40
Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume 13 2013 ISSN 0945-3466

Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

1

Moose unter dem Mikroskop

von

Rolf-Dieter Müller (Fotos)

Jan-Peter Frahm (Text)

Archive of Bryology Special Volume 132013

ISSN 0945-3466

Page 2: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

2

Johannes Hedwig (1730-1799), Pionier in der Mikroskopie der Moose. Er benutzte einesder ersten zusammengesetzten Mikroskope und entdeckte damit die Spermatozoiden vonMoosen die er für Pollen hielt, wohingegen Linné die Sporen der Moose als Pollen be-zeichnete.

Page 3: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

3

Inhalt:

Einleitung 4

Präparation 5 Schneiden 5 Färben 7 Einbetten 8

Die Geschichte der histologischen Untersuchung von Moosen 9

Der Bau der Laubmoospflanze 10

ObjekteSphagnum palustre 12Polytrichum formosum 16Plagiomnium undulatum 21Hypnum cupressiforme 26

Thamnobryum alopecurum 29 Climacium dendroides 32 Thuidium tamariscinum 35

Kontrastiermethoden 37Das Sammeln und Bestimmen von Moosen 39Literatur 40

Page 4: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

4

Einleitung

Moose sind bei Mikroskopikern relativwenig beachtete Objekte. Grund ist, dasssie wenig versprechend zu sein scheinen:es sind ja „Niedere Pflanzen“, die angeblichwenig anatomische Differenzierungerkennen lassen. Moose werden zumeistnur als einfache Präparate für Anfänger inder Mikroskopie empfohlen. So dienenBlätter der Laubmoose Mnium hornumoder Plagiomnium undulatum als Beispielefür eine isodiametrische Pflanzenzelle undder Beobachtung von Chloroplasten(Strasburger & Koernicke 1949, Wanner2004). Obgleich diese Zellen wenigrepräsentativ sind (sie haben keineVakuole), lässt sich so ein Moosblättcheneinfach präparieren und wegen seinerEinschichtigkeit im Durchlicht betrachtenDazu gehört auch, dass Moose imGegensatz zu Gefäßpflanzen (Farnen,Blütenpflanzen) kein Lignin besitzen undnur aus Zellulose bestehen, sodass auchihre Anfärbbarkeit beschränkt ist. Deshalbwerden Moose auch in dermikroskopischen Fachliteratur wenig odergar nicht behandelt. Dass dem nicht so ist,hat der Erstautor bewiesen und an MoosenFärbungen mit faszinierenden Ergebnissenerreicht und mit Fotos höchster Qualitätdokumentiert. Der Zweitautor hat dieseResultate kommentiert und interpretiert.Moose sind leicht zu beschaffende Objekte,als immergrüne Pflanzen gerade im Winter.Sie wachsen praktisch überall, aufGartenmauern, Bäumen und im Wald undsind einfach zu beschaffen. Sie lassen sichleicht am Fensterbrett kultivieren oder auchan Herbarmaterial studieren. Deswegen ist

die Auswahl der Arten hier auf einfach zubeschaffende „triviale“ Arten beschränkt.Dieser Beitrag gibt Antworten auf dieFragen „wie schneidet und färbt manMoose?“ und „was kann man an denPräparaten erkennen?“ Man möchte sich janicht nur an schönen Schnitten,interessanten Färbungen oderZellstrukturen erfreuen, sondern auchwissen, was man da vor sich hat und dasinterpretieren können. Dazu werdenBeispiele von mikroskopischen Präparatenvon Moosen gegeben. Sie geben einenEinblick in die Struktur und den Bau einerPflanzengruppe, die – wie Fossilienbelegen – ihre Struktur über 350 MillionenJahre erhalten haben und auch heute nocheinen Einblick in den Bau der erstenLandpflanzen geben. Die Fotos und Textelassen dies nachvollziehen und bietenvielleicht auch Anreiz, sich einmal selbstmit Moosen zu beschäftigen. Daher istdieser Beitrag auf auf histologischePräparate beschränkt und schließtcytologische (Kernfärbungen, Chromoso-menzählungen) aus.Aufgrund des großen Formenreichtums beiMoosen ist hier zunächst eineBeschränkung auf Laubmoosevorgenommen worden. Ziel ist es auchnicht, hier ein kleines Moospraktikum zuerstellen, wie es im „Schömmer“ (1949)schon enthalten ist, das einen komplettenEinblick in alle vegetativen undgenerativen Organe gibt. Daher sind hiernur die vegetativen Teile von Laubmoosen,Blätter und Stämmchen, behandelt..

Page 5: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

5

Präparation

Zum Mikroskopieren pickt man sich miteiner spitzen Pinzette ein Moospfänzchenheraus und legt es in ein Schälchen Wasser(Blockschälchen, sehr praktisch sind dieweißen Porzellanplatten mit Vertiefungen).Ist das Moos stark verdreckt (wasbesonders bei Wassermoosen, Moosen ausÜberschwemmungsbereichen, vonKalkquellen u.a. der Fall sein kann), sokann man die Moospflanze 1-2 Minuten inein Ultraschallbad (mit einem TropfenSpüli) halten, da sonst der ganze Dreck aufund zwischen den Blättern mit insmikroskopische Präparat kommt. Vieletrockene Moose erreichen sehr schnellwieder ihre ursprüngliche Gestalt, beianderen dauert es länger, dann hilft auchhier ein Tropen Spüli im Einweichwasser.Man kann auch gleich die Moospflanze ineine Lösung von Wasser mit je einemkleinen Schuss Kalilauge und Spüli legen,dann weicht sie besonders leicht auf undbekommt schon mal eine tolleKontrastfärbung.Beblätterte Lebermoose mikroskopiert manals Ganzes, von Laubmoosen präpariertman einzelne Blätter ab. Dazu packt mandie Pflanze mit einer spitzen Pinzette undzupft mit einer zweiten Pinzette einzelneBlätter ab, die man auf ein Tropfen Wasserauf dem Objektträger überführt. Man kannauch die Pflanze durch eine halb geöffnetePinzette ziehen und damit die Blätter vomStämmchen abschaben.Will man Querschnitte von Blättern oderStämmchen herstellen, hat man folgendeOptionen:

I. SchneidenDie klassischen Methoden derFreihandschnitte wie Styropor-/Holundermark-/Möhrenschnitte kommenhier an die Grenzen, die die zuschneidenden Strukturen sehr klein sind.

Kann man mit einem Blatt oder Stängeleiner Höheren Pflanze noch gute, beieiniger Übung auch sehr gute Ergebnisseerreichen, gerät das Schneiden vonMoosblättern und Moosstämmchen aufdiese Weise zur Herausforderung.Schneidet man aus diesem Grund ganzebeblätterte Pflanzen, so führt dies nur beiStämmchenquerschnitten zu brauchbarenErgebnissen. Da die Blätter von Moosenaufrecht abstehen, bekommt man auf dieseWeise meist unbrauchbare Schrägschnitte.Eine geringe Verbesserung bringenHolundermarkschnitte im Hand- oderKastenmikrotom.Alternativ kann man mit einer Rasierklingeauf einer festen Unterlage unter derStereolupe schneiden, wobei man auch diegenaue Kontrolle hat, in welchem Teil desBlättchens oder Stämmchens schneidet.Man legt dazu sein Moosblättchen oder -stämmchen auf einen Objektträger, fixiertes mit dem Fingernagel des Zeigefingers(oder einem Stück Glas von einemObjektträger), schneidet den Überstand ab,drückt dann etwas mit Fingernagel oderGlas auf das Objekt und schneidet dannwieder.Besser gelingen Schnitte eingebetteterObjekte.Die klassische Paraffineinbettung wird vonGerlach (1969) empfohlen, hat jedoch denNachteil der langen Vorbereitungszeit. Willman schnellere Ergebnisse, kann man miteinem Gefriermikrotom in Eis einfrieren,was auch eine vorherige Entwässerung desPflanzenmaterials überflüssig macht.Dieses setzt Kohlensäureflaschen zurKühlung oder eine lange Vorkühlzeit beieinem Gerät mit Tisch- und Messerkühlungvoraus, sieht man mal von denAnschaffungskosten ab. Zudem werdenzarte Gewebepartien durch das Einfrierengeschädigt. Daher hat man sich schon seitlangem nach Alternativen umgesehen.

Page 6: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

6

Eine Art Simpel-Einbettung bekommt man,wenn man das trockene Objekt auf demObjektträger in einen TropfenKerzenwachs fixiert und dann schneidet.Ralf Wagner hat davon ausgehend folgendev erbesserte Methode vorgeschlagen: „VonMoos- und Flechtenmaterial kann man mitetwas Übung ausreichend dünneHandschnitte anfertigen und muss somitkein teures Mikrotom anschaffen. Benötigtwird lediglich eine (halbierte) Rasierklinge,ein Stereomikroskop und alsEinbettmedium PEG 1500(Polyethylenglykol, HandelsnameHistowachs, welches Paraffin-artig ist, aberwasserlöslich. Es wird mitunterschiedlichen Schmelzpunktenzwischen 44° und 58° von der Fa. Chroma(jetzt Waldeck) vertrieben, hat aber denVorteil, dass man die Schnitte zum Schlussin Wasser auswaschen kann.)Man beginnt mit dem getrocknetenMaterial. Vor dem Schneiden legt man dastrockene Material für 24 h in eine 20 %wässrige Lösung von PEG 1500. Dann legtman das nasse, mit PEG-Lösungdurchtränkte Blatt oder einen Teil davonauf einen Objektträger und lässt das Wasserverdunsten (ca. 24 h). Anschließend ist dasObjekt mit PEG imprägniert (eingebettet)und gleichzeitig auf dem Objekträger leichtfestgeklebt.Bei Moosen, insbesondere bei Torfmoosen,wird man vor der mikroskopischenUntersuchung einfärben wollen und dannuntersucht man das Material direkt inWasser.Eine einfachere Methode hat FelixSchumm (1990) für Flechten entwickelt.Sinngemäß lässt sich diese Methode auchfür Moose benutzen. Eine MesserspitzeHistowachs wird auf einen Objektträgergegeben und mit einem Feuerzeug zumSchmelzen gebracht. In das noch flüssigeHistowachs drückt man ein ca. 4 mm langestrockenes (!!) Stämmchen oder Ästchenund wartet, bis das Wachs erkaltet ist. (Um

