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Wir feiern 70 Jahre Traditionsstandort Linz. www.nemak.com Linz Rundschau Giesserei Rundschau Jhg. 63 heft 9/10 2016

New Rundschau - Proguss Austria · 2017. 11. 6. · Rundschau Giesserei Jhg. 63 heft 9/10 2016 Die NEMAKGruppe, mit Hauptsitz in Mexiko,ist ein Gießerei-Unternehmen mitüber 20.000

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  • Wir feiern 70 Jahre Traditionsstandort Linz.

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    Linz

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    Jhg. 63heft 9/10

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    Das nächste Heft der

    GIESSEREI RUNDSCHAU

    Nr. 11/12

    erscheint am

    12. Dezember 2016

    zum Thema:

    „Eisen-

    und Stahlguss“

    Redaktionsschluss:

    11. November 2016

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    Hochwertige Gewindefittingsund PRIMOFIT-Klemmverbinderaus Temperguss

    Das Druckfehler-Teufelchen hat zugeschlagen!Im Heft 7/8-2016, Rubrik „Bücher u. Medien“, auf Seite 299 muss esrichtig heißen:

    The European Foundry Industry 2015 –Jahrbuch der CAEF – The European Foundry AssociationDie jährliche Publikation in englischer Sprache enthält Berichte überdie zyklische Entwicklung der europäischen Gießereiindustrie undzahlreiche statistische Auswertungen. Das Jahrbuch kann als PDF-Filezum Preis von € 200,00 zuzügl. MwSt. erworben werden. Bestellungenüber www.caef.eu.

  • HEFT 9/10 GIESSEREI RUNDSCHAU 63 (2016)

    201201

    Organ des Vereines Österreichischer Gießereifachleute und der Berufs-gruppe Gießereiindustrie – Fachverband der Maschinen-, Metallwaren-und Gießereiindustrie, Wien, sowie des Österreichischen Gießerei-Insti-tutes und des Lehrstuhles für Gießereikunde an der Montanuniversität,beide Leoben.

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    Linz

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    Jhg. 63heft 9/10

    2016

    Die NEMAK Gruppe, mit Hauptsitz in Mexiko, istein Gießerei-Unternehmen mit über 20.000 Mitarbei-tern in 35 Werken in 15 Ländern. NEMAK ist Welt-marktführer in der Herstellung von Zylinderköpfen undMotorblöcken aus Aluminium für die globale Automo-bilindustrie.Der Standort Linz, gegründet 1946, ist das Best-in ClassProduktionswerk der Nemak und produziert jährlichüber 1 Million Aluminium-Zylinderköpfe für namhafteAutomobilhersteller wie BMW, Porsche, Ford oder Ge-neral Motors.In Rolle als eines von weltweit fünf Entwicklungszentrenhat der Standort Linz die Entwicklungshoheit für Europaund Asien und bewältigt die komplexeste Mischung anGieß-Technologien. Zahlreiche Entwicklungen werdenvon hier aus patentiert und in die weltweiten Standorteder Nemak transferiert.Gemeinsam Mehr Bewegenwww.nemak.com

    ImpressumHerausgeber:Verein Österreichischer Gießereifach-leute und der Berufsgruppe Gießerei-industrie – Fachverband der Maschinen-,Metallwaren- u. Gießereiindustrie,Wien, sowie des ÖsterreichischenGießerei-Institutes und des Lehrstuhlesfür Gießereikunde an der Montan-universität, beide Leoben.Verlag Strohmayer KGA-1100 Wien, Weitmosergasse 30Tel./Fax: +43 (0)1 61 72 635E-Mail: giesserei@verlag-strohmayer.atwww.verlag-strohmayer.atChefredakteur:Bergrat h.c. Dir.i.R.Dipl.-Ing. Erich NechtelbergerTel./Fax: +43 (0)1 44 04 963Mobil: +43 (0)664 52 13 465E-Mail: [email protected]:Prof. Dr.-Ing. Andreas Bührig-PolaczekDipl.-Ing. Dr. mont. Hans-Jörg DichtlProf. Dr.-Ing. Reinhard DöppMagn. Univ.-Prof. Dipl.-Ing.Dr. techn. Wilfried EichlsederDipl.-Ing. Dr. mont. Georg GeierDipl.-Ing. Dr. techn. Erhard KaschnitzDipl.-Ing. Adolf Kerbl, MASDipl.-Ing. Dr. mont. Leopold KniewallnerDipl.-Ing. Dr. mont. Thomas PabelDipl.-Ing. Gerhard SchindelbacherUniv.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. PeterSchumacherAnzeigenleitung:Irmtraud StrohmayerTel./Fax: +43 (0)1 61 72 635Mobil: +43 (0)664 93 27 377E-Mail: [email protected]:Johann StrohmayerTel./Fax: +43 (0)1 61 72 635E-Mail: [email protected] des Verlages:IBAN: AT 60 6000000 51 00 64259BIC: OPSKATWWUID-Nr: ATU 653 19 513Jahresabonnement:Inland: € 61,00 Ausland: € 77,40Das Abonnement ist jeweils einenMonat vor Jahresende kündbar, sonstgilt die Bestellung für das folgende Jahrweiter. Erscheinungsweise: 6x jährlichDruck:Druckerei Robitschek & Co. Ges.m.b.H.A-1050 Wien, Schlossgasse 10–12Tel. +43 (0)1 545 33 11E-Mail: [email protected] nur mit Genehmigung desVerlages gestattet. Unverlangt einge-sandte Manuskripte und Bilder werdennicht zurückgeschickt. Angaben undMitteilungen, welche von Firmen stam-men, unterliegen nicht der Verantwort-lichkeit der Redaktion.Offenlegung nach § 25 Mediengesetzsiehe www.voeg.at

    ‡ Warmrissvermeidung durchautonome Optimierung von Gußteildesign und Gießtechnik

    ‡ Innovativer Leichtbau von Zylinderkurbelgehäusenaus Gusseisen

    ‡ Additive Design and Manufacturing (ADM)als Fertigungsverfahren der Zukunft

    ‡ ZKG – Aluminium versus Gusseisen mit Lamellengraphit

    ‡ Prozessentwicklung des Gießens von Al-Verbundwerk-stoffen – Numerische Simulation und praktische Versuche

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    VÖG-VEREINSNACHRICHTEN

    TAGUNGEN/SEMINARE/MESSEN

    Veranstaltungskalender

    AKTUELLES

    LITERATUR Bücher und Medien

    VereinsnachrichtenPersonalia

    Aus dem ÖGIDie Österr. Gießerei-Industrie 2015Aus den BetriebenFirmennachrichten

    INHALT

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    241244

  • Schlüsselwörter: Stahlguss, Warmrisse, Speisung, Er-starrungssimulation, Spannungssimulation, virtuelleVersuchsplanung, Autonome Optimierung

    ZusammenfassungWarmrisse sind eine der wesentlichen Fehlerquel-len im Stahlguss. Bei der Fertigung eines Pumpen-jochs im Maskenformverfahren traten Warmrisseauf, die kostenintensiv durch Reparaturschweißennachgearbeitet werden mussten. Zur Vermeidungdes Fehlerbildes wurde auf kosten- und zeitinten-sive Realversuche verzichtet und die neue Methodikder virtuellen Versuchsplanung und autonomen Op-timierung mithilfe der Gießprozess-Simulation ge-wählt. Hierdurch konnten optimierte Lösungen fürGussteildesign und Gießtechnik entwickelt und ab-gesichert werden, die zu einer robusten Fertigungund nachhaltigen Reduzierung von Prüfaufwandund Nacharbeit führten.

    EinleitungWarmrisse sind eine der wesentlichen Fehlerquellenim Stahlguss. Kostenintensive Nacharbeit kann jedochvermieden werden, wenn Gussteildesign und Gieß-technik rechtzeitig überdacht und zielführende Ände-rungen entwickelt und abgesichert werden.

    Bei der Produktion eines hochbelasteten Pumpen-jochs, das als Stahlgussteil im Maskenformverfahrengefertigt wurde, kam es immer wieder zu Problemen,Abb. 1. Auftretende Risse an den inneren Ecken derLängsstreben mussten kostenintensiv durch Reparatur-schweißen nachgearbeitet werden. Zur Überprüfungder Teile war zusätzlich eine aufwändige Magnetpul-verprüfung erforderlich. Dadurch war das in einerVierfachform im Maskenformverfahren gegossene Teilauf Dauer nicht wirtschaftlich herzustellen, Abb. 2.

    Zur Vermeidung des Fehlerbildes wurde zunächstder Grund für die Rissentstehung mit Hilfe der Gieß-prozess-Simulation untersucht. Die Ergebnisse der Er-starrungs- und Spannungssimulation mit MAGMA-SOFT® zeigten klar, dass die Fehlerursache Warmrissewaren, die während der Erstarrung aufgrund vonSchwindungsbehinderung im Gussteil und unzurei-chender Speisung speziell im Übergang des Jochesauftraten, siehe auch Abbn. 7 und 13.

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    Warmrissvermeidung durch autonomeOptimierung von Gussteildesign und Gießtechnik

    Avoiding Hot Tears using Autonomous Optimization of Casting Design and Methoding

    Dr.-Ing. Jörg C. Sturm,nach dem Studium der Gießereikundean der RWTH Aachen und Promotionam Gießerei-Institut begann er seine be-rufliche Laufbahn bei der MAGMA Gie-ßereitechnologie GmbH in Aachen. Seit1989 arbeitete er zunächst als Projekt-manager und übernahm die Leitung In-ternationaler Vertrieb und Marketing.

    2011 wurde er zum Leiter Vertrieb, Engineering und Sup-port ernannt. Seit 2013 ist er Geschäftsführer derMAGMA GmbH.

    Dipl.-Ing. (FH) Jörg Zimmermann,schloss sein Studium des Maschinen-baus 1999 in der Fachrichtung Kon-struktionstechnik in Aachen ab. Nachkurzer Tätigkeit in einem Unternehmenfür Hydraulikzylinder begann er imJahr 2000 bei der MAGMA Gießerei-technologie GmbH in Aachen als Pro-jektingenieur. Hier betreut er Projekteim Bereich Eigenspannungen, Verzug und Wärmebehand-lung von Gussteilen. Seit 2008 ist er außerdem Trainer füralle Themen rund um die Vorhersage von Spannungen.

    Abb. 1: Vierfachform des Gelenkkopfes in der ursprünglichenGießtechnik

    Abb. 2: Typische Fehleranzeige bei der Qualitätsprüfung

  • Festlegung von Zielen, Freiheitsgradenund QualitätskriterienZur Problemlösung stand eine Vielzahl unterschiedli-cher Freiheitsgrade zur Auswahl. Dies betraf in diesemFall neben der Anpassung der Gießtechnik und Ein-stellung geeigneter Fertigungsparameter auch die Bau-teilkonstruktion.

    Um das Ziel so effektiv wie möglich zu erreichen,wurde auf kosten- und zeitintensive Realversuche ver-zichtet und die neue Methodik der virtuellen Ver-suchsplanung und autonomen Optimierung mithilfeder Gießprozess-Simulation gewählt. Für die quantita-tive Bewertung des Erfolgs wurden als Qualitätskrite-rien die Rissneigung wie auch auftretende Porositätenausgewählt und mit den Möglichkeiten der virtuellenVersuchsplanung von MAGMA5 (aktuelle Version desProgramms MAGMASOFT®) quantitativ bewertet.

    Zunächst wurden in der Software die folgenden Op-timierungsziele festgelegt: Zum einen sollten die Risseim Problembereich vermieden werden; zum anderensollten notwendige Änderungen die Speisbarkeit desTeils nicht beeinträchtigen. Zur Realisierung der Zielewurden in der Software Freiheitsgrade definiert, mitdenen sowohl die Geometrie des Teils als auch derSpeisungstechnik variiert wurden. Bezüglich des Guss-teildesigns wurde der kritische Radius, an dem dieRisse auftraten, modifiziert und im Vergleich zur vomKunden vorgegebenen Geometrie überprüft, Abb. 3.

    Insgesamt wurden 12 unterschiedliche Lösungenentwickelt und virtuell überprüft. Dabei wurden so-wohl die Gussteillage, die Geometrie des Gussteils, das

    Speiserdesign und die Speisergröße sowie unter-schiedliche Fertigungsparameter verändert und in ei-nem Versuchsplan (DoE) durch die Software automa-tisch abgearbeitet. In jedem der virtuellen Versuchewurde sowohl die Erstarrung als auch die Abkühlungdes Teils bis auf Raumtemperatur – inklusive derdabei entstehenden Spannungen und Rissneigung –simuliert. Die Berechnung der 12 Versionen wurde aufeiner 8-Kern-Workstation durchgeführt und dauerteinsgesamt 22,5 Stunden. Die jeweiligen Qualitätskrite-rien für Speisung und Warmrissneigung wurden inspeisungskritischen und rissgefährdeten Bereichen(Abb. 5) automatisch bewertet.

