Numismatischer Kongreß Berlin 1997. Akten

    - Proceedings - Actes, hg. von Bernd KLUGE/Bernhard WEISSER, 2 (2000) S. 1070- 1077, hier S. 1070 f.

    45) Gert HATZ, Münzbild, in: Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Gel- des (1995) S. 254 mit Literaturhinweisen.

    46) In diesem Sinne heißt es beim Stichwort 'Münze) im Wörterbuch der deutschen Sprache, hg. von Gerhard \1VAHRIG, neu hg. von Renate WAHRIG-BURFEIND (1997) S. 648: «mit Bild- und Schriftprägung versehenes Metallgeldstück... ».

    47) Percy Ernst SCHRA11M, Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit 751-1190, Neuauflage unter Mitarbeit von Peter BERGHAUS, Nikolaus GUSSONE, Florentine MLITHERICH, hg. von Florentine l1IÜTHERICH (1983) S. 133; vgl. Peter BERGHAUS, Münzbild, in: Lex. MA 6 (1993) Sp. 920.

    48) KLUGE, Münzgeschichte (wie Anm. 40) S. 79-82. 49) Vgl. Hagen KELLER, Ottonische Herrschersiegel. Beobachtungen und Fragen zu

    Gestalt und Aussage und zur Funktion im historischen Kontext, in: Bild und Geschich- te. Studien zur politischen Ikonographie. FS für Hansmartin Schwarzmaier zum fünf- undsechzigsten Geburtstag, hg. von Konrad KRITSAI/Herwig JOHN (1997) S. 3-5 1, hier S. 5-9; DERS., Zu den Siegeln der Karolinger und der Ottonen. Urkunden als

  • 244 TORSTEN FRIED

    ren vielmehr Inszenierungen von Macht oder anders ausgedrückt, sie re- präsentierten Herrschaft im öffentlichen Raum. Keinesfalls dienten sie nur der

  • Schrift und Bild -Münzen als Herrschaftszeichen 245

    hobene, nach oben geöffnete linke Hand, die den Globus trägt, dahinge- hend, daß dem König oder Kaiser das Zeichen seiner Herrschaft von oben gegeben wird56. Der Herrscher nimmt die von Gott verliehene Insignie mit vorsichtigem Griff entgegen, eine Geste, die als Demonstration der Devo- tion gegenüber Gott begriffen werden kann. Im Vergleich zu den Herr- schersiegeln der ottonischen Könige und Kaiser ist auf den Gulden Karls IV. die Greifhaltung des Herrschers noch weit ausgeprägter, wohl Ausdruck gotischer Formensprache. Daß der Globus als Insignie in der Form des Reichsapfels erscheint, ist übrigens seit der Salierzeit gängige Praxis57. Der Umstand, daß die beschriebene Greifhaltung sowohl auf den Siegelbildern der Ottonen als auch auf Bildnismünzen der Luxemburger anzutreffen ist, führt zum einen nochmals deutlich vor Augen, daß ein sol- ches Bildelement seine eigene Bedeutung besaß und keinesfalls nur als de- koratives Beiwerk verstanden werden sollte. Zum anderen wird offenkun- dig, weich bemerkenswerte Kontinuität und traditionelle Verankerung mittelalterliche Herrscherbilder auf Münzen und Siegeln auszeichnen.

    Das Bild des schon erwähnten Brakteaten Kaiser Friedrichs I. Barbaros- sa aus Altenburg ist ebenso durch den thronenden Herrscher mit Reichs- apfel und Szepter zu beschreiben58. Interessanterweise weicht die Form des Reichsapfels von der üblichen ab, denn es scheint, als ob die Kugel eine Verdopplung erfahren hat. In der numismatischen Literatur hat sich daher der Begriff eingebürgert59. In Altenburg hat Barbaros- sa Münzen prägen lassen, die den , aber auch den 60 Reichsapfel abbilden. Eine solche Beobachtung ist zweifellos zu hinterfra- gen, um die Beweggründe-zu erhellen, warum eine -derartige Transforma- tion stattgefunden hat. Das heute immer noch gültige Standardwerk zum Reichsapfel von Percy Ernst Schramm kennt dagegen keinen 61. Auf die dort gestellte Frage nach dem Aussehen des Reichs- apfels des Kaisers-Königs in staufischer Zeit erfolgt die Antwort mit dem Verweis auf das in der Wiener Schatzkammer erhaltene Exemplar: Es ist

