7
Nr. 95 (3/2010) Raum haben Räume sind Spiegel Beginenbande Zwei Interviews Viele prägen ein (Gemeinde-)Zentrum Für Frauen bauen FRAUEN(T)RÄUME Genügend Freiraum für alle(s)? frauenZEIT&RAUM Der Apfel Zeitschrift des Österreichischen Frauenforums Feministische Theologie

Nr. 95

Embed Size (px)

DESCRIPTION

FRAUEN(T)RÄUME Beginenbande Viele prägen ein (Gemeinde-)Zentrum Räume sind Spiegel Für Frauen bauen Zwei Interviews Genügend Freiraum für alle(s)? frauenZEIT&RAUM Das österr. Frauenforum feministische Theologie feiert sein 25 Jahre - Jubiläum! am 14. und 15. Mai 2011 im Bildungshaus St. Klara, Vöcklabruck/OÖabru Liebe Frauen! In eigener Sache I n e i g e n e r S a c h e 1. Der Inhalt

Citation preview

Page 1: Nr. 95

Nr. 95 (3/2010)

Raum habenRäume sind Spiegel

Beginenbande

Zwei Interviews

Viele prägen ein (Gemeinde-)Zentrum

Für Frauen bauen

FRAUEN(T)RÄUME

Genügend Freiraum für alle(s)?

frauenZEIT&RAUM

Der

Apf

el

Zeitschrift des Ö

sterreichischen Frauenforum

s Fem

inistische Theologie

Page 2: Nr. 95

In eigener SacheIn eigener Sache

Der ApfelDer Apfel 33

Editorial

Liebe Frauen!

1. Der Inhalt

Diese Apfelausgabe will als eine fe-ministische Raumerschließung dasThema ausbreiten: Welche Anfor-derungen haben Frauen an die Räu-me, in denen sie sich bewegen? Wiesind weibliche Andersorte/Hetero-topien zu denken? Wie kann frau sich oder auch anderen neue Räume erschließen? Wie kann sie aber auch alte Projekte neu stark machen? Von welchen gelungenen Projekten lässt sich erzählen?Natürlich haben diese Räume Aus-wirkungen auf die Möglichkeiten un-ser Leben zu gestalten. Und wenn sichdie ursprüngliche Bedeutung des Wor-tes Raum von weit, geräumig herleitet,so gilt dies besonders für alle Denk-Räume.

In dieser Nummer erwarten euch ei-nige sehr interessante Beiträge:Barbara Baumann bespricht in ihrem Beitrag unterschiedliche Raumsi-tuationen und ihre Bedeutung.Dass Frauen selbst gemeinsam die (wirtschaftliche) Grundlage schaffen können um ihrem Zusammenleben auch Raum zu geben, davon be-richtet Mechthild Ziegenhagen. Sie schreibt wie sie gemeinsam mit an-deren Frauen die Lebensform der Beginen aktuell interpretiert.Anschließend kommt ein Interview, das Anna Steinpatz mit Schwester Katharina Ganz führte, die für den Umbau eines Bildungshauses ver-antwortlich ist. Auch hier geht es um die Anpassung von alten Struk-turen an heutige und zukünftige Be-dürfnisse.

Raum haben

Die Mühen der Planung eines Ge-meindezentrums sind das Thema des Artikels von Irmgard Lehner. Sie beschreibt das Ergebnis dieses Prozesses, in dem Frauen und Män-ner von durchaus unterschiedlichen Ausgangspunkten weg gestartet sind. Die Planung ist auch im folgen-den Beitrag ein Hauptthema: Das Interview mit Ingrid Farag und Jana Rose, die das erste Wiener Frauen-wohnprojekt mit initiierten, behandelt diesen Aspekt. Das Gespräch drehte sich aber auch um die wirschaftlichen und rechtlichen Bedingungen, die die Grundlagen des tatsächlich Ge-bauten darstellen. Darüber hinaus wird in diesem Beitrag viel von der Kraft und den Anliegen dieser Frauen spürbar, die das Haus geprägt haben.Weiter geht es mit der Beschreibung von Frauen(t)räumen, in denen Mo-nika Bundt sehr konkret zusammen-trägt, was sich viele Frauen wün-schen. Rosi Hingsamer lenkt den Blick auf öffentliche Räume, die das Leben, die Fortbewegung und die Freizeit von Frauen mehr prägen, als wir es