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    4 Auswertegebiete

    Abb. 5: Festgelegte Auswertegebiete für die automatische quan-titative Bewertung der Qualitätskriterien für Speisung undWarmrissneigung

    Design 1 Design 2 Design 3

    Abb. 3: Parametrische Änderung des Radius in den rissgefährdeten Bereichen des Gussteils (links)Abb. 4: Drei von 12 untersuchten unterschiedlichen Gießtechniken (rechts)

    Tabelle 1: Gewichtete Rangfolge aller 12 Designs mit numerischer Anzeige der Qualitätskriterien

  • Methodische Auswertung dervirtuellen VersuchsplanungFür die Bewertung der Vielzahl der Er-gebnisse der virtuellen Versuche wur-den die in MAGMA5 implementiertenstatistischen Werkzeuge genutzt. DieAnalyse der Ergebnisse ermöglichte einequantitative Bewertung aller Designs,um eine mögliche optimale Fertigungs-technik, die zu robusteren Lösungenführt, zu ermitteln.

    Ein erster Blick auf die Rangfolge dersimulierten Designs in Form einer Ta-belle mit numerischen Werten für dieQualitätskriterien zeigt, dass sowohl dieWerte für die Warmrissneigung als auchfür die Gesamtporosität zwischen deneinzelnen Varianten erheblich schwan-ken, Tabelle 1. Während der Wert fürdas Kriterium zur Warmrissneigung sichvon der besten zur schlechtesten Vari-ante halbiert, reduziert sich die Gesamt-porosität im Gussteil im Extremfall aufweniger als ein 1/10 des Maximalwer-tes, Abb. 6.

    Die in Tabelle 1 aufgeführte Rangfolgeergibt sich aus einer gleichgewichtetenBewertung der berechneten Kriterien fürWarmrissneigung und Porosität. DieseGewichtung kann jederzeit entspre-chend den Qualitätsanforderungen an-gepasst werden, ohne neu zu rechnen.

    Die Auswerteperspektive in MAGMA5erlaubt neben den bekannten farbgrafi-schen Darstellungen der einzelnen Qua-litätskriterien eine systematische, aufbekannten statistischen Methoden beru-hende gemeinsame Auswertung allerberechneten Designs. Hierzu werden dieuntersuchten Qualitätskriterien in dendefinierten Auswertegebieten als Zah-lenwerte auf unterschiedliche Weisemiteinander verglichen.

    Eine oft genutzte Auswertemethodeist das Streudiagramm, in dem unter-schiedliche Prozess- und Designvariab-len mit beliebigen berechneten Quali-tätskriterien verglichen werden. In dem

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    Abb. 6: Porositätsanzeige im Teil für die beste(Design d7, links) und schlechteste(Design d6, rechts) Variante. (oben)

    Abb. 7: Warmrissneigung für die beste(Design d2, links) und schlechteste(Design d12, rechts) Variante. (Mitte)

    Abb. 8: Streudiagramm zur gemeinsamenDarstellung aller berechneten Designs.Dargestellt sind die Ergebnisse für die Quali-tätskriterien ‚Warmrissneigung‘ und ‚Porositätim Teil‘. Die rot markierten Designs liegen aufder Paretofront der besten Lösungen. (unten)

  • Streudiagramm entspricht jeder Punktden Parametern eines virtuellen Experi-ments.

    In Abb. 8 wurden die Ergebnisse füralle 12 Varianten für die beiden maßgeb-lichen Qualitätskriterien gegenüberge-stellt. Durch diese Darstellungsweisekann die sogenannte Paretofront derbesten Designs ermittelt werden. Linksvon dieser Linie gibt es, bezogen auf dieberechneten Varianten, keine besserenLösungen. Der Fachmann kann die Pare-tofront auch nutzen, um den bestenKompromiss entsprechend seiner Priori-täten zu ermitteln (besseres Rissverhal-ten bei gleichzeitig erhöhter Porositäts-neigung oder umgekehrt).

    Alle numerischen Ergebnisse in derAuswerteperspektive sind direkt mitden 3D-Darstellungen gekoppelt. Überdas Streudiagramm kann dadurch un-mittelbar auf die Ergebnisse der einzel-nen virtuellen Versuche zurückgegriffenwerden. Abb. 9 zeigt im Vergleich dieGeometrien für drei unterschiedlicheDesigns.

    In einem Säulendiagramm können dieWerte für unterschiedliche Qualitätskri-terien für alle Varianten schnell mitei-nander verglichen werden. Dabei wer-den die gegenläufigen Trends von Poro-sität und Rissbildung deutlich, Abb. 10.

    Bei einer optimalen Speisung mit mi-nimaler Porosität trat wie erwartet diestärkste Tendenz zur Warmrissbildungauf. Dies liegt an den verlängerten Er-starrungszeiten und erhöhten Tempera-turunterschieden zwischen Gussteil undSpeisern, die zwar die Speisung begüns-tigen, aber zu hohen Dehnraten und so-mit zu einer erhöhten Warmrissneigungführen. Anhand des Säulendiagrammswar es den Ingenieuren möglich, ein De-sign zu ermitteln, das den besten Kom-promiss zwischen den beiden gegenläu-figen Zielen lieferte.

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    Abb. 9: Vergleich unterschiedlicher Geome-trien von Gussteil und Gießtechnik. Dargestelltsind das Design mit der höchsten Porosität,dem höchsten Warmrissrisiko und die Geo-metrie für den besten Kompromiss aus beidenQualitätskriterien. (oben)

    Abb. 10: Darstellung der Versuchsergebnisseim Säulendiagramm. Den besten Kompromissaus geringer Warmrissneigung und niedrigerPorosität liefert Design d2. (Mitte)

    Abb. 11: Das Haupteffektediagramm zeigt diewesentlichen Einflussgrößen auf Qualitäts-kriterien (hier Porosität im Teil) quantitativauf. (unten)

  • Die virtuelle Versuchsplanung erlaubt auch diequantitative Bewertung einzelner Einflussgrößen aufdie untersuchten Qualitätskriterien. Hierzu können dieErgebnisse als Haupteffektediagramm oder Korrelati-onsmatrix in MAGMA5 dargestellt werden, Abb. 11.Während die untersuchten Geometrieänderungen imKern und den kleinen Speisern sich positiv auf dasSpeisungsergebnis auswirken, verschlechtern die un-terschiedlichen Varianten des großen zentralen Spei-sers das Porositätsergebnis. Die Veränderung des Ra-dius im Teil wirkt sich auf das Speisungsergebnis ver-ständlicherweise kaum aus.

    Die Darstellung aller Ergebnisse in einem Parallel-koordinatendiagramm ermöglicht das Herausfilternder besten Lösung und bietet gleichzeitig eine Hand-lungsanweisung für die Umsetzung der entsprechen-den konstruktiven und gießtechnischen Maßnahmen,Abb. 12.

    Erreichte Ergebnisse und Umsetzungin die PraxisDer Vergleich der Ergebnisse zwischen der Ausgangs-situation und dem besten Design zeigte, dass nurdurch geometrische Änderungen – sowohl im Gussteilals auch in der Speisungstechnik – die auftretendenSpannungen und Porositäten gleichzeitig deutlich re-duziert werden konnten.

    Im Vergleich zur Ausgangssituation konnten mit die-ser Lösung die Spannungen und plastischen Verfor-mungen im kritischen Erstarrungsbereich um 61 %vermindert werden. Dabei erlaubt die Auswertung inMAGMA5 eine quantitative Bewertung der Beiträgefür die einzelnen Maßnahmen: Die fertigungstechni-schen Veränderungen führten zu einer 30 % Reduzie-rung, während die angepasste Gussteilgeometrie dieSpannungen und Dehnungen um 44 % reduzierte,Abb. 13.

    Die Umsetzung in Gießtechnik erfolgte auf Basis desDesigns mit dem besten Kompromiss zwischen denQualitätszielen. Aufgrund der überzeugenden undquantitativen Ergebnisse wurden auch die vorgeschla-genen konstruktiven Änderungen im Radius vom Kun-den akzeptiert. Die positiven Ergebnisse führten in derPraxis zu einer signifikanten Reduzierung des Auf-wandes für Magnetpulverprüfungen und gleichzeitigauch des Bearbeitungsaufwandes. Die Durchführungpraktischer Versuche für jede dieser 12 Versionen hättemehrere Wochen in Anspruch genommen und dabeinicht zu rechtfertigende Material- und Lohnkostenverursacht. Ohne den Einsatz der virtuellen Versuchs-planung wären die dazu notwendigen Änderungen derModellplatte in Realität nie in diesem Umfang durch-geführt worden.

    Die systematische Nutzung des virtuellen Experi-mentierfeldes in MAGMA5 war der Schlüssel für einespezifikationsgerechte und wirtschaftliche Fertigungdes Gussteils.

    DanksagungDas Projekt wurde uns dankenswerterweise von derStahlgießerei Eagle Alloy Inc., mit Sitz in Muskegon,USA, zur Verfügung gestellt.

    Referenzen– J.C. Sturm und E. Flender: 30 Jahre Gießtechnische Si-

    mulation; Giesserei 96 (2009), Heft 05/2009, S.94–109– J.C. Sturm und I. Hahn: Von der Simulation zur Optimie-

    rung. Giesserei 104 (2015), Heft 06/2015, S. 86–100

    Kontaktadresse:MAGMA Gießereitechnologie GmbHD-52072 Aachen | Kackertstraße 11Tel.: +49 (0)241 88901 0 | Fax: +49 (0)241 88901 62E-Mail: [email protected] | www.magmasoft.de

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    Abb. 12: Parallelkoordinatendiagramm mit derDarstellung der Design- und Prozessvariablendes besten Designs und der resultierendenWerte für die Warmrissneigung und Porositätim Teil. (linke Spalte)

    Abb. 13: Warmrissanzeigen des ursprünglichen(links) und neuen Designs (rechts). (rechteSpalte)

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    Gießen. Verstehen. Beherrschen. Profitieren.

  • Schlüsselwörter: Zylinderkurbelgehäuse, Leichtbau inGusseisen vs. Aluminium, ökonomische/ökologische/technische Aspekte

    KurzfassungIm Zuge der CO2- und Kraftstoffverbrauchsminimie-rung wird die Gewichtsreduktion von Komponen-ten einen wesentlichen Beitrag leisten müssen. Be-sonderes Augenmerk gilt dabei dem Zylinderkurbel-gehäuse (ZKG) als schwerstem Einzelbauteil desMotors.

    Die Fritz Winter Eisengießerei GmbH & Co. KG,Stadtallendorf, als Systemlieferant und Entwick-lungspartner für Eisengusswerkstoffe, hat gemein-sam mit der AVL List GmbH, Graz, Österreich, alsMotorenentwickler, im Zuge eines gemeinsamenForschungsprogramms das Leichtbaupotenzial vonEisengusswerkstoffen für Zylinderkurbelgehäusedargestellt. Dabei wurde bei einem aufgeladenen Ot-tomotor das ZKG aus Aluminium durch ein neuent-wickeltes Gusseisenbauteil in Leichtbauweise er-setzt. Kernpunkte dabei waren die beanspruchungs-und materialgerechte Konstruktion und Simulationsowie die Prozessentwicklung in der Gießerei unterBerücksichtigung der ökologischen, ökonomischenund technischen Aspekte. Als Ergebnis wurde quasiGewichtsneutralität zwischen den Werkstoffen beideutlicher Kostenreduzierung erreicht.

    ZielsetzungDer ungebrochene Trend zum Downsizing hat bei Die-sel- und Ottomotoren zu einer signifikanten Steigerungder Beanspruchung der Motorstruktur geführt [1]. Fürzukünftige Belastungssteigerungen bietet dabei einKurbelgehäuse aus Gusseisen ausgezeichnete Voraus-setzungen. Diese Eigenschaften werden bei den imFolgenden beschriebenen Leichtbaumaßnahmenebenso beibehalten wie die günstigen Voraussetzungenfür die Rundheit der Zylinder, die Reibleistung, denÖl-Verbrauch, die Kosten und NVH (Noise, Vibration,Harshness – Geräusch, Vibration, Rauheit) [2].

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    Innovativer Leichtbau vonZylinderkurbelgehäusen aus Gusseisen*)

    Innovative Lightweight Design of Cast Iron Cylinder Blocks

    Dipl.-Ing. Dr.techn. Helfried Sorger,nach Maschinenbau- und Wirtschafts-studium an der TU Graz Eintritt 1996in die Entwicklungsabteilung für PKW-Motoren bei AVL List GmbH, Graz. Seit2010 Executive Chief Engineer Design,Simulation a. Mechanical DevelopmentEngineering a. Development PowertrainSystems.

    Dipl.-Ing. Dr.techn. WolfgangSchöffmann,

    nach Maschinenbau-Studium an derTH Graz Eintritt 1987 als Projektinge-nieur Motorenkonstruktion bei AVLList GmbH, Graz. 2005 Leiter Motoren-konstruktion, seit 2012 Leiter Konstruk-tion Antrieb. Daneben auch einschlä-gige Lehrtätigkeit an der FH-Joanneumin Graz.

    Wilfried Wolf,Leiter Technische Akquisition und Pro-duktentwicklung, Director Product En-gineering and Development bei FritzWinter Eisengießerei GmbH & Co.KG,Stadtallendorf/D.

