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Nr. 6 Juni 2007 Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei Waffentechnik: Schießen oder Nichtschießen ist auch eine Frage der Technik In dieser Ausgabe: Kinderschutz: Reaktionen dringlich! Aus- und Fortbildung: Erster akkreditierter Masterstudiengang einer Hochschule der Polizei Verfassungsschutzbericht: Extremisten erneut erstarkt Polizeiliche Kriminalstatistik: Gewalt eskaliert B B u u ß ß g g e e l l d d r r a a u u f f ? ? EuroCOP: Mehr Polizei auf die Straße! Seniorenjournal: 20 Jahre Seniorengruppe Bund

Nr.6 Juni 2007 Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizeifile/DeuPol0706.pdf · verkündeten Zahlen der PKS ein. Grundtenor, den der Innenminister dabei verbreite-te: Deutschland ist

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Nr. 6 Juni 2007 Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei

Waffentechnik:Schießen oder Nichtschießen istauch eine Frage der Technik

In dieser Ausgabe: Kinderschutz:Reaktionen dringlich!

Aus- und Fortbildung:Erster akkreditierter Masterstudiengangeiner Hochschule der Polizei

Verfassungsschutzbericht:Extremisten erneut erstarkt

Polizeiliche Kriminalstatistik:Gewalt eskaliert

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EuroCOP:Mehr Polizei auf die Straße!

Seniorenjournal:20 Jahre Seniorengruppe Bund

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6/2007 Deutsche Polizei 1

KOMMENTAR

WAFFENTECHNIK

SENIORENJOURNAL

2 18KURZ BERICHTET

4/5

27

28

Druckauflage dieser Ausgabe:178.359 ExemplareISSN 0949-2844

Inhalt:100% RecyclingpapierUmschlag:chlorfrei gebleicht

Deutsche

PolizeiTitel – Bilder: dpp

Gestaltung: Rembert Stolzenfeld

Nr. 6 • 56. Jahrgang 2007 • Fachzeitschriftund Organ der Gewerkschaft der Polizei

Herausgeber:Gewerkschaft der Polizei,Forststraße 3a, 40721 Hilden,Telefon Düsseldorf (0211) 7104-0,Fax (0211) 7104-222Homepage des Bundesvorstands der GdP:http://www.gdp.de

Redaktion Bundesteil:Marion Tetzner(verantwortliche Redakteurin)Gewerkschaft der Polizei, Pressestelle,Stromstraße 4, 10555 Berlin,Telefon (030) 39 99 21 - 114Fax (030) 39 99 21 - 190E-Mail: [email protected]

Verlag:VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBHAnzeigenverwaltungForststraße 3a, 40721 HildenTelefon Düsseldorf (0211) 7104-183,Fax (0211) 7104-174E-Mail: [email protected]

Geschäftsführer:Bodo Andrae, Joachim Kranz

Anzeigenleiter:Daniel DiasEs gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 29vom 1. Januar 2005

Herstellung:L.N. Schaffrath GmbH & Co.KG,DruckMedienMarktweg 42-50, 47608 Geldern,Postfach 1452, 47594 Geldern,Telefon (02831) 396-0, Fax (02831) 89887

Grafische Gestaltung & Layout:Rembert Stolzenfeld, Dipl.-Designer

Die unter Verfassernamen erschienenenArtikel stellen nicht in jedem Fall die Meinungder Redaktion dar. Für unverlangt eingesandteManuskripte kann keine Gewähr übernommenwerden. Mitteilungen und Anfragen bitten wiran den jeweiligen Landesbezirk zu richten.

Erscheinungsweise und Bezugspreis:

Monatlich 2,90 EURO zuzüglich Zustellgebühr.Bestellung an den Verlag.Für GdP-Mitglieder ist der Bezug durch denMitgliedsbeitrag abgegolten

INHALT

4

6

11

13

20

21

22

26

FORUM

TITEL/VERKEHRSPOLITIK

KINDERSCHUTZ

AUS- UNDWEITERBILDUNG

ERLEBNISBERICHT

EUROCOP

ARBEITSWELT

GESUNDHEIT

Da liegt noch viel im Dunkeln

Bußgeld rauf?

Reaktionen dringlich!

Erster akkreditierter Masterstudiengangeiner Hochschule der Polizei

Büroarbeit im Wandel

Gespräche stören am meisten

Schießen oder Nichtschießen istauch eine Frage der Technik

Urlaub mit Schießübungen

Mehr Polizei auf die Straße!

INNERE SICHERHEITPolizeiliche Kriminalstatistik 2006:Gewalt eskaliert

17 RECHTUrteile

Verfassungsschutzbericht 2006:Extremisten erneut erstarkt

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2 6/2007 Deutsche Polizei

KURZ BERICHTET

TRAUERZUG FÜR ERSCHOSSENE POLIZISTIN:

Kampf gegen Gewalt undBrutalität muss weitergehen

Fassungslos, erschüttert, betrof-fen und sprachlos standen amMontag, dem 30 April 2007, in derEvangelischen Stadtkirche SanktDionysius in Böblingen tausendePolizistinnen und Polizisten vordem Sarg von PolizeimeisterinMichéle Kiesewetter und nahmenAbschied für immer von einer erst

1. MAI IN BREMEN:

Eine wehrhafte Demokratiebraucht aktive Demokraten

In seiner Mai-Rede vor 5.000Teilnehmerinnen und Teilneh-mern in Bremen forderte GdP-Vorsitzender Konrad Freiberg u. a.kräftige Lohn- und Gehalts-steigerungen für Arbeitnehmer-innen und Arbeitnehmer. Ersprach sich für die Schaffung vonMindestlöhnen nicht unter 7,50Euro aus und bekräftigte, dass dieBeschäftigten vor Willkür amArbeitsplatz geschützt werdenmüssen.

Der leichte Aufschwung inDeutschland dürfe nicht darüberhinwegtäuschen, dass nahezu vierMio. Menschen keine Arbeit fin-den, immer weniger von ihrer Ar-beit leben können und fast eineMio. Menschen mit Hartz-IV-Be-zug arbeiten, darunter über300.000 in Vollzeit.

Auch der öffent-liche Dienst seinicht verschont.Laut Angaben derBundesagentur fürArbeit erhalten13.000 Arbeitneh-merinnen und Ar-beitnehmer des öf-fentlichen Dienstestrotz ihres Erwerbs-einkommens ergän-zend eine staatlicheTransferzahlung.

„Gerade meineKolleginnen undKollegen in der Po-lizei nehmen die Auswirkungender sozialen Lage in Deutschlandwie Seismographen wahr. Und wirerkennen zunehmende Resignati-on, Frustration in bestimmten ge-sellschaftlichen Gruppen.“

Die Kluft zwischen arm undreich konnte er auch an der zuneh-menden Kinderarmut in Deutsch-land darstellen: Trotz der gutenKonjunktur sei die Zahl der Kin-der gestiegen, deren Eltern vonSozialleistungen abhängig sind.Nach Angaben des Bremer Insti-tuts für Arbeitsmarktforschung

und Jugendberufshilfe lebt fast je-des sechste Kind in Deutschlandvon Sozialhilfe.

Als besonders besorgniserre-gend bezeichnete Konrad Freibergdie zunehmende Entdemokrati-sierung unserer Gesellschaft.Immer weniger Menschen näh-men an der politischen Gestaltungunserer Gesellschaft teil. Bei denletzten Landtagswahlen sank dieWahlbeteiligung um 10 %, bei denKommunalwahlen in Sachsen-Anhalt sind lediglich 36,5 % derMenschen zur Wahl gegangen.„Die großen politischen Parteienverlieren an Anziehungs- undGestaltungskraft. Die SPD hat seit1990 40 % der Mitglieder verlorenund die CDU 25%. … Und die

Rechtsextremen erhalten Auftrieb.… Die beste Bekämpfung dieserNeonazis ist eine soziale Politik,die den Menschen Perspektivenaufzeigt und nicht Menschen aus-grenzt und sie in die Arbeitslosig-keit treibt.“

Eine wehrhafte Demokratiebrauche aktive Demokraten, soKonrad Freiberg. „Wir brauchenmehr Menschen, die noch gestal-ten wollen, die vielleicht auch nochTräume für eine humane und soli-darische Gesellschaft haben.“

red.

Ein kilometerlanger Trauerzugbewegte sich am 30. April durchdie Innenstadt Böblingens. Ange-führt wurde er vom baden-württem-bergischen Innenminister HeribertRech, von Bundes- und Landtagsab-geordneten, dem Landespolizei-präsidenten Erwin Hetger und demInspekteur der Polizei DieterSchneider. Fotos: W. Schmidt

Arnold – kaltblütig in Heilbronnniedergeschossen wurde.

„Eine Tat voller Sinnlosigkeit,die mit beispielloser Brutalität amhellen Nachmittag ein Leben aus-gelöscht hat“, so der baden-württembergische InnenministerHeribert Rech in seiner Traueran-

sprache. Der Mordanschlag aufMichéle Kiesewetter und MartinArnold mache auf bittere Weisebewusst, dass unser Kampf gegenGewalttaten und Brutalität weiter-gehen müsse.

Über 3.000 Kolleginnen undKollegen, darunter viele Abord-nungen aus anderen Ländern, hat-

ten sich in den Trauerzugeingereiht – unter ihnenauch der GdP-Bundesvor-sitzende Konrad Freiberg,der Bezirksvorsitzende derBundespolizei Josef Scheu-ring und der Landesvor-sitzende von Baden-Würt-temberg Josef Schneider.

Michéle Kiesewetter hatden Dienst für die Sicher-heit von uns allen mit ihrem

Leben bezahlt. Wir werden sienicht vergessen.

Unsere Gedanken sind auch beiunserem Kollegen Martin Arnold.Wir wünschen ihm eine baldigeund hoffentlich vollständige Gene-sung.

Wosch

Die Bewohner von Böblingennahmen großen Anteil undlegten am Straßenrand Blumennieder.

1. Mai Bremen Foto: W. Ahlers

22-jährigen Kollegin, die am 25.April 2007 zusammen mit ihremKollegen – Polizeimeister Martin

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6/2007 Deutsche Polizei 3

Gesundheitsreform:Neu ab 1. Juli 2007

Private Krankenversiche-rungsunternehmen bieten er-weiterte Standardtarife an;auf Antrag müssen Nicht-Ver-sicherte, die ihnen zuzuord-nen wären, ohne Gesund-heitsprüfung in diesen Tarifaufgenommen werden.

Polizeiliche Kriminal-prävention: Medienpaket

zum Schutz gegen StalkingDie Polizei startet eine

bundesweite Initiative, umBevölkerung und Polizei fitgegen Stalking zu machen.Entscheidend dabei ist, dassder verbesserte Schutz imEinzelfall greift und das Mar-tyrium der Opfer frühzeitigein schnelles Ende findet bzw.dass es erst gar nicht soweitkommt.

Die Aufklärungsinitiativeumfasst einen Kurzfilm für dieBevölkerung, der den Lei-densweg eines Stalkingopfersnachzeichnet und zeigt, wiesich Opfer schützen können,ein Merkblatt mit Vorbeu-gungstipps sowie ein umfang-reiches Serviceangebot imInternet. Alle Informationenabrufbar unter www.polizei-beratung.de.

Darüber hinaus wurde fürPolizisten ein spezieller Schu-lungsfilm mit Filmbegleithefterarbeitet, der über das Phä-nomen Stalking und den Um-gang mit Stalkingopfern infor-miert.

Publikation:Gewalt in Schulen

In der Tübinger Schriften-reihe „TüKrim“ (TübingerSchriften und Materialien zurKriminologie) ist eine Arbeitvon Tanja Pröhl über Gewaltin Schulen in den USA und inDeutschland erschienen. Eshandelt sich um eine Sekun-däranalyse von offiziellen Er-hebungen und von empiri-schen Forschungen zum The-ma.

Als PDF-Datei unter http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/tuekrim/ red.

Wissenswert

SACHSEN:

GdP bleibt bestimmende KraftDie GdP ist und bleibt be-

stimmende Kraft unter den Be-rufsvertretungen der Polizei inSachsen. Dies hat die Perso-nalratswahl mehr als deutlichgemacht.

Sowohl im Polizei-Haupt-personalrat als auch in denmeisten Personalräten der demStaatsministerium des Innernnachgeordneten Dienststellenhaben sich GdP-Kolleginnenund Kollegen durchgesetzt. Im

Wahlen zum Hauptpersonalrat 2007

SCHLESWIG-HOLSTEIN:

GdP eindeutig vornDie GdP konnte in der Grup-

pe der Beamtinnen und Beam-ten sieben von zehn Sitzen fürsich erringen, der Sitz für dieTarifbeschäftigten ging ebenfallsan die GdP-Kandidatin.

Gegensatz zur Wahlmüdigkeitbei Wahlen auf kommunalerund Landesebene stieg dieWahlbeteiligung sogar im Ver-gleich zu den Wahlen 2003.

Es ist Aufgabe unserer neugewählten Personalratsmit-glieder, gerade auf die Vertre-ter der „freien Listen“ einzuge-hen und miteinander die zwei-fellos komplizierteren Aufga-ben in dieser Wahlperiode an-z u g e h e n .

Insgesamt verfügt die GdPvon 11 Plätzen damit über acht.

Der Landesvorstand danktallen Wählerinnen und Wählernfür dieses Vertrauen.

Um zehn Prozent zum Vorjahrstieg die Zahl der politisch moti-vierten Straftaten; Besorgnis erre-gend sei vor allem die zunehmen-de Zahl rechtsextremistischer Ge-walttaten, so BundesinnenministerDr. Wolfgang Schäuble und derPräsident des Bundesamtes fürVerfassungsschutz, Heinz Fromm,am 15. Mai in Berlin bei der Vor-stellung des Bundesverfassungs-schutzberichtes 2006.

Der GdP-Vorsitzende KonradFreiberg führt diese Entwicklungvor allem auf den anhaltendenGlaubwürdigkeitsverlust der de-mokratischen Parteien zurück. InDeutschland sei ein Prozess dersozialen Spaltung im Gange; inner-halb der Gesellschaft würden Kon-flikte immer häufiger gewalttätigausgetragen. Anstatt diesen Ent-wicklungen gegenzusteuern, be-trieben die Parteien indesKoalitionsstreitigkeiten, die nurdem eigenen Machterhalt dienten.„Die Folge dieser parteipolitischenNabelschau ist eine fatale Politik-verdrossenheit. Die Rechten nut-zen dies, um mit ihren simplen Pa-rolen die von den etablierten Par-teien enttäuschte Menschen aufihre Seite zu ziehen. Der von denRechtsextremisten verspürte zu-nehmende Zuspruch macht derenAnhänger mutiger, ihr wahres, kri-minelles und menschenverachten-des Gesicht zu zeigen.“

Gleichzeitig mobilisiere der an-haltende Aufschwung der Rechtenden linksextremistischen Wider-stand und setze so eine Spirale derGewalt in Bewegung. In beidenLagern, so der GdP-Vorsitzendegegenüber der Presse, sei einedeutlich erhöhte Gewaltbereit-schaft festzustellen, mit der diePolizei allein gelassen werde. „DiePolizei befindet sich seit langem ineinem bundesweiten Demo-Ein-satzmarathon, der den Kollegin-nen und Kollegen mehr und mehrauf die Knochen geht. “

(s. auch S. 27) MiZi

VERFASSUNGSSCHUTZ-BERICHT 2006:

Rechteprofitieren

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KOMMENTARZu: Deutschland istnicht sicherer geworden,Unrühmlicher Rekord,DP 5/07

Ich verstehe einfach nicht, wa-rum Ihr in Euren Beiträgen, DP5/07, Seite 2, Deutschland ist nichtsicherer geworden und dem Kom-mentar von Seite 4, „Unrühmli-cher Rekord“, so zurückhaltendseid. Wenn ich mir (wie schon frü-her von mir mitgeteilt) die lang-fristige Entwicklung der regist-rierten Gewaltkriminalität, z. B. inDeutsche Polizei Nr. 12/2003, Sei-te 7 ansehe, dann werden dochalle Politiker Lügen gestraft, dieimmer wieder betonen, dass dieKriminalität zurückgeht. Veröf-fentlicht doch diese Zahlen in derPresse!! Mit Beruhigungspillen istes nicht getan, wenn Ihr für unsalle etwas Positives bewirkenwollt.

Rüdiger Simoneit, per E-Mail

Zu: Junge Gruppe (GdP)mit G(M)8, DP 5/07

Ich bin versucht, geharnischt zureagieren, mich über das Ab-schreiben von Wikipedia aufzure-gen und das, was danach folgt, als„unmöglich“, „beleidigend“ odersonst wie zu bezeichnen – aberdas würde nur Abwehr erzeugen,und ich will doch, dass meinLeserbrief nicht nur gelesen wird,sondern dass die Autorin auchakzeptieren kann, dass mich das,was sie geschrieben hat, „auf diePalme bringt“.

Vornehmste Aufgabe der Poli-zei in einem demokratischenRechtsstaat ist immer noch, dieMenschenrechte einer und einesjeden zu schützen und zu respek-tieren – darunter ist all das zu sub-sumieren, was man ansonsten alspolizeiliche Aufgaben kennt, vomAufrechterhalten der öffentlichenSicherheit und Ordnung bis hinzur Kriminalprävention oder-aufklärung.

Diese vornehmste Aufgabedarf auch im geschlossenen Ein-satz nie aus dem Auge verlorenwerden. Das Recht auf freieMeinungsäußerung und die Ver-sammlungsfreiheit sind Men-schenrechte. Wir sollten nicht fra-gen, ob Kollegen, denen wir un-

„Ich stehe Statistiken etwasskeptisch gegenüber. Denn lautStatistik haben ein Millionärund ein armer Schlucker je einehalbe Million“, so FranklinDelano Roosevelt.Der Spruch fiel mir im Zusam-menhang mit den nun offiziellverkündeten Zahlen der PKSein. Grundtenor, den derInnenminister dabei verbreite-

te: Deutschland ist sicherer ge-worden, die Zahl der Straftatenrückläufig.

Das hört sich gut an, ist abernur die halbe Wahrheit oderauch eine verdrehte – wie esStatistiken eben so an sich ha-ben mit all ihren Zahlen. Wiediese Zahlen im Detail zustan-de kommen, welche Hinter-grundmechanismen zusammen-spielen, wie groß das Dunkel-feld ist, all das bleibt im Schat-ten von Deutungen und Speku-lationen.

Ich möchte hier überhauptnichts schlecht reden. Aber ichbehaupte: Deutschland ist nichtsicherer geworden. RückläufigeEntwicklungen bei vielen De-

likten bedeuten nicht zwangs-läufig weniger Straftaten. Weni-ger Polizei und ein verändertesAnzeigeverhalten dürften ausmeiner Sicht dafür eher dieGründe sein.

Unsere Kolleginnen und Kolle-gen wissen es doch am besten:Sie stecken bis zum Hals inArbeit. Ihre Ressourcen sinderschöpft. Berge von Überstun-den sind ein beredtes Zeugnisdafür. Vor allem bei zeitauf-wändigen Ermittlungen verhin-dern die größer werdendenPersonallöcher konsequentePolizeiarbeit. Besonders deut-lich wird das bei der um rundsechs Prozent gesunkenen Zahlvon Rauschgiftdelikten. Weil eshöchst unwahrscheinlich ist,dass sich Dealer und Drogen-konsumenten auf der Wachegegenseitig anzeigen, muss diePolizei der Szene, den Ver-triebswegen und Hintermän-nern in manchmal langwierigenund personalintensiven Ermitt-lungen auf die Spur kommen.Das aber hat die Politik derPolizei durch überzogeneEinsparungen nahezu unmög-lich gemacht.Und deshalb täuschen die Sta-tistik-Zahlen nicht nur in die-sem Bereich über die tatsäch-lichen Zustände hinweg.

Es ist doch ein klares Rechen-szenario: Wie soll all die Arbeitmit gleichem oder noch mini-mierten Personal bewältigt wer-den? Großeinsätze wie der G8-Gipfel, Terrorismusbekämp-fung, allwöchentliche Fußball-Aufgebote sowie Auslands- undDemonstrationseinsätze wollengenauso bewerkstelligt werdenwie die polizeilichen Alltags-arbeiten. Und da laut PKS dieInternetkriminalität deutlichgestiegen ist, werden auch hierweitere Kräfte gebraucht.

Und da gibt es noch einen Ma-kel im „sicherer gewordenenDeutschland“: Die Jugend-gewalt hat zugenommen. Undzwar deutlich – zahlenmäßig,aber auch in ihrer Brutalität.Der Innenminister betonte, diesbedeute nicht zwingend einenAnstieg der Jugendkriminalität.Der Zuwachs könne auch aufeine erhöhte Anzeigebereit-schaft der Bevölkerung zurück-geführt werden.So kann man es auch drehen.Unbekannt sei bislang, so muss-te der Innenminister zugeben,wie groß die Dunkelzifferjugendlicher Gewalttäter ist.Vielleicht kann ein gemein-sames Projekt des Bundes-innenministeriums mit demKriminologischen Forschungs-institut Niedersachsen etwasLicht in das Dunkelfeld brin-gen: Man will eine „repräsenta-tive Dunkelfelderhebung“durchführen. Mit ersten Ergeb-nissen der Befragung von etwa50.000 Schülern ist zum Jahres-ende zu rechnen.

Ins Licht gerückt werden soll-ten allerdings die Aufklärungs-quoten. Das ist eindeutig derVerdienst der Kolleginnen undKollegen. Hier sonnen sich nundie Innenpolitiker in der hohenLeistungsbereitschaft und un-gebrochenen Motivation derPolizeibeschäftigten. Da sprichtman gern auch mal ein Lob aus.Das macht sich gut und kostetnichts – kompensiert aber inkeiner Weise all die Einschnitte,die unseren Kolleginnen undKollegen zugemutet werden.

Das Ende der Fahnenstange isterreicht, daran ändert auch einepositiv gedeutelte PKS nichts.

Da liegt noch viel im Dunkeln

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6/2007 Deutsche Polizei 5

FORUM

Die Redaktion behält sich vor,Leserbriefe zu kürzen, ummöglichst viele Kolleginnenund Kollegen zu Wort kom-men zu lassen. AbgedruckteZuschriften geben nichtunbedingt die Meinung derRedaktion wieder. AnonymeZuschriften werden nichtberücksichtigt.

Kontakt zur Redaktion:

GdP-BundesvorstandRedaktion Deutsche PolizeiStromstraße 410555 BerlinTel.: 030/39 99 21-114Fax: 030/39 99 21-190E-Mail:[email protected]

terschwellig unterstellen, dass siediese Menschenrechte verletzthaben („sind von Dienstwegennicht mit Samthandschuhen aus-gestattet“) nicht vielleicht„Recht“ hatten – schon gar nichtals Mitglied des Geschäftsführen-den Bundesjugendvorstandes ei-ner demokratischen Polizei-gewerkschaft.Hartmut Seltmann, per E-Mail

Zu: Runter vomGaspedal, DP 4/07

Heiße Diskussionen werden inletzter Zeit zum Thema Tempoli-mit entfacht – nur leider stimmt esvorn und hinten nicht, wie dortargumentiert wird.

Wo bleibt das Lob an die deut-schen Autofahrer, denn die Unfall-statistiken sinken nach unten undmanche Bundesländer melden ei-nen Stand an Unfalltoten wie 1947(Rheinland-Pfalz). Man überlegenur einmal, wie wenige Automo-bile es damals gegeben hat in Re-lation zu heute.

Auf wenige Raser und Dräng-ler wird ein Schwerpunkt gelegt,wobei diese im täglichen Straßen-verkehr wohl eher eine unterge-ordnete Rolle spielen. Die Nicht-blinker und Plötzlich-Ausscherer(auch Kombinationen davon),bleiben gänzlich unberücksichtigt,obwohl genau diese in der MasseUnfallverursacher oder Auslöserfür sich plötzlich änderndeGeschwindigkeitsverhältnisse sind(vgl. hierzu die Studien des ADACin 2006). Kein Autofahrer mit auf-gelegtem linkem Arm hat seinAuto bei höheren Geschwindig-keiten im Griff und kann angemes-sen reagieren.

Jeder 2. bis 3. männliche Auto-fahrer fährt mit aufgelegtem lin-ken Arm auf der Autobahn. EinBlinken ist so lästig, weil man sei-ne allgemeine Körperposition än-dern muss ...

Unsere Unfallstatistiken inPunkto Geschwindigkeit lassen zuwünschen übrig, es wird alles sub-sumiert und auch die Masse der„Blinkfaulheitsunfälle“ führen zu„Geschwindigkeitsunfällen“, weilauch der zu geringe Sicherheitsab-stand oftmals damit mit einhergeht – den letzten beißen die Hun-de, wie es so schön heißt.

Krass ist die Darstellung von

Herrn Mönnighoff, dass andereStaaten belegen, wie die Unfall-zahlen deutlich zurückgehen. Einfataler Trugschluss, denn die Sta-tistiken belegen eindeutig: Fast alleStaaten mit Tempolimit seit 30 undweniger Jahren sind die Tabellen-führer der Unfalltoten.

In den Niederlanden undFrankreich bekämpft man gera-de massiv die „Raser”, die es jadort eigentlich nicht gibt. Im Üb-rigen schauen die Statistiken fürdie o. g. Staaten in 2005 und 2006nicht wesentlich besser aus. Vonallen Staaten in Europa tummelnsich in Deutschland mit die meis-ten Einwohner pro m2 und diezweithöchsten Kfz-Bestände inder EU.

Für diese Verhältnisse sind un-sere Unfallstatistiken einsameSpitze. Man kann nicht einfachaus einem komplexen Zusam-menhang heraus Fortschritte an-derer Staaten in die Diskussioneinbringen, ohne deren Rahmen-bedingungen entweder komplettoder auszugsweise dar zu stellen.

Im Vergleich zur Bundes-republik Deutschland sieht diese„erfolgreiche“ Raserbekämpfungin Frankreich beispielsweise soaus:DeutschlandEinwohner: 82.501 Mio.Fahrzeuge: 550/1000 EinwohnerEinwohner je m2: 231Unfalltote je 1 Mio. Einwohner: 71FrankreichEinwohner: 60.381 Mio.Fahrzeuge: 494/1000 EinwohnerEinwohner je m2: 111Unfalltote je 1 Mio. Einwohner: 91

Was sagt uns das? In Frank-reich z. B. leben auf einer größerzur Verfügung stehenden FlächeWENIGER Menschen mit weni-ger Automobilen und trotz derseit Jahrzehnten geltenden Ge-schwindigkeitsbeschränkungenist es denen nicht gelungen, imVerhältnis dazu auf den Spitzen-platz der positiven Statistiken zugelangen.

In tempolimitierten EU-Staa-ten ist der Verkehr nicht ruhiger,langsamer, ausgeglichener undweniger aggressiv als bei uns. Esgibt nicht weniger Staus oder einbesseres Verkehrsklima – wederauf Autobahnen noch auf denSekundärstraßennetzen.

Wir sollten uns in Deutschlandlieber darum Gedanken machen,wie man den CO2-Ausstoß be-kämpft und dazu gehörtzumindest in den Städten/Ballungsräumen der Verkehr be-schleunigt, denn Tag für Tag bla-sen wir sinnlos ungenutzte Ener-gie mit den entsprechenden Um-weltfolgen in die Luft. In Zahlenlässt sich das schon nicht mehrohne weiteres darstellen, für wieviele Milliarden wir jährlich (unddas seit zig Jahren) durch einschlechtes Verkehrsmanagementin den Städten, die Luft ver-schmutzen. Davon will aber nie-mand etwas wissen.

Klaus Hinkelmann, München

Zu: BundesweitesWaffenregisterüberfällig, DP 5/07

Die GdP-Forderung nach ei-nem bundesweiten Waffen-register kommt mit langjährigerVerspätung. Was aber noch weitmehr befremdet, ist die Begrün-dung hierzu im letzten Absatz.Einmal losgelöst von der fehlen-den personellen Voraussetzungfür die „regelmäßigen Kontrollender Waffenunterbringung durchlegale Waffenbesitzer“ würde dieskeinen messbaren Gewinn an in-nerer Sicherheit bringen.

Haben Sie eigentlich keine an-deren Sorgen im Zusammenhangmit der Waffengesetzgebung?

Gerade jetzt, wo Bewegung indie Sache kommt, ist die GdP ge-fordert.

Noch bevor die WaffVwV zumbestehenden Gesetz auf den Weggegeben wurde – an sich schonskandalös genug – bastelt man jazur Zeit schon wieder an einemneuen WaffG. Dieses nicht gera-de von Kompetenz auf diesemGebiet zeugende Gesetz enthältneben etlichen „Ungereimthei-ten“ (wie ich sie einmal verharm-losend nennen möchte) einen neueingefügten § 42 a. Dort heißt es:

„Es ist verboten, Anscheins-waffen offen zu führen. In derAnlage 1, Abschnitt 2, Nr. 4a.heißt es dann: „Offen führt eineAnscheinswaffe, wer diese außer-halb von Schießstätten für Dritteerkennbar führt“.

In unserem Kulturkreis war esschon immer unüblich, Waffen of-fen zu führen. Die zitierte Vor-schrift geht daher völlig ins Lee-re. Eine alte (absolut berechtigte)GdP-Forderung bestand ja gera-de darin, derartige Waffen gene-rell aus der Öffentlichkeit ver-schwinden zu lassen. Im Interes-se der eingesetzten Kolleginnenund Kollegen besteht hier drin-gender Handlungsbedarf für dieGdP. Ich darf Sie daher herzlichbitten, hier mit allen zur Verfü-gung stehenden Mitteln zu inter-venieren.

Hartmut Faulstich, Wuppertal

Kommentar vom Autor WolfgangDicke:

Die erste Forderung nach einembundesweiten Waffenregister mussnatürlich auch einhergehen mitgenügend Personal, um sie im re-alen Alltag auch umsetzen zu kön-nen.

Zur zweiten Forderung: DieGdP wird im Rahmen des Waf-fenrechtsänderungsgesetzes dar-auf achten, dass die Softair-Imi-tate so weit wie möglich aus derÖffentlichkeit verschwinden. Diesumso mehr, als die GdP es war,die dieses Thema überhaupt alsProblem erkannt und auf die po-litische Tagesordnung gesetzt hat(siehe u. a. DP 5/06).

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6 6/2007 Deutsche Polizei

TITEL VERKEHRSPOLITIK

Bußgeld rauf?Ein härteres Vorgehen gegen rücksichtsloses und risiko-reiches Verhalten im Straßenverkehr empfiehlt der Deut-sche Verkehrsgerichtstag 2007, aber keine strengerenGesetze: Schwere Verstöße gegen die Hauptunfall-ursachen – insbesondere Rotlicht-, Abstand- und erhebli-che Geschwindigkeitsverstöße sowie Alkohol- undDrogenfahrten – sollten durch die Polizei verstärkt über-wacht und mit höheren Bußgeldern sanktioniert werden.Das FÜR und WIDER wurde auf dem diesjährigenVerkehrsgerichtstag ausgiebig erörtert, bevor die ange-führte Empfehlung ausgesprochen wurde.

Folgt man den rund 1.500 Ex-perten des diesjährigen Ver-kehrsgerichtstages, wird aufdeutschen Straßen noch immerzu wenig das Verhalten der Au-tofahrer überwacht. „Wo keineKontrolle ist, nutzt auch keineGeschwindigkeitsbegrenzung“,sagte der Präsident des Verkehrs-gerichtstages, Prof. Dr. FriedrichDencker, in der Eröffnungsan-sprache.

Dabei gibt es bereits inDeutschland bei Polizei undKommunen zurzeit etwa 1.100mobile Radargeräte. Hinzu kom-men rund 2.200 Geräte, die sogenannten „Starenkästen“, vondenen ca. jeder dritte tatsächlichmit einem Messgerät bestückt ist.Ebenfalls im Einsatz bei derTempokontrolle sind etwa 1.500mobile Laser-Handgeräte sowie500 Lichtschranken. Allerdingssind nicht alle diese angeführtenGeräte täglich im Einsatz – u. a.eine Personalfrage.

Rechnet man diese Zahlen derGeräte hoch auf das Straßennetzund die Einsatzzeiten, kann einAutofahrer hierzulande theore-tisch 1.000 Kilometer nach Gut-dünken fahren, ohne Gefahr zulaufen, beim Rasen, Drängelnoder gar beim alkoholisiertenFahren erwischt zu werden.

Vorbeugend im Sinne derUnfallverhütung wirkt jedoch inerster Linie das Wissen potenti-eller Verkehrssünder um dasEntdeckungsