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Chirurg 2013 · 84:957–961 DOI 10.1007/s00104-013-2513-0 Online publiziert: 19. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 J.O.W. Pelz · C.-T. Germer Abteilung für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Kinderchirurgie, Julius Maximilians Universität Würzburg Morbidität und Letalität  der hyperthermen  intraperitonealen  Chemoperfusion Ein interdisziplinäres Behandlungs- konzept stellt die Basis für eine moderne Behandlung peritoneal metastasierter Malignome dar. Die Kombination von zytoredukti- ver Chirurgie (CRS) mit anschließen- der hyperthermer intraperitonealer Chemoperfusion (HIPEC) stellt eine alternative Therapieform in der Be- handlung der Peritonealkarzinose dar [5, 7, 21, 25]. Im selektionierten Krankengut ist bei limitierter Perito- nealkarzinose die HIPEC neben der systemischen Polychemotherapie so- mit eine weitere Säule der onkologi- schen Therapie. Bei Vorliegen einer Peritonealkarzinose mit limitierter Tumorausdehnung kann durch makroskopisch vollständige Zyto- reduktion und die HIPEC-Therapie ein signifikanter Überlebensvorteil bei ausge- wählten Tumorentitäten erreicht werden [5, 21, 25]. Aufgrund der Datenlage wird die zytoreduktive Chirurgie mit anschlie- ßender HIPEC-Therapie z. B. in den aktu- ellen S3-Leitlinien beim kolorektalen Kar- zinom mit limitierter Metastasierung des Peritoneums als alternative Methode bei selektionierten Patienten empfohlen [1]. Im Rahmen einer Kombinationsthera- pie mit CRS und HIPEC wird jedoch eine erhöhte peri- und postoperativer Mor- bidität und Mortalität beschrieben [6, 9, 14, 17, 19, 24]. In der Literatur finden sich Morbiditätsraten zwischen 25 und 60%, während die Mortalität zwischen 2 und 10% angegeben wird [6, 9, 14, 17, 19, 24]. Unter Berücksichtigung des durch die Kombinationstherapie erzielten signifi- kanten Überlebensvorteils erscheinen je- doch die Raten an postoperativer Letali- tät und Morbidität vertretbar. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass in speziali- sierten Zentren im Rahmen einer Lern- kurve Morbidität und Letalität deutlich gesenkt werden können [11, 23, 30]. Komplikationen durch die zytoreduktive Chirurgie Ziel der operativen Maßnahmen ist bei diesem Verfahren neben der Resektion eines gegebenenfalls vorhandenen Pri- märtumors eine makroskopisch voll- ständige Entfernung aller erreichbaren Tumorabsiedlungen am parietalen und viszeralen Peritoneum. Eine exakte Einteilung der Ausdeh- nung der Peritonealkarzinose erfolgt im Allgemeinen anhand des Perito- neal Cancer Index (PCI) nach Sugarba- ker [12, 26]. Hierbei wird zunächst die Bauchhöhle in 9 Segmente unterteilt. Zu- sätzlich werden am Dünndarm weitere 4 Abschnitte unterschieden. Insgesamt er- geben sich somit 13 zu beurteilende Re- gionen (.  Abb. 1). Die Tumorknoten werden anhand des maximalen Tumor- knotendurchmessers nach einem Punk- tesystem eingeteilt. Bei fehlendem Tu- mornachweis werden 0 Punkte vergeben 1 2 3 4 0 8 7 6 5 Läsionsgröße Läsionsgrößen-Score LS 0 kein Tumor sichtbar LS 1 Tumor < 0,5 cm LS 2 Tumor < 5,0 cm LS 3 Tumor > 5,0 cm oder konfluent Region 0 Zentrum 1 rechts oben 2 Epigastrum 3 links oben 4 linke Flanke 5 links unten 6 Pelvis 7 rechts unten 8 rechte Flanke 9 oberes Jejunum 10 unteres Jejunum 11 oberes Ileum 12 unteres Ileum 12 10 9 11 PCI Abb. 18 Peritonealkarzinoseindex (PCI) nach Sugarbaker. (Adaptiert nach [28], mit freundlicher Ge- nehmigung von Lippincott Williams & Wilkins) 957 Der Chirurg 11 · 2013| Leitthema