    56) KELLER, Herrschersiegel (wie Anm. 49) S. 34-37. ' 57) Vgl. Percy Ernst SCHRAMM, Sphaira, Globus, Reichsapfel. Wanderung und

    Wandlung eines Herrschaftszeichens von Caesar bis Elisabeth II. (1958) S. 76 ff. 58) Siehe oben Anm. 32. 59) Exemplarisch die Beschreibung bei BUCHENAU, Gotha (wie Anm. 32) S. 105

    Nr. 329; zur

  • 246 TORS'T'EN FRIED

    eine Kugel aus Goldblech mit einem Kreuz62. Das Werk von Schramm

    eröffnet aber an anderer Stelle die Möglichkeit, sich dem Problem des

    zu nähern: An verschiedenen Beispielen wird vorge- führt, daß anstelle eines Reichsapfels Darstellungen von kugeligen Büchsen

    mit Knauf vorkommen63. Da diese allerdings als Heiligenattribute gelten, läßt sich eine auf Barbarossa bezogene Deutung bis jetzt nicht vornehmen. Eine andere Annahme, das den Reichsapfel waagerecht umlaufende Band sei vom Stempelschneider soweit abgewandelt worden, daß letztendlich ei- ne zweikugelige Form entstand, impliziert naturgemäß sofort die Frage nach dem möglichen Gestaltungsspielraum des Stempelschneiders. Auch wenn beide Deutungsversuche nur als Ausgangspunkte für weitere Unter- suchungen dienen können, darf wohl formuliert werden, daß auf den thü- ringischen Brakteaten der Herrscher keinen hält.

    Aus numismatischer Sicht läßt sich von Altenburg eine Verbindung zu Saalfeld herstellen. Im Zuge des von Kaiser Friedrich I. betriebenen Neu- aufbaus einer königlichen Basis an der oberen Saale kam Saalfeld wahr- scheinlich kurz nach 1180 wieder an das Reich zurück64. Der Kaiser dürfte entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung des Ortes genommen haben, die Gründung der Stadt ist wohl von ihm initiiert worden65. Die vordem nach Erfurter Vorbild ausgerichtete Münzemission erfuhr eine Neuorien- tierung, wurde doch die Altenburger Prägetradition in Saalfeld eingeführt, so daß es bis heute nicht zur Gänze gelungen ist, die Altenburger und Saalfelder Reihe getrennt darzustellen66. Es kann deshalb nicht verwun- dern, daß es Brakteaten gibt, die Saalfeld zugeordnet werden und auf denen Barbarossa die schon bekannte in der Hand trägt67. Auf ei- nem Stück wird von der üblichen Darstellungsweise abgewichen, das heißt, der Kaiser hat die in der linken und das Szepter in der rech- ten Hand und nicht, wie sonst üblich, umgekehrt68. Ein

  • Schrift und Bild - Münzen als Herrschaftszeichen 247

    tauschen der Insignien erscheint wenig glaubhaft, darauf macht auch Keller für Herrscherbilder der Ottonenzeit aufinerksam69.

    Von 1199 bis 1204 wurde Saalfeld an die Landgrafen von Thüringen ab- getreten, nach weiteren Besitzveränderungen blieb der Ort seit 1208/09 im dauernden Pfandbesitz der Grafen von Schwarzburg70. Auf die bildnis- hafte Gestaltung der Münzen wirkten sich diese Veränderungen nicht aus, sie zeigten weiterhin den thronenden Herrscher71. In unmittelbarer Nach- barschaft Saalfelds agierte mit den Herren von Lobdeburg ein edelfreies Geschlecht, das im Raum zwischen Saale und Weißer Elster, ja noch östlich dieses Flusses, zur Landesherrschaft strebte72. Eingebunden in ihre Bemü- hungen zur Herrschaftsbildung war die Münzprägung, die sich erstmals um 1175 mit Stücken aus Jena belegen läßt73. Mit einiger Verwunderung blickt man dabei auf Münzen, die von Hartmann II. von Lobdeburg (1181- 1216) ausgegangen sind. Sie zeigen ihn in thronender Haltung mit Lilien-

    szepter und Palmzweig74. Der relativ unbedeutende Dynast zögerte dem-

    nach nicht, sich mit dem Lilienszepter als einem Herrschaftszeichen, das an sich dem Kaiser sowie geistlichen Fürsten und Fürstinnen vorbehalten war, abbilden zu lassen75. Für den Palmzweig kann gelten, daß damit der Lob- deburger seine Pilgerfahrt ins Heilige Land anzeigen wollte76.

    In der Folgezeit übernahmen die Lobdeburger sogar das eingangs er- wähnte Bild der Saalfelder Münzen mit dem thronenden Herrscher, wan- delten es aber für ihre Zwecke ab. Der zwischen 1250 und 1260 vergrabene

    69) KELLER, Herrschersiegel (wie Anm. 49) S. 33 Anm. 132. 70) Norbert KArtP, Moneta regis. Beiträge zur Geschichte der königlichen Münzstät-

    ten und der königlichen Münzpolitik in der Stauferzeit (Diss. Göttingen 1957) S. 348;

    vgl. Hans PATZE, Saalfeld, in: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands 9: Thü-

    ringen, hg. von Hans PATZE in Verbindung mit Peter AUFGEBAUER (2., verbesserte und ergänzte Auflage 1989) S. 374.

    71) FRIED, Münzprägung (wie Anm. 66) S. 59 f.

    72) Vgl. Geschichte Thüringens 2,1: Hohes und spätes Mittelalter, hg. von Hans PATZE/Walter SCHLESINGER (Mitteldeutsche Forschungen 48,1974) S. 191-199.

    73) FRIED, Münzprägung (wie Anm. 66) S. 50 f. Zur Münzprägung der Herren von Lobdeburg vgl. allgemein Günther RÖBLITZ, Die Brakteaten der Herren von Lobde- burg (1984).

    74) RÖBLITZ, Brakteaten (wie Anm. 73) S. 46 Nr. 1.9. 75) Hans PATZE, Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen 1 (Mitteldeut-

    sche Forschungen 22,1962) S. 541. 76) Zur Bildfunktion des Palmzweigs auf Münzen vgl. Ryszard KIERSNOWSKI, Über

    die Münzen Jaxas von Köpenick, in: Commentationes Numismaticae 1988. Festgabe für Gert und Vera Hatz zum 4. Januar 1988 dargebracht, hg. von Peter BERGHAUS u. a. (1988)S. 195-201.

  • 248 TORSTEN FRIED

    Ftind von Leutenberg enthält drei lobdeburgische Münzen, die ein derarti-

    ges Bild rezipieren, wobei der Gekrönte anstatt des Lilienszepters jetzt eine voll ausgebildete Weintraube in seiner linken Hand hält77.

    Abb. 4: Brakteat der Herren von Lobdeburg aus Jena (Fund von Leutenberg, vergra- ben um 1250/60)

    Das Lilienszepter als vordem überaus wichtiges Herrschaftszeichen wurde demnach durch ein anderes Zeichen ersetzt. Erlangte damit die Weintraube ebenfalls den Charakter eines Herrschafts zeichens? Schon 1962 konstatierte Hans Patze mit dem Ausdruck des Bedauerns, daß es an einer Untersuchung über die Herrschaftszeichen des hohen Adels mangel- te78. Dem ist nur hinzuzufügen, daß man dies auf den gesamten Adel be- ziehen kann und daß sich an einer solchen Feststellung bis heute nichts ge- ändert hat.