das Abkühlen zu beschleunigen, kann manden Objektträger auf den Objekttisch desMikroskops legen, wodurch die Wärmerasch abgeleitet wird). Dann schneidet manmit einer ggf. halbierten Rasierklinge, ambesten unter dem Binokular, dünnsteScheibchen unter Zuhilfenahme desFingernagels als Abstandshalter für dieKlinge ab. Die Schnitte werden mit demSkalpell oder ähnlichem direkt auf einenanderen Objektträger in einen TropfenWasser übertragen. Das Histowachs löstsich in Wasser auf, und man kann dieSchnitte nach Auflegen einesDeckgläschens sofort untersuchen.Wenn man auf die Schnitte erst einDeckglas legt und dann Wasserdarunterzieht, vermeidet man, dass etwasdickere Schnitte umkippen.Der eigentliche Trick bei dieser Methodeund der Unterschied zu den klassischenRezepten ist, dass das Pflanzenmaterialtrocken ist. Nur dann kann man sofortschneiden. Feuchtes Material müsste man24h austrocknen lassen. Mike Guwak hatim Mikroskopieforum sehr schön dieSchnittechnik beschrieben:„Dann beginnt das Schneiden unter demStereomikroskop. Den linken Zeigefingerlegt man dazu auf das Objekt und schneidetdann mit der Rasierklinge entlang derFingerkuppe einmal großzügig einenStreifen ab. Dann hat man eine geradeSchnittkante und von dort aus beginnt man.Wenn man jetzt den linken Zeigefinger einwenig zurücknimmt oder die Rasierklingeetwas fester an die Fingerkuppe drückt,erhält man einen ersten Schnitt. EtwasÜbung braucht man schon und mit der Zeitentwickelt sich ein motorisches Feingefühl,das zu hinreichend dünnen Schnittenführt.“Nach dem Schneiden entfernt man diegröberen Histowachs-Partikel mit einerPinzette und tropft Wasser auf die Schnitte.Das restliche Histowachs löst sich dann.

Page 7: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

7

II. Färben

Man färbt entweder Objekte, die eine zugeringe Eigenfärbung haben, Moosblätter,die man einbetten will, um ein Ausbleichenzu verhindern (Totalfärbung), oder umbestimmte Gewebestrukturen sichtbar zumachen (Differentialfärbung).

TotalfärbungDiese wird besonders bei Torfmoosenangewandt, da die Torfmoosblättchen,besonders aber die Schnitte, sonst nichtkontrastieren. Speziell sind diebestimmungswichtigen Löcher (Poren) inden Zellwänden in ihrer Anordnung, Größeund Art sonst kaum sichtbar. Das kann mitoptischen Methoden (Interferenzkontrast)geschehen, als auch einfacher durchAnfärbung. Geeignet sind alleTotalfärbungen, egal mit welcher Farbe.Man kann daher Methylenblau verwenden(was zumeist empfohlen wird), aber auchBrillantkresylblau (BKB), Methylviolett,Eosin, Kernechtgrün u.a. Wichtiger als dieArt des Färbemittels ist seineKonzentration, um Über- oderUnterfärbung zu vermeiden.Die Farblösungen saugt man am bestenunter das Deckglas, weil die dünnenSchnitte zu zart zum Umbetten sind.Eine preiswerte Alternative ist dieSelbstherstellung von Totalfärbemitteln.Dazu nimmt man alte, ausgebrauchte(leere) Kugelschreiberminen, zerstückeltdie in 2 cm lange Stücke, legt die in einePetrischale und füllt die mit Ethanol oderSpiritus. Die restliche Minenfüllung löstsich dann und ergibt eine Farblösung, dieabgegossen werden kann.Noch einfacher ist die Verwendung einesKopierstiftes. Man tunkt dazu dieMinenspitze in den Wassertropfen mit denSchnitten, wobei sich der Minenfarbstofflöst und die Schnitte anfärbt. Kopierstiftesind auch heute noch im Internet zubeziehen.

DifferentialfärbungenEine 2%ige KOH Lösung reagiert mitZellwandbestandteilen und führt zu einerkontrastreichen gelblichen, bräunlichenoder rötlichen Anfärbung. In vielen Fällenwerden die einzelnen Gewebetypen(Blattgrundzellen, Blattflügelzellen, Rippe)differenziert und in gewissenVerwandtschaftskreisen (z.B. Pottiaceen)erlauben unterschiedliche Färbungen dieBestimmung von Gattungen und Artenähnlich wie bei Flechtenreagentien.Man legt dazu eine Moospflanze oder einenTeil davon in ein Blockschälchen mit KOH,präpariert darin mit der Pinzette Blätter abund überführt diese in einem TropenWasser auf dem Objektträger. Ein Zusatzvon einem Tropfen Spülmittel erleichtertdas Aufweichen trockener Moospflanzen.Solche Mischung (KOH, Wasser,Spülmittel) kann man in einer Spritzflaschevorrätig halten.

SimultanfärbungenFärbungen wie Wacker simultan I erlaubenmehrere Färbungen in einem Arbeitsgang.Die Farblösung ist ein Gemisch mit denFarben Acridinrot, Acriflavin undAstrablau, Rezeptur mit Färbeanleitungkann als PDF von der Webseite desMikroskopischen Kollegiums Bonnheruntergeladen werden: .Im Rahmendieser Arbeit wurden Moose wohl erstmaligmit Wacker gefärbt - mit erstaunlichenErgebnissen.Da ich aber den Schnitt nur alsWasserpräparat angelegt habe, muss dieFärbung noch differenziert werden. Dasheißt ein Überschuss von alkohollöslicherFarbe wie das Acridinrot und Acrivlavinwird ausgewaschen. Dieses geschieht in70% Ethanol bis keine Farbe mehr abgeht(Lupenkontrolle!) und geht mit 15 bis 45Sekunden recht schnell. Mit derRückführung in Wasser wird derDifferenzierungsvorgang beendet.

Page 8: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

8

III. Einbetten

Routinemäßig untersucht man Moose inWasser, weswegen ein wasserlöslichesEinschlussmittel die schnellsten Ergebnissebringt. Es vermeidet zudem langwierigesEntwässern. Als solche sind Kaiser’sGlyzeringelatine und Gelatinol (frühervon Chroma) erhältlich. Glyzeringelatineist fest. Ein kleines Stück muß vorher durchvorsichtiges Erhitzen über einer Flamme(Spiritusbrenner, Feuerzeug oder aberdurch Auflegen auf eine Glühbirne)verflüssigt werden und die Objekte dannmit einer Pinzette in den Tropfen überführtwerden. Beim Abkühlen wird dieGlyceringelatine wieder fest.MancheBlätter mit großen Zellen schrumpfendabei, was vermieden werden kann, wennman die Blätter zuvor einige Zeit inGlycerinwasser (1:1) einlegt. das man überNacht offen stehen ließ, damit das Wasserverdunsten konnte. Deswegen war diesnicht gerade eine Schnellmethode.Glyceringelatine war zudem ein guterNährboden für Pilze, weswegen dieDeckgläser dann noch mit Deckglaslackversiegelt werden mussten. Einfacher istdie Verwendung flüssiger Einschlussmittel.Gelatinol ist flüssig, härtet dafür aber nurlangsam. Die Präparate werden dann besserliegend in Präparatemappen aufbewahrt.Zur Haltbarmachung auf Dauer müssen diePräparate luftdicht gemacht werden, indemdie Ränder des Deckglases mit einemDeckglaslack, Nagellack oderEinschlußmittel (Caedax, Kanadabalsamo.ä.) verschlossen werden. In Nordamerikawird Hoyer’s Solution alsEinbettungsmedium benutzt, welchesselbst angesetzt werden kann (30 g Gummiarabicum, 200 g Chloralhydrat, 20mlGlyzerin auf 50 ml Wasser). Die Zugabevon Chloralhydrat diente ursprünglich derAufhellung von chitinösen Strukturen vonInsekten, war für Moose überflüssig und

sogar schädlich, weil es zarte Strukturenzum Schrumpfen brachte, sodaß einmodifizierter Ansatz mit 20 g Gummiarabicum, 5 g Chloralhydrat, 10 ml.Glyzerin auf 60 ml destilliertes Wasserempfohlen wird. Die Lösung ist sirupartig.Das Chloralhydrat führt zudem zu einerAufhellung der Strukturen, die manchmalganz nützlich sein kann, bei zartenStrukturen jedoch zum starken Ausbleichenführt. Ein einfaches Einschußmittel kannman sich auch aus einem Gemisch vonWasser, Glycerin und Gummi arabicum(1:1:1) selbst herstellen. Das Gummiarabicum aus „Gummierstiften“(Plastikflaschen mit einer Gummilippe fürAufkleber auf Paketen) ist schon mit einemFungizid versetzt, so dass die Präparategegen späteren Pilzbefall geschützt sindund keinen Deckglasrand benötigen. Dasbeste wasserlösliche Einschlußmittel warPolyvinyllactophenol. Es kann (wie dasMittel aus Gummi arabicum) aus einerkleinen Plastikspritzflasche als Streifenentlang einer Seite des Deckglasesaufgetragen werden. Durch Verdunstungdes Wassers im Präparat nach den dreiübrigen Seiten wird das Einschlußmittelunter das Deckglas gesogen und ersetzt dasWasser. Auf diese Weise brauchen zarteObjekte wie z.B. Blattquerschnitte nichtauf einen neuen Objektträger überführtwerden. Das Anfertigen einesDauerpräparates beschränkt sich somit aufdas Aufbringen eines StreifensEinschlußmedium auf den Objektträger.Polyvinyllactophenol galt alskrebserregend, war deswegen in den USAschon lange verboten und ist jetzt wohlauch in Deutschland aus dem Handelgenommen. Als Ersatz gibt es mehrereProdukte wie Phytohistol, Aquatex (Merck)oder Hydromatix. Aquatex bleicht diePärparate stark aus, vielleicht ist da auchChloralhydrat drin, Hydromatix ist sehrteuer und für Moose wegen seinerDickflüssigkeit wenig geeignet,

