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Neue Urbane Ordnungen der Migration? Zum Verhältnis von Neoliberalisierung und Postnationalisierung in der Stadtpolitik Mathias Rodatz (Goehte Universität Frankfurt)

Neue Urbane Ordnungen der Migration?€¦ · Migration einem ständigen Legitimationsdruck unterworfen wird ! Gefordert und gefördert wird, Teil einer sichtbaren lokalen Gemeinschaft

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Page 1: Neue Urbane Ordnungen der Migration?€¦ · Migration einem ständigen Legitimationsdruck unterworfen wird ! Gefordert und gefördert wird, Teil einer sichtbaren lokalen Gemeinschaft

Neue Urbane Ordnungen der Migration?

Zum Verhältnis von Neoliberalisierung und Postnationalisierung in

der Stadtpolitik !

Mathias Rodatz (Goehte Universität Frankfurt) !

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I.  Einleitung: Kontext, Perspektive, Material !II.  „Paradigmenwechsel“ in der städtischen Migrationspolitik !III.  Ein postnationaler staatlicher Blick in der Stadt !IV.  Postnationalismus in der neoliberalen Stadt !V.  Fazit und Ausblick !

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Kontext:!▹  Keine Migrationsforschung!▹  Dachprojekt: Neuordnungen des Städtischen im Neoliberalen

Zeitalter !▹  Projekt untersucht Migrationspolitische Actor-Networks in Berlin

und Frankfurt !▹  Programmanalyse (Foucault 2000, Bröckling et al. 2000, !

Kessl/Krasmann 2005) !▹  Actor-Network Theory (Latour 2005, Dölemeyer/Rodatz 2010) !

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„Stadtpolitik in der „Stadt der Vielfalt“ !▹  „Paradigmenwechsel“ (Häußermann/Siebel) !▹  „Integration 2.0“ (Gissendanner 2011) !▹  „Integration trotz Segregation“ (ZiS 2005) !▹  „Ethnische Vielfalt als Ressource“ (Eckardt & Merkel 2009) !▹  „Urban Recycling: Migration als Großstadt-Ressource“ !

(Yildiz/Mattausch 2008) !▹  „Erhaltung ethnischer Gruppen“ (Fassmann 2002) !

! Beispiel: „Ausländerkonzentrationen“ vs. „produktive Segregation“ !

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Der nationale Blick: !„Ausländerkonzentrationen“ !

„Die Bundesregierung geht davon aus, daß bei einer weiterhin ungesteuerten Zuwanderung von Ausländern soziale Konflikte nicht mehr ausgeschlossen werden können [...] Die sich abzeichnende Gettobildung der Ausländer stellt darüber hinaus die Stadtentwicklungsplanung vor neue schwierige Probleme. Diese Entwicklung erzwingt geradezu eine langfristig angelegte Politik der sozialverantwortlichen Steuerung der Ausländerwanderung, die sich an den raum-ordnungspolitischen Zielen unserer Gesellschaft orientieren sollte“ (Selke 1974: 39).!

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!  Leitbild der (national) homogenen Stadt !

Das Leitbild der homogenen Stadt und das Mittel der „ethnischen Mischung“ lassen sich mit Baumans Perspektive auf die moderne Stadtplanung beschreiben: als unbeirrbarer Versuch der „Ausmerzung all dessen [...] was es an Fremdem bei den Fremden gab, und, wenn es sein musste, der Fremden selbst“ (Bauman 1997: 209). !

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Der nationale Blick: !„Ausländerkonzentrationen“ !

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„Es geht bei der künftigen Stadtentwicklung unter Einschluss der ausländischen Bürgerinnen und Bürger also nicht um ein idealistisches Konzept einer multikulturellen Stadtgesellschaft, sondern um die existenzielle Frage, wie wir die kulturellen und ökonomischen Potenziale der Stadt sichern können. Es geht damit um die Grundlagen unserer künftigen Prosperität’ (Reiß-Schmidt/Tress 2002). [...] Damit ging auch eine allmähliche Neubewertung der kleinräumlich konzentrierten Einwandererquartiere von einer einseitigen Darstellung als Problemgebiete zu einer differenzierteren Bewertung als Gebiete mit Ressourcen und Potenzialen einher [...]“ (Floeting et al. 2005a: 16).!

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Der postnationale Blick: !„produktive Segregation“ !

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!  Leitbild der Stadt der Vielfalt !

▹  Aufgabe nationaler, homogenisierender Ordnungskategorien !▹  stattdessen Fokus auf Selbstführungskräfte lokaler Gemeinschaften !

und Netzwerke (Rose 2000) !▹  Elemente postnationaler Rationalitäten !▹  Expertisen rezipieren Wissensbestände postnationaler Migrations- und Ethnizitätsforschung!

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Der postnationale Blick: !„produktive Segregation“ !

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Stad

t!Regieren in der neoliberalen Stadt (Bröckling 2000, Heeg/Rosol 2010, Holm 2006):!

▹  Legitimation/Funktion der Interventionsformen („Glokalisierung“) !

▹  Politische Steuerung („urban governance“) !▹  Subjektivität („unternehmerisches Selbst“) !

! „Paradigmenwechsel“ durch neoliberale Restrukturierung der Stadtpolitik legitimiert und geformt !