Morbidität und Letalität der hyperthermen intraperitonealen Chemoperfusion; Morbidity and mortality of hyperthermic intraperitoneal chemoperfusion;

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Chirurg 2013 · 84:957–961DOI 10.1007/s00104-013-2513-0Online publiziert: 19. Oktober 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

J.O.W. Pelz · C.-T. GermerAbteilung für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Kinderchirurgie, Julius Maximilians Universität Würzburg

Morbidität und Letalität der hyperthermen intraperitonealen Chemoperfusion

Ein interdisziplinäres Behandlungs-konzept stellt die Basis für eine moderne Behandlung peritoneal metas tasierter Malignome dar. Die Kombi nation von zytoredukti-ver Chirur gie (CRS) mit anschließen-der hyper thermer intraperitonealer Chemoperfusion (HIPEC) stellt eine alternative Therapieform in der Be-handlung der Peritonealkarzinose dar [5, 7, 21, 25]. Im selektionierten Krankengut ist bei limitierter Perito-nealkarzinose die HIPEC neben der systemischen Polychemotherapie so-mit eine weitere Säule der onkologi-schen Therapie.

Bei Vorliegen einer Peritonealkarzinose mit limitierter Tumorausdehnung kann durch makroskopisch vollständige Zyto-reduktion und die HIPEC-Therapie ein signifikanter Überlebensvorteil bei ausge-wählten Tumorentitäten erreicht werden [5, 21, 25]. Aufgrund der Datenlage wird die zytoreduktive Chirurgie mit anschlie-ßender HIPEC-Therapie z. B. in den aktu-ellen S3-Leitlinien beim kolorektalen Kar-zinom mit limitierter Metastasierung des Peritoneums als alternative Methode bei selektionierten Patienten empfohlen [1].

Im Rahmen einer Kombinationsthera-pie mit CRS und HIPEC wird jedoch eine erhöhte peri- und postoperativer Mor-bidität und Mortalität beschrieben [6, 9, 14, 17, 19, 24]. In der Literatur finden sich Morbiditätsraten zwischen 25 und 60%, während die Mortalität zwischen 2 und 10% angegeben wird [6, 9, 14, 17, 19, 24].

Unter Berücksichtigung des durch die Kombinationstherapie erzielten signifi-kanten Überlebensvorteils erscheinen je-doch die Raten an postoperativer Letali-tät und Morbidität vertretbar. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass in speziali-sierten Zentren im Rahmen einer Lern-kurve Morbidität und Letalität deutlich gesenkt werden können [11, 23, 30].

Komplikationen durch die zytoreduktive Chirurgie

Ziel der operativen Maßnahmen ist bei diesem Verfahren neben der Resektion eines gegebenenfalls vorhandenen Pri-märtumors eine makroskopisch voll-

ständige Entfernung aller erreichbaren Tumor absiedlungen am parietalen und viszeralen Peritoneum.

Eine exakte Einteilung der Ausdeh-nung der Peritonealkarzinose erfolgt im Allgemeinen anhand des Perito- neal Cancer Index (PCI) nach Sugarba-ker [12, 26]. Hierbei wird zunächst die Bauchhöhle in 9 Segmente unterteilt. Zu-sätzlich werden am Dünndarm weitere 4 Abschnitte unterschieden. Insgesamt er-geben sich somit 13 zu beurteilende Re-gionen (. Abb. 1). Die Tumorknoten werden anhand des maximalen Tumor-knotendurchmessers nach einem Punk-tesystem eingeteilt. Bei fehlendem Tu-mornachweis werden 0 Punkte vergeben

1 2 3

408

7 6 5

Läsionsgröße Läsionsgrößen-Score

LS 0 kein Tumor sichtbarLS 1 Tumor < 0,5 cmLS 2 Tumor < 5,0 cmLS 3 Tumor > 5,0 cm oder kon�uent

Region

0 Zentrum1 rechts oben2 Epigastrum3 links oben4 linke Flanke5 links unten6 Pelvis7 rechts unten8 rechte Flanke

9 oberes Jejunum10 unteres Jejunum11 oberes Ileum12 unteres Ileum

1210

911

PCI

Abb. 1 8 Peritonealkarzinoseindex (PCI) nach Sugarbaker. (Adaptiert nach [28], mit freundlicher Ge-nehmigung von Lippincott Williams & Wilkins)