    ý77) Walter HÄVERNICK, Die mittelalterlichen Münzfunde in Thüringen (Veröffentli-

    chungen der Thüringischen Historischen Kommission 4,1955) S. 56 Nr. 77,6. Der Fund Leutenberg enthielt auch lobdeburgische Münzen, auf denen der Gekrönte mit zwei aufwärtsgerichteten Weintrauben abgebildet wird. Darüber hinaus gibt es in anderen Funden Münzen der Herren von Lobdeburg mit ähnlichen Darstellungen; vgl. RO- BLITZ, Brakteaten (wie Anm. 73) S. 41 f. und 49 f. - Der Verfasser ist sich durchaus be-

    wußt, daß diese Münzen bei einer weitergehenden Betrachtung unbedingt Berücksichti-

    gung finden sollten. 78) PATZE, Landesherrschaft (wie Anm. 75) S. 542.

  • Schrift und Bild - Münzen als Herrschaftszeichen 249

    Der durch die Lobdeburger betriebene Aufbau einer Landesherrschaft als Ausdruck der Gewalt des Landesherrn in seinem Territorium79 bein- haltete nicht zuletzt die Münzprägung. Die dezidierte Änderung des auf den Münzen vorhandenen Bildes durch die Herren von Lobdeburg besaß deutlich Signalcharakter. Nenn sie anstelle eines tradierten Herrschaftszei- chens einanderes Zeichen auf ihre Münzen setzten, läßt sich daraus wohl nur eines schlußfolgern: Die Lobdeburger gaben damit ihren eigenen Herr- schaftsanspruch kund, über das: Zeichen der Weintraube realisierten sie Herrschaft. In einem solchen Sinne ist die Weintraube auf den lobdeburgi- schen Münzen als Herrschaftszeichen aufzufassen. Arthur Suhle, langjähri- ger Direktor des Berliner Münzkabinetts und ausgewiesener Kenner der

    mittelalterlichen Münzgeschichte, spricht in diesem Zusammenhang von «kleinen Erkennungszeichen», - mit denen kleinere Dynasten gewohnte Münztypen versehen haben80. Der Begriff ist inso- fern richtig, als daß er das Bemühen der Dynasten zum Ausdruck bringt, ihre Emissionen von den Vorbildern abzusetzen, mithin der Unterschei- dungscharakter betont wird. Daß diese Kennzeichnung gleichzeitig Herr- schaftsausübung bedeutete, bleibt bei einer solchen rein begrifflichen Be- stimmung aber im Hintergrund.

    Ein gängiger Begriff in der Numismatik ist der des Beizeichens. Nach Suhle gibt es auf mittelalterlichen Münzen verschiedene Arten von Beizei- chen, darunter auch solche, die die Unterscheidung der Nachahmungen von den Urstücken gestatten sollenS1. Daraus kann man bei ihm die Gleichsetzung von mit folgern. In die-

    sem Sinne deklarierte Heinrich Buchenau, der zusammen mit Behrend Pick die Münzen des Leutenberger Fundes beschrieben hat, die Weintraube als Beizeichen82. Charlotte Behr verdanken wir jetzt eine Dissertation, die sich den Beizeichen auf völkerwanderungszeitlichen Goldbrakteaten gewidmet

    79) Peter MORAW, Herrschaft im Mittelalter, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Hi-

    storisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland 3, hg. von Otto BRUNNER/Werner CONZE/Reinhard KOSELLECK (1982) S. 12.

    80) Arthur SUHLE, Nachahmung, in: Wörterbuch der Münzkunde (wie Anm. 41) S. 449. Zur illegalen Nachahmung beliebter Münztypen vgl. außerdem Bernd KLUGE, Probleme der Brakteatenforschung, Forschungen und Berichte, hg. von den Staatlichen Museen zu Berlin/DDR 19 (1979) S. 127-138, hier S. 136f.

    81) Arthur SUHLE, Beizeichen, in: Wörterbuch der Münzkunde (wie Anm. 41) S. 69. 82) Behrend PICK/Heinrich BUCHENAU, Brakteatenfund von Leutenberg (Abbildun-

    gen auf Tafel 214), Blätter für Münzfreunde 8/9 (1914) Sp. 5639-5655, hier Sp. 5646.