Page 9: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

9

Die Geschichte der anatomischenUntersuchung von Moosen

Die Erforschung der Anatomie der Moosesetzt erst Mitte des 19.Jahrunderts ein.Zunächst fehlten bis dahin einmalentsprechende qualitativ leistungsfähigeMikroskope. Dann muss man zu Gutehalten, dass das erste Augenmerke derErforschung der Moose bei derInventarisierung der Ârten lag und man ersteine gewisse taxonomische Grundlagehaben musste. Folgerichtig kam erst danndie anatomische Untersuchung dran,andere Disziplinen wie Pflanzengeographieoder Ökologie existierten damals nochnicht, ebenso alle phylogenetischen,evolutorischen, cytologischen und auchweitreichendere physiologischeGedankengänge geschweige dennArbeitsrichtungen.Die Erforschung der Moosanatomie begannmit Schimper (1848). Nur drei Jahre spätererschien die bahnbrechende ArbeitHofmeisters (1851), in der er diekryptogamische Natur der NiederenPflanzen und ihren evolutorischenZusammenhang mit den Blütenpflanzedarlegte, und zwar auf Grundlage dervergleichenden Pflanzenanatomie.Umfangreichere anatomische Studienlieferte Lorentz (1866-68) in seinen„Grundlinien zur einer vergleichendenAnatomie der Laubmoose“. Auf Lorentzgehen diverse Termini zurück. Die Arbeitenvon Lorentz wurden von Haberlandt (1886)in seinen „Beiträgen zur Anatomie undPhysiologie der Laubmoose“ fortgeführtund wie im Titel ausgedrückt zeitgemäß umökologische Anpassungen ergänzt. Goebel(1915) gab keine histologische Darstellungsondern stellte die Moosanatomie unterökologischen Gesichtspunkten dar (z.B.Einrichtungen zur Wasserspeicerung pp.)Später gab Ruiland (1924) einezusammenfassende Darstellung der

Laubmoose. Zuletzt gab Lorch (1931)einen nochmals durch eigeneUntersuchungen stark erweiterten Abrissder Laubmoosanatomie. Seitdem ist dieklassische Histologie der Moose nur nochvon Kawai (1970-91) weitergeführtworden, der eine Vielzahl von Artensystematisch untersuchte, derenStämmchenbau klassifizierte und darausphylogenetische Rückschlüsse zog. Alleneueren Lehrbücher beziehen sich auf diealten Autoren und geben immer kürzerwerdende und generalisierendeDarstellungen der Verhältnisse.

Wie in so vielen wissenschaftlichenArbeitsrichtungen nicht nur in der Biologiewaren die aktuellen Forschungsrichtungennur angedacht und bei weitem nichtabgearbeitet. Der Drang zu neuenForschungsdisziplinen geht aber immer inneue Bereiche voran und hinterlässt nochviele Fragen. Im Falle der Moosanatomiehat man sich die meiste Zeit nur mit derSchilderung von Einzelfällen beschäftigt,wobei vielfach dann auch immer nochdieselben Arten studiert wurden(Polytrichum, Dawsonia pp.), man zuunterschiedlichen Beobachtungen undSchlüssen kam und im Stil der damaligenZeit fleißig hypothetisierte, verbaleZweikämpfe ausfocht und Spekulationenmit Adjektiven wie „zweifellos“ etc.bekräftigte. Auch die zusammenfassendenDarstellung von Lorch (1931) geht nichtüber die Darstellung von Einzelfällenhinaus und lassen jede Systematisierung,Klassifizierung oder etwa evolutorischeAspekte vermissen, die erst Kawai (1970-91) nachlieferte. Bis heute fehlt eineeinheitliche Terminologie und bis heutebleiben vielerlei spezielle Details in derAnatomie der Moose unerklärt.Systematische Untersuchungen anVertretern von bestimmtenVerwandtschaftkreisen fehlen odermorphologischen Typen wie z.B. der

Page 10: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

10

Bäumchenmoose (Henseler & Frahm 2000)bleiben die Ausnahme. Zurückgeblieben istein Wust von unterschiedlichen Termini. Sowird ein Stämmchenquerschnitt mitÄußerer Cortex, Cortex, Grundparenchymund Zentralstrang, derselbe von anderenAutoren mit Epidermis, Rinde,Grundgewebe, Hadrom oder wieder vonanderen mit Hyalodermis, Stereom,Grundgewebe und Zentralzylinderbezeichnet. Zur Klärung dieser Begriffe istwährend der Vorbereitung dieser Arbeiteine eigene Publikation (Frahm 2012)entstanden.

Der Bau der Moospflanze

Gefäßpflanzen bestehen aus Wurzel,Stamm und Blättern. Diese Begriffe sindeigentlich nicht auf Moose übertragbar.denn deren Organe sind nichtfunktionsgleich. (Die Mooswurzeln dienennicht der Wasseraufnahme, die bei Moosenüber die gesamte Oberfläche erfolgt, derStamm der Mosoe dient nicht derWasserleitung und das Moosblatt nicht derTranspirationsregelung). Sie sind auchnicht baugleich, weil die eigentlicheMoospflanze haploid ist und z.B. demProthallium der Farne entspricht und nichtder Farnpflanze. Aus dem Grund hat mandie Begriffe Rhizoide, Cauloide undPhylloide für Moose geprägt, die sich mitAusnahme der Rhizoide nicht durchgesetzthaben. Im Englischen spricht man von stemund leaf, im Deutschen wird zwar vonStämmchen gesprochen, nicht aber vonBlättchen sondern vom Blättern. Halbwegskorrekt wäre von Moosstämmchen undMoosblättern zu sprechen. Die AusdrückeBlättchen und Stämmchen bei Moosen sindalso keine Verniedlichungsformen, sondernbewusst gewählte unterschiedlicheTermini.

Stämmchen

Im einfachsten Fall besteht derStämmchenquerschnitt nur ausparenchymatischem Grundgewebe, so beiTorfmoosen.Die meisten Mose besitzen zur Festigungeine ringförmige, mehr oder weniger dickeSchicht verdickter sklerenchymatischerZellen. Sie wird als (äußerer) Cortex,Rinde, Sklerodermis oder Stereombezeichnet. Es ist durch Gerbsäurenbräunlich gefärbt. Das Innere besteht ausZentralgewebe, welches auchfälschlicherweise als Parenchym (da esverlängerte Zellen mit schrägen Wändenhat), Leitparenchym innerer Cortex oderCentral Layer bezeichnet wird. Die äußereSchicht des Cortex ist oft morphologischdifferenziert und wird dann als Epidermisbezeichnet. Der Begriff sollte dem primärenAbschlussgewsebe der Höheren Pflanzenmit Kutikula und Spaltöffnungenvorbehalten bleiben. Sie zeigt zudemdieselbe Färbereaktion der Zellwände wiedie Sklerodermis und besteht aus genausoverlängerten Zellen.Außen kann sich eine ein- bismehrzellreihige dünnwandige Schichtanschließen, die als Hyalodermisbezeichnet wird.Im Inneren des Stämmchens kann sich einZentralstrang aus engen, langegestrecktenZellen befinden. Manche Arten mitZentralstrang besitzen im Zentralgewebekleine Gruppen verengter Zellen, dieBlattspurstränge. Sie stellen dieFortsetzungen der Blattrippen imStämmchen dar, enden aber blind. Davonabweichend sind die Verhältnisse bei denFrauenhaarmoosen, von denen die höchstentwickelten Formen im Inneren eine ArtWasser leitendes Gewebe (das Hadrom mitHydroiden) und da herum ein Assilimalteleitendes Gewebe (das Leptom mitLeptoiden) besitzen.

Page 11: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

11

MoosblättchenDie Moosblätter (wegen der fehlendenHomologie zu den Höheren Pflanzen auchals Phylloide bezeichnet) besitzen einemeist nur einschichtige Lamina, die derWasseraufnahme und dem Gasaustauschdient. Im Gegensatz zu Höheren Pflanzenfehlen Spaltöffnungen und eine Kutikula,gelegentlich gibt es wachsartige Überzüge,die aber die Wasseraufnahme nichtverhindern. Selten ist die Lamina (z.Tl. nurpartiell) zweischichtig und nur beisomatischen Mutanten auch mehrschichtig.(Solche Mutation gibt den Hinweis, dassMoose die potentielle Fähigkeit zurAusbildung mehrschichtiger Blätter habemvielleicht ererbt von ihren Vorfahren).Laubmoose können auch eine Rippe haben.Trotz der Einfachheit im Bau gibt esspeziell eine große Vielfalt von Blattformen(von rund bis extrem schmallanzettlich),Zellformen (pros- oder parenchymatisch),Blattranddifferenzierungen (Säume,Zähne), Differenzierungen des Blatt-

Stämmchenquerschnitt von Hypopterygium ceylanicum (ausLorch 1931).

grundes (Blattflügel), Blattober-flächen(glatt, mamillös, papillös) und Blattspitzen(stumpf bis haarförmig) sowie derRippenanatomie, sodass dieseAusprägungen die wesentlichenBestimmungsmerkmale bilden. Das erklärt,warum man Moose zum Bestimmenmikroskopieren muss.Zur Bestimmung von Torfmoosen sindBlattquerschnitte notwendig, um die Lageund Form der Chlorocyten erkennen zukönnen. Bei gewissen Laubmoosen sindauch Rippenquerschnitte erforderlich.Rippen gelten als phylogenetischursprünglich, da alle fossilen Vertreternwelche aufweisen und die „modernen“Moose sie zurückgebildet haben. Es sindeigentlich Leitbündel vergleichbar mitBlattadern Höherer Pflanzen, dieFestigungs- und mit Blattadern HöhererPflanzen, die Festigungs- undLeitungsfunktion haben.

Page 12: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

12

Sphagnum palustre – SumpfTorfmoos

Torfmoose sind eine völlig isolierte Gruppevon Laubmoosen. Sie bestehen ausungefähr 300 Arten weltweit in nur einerGattung, haben keinerlei Verwandte, undauch über ihre Abkunft im Stammbaum derMoose hat man wenn überhaupt nurVermutungen. Morphologisch sind sie vonInteresse, als sie an der Spitze laufendwachsen (bis 1 cm pro Jahr) und am Grundeabsterben. Damit erklärt sich auch dasWachstum von Hochmooren. Anatomischsind sie dadurch ausgewiesen, dass ihreBlätter aus großen, toten und leeren Zellen(Hyalocyten) und kleinen chlorophyll-haltigen Zellen (Chlorocyten) zusammen-gesetzt sind. Größe, Form und Lage derChlorocyten sind für die Bestimmung derTorfmoose wichtig, sodass Blattquer-schnitte gemacht werden müssen. ZurBestimmung von Torfmoosen inDeutschland kann das Buch von Hölzer(2010) empfohlen werden.