957Der Chirurg 11 · 2013  | 

Leitthema

(LS 0). Bis zu einem Durchmesser von 0,5 cm ergibt sich 1 Punkt (LS 1), bis 5 cm 2 Punkte (LS 2) und über 5 cm 3 Punk-te (LS 3). Der PCI kann somit zwischen 0 Punkten (kein Tumornachweis) und 39 Punkten (in allen 13 Regionen Tumor-knoten über 5 cm) betragen (. Abb. 1). Die Vollständigkeit der Zytoreduktion wird nach dem CC-Schema nach Sugar-baker („completeness of cytoreduction“, [26]) eingeteilt (. Abb. 2). Für die Prog-nose des Patienten ist ein Erreichen einer CC-0- bzw. CC-1-Situation essenziell.

Die Komplikationsrate steigt mit dem Ausmaß der Resektion und somit auch mit der Höhe des Gesamt-PCI. Daher gilt der PCI auch als prognostischer Faktor. Häufigste Komplikationen bei einer aus-gedehnten Zytoreduktion sind neben der Anastomoseninsuffizienz oder Darm-leckage Abszesse, Blutungen oder Wund-heilungsstörungen [4].

Komplikationen durch die lokale Chemotherapie

Im Anschluss an die zytoreduktive Chi-rurgie erfolgt die hypertherme intrape-ritoneale Chemoperfusion. Hierbei wird eine für diese Prozedur bestimmte zerti-

fizierte Perfusionsmaschine verwendet (. Abb. 3). Die Perfusion erfolgt bei einer Inflow-Temperatur von 41–43°C über 30–120 min Obwohl nur ein Teil der Chemotherapie über das Bauch-fell in den Sys temkreislauf gelangt, wer-den in der Lite ratur nicht unerhebliche toxische Nebenwirkungen beschrieben. Dabei ist das Ausmaß der Peritonekto-mie kein abhängiger Faktor. Daher kön-nen auch bei Patienten mit einem gerin-gen PCI erhebliche Nebenwirkungen der Perfusion auftreten. Die Gesamttoxizität wird mit bis zu 20–26% angegeben, wo-bei die Nephro toxizität (16–19%) und die Hämatotoxizität (14–20%) am häufigsten beschrieben werden [4, 13, 27, 29].

Die Lernkurve ist entscheidend für den chirurgischen Erfolg

Es konnte in mehreren Analysen gezeigt werden, dass sich unter der Lernkurve die jeweiligen Komplikationen nach Etablie-rung des Verfahrens und der wiederholten Durchführung deutlichen senken lassen [11, 23, 30]. Smeenk et al. [23] beschrieben eine Verbesserung der CC-0-Resektions-quote (komplette makroskopische Zyto-reduktion) von initial 35,6 auf 65,1% in-

nerhalb von 10 Jahren. Im gleichen Zeit-raum konnten die Morbidität von 71,2 auf 34,1% und die durchschnittliche Kran-kenhausverweildauer von 21 auf 17 Tage gesenkt werden. Dies führen die Autoren auf einen längerfristigen Lerneffekt zu-rück, so dass bis zur sicheren Etablierung die Durchführung von bis zu 130 Proze-duren gefordert wird.

Yan et al. [30] konnten nach der Durchführung von 140 CRS- und HIPEC-Therapien im Vergleich der ersttherapier-ten Patientengruppe (n=70) mit der zwei-ten Patientengruppe (n=70) eine Reduk-tion der Grad-3/4-Morbidität von 30 auf 10% feststellen.

Gonzalez et al. [11] beschreiben des Weiteren, dass neben der sorgfälti-gen Planung und Vorbereitung auch ein engagiertes und speziell geschultes Team sowie geeignete Einrichtungen zum rei-bungslosen Ablauf beitragen können.

Durch Patientenselektion werden Komplikationen vermieden

Die Patientenselektion und Indikations-stellung sollte stets nach aktueller Be-standsaufnahme durch gegebenenfalls er-weiterte Bildgebung und abschließender interdisziplinärer Diskussion in einem onkologischen Tumorboard erfolgen.