  • 250 TORSrEN FRIED

    hat83. Sie nimmt eine Neubestimmung des Begriffs vor: Es

    sind dies alle diejenigen Gestaltungselemente, «die nicht Bestandteil des Hauptmotivs, der begleitenden Tiere oder Menschen, oder Schriftzeichen

    sind und nichts Gegenständliches abbilden. Positiv formuliert, Beizeichen

    sind alle für sich stehenden, anikonischen Elemente»84. Werden Beizeichen

    auf diese Weise definiert, fällt das Ergebnis im Falle der lobdeburgischen Münzen eindeutig aus: Die \Veintraube kann kein Beizeichen sein, als Austauschobjekt zum Lilienszepter ist sie konstitutiver Bestandteil des Bildes85.

    Unvermeidlich drängt sich an diesem Punkt die Frage auf, warum die Herren von Lobdeburg gerade das Motiv der \Veintraube verwandt haben. Sie nannten sich nach der oberhalb Lobeda im Saaletal gelegenen Burg. In unmittelbarer Nähe existierte mit Jena eine aus zwei Kernen bestehende Siedlung, die sich seit dem späten 12. Jahrhundert unter Botmäßigkeit der Lobdeburger zur Stadt entwickelte86. Der Weinbau, der 1185 erstmals ur- kundlich für Jena nachgewiesen ist87, wurde zum bestimmenden Wirt- schaftszweig und prägte die Stadt nachhaltig88. Vor diesem Hintergrund ist es nur allzu verständlich, wenn Julius Menadier, der als erster den Zusam- menhang zwischen der Weintraube auf den lobdeburgischen Münzen und Jena aufdeckte89, zu dem Resümee gelangte: «die Trauben aber finden nur in der Hand eines Herrn der Stadt Jena eine Erklärung und Rechtferti-

    83) Charlotte BEHR, Die Beizeichen auf den völkerwanderungszeitliclten Goldbrak- tcaten (Diss. Münster 1990, zugleich Europäische Hochschulschriften Reihe 38, Ar- chäologie 38).

    84) Ebd. S. 34. 85) Ein Beispiel, wo die Weintraube als eine Art Beizeichen zu begreifen ist, liefert die

    Heraldik: Das erste Siegel der Stadt Jena aus dem Jahre 1281 bildet den Erzengel Michael mit Speer in der Rechten, Weltkugel mit Kreuz in der Linken und unter sich den Dra- chen ab. An beiden Seiten gehen Weinranken mit Trauben in die Höhe; vgl. J. Siebma- cher's grosses und allgemeines Wappenbuch 1,4. Abtheilung: Städtewappen (1) (1885) S. 208 und Tafel 228.

    86) Karlheinz BLASCHKE, Jena, in: Lex. MA 5 (1991) Sp. 349. 87) UB der Stadt Jena und ihrer geistlichen Anstalten 1: 1182-1405, bearb. von J. E. A.

    MARTIN (Thüringische Geschichtsquellen N. F. 3,1888) S. 2 zu Nr. 1. 88) Vgl. Gebhard FALCK, Der Jenaer Weinbau. Untersuchungen zur \Virtschafts- und

    Sozialgeschichte einer thüringischen \Veinbauernstadt mit besonderer Berücksichtigung des 15. bis 17. Jahrhunderts (Diss. Jena 1955) S. 3-32.

    89) Julius MENADIER, Ein Jenaischer Pfennig der Burggrafen von Lobdeburg, in: Deutsche Münzen. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte des deutschen Münzwesens 1 (1891, ND 1975) S. 5-16.

  • Schrift und Bild - Münzen als Herrschaftszeichen 251

    gung»90. Daß dabei der Symbolgehalt der Weintraube an sich auch eine Rolle spielte91, kann nicht völlig ausgeschlossen werden, doch dürfte die wirtschaftliche Eigenart Jenas den Ausschlag für die Wahl des Motivs ge- geben haben92. Bei aller Schlüssigkeit der Argumentation von Menadier ist nicht außer acht zu lassen, daß in den Wappen der Herren von Lobdeburg die Weintraube nicht vorkommt93.