manchmal wahrhaben. Mit vielen ge-lungenen Bildern zeigt sie, dass die-se Freiräume auch genutzt werden müssen. Den Abschluss des thema-tischen Teiles macht Petra Steinmair-Pösel, die von dem Raum spricht, den Frauen in der Kirche für sich nutzen können. Sie berichtet von einem interessanten Projekt, durch das der Diskurs über frauenspezifi sche Inhalte in einem wesentlich größeren Raum angesprochen und bekannt gemacht werden können.Dazwischen sind kurze Texte einge-streut, in denen Frauen auf die Fra-ge antworteten, wie und wo Frauen Räume für religiöse Rituale fi nden.

Sehr erfreulich ist die große Fülle an Beiträgen in der Rubrik Szene: Die Autorinnen greifen aktuelle Themen auf; von der Frage nach Frauenrech-ten, dem Tragen der Burka, der Ka-tharinafeier und ihrem künstlerischer Input, bis zur Frage nach der Qualität von journalistischer Recherche und dahinter stehend noch die Frage nach dem Stellenwert geschlechter-gerechter Sprache.

TerminavisoDas österr. Frauenforum feministische Theologie

feiert sein25 Jahre - Jubiläum!

am 14. und 15. Mai 2011 im Bildungshaus St. Klara, Vöcklabruck/OÖabru

Page 3: Nr. 95

Der ApfelDer Apfel

In eigener SacheIn eigener Sache

4

Betroffen sind wir vom zu frühen Tod von Dolores Bauer. Wir danken für den Nachruf von Ursula Baatz.

2. Und noch zum Thema Raum und denen, die ihn planen

Beim Zusammenstellen der Beiträge für diesen Apfel hatten wir, das Apfel-Team, uns gewünscht, dass auch eine Architektin das Wort ergreifen möge. Was anfangs so selbstverständlich erschien, bereitete leider Schwierigkeiten bei der Um-setzung. Die eine wollte keinen Bei-trag für eine Zeitschrift schreiben, die aus einer religiösen Ecke käme, an-dere waren nicht genügend in das Thema „Frauen und Raum“ einge-arbeitet, manche konnten wir leider nicht erreichen. Wahrscheinlich wäreeine interessante Autorin dabei ge-wesen.

Wenn eine Frau ihr eigenes Büro eröffnen möchte, dann hat sie nicht nur das Studium geschafft und da-nach mindestens drei Jahre Vollzeit in einem Büro gearbeitet. Danach kommt ein Kurs zur Ziviltechnikerin dazu, die Prüfung und nach der An-gelobung bei der Landeshauptfrau/ dem Landeshauptmann beginnen die Zahlungen an die Kammer. Außer-dem braucht frau dann auch noch genügend Aufträge. Und wenn siediese hat, muss sie verlässlich regel-mäßig auf die Baustelle und zu den Besprechungen kommen können.

Viele Hürden, immer noch so manche Vorureile und auch persönliche Um-stände begleiten Architektinnen und führen dazu, dass das Verhältnis von ausgebildeten Architektinnen zu den tatsächlich tätigen sehr ungleich ist.

Auch in diesem Bereich fehlt es an Räumen, Denkräumen, passenden Strukturen und bezahlten Aufträgen für Frauen. Könnte das mit ein Grund für unser Scheitern sein?

3. Vom Apfelteam

In der Redaktion des Apfels tut sichin diesem Jahr einiges! Sie ist zu unserer großen Freude weiter ge-wachsen: Martina Schmidhuber und Anna Steinpatz bereichern nun das Team. Seid auch an dieser Stelle noch einmal herzlich begrüßt und bedankt!

Außerdem sei an dieser Stelle ein Aufruf an alle Frauen gerichtet, die ger-ne Texte schon vor dem Druck durch-lesen wollen: Wir suchen Korrektur-leserinnen und würden uns überdiese Mithilfe am Entstehen der Zeit-schrift sehr freuen!