Derzeit gibt es nur wenige standardi-sierte Selektionskriterien für die operative Behandlung der Peritonealkarzinose. Es gibt lediglich Richtlinien aus der 2006 Konsenskonferenz in Mailand [6]. Da-bei handelt es sich allerdings um eine Ex-pertenmeinung mit niedrigem Evidenz-level. Bei Patienten mit einer Peritoneal-karzinose auf dem Boden eines kolorek-talen Karzinoms besteht die Möglichkeit, die Patientenselektion anhand des „Peri-toneal Surface Disease Severity Scores“ (PSDSS) zu optimieren [20]. Eine beson-ders strenge Indikationsstellung sollte bei Patienten erfolgen, die durch Tumor- oder Therapiefolgen bereits eine deutliche Ein-schränkung des Allgemeinzustandes er-fahren haben (Karnofsky-Index <70%).

CC–0 CC–1 CC–2 CC–3

Tumorfrei Present <0,25 cm 0,25–2,5 cm >2,5 cm

Abb. 2 9 “Complete-ness of cytoreduction” (CC-Score) nach Sugar-baker. (Adaptiert nach [28] mit freundlicher Genehmigung Lippin-cott Williams & Wilkins)

Abb. 3 8 Schematische Darstellung der hyperthermen intraperitonealen Chemoperfusion nach Pelz

958 |  Der Chirurg 11 · 2013

Leitthema

Einfluss der Therapie auf die Lebensqualität

Neben den unmittelbaren Komplikatio-nen der Prozedur gilt es auch, langfristige Nebenwirkungen zu beachten. Dabei rückt die Lebensqualität in den Fokus der Betrachtung. Systematische Studien zur postoperativen Lebensqualität zeigen in Abhängigkeit von der Größe des ope-rativen Eingriffs und der peri- und post-operativen Komplikationen unmittelbar postoperativ eine Verschlechterung in den ersten Tagen bis Wochen nach der Opera-tion. Nach etwa 3 bis 4 Monaten erreichen die meisten Patienten jedoch zumindest wieder das präoperative Ausgangsniveau. Bei einem gewissen Teil der Patienten kann die Lebensqualität langfristig sogar deutlich verbessert werden, beispielsweise bei Patienten mit therapierefraktärem As-zites oder tumorbedingter Stenosesymp-tomatik [10].

Risiko-Nutzen-Analyse

Für die Indikation zur CRC und HIPEC gibt es keine einheitlichen Standards.

D Für jeden Patienten muss eine individuelle Abschätzung der Risiken und des zu erwartenden Vorteils getroffen werden.

Dies ist insofern wichtig, da die wenigsten Patienten komplett geheilt werden können. Grundsätzlich gilt, dass eine solche multimodale Therapie nur ange-boten werden darf, wenn der potenzielle Nutzen (Verbesserung der Lebensqualität, verlängertes Überleben) höher ist, als das Risiko von Komplikationen. Auch wenn dieses Verfahren oft als letzte Möglichkeit angesehen wird, muss dem behandelnden Arzt und den Patienten bewusst sein, dass neben einer Verschlechterung der Lebens-qualität auch eine Verzögerung der pallia-tiven systemischen Chemotherapie als Re-sultat der Therapie bewirkt werden kann.

Gefährdung für das Operationspersonal

Die Besonderheit in der HIPEC-Thera-pie ist die Anwendung von Zytostatika im Operationssaal. In den letzten Jahren

wurde daher vermehrt über die Sicherheit dieser Therapie bezüglich der Zytostatika-exposition für das Operationspersonal diskutiert. In pharmakologischen Stu-dien konnte allerdings kein Zytostatika-nachweis im Urin oder im Blut des Per-sonals nachgewiesen werden [15, 22]. Ins-gesamt kann die Prozedur bei der Einhal-tung der Sicherheitsvorschriften unbe-denklich durchgeführt werden. Die An-wendung des geschlossenen Systems stei-gert die Sicherheit und damit auch die Ak-zeptanz bei den Beteiligten nochmals.

Bildung von Zentren

Über die Sinnhaftigkeit einer Zentrenbil-dung wird in diesem Zusammenhang kon-trovers diskutiert. Praktische Anregungen und ein erster Erfahrungsaustausch kön-

nen z. B. im Rahmen von Visitationen bei nationalen und internationalen Zentren für HIPEC-Verfahren erfolgen. Das Vor-bild einiger Zentren im Ausland, die ein Fellowship für 1 bis 2 Jahre vorsehen, ist sicherlich ein sehr guter Weg.