    Dipl. Ing. (BA) Wilhelm Steinberg,Technische Akquisition und Produkt-entwicklung, Product Engineering andDevelopment bei Fritz Winter Eisengie-ßerei GmbH & Co.KG, Stadtallendorf/D.

    *) Den Autoren und der Redaktion der FachzeitschriftGIESSEREI (Jg. 2015, H. 10, S. 52/56) sei für die Zustim-mung zur Nachveröffentlichung herzlich gedankt.

    Messbare Präzision, Kontrolle eines Kurbelgehäuses

  • Als Referenzprodukt wurde ein Ottomotor ausge-wählt, welcher zu den Benchmarks in der preissensiti-ven Mittelklasse zu zählen ist (Tabelle 1). Der 4-Zylin-der-1,6 l-Motor besitzt in der Serienausführung einAluminium-Kurbelgehäuse, das im Druckgießverfah-ren hergestellt wird.

    Konzeptentwicklungund BauteilkonstruktionIn der Konzeptphase wurden unterschiedliche Kon-struktionsvarianten in Bezug auf Gewicht, Kosten,Herstellbarkeit sowie Auswirkungen auf die Funktio-nen im Motorbetrieb beurteilt.

    In einer ersten Variante wurde die Architektur desAluminium-Kurbelgehäuses in Eisendünnguss umge-setzt. In weiteren Varianten wurden neben der Opti-mierung des Dünngusskonzepts in den Belastungsbe-

    reichen die Anordnung und die Länge der Zylinder-kopfschrauben variiert. Der Bereich der Hauptlagerein-bindung des Kurbelgehäuses wurde in den VariantenDeep Skirt, Short Skirt mit hochgezogenem Alumi-nium-Ölwannenoberteil sowie Aluminium-Bedplatemit und ohne Hauptlager-Inlays untersucht (Abb. 1).

    Im Konzeptvergleich zeigte Variante 5 – optimiertesDünngusskonzept mit Deep Skirt und kurzen Zylin-derkopfschrauben – die beste Gesamtbewertung hin-sichtlich der Zielkriterien.

    Aufgrund der höheren Materialfestigkeit von Gussei-sen und den nicht notwendigen Zylinderlaufbuchsen,konnte der Zylinderabstand von 87 mm auf 84,5 mmverringert werden. Zusammen mit weiteren konstruk-tiven Maßnahmen wurde die Motorlänge um 12,0 mmreduziert.

    Das in Abb. 2 gezeigte Kurbelgehäuse aus Gusseisenweist in dieser Entwicklungsstufe eine Gewichtsdiffe-

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    Leistung 132 kW bei 5700 1/min

    Drehmoment 240–270 Nm bei 1600 1/min

    Hubraum 1596 cm³

    Bohrung 79 mm

    Hub 81,4 mm

    Zylinderabstand 87 mm

    Blockhöhe 204 mm

    Hauptlager-Durchmesser 48 mm

    Tabelle 1: Technische Daten Referenzmotor

    Basis V1 V2

    V3 V4 V5

    Abb. 1: Übersicht der Konzeptvarianten.Alle Fotos und Grafiken: AVL, Fritz Winter Eisengiesserei

    Open Deckminimale Büchsenstärke für

    optimiertes Temperaturverhalten

    Blow-by-Kanal

    minimierterGetriebeflansch

    reduzierteWassermantelhöhe

    2,5 mm-Nominalwanddicke

    gegossene Ölgallerie

    modifizierter

    Steuergehäuseflansch

    Bypassöffnungund Wassermantel für „fast warm upfast warm up”

    modifiziertesThermostatgehäuse

    minimale Oberdeckdicke kurze ZylinderkopfschraubenEntkoppelt von Zylinderbohrung –minimierte Büchsenverformung

    negnunnapsnegiEetreimitpo

    Deep-skirt-AusfDeep-skirt-AusführungleggübregallezniE

    reduzierte Toleranzen

    Abb. 2:Leichtbau-Dünnguss-gehäuse –

    Merkmale.

  • renz von 4,4 kg gegenüber der Al-Druckguss-Referenz-komponente auf.

    Durch die reduzierte Motorlänge konnte eine Ge-wichtsreduktion weiterer Motorkomponenten mit demZusatzeffekt von Kosteneinsparpotenzialen erzieltwerden. Durch Gewichtsreduktion von Bauteilen, wieKurbelwelle, Ölwanne, Zylinderkopf und Nockenwel-len konnte die Gewichtsdifferenz des Gesamtmotorsauf lediglich 1,9 kg (gemäß DIN70020) reduziert wer-den (Abb. 3).

    Virtuelle EntwicklungsschleifeDie Dünnguss-Kurbelgehäusevarianten wurden in ei-ner Simulationsschleife unter Betriebslasten hinsicht-lich Strukturfestigkeit, Zylinderbohrungsverformungund thermischem Verhalten optimiert (Abb. 4). Derlastführende Hauptlagerwandbereich wurde konse-quent in Richtung Gewichtsreduktion entwickelt. Ander Zylinderlaufbahn waren minimale Bohrungsver-formung unter Montage- und thermischer Belastungsowie die Pressungsverteilung an der Zylinderkopf-

    dichtung wesentlicheOptimierungskriterien.

    In allen Kriterienkonnten in Variante 5die Zielwerte erreichtoder übertroffen wer-den.

    NumerischeSimulation desGieß- und Erstar-rungsverhaltensDie Simulation desGießprozesses ist diezeit- und kosteneffek-tivste Möglichkeit fürdie Ermittlung der ge-eignetsten Gieß-/Fer-tigungsparameter. Vor-aussetzung sind zuver-lässige Material- undProzessdaten, die miteinem bei der Fritz

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    60

    500 1000 1500 2000 2500 3000

    Hubraum in ccm

    Blockgewichtinkg

    EN-GJL (Otto)

    Aluminum (Otto)V-Motoren

    EN-GJL (Otto)

    ReihenmotorenEN-GJL (Otto) Reihenmotoren

    Aluminum (Otto)

    Differenz ~ 10 kg

    EN-GJL – DünngusskonzeptAVL – Fritz Winter

    Abb. 3: Gewichtsvergleich Aluminium- und Gusseisen-Kurbelgehäuse.

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    2 3 4 5 6 7 8

    DiametralDistortioninum

    Harmonic Order

    Liner1

    Design Limitz= -10z= -11z= -57z= -62z= -66z= -83z= -96

    Abb. 4: Virtuelle Entwicklungsschleife – Hauptlagerwand und Zylinder.

  • Winter Eisengießerei GmbH & Co. KG, Stadtallendorf,entwickelten Prüfverfahren ermittelt sowie mit Mes-sungen an den realen Gussstücken angepasst wurden.Erkenntnisse aus dem Prüfverfahren für Material- undProzessdaten sind:

    • Einfluss der lokalen Erstarrungsgeschwindigkeit aufdie Gefügeausbildung,

    • Wirksamkeit von Impfmittelart und -menge auf dasGefüge und insbesondere die Vermeidung von Weiß-einstrahlung,

    • Lokale Temperaturänderung des Kernsandes zur Er-mittlung der Temperaturleitfähigkeit,

    • Einfluss der chemischen Zusammensetzung auf dielokalen Gefügeeigenschaften und mechanischen Fes-tigkeitswerte,

    • Einfluss von Gießzeit und Gießtemperatur auf dasFüllverhalten sowie die o.g. Eigenschaften.

    Mit Hilfe dieser Anpassungen konnte ein optimiertesProzessfenster bezüglich Gießsystem, Impfmittelartund -menge und chemischer Zusammensetzung gefun-den werden. Die thermisch induzierten Eigenspannun-gen konnten durch lokale Geometrieoptimierungen aufdas Zielniveau gesenkt werden.

    Durch die virtuellen Abgüsse konnten die Prozess-parameter so gewählt werden, dass bereits die erstenrealen Abgüsse erfolgreich waren.

    Neue Fertigungstechnik – GießverfahrenNeben der Konstruktion und Simulation war die Pro-zessentwicklung eines neuen Gießverfahrens ein ele-mentarer Bestandteil für die Umsetzung des Leicht-baukonzepts [3]mit folgenden produktrelevanten Zie-len:

    • Minimierung der allgemeinen Gussteiltoleranz auf±0,8 mm,

    • Minimierung der Wanddickentoleranz auf ±0,5 mm,• Steigerung der Gussteilqualität und• Erreichung der Nominaldatengewichte.

    Die wesentlichen prozessspezifischen Ziele waren:• Nachhaltigkeit zur Ressourcenschonung,• globale Verfügbarkeit,• Standardisierung von Prozessen und Werkzeugen

    und• Kosteneffizienz.

    Diese Ziele erfordern eine Minimierung der Prozess-schritte und deren Einflüsse. Pkw-Zylinderkurbelge-häuse aus Gusseisen werden in der Regel auf einerGrünsandformanlage in stehender oder liegender Gieß-weise gefertigt. Das für Gusseisenblöcke neuartigeGießverfahren verzichtet auf eine Grünsandformanlageund nutzt hingegen ein ausgeklügeltes Kernkonzept,wodurch es gelungen ist, die Produktqualität sowiedie Prozessstabilität signifikant zu steigern.

    Als Ergebnis entstand eine modulare Gießerei, die eserlaubt, ohne Grünsandformerei und deren sehr hoheInvestitionen sowie ohne von Rohstoffqualitäten ab-hängige Prozesse, global gleichbleibende Qualität zuproduzieren.

    Seriennahe PrototypenherstellungZur Validierung der Entwicklungsergebnisse wurdenvollbearbeitete Prototypen hergestellt. Die Herausfor-derung hierbei war eine seriennahe Umsetzung derPrototypenfertigung, von der Gussteilherstellung bishin zur Fertigbearbeitung.

    Alle Prototypen wurden mit dem neuen Gießverfah-ren unter Serienbedingungen hergestellt, wobei bereitsdie ersten Abgüsse allen metallurgischen Anforderun-gen genügten und eine sehr hohe Maßgenauigkeit auf-zeigten. So entsprachen die ermittelten Rohteilge-wichte bis auf 0,4 % den berechneten Nominaldaten-gewichten. Positiv ist auch die Erhöhung der Zugfes-tigkeit um ca. 5 % sowie eine Erhöhung der Härte-werte um ca. 4 % zu bewerten.

    Ökologische Nachhaltigkeit –CO2-und EnergiebilanzDas steigende Interesse von Endkunden an umwelt-freundlichen Produkten sowie die politischen Rege-lungen hinsichtlich der Ressourceneffizienz [4] för-dern ein Umdenken in der Bewertung von Umweltein-flüssen – weg von einer reinen CO2-Bewertung wäh-rend der Nutzungsphase, hin zu einer gesamtheitli-chen Betrachtungsweise über das gesamte Produktle-ben (das sogenannte „cradle to grave“) [5].

    HerstellphaseBasierend auf einer Ausarbeitung des Instituts für Gie-ßereitechnik [6] konnten die wichtigsten Gießereipro-zesse gegenübergestellt werden. Berücksichtigt wur-den alle relevanten Betriebs- und Einsatzstoffe, wiez. B. Primär-/ Sekudäraluminium, Koks, Kernbinder,elektrischer Strom sowie der Energiebedarf für Bear-beitung und Transport. Das Ergebnis zeigt erheblicheUnterschiede zwischen dem Gießverfahren für Gussei-sen und den verschiedenen Gießverfahren für Alumi-nium (Abb. 5).

    NutzungsphaseDie Berechnungsmethoden des Instituts für Gießerei-technik [6, 7, 8] ermöglichen eine Beurteilung, nachwelchen Fahrstrecken sich der Mehrenergieaufwandaus der Herstellphase durch die Gewichtsdifferenzvon 1,9 kg und somit über den reduzierten Kraftstoff-verbrauch amortisiert.

    Legt man die vom GDA [9] veröffentlichte globaleRecyclingrate für Aluminium sowie die Gewichtsdiffe-renz am Motor zugrunde, ergibt sich ein ausgegliche-ner Energiehaushalt erst nach mehreren Fahrzeugle-benszyklen.

    VerwertungsphaseDie Verwertungsphase stellt den letzten Lebenszykluseines Produkts dar – hier werden Produkte den Sekun-därmaterialkreisläufen wieder zugeführt.

    In Eisengießereien kann Schrott als direktes Einsatz-material ohne weitere Prozesse verwendet werden. BeiAluminium hingegen müssen bei jedem Recyclingvor-gang Begleitmaterialien (z. B. Zylinderliner) entfernt

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    211211

  • und gegebenenfalls der Eisengehalt durch Hinzufügenvon Primäraluminium reduziert werden [10].

    KostenIn den preissensitiven Fahrzeugklassen nimmt derKostendruck auf die Hersteller und deren Zuliefererstetig zu – bei gleichzeitiger Steigerung der Produkt-komplexität und der Anforderungen.