Dieses hier ist mein erstes Editorial. Schließlich arbeite ich sonst an ein-em anderen Ort, nämlich hauptsäch-lich am Layout der Äpfel. Aber als Architektin interessierte mich das Thema „Raum“ so sehr, dass ich die-ses Mal mehr davon mitbekommen und mitgestalten wollte.

In diesem Sommer haben mein Mann und ich an unser Haus zu-gebaut. Natürlich macht es Freude, die eigene Planung in die Realität umzusetzen! Ein wenig nachdenklich stimmt es mich dabei, dass alle pro-fessionellen Arbeiter, die wir beige-zogen haben, Männer waren. (Das hat den einfachen Grund, dass sie die körperlich anstrengenden Arbei-ten ausführten, die meinereine nichtschaffen würde.) Themen wie die Kommuniktion miteinander, die Ver-teilung der Rollen oder von Autorität klingen dabei an.

Ich wünsche euch spannende und interessante Stunden mit diesem besonders dicken Apfel; darüber hinaus die Möglichkeit in Räumen zu leben und zu arbeiten, die gut tun. Und nicht zuletzt: möge es einen guten Start in dieses neue Arbeitsjahr für alle geben!

Regina Atzwanger

Page 4: Nr. 95

Der ApfelDer Apfel 5

ThemaThema

Dies gilt für den privaten wie für den öffentlichen Sektor.

In bemerkenswerter Weise hat diesz.B. die Sinus-Milieu-Studie in Deutschland verdeutlicht, in der Fo-tos von Wohnzimmern als Reprä-sentanzobjekte für bestimmte Milieuseiner Gesellschaft dienen. Bei Prä-sentationen dieser Studie ist immer wieder zu erleben, dass Zuhörerinnen und Zuhörer erschrecken, wenn sierealisieren, dass Räume so viel Aus-sagekraft besitzen, auch über innereStrukturen der Person bzw. einerPersonengruppe eines gesellschaft-lichen Subsystems. Manche fühlensich regelrecht ertappt, in ihrer Privat-sphäre verletzt, ihrer Tabugrenze be-raubt.

Was im privaten Bereich, der in die-sem Moment gar nicht mehr so privat ist, gilt, gilt auch für den berufl ichen. Leider fehlen meines Wissens aberbisher Untersuchungen, die in ähn-licher Weise wie die Sinus Milieu-Studie z.B. auch Arbeitsräume, Räumlichkeiten in Unternehmen, Or-ganisationen und Institutionen unter-sucht haben.

Als Supervisorin gehört es zu mei-nen alltäglichen Handlungen, in viel-

Die Bedeutung von Räumen, ihre Ausstrahlung und Wirkung, ihre Re-präsentanzfähigkeit mit Blick auf die inneren Strukturen von Personen bzw. Organisationen ist bekannt, wis-senschaftlich untersucht und in Ar-chitektur und professioneller Raum-gestaltung alltägliches Geschäft.

Barbara Baumann schildert und deutet „Raumerfahrungen“ ausihrer supervisorischen Praxis.

Räume sind Spiegel ihrer BewohnerInnen - auch im berufl ichen Kontext

fältige Räume einzutreten, in Orga-nisationen, Institutionen, Unterneh-men. Von der Empfangshalle, überFlure hinein in Büros, Konferenz-räume, auf die Toilette. Ich erlebe Räume in berufl ichen Kontexten vonFrauen und Männern in unterschied-lichen Rollen und Hierarchieebenen.

Und ich schaue sie mir gerne an, die Räume, lasse sie auf mich wirken, lasse sie Geschichten erzählen, ver-suche ihre Energien aufzunehmen und zu erfassen, was sie mir bereits sagen, über die Menschen, die dort leben, arbeiten, aber auch welches Leitbild der Organisation, des Unter-nehmens sie spiegeln.

Das Erste ist das Schauen, aber da-rüber hinaus versuche ich mit allen Sinnen wahrzunehmen. Immer wie-der bin ich fasziniert, was Räume mir bereits durch ihren Geruch, ihre Geräuschkulissen zu vermitteln ver-mögen. Manche Räume betrete ich und habe den Eindruck „Hier stinkt es gewaltig“ oder aber auch „Hier weht ein frischer Wind“. Sicherlich sind dies immer nur erste Eindrücke, aber sie sind manchmal ein Schlüssel zum Verstehen tieferer Dynamiken und können der Beginn eines „sze-nischen Verstehens“ werden.

Manches Mal, wenn ich zum wie-derholten Male den gleichen Raumwahrnehme, merke ich Veränderun-gen und immer spiegeln diese äuße-ren Veränderungen auch innere Ver-änderungsprozesse wider.

Manche Raumgestaltungen in Orga-

nisationen (zumeist im Profi t-Bereich) sind ganz bewusst geplant. Innen-architektInnen werden engagiert, diez.B. das Leitbild eines Unternehmens bereits in der Eingangshalle insze-nieren sollen. Vieles geschieht aber auch unbewusst. Das Verstehen die-ser unbewussten (aber auch bewuss-ten) Inszenierungen in berufl ichen Kontexten bietet meines Erachtens eine wahre Fundgrube für das Ver-stehen der Dynamiken von Perso-nen, RollenträgerInnen und Organi-sationen.

Ich möchte die Leserin, den Leser an dieser Stelle einladen, sich ein paarMinuten Zeit zu nehmen und wahr-zunehmen, welche inneren Bilder von Organisationen, von Büros, vonFluren, von unterschiedlichsten Räu-men im berufl ichen Kontext auf-tauchen, welche Assoziationen hier-zu entstehen, welche Gedanken zu möglichen Spiegelungen des Inneren mit diesen Räumen entstehen.

Meine Hypothese ist, dass Räume inder Raumgestaltung und Raumdy-namik, der Raumatmosphäre immer auch Spiegel/Repräsentanzen derinneren Struktur, der inneren Dy-namik und der inneren Haltung vonPersonen und Organisationen sind und dass ein Verstehen dieser inne-ren Dynamiken über eine bewusste Raumwahrnehmung möglich wird.

Vor diesem Erfahrungshintergrund möchte ich in diesem Artikel zu-nächst an einem ganz konkreten Bei-spiel aus meiner Coachingpraxis er-läutern, was mit dieser Hypothese gemeint sein kann und damit sensi-bilisieren für die Aussagekraft und Symbolkraft von Räumen.

Anschließend möchte ich an einigen

Page 5: Nr. 95

Der ApfelDer Apfel

ThemaThema

10

Um neue Räume betreten zu können, muss ich zuerst die alten Räume verlassen. Keine kann in zwei Räumen zugleich sein, also ist das Sich-Aufmachen, das Loslassen und Losgehen, hinein ins Ungewisse die Grundvoraussetzung, um die neu-

Mechthild Ziegenhagen schreibt über einen Beginenhof als Heimat und Herausforderung für Frauen, die aus alten Wurzeln neue Räume erschaffen.

aufräumen, wegräumen, umräumenBeginenbande - Weiberwirtschaft in Fülle und Freiheit

en Räume zu erreichen.Dabei kommt es - wie ich meine - we-niger darauf an wie ich mir die neu-en Räume denke, sondern eher undvielmehr auf das Herz, auf meine Lei-denschaft dafür, ein unabhängiges Leben zu führen, welches mir ermög-licht meinem individuellen Lebens-weg zu folgen und dennoch in Ge-meinschaft mit anderen Frauen in der Welt wirksam zu sein. Das ist keine leichte Aufgabe und wir heutigen Beginen orientieren uns dabei an unseren Vorschwestern, den mittelalterlichen Beginen, die wagemutig ihre Herkunftsfamilien verließen, ihre Sicherheiten und ihren Stand, um diese Möglichkeiten für Frauen zu erfi nden.Beginen waren freie Frauen im Mittel-alter, die sich freiwillig zu Gemein-schaften zusammenschlossen, siegründeten Beginenhöfe, Beginen-

konvente oder Beginenhäuser um wirtschaftlich unabhängig und selbs-tständig zu leben und zu handeln. Es waren Frauen, die weder heiraten noch in ein Kloster eintreten wollten, obwohl diese beiden Varianten die einzigen Möglichkeiten für Frauen zu