Für den Laien steht ein Zentrum immer für hohe Qualität. Da der Begriff aller dings nicht geschützt ist, ist dies meist nicht wegweisend. Bisher gab es auch noch kein Zertifizierungsverfahren, wie man es z. B. von „Darmkrebszentren“ kennt. Stattdessen haben sich in Deutschland einige Kliniken unter der Schirmherr-schaft der DGAV (Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie) zu-sammengetan und sich selbst bestimmte Qualitätsrichtlinien auferlegt.

Seit 2013 kann über die SAVC (Ser-vicegesellschaft für Allgemein- und Vis-

Zusammenfassung · Abstract

Chirurg 2013 · 84:957–961   DOI 10.1007/s00104-013-2513-0© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

J.O.W. Pelz · C.-T. GermerMorbidität und Letalität der hyperthermen intraperitonealen Chemoperfusion

ZusammenfassungModerne Therapiekonzepte in der Behand-lung der Peritonealkarzinose unterschied-licher Malignome sehen neben dem syste-mischen Einsatz neuerer Chemotherapeuti-ka auch in selektierten Fällen die Durchfüh-rung zytoreduktiver operativer Maßnahmen in Kombination mit einer hyperthermen in-traperitonealen Chemoperfusion (HIPEC) vor. Aufgrund der teilweise relativ hohen pe-ri- und postoperativer Morbidität und Letali-tät, wird nach aktuellem Kenntnisstand eine Lernkurve von mindestens 100 bis 150 Proze-duren gefordert.

Durch die Optimierung der bestehenden logistischen Voraussetzungen, einer sorg-fältigen Vorbereitung und einer systemati-schen Schulung des ärztlichen und pflegeri-schen Personals gelingt es, perioperative Risi-ken und somit die Komplikationsraten nach-haltig zu senken. Diese komplexe Prozedur sollte vorzugsweise in spezialisierten Zentren durchgeführt werden.

SchlüsselwörterPeritonealkarzinose · HIPEC · Morbidität · Mortalität · Lernkurve

Morbidity and mortality of hyperthermic intraperitoneal chemoperfusion

AbstractCytoreductive surgery (CRS) combined with perioperative intraperitoneal chemotherapy (PIC) is a treatment option for peritoneal sur-face malignancy. Despite the survival bene-fits, this treatment was previously associat-ed with a high morbidity and mortality rates, and the perception of the poor perioperative outcomes associated with this regimen re-mains. Careful patient selection with an opti-mal level of postoperative care must be advo-cated to avoid undesirable complications of this treatment.

However, for this treatment to be accept-ed as standard of care, teams undertaking this treatment strategy must aim to minimize morbidity and mortality by learning from the experience of established centers and using the “global learning curve”. The HIPEC Regis-try and accreditation of centers will improve the quality of the treatment.

KeywordsPeritoneal carcinomatosis · HIPEC · Morbidity · Mortality · Learning curve

959Der Chirurg 11 · 2013  | 

zeralchirurgie) nun auch ein „Kompe-tenzzentrum für chirurgische Behand-lung von bösartigen Erkrankungen des Peritoneums“ zertifiziert werden. Dabei wurde über eine Projektgruppe von er-fahrenen Spezialisten ein Zertifizierungs-katalog erstellt.

Die Kriterien für ein Kompetenzzent-rum „Chirurgische Behandlung von bös-artigen Erkrankungen des Peritoneums“ sind tabellarisch in . Infobox 1 aufge-führt.

Die Erfüllung bestimmter Mindest-fallzahlen wird kontrovers diskutiert.

Es ist bekannt, dass in bestimmten Be-reichen wie der Kolorektalchirurgie mit einer steigenden Fallzahl die Qualität zu-nimmt. Aufgrund der fehlenden harten Qualitätsmarker für die HIPEC-Thera-pie besteht allerdings die Gefahr von „fal-schen“ Indikationen bei einer zu hohen Mindestmenge. Daher wird für die Über-prüfung der Qualität besonderen Wert auf die Auswertung der klinischen und epide-miologischen Daten gelegt. Derzeit exis-tieren in Deutschland 4 von der SAV zer-tifizierte Zentren (Berlin, Regensburg, Tü-bingen, Würzburg).