    Eisenguss ist im Vergleich mit den anderen Gießver-fahren die günstigste Möglichkeit zur Herstellung vonZylinderkurbelgehäusen. Berücksichtigt man zudemden möglichen Größenvorteil (reduzierte Bauteillänge)sowie den Entfall von Zylinderbeschichtungen, Zylin-derlinern oder Eingussstücken, ergibt sich hier zusätz-liches Potenzial zur Kostenreduktion.

    Der minimalen Gewichtsdifferenz steht ein signifi-kanter Kostenvorteil von ca. 28 % im Vergleich zuAluminium-Druckguss gegenüber.

    Vergleicht man den hier beschriebenen Herstellpro-zess für Zylinderkurbelgehäuse aus Gusseisen mit demCPS- oder Niederdruckkokillengießverfahren, wird dieKostendifferenz noch deutlicher.

    ZusammenfassungDas durchgeführte Entwicklungsprojekt hat aufgezeigt,welche Potenziale der Gusseisenwerkstoff in Bezug

    auf Gewicht, Kosten und Ökologiebietet.

    Durch die sehr enge Zusammenar-beit zwischen Motorenentwicklerund Gießerei ist es gelungen, den Ge-wichtsunterschied zwischen Gussei-sen- und Al-Motoren auf ein Mini-mum zu reduzieren und zeitgleichden signifikanten Kostenvorteil zu er-halten.

    Des Weiteren ermöglicht eine neueFertigungstechnologie eine hochprä-zise, ressourcenschonende, globaleFertigung.

    DankDie Autoren danken Herrn Dipl.-Ing. (FH) Thomas Schulze, Team-leiter Gießsimulation bei der FritzWinter Eisengießerei GmbH & Co-KG, Stadtallendorf/D, für seine Unter-stützung.

    Literatur:[1] Schöffmann, W.; Weißbäck, M.; Sor-

    ger, H., u. a.: Hochleistung und Rei-bungsreduktion – Herausforderungoder Widerspruch? Zukünftige Die-sel- und Ottomotoren auf Basis ein-heitlicher Familienarchitektur. 22ndInternational AVL „Engine & Envi-ronment“ Conference, Graz, 2010.

    [2] Schöffmann, W.; Sorger, H.; v. Falck,G., u. a.: Leichtbau, Funktionsintegra-tion und Reibungsreduktion – derGrundmotor im Spannungsfeld zwi-

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    0Gießverfahrenfür Gusseisen

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    Al-Kernpaket-verfahren

    Al-Niederdruck-guss

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    Energie CO2

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    20Motorengewicht nach DIN 70020

    Ante

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    %

    Kosten je ZKG

    Gusseisen Al-Druckguss

    98,50 100100128

    Abb. 5: Herstellungsphase – Energiebedarf und CO2-Ausstoß währen der Her-stellung eines Zylinderkurbelgehäuses (unter der Berücksichtigung der globa-len Recyclingrate nach GDA).

    Abb. 6: Gewichts- und Kostenvergleich der Motorvarianten.

    schen Kosten und CO2-Optimierung. 34. InternationalesWiener Motorensymposium, 2013.

    [3] Giesserei 98 (2011), Nr. 7, S. 67–77.[4] Comitee, E. E.: Roadmap to Rescource Efficent Europe.

    2011.[5] Fritsche, E.: Vergleich der Energieeffizienz und CO2-

    Emissionen bei der Herstellung von Zylinderkurbelge-häusen aus Gusseisen oder aus Aluminiumlegierungen.Giesserei Rundschau 56 (2009), Nr. 9/10, S. 160–167.

    [6] Sorger, H.; Schöffmann, W.; Wolf, W., u. a.: Grundlagenfür Energiebilanzen von Zylinderkurbelgehäusen. Insti-tut für Gießereitechnik, Düsseldorf 2014.

    [7] DEKRA. (n. d.): Informationen zum Thema CO2.[8] Dienhart, M.: Ganzheitliche Bilanzierung der Energiebe-

    reitstellung für die Aluminiumherstellung. Dissertation,RWTH Aachen, 2003.

    [9] GDA: Statistiken. alu.info. 10 21. 2014.[10] Arte-Duku.: Xenius – Aluminium. 11.03.2013.

    Kontaktadressen:AVL LIST GMBHA-8020 Graz | Hans-List-Platz 1 | Tel.: +43(0)316 787 3452E-Mail: [email protected] | www.avl.com

    Fritz Winter Eisengießerei GmbH & Co. KGD-35260 Stadtallendorf | Albert-Schweitzer-Straße 15Tel.: +49 (0)6428 78-6238 | Fax: +49 (0)6428 78-776238E-Mail: [email protected]://www.fritzwinter.de

  • Schlüsselwörter: Additive Fertigung, 3D-Druck,Schichtbautechnologie

    Das Fertigungsverfahren Gießen stellt als das ältesteFormgebungsverfahren eine ausgereifte Technologiedar. Im Zuge sich verändernder Kunden- und Marktbe-dürfnisse stoßen traditionelle Gusstechniken heute zu-nehmend an ihre Grenzen. Das Potential, diese Lückezu schließen, bieten die innovativen Verfahren der Ad-ditiven Fertigung oder auch 3D-Druck, wie dieSchichtbautechnologie landläufig bezeichnet wird.

    Als besondere Vorteile der Schichtbautechnologieim direkten Vergleich zu Gießverfahren sind komple-xere Geometrien, noch geringere sowie variable Wand-stärken und innere Strukturen für Leichtbau etc. ohneMehrkosten realisierbar. Dabei entstehen Bauteile fürneue Anforderungen und mit neuen Funktionen, ma-nuelles Nachbearbeiten, wie das Fügen multipler Ein-zelkomponenten durch Schweißen oder das Ausboh-ren von feinen Kanälen, kann reduziert werden oderentfällt sogar ganz. Auch die individualisierte Massen-produktion ist dank werkzeugloser Fertigung möglich.

    Selbst aus dem Rapid Prototyping kommend, hat dieFIT AG über 20 Jahre Erfahrung mit verschiedenstenVerfahren und Materialien der Additiven Fertigung.Zentral für den erfolgreichen Einsatz additiver Tech-nologien ist die Erkenntnis, dass der Mehrwert derneuen Technologien nur durch ein spezielles additivgerechtes Konstruieren zu erschließen ist. Die Lösung,die FIT für die Einführung additiver Technologien ent-wickelt hat, lautet ADM. Das ganzheitliche Konzept„Additive Design and Manufacturing“ umfasst das feinabgestimmte Zusammenspiel von additiv gerechtemKonstruieren und der eigentlichen additiven Ferti-gung. Konkrete Anwendungsfälle reichen von Einzel-stücken bis zu höheren Serienstückzahlen komplexer,funktionaler Bauteile. Beispiele zeigen die Abbn. 1 bis5. Derzeit verwendbare Materialien sind Kunststoff

    und eine Vielzahl hochwertiger Metalle wie Alumi-nium, Titan, Werkzeug- und Edelstahl oder Inconel.

    In der Umsetzung des Schlagworts Industrie 4.0nimmt der Technologieführer FIT im Bereich indus-trieller Additiver Fertigung bereits heute die Produk-tion der Zukunft vorweg. Darüber hinaus stellt die FITAG auch ihr umfassendes Knowhow zur Verfügung,um Kunden bei ihrer Einführung von additiven Ferti-gungsverfahren erfolgreich zu begleiten und die He-rausforderung der jungen Technologie zu überwinden.

    In verschiedenen Workshops wird ein Grundver-ständnis für additive Fertigung vermittelt und die Pla-nung der Produktentwicklung optimiert.

    Nicht für jedes Produkt ist die Additive Fertigungeine Alternative. Der Paradigmenwechsel zur Schicht-bautechnologie hat aber das Potential, bekannte tech-nologische Grenzen des Machbaren zu überwindenund eröffnet dadurch innovativen Produktlösungenneue Horizonte.

    Kontaktadresse:FIT AG | Additive Manufactoring GroupD-92331 Lupburg | Eichenbühl 10Tel.: +49 (0)9492 9429 0 | Fax: +49 (0)9492 9429 11E-Mail: [email protected] | www.pro-fit.de

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    Additive Design and Manufacturing (ADM)als Fertigungsverfahren der Zukunft*)

    ADM by FIT: Industrial Digital Manufacturing of the Future*)

    Werner Stapelahat langjährige Erfahrung im Vertriebund Management großer Industrieun-ternehmen (G.M. ITW Protective Packa-ging Europe) sowie im Bereich M&A. Erwar erst verantwortlich für den DACH-Vertrieb bei Stratasys und ist jetzt alsVertriebsleiter bei der FIT Gruppe tätig,dem Spezialisten für Additive Manu-

    facturing und Rapid Prototyping aus Lupburg/D. SeinSpezialgebiet ist additiv unterstütztes Rapid Prototypingund die Frage, wie man die synergetischen Vorteile derdirekten und indirekten Fertigungsverfahren am bestenkombinieren kann.

    *) Vorgetragen auf der 60. Österreichischen Gießereitagungam 7./8. April 2016 in Bad Ischl/OÖ.

    Abb. 1: Al-Teile für Lenker Abb. 2: Zylinderkopf

    Abb. 3: Komplexes Rohr(links)

    Abb. 4: Windradflügel(unten)

    Abb. 5: Bracket

  • Schlüsselwörter: Zylinderkurbelgehäuse, Al vs Grau-guss

    KurzfassungIn der Automobilbranche tritt die Werkstoffdiskus-sion „Aluminium versus Gusseisen mit Lamellen-grafit (EN-GJL)“ im Antriebsstrang aufgrund einerimmer strikteren Abgasgesetzgebung sowie der For-derung nach konsequentem Leichtbau stärker in denFocus der Entwicklung. Vor allem im Bereich desMotors, in dem das Zylinderkurbelgehäuse dasschwerste Einzelbauteil darstellt, ist eine Substitu-tion des Werkstoffes Gusseisen mit Lamellengrafitdurch Aluminium auf dem Markt zu beobachten.Gleichzeitig zur Gewichtsreduktion steigen jedochdie thermomechanischen Anforderungen an dieWerkstoffe aufgrund größerer Leistungsdichten so-wie verschiedenster motorischer Maßnahmen zurVerringerung der Emissionen immens an.

    Dieser Beitrag beleuchtet die Eignung der beidengenannten Werkstoffe für das Bauteil Zylinderkur-belgehäuse. Pro und kontra Bewertungen der Werk-stoffgruppen dürfen dabei nicht aus Einzelfaktorenabgeleitet werden, sondern müssen produktspezi-fisch und gesamtheitlich mit dem Ziel der Standfes-tigkeit des Bauteils während der Laufzeit erfolgen.

    Zu Beginn der Konzeptentwicklung steht die De-finition der Leistungsdichte und der Emissionszieledes Motors. Im Rahmen der Projektarbeit werdenweitere Anforderungen, wie potentielle Bauraumge-gebenheiten im Fahrzeug, Marktvolumina und Wirt-schaftlichkeitsziele festgelegt. Die thermomechani-schen Anforderungen des Motorblocks lassen sichgenerell aus der Leistungsdichte ableiten. Diese al-leine ergeben jedoch noch keine Werkstoffauswahl.Der bereits genannte Faktor Bauraum und das Ge-wicht sind ebenfalls mit zu berücksichtigen. Beidelassen aber keine eindeutige Präferenz der Werk-stoffkonkurrenten Gusseisen mit Lamellengrafit undAluminium zu, solange man Gesamtmotorgewichte,-maße und Emissionswerte gleichwertig betrachtetund nicht im Detail auf das Einzelbauteilgewicht fo-kussiert.

    GIESSEREI RUNDSCHAU 63 (2016) HEFT HEFT 9/10

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    Aluminium versus Gusseisenmit Lamellengrafit*)

    Werkstoff-Konkurrenten in der Zylinderkurbelgehäuse-FertigungAluminium vs Cast Iron with lamellar Graphite –Competitors in the Production of Cylinder Blocks

    Dr.-Ing. Stefan Riedel,10/2001–03/2007: Studium Maschinen-bau mit den Schwerpunkten Fahrzeug-technik und Produktionstechnik an derTechnischen Universität München.05/2007–07/2011: WissenschaftlicherMitarbeiter am Lehrstuhl für Umform-technik und Gießereiwesen, TechnischeUniversität München, Arbeitsschwer-

    punkt: Stranggießen von Werkstoffen auf Kupfer Basis.Promotion 07/2012: „Untersuchungen zur Gefügeoptimie-rung beim horizontalen Stranggießen von CuZn37“.Seit 09/2011 Mitarbeiter der Abteilung Gießtechnik Motor,Motoren- und Fahrwerksplanung, Audi AG Ingolstadt.

    Dr.-Ing. Roman Viets,1995–1999: Wissenschaftlicher Mitar-beiter am Institut für Werkstoffkunde,Universität Hannover. Arbeitsschwer-punkt: Geschäftsführung Forschungs-projekte der DFG „Magnesiumtechnolo-gie, Qualitätssicherung“. Promotion2000: „Analyse von Wärmebildern zurProzeßüberwachung von Gießverfah-ren.“ Seit 05/2000 verschiedene Positionen innerhalb derAudi AG, seit 07/2007 Leiter Gießtechnik Motor, Audi AGIngolstadt.

