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Neue Wege zur Reduktion der Antibiotikaverordnung bei Atemwegsinfektionen.

Neue Wege zur Reduktion der Antibiotikaverordnung bei … · 2014. 10. 22. · Altiner A. In: Duale Reihe Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Thieme-Verlag Stuttgart 2006. Patientenerwartungen

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Neue Wege zur Reduktion der Antibiotikaverordnungbei Atemwegsinfektionen.

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Reduktion der Antibiotikaverordnungen bei akuten Atemwegserkrankungen

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1. Basis für rationale Antibiotikaverordnungen:� Leitlinien z. B. bei:• Husten (DEGAM-Leitlinie Nr. 11, Februar 2014)• Angina tonsillaris (NICE Guidelines 2008)• Otitis media (AWMF S3-Leitlinie Akute Otitis media (geplant 09/2014)• Pneumonie (AWMF S3-Leitlinie Ambulant erworbene Pne umonie gültig bis

09/14)• Rhinosinusitis (European Position Paper on Rhinosin usitis and Nasal Polyps

2012-EP3OS)• Management of infection guidance for primary care.

https://www.gov.uk/government/uploads/system/upload s/attachment_data/file/362394/PHE_Primary_Care_guidance_09_10_1

2. Strategien, das Wissen in der Praxis sinnvoll ei nzusetzen:

� Verzögerte Antibiotikaverordnung

� „point of care“ Teste wie Streptokokken-Antigen-Nachw eis, CRP, Procalcination

� Kommunikationsstrategien

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Strategien, das Wissen in der Praxis sinnvoll einse tzen

Verzögerte Antibiotikaverordnung

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Systematischer Review über verzögerte Antibiotikaverordnungen bei Atemwegsinfektionen

10 randomisiert kontrollierte Studien mit 3157 Pati enten mit akuten Atemwegsinfektionen.

� Deutliche Reduktion der Antibiotikagaben (14 % bei Patienten ohne Rezept vs. 32 % bei verzögerter Verordnung vs. 93 % bei sofortiger Verordnung .

� Kein Unterschied im klinischen Verlauf bei Patienten mit Husten, grippalen Infekt, Bronchitis.

� Kein Unterschied in der Komplikationsrate.

� Etwas reduzierte Patientenzufriedenheit (83 % und 87 % bei keiner bzw. verzögerter Verordnung, 92 % bei sofortiger Verordnung).

Bei Otitis media und Angina tonsillaris war in eini gen Studien sofortige Antibiotikaverordnung effektiver b ei Fieber, Schmerz und Krankheitsgefühl.

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Antibiotika bei Atemwegsinfektionen durch verzögerte Verordnungen einsparen – eine

praxisnahe randomisierte Studie

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Einschluss von 889 Patienten ab 3 Jahren mit akuter oberen Atemwegsinfektionen (Husten, Pharyngitis, Otitis media, grippaler Infekt, Sinusitis, Grippe, Pneumonie) in 25 Praxen.

� Sofortige Antibiotikaverordnung bei 333 Patienten (37%).

� Randomisierung von 556 Patienten (63 %) ohne sofortige Antibiotika-Verordnung in fünf Gruppen.

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Antibiotika bei Atemwegsinfektionen durch verzögerte Verordnungen einsparen – eine

praxisnahe randomisierte Studie

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AKeine AB-

Verordnung

BSpätere

Wiederein-bestellung

CSpäteres

Datum auf dem Rezept

DHinterlegung

des Rezepts in der Apotheke

EEntscheidung des Patienten, wann Rezept eingelöst wird

123 Pat. 108 Pat. 114 Pat. 105 Pat. 106 Pat.

Einnahme von Antibiotika

26 % 37 % 37 % 33 % 39 %

� Kein Unterschied im Schweregrad der Symptome am Tag 2 bis Tag 4 (auf einer Skala von 0-6)

� Kein Unterschied in der Dauer der Infektion.

� Kein Unterschied in der Patientenzufriedenheit .

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Fazit

Die Studie zeigte, wenn bei akuten Atemwegsinfektionen verzögert oder gar keine Antibiotika verordnet wurden, dann erhielten nur 30- 40 % der Patienten Antibiotika, der klinische Verlauf unterschied sich nicht im Vergleich zur sofortigen AB-Verschreibung und der „Glaube an Antibiotika“ sank.

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Strategien, das Wissen in der Praxis sinnvoll einse tzen

„Point of care“ Teste (Procalcitonin, CRP und Strep tokokken-Antigen-Nachweis)

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Procalcitonin (PCT)

Procalcitonin- gestützte Steuerung der Antibiotikaverordnungen bei Atemwegsinfektionen

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B. Müller et al., Schweiz Med Forum 2008;8:388-390

Algorithmus zur PCT-gesteuerten Antibiotikatherapie bei Atemwegsinfektionen

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Von der Blutabnahme zum Rezept

• Arzt nimmt Blut ab und stellt vorsorglich ein Rezept für ein Antibiotikum aus

• Kurier transportiert Blutprobe zum zentralisierten Labor

• Labor misst PCT und übermittelt Ergebnisse an den Arzt innerhalb von 2-4 h

• Arzt informiert den Patienten telefonisch über Therapieoptionen

• Patient löst Rezept zeitlich verzögert ein oder wirft Rezept weg

PCT bei 458 Patienten mit Atemwegserkrankungen in 5 3 hausärztlichen Praxen in der Region Basel / Schweiz

Briel, M. et al. Arch Intern Med 2008;168:2000-2007 .

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0

25

50

75

100

Kontrollgruppe PCT-Gruppe

Ergebnis 1:

Die PCT-gesteuerte Therapie führt zu signifikanten Einsparungen an Antibiotika

In der Kontrollgruppe erhielten 97 % der Patienten ein Antibiotikum, in der PCT-Gruppe nur 25 % der Patienten.

Antibiotika-Verordnungen

PCT bei Patienten mit Atemwegserkrankungen in hausärztlichen Praxen in der Region Basel /

Schweiz

Briel, M. et al. Arch Intern Med 2008;168:2000-2007 .

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Ergebnis 2:Gleiche Erkrankungsdauer (8,7 Tage in beiden Gruppen).

Vergleichbare krankheitsbedingte Abwesenheit (5 Tage in beiden Gruppen).

In beiden Gruppen zeigten nach 28 Tagen noch 30 % der Patienten Infektions-symptome.

Über 40 % weniger Diarrhoe als Nebenwirkung der Antibiotikatherapie in der PCT-Gruppe

0

25

50

Kontrollgruppe PCT-Gruppe

Diarrhoe-Nebenwirkung (%)

Briel, M. et al. Arch Intern Med 2008;168:2000-2007 .

PCT bei Patienten mit Atemwegserkrankungen in hausärztlichen Praxen in der Region Basel / Schweiz

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Ergebnisse:

� Reduktion der Antibiotikaverordnungen um 56 %(Kontrollgruppe vs. PCT-Gruppe: 36,7 % vs. 21,5 %Antibiotikaverordnungen)

� Keine Verlängerung der Krankheitsdauer (9,0 vs. 9,04 Tage)

� Kein Unterschied in der Komplikationsrate.

Burkhardt O, Ewig S, Haagen U et al. Procalcitonin guidance and reduction of antibiotic use in acute respiratory tract infection. Eur Respir J 2010; 36: 601-7.

Interventionsstudie bei 550 Patienten mit Atemwegsinfektionen in 45 hausärztlichen Praxen im

Großraum Hannover

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Reduktion der Antibiotikaverordnungen bei Pharyngitis durch klinische Scores und/oder durch

A-Streptokokken-Antigentest

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Reduktion der Antibiotikaverordnungen bei Pharyngitis durch klinische Scores und/oder durch

A-Streptokokken-Antigentest

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Ergebnisse

Vergleich der Gruppe B und C zu Gruppe A:

� Reduktion des Antibiotikaverbrauchs um 29 % in Gruppe B (nur klinischer Score FeverPAIN) und um 27 % in Gruppe C (klinischer Score und Antigentest)

� Moderate Verbesserung der Symptome in Gruppe B und C

� Kombination Score und Test (Gruppe C) zeigt keinen signifikanten Vorteil im Vergleich zu dem klinischen Score alleine (Gruppe B).

Gruppe CGruppe BGruppe A

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Strategien, das Wissen in der Praxis sinnvoll einse tzen

„Point of care“ Test (CRP) und Kommunikation

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Ergebnisse:

Einschluss von 246 Praxen und 4264 Patienten mit akuten AWI in 5 europäischen Ländern

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Methode des Kommunikationstrainings

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Methode der CRP- gestützten Antibiotikaverordnung und Ergebnisse der Studie

Ergebnisse:

Antibiotikaverordnungen(% d. Pat.)Kontrolle : 58 %Kommunikation: 41 %CRP: 35 %Kombination : 32 %

Reduktion der Antibiotika-verordnungen:

Kombination von CRP-Test und Kommunikation hat den größten Effekt

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Strategien, das Wissen in der Praxis sinnvoll einse tzen

Kommunikation

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Der Antibiotika- Teufelskreis: Ein Modell nach Altiner

21Altiner A. In: Duale Reihe Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Thieme-Verlag Stuttgart 2006

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Patientenerwartungen bei akuten Atemwegserkrankungen (z.B. Husten)

22Sandquist S, Altiner A. Z Allg Med 2002

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Reduktion der Antibiotikaverordnungen bei akuten Atemwegserkrankungen durch

Kommunikationstraining und Patienteninformation

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Ergebnis:

Reduktion der Antibiotikaverordnungen um 60 % (nach 6 Wochen) und um 40 % (nach 1 Jahr).

104 Hausarztpraxen (52 Interventionspraxen mit 753 Patienten und 52 Kontrollpraxen mit 898 Patienten mit akutem Husten).

Intervention: Vermittlung von Kommunikations-techniken durch Kollegen plus Patientenflyer und Poster.

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Schlussfolgerungen I

Die Antibiotikaverordnungen können bei akuten Atemwegsinfektionen durch folgende Maßnahmen deutlich reduziert werden, ohne dass für die Patienten insgesamt Nachteile entstehen. :

� durch verschiedene Verordnungsstrategien (z.B. verzögertes Verordnen)

� durch patientennah durchgeführte Labordiagnostik wie� Streptokokken-Antigentest (Sensitivität: 85-91%; Spezifität 95-99 %)

� CRP (Sensitivität: 83-88 %; Spezifität 95-99 %)

� Procalcitonin (Sensitivität: 83-88 %; Spezifität 76-81 %).

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Schlussfolgerungen II

Die Antibiotikaverordnungen können bei akuten Atemwegsinfektionen durch folgende Maßnahmen deutlich reduziert werden, ohne dass für die Patienten insgesamt Nachteile entstehen :

� durch klinische Scores (z. B. FeverPAIN bei Pharyngitis bzw. Angina tonsillaris)

� durch verbesserte Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten (z.B. Schulungen, Online-Training, Patientenbroschüre)

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!