dieser Zeit waren.Im Ursprung waren die Beginen nicht religiös, unterstanden nicht der Kirche und keinem Orden, aber auch keinen weltlichen Strukturen, keinem Ehemann, Vater oder Vormund, kei-ner Hierarchie. Sie fanden eigene, frei gewählte Regeln für ihre Gemein-schaften, in denen Frauen aus allenStänden demokratisch zusammen-lebten. Dennoch lebten sie ihre ei-gene Spiritualität, die, wie in der damaligen Zeit üblich, sich an den offensichtlichen Zusammenhängen des Lebens orientierte und denen sie mit Hochachtung und liebender Geborgenheit begegneten. Diese Spi-ritualität empfi ndet Verbundenheit mit den Jahreszeiten, den Wundern in der Natur und im Kosmos, den Zyklen des menschlichen Lebens und allem Werden, Wachsen, Vergehen und Neu-geboren-Werden.

Erst im Laufe der Jahrhunderte er-starkte das Christentum immer mehr,es entstanden materielle und poli-tische Zusammenschlüsse von Kle-rus, Stadtherren und Zünften, dieallem weiblichen Handeln feindlich gegenüber traten. Die Beginen wur-den, gleich den Hexen, angegriffen, ihrer materiellen Besitztümer be-raubt, verfolgt und vernichtet. Einige Gemeinschaften retteten sich durchdas Annehmen christlich-klösterlich-er Strukturen und Regeln, sie wandel-ten sich in keusche, abgeschiedene Nonnenklöster um, manchmal ausBegeisterung für den neu aufge-kommenen christlichen Glauben, oftaber aus Angst vor der totalen Ver-nichtung. In der Blütezeit der Beginenbewe-gung Europas zwischen dem 12. und13. Jahrhundert lebten Frauen in ins-gesamt über eintausend Beginenge-meinschaften von den Niederlanden bis nach Italien. Ihre Größe war sehr unterschiedlich, so gab es Gemeinschaften von 3 bis 30 Beginen,in Flandern sind mehrere Höfe mit jeweils bis zu 70 Beginen bekannt. Mancherorts gab es ganze Stadtteile mit 200-700 Beginen.3-10 % der Frauen in den Städten lebten als Beginen, in anderen Ge-genden auch bis zu 25 %.Sie waren demnach keine Rander-scheinung, sondern eine große Gruppe der Bevölkerung, die in un-zähligen Stadtbüchern durch ihre vielen Tätigkeiten, Geschäfte und Be-sitztümer erwähnt sind. Die Beginen lebten jedoch nicht ausschließlich zum Selbstzweck in ihren Gemein-schaften, sondern erfüllten wichtige soziale und gesellschaftliche Auf-gaben in ihrem Umfeld. So waren sie

Page 6: Nr. 95

Der ApfelDer Apfel 15

ThemaThema

Ich bewege mich wie so oft - für diesen Artikel mental - durch die Räume des Pfarrzentrums Wels - St. Franziskus, einer r. k. Pfarre in Oberösterreich, die ich seit 2006 als Pfarrassistentin gemeinsam mit meinen beiden Kolle-gen, einem Pfarrassistenten undeinem Pfarrmoderator, leite. Es ist

Viele prägen ein (Gemeinde-)Zentrum

Irmgard Lehner beschreibt in ihrem Rundgang durch das Pfarrzentrum St. Franziskus in Wels nicht nur die unterschiedlichen Zugänge, die Frauen und Männer zur Planung hatten und die dabei entstandenen Räume. Sie zeigt auch, wie diese Räume nun genutzt und weiter gestaltet werden.

eine junge Pfarre, erste Überlegun-gen zur Gründung starteten 1993. Der wunderschöne Naturraum warbereits vorhanden - die baulichen Räume entstanden in zwei Etappen:ein erster kleinerer Baukörper wur-de unter der Leitung des Welser Architekturstudenten Georg Kirch-weger 1997 mit großen Eigen-leistungen der sich konstituierenden Pfarrgemeinde errichtet. Nachdem bereits nach wenigen Jahren dieRäume aus allen Nähten platzten, wurde für die Erweiterung 2001 ein Architekturwettbewerb ausgeschrie-ben, nach dem die Welser Architekten Maximilian Luger & Franz Maul mit der Planung beauftragt wurden. Im Mai 2003 war Baubeginn, mit Jahres-ende 2004 wurde das Pfarrzentrum in Passivhaus-Standard mit Photo-voltaik und Solarthermie fertig ge-stellt, 2005 die Kirche geweiht.