Registerbildung in Deutschland

Eine ausführliche Dokumentation ist nicht nur zur kontinuierlichen Verbesse-rung der Ergebnisse notwendig, sondern auch um die Arbeit bzw. die Qualität mess- und kommunizierbar zu machen. Daher liegt es nahe, die Qualität der ope-rativen Therapie der Peritonealkarzinose in einem Register darzustellen.

Um die Qualität der Peritonekto-mie und HIPEC-Therapie in Deutsch-land zu verbessern, den Verlauf die-ser Patienten besser nachvollziehen und die Komplikationsraten systematisch er-fassen zu können, hat die Organgruppe „ Peritoneum“ der CAO-V (Chirurgische Arbeits gemeinschaft Onkologie) die HI-PEC German Registry ins Leben geru-fen. In dieser Datenbank sollen die wich-tigsten Kriterien von Patienten mit Peri-tonealkarzinose eingegeben werden. Mit dieser Datenbank besteht nun die Mög-lichkeit, multiinstitutionale Beobachtun-gen mit einer großen Anzahl von Patien-ten zu realisieren, was in einer einzelnen Klinik nicht möglich wäre.

»  Nach einem Follow-up von mindestens 18 Monaten erfolgt die erste Auswertung

Da die bestehenden deutschen klinischen Krebsregister lediglich standardisierte Ab-fragen beinhalten, war es notwendig, ein eigens für diese Erkrankung angepass-tes Register zu entwickeln. So werden spezielle Schwerpunkte der HIPEC wie Temperaturen, Behandlungsdauer oder Technik der Perfusion sowie der Erkran-

kung mit aufgenommen. Derzeit sind knapp 1500 Patienten in dem Register ge-meldet. Nach vollständiger Dateneingabe und einem Follow-up von mindestens 18 Monaten erfolgt die erste Auswertung.

Wie können Komplikationen minimiert oder verhindert werden?

Neben der bereits beschriebenen Patien-tenselektion und dem Durchlaufen der Lernkurve gibt es verschiedene Ansätze die Morbidität und Letalität der CRC und HIPEC zu senken.

Da durch den Einsatz von Hyper-thermie und intraoperativer Chemothe-rapie die Wundheilung gestört sein kann, wird die Empfehlung ausgesprochen, eine möglichst geringe Anzahl von gastrointes-tinalen Anastomosen anzulegen. Eine er-höhte Rate an Anastomoseninsuffizienzen durch die HIPEC ist zwar nicht belegt, allerdings sollten protektive Stomata großzügiger angelegt werden. Dies trifft vor allem für Anastomosen im Rektum-bereich zu.

Grundsätzlich sollten alle Patien-ten mindestens eine Nacht auf der In-tensivstation verbringen, auch wenn das Resektionsausmaß eher gering aus-fällt. Eine engmaschige Kontrolle der Laborparameter ist obligat. Hier ist be-sonderen Fokus auf das Blutbild zu erhe-ben, da auch bei einmaliger Gabe hoher Zytostatikadosen eine systemische Wir-kung nicht auszuschließen ist.

Bei ausgedehnter Peritonektomie der Zwerchfelle, auch bei extubierten Patien-ten, sollte immer eine postoperative Auf-nahme des Thorax erfolgt, um Übertritt des Perfusates durch Mikroperfora tionen auszuschließen bzw. ggf. frühzeitig drai-nieren zu können.

Die Perfusion selber sollte zudem mittels einer eigens dafür konstruierten und zertifizierten Maschine durchgeführt werden. Dies bietet zum einen den Vor-teil, dass die maximal induzierbare Tem-peratur limitiert ist und somit das Risiko thermischer Schäden minimiert wird, andererseits ist der Operateur juristisch abgesichert, falls die Ursache der Kompli-kationen zum Streitpunkt werden sollte.

Infobox 1  Kriterien zur Erlan-gung der Zertifizierung zum Kom-petenzzentrum

F  Mindestens 2 Viszeralchirurgen müssen eine Erfahrung mit der multimodalen Therapie der Peritonealkarzinose von mindestens 2 Jahren nachweisen können.