Dadurch dass die Torfmoose sehr bleicheZellwände haben (sie werden auch alsBleichmoose bezeichnet), kontrastieren sieim mikroskopischen Präparat nur wenig.Daher wurden sie schon frühzeitigangefärbt. Ohne solche Färbung setzen sichz.B. bestimmungswichtige Poren (Löcher)in den Zellwänden kaum vom Hintergrundab. Zum Färben nahm man Kopierstift,Methylenblau oder andere Totalfärbemittel(vgl. Kapitel Reagentien).

Torfmoose haben eine große ökologischeBedeutung als Moorbildner. Auf dieseWeise sind sie weltweit der größtePhytomasseproduzent: die Menge der inMooren vorhandenen Torfmoose speziellim Norden Kanadas, Skandinavien undRusslands übersteigt die Phytomasse dertropischen Regenwälder. Damit sind sieeiner der größten Kohlendioxidspeicher aufdem Land. Aufgrund der Zerstörung der

Page 13: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

13

Moore in der Vergangenheit durchKultivierung und Torfabbau sind Mooreselten geworden und Torfmoose unterSchutz gestellt worden. Deswegen sind siedurch die Bundesartenschutzverordnunggeschützt. Die Entnahme von Torfmoosenalso auch außerhalb vonNaturschutzgebieten ist daher verboten,was sich in erster Linie gegenGärtnerbetriebe wendet, die früherTorfmoose in größerem Umgang der Naturentnommen haben, um sie alsOrchideensubstrat zu nutzen. Dadurch istes theoretisch auch Universitäten verboten,Torfmoose in mikroskopischen Kursen zuverwenden. Obgleich gesetzwidrigbedeutet es jedoch keine Gefährdung derArt, wenn man 2-3 Pflanzen für diemikroskopische Untersuchung mitnimmt.Zudem sind Torfmoose exakt nur nachmikroskopischen Merkmalen zubestimmen, was eine Mitnahme der dafürnotwendigen kleinsten Mengen erfordert.Wenn - wie einmal eine ObereNaturschutzbehörde dem Zweitautorschrieb – „die Belange des Tourismus inbestimmten Fällen höherwertiger sind alsdie des Naturschutzes“, sollte das auch fürdie Mikroskopie gelten.Torfmoose sind Säurezeiger. Wie alleanderen Moose auch nehmen sie Nährstoffeüber Ionenaustausch auf, d.h. sie tauschenNährstoffe z.B. Kalium, Kalzium,Magnesium etc. aus dem Regenwasser anihrer Oberfläche gegen Wasserstoffionen.Dadurch sinkt der pH-Wert (der negativdekadische Logarithmus der Wasserstoff-ionenkonzentration). Durch dassTorfmoose große Flächen überwuchernkönnen, steigt die Wasserstoffionen-konzentration, der pH sinkt immer weiter,bis unter pH 4. Dann stellen aber Pilze undBakterien bei Sauerstoffabschluss ihreTätigkeit ein, organisches Material (wieauch eine Moorleiche!) wird nicht mehrzersetzt, es entsteht Torf. Torf ist der größteKohlenstoffspeicher auf der Erde, was eine

Zeitbombe ist, denn bei einerKlimaänderung können die Torfeaustrocknen, es kommt Sauerstoff heran,die Torfe zersetzen sich und produzierenUnmengen von CO2, welches die Klima-änderung weiter vorantreibt.Sphagnum palustre ist eine der häufigstenArten, die auch außerhalb von Mooren innassen Wäldern, Moorwiesen und Brüchenvorkommt. Sie ist eine der größten Arten,was sie für die Mikroskopie besondersgeeignet macht, und durch die eiförmigen,kahnförmig gehöhlten Blätter kenntlich.Andere Arten zeigen nicht immer dieselbenaber ähnliche als die hier beschriebenenVerhältnisse und können daher auchgenommen werden.Der Stämmchenquerschnitt zeigt von außennach innen:1. eine dreischichtige Lage großer leerer(toter) Zellen, die als Hyalodermisbezeichnet wird. Sie kann bei anderenArten auch weniger- oder mehrschichtigsein oder seltener auch fehlen.2. Darunter folgten mehrere Schichtenkleinlumiger dickwandigerer Zellen, diedas Stereom (Cortex) bilden.3. Das innere des Stämmchens besteht auseinem lockeren Parenchym. Dieses ist bimGegensatz zum sog. Parenchym deranderen Laubmoose wirklichisodiametrisch. da es das Innere desStämmchens ausfüllt, sollte es als Markbezeichnet werden.Die Hyalodermis dient derWasserspeicherung. In Aufsicht sind(besonders nach Anfärbung mit einemTotalfarbstoff) Poren zu sehen, die denWassereintritt erlauben. Damit diese leerenZellen trocken nicht kollabieren, sind siemit Spiralfasern ausgekleidet, die innen dieZellwände wie Fassreifen versteifen.Das Stereom dient der Versteifung desStämmchens nach dem Prinzip einesRohres. Es wird mit Wackerfärbung rot,was auf Einlagerung phenolischerSubstanzen schließen lässt. Die einzelnen

Page 14: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

14

fluoreszierenden Zellen entziehen sicheiner Deutung. Ein Leitgewebe (etwa in Form einesZentralstranges) fehlt hier, da die Pflanzenja im Nassen stehen und es nichts zu leitengibt. Daher sieht der Querschnitt sehrursprünglich aus: sieht man mal von derHyalodermis ab ist das nur ein gefülltesRohr. Ob diese „primitive“ Strukturwirklich ursprünglich ist oder eine spätereAnpassung an den nassen Standort(abgeleitet), kann nicht genau beantwortetwerden. Bei den Moosen haben sich dieältesten fossilen Formen als hochentwickeltgezeigt. Wenngleich man sie nicht richtigmikroskopisch untersuchen kann, zeigensie doch Merkmale wie Blattrippen, die beivielen „modernen“ Moosen fehlen. Esscheint daher eine Art regressiver Evolutionvorzuliegen, der Bau der Moosevereinfachte sich im Laufe der Zeit.

Page 15: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

15

Page 16: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

16

Page 17: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

17

Polytrichum formosum - SchönesFrauenhaarmoos

Dieses Moos ist eines unser häufigstenWaldbodenmoose. Aufgrund seiner Größe(um 10 cm hoch, an feuchten Stellen auchhöher) wird es auch vom Laien als Mooserkannt. Den Namen Frauenhaarmoosbekam die Gattung Polytrichum, weil diejungen Sporenkapseln von Haubenumgeben sind, welche mit langengoldfarbigen Haaren besetzt sind, die anblondes Frauenhaar erinnern. Und da manfrüher nach dem Grundsatz „similiasimilibus“ vorging, hielt man das Moos fürein probates Haarwuchsmittel (wenn esgewirkt hätte, gäbe es wohl keineGlatzenträger mehr). Ähnlich sind dieWorte „Lebermoos“, Lungenflechte u.a.zustande gekommen.Daneben gibt es bei uns noch eine Reiheanderer Polytrichum-Arten, von denen P.commune das höchste Moos der Erdedarstellt. Es wird bis 50 cm hoch undkommt bei uns an Moorrändern und inBirkenbrüchen vor. Kleine Formen von P.commune sind von großen Ausprägungendes P. formosum nur mikroskopisch im

Blattquerschnitt zu unterscheiden.Polytrichum formosum hat abgerundeteEndzellen der Rippenlamellen, bei P.commune sind die an der Spitze eingedellt.Die Frauenhaarmoose sind die anatomischam höchsten differenzierten Moose. Siestellen einen ganz isolierten kleinen Ast inder Evolution der Laubmoose dar. Blätterund Stämmchen weisen eine Vielfalt vonunterschiedlichen Organen auf, die jedochweitgehend funktionslos sind.Wie man im Querschnitt sieht, besteht dasBlatt von Polytrichum formosum fast nuraus mehrschichtiger Rippe, denn dieBlattflächen sind bei Moosen ja in derRegel einzellschichtig. Von unten nachoben sieht man im Querschnitt eineeinzellschichtige epidermale Schicht.Dabei handelt es sich nicht um eineeigentliche Epidermis, denn die hätte eineKutikula mit Spaltöffnungen. Darauf folgteine Schicht englumiger Stereiden(Fasern), die – wie überall im Pflanzenreich– zur Verstärkung und mechanischenFestigkeit dienen. In der Mitte liegt ein

Page 18: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

18

Leitgewebe. Wenn man genau hinsieht,erkennt man den Aufbau: median liegtimmer eine kleine Zelle, unten (dorsal)schließen sich drei, nach oben (ventral)zwei Zellen an. Dann kommtspiegelbildlich wieder eine Lage Stereidenund eine Reihe von epidermalen Zellen.Auf der Bauchseite des Blattes schließensich Rippenlamellen an. Was hier aussiehtwie Zellfäden sind eigentlich Lamellen, diesich durch das ganze Blatt ziehen. Siestecken voll von Chloroplasten, was sie alsAssimilationsorgan ausweist. DieZwischenräume zwischen den Lamellenfüllen sich bei Regen mit Wasser. Die etwasverdickten Endzellen der Lamellenverhindern, dass das Wasser so leichtwieder verdunstet. Notfalls krümmen sichdie einschichtigen Blattflächen vom Randenoch darüber und schirmen die Lamellenab. Während die Blätter anderer Mooseohne solche Einrichtung schutzlos derVerdunstung ausgesetzt sind, baldeintrocknen und dann den Stoffwechselrunterfahren, kann Polytrichum nochlängere Zeit assimilieren.