    Dr.-Ing. Bin Lao,bis 2006 Studium Metallurgie undWerkstofftechnik an der RWTH Aachen,2006–2012: Wissenschaftlicher Mitar-beiter am Gießerei Institut, RWTH Aa-chen, Arbeitsschwerpunkt: Dauerform-gussgruppe.Promotion 05/2013: „DruckgegosseneMetallhybridstrukturen für den Leicht-

    bau-Prozess, Werkstoffe und Gefüge der Metallhybride“.Seit 2012 Mitarbeiter der Abteilung Gießtechnik Motor,Motoren- und Fahrwerksplanung, Audi AG Ingolstadt.

    *) Den Autoren und der Redaktion der FachzeitschriftGIESSEREI (102(2015), Heft 8, S. 40/47) sei für die Zu-stimmung zur Nachveröffentlichung herzlich gedankt.

    Aluminium-Zylinderkurbelgehäuse (links) und Zylinderkurbel-gehäuse aus Gusseisen mit Lamellengrafit (rechts). Fotos: AUDI

  • Die Eigenschaften des Rohteils, wie die mechani-schen Kennwerte, die Standfestigkeit oder die Bear-beitbarkeit des Rohteils in Großserie werden weiter-hin massiv durch das Gießverfahren bestimmt.

    Neben der reinen Produkttechnik müssen alsoelementare Kundenbedürfnisse sowie die Prozess-technik zur Serienfertigung bei der Entscheidungüber das Material des Motorblocks beachtet werden.Entsprechende Fehlerrisiken, die aus dem Herstell-prozess resultieren, müssen gemeinsam mit spezifi-schen Funktionsrisiken betrachtet werden.

    Zudem gilt es, wirtschaftliche Aspekte zu berück-sichtigen. Vom Rohteillieferanten, über das Moto-renwerk bis hin zum Endkunden entstehen entlangder Fertigungskette für beide Werkstoffe unter-schiedliche Kosten, die in Einklang mit den prog-nostizierten Stückzahlen gebracht werden müssen.Neben den Material- und Entwicklungskosten wirddie Wirtschaftlichkeit nicht zuletzt durch das ge-wählte Gießverfahren bestimmt.

    Auch der Einfluss einer möglichen Internationali-sierung des Produkts auf die Werkstoffwahl wird imRahmen des Beitrages erörtert.

    Das letzte Jahrzehnt der automobilen Verbrennungs-motoren-Entwicklung ist vor allem durch das zentraleThema der Reduzierung von CO2-Emissionen geprägt.In einem automobilen Lebenszyklus entstehen in etwa20 % der CO2-Emissionen in der Produktionsphase.Rund 80 % der Emissionen entstehen während derNutzungsphase, sodass besonders hier der Fokus aufEinsparung gelegt werden muss [1]. Um die stetig stei-genden gesetzlichen Anforderungen an die Emissio-nen von Kraftfahrzeugen erfüllen zu können, sindzahlreiche inner- und außermotorische Maßnahmenerforderlich. Diese führen zu einem stark erhöhten Be-lastungskollektiv für die einzelnen Motorkomponen-ten.

    Als zweites wichtiges Thema der Entwicklung istdas Downsizing zu nennen. Dabei wird der Hubraumdes Verbrennungsmotors deutlich reduziert. Die feh-lende Leistung des Motors wird z. B. durch die Tech-nologie „Aufladung“ wieder ausgeglichen. Ziel diesesWeges ist es, die Effizienz der Motoren weitestmöglichzu steigern. Durch das verringerte Hubvolumen kön-nen die Reibungsverluste im Motor, das Gewicht derbewegten Massen, Energieverluste an kleineren Ober-flächen und somit der Verbrauch gesenkt werden. DerWirkungsgrad des Motors erhöht sich. Durch diese Artder Leistungssteigerung steigt jedoch auch die Belas-tung einzelner Motorkomponenten.

    Zu guter Letzt ist hier der Leichtbau zu nennen.Nach Jahren von steigenden Fahrzeuggewichten durchdie Integration zahlreicher neuer Komfort- und Sicher-heitsfunktionen ist aktuell auf dem Markt ein gegen-läufiger Trend zu verzeichnen, der nicht zuletzt derVerbrauchsreduzierung geschuldet ist. Der Motor, ins-besondere das Zylinderkurbelgehäuse (ZKG) alsschwerstes Einzelbauteil des Aggregats, spielt dabeieine zentrale Rolle. Aus diesem Grund tritt die Werk-stoffdiskussion „Aluminium versus Gusseisen mit La-mellengrafit“ stärker in den Fokus der Konstrukteure.

    Da sich die Anforderungen aus den genannten Mega-trends:

    • Reduzierung von CO2-Emissionen,• Leichtbau und• Downsizing

    jedoch teilweise konträr verhalten, wird das Span-nungsfeld, in dem sich der Motorenentwickler bewegt,zunehmend größer. Die Frage nach dem „richtigen“Werkstoff für das Zylinderkurbelgehäuse ist dabeinicht durch die Betrachtung von Einzelkriterien zu be-antworten. Vielmehr muss die Diskussion produktspe-zifisch und ganzheitlich mit dem Ziel der Standfestig-keit des Bauteils über die gesamte Laufzeit hinweg ge-führt werden. Im Folgenden soll die Frage nach demWerkstoff anhand einiger ausgewählter Aspekte näherbetrachtet werden.

    Thermomechanische AnforderungenBetrachtet man die Leistungsentwicklung einzelnerMotorreihen über die vergangenen 20 Jahre, so stelltman fest, dass sich die Leistung der meisten Aggregatein diesem Zeitraum nahezu verdoppelt hat. Ebensosignifikante Steigerungen sind in der Entwicklung desDrehmoments zu verzeichnen. Abb. 1 zeigt eine Über-sicht über die Zunahme von Leistung und Drehmo-ment bei gleichzeitiger Reduzierung der CO2-Emissio-nen am Beispiel der AUDI V6 TDI-Motoren (FahrzeugAUDI A6) von 1997 bis heute.

    Gleichzeitig haben sich in diesem Zeitraum auch dieEmissionsanforderungen an die Motoren immens ver-schärft. Im Jahr 1992 wurde die Euro 1-Abgasnormeingeführt. Die zulässigen Emissionen wurden bisheute in verschiedenen Stufen stark reglementiert. Dieaktuellen Grenzwerte der seit September 2014 gelten-den Euro 6-Abgasstufe liegen bei 80 mg/km Stickoxideund 4,5 mg/km Rußpartikelausstoß für Dieselmotoren

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    0Jahr

    V6 TDIV6 TDI Gen1

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    V6 TDI Gen2 MP

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    omen

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    ab 2014

    1998 - 2003

    Drehmoment

    Leistung

    CO2-Emission

    Audi A6

    Abb. 1: Leistungs- und Drehmomententwicklung bei den AUDIV6 TDI-Motoren. Grafik: AUDI

  • und 60 mg/km Stickoxide für Ottomotoren. Erstmalswird aufgrund von emittierten Feinstaubpartikelnauch für Ottomotoren der Rußpartikelausstoß auf45 mg/km limitiert und bis 2017 an das Niveau vonDieselmotoren angeglichen [2].

    Die Maßnahmen der Motorenentwickler zur Einhal-tung dieser Vorgaben sind vielfältig. Neben zahlrei-chen außermotorischen Entwicklungen, wie beispiels-weise die Einführung von SCR-Systemen (selektive ka-talytische Reduzierung) bei Dieselmotoren zur Vermin-derung der NOx-Abgase, müssen verschiedenste inner-motorische Änderungen umgesetzt werden. Diese be-treffen zum Beispiel Veränderungen des Arbeits- bzw.Brennverfahrens, wodurch sich eine Anhebung desZylinderspitzendruckes (bei Dieselmotoren), des Ein-spritz- und Zünddruckes sowie eine Steigerung desTemperaturniveaus ergeben. Diese Maßnahmen resul-tieren in einem stark gesteigerten Lastkollektiv für dieMotorkomponenten, das im Folgenden beschriebenwird.

    Die Belastungen für das ZGK lassen sich in 4 Haupt-bereiche untergliedern (Abb. 2):

    • Stegbereich zwischen den Zylindern,• Zylinderrohr / Laufbahn,• ZK-Schraubenpfeifen und• Lagerstuhl.

    Hauptkriterium im Steg ist die thermomechanischeBelastung. Durch zusammengegossene Zylinder – ge-schuldet dem Thema Zylinderabstand bzw. Baulängedes Motors – ergeben sich hohe thermische Belastun-gen durch schlechte Wärmeabfuhrbedingungen. Da dieStegbreite massiv und unmittelbar den Gesamtbau-raum des Motors beeinflusst, ist hierauf ein besonde-res Augenmerk zu legen. Bei Aluminium-Zylinderkur-belgehäusen ist die Stegbreite vor allem bei gefügtenBuchsen in Hinblick auf die verbleibende tragfähigeAluminium-Restwand zu beachten. Bei beiden Werk-stoffgruppen kommen vorgegossene bzw. mechanischeingearbeitete Stegkühlungen zum Einsatz. Für einAluminium-Zylinderkurbelgehäuse dienen dieseKühlkanäle nicht alleine der Wärmeabfuhr, sondernhier gilt es zudem Abdichtprobleme der Zylinderkopf-

    dichtung durch Kriechvorgänge, den sogenanntenStegeinfall, zu verhindern.

    Der Bereich der Laufbahn ist vor allem durch ther-momechanische Belastungen gekennzeichnet. Haupt-aufgabe der Zylinderwand ist die Aufnahme der Gas-kräfte aus der Verbrennung. Die dabei entstehendeWärme muss durch die Zylinderwand abgeführt wer-den. Gleichzeitig ist die Laufbahn tribologischer Part-ner für Kolben und Kolbenringe. Daraus ergeben sicherhöhte Anforderungen in Bezug auf Verschleiß, Reib-leistung, Korrosionsfestigkeit und Ölverbrauch [3, 4].

    Während Zylinderkurbelgehäuse aus Gusseisen mitLamellengrafit (EN-GJL) die geforderten Aspekte be-reits im Grundwerkstoff mit sich bringen, sind dieLaufbahn-Technologien für Aluminium-Zylinderkur-belgehäuse vielfältig. Neben heterogenen Konzepten,wie eingegossenen bzw. thermisch/mechanisch gefüg-ten Buchsen oder monolithischen Lösungen, wie über-eutektischen AlSi-Legierungen als Zylinderkurbelge-häuse-Werkstoff, kommen bei aktuellen Motorkonzep-ten verstärkt quasi-monolithische Bauweisen zum Ein-satz. Diese Beschichtungslösungen sollen vor allem inHinblick auf Wärmeabfuhr, Reibleistung, Ölverbrauch,Verschleißbeständigkeit, Kraftstoff- und Kondensatein-trag in das Motoröl, Vorteile verschaffen. Auch inRichtung Korrosionsschutz der Laufbahn eröffnen sichEntwicklungsmöglichkeiten. Grundsätzlich ist festzu-halten, dass Zylinderkurbelgehäuse aus Gusseisen mitLamellengrafit die Laufbahn bereits mit sich bringen,wohingegen bei Aluminium-Zylinderkurbelgehäusenein erhöhter Aufwand zur Erzeugung der Laufflächeerforderlich ist, der sich in Mehrkosten und Prozessri-siken äußert.

    Der Bereich der Zylinderkopfverschraubung wirdvorwiegend mechanisch belastet. Durch die räumlicheNähe zu Laufbahn und Wassermantel ist hier beson-ders auf eine saubere Entkopplung zu achten, damit:1. die hohen Vorspannkräfte nicht in Verzügen der

    Laufbahn resultieren, oder2. konstruktive Kerbstellen in Kraftflussrichtung nicht

    rissbegünstigend zum Wasserraum wirken.

    Im Lagerstuhl treten hauptsächlich mechanische Bean-spruchungen auf. Je nach Motorkonzept existieren ver-schiedene Methoden, um die Kurbelwelle im Zylin-derkurbelgehäuse zu lagern. Unterschieden werdenunter anderem die Konzepte:

    • Schürzenbauweise,• Zylinderkurbelgehäuse-Oberteil mit Bedplate und• Schürzenbauweise mit Lagerrahmen [3].

    Die Belastungen durch die Kurbelwelle und durch dieVorspannung der Lagerdeckel werden über die Haupt-lagerschrauben in das Zylinderkurbelgehäuse geleitetund sollten möglichst im Kraftfluss zur Zylinderkopf-verschraubung und dem Zündschlag liegen. Zusätz-lich werden bei hochbelasteten Zylinderkurbelgehäu-sen Querverschraubungen zur Erhöhung der Steifig-keit eingebracht. Für Hochleistungs-Aluminium-Zylin-derkurbelgehäuse ist gegebenenfalls ein sogenanntesZugankerkonzept als Mehraufwand erforderlich, beidem sowohl die Kräfte aus der Zylinderkopfverschrau-bung als auch durch die Hauptlagerverschraubung ineinem Stahlbolzen aufgenommen werden. Dabei

    GIESSEREI RUNDSCHAU 63 (2016) HEFT HEFT 9/10

    216216

    Steg

    ZK-Schraubenpfeifen

    Zylinderrohr / Laufbahn

    Lagerstuhl

    Abb. 2: Hauptlastzonen im Zylinderkurbelgehäuse.Grafik: AUDI

  • schwindet der Gewichtsvorteil von Aluminium gegen-über EN-GJL aber deutlich oder gar gänzlich. Gleichesgilt für die Bedplate-Bauweise, bei der aufgrund derhohen Wärmedehnung des Aluminiums Grauguss-Ein-legeteile im Lagerstuhlbereich zum Einsatz kommen,die einer hohen Spaltbildung an den Lagerstellen unddamit hohen Öldruckverlusten bei reiner Aluminium-Bauweise entgegenwirken.