Vom Plan und vom Planen

Ich betrete die Anlage und befi nde mich in einem überdachten Durch-gang, rechts liegt die Kirche und

links sind die anderen Räume des Pfarrzentrums. Im Schaukasten fi n-det sich ein Grundrissplan, der einlädt sich in der Anlage zu orientieren. Der Plan ist mir sehr vertraut, da ich im Planungszeitraum ehrenamtliche Ob-frau des Pfarrgemeinderates war und als solche in vielen Besprechungen

- zumeist mit vielen Männern - rund um diesen Plan gesessen bin.Die Planung eines Pfarrzentrums ist mit einer Pfarre als Bauherrin, die eine Vielzahl von Menschen mit ihren je eigenen Bedürfnissen vertritt, eine komplexe Aufgabe: Der Pfarrgemein-derat (PGR: 50% Frauen, 50% Männer) traf die wesentlichen Ent-scheidungen. Der Fachausschuss „Bauten und Finanzen“ (2 Frauen, 6-9 Männer) kümmerte sich um dieAufbereitung für Beschlüsse, Aus-schreibungen, Sichtung der Anbote, Finanzierung. Die Baukoordination von Seiten der Pfarre übernahm derehrenamtliche Obmann des Fach-ausschusses, der in einem kleinen Team mit dem Pfarrassistenten und mir als PGR-Obfrau kurzfristige undmanchmal auch grundsätzliche Fra-gestellungen besprach.Kommunikation und Meinungsbil-dung, Klären von Entscheidungskom-petenzen waren zentrale Aufgaben, die auch gut bewältigt wurden. Die geschlechtergerechte Zusammenset-zung des Fachausschusses „Bauten und Finanzen“ blieb offen, weil

das bereits bestehende Gremium einerseits nicht zu stark vergrößert werden sollte und andrerseits ein Mangel an interessierten Frauen be-stand. Das Bauen war durch eine starke Präsenz von Männern ge-kennzeichnet - von den Architekten über die Haustechnikplaner und die ausführenden Firmen bis hin zu den pfarrlichen Verantwortungsträgern. Obwohl ich als PGR-Obfrau ganz gut informiert und eingebunden war und auch meine privaten Erfahrungen als „Häuslbauerin“ mitbrachte, war es dennoch nicht einfach als Einzelne bzw. zu zweit im Fachausschuss, die Bedürfnisse der verschiedenen Frauen zu vertreten. Die Wünsche der Frauen wurden oft als „Extras“ zu dem was Mensch=Mann will, empfunden. So wurden Bedürfnisse zwar abgefragt, fanden aber oft (zunächst) wenig Resonanz und wurden nicht weiterverfolgt. Manches wurde aber auch durchgesetzt, weil es ein Interesse anderer Männer traf, manches fand durch strategisches Lobbying im Entscheidungsgremium eine Mehrheit, anderes durch zähes Dranbleiben eine Verwirklichung - manchmal Jahre später.Im Spätherbst 2002, nach Vorliegen der Einreichpläne, wurden der PGRund alle Gruppen der Pfarre einge-laden, die Pläne durchzuschauen und Wünsche zu äußern: das Barteam äußerte Einrichtungswünsche für die Bars, der Liturgiekreis formulierte Bedürfnisse für das Feiern im Kir-chenraum, die Frauenrunde brachte Wünsche und Anregungen vor, diesich im Protokoll des Fachaus-schusses so lesen: „Atmosphäre, Weichheit z.B. Sessel mit weichen weiblichen Formen, Taufstelle soll vonKünstlerin gestaltet werden, über-dachte Radständer, textile Materi-

Page 7: Nr. 95

Der ApfelDer Apfel

ThemaThema

28

Aus einer freiraumplanerischen Perspektive reicht ein eigenes Zim-mer, wie von Virginia Woolf gefordert, nicht aus, um Frauen genügend Ent-faltungsspielraum zu ermöglichen, denn unser Leben spielt sich nicht

Genügend Freiraum für alle(s)?