Mit dem Bau und der Funktion vonMoospflanzen hat man sich erst ab 1860beschäftigt. Erst seit Linné sich von Gottberufen sah, dessen Geschöpfe zukatalogisieren und zu benennen, hat manerst angefangen, Tiere und Pflanzenartenzu erfassen. Die Erfassung von Moosartenfällt in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts.Wie die Moose verbreitet waren, anwelchen Standorten sie wuchsen oder wiesie gebaut waren, interessierte damals nochkeinen. Paul Günther Lorentz an derUniversität München hat sich als einer derersten mit Moosanatomie befasst. Auf ihngehen daher die heute noch gebräuchlichenTermini zurück. Im Blattquerschnitt vonPolytrichum nannte er die Bänder vonkleinlumigen Zellen dorsale und ventraleStereiden, in Gänze Sklerenchymbänder,die kleinen Zellen in der Mitte desLeitbündels bezeichnete er als Hydroiden.Wie man hier in der linken Bildhälfte sehenkann, besitzen diese Zellen schrägeQuerwände. Das ist eine EinrichtungWasser leitender Zellen, die damit dieFläche der Querwände vergrößern und

Page 19: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

19

damit den Wasserdurchlass von Zelle zuZelle. Die ventralen Zellen wurden Deutergenannt, weil sie auf das Leitbündelhindeuten, die dorsalen Socii, d.h. dieBegleiter davon. Die Socii werden heuteals Leptoiden bezeichnet, als Assimilateleitende Zellen.Bei Polytrichum zieht sich also einLeitbündel durch die Blattrippe, wie esauch bei den Blattnerven von BlätternHöherer Pflanzen der Fall ist. Bei diesenstehen die mit den Leitbündel im Stängelin Verbindung, damit Wasser aus denWurzeln über die Stängel in die Blättergeleitet werden können und umgekehrtAssimilate aus den Blättern in die restliche

Pflanze. Nur besitzen Moose aber keineWasserleitung, sie nehmen ja das Wasserüber die Blätter auf. Woher haben sie dannLeitgewebe? Da in der Natur eigentlichkeine funktionslosen Strukturen angelegtwerden, ist die einzig logische Erklärung,dass Moose diese Leitgewebe vonVorfahren geerbt haben, die diese nochbenutzen. Das müssen dann alsoGefäßpflanzen gewesen sein.. Nun hat manaber beinahe schon ein Jahrhundert langpostuliert, Moose wären aus Algenentstanden und Farne aus Moosen. Daskann also so nicht stimmen. Leider kennenwir keine fossilen möglichen Vorfahren von

Page 20: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

20

Moosen, die schon vor 350 MillionenJahren in der heutigen Form existierten.Auch im Stämmchenquerschnitt finden wirdiese Leitbündel aus den Blättern wieder.Sie sind dort als helle, braun umrandeteZellgruppen zu erkennen und werden dortals Blattspurstränge bezeichnet. Wie auchbei Plagiomnium undulatum beschrieben,sind sie in einer Spirale angeordnet, mankann immer drei in einem Umlaufverbinden. Sie reduzieren sich aber dabeinach innen in der Größe. In der Literaturist zu lesen, dass die Blattspursträngekeinen Anschluss an den Zentralzylinderhaben. Das sieht hier im Bild anders aus.Nichtsdestotrotz sind ist das Leitgewebe

auch im Stämmchen funktionslos: Stelltman ein trockenes StämmchenPolytrichum, dem man in der unteren Hälftedie Blätter und den Wurzelfilz amStämmchen entfernt hat, in ein Glas Wasser,so bleibt es trocken. Wenn es überhaupteine Wasserleitung bei Moosen gibt, soverläuft sie außen, das heißt kapillar,dochtartig zwischen den Hohlräumen derBlätter und/oder im Rhizoidenfilz. DieseEntdeckung verdanken wir Karl FriedrichSchimper, einem Privatgelehrten undverkommenen Genie, der im Jahre 1857dies in Gedichtform fasste: „Moos welktim Glase Wasser, die Blätter sind die Leiter,und außen geht es weiter!“

Page 21: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

21

Diese Moosart ist ein Hygrophyt undwächst an nassen Stellen wie Bachufernoder in feuchten Wäldern. Das sind alsofast permanent feuchte Standorte und daherbraucht die Pflanze keine Einrichtung denWasserverlust durch Verdunstung zuverhindern. Die Pflanzen werden aber bis10 cm lang und wachsen aufrecht mitüberbogenen Enden. Um nichtzusammenzufallen bedarf esStützeinrichtungen. Der Aufbau desStämmchens ist dementsprechendangepasst. Im Winter bilden diemännlichern Pflanzen Geschlechtsorgane(Antheridienstände, Bild unten) aus, dieBlüten-artig sind und aus einer Rosette vonkürzeren terminalen Blättern, in derenMitte die Antheridien stehen., welche sichals Längsschnitt oder auch nur alsZupfpräparat gut zum Mikroskopiereneignen. Das Areal schließt das gesamteEurasien, nicht aber Nordamerika ein.Im Stämmchenquerschnitt erkennen wir imHellfeld von außen nach innen eine ein- biszweischichtige Reihe kleiner verdickterZellen, dann ein den größten Teil desBlattes ausfüllendes scheinbarparenchymatisches Grundgewebe sowieeinen klein- und engzelligen Bereich in derMitte. Ganz außen sieht man die Ansätzevon drei Blättern, deren Chlorophyllgehaltbesonders bei der Fluoreszenzaufnahmekenntlich wird.Bei Gefäßflanzen (Tracheophyten, alsoBlütenpflanzen und Farnen, welche Gefäßed.h. Tracheen oder Tracheiden imLeitgewebe haben), würde man die äußereSchicht eines Stängels als Epidermisbezeichnen. Die zeichnet sich durch in derRegel vergrößerte Zellen mit verdicktenWänden, eine Wachsauflage (Cuticula)und das Vorhandensein von Spaltöffnungenaus. Alles dies fehlt hier, weswegen man

Plagiomnium undulatum - Gewelltes Sternmoos

auch nicht von einer Epidermis spricht. AlsAbschlusgewebe befinden sich hierkleinere verdickte Zellen, die einemechanische Festigung verleihen. SolcheZellen an der Peripherie der Stämmchenbezeichnet man als Stereom. Das Stereomist in dem vorliegenden Fall schwachentwickelt, weil die Art Hygrophyt ist, d.h.zumeist turgeszent ist und daher keinenSchutz gegen das Kollabieren bei starkerVerdunstung braucht. Meso- oder garxerophytische Arten hätten hier mehrere

Page 22: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

22

Lagen dickere Zellen. Die Pflanze wird alsomehr durch den Zellsaft aufrechterhaltenwie ein mit Wasser gefüllter Luftballon,weniger durch ein Stützgewebe. Unter derAuflichtfluoreszenz sieht man teilweiserote Punkte darin, die auf diePrimärfluoreszenz von Chloroplastenzurückgehen. Querschnitte sind nun einmalzweidimensional, sodass man nichterkennen kann, dass diese Zellenlanggestreckt sind. Deswegen werden sieals Sklereiden oder Sklerenchymfasernbezeichnet, die als „mechanischerHohlzylinder“ für Festigkeit sorgen. Dasperiphere Abschlussgewebe wird beiMoosen auch noch als äußerer Cortex,Rinde oder Sklerodermis bezeichnet. Allediese Ausdrücke sind problematisch (ZurTerminologie vgl. Henseler & Frahm 2000und Frahm 2012). Der Ausdruck Rindewird schon bei den Gefäßpflanzen benutzt.Cortex bedeutet dasselbe. Man spricht voneinem äußeren Cortex, weil das innereGrundgewebe auch als Innerer Cortexbezeichnet wird. Der eher deskriptiveAusdruck Sklerodermis (Haut ausSklereiden) ist schon passabler. Ein echtesSklerenchym liegt aber nicht vor, sonstmüssten die Zellen tot sein, was sie nichtsind, wie die Chloroplasten darin zeigen.Das Grundgewebe im Stängel würde manan Hand des Querschnittes als Parenchymbezeichnen. Es ist aber gar nichtparenchymatisch, da die Zellen nichtisodiametrisch sondern in der Längsachseverlängert sind. Parenchyme sindSpeichergewebe, Gewebe mit verlängertenZellen sind Leitgewebe. Diese Schichtbezeichnete man daher als Leitparenchym.Das ist aber eigentlich ein paradoxerAusdruck. Der neutrale TerminusZentralgewebe ist treffender. Impolarisierten Licht erkennt man schön, dassdie Wände des Leitgewebes unterschiedlichgefärbt sind. Das liegt an derunterschiedlichen Ausrichtung derZellulosefibrillen. Liefen sie alle in eine

Richtung, wäre die Stabilität des Gewebesgeringer.Im Leitparenchym eingestreut findet manbei 10 Uhr eine größere, bei 5 Uhr einekleinere Gruppe von englumigen Zellen.Dies sind Blattspurstränge. Solche dienenbei Gefäßpflanzen dazu, Wasser undNährstoffe aus den Leitbündeln in dieBlätter abzuzweigen. In un serem Fallverkleinern sich die Blattspurstränge vonaußen nach innen und verschwindennachher ganz, ohne jemals Anschluss anden Zentralstrang bekommen zu haben.Man spricht dann von falschenBlattspursträngen. Die Anordnung derBlattspurstränge korreliert mit denBlattansätzen: die Blätter sind in einer 3/8Spirale angeordnet. Moose wachsen ja miteiner dreischneidigen Scheitelzelle in dieLänge, nicht mit einem vielzelligenVegetationskegel wie bei denGefäßpflanzen. Diese dreischneidige Zelleteilt sich ursprünglich, was in einemdreikantigen Stängel mit dreizeiligerBeblätterung resultiert. Bei den meistenMoosen dreht die Scheitzelzelle sich nachjeder Zellteilung jedoch ein Stück, sodassnach drei Umläufen acht Blätter gebildetwerden. Man spricht dann von einerspiraligen Beblätterung in einer 3/8Stellung.Das Innere des Stämmchens wird vonengen kleinlumigen Zellen ausgefüllt, derals Zentralstrang bezeichnet wird. DieseZellen sind wieder langgestreckt(stereidisch). Wenn man aus der Form aufdie Funktion schließt, wäre das einLeitgewebe.Sieht man das Zentralgewebe alsLeitgewebe an, weil es verlängerte Zellenmit schrägen Querwänden hat, so würde esmit dem Zentralstrang ein Leitbündelbilden, in diesem Fall ein konzentrischesLeitbündel. Das Leitgewebe würdePhloem-aertig sein, der ZentralstrangXylem-artig. Die Ausdrücke Phloem undXylem verbieten sich in diesem