    Der schon mehrfach genannte Arthur Suhle stellte treffend fest: «Die Wahl und Gestaltung des Münzbildes ist immer sowohl im M. A. [Mittel- alter] wie in der N. Z. [Neuzeit] von den jeweiligen Staatsoberhäuptern an- geordnet worden; niemals ist das der «Tillkür der Stempelschneider über- lassen geblieben»94. Die gemachten Beobachtungen unterstreichen nicht nur eine solche Aussage, sie fordern vielmehr mit Nachdruck, Münzen als Bedeutungsträger für Herrschaft stärker ins Blickfeld zu rücken. Allzu häufig erfolgt eine ausschließlich hilfswissenschaftliche Sicht im deskripti-

    ven Sinn. Es kommt m. E. darauf an, Schrift und Bild der mittelalterlichen Münzen im Kontext der Herrschaftspraxis zu betrachten. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, die Münze in ihrem Quellenwert tiefer auszuloten, ihre vielschichtige Botschaft in weit stärkerem Maße zu entschlüsseln95. Münzen sind nicht nur Medien des wirtschaftlichen Austauschs, sondern stets auch allgegenwärtiges, weit verbreitetes Instrument herrscherlicher Selbstdarstellung.

    90) MENADIER, Jenaischer Pfennig (wie Anm. 89) S. 16. 91) Vgl. aus der Fülle der Literatur jetzt Ana Maria QUINONES, Pflanzensymbole in

    der Bildhauerkunst des Mittelalters (1998) S. 229-252. 92) Vgl. FALCK, Weinbau (wie Anm. 88) S. 25. 93) Otto POSSE, Die Siegel des Adels der Wettiner Lande bis zum Jahre 1500 4 (1911)

    S. 88-92 und Tafel 44-47. 94) Arthur SUHLE, Münzbild, in: Wörterbuch der Münzkunde (wie Anm. 41) S. 410.

    Jesse schreibt, daß die Münzbilder von den Münzherren gewählt wurden in der Absicht,

    auf den Münzen u. a. den Begriff der Herrschaft in den Vordergrund zu stellen: Wilhelm JESSE, Münzbild und Münzaufschrift, in: Dona Numismatica. Walter Hävernick zum 23. Januar 1965 dargebracht (1965) S. 5-18, hier S. 6, vgl. auch S. 11.

    95) Die Bedeutung der Münzen bzw. der Münzfunde für die Wirtschaftsgeschichte ist

    anerkannt und war nicht Gegenstand der Betrachtung. Vgl. z. B. für das Frühmittelalter Peter BERGHAUS, Die frühmittelalterliche Numismatik als Quelle der Wirtschaftsge-

    schichte, in: Geschichtswissenschaft und Archäologie. Untersuchungen zur Siedlungs-, Wirtschafts- und Kirchengeschichte, hg. von Herbert JANKUHN/Reinhard \VENSKUS (VuF 22,1979) S. 411-429.

  • 252 TORSTEN FRIED

    Abbildungsnachweis

    Abb. 1 aus: Otto Oertzen, Die mecklenburgischen Münzen des großher- zoglichen Münzkabinetts, II. Teil: Die Wittenpfennige (1902) S. 52

    Abb. 2 aus: Mittelalterliche Goldmünzen. In der Münzensammlung der Deutschen Bundesbank, bearb. von Joachim Weschke und Ursula Hagen Jahnke unter Mitarbeit von Annelore Schmidt (1982) Tafel 28

    Abb. 3 Privatsammlung Abb. 4 aus: Heinrich Buchenau und Behrend Pick, Brakteatenfund von

    Leutenberg, Blätter für Münzfreunde 8/9 (1914) Tafel 214 Nr. 19

    Die Abbildungen geben die Münzen zweifach vergrößert wieder.