    Durch die Ermittlung der Schwingfestigkeit kann dieFähigkeit eines Werkstoffes beschrieben werden, Be-lastungen im Lagerstuhl zu ertragen. Dazu werdenWerkstoffproben aus dem realen Bauteil entnommenund zyklisch mit Zug und Druck beaufschlagt (Fre-quenz f = 20 kHz, Spannungsverhältnis R = -1). Umdie Bedingungen des Motorbetriebes nachzustellen, er-folgt die Prüfung bei 150 °C.

    chanischen Anforderungen, die Wirtschaftlichkeit,Prozesssicherheit, Modulbauweise, usw.

    Während auf dem Markt besonders im Ottomotoren-Bereich in den vergangenen Jahren eine Substitutiondes Werkstoffes EN-GJL durch Aluminium zu beob-achten war, zeigen aktuelle Motorenkonzepte unterden Aspekten:

    • Bauraumbegrenzung durch Hybridisierung,• Modulbauweise: Gleichteil-Strategie trotz Leistungs-

    klassen-Spreizung,• Wertschöpfungsgewinn und• Produktkostenaufwand (Laufbahn)

    wieder Vorteile des Werkstoffes Gusseisen auf. Die Ent-scheidung für einen Zylinderkurbelgehäuse-Werkstofferfordert also die Betrachtung vieler Einzelaspekte imGesamten. Ausgewählte Entscheidungskriterien wer-den im Folgenden nun detaillierter betrachtet.

    GießverfahrenNach der Klärung der Anforderungen an das Bauteil,wie Leistungs- und Gewichtsziele und Bauraum, er-folgt die Auswahl des Werkstoffes und des Gießverfah-rens. Grundsätzlich sind die Gießverfahren zu unter-scheiden nach Art:

    • der Form: Dauerform (Kokillen- / Druckgießform)oder verlorene Form (Sandguss),

    • der Kernherstellung (Sand-/Binder-System / Stahl-kernzug) und

    • des Formfüllens (Schwerkraftfüllen oder druckbeauf-schlagtes Füllen).

    Während sich das Gießverfahren für EN-GJL in derPraxis auf das Verfahren Sandgießen beschränkt, kom-men im Aluminiumbereich verschiedene Verfahrenzum Einsatz (Abbn. 4 und 5).

    Allgemein ist zu erwähnen, dass die Dauerformver-fahren Kokillengießen und Druckgießen Vorteile durchbessere Wärmeabfuhr bieten. Die erhöhten Erstar-rungsgeschwindigkeiten erlauben in den meisten Fäl-len beim Druckgießen einen Verzicht auf kosteninten-sive Wärmebehandlung. Maximal sind Auslagerungs-behandlungen zu veranschlagen. Nachteile der Dauer-formverfahren entstehen in der geometrischen Gestal-tung des Bauteils und im Hinblick auf eine möglichsthohe Funktionsintegration. In diesen beiden Themen-bereichen spielt das Sandgießen seine Vorteile aus,bringt jedoch Nachteile in Form von hohem Investiti-ons- und Fertigungsaufwand für die Form- und Kern-herstellung und des Recycelns des Sandes mit sich.

    Eine Auswahl des Gießverfahrens hat produktspezi-fisch unter Berücksichtigung folgender Aspekte zu er-folgen:

    • gemäß den Anforderungen des Bauteils idealer Her-stellprozess mit höchster Prozesssicherheit und un-ter Einbeziehung realistischer Fehlertoleranz,

    • Einzelkosten, Prozess-, Prüf- und Reinigungskosten,Stückzahlen,

    • mechanische Anforderungen: statisch/dynamisch er-zielbare Festigkeitswerte sowie ihre seriensicherhaltbaren Toleranzen,

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    Lastspielzahlen

    1,0E+04 1,0E+05 1,0E+06 1,0E+07 1,0E+08 1,0E+09

    Al übereutektischAl untereutektisch, sek.Al untereutektisch, prim.

    EN-GJL 250EN-GJV 450

    2

    SpannungsamplitudeinMPa

    Abb. 3: Schwingfestigkeit verschiedener Aluminium- undEN-GJL-Werkstoffe. Grafik: AUDI

    Abb. 3 zeigt die Werte (90 % Überlebenswahrschein-lichkeit) für die beiden Werkstoffgruppen Aluminiumund EN-GJL. Beispielhaft sind pro Werkstoffgruppeverschiedene Legierungen dargestellt, die sich signifi-kant unterscheiden. Lagerstuhlproben aus EN-GJV 450ertragen die doppelte dynamische Spannungslast ge-genüber EN-GJL 250 sowie gegenüber sämtlichen un-tersuchten Aluminiumlegierungen. Aluminiumprobenweisen insbesondere als Primärlegierung höhere Last-spielzahlen auf.

    Zusätzlich zu den steigenden thermomechanischenAnforderungen an die Werkstoffe erhöht sich dasSpannungsfeld für den Entwickler weiterhin dadurch,dass die Forderungen nach konsequentem Leichtbauim Gesamtfahrzeug immer stärker werden. Für denMotor, der im Schnitt mit ca. 3–4 % zum Gesamtge-wicht [5] eines Fahrzeuges beiträgt, steht besondersdas Zylinderkurbelgehäuse als schwerstes Einzelbau-teil im Fokus der Konstrukteure. Hier stellt sich vor al-lem die Frage nach dem „richtigen“ Werkstoff im Hin-blick auf die Leistungsklasse und damit die thermome-

  • • Einzelteilgewicht-Potential gegenüber Gesamtmotor-gewicht-Resultat,

    • Gleichteilpotential gegenüber Konstruktionsvarian-tenbaum und

    • geometrische Randbedingungen sind besonders zahl-reich, jedoch nicht beliebig kombinierbar: Bauraum;Closed- oder Open-Deck-Konzept; Funktionsintegra-tion; absolute Min-Max-Wanddicken; Wanddickento-leranz der Rohteilkontur in Serie; Zusatzgewicht in-folge a) Aushebeschrägen, b) Übergangsradien, c)Speisungsauflagen/-rippen, d) Hinterschnitten, e)Zusatz-Anbauteilen, f) Zusatz-Verschraubungen …

    Fertigungstechnik –ProzessketteAnhand der gewählten Kombinationaus Werkstoff und Gießverfahren istdie Fertigungs-Prozesskette beimRohteillieferanten aufzubauen. Fürdie Fertigung von EN-GJL-Zylinder-kurbelgehäusen sieht der Prozessab-lauf in den meisten Fällen gleichaus: Sandkernpakete oder Teilkern-pakete werden in Grünsandformengesetzt und über Schwerkraft mitSchmelze gefüllt.

    Im Aluminium-Bereich hängt derFertigungsablauf stark vom gewähl-ten Gießverfahren ab. Stellt man fürbeide Werkstoffgruppen die Prozess-kette auf der Basis des Sandgießensgegenüber, so ergeben sich signifi-kante Unterschiede (Abb. 6).

    Wärmebehandlung:Um die geforderten Werkstoffkenn-werte auf vergleichbarem Niveau zuEN-GJL erreichen zu können, ist fürein Aluminium-Zylinderkurbelge-häuse zwingend eine Wärmebehand-lung erforderlich.

    Imprägnieren:Um die Druckdichtigkeit des Zylin-derkurbelgehäuses vor allem im Be-reich von Medienkanälen zu ge-währleisten, ist in Aluminium-An-wendungen aufgrund der starkenLunkerneigung das selektive Impräg-nieren der Bauteile vorzusehen. Mit-tels vorgeschalteter Druckverlust-messungen ist abzusichern, dasskeine Grobleckstellen abgedichtetwerden, die im Motorbetrieb beson-ders über die Lebenszeit zu Undich-tigkeiten führen.

    Laufbahnerzeugung:Während EN-GJL-Zylinderkurbelge-häuse bereits die Anforderungen andie Laufbahn werkstoffseitig er-füllen, besteht bei Aluminium-Zy-

    linderkurbelgehäusen ein erhöhter Aufwand, da dieStandard-Zylinderkurbelgehäuse-Aluminiumlegierun-gen mit Ausnahme der übereutektischen LegierungAlSi17Cu4Mg als tribologischer Partner für Kolbenund Kolbenringe ungeeignet sind. Gängige Lösungensind das Fügen bzw. Eingießen von EN-GJL-Buchsenoder das Beschichten der Laufbahn.

    Aus den aufgezeigten Prozessketten für die beidenWerkstoffgruppen Aluminium und EN-GJL werden imFolgenden Auswirkungen auf die Kosten, möglicheQualitätsrisiken sowie Risiken für eine mögliche welt-weite Produktion abgeleitet.

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    Teil-Kernpaket (liegend)

    ► seitliche Außenkontur (Einlass- undAuslassseite) durch tongebundenenGrünsand abgebildet

    ► Sandstellen außen am Bauteil durchGrünsand

    ► Kernauftrieb und -durchbiegung durchliegende Gießlage höher als bei stehen-der Gießlage

    ► Kernstützen zur Einhaltung vonToleranzen nötig

    ► manueller Mehraufwand über Kernstützenz. B. Wassermantel

    ► Blasen im Oberkasten wegeneingeschränkter Entlüftung

    ► wegen mangelnder Speisung nur fürEN-GJL geeignet

    ► gesamte Kontur durch Cold-Box-Sandkerne abgebildet

    ► geringere Gefahr von Sandstellen► engere Wanddickentoleranzen (± 0,5 mm)und Nennwanddicke (3 mm) darstellbardurch reduzierte Auswirkung derAuftriebskraft

    ► beruhigtes Formfüllen, da Gießlagesymmetrisch zu Formfüllrichtung

    ► Fertigmontage Kernpaket direkt inKernmacherei

    ► Speisung der ZK-Schraubenpfeifen beiEN-GJV durch Topdeck-Speiser sicher-gestellt

    Voll-Kernpaket (stehend)

    Abb. 4: Gängige Gießverfahren im EN-GJL-Bereich. Grafik: EISENWERK BRÜHL

    Kokillengießen (KG)Sandgießen (SG)Schwerkraft

    Druckgießen (DG)

    ► langsames, steigendes► langsames, steigendesFüllen über Topdeck-Anschnitt mit 180°Drehung oderLagerstuhl-Anschnittohne Drehung

    ► Nachspeisung bis zumÖW-Flansch durchKühlwirkung derLagerstuhl- undZylinderbohrungs-kokillen nur bedingtmöglich

    ► Kernaudit► größte geometrischeFreiheit

    steigendes Füllen

    gerichtete Erstarrung

    Speisung beachten

    aufwendiges ThermomanagementKokille

    Wärmehaushalt nur bei konstantemTakt stabil

    Gute Lagerstuhl-Festigkeit

    ► hochturbulenteStrahlfüllungbegünstigtLufteinschluss imTopdeck

    ► Gusshaut erstarrtunter max. Druck

    ► beschränkteNachspeisung imBauteilinneren=> Lunkerrisiko

    ► feinkörniges Gefügein 0,8-mm-Gusshauthat besseremechanischeEigenschaften alsTabellenwert

    Abb. 5: Gängige Gießverfahren im Aluminium-Bereich. Grafik: NEMAK

  • QualitätBei Aluminium sind im Wesentlichen die nachfolgendaufgeführten Faktoren für die Eigenschaften des Guss-bauteils ausschlaggebend:

    Ausbildung des Gefüges (Matrix):• sekundärer Dendritenarmabstand (kurz SDAS) im

    Primärkristall: abhängig von den lokalen Abkühlbe-dingungen, mit Einfluss auf Deh-nung und Zugfestigkeit, stati-sche und dynamische Kenn-werte,

    • im Sand- und Kokillengießver-fahren ist Kornfeinung möglich,

    • Eutektikum: wichtig ist einehohe Abkühlrate, damit sich dieSi-Kristalle kompakt und nichtgrob, körnig oder lamellar einfor-men. Die Abkühlrate ist durchWanddicke und Gießverfahrenbeschränkt, so dass die Zugabevon Na oder Sr zur Veredelungbeim Sand- und Kokillengießver-fahren erforderlich bleibt.

    Ausprägung der Porosität:• Aluminium besitzt im flüssigen

    Zustand vor allem bei hohenTemperaturen ein hohes Lö-sungsvermögen für Wasserstoff.,Während der Erstarrung nimmtdie Löslichkeit dann sprunghaftab und Wasserstoff scheidet sichin Form von Poren aus.