Page 23: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

23

Page 24: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

24

Zusammenhang, weil sie zwarfuntionsgleich (analog), aber nichtbaugleich (homolog) sind, denn der Sproßder Höheren Pflanzen ist ein diploiderOrganismus, das Moosstämmchen einhaploider.Erst bei der Wackerfärbung bekommen wirInformationen über den Chemismus derZellwände. Das Stereom ist rot gefärbt, esenthält phenolische Substanzen, dieantimikrobiell wirken. Man mussbedenken, dass Moose ja keinen Schutzgegen Bakterien oder Pilze haben, derenAufgabe es ist, Biomasse zu zersetzen.Höhere Pflanzen machen das mit Hilfe vonWachsüberzügen oder Abschlussgeweben(Borken), die auch noch zusätzlich mitsolchen Abwehrstoffen (wie Gerbsäuren)imprägniert sind. Warum dieseImprägnierung unten links im Schnittunterbrochen ist, kann nicht gesagt werden.Bei Gefäßpflanzen wird durch WackerLignin angefärbt. Es gilt aber alsunumstößlicher Grundsatz, dass Lignin nurbei Gefäßpflanzen vorkommt und derBesitz von Lignin Gefäßpflanzen von allen„Niederen“ Pflanzen trennt. Dennochwurde bei Moosen angeblich auch schonLignin nachgewiesen, speziell bei den hochentwickelten Frauenhaarmoosen. Insolchen Fällen behilft man sich mit derErklärung, dass Lignin ein hochpolymererStoff ist und Vorstufen davon mit kürzerenMolekülketten existieren, die aber auch mitFärbestoffen Ligninreaktion zeigen. ImZentralgewebe sind die Zellen teilweisedurchsichtig, teilweise bläulich, wo eineQuerwand mit getroffen ist.Die Blaufärbung ist schlecht zu deuten, dasie bei Blütenpflanzen kaum auftritt, es mussich jedoch um Zellulosewände handeln,wie im polarisierten Licht bestätigt wird.Die grünliche Färbung des Zentralstrangszeigt zwar sehr schön ein kontrastierendesZellwandmaterial im Gegensatz zumZentralgewebe, entzieht sich aber vorläufig

der Deutung, da bei Wackerfärbungen fürgewöhnlich Zellulose grün gefärbt wird.Bemerkenswert an diesem Objekt ist, dasses bei Moosen einige Merkmale vonGefäßpflanzen wie ein konzentrischesLeitbündel und Blattspurstränge zeigt,obgleich diese Organe bei Moosenfunktionslos sind. Bei anderen Objektenkommen noch der Besitz von Siebplattendazu, im Sporophyten sogarSpaltöffnungen, und Cuticula. Nun wirdman nicht argumentieren können, dass sichMoose Organe im Laufe der Evolutionzugelegt haben, die sie nicht nützen. Eskann eigentlich nur so sein, dass dieseOrgane von ausgestorbenen Vorfahrenübernommen haben.

Page 25: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

25

Page 26: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

26

Bei dieser Art handelt es sich um einsogenanntes seitenfrüchtiges(pleurokarpes) Laubmoos, weil dieSporogone mit den Sporenkapseln seitlicham Stämmchen gebildet werden und nichtendständig (akrokarp, wie bei unserenObjekten Polytrichum formosum oderPlagiomnium undulatum). In der Praxishandelt es sich bei den pleurokarpenMoosen um Decken oder Matten, die flachdem Substrat (Gestein, Waldboden)aufliegen, wohingegen akrokarpe Mooseaufrecht in Polstern oder Rasen wachsen.Phylogenetisch werden diedeckenförmigen pleurokarpen für diejüngsten Moose in der Evolution gehalten,wobei jung auch schon recht lang her ist.Fossil tauchen sie am Ende desMezozoikums (vor ca. 70 MillionenJahren) auf. Da dies der Zeitpunkt derEntwicklung von Wäldern ist, nimmt manan, dass diese Moose die ökologischeNische des Waldbodens für sich entdeckthaben. Dementsprechend sind sie gebaut.Die Blätter sind die am einfachstenstrukturierten unter den Laubmoosen. Sohat Hypnum weder eine Blattrippe nocheinen irgendwie gearteten Blattsaum. DieBlattzellen sind lang gestreckt(prosenchymatisch) und mehr als zehnmalso lang wie breit. Die Chloroplasten sinddaher darin perlschnurartig aufgereiht. DerBlattrand ist an der Spitze gesägt, d.h. dieEnden der Zellen treten kerbig aus. Was dasfür einen Zweck hat ist nicht bekannt. DieBlattform bezeichnet man als lanzettlich.Interessant ist, dass solche Blattformenauch bei Höheren Pflanzen auftreten, alsoirgendwie zweckmäßig sein müssen, wennsie zwei Mal unabhängig voneinanderentwickelt worden sind.

Hypnum cupressiforme - Zypressenschlafmoos

Auch das Stämmchen hat eineMinimalausstattung, vergleicht man es z.B.mit der reichen Strukturierung vonPolytrichum formosum oder auch nochPlagiomnium undulatum. Eine Rinde ausmehrschichtigen kleinlumigen Zellenumgibt ein weitlumiges Zentralgewebe.Mit diesem zylindrischen Bauplan ist eineGrundstabilität gesichert. Auffällig ist, dassauch die Zellen des Zentralgewebes imInneren noch Chloroplasten enthalten, wiebesonders aus dem Fluoreszenzbildhervorgeht.Hypnum cupressiforme findet man häufigauf verschiedensten Substraten wieGestein, Borke und Erde. Den Namenverdankt es Linné, der damit daran erinnert,dass im Klassischen Alterum Matrazen undKopfkissen mit Moosen gestopft wurden.Cupressiforme heißt es deswegen, weil esgut ausgebildet eine regelmäßige Beastungmit nach oben kleiner werdenden Ästen

Page 27: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

27

aufweist wie eine Zypresse oder einTannenbaum.Die Art ist ungemein vielgestaltig, waseinerseits auf unterschiedlicheStandortverhältnisse zurückzuführen ist,dann aber auch, dass sich unter diesem

Namen unterschiedliche Genotypenverbergen. Sie ist aber (wie aber auchandere Hypnum-Arten) durch die meistsichelförmig gebogenen Blätter kenntlich(vorige Seite unten). Daneben gibt es auchFormen mit fast geraden Blättern (vorigeSeite oben).

Page 28: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

28

Page 29: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

29

Der Ausdruck Bäumchenmoos ist imDeutschen für zwei Arten vergeben, diebeide eine ausgesprochenbäumchenförmige Verzweigung haben:Climacium dendroides, die auf feuchtenWiesen zu finden ist, und Thamnobryumalopecurum, das an Bachsteinen undWasserfällen gedeiht, seltener auch antrockenerem Gestein. Das sind die beideneinzigen richtig bäumchenförmigen undgroßen Arten hierzulande. In den Tropenkommt diese Wuchsform häufiger vor, weiles dort feuchter ist. Der bäumchenförmigeWuch suggeriert ja, dass diese Moose wieBäume Wasser aus dem Boden aufnehmen,was sie aber nicht können, denn sie nehmendie Feuchtigkeit über die Blätter auf.Bäumchenmoose haben eine kriechendeGrundachse, von der Triebe nach obenwachsen. (Was also so aussieht wie derStamm vom Bäumchenmoos ist eigentlichein Seitenast). Dieser Trieb ist im unterenTeil unverzweigt und mit kleinenschuppigen, andersgestalteten Blätternbedeckt. Erst zur Spitze hin setzt dietypische baumkronenförmige büscheligeBeastung ein. Solche Wuchsform kommtunabhängig voneinander inunterschiedlichen Verwandtschaftsgruppender Laubmoose vor, ist also mehrfachanabhängig voneinander als ökologischeAnpassung entstanden. Interessant ist, dasssolche konvergente Wuchsform beiMoosen (einem haploiden Organismus)und Gefäßpflanzen (einem diploidenOrganismus) zu finden ist, also auchinnerhalb der gesamten Evolution derLandpflanzen an ganz unterschiedlichenStellen in ähnlicher Form. Der Grund fürdiese Wuchsform ist wohl ähnlich wie diebei den Bäumen unter den Blütenpflanzen,man erhebt sich damit über seineKonkurrenten. In Patagonien gibt es ein 40

der Verwandtschaft der Frauenhaarmoose),welche am Grund der Nothofagus-Wälder„kleine Wälder im Wald“ bilden. Das Laubder Südbuchen kann zwischen die Pflanzenfallen und wird von den Moosstämmchendurchwachsen und kann dem Moos nichtschaden. In den Tropen habenbäumchenförmig gestaltete Moose meisteine verflachte, zweidimensiomnale Krone,sie werden als Wedel bezeichnet undwachsen auf Gestein und auch anBaumstämmen.

Das Bäumchenmoos – Thamnobryum alopecurum

Page 30: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

30

Unser Bäumchenmoos kann durchaus eineHöhe von 15 cm erreichen. Das stelltbesondere Anforderungen an die Stabilitätdes Stämmchens. Solch Problem habenkriechende Moose, die in „Decken“wachsen, nicht, wie das hier an andererStelle besprochene Hypnum cupressiforme.Deren Stämmchen ist weitgehendundifferenziert, es hat nichts zu tragen.Bei Thamnobryum haben wir außenzunächst eine braun gefärbte einzelligeSchicht an der Peripherie, die von vielenAutoren als „Epidermis“ bezeichnet wird.(Der Begriff ist hier unzutreffend, da eineEpidermis eine Kutikula hat, die denMoosen fehlt, dieses Gewebe vielschichtigist und aus verdickten englumigen,langgestreckten Zellen besteht, also eineSklerodermis darstellt.). Im ungefärbtenZustand ist diese Schicht nicht sehrauffällig und unterscheidet sich nur leichtvon den nach innen anschließendenSchichten, in der Fluoreszenzaufnahme istsie noch weniger auszumachen, dieWackerfärbung differenziert sie überhauptnicht und erst bei der Polarisation ist siewieder deutlich unterschieden. Das zeigtwie unterschiedlich die Resultate derKontrastierungsverfahren ausfallen. DieseSchicht ist braun, weil die Zellwand mitTanninen (Gerbsäuren) imprägniert sind,die einen antimikrobiellen Effekt haben.Fällt z.B. eine Pilzspore auf ein Moos undwird dieses bei nächsten Tau feucht, sodiffundieren die Gerbsäuren aus dem Blatt

in den Wasserfilm und verhindern dass dieSpore auskeimt. Das ist übrigens nicht nurbei Moosen so, bekanntlich sind ja auch inBaumborken Tannine, die früher technischgenutzt wurde (z.B. in Form derEichenlohe). Sie hat dort denselben Zweck,

Page 31: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

31

den Pilzbefall zu verhindern. Dasverhindert auch Moos- undFlechtenbewuchs an Bäumen. Wird derBaum und damit die Borke alt, werden dieTannine ausgewaschen, was dann dochnoch den „Befall“ mit Moosen undFlechten erlaubt. Nur die jungen Äste sinddeswegen immer epiphytenfrei.