▹  Flexibilisierte Grenzziehungen (vgl. Rose 2000): !▹  prekäre Form urbaner Zugehörigkeit, in der (nicht nur) die Differenz der

Migration einem ständigen Legitimationsdruck unterworfen wird !▹  Gefordert und gefördert wird, Teil einer sichtbaren lokalen Gemeinschaft

zu sein, die zur "vielfältigen" Wertschöpfungskette der Stadt beiträgt – oder zur Gefahr für eben diese Wertschöpfungkette erklärt zu werden. !

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Konsequenzen:!

▷ Kritik der „Ökonomisierung des Sozialen“ greift zu kurz wenn „actually existing neoliberalisms“ (Brenner 2002) auch „actually existing postnationalisms“ hervorbringen!

▷ Wenn Kritik am methologischen Nationalismus über eine wissenschaftstheoretische Debatte hinausgehen will, wird dieses Verhältnis ebenfalls relevant !

▷  Stadtpolitik als umkämpfte Arena, in der neue, postnationale Verhältnisse von Staatlichkeit, Ordnung und Migration entstehen!

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Litera

tur!Bauman, Zygmunt (1997): Flaneure, Spieler und Touristen. Essays zu postmodernen Lebensformen. Hamburg: Hamburger Edition.!Brenner, Neil; Nik Theodore (2002): Cities and the geographies of "Actually Existing Neoliberalism . In: Antipode, Nr. 3, Jg. 34 , S. 349-379.!

Bröckling, Ulrich; Susanne Krasmann; Thomas Lemke (2000): Gouvernementalität, Neoliberalismus und Selbsttechnologien. In: Ulrich Bröckling; Krasmann Susanne; Thomas Lemke (Hg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt am Main: o. V.S. 7-40.!

Dölemeyer, Anne; Mathias Rodatz (2010): Diskurse und die Welt der Ameisen. Foucault mit Latour lesen (und umgekehrt). In: Robert Feustel; Maximilian Schochow (Hg.): Zwischen Sprachspiel und Methode. Perspektiven der Diskursanalyse. transcript, S. 197-220.!Eckardt, Frank; Janet Merkel (2009): Ethnische Vielfalt als Ressource der Stadtentwicklung? Toleranz im städtischen Alltag - Berlin und Frankfurts Integrationspolitiken im Vergleich. In: Christian Hannemann; Herbert Glasauer; Jörg Pohlan; Andreas Pott; et al. (Hg.): Jahrbuch StadtRegion 2009/2010. Schwerpunkt: Stadtkultur und Kreativität. Opladen, Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich, S. 83-102.!Fassmann, Heinz (2002): Zuwanderung und Segregation. In: Heinz Fassmann; Josef Kohlbacher; Ursula Reeger (Hg.): Zuwanderung und Segregation : europäische Metropolen im Vergleich. Klagenfurt: Drava, S. 13-24.!

Floeting, Holger; Bettina Reimann; Ulla-Kristina Schuleri-Hartje (2005): Ethnische Ökonomie : Integrationsfaktor und Integrationsmassstab. Berlin, Darmstadt: Deutsches Institut für Urbanistik, Schader-Stiftung. !Foucault, Michel (2000): Die Gouvernementalität. In: Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt am Main: o. V.S. 41 - 67. !

Gissendanner, Scott (2011): Integration 2.0 – Staatsbürgerschaft als Nebenprodukt einer pragmatischen und interaktiven Integrationspolitik. Online publiziert bei: MiGAZIN. Migration in Germany, http://www.migazin.de/2011/05/27/staatsburgerschaft-als-nebenprodukt-einer-pragmatischen-und-interaktiven-integrationspolitik/ (31.05.2011 ). !!

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Litera

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Gissendanner, Scott (2011): Kommunale Integrationspolitik. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 7-8, Jg. 2011 , S. 39-46.!Häußermann, Hartmut; Andreas Kapphan (2008): Integrationspolitik der Städte – ein Paradigmenwechsel. In: Michael Bommes; Marianne Krüger-Potratz; Rat für Migration (Hg.): Migrationsreport 2008. Frankfurt/Main: Campus, S. 15-28.!Heeg, Susanne; Marit Rosol (2007): Neoliberale Stadtpolitik im globalen Kontext. Ein Überblick. In: Prokla. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Nr. 4, Jg. 37 , S. 491-510.!Holm, Andrej (2006): Die Restrukturierung des Raumes. Stadterneuerung der 90er Jahre in Ostberlin: Interessen und Machtverhältnisse. Transcript.!Kessl, Fabian; Susanne Krasmann (2005): Sozialpolitische Programmierungen. In: Fabian Kessl; Christian Reutlinger; Susanne Maurer; Oliver Frey (Hg.): Handbuch Sozialraum. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 227-246. !Latour, Bruno (2005): Reassembling the Social: An Introduction to Actor-Network-Theory. Oxford: Oxford University Press.!Rose, Nikolas (2000): Governing cities, governing citizens. In: Engin Isin (Hg.): Democracy, Citizenship and the Global City. London: Routledge, S. 95-109. !Selke, Wenf (1974): Regionale Prognosen der Ausländerwanderung in der Bundesrepublik Deutschland und Möglichkeiten ihrer Steuerung. In: Informationen zur Raumentwicklung, Nr. 2, Jg. 1974 , S. 39-48.!Verbundpartner ZiS (2005): Zuwanderer in der Stadt : Empfehlungen zur stadträumlichen Integrationspolitik. Darmstadt.!Yildiz, Erol; Birgit Mattausch (Hg.) (2009): Urban recycling. Migration als Grossstadt-Ressource. Gütersloh; Basel: Bauverlag ; Birkhäuser.!