F  Es müssen definierte Organisationsstruk-turen nachgewiesen werden. Dazu zählt neben einer speziellen Sprechstunde, die Vorstellung aller Patienten im interdiszi-plinären Tumorboard sowie eine spezielle interdisziplinäre Schmerztherapie.

F  Es bestehen die personellen und appa-rativen Voraussetzungen, die eine um-fassende Diagnostik und interventionelle Therapie täglich über 24 h gewährleisten. Ebenso besteht eine geeignete zertifizier-te Pumpe zur Durchführung der HIPEC.

F  Es besteht eine interdisziplinäre Koopera-tion mit Gastroenterologen, Gynäkologen und internistische Onkologen in  Leitungs- bzw. in Oberarztfunktionen. Eine inter-disziplinäre Intensivmedizin mit der Möglichkeit einer Dialyse ist vorhanden.

F  Jährlich müssen mindestens 15 parietale und viszerale Peritonektomien mit HIPEC vorgenommen werden. Zudem müssen jährlich mindestens 50 Patienten mit einer Peritonealkarzinose interdisziplinär in einem speziellen Tumorboard evaluiert werden.

F  Jeder benannte Chirurg muss jährlich mindestens bei einer Fortbildungsver-anstaltung in diesem Themengebiet teil-nehmen.

F  Patientendaten inkl. Morbidität und Le-talität (Nachblutung, Abszess, Galleleck, Sepsis, nichtchirurgischen Komplikatio-nen), Reoperationsrate, Reinterventions-rate, Krankenhausverweildauer müssen erfasst werden. Die Dateneingabe muss unter Beachtung der Datenschutzbestim-mungen in das HIPEC-Register der DGAV erfolgen.

960 |  Der Chirurg 11 · 2013

Leitthema

Fazit für die Praxis

F  Die Diagnose einer Peritonealkarzi-nose bedeutet nach wie vor für die meisten betroffenen Patienten ein  lebensbedrohlicher Zustand sowie  eine Limitierung des Überlebens.  Eine vollständige Heilung ist nur in  wenigen Fällen möglich.

F  Die zytoreduktive Chirurgie kombi-niert mit der hyperthermen intraperi-tonealen Chemotherapie stellt in der multimodalen Behandlung der Peri-tonealkarzinose verschiedener Tumo-ren in ausgewählten Patienten eine sinnvolle weitere Therapie dar.

F  Nach ausgedehnter Resektion hat die Methodik allerdings eine Letalität von bis zu 5% und eine Morbidität von bis zu 50%. Eine sinnvolle Patienten-selektion ist daher unbedingt not-wendig.

F  Für jeden Patienten muss individuell eine Risiko-Nutzen-Analyse durchge-führt werden.

F  Eine patientenorientierte und stan-dardisierte Therapie kann nur in spezialisierten Zentren und nur in  enger interdisziplinärer Kooperation gewähr leistet werden.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. J.O.W. PelzAbteilung für Allgemein-, Viszeral-,  Gefäß- und Kinderchirurgie,  Julius Maximilians Universität Würzburg,Oberdürrbacher Str. 6, 97080 Wü[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  J.O.W. Pelz und C.-T. Germer ge-ben an, dass kein Interessenskonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

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  8.  Glehen O, Gilly FN et al (2010) Peritoneal carcino-matosis from gastric cancer: a multi-institutional study of 159 patients treated by cytoreductive sur-gery combined with perioperative intraperitoneal chemotherapy. Ann Surg Oncol 17(9):2370–2377

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29.  Votanopoulos K, Ihemelandu C, Shen P et al (2013) A comparison of hematologic toxicity profiles after heated intraperitoneal chemotherapy with oxali-platin and mitomycin C. J Surg Res 179(1):e133–e139

30.  Yan TD, Links M, Fransi S et al (2007) Learning cur-ve for cytoreductive surgery and perioperative in-traperitoneal chemotherapy for peritoneal surface malignancy – a journey to becoming a National-ly Funded Peritonectomy Center. Ann Surg Oncol 14:2270–2280

Weiterführende Literatur zum Thema Peritonealkarzinose

http://www.peritonealkarzinose.dehttp://www.hipec.de

961Der Chirurg 11 · 2013  |