Page 32: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

32

Noch ein Bäumchenmoos - Climacium dendroides

Climacium ist das zweite Bäumchenmoosin unserer Heimat. Es wächst im Gegensatzzu Thamnobryum nicht an feuchten Felsenan Bächen sondern in feuchten Wiesen oderFlachmooren, manchmal reicht auch schonein staunasser Rasen im Hintergarten. DieArt ist deutlich gelbgrün (Thamnobryumschwarzgrün). Die Äste im oberen Teil desStängels (der ja wie bei Thamnobryum einSeitenast eines unterirdischen Rhizoms ist)stehen allseitig ab, wohingegenThamnobryum eher einen flachen Wedelbildet.In der Gattung Climacium gibt es drei Ar-ten, eine in Europa, eine in Nordamerika,eine in Japan. Letztere wird auch als Sub-spezies der amerikanischen erachtet undunser C. dendroides gibt es zusätzlich inNordamerika. Die Gattung ist also hol-arktisch.

Der ungefärbte Querschnitt des Stämm-chens zeigt eine rotbraune äußere Schicht,aus der Rhizoiden sprossen. Normalerweisewürde man diese als Epidermis bezeichnen,nur ist das Problem, dass diese Zellen starkverdickt und langgestreckt sind (also einskelerenchymatisches Gewebe darstellt).Dann ist der Begriff Epidermis perdefinitionem ein primäres Abschluss-gewebe mit Kutikula und Spaltöffnungen.Das trifft auf Moose natürlich nicht zu. Dadas Kind aber einen Namen haben muss,habe ich den Terminus Epicortex dafür ge-prägt. Darunter kommt nämlich der Cortex,die Rinde, die aus kleinlumigen dickwan-digen Zellen besteht. Man könnte auch voneinem einschichtigen äußeren Cortex(=Sklerodermis) und einem inneren Cortexsprechen.

Page 33: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

33

Nach innen folgt ein großlumiges helleslockeres Gewebe, das wie ein Parenchymaussieht, in allen Lehrbüchern auch so ge-nannt wird, aber keins ist. Schneidet manes längs, sieht man dass es aus lange-gestreckten Zellen mit schrägen Quer-wänden besteht. Daher wurde es auch frü-her zum Teil als Leitparenchym bezeichnet,da solche Art Zellen den Wasser- und Stoff-transport erleichtern. Im Zentrum des Quer-schnitts sieht man die Andeutung einesZentralstrangs.Die Wacker-Färbung (nächste Seite oben)zeigt die äußerste Schicht rot und dazu starkkontrastiert die inneren Schichten blau. DieRotfärbung geht auf die Einlagerung vonphenolischen Inhaltsstoffen in derSklerodermis zurück, welche eine anti-mikrobielle Wirkung haben und dafür sor-gen, dass die Pflanze nicht von Pilzen be-fallen wird. Die blauen Zellen zeigen Zel-lulose als Zellwandmaterial an.In der Fluoreszenz-Aufnahme (untenrechts) entwickelt sich rechts ein Seitenast.Hier sehen wir dieselbe Differenzierung wieauch schon im polarisierten Licht (untenlinks).Bäumchenförmig verzeigte Moose kom-men im ganzen Stammbaum der Moose anunterschiedlichen Stellen vor und habensich daher offenbar mehrfach unabhängigvoneinander entwickelt. Eine Untersuchungvon Stämmchen von Bäumchenmoosen(Henseler & Frahm 2000) ergab, dass esauch unterschiedliche Querschnittstypenbei Bäumchenmoosen gibt, die ebenfallskeine Bindung an irgendwelche systemati-sche Gruppen haben.

Page 34: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

34

Page 35: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

35

Das Tamariskenmoos - Thuidium tamariscinum

Das Tamariskenmoos verdankt seinen Na-men nicht der regelmäßigen Fiederung derMoospflanze, wie man gelegentlich liest,denn Tamarisken sind überhaupt nicht ge-fiedert, sondern vermutlich dem „knorpeli-gen“ Gefühl, den sowohl Tamarisken-sprosse als auch die Pflanzen allerThuidiaceae vermitteln. (Den Grund dafürkennt man übrigens nicht, das wäre einenette Aufgabe zur Klärung). EineThuidiaceae, die Art Rigodium implexum,welche am Grunde von chilenischenFeuchtwäldern lose „Moosbälle“ bildet,wurde von der indianischen Urbevölkerungzu Bekleidung weiterverarbeitet. Man nann-te das Moos „lano de pobre“, d.h. Wolle derArmen. Nichtsdestotrotz ist die Art an derregelmäßig dreifachen Verzweigung zu er-kennen. Sie hat allerdings einen Doppelgän-ger, das Etagenmoos Hylocomiumsplendens. Dies sieht zum Verwechseln ähn-lich, ist jedoch bleich-gelblichgrün gefärbtund - wie der Name sagt, glänzt es. Das hateinen mikroskopischen Grund: glatte Ober-flächen reflektieren das Licht, sie glänzen.Hylocomium hat glatte Blattoberflächen.Thuidium hat eine papillöse Blattüber-fläche, d.h. auf jeder Zelle sitzt ein Erhe-bung (Papille). Diese Papillen streuen dasLicht, was in einer stumpfen Oberfläche re-sultiert.Auch Thuidium-Arten machen „Etagen“,d.h. sie verweigen sich stockwerkartig. EinSeitenast an der Basis so eines Wedels ent-wickelt sich auf der Oberseite des Stämm-chens und bildet einen neuen Wedel, dersich über dem vorjährigen bildet. Zweck desEtagenwuchses ist, der Bedeckung durchfallendes Laub zu entgehen. Fällt Laub überdie Moospflanze, was deren Tod wäre, wirddas Laub überwachsen.

Thudium tamariscinum wächst in Laubwäl-dern an nicht zu sauren Stellen und ist häu-figer zu finden. Es gibt drei weitereThudium-Arten, die recht ähnlich sind, undsich nur in Details wie der Form der Stamm-blätter unterscheiden. Die Thudium Artenhaben nämlich heteromorphe Blätter, d.h.Ast- und Stammblätter sind verschieden.Die Astblätter sind breitlanzettlich, die Ast-blätter sind aus eiförmiger breiter Basisplötzlich schmal und lang gespitzt. Beidehaben eine bis in die Spitze reichendeMittelrippe und ovale Zellen, die von je ei-ner Papille gekrönt sind. Die Blätter sindmit einer wachsartigen Schicht überzogenoder imprägniert, die stark fluoresziert.Eine Besonderheit bei Thuidium sind dieParaphyllien, welche die Stämmchen alsGespinst einholen. Paraphyllien bedeutet

Page 36: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

36

eigentlich Nebenblätter (wie die Neben-blätter an der Basis von Blättern mancherBlütenpflanzenfamilien, auch Stipeln ge-nannt). Diese Nebenblätter sind aber keineBlätter sondern Auswüchse der Rinden-zellen, genauso wie es bei den Blütenpflan-zen auch mehrzellige Haare gibt. Sie die-nen der äußeren Wasserleitung, was manleicht auch in einem kleinen Experimentveranschaulichen kann. Man befreit dabeieine trockene Pflanze von allen Seitenästenund hält dann das untere Ende des Stämm-chens in eie Wasserschale. Das Wasser wirddann blitzschnell kapillar an dem Stämm-

chen entlang gesogen.Diese Paraphyllien sind auch amStämmchenquerschnitt reichlich vorhan-den. Sie haben also dieselbe Funktion wiedie Rhizoiden, die am Stämmchen vonClimacium sitzen, sind aber nicht braun son-dern chlorophyllös. Der Stämmchen-querschnitt ähnelt dem von Climacium (ob-gleich die Wuchsform von beiden ja völligverschieden sind). Man erkennt imungefärbten Schnitt eine gelbliche äußereRinde und eine innere Rinde mit farblosenZellwänden. Nach innen schließt sich dasZentralgewebe an.

Page 37: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

37

Kontrastiermethoden

Fluoreszenz

Die Primärfluoreszenz von Moosen wurdevon Nordhorn-Richter (1979) ansatzweiseuntersucht. Sie beszieht sich auf Zellwän-de oder Eckverdickungen, die bei manchenArten offenbar aufgrund von Einlagerungenin gelblich leuchten, bei anderen nicht. Des-gleichen reagieren wachsartige Auflagenvon Zellwänden, die aus Cutin bestehen,welche nur gelegentlich bei bestimmtenArten anzutreffen sind. Da selbst bei Artenderselben Gattung mal Fluoreszenz, malnicht auftreten kann, ist der diagnostischeWert dieser Methode beschränkt.BeiPolytrichaceen zeigt das Hadrom durchRotfärbung eine Ligninreaktion, die alsBeweis für das Vorkommen von Lignin beiMoosen gewertet wurde, aber wie auchmanche Lignin-Färbereagenzien schon aufkleinere Molekülketten reagieren.Als fluoreszierende Stoffe im Zellinerenlebender Pflanzen konnten Flavonoide aus-gemacht werden. Neben den rot fluoreszie-renden Chloroplasten im Zellinneren vonFrischmaterial leuchtet die Sklerodermisgelb

Färbung

Färbungen erlauben eine hervorragendeDifferenzierung von Geweben. Der diag-nostische Wert von Färbungen ist jedochbegrenzt. Je nach unterschiedlicher Art,Vorbehandlung des Präparates, spöätereDifferenzierung des Präparates u.a. be-kommt man immer andere Resultate. Diewichtigsten Färbereagenzien sind im fol-genden zusammengestellt.