Rosi Hingsamer über öffentliche Freiräume als Orte für Alltag, Arbeit und Kommunikation

nur in privaten Räumen ab. Der Zugang zu öffentlichen Räumen ist notwendig, um an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben zu können. Öffentliche Räume, das sind einer-seits reale, gebaute Räume, aber auch Räume im übertragenen Sinn,wie z. B. politische oder virtuelle Räu-me. Um entsprechende Entfaltungs-möglichkeiten im Alltag sicherzu-stellen, braucht es zusätzlich zu denprivat verfügbaren (Innen-)Räumen adäquate öffentliche (Frei-)Räume, die zugänglich und vor allem auch den jeweiligen Bedürfnissen entsprech-end nutzbar sind.Öffentliche Räume sind neben den privaten Räumen nicht nur Orte der Alltags- und Routinearbeiten, sondern auch Orte, an denen gesellschaftliche Prozesse stattfi nden. Der Zugang

zu öffentlichen Räumen erleichtert einerseits die Alltagsorganisation, aber in jedem Fall ist er auch eine Grundvoraussetzung für gesellschaft-liche Mitsprache, Mitbestimmung und Mitgestaltung.

Von privat zu öffentlich und wieder zurück - Verbindungen, Überschneidungen und Übergänge

Das dichotome Begriffsverständnis von öffentlich/privat wird von femi-nistischer Seite immer wieder zurecht kritisiert. Vor allem das hierar-chische Verhältnis zwischen den bei-den Begriffen und die damit einher-gehenden geschlechtlichen Konno-tationen, sind problematisch. DassFrauen überwiegend die Zuständig-keit für die privaten Lebensbereiche zugeschrieben wird und die öffentliche Sphäre tendenziell männlich be-setzt ist, verdeutlicht jedoch nur eineDimension dieser Kritik. Der Slogan der Frauenbewegung aus den 1970er Jahren „Das Private

ist politisch!“ spricht eine weitere Ebene an. Das „Private“ ist vom „Ge-sellschaftlichen“, vom „Politischen“ und somit auch von „öffentlichen An-gelegenheiten“ nicht so einfach trenn-bar, das eine ist nicht das „Gegenteil“ vom anderen und lässt sich nicht eindeutig vom anderen abgrenzen. Es geht also nicht vorwiegend um Unterscheidung und Abgrenzung zwi-schen den beiden Begriffen öffent-lich und privat, sondern um die Ver-bindungen, Überschneidungen und Übergänge zwischen ihnen.

Öffentliche Räume aus planerisch-feministischer Sicht

Im Folgenden möchte ich mich auf öffentliche - im Sinne von gemein-schaftlich nutzbare - Freiräume inihrer baulich-räumlichen Ausprägungkonzentrieren. Welche Anforderun-gen lassen sich aus feministischer Perspektive an diese Räume formu-lieren? Je nach Alter, Lebensphase, Lebensentwurf, sozialen und fi nanzi-ellen Verhältnissen etc. sind die Nut-zungsansprüche an die wohnungs-und arbeitsplatznahen Freiräume unterschiedlich. In Bezug auf dieNutzerInnen lassen sich die Quali-täten öffentlich nutzbarer Freiräume über ihre Zugänglichkeit, Nutzbarkeit und Adaptierbarkeit bestimmen. Dader Zugang und die Verteilung desöffentlichen Raumes durch Planungund Gestaltung der Freiräume selbstsowie über deren Umgebung (Ge-bäude, Ein-, Zu- und Ausgänge, städ-tebauliche Struktur etc.) bestimmt wird, ist es wichtig, wessen Inter-essen in den Planungsprozessen be-rücksichtigt und wessen Interessen übergangen werden. Die Lebensent-würfe in unserer Gesellschaft unter-liegen nicht zuletzt aufgrund ihrer