    • Die Volumenschrumpfung während der Erstarrungliegt zwischen 2–7 %, wodurch ein erhöhtes Risikozur Bildung von Lunkern besteht.

    Einfluss von Verunreinigungen:• Fe bildet in Verbindung mit Si verschiedene nade-

    lige Ausscheidungen, die die Zugfestigkeit und Deh-nung stark vermindern, insbesondere kerbwirksameaAl5FeSi-Phasen.

    HEFT 9/10 GIESSEREI RUNDSCHAU 63 (2016)

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    GießformKokille o.Kernpaket

    Wärmebehandlunginkl. Entsandung

    VorbearbeitungFokus:

    Eigenspannungen,Warmrisse, Lunker,Poren, Oxide, Blasen,

    Span-, Gratbild

    LaufbahnerzeugungBuchse oder Beschichtung

    MotorbauMontage

    GießformKernpaket

    Abguss4-fach

    20-45-s-Takt

    PutzenGießsystem u. Flitt

    trennen

    Abguss1-fach, 40-600 s Takt

    MotorbauMontage

    Vorbearbeitung

    inkl. LackierenFokus: Schlichte-,Sandeinschlüsse,Karbide, Blasen

    PutzenGießsystemu. Flitttrennen

    Fertigbearbeitung Fertigbearbeitung

    selektives

    Imprägnieren

    SchlichtenInnenstrahlen

    Abb. 6: Vergleich der Sandgieß-Prozesskette für Aluminium und EN-GJL. Grafik: AUDI

    Aluminium EN-GJL

    • Schlackeeinschluss

    • Weißerstarrung

    • Gasblasen

    • Sandeinschluss

    • Vererzungen

    • Blattrippen

    • Schülpen

    Kontrolle

    Sandsystem,

    Schlichte,

    Kernpaket-

    Montage

    Kontrolle

    Schmelze

    Oxideinschwemmung

    Lunker

    Blattrippe Vererzung

    BlaseLunker

    Pore

    Fe-Nadel

    • Fe-Nadel

    • Oxide

    • Poren

    • Lunker

    • Sandpenetration

    • Restrisiko chemische

    Affinität zu O, H, Fe,

    P

    Sand-

    penetration

    Kontrolle

    Schmelze

    Kontrolle

    Formfüllen

    und

    Erstarrung

    Abb. 7: Schwerpunktgießfehler bei Aluminium und EN-GJL. Grafik: AUDI

  • • Durch die hohe Affinität zu Sauerstoff und Wasser-stoff bilden sich Oxide (Al2O3) mit keramischemCharakter.

    Für den Werkstoff Gusseisen müssen andere gießtech-nische Besonderheiten beachtet werden:• Aufgrund des binären Systems Fe-C ist eine stabile

    oder metastabile Erstarrung mit starker Abhängigkeitvon der Schmelze-Zusammensetzung und der Wand-dicke des Bauteils (Abkühlgeschwindigkeit) mög-lich.

    • Grundgefüge: ausschlaggebend ist das Verhältnis Fer-rit/Perlit: je höher der Perlitanteil, desto höher dieFestigkeit.

    • Die Ausbildung von Perlit/Ferrit hängt vom C- undSi-Gehalt ab.

    • Durch eine Impfbehandlung wird der Keimhaushaltverändert, die Grafitausscheidung und das Grundge-füge werden begünstigt.

    • Während EN-GJL selbstspeisend ist, ist für EN-GJVdas Speisungsdefizit zu beachten.

    Abb. 7 gibt eine Übersicht über ausgewählte werkstoff-spezifische Gießfehler. Wichtig zu erwähnen ist, dassfür Aluminium-Gusslegierungen ein Rest-Qualitätsri-siko durch die hohe Affinität zu O2, H2, Fe und P so-wie durch das große Speisungsdefizit besteht. Die An-zahl der möglichen inneren Werkstoffdefekte ist höherals für EN-GJL. Für die Bauteilqualität ist allerdingsdie Auftretenswahrscheinlichkeit sowie die Auswir-kung des jeweiligen Fehlers entscheidend [6].

    WirtschaftlichkeitDie entstehenden Kosten sind unmittelbar vom ge-wählten Gießverfahren abhängig. Auf der Basis deraufgezeigten Prozessketten für ein Aluminium- undein EN-GJL-Zylinderkurbelgehäuse, hergestellt imSandgießverfahren, wurden als wesentliche Unter-schiede die Prozessschritte Wärmebehandlung, Im-prägnieren und Laufbahnerzeugung aufgezeigt. Diesewerden im Folgenden genauer betrachtet. Basis dieserBewertung ist ein Reihen-4-Zylinder-EN-GJL-Zylinder-kurbelgehäuse, das mit 100 % Kosten angesetzt wird.

    Wärmebehandlung:Bei Aluminium-Zylinderkurbelgehäusen erfolgt dieWärmebehandlung in der Regel in Kombination mitdem thermischen Entsandungsprozess in einemDurchlaufofen, zumeist im „Thermal Sand Reclama-tion“-Process. Zunächst wird das gesamte Kernpaketin den Ofen eingefahren. Durch die thermische Ein-wirkung verbrennt der Restbinder in den Sandkernen,sodass diese zerfallen. Anschließend durchläuft dasBauteil den geforderten Wärmebehandlungsprozess. Jenach gewählter Wärmebehandlung entstehen Mehr-kosten gegenüber einem EN-GJL-Zylinderkurbelge-häuse in Form von Investitions-, Instandhaltungs- undEnergiekosten. Für eine T6-Wärmebehandlung beträgtdie Kostenerhöhung etwa 10 % (stückzahlabhängig).

    Imprägnieren:Bedingt durch die hohen Speisungsdefizite sowie diehohe Affinität zu nichtmetallischen Einschlüssen nei-

    gen Aluminium-Zylinderkurbelgehäuse in druckbeauf-schlagten Bereichen, an denen die Gusshaut durchmechanische Bearbeitung wegbearbeitet wird, zu Un-dichtigkeiten. Besonders unter erhöhten Temperatu-ren, wie sie im motorischen Betrieb auftreten, kann esdadurch zum Ölschwitzen bzw. zu Undichtigkeitenkommen, die bei Raumtemperatur nicht messbar wa-ren. Diese besonderen Umstände können ein nachträg-liches Abdichten der Bauteile erforderlich machen. ImSand- und Kokillengießverfahren betrifft das in der Re-gel etwa 15 % der Zylinderkurbelgehäuse. Das Guss-teil wird dabei meist in einer Unterdruckkammerdurch ein Harzbad geführt, wodurch die oberflächen-nahen Materialdefekte mit Harz gefüllt werden. Ab-schließend erfolgt das Trocknen und Reinigen desBauteils von überschüssigem Abdichtmittel. Danachist die Dichtprüfung zu wiederholen. Je nach gewähl-tem Imprägnierverfahren und zusätzlicher Dichtheits-überprüfung entsteht ein Mehrkostenaufwand in Höhevon rund 10 % (Basis: R4-Zylinderkurbelgehäuse,stückzahlabhängig).

    Laufbahnerzeugung:Hier ist zu unterscheiden zwischen den marktüblichenTechnologien „gefügte/eingegossene“ EN-GJL-Buchseund Beschichtungen. Alle Varianten erfordern eineVorbearbeitung des Zylinderrohrs. Während zum Fü-gen der Buchse das Feinspindeln des Zylinderrohresausreicht, ist für das Auftragen einer Beschichtung einzusätzliches Aufrauen der zuvor bearbeiteten Oberflä-che nötig. Erst durch die erzeugten Hinterschnitte inder Oberflächenstruktur wird das sichere Haften derSchicht auf dem Substrat gewährleistet. Für das Fügenvon Buchsen (inkl. Materialkosten) erhöhen sich dieKosten um 30–40 %, für eine Beschichtung ist eine Er-höhung der Kosten um 50–70 % aufzuzeigen (Basis at-mosphärisches Plasmaspritzen, stückzahlabhängig).

    Rohmaterialpreis:Zusätzlich zu den genannten Differenzen der Prozess-schritte ist natürlich der unterschiedliche Rohmate-rialpreis zu beachten. Während EN-GJL derzeit mit ca.0,20 Euro/kg auf dem Weltmarkt gehandelt wird, be-trägt der Preis für 1 kg Aluminium rund 2,30 Euro(Stand Oktober 2014).

    Durch die aufgeführten Preise ergeben sich in Ab-hängigkeit vom Gewicht, des gewählten Laufbahnkon-zepts und der gewählten Wärmebehandlung deutlicheMehrkosten für ein Aluminium-Zylinderkurbelge-häuse gegenüber einem vergleichbaren Zylinderkur-belgehäuse aus EN-GJL.

    InternationalisierungUm Entwicklungs- und Investitionskosten zu senken,versuchen die meisten OEMs durch StandardisierungKosten zu sparen. Dieser Trend wirkt sich auch auf dieangebotenen Motorreihen aus. Durch sogenannte Platt-form- oder Baukastenstrategien wird versucht, einHöchstmaß an Gleichteilen zu erzeugen, um Skalenef-fekte maximal ausnutzen zu können. Die Basis-Rumpf-motoren müssen entsprechend an die kunden-, länder-und fahrzeugspezifischen Gegebenheiten angepasst

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  • werden. Im Falle von weltweit produzierten Motorenspricht man von „globalen Motorplattformen“ [7].

    Die Anforderung, weltweit aus Gleichteilen Motorenproduzieren zu können, ist jedoch oft mit hohenSchwierigkeiten verbunden. Lokale Produktionsstät-ten, die in vielen Ländern zur Erfüllung der „localcontent“-Vorgaben mit einbezogen werden müssen, er-füllen die vorgegeben Produktionsstandards und dasgeforderte Qualitätsniveau selten. Mangelnde Entwick-lungserfahrung, fehlende Automation und einge-schränktes Prozessbewusstsein sind die größten Defi-zite. Eine intensive Betreuung der Lieferanten vor Ortist hier notwendig. Dabei ist zu beachten, dass Guss-qualität durch stabile und robuste Fertigungsprozesseentsteht. Diese werden durch eine gießgerechte Kon-struktion der Bauteile sowie eine robuste Werkzeug-auslegung grundlegend definiert. Die Restqualität wirddurch das Gießereipersonal direkt durch fachgerech-ten Umgang mit Betriebsmitteln und Betriebsstoffenverantwortet. Tabelle 1 veranschaulicht die Wirksam-keit der Einflussfaktoren zur Erzeugung von Gussqua-lität. Diese Einschätzung entstammt einer bereits imJahr 2003 durchgeführten Umfrage unter 10 Gießex-perten des europäischen Gießereimarkts. Deutlichwird dabei der Unterschied zwischen den Werkstoff-gruppen Aluminium und Eisen. Während bei EN-GJLder Einfluss der Geometrie auf die Bauteilqualität mit60 % eingeschätzt wird, liegt der Einfluss bei Alumi-nium bei 75 %, vor allem aufgrund des hohen Spei-sungsdefizits während der Erstarrung. Das heißt, dass80 % (EN-GLJ) bzw. 95 % (Aluminium) der Bauteil-

    qualität rein durch eine gießgerechte Bauteilkonstruk-tion und eine robuste Werkzeugauslegung in der frü-hesten Projektphase vor der Erprobung festgelegt wer-den. Komplizierte Bauteilgeometrien und pflegeinten-sive Sondergießverfahren sind demnach nur für Ni-schenprodukte ohne weltweiten Rollout geeignet.

    Aus den genannten Gründen ist es schwieriger, in-ternational qualitativ hochwertige Aluminium-Zylin-derkurbelgehäuse zu fertigen. Bei hochwertigen Eisen-legierungen steigen die Ansprüche an den Gießer imHinblick auf Metallurgie und Formstoffe jedochebenso stark an, sodass auch hier eine internationaleProduktion oft mit Schwierigkeiten verbunden ist.

    FazitAus diesem Beitrag geht hervor, dass es nicht den„richtigen“ Werkstoff für das Bauteil Zylinderkurbel-gehäuse gibt. Produktspezifisch muss für jede Neukon-struktion zu Beginn der Entwicklung untersucht wer-den, welcher Werkstoff die beste Lösung entsprechenddem Anforderungsprofil Bauraum und Kundennutzendarstellt. Dazu müssen viele Einzelfaktoren gemein-sam bewertet und priorisiert werden. Die isolierte Be-achtung von singulären Kriterien genügt keinesfalls,wenn als Zielgrößen der Kundennutzen, das techni-sche Optimum sowie die Profitabilität zu erfüllensind.

    Literatur:[1] Giesserei-Rundschau 60 (2013), [Nr. 9/10], S. 273–277.[2] Giesserei 101 (2014), [Nr. 1], S. 214–227.[3] Köhler, E.; Flierl, R.: Verbrennungsmotoren. Motorme-

    chanik, Berechnung und Auslegung des Hubkolbenmo-tors. 5. Auflage, Vieweg + Teubner, GWV FachverlageGmbH, Wiesbaden, 2009.

    [4] Böhme, J.; Fröhlich, A.; Doerr, J.: Tendenz der Motoren-entwicklung, wo liegt die Zukunft des Verbrennungsmo-tors. Textbeitrag Gießereitagung Magdeburg, 30.–31. Ja-nuar 2003.

    [5] Giesserei 99 (2012), [Nr. 5], S. 30–39.[6] Hasse, S.: Gießereilexikon. 18. Auflage, Schiele & Schön

    GmbH, 2001.[7] Ruppert, T.: Modularisierung des Verbrennungsmotors

    als strategische Option in der Motorenindustrie. Disser-tation, Universität Kassel, kassel university press GmbH,2007.

    Kontaktadresse:AUDI AG, I/PA-162 | D-85045 IngolstadtTel.: +49-(0)841-89-37014 | Mobile: +49-151-43861506E-Mail: [email protected] | www.audi.com

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    Qualitäts-Einflussfaktor Einfluss in %

    Aluminium EN-GJL,EN-GJV

    Bauteilgeometrie(gießtechnisches Designinklusive Teilungen)

    75 60

    Werkzeugauslegung(Formstoffe, reines Gieß-system, z. B. Speiser,Anschnitte, Kühleisen)

    20 20

    Schmelze (Herstellung,Temperatur und Reinigung) 2 15

    Gießparameter(variable Größen) 3 5

    Tabelle 1: Einflussfaktoren Gussqualität.

    Der VÖG im Internet: www.voeg.at

  • klassischen Verbundlegierungen zu immer höherfeste-ren und leistungsfähigeren Legierungen stellt stetigsteigende Anforderungen an den Walzplattierprozess,was zu Bestrebungen führt, die verschiedenen Schich-ten in einem einzigen Prozessschritt im Verbund zugießen. Durch das Gießen von bandförmigem Verbund-material in einem Prozessschritt können die Produk-tion vereinfacht, Produktionskosten gespart und vorallem neue Kombinationen von Aluminiumlegierun-gen realisiert werden [8].

    Ziel eines seit mehreren Jahren am ÖGI durchge-führten Projektes ist die Herstellung plattenförmigerVerbundgussstücke aus unterschiedlichen Alumini-umlegierungen und Reinaluminium in einem quasi-kontinuierlichen Gießprozess. Im Zuge dessen wurdeauch eine Kleinanlage zur Durchführung von Ver-bundgussversuchen entwickelt, gefertigt und aufge-baut. Die Anlage ist so ausgelegt, dass sie die Erpro-bung von verschiedenen Materialpaarungen unter-schiedlicher Dicke bei vorgewählter Substrat- undSchmelzetemperatur und unter definierten Gießge-schwindigkeiten ermöglicht. Diese Gießversuche glie-dern sich in vier Bereiche, in denen sowohl die gieß-technischen Möglichkeiten der Anlage erprobt, alsauch die Auswirkungen der gewählten Gießparameterauf die Verbundbildung untersucht werden. Als unter-stützendes Werkzeug bei der Planung der Paketewurde ein zweidimensionales Finite-Elemente-Modellder Gießanlage herangezogen. Damit lassen sich diethermischen Auswirkungen einzelner Gießparameterauf die Verbundplatten quantitativ bestimmen und diewesentlichen Einflussgrößen filtern und bewerten.

    2. GießprozessDer eigentliche Gießvorgang kann in sechs Prozess-schritte unterteilt werden, die in Abb. 1 dargestelltsind. Zu Beginn wird eine Substratplatte (dunkelgrünabgebildet) in die Gießkammer eingelegt und durch6 Heizpatronen (rot) im Kupferblock (hellgrau) aufge-heizt (a). Eine aufgesetzte und in horizontaler Rich-tung verschiebbare Gusseisenplatte (dunkelgrau) dich-tet den Gießraum nach oben ab; in Gießrichtung wirdder Gießraum durch eine Platte aus keramischem Fa-sermaterial abgedichtet (beige) (b). Um das Anklebenvon Schmelze an der Gusseisenplatte während desGießvorganges zu verhindern, ist eine Graphitplatte(schwarz) in die Unterseite der Gusseisenplatte einge-setzt.

    Sobald eine definierte Oberflächentemperatur derSubstratplatte erreicht ist, werden die Gießlippe (hell-grün) und die Gießbox (rot) auf der Gusseisenplattepositioniert (c). Beide Bauteile sind aus einem kerami-schen Fasermaterial gefertigt und werden vor dem

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    Schlüsselwörter: Verbundguss, Dünnbandguss, Nume-rische Simulation, Prozessentwicklung, Aluminiumle-gierungen

    1. EinleitungAluminium-Verbundwerkstoffe sind in den verschie-densten technischen Anwendungen zu finden, wiezum Beispiel in Produkten der Luft- und Fahrzeugin-dustrie oder im industriellen Kühlerbau [1, 2]. DieVorteile der Verbindung verschiedener Aluminiumle-gierungen mit unterschiedlichen Eigenschaften, wiezum Beispiel ein Verbund aus hochfestem Kernmate-rial und hochkorrosionsbeständiger Plattierschicht,sind vielfältig [3, 4, 5].

    Üblicherweise werden diese Verbundmaterialiendurch eine Kombination aus Kalt- und Warmwalzpro-zessen hergestellt [6, 7]. Der gewünschte Übergang von

    Prozessentwicklung des Gießens vonbandförmigen Aluminium-Verbundwerkstoffen –Numerische Simulation und praktische Versuche*)

    Development of a Casting Process for Strip-shaped Aluminum clad Materials –Numerical Simulation and casting Experiments

    Dipl.-Ing. Stefan Heugenhauser,Studium der Metallurgie an der Mon-tanuniversität Leoben mit den Schwer-punkten Gießereitechnik und Nicht-eisenmetallurgie. Seit Anfang 2013 wis-senschaftlicher Mitarbeiter am Österrei-chischen Gießerei-Institut Leoben.

    Dipl.-Ing. Dr. techn. Erhard Kaschnitz,Nach Studium der Technischen Physikan der Technischen Universität GrazForschungsjahr am National Institute ofStandards and Technology (NIST) inGaithersburg, MD, USA. Seit 1994 wis-senschaftlicher Mitarbeiter am Österrei-chischen Gießerei-Institut Leoben, ver-antwortlich für die Arbeitsgruppe Si-mulation und das thermophysikalischeLabor.

    Univ.-Prof. Dr. Peter Schumacher,Vorstand des Lehrstuhls für Gießerei-kunde, Department Metallurgie, Mon-tanuniversität Leoben und Geschäfts-führer des Vereins für praktische Gieße-reiforschung – Österreichisches Gieße-rei-Institut, Leoben.

    *) Erstveröffentlichung in GIESSEREI 102(2015), Heft 8,S. 40/47

  • Gießvorgang in einem Warmhalteofen auf eine defi-nierte Temperatur vorgewärmt, um Wärmeverluste derSchmelze (orange) während des Gießens möglichst ge-ring zu halten. Das im Elektrowiderstandsofen ge-schmolzene Reinaluminium wird in die Gießbox über-führt. Sobald die Schmelzetemperatur in der Gießboxauf den gewünschten Wert abgekühlt ist, wird derSchieber der Gießbox geöffnet und zeitgleich der elek-trische Spindelantrieb gestartet, der die obere Gießein-heit (Gusseisenplatte, Gießbox) mit einer definiertenGießgeschwindigkeit in die Gießrichtung verschiebt(d). Die Gießgeschwindigkeit kann nahezu stufenloszwischen 3 mm/s und 15 mm/s geregelt werden. DerElektrozylinder stoppt nach Erreichen des eingestell-ten Gießhubes, wenn die Endposition und damit dasEnde des Gießvorganges erreicht ist (e). Nach demSchließen des Schiebers werden die Gießbox und dieGusseisenplatte abgehoben und die fertige Verbund-

    platte (z. B. 12 mm Substratlegierung und 8 mm Auf-gusslegierung) wird aus der Gießkammer entnommen(f).

    Eine detaillierte Beschreibung des Aufbaus der Gieß-anlage sowie der Gießeinheit ist in [9] zu finden.

    3. Simulation – 2D ParameterstudieFür die Planung der Gießversuche war es notwendig,den thermischen Einfluss von Gießparametern auf dieVerbundplatte während des Gießvorganges im Vorfeldquantitativ zu bestimmen. Für die Variation vonSchmelzetemperatur, Substratplattentemperatur, Gieß-geschwindigkeit und Dickenverhältnis wurde einzweidimensionales Finite-Elemente-Modell der Gieß-anlage herangezogen. Das Modell der Gießeinheitwurde mit der Simulationssoftware FLOW-3D, Version11.1 (Fa. Flow Science Inc., Santa Fe, New Mexico,

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    Abb. 1: Ablauf eines Gießvorganges

  • USA) erstellt. Simuliert wird die Bewegung derSchmelze im Formhohlraum mittels der klassischenStrömungsgleichungen (Impuls- und Massenerhal-tungsgleichung) unter Berücksichtigung der freienOberfläche (VOF) und die Temperaturentwicklung inder Schmelze, der Substratplatte und der gesamtenGießeinheit (Energieerhaltungsgleichung). Aufgrunddes hohen Temperaturgradienten zwischen der Sub-stratplatte und der Aufgussschmelze während desAufgießens ist eine sehr feine Vernetzung des Ver-bundbereiches in z-Richtung notwendig.

    Bei Simulationsbeginn ist die Gießbox mit Schmelzegefüllt, das Überführen vom Schmelzofen in die Gieß-box wird nicht berücksichtigt. Die Bewegung der obe-ren Gießeinheit (Gießbox, Gusseisenplatte, Grafit-platte, Gießlippe und Dichtplatte) ist zeitabhängig vor-gegeben und bestimmt die Gießgeschwindigkeit. DieLage der bewegten Komponenten im zweidimensiona-len Netz wird in jedem Zeitschritt neu berechnet. DasVerschieben der Schmelze durch die bewegten Kom-ponenten wird durch zusätzliche Quellterme in derImpulserhaltungsgleichung berücksichtigt [10].

    Zur Auswertung der Temperaturen in einem quasi-stationären Zustand wird ein Messpunkt im Modelldefiniert, dessen Position in Abb. 2 abgebildet ist. Die-ser Messpunkt befindet sich knapp unterhalb der Sub-stratplattenoberfläche in einer Tiefe von 0,5 mm. Miteinem Randabstand von 75 mm wird sichergestellt,dass sich der Messpunkt in diesem quasistationärenGießbereich der Anlage befindet.

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    Abb. 2: Temperaturmesspunkt im Simulationsmodell.

    Abb. 3: Übersicht der durch-Abb. 3: Übersicht der durch-geführten Variationen.geführten Variationen.

    Die Ergebnisse der Berechnung unterschiedlicher Si-mulationsvarianten zeigen, wie stark der thermischeEinfluss einzelner Gießparameter auf die Substratplat-tenoberfläche ist. Diese Daten unterstützen die Pla-nung der Gießversuche und führen zu einem tieferenVerständnis bei der thermischen Betrachtung diesesVerbundgießprozesses.

    Detaillierte Simulationsparameter sowie die Beson-derheiten des Modells werden in [9] dargestellt.

    4. GießversucheDie Gießversuche gliedern sich in die vier BereicheTemperaturen und Geschwindigkeit, Atmosphäre,Substratoberfläche sowie Dickenverhältnis (AP 4). Diejeweils verwendete Legierungskombination aus einerhochfesten Aluminiumlegierung A7075 für die Sub-stratplatte und Reinaluminium für die Aufgusslegie-

  • rung bleibt dabei unverändert.Abb. 3 zeigt eine Übersicht derPakete mit den darin enthalte-nen Unterpunkten.

    Das Paket Temperaturen undGeschwindigkeit dient dazu, diegrundsätzlichen Möglichkeitender Anlage zu testen, sowie einProzessfenster für einen stabilenund reproduzierbaren Verbund-guss zu finden. Variable Parame-ter sind die Vorheiztemperaturder keramischen Gießbox undder keramischen Gießlippe, dieAufheiztemperatur der Substrat-platte, die Temperatur der Auf-gusslegierung sowie die Gießge-schwindigkeit. Die Atmosphärein der Gießkammer (Luft), dieSubstratbandoberfläche (gefrästeOberfläche), das Dickenverhält-nis zwischen Substratplatte undAufguss (1,5) und auch dieSchmelzemenge in der Gießbox(~1700 g) werden in diesem Ar-beitspaket konstant gehalten, umden Einfluss der Parametervaria-tionen untersuchen und bewer-ten zu können.

    Unter dem Punkt Atmosphärewird der Einfluss einer veränder-ten Atmosphäre (Schutzgasatmo-sphäre) während des Aufheiz-und Gießvorganges untersucht.Während des Aufheizvorgangeswird die gesamte Gießkammerüber einen Schlauch mit Stick-stoff geflutet. Durch das Abdich-ten der Gießkammer mit feuer-festem Material kommt es zurAusbildung eines geringen Über-druckes in der Gießkammer, wo-durch ein Einströmen von Luftverhindert wird. Die Gaszufüh-rung wird erst kurz vor Gießbe-ginn entfernt, um den Gießraum