Polarisation

Unter polarisiertem Licht leuchten Zell-wände silbrig, manchmal nur dieSklerodermis, manchmal auch das Zentral-gewebe, der Zentralstrang ist v ielfach ab-gesetzt. Eine vorausgegangene Färbungändert die Farben. Empfhelneswert ist dieVerwendung eines Lamda-Filters, weil dannunterschidliche Gewebe sehr schön farblichdifferenziert werden.

Acriflavin. Teil der WackerSimultanfärbung.

Acridinrot. Teil der WackerSimultanfärbung. Färbst die Sklerodermisrot.

Alcianblau. Teil der WackerSimultanfärbung. Färbt das Zentralgewebeblau.

Anilinblau färbt das Hadrom derFrauenhaarmoose violett und denZentralstrang der übrigen Laubmoose blau.

Brilliantkresylblau gehört zu denDiaminobenzooxazinen. Es bilden inwässriger Lösung aktive Farbstoffanteilemit positiver Ladung (über einenStickstoffkomplex) und färbtZellbestandteile, die negative Ladungtragen, bläulich an. Um es vorweg zunehmen: dies ist bei lignifizierten Gewebender Fall, wie anhand der Färbung derHyalinzellen zu erwarten war. Es liegt alsoeine selektive Färbung vor.Der Farbstoff ist für Vitalfärbungengeeignet und wird hauptsächlich zurUntersuchung zoologischer Objekteverwendet.

Page 38: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

38

KOH 2%. Wurde von Zander (1979)eingeführt und kann als Routinefärbungbei normalen Untersuchungen eingesetztwerden, da es die unterscxhiedlichenGewebetypen in Blättern und Stämmchenin verschiedenen Färbungen (rotm gelb,braun) differenziert und deutlich macht. EinZusatz von Spülmittel erleihtert dasBenetzen der Moose.

Kopierstift. Totalfärbung speziell fürTorfmoospräparate. Es reicht, die Spitzedieses speziellen Bleistiftes in einUhrglasschälchen oder in einen TropfenWasser auf dem Objektträger zu halten.Kopierstifte waren in der Zeit vor demKugelschreiber für dokumentenechteUnterschriften benutzt worden, sind abernoch erhältlich, nicht gerade mehr imSchreibwarenladen aber im Internet.

Kristallviolett. Totalfärbung fürTorfmoospräparate. Man gibt einigeKrümel des Pulvers in 75% Alkohol. DieFärbung unterscheidet sich prinzipiell nichtvon der durch Methylenblau, wird aber als„angenehmer“ empfunden (Hölzer 2010),was aber Geschmackssache ist.

Methylenblau wässrig. OffenbarZellulosereagenz. Klassische Totalfärbungvon Torfmoospräparaten. Man gibt einenTropfen dem in ein Uhrglas- oderBlockschälchen Pflanzenmaterial zu undüberführt einzelne Blätter in einen TropfenWasser auf dem Objektträger. Bei anderenlaubmoosen wird das Zentralgewebe blaugefärbt.

Methylgrün färbt die Sklerodermisblaugrün.

Wacker Färbung. Simultanfärbung ausAcriflavin, Acridinrot und Alcianblau.Färbt die Sklerodermis rot, dasZentralgewebe blau und den Zentralstrangtiefblau, bei Polytrichum die Epicortex(„Epidermis“) rot, den Cortex blaugrün.

Page 39: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

39

SammelnWill man Moose nur mal eben zumMikroskopieren aus der Natur holen, kannman die in Plastikbeuteln transportierenund in diesen auch einige Tage (am bestenkühl und dunkel im Kühlschrank)aufbewahren. Längerer Transport inPlastiktüten z.B. auf Reisen oder längereAufbewahrung darin führt dazu, dass diefeuchten Pflanzen vergeilen, keineausreichende Photosynthese undGasstoffwechsel haben und dann absterben.Will man Moose längere Zeit lebendaufbewahren, so kann man sie in der Naturin Plastik-Schraubenkästen packen unddarin transportieren oder zu Hause inPlastikdosen (Kühlschrankdosen) legen.Sie können dann gut an einem Nordfensterohne direkte Sonneneinstrahlung gehaltenwerden, wenn man sie von Zeit zu Zeitlüftet oder den Deckel nicht völlig schließtund falls nötig mit Wasser besprüht (ambesten demineralisiertes Wasser oderweichem Leitungswasser, kalkhaltigesLeitungswasser kann verdunsten undKalkablagerungen hervorrufen, an denendie Moose sterben).In diesen Fällen behalten die Moose ihrnatürliches Aussehen. Man kann Mooseaber auch sammeln, trocknen und beispäterer Gelegenheit wieder aufweichen.Das funktioniert auch nach 100 Jahrennoch. Man sammelt Moose dann inPapierkapseln, die man aus A4Kladdepapier faltet und bewahrt die in(Schuh)kartons auf. Darauf kann man auchden Fundort mit Datum notieren. Näheresfindet sich in Anleitungen zum Sammelnvon Moosen in Bestimmungsbüchern.

BestimmenWill man wissen, welche Arten man fürseine mikroskopischen Untersuchungengesammelt hat, braucht man Fachliteratur.Bilderbücher führen nur in wenigen Fällenzum Ziel, da zur genauen Unterscheidungder Arten mikroskopische Präparateerforderlich sind. Der Einstieg in die Mooseist vielleicht schwerer als man denkt, wasauch an dem klassisch-trockenem Aufbauder Bestimmungsbücher liegt. Den Versucheiner Alternative kann man – nur fürthallöse Lebermoose – aus dem Internetherunterladen (Archive for BryologySpecial Volume 1).

Deutschsprachige Bestimmungsliteratur:

Frahm, J.-P., Frey, W. 2004. Moosflora.UTB 1250 (Ulmer), 538 S.Frey, W., Frahm, J.-P., Fischer, E., Lobin,W. 1995. Die Moos- und FarnpflanzenEuropas. Kleine Kryptogamenflora Bd. IV,6. Aufl. Stuttgart (Fischer)

Das Sammeln und Bestimmen von Moosen

Literatur

Frahm, J.-P. 2012. Zum Bau undhistologischen Terminologie vonLaubmoosstämmchen. Archive forBryology 132. 17 SS.

Frey, W. 1981. Morphologie und Anatomieder Laubmoose. Pp. 379-478 in W.Schultze-Motel (ed.) Advances inBryology. Vaduz.

Gerlach, D. 1969. Mikroskopische Mikrotechnik. Stuttgart.(Thieme).

Goebel, L. 1915. Organographie derPflanzen 2. Teil 1. HeftBryophyten. Jena.

Haberlandt, G. 1886. Beiträge zur Anatomieund Physiologie der Laubmoose.Jahrb. Wiss. Bot.

Page 40: Moose unter dem Mikroskop (PDF) - mikroskopie-bonn.de · PDF file1 Moose unter dem Mikroskop von Rolf-Dieter Müller (Fotos) Jan-Peter Frahm (Text) Archive of Bryology Special Volume

40

Henseler, A., Frahm, J.-P. 2000.Untersuchungen zurStämmchenanatomie dendroiderLaubmoose. Nova Hedwigia 71:519-538.

Henseler, A., Frahm, J.-P. Untersuchungenzur Stämmchenanatomie dendroiderLaubmoose. Nova Hedwigia 71:519-538.

Hofmeister, W. 1851. VergleichendeUntersuchungen der Keimung,Entfaltung und Fruchtbildunghöherer Kryptogamen (Moose,Farrn, Equisetaceen,Rhizocarpeen undLycopodiaceen) und dieSamenbildung der Coniferen.Leipzig.

Hölzer, A. 2010. Die TorfmooseSüdwestdeutschlands und derNachbargebiete. Jena(Weissdorn).

Kawai, I. 1970-91. Systematic Studies onthe Conducting Tissue of theGemetophyte in Musci 1-19. TheScience Reports of KanazawaUniversity XV-XXXVI.

Lorch, W. 1931. Anatomie der Laubmoose.Handbuch der PflanzenanatomieII. Abteilung 1. Teil. Berlin.

Lorentz, P.G. 1868. Grundlinien zu einervergleichenden Anatomie derLaubmoose. Jahrbücher Wiss.Bot. (Berlin) 6: 363-466.

Lorentz, P.G. 1869. Studien zur Anatomiedes Querschnittes der Laubmoose.Flora 52: 161-173 + Tafel II-VI.

Lorentz, P.G.1867. Studien zurvergleichenden Anatomie derLaubmoose. Flora 50: 241-248.

Nordhorn-Richter, G. 1984. PrimäreFluoreszenz bei Moosen. LeitzMitt. Wiss. u. Technik VIII(6):167-170.

Ruhland, W. 1924. Die NatürlichenPflanzenfamilien 10. Band Musci,1. Hälfte, Allgemeiner Teil. Berlin.

Schimper, W.Ph, 1848. Recherchesanatomiques et morphologiquessur les mousses. Strasburg.

Schoemmer, F. 1949. KryptogamenPraktikum. Anleitung zurmikoskopischen Untersuchungund Präparation der blütenlosenPflanzen für Studierende undLiebhaber. Stuttgart.

Schofield, W.B., Hébant, C. 1984. TheMorphology and Anatomy of theMoss Gametophore. Pp. 627-657in R.M. Schuster (ed.) Newmanual of Bryology. Nichinan.

Schumm, F. 1990. Mitteilungen der MikroAG Stuttgart Heft 3, Sept. 1990

Strasburger, E., Koernicke, M. 1949. Daskleine botanische Praktikum fürAnfänger. 11. Auflage. Jena(Fischer)

Unger, F. 1861 Über den anatomischen Baudes Moosstammes. Sitzungsber.Akad. Wiss. Wien XLIII.

Wanner, G. 2004. Mikroskopisch-Botanisches Praktikum. Stuttgart(Thieme).

Wijk, R. van der 1932. Morphologie undAnatomie der Musci. Pp. 1-40 inF. Verdoorn (Hrsg.) Manual aufBryology. The Hague.

Zander, R.H. 1979. Techniques for studyof Pottiaceae. Taxon 28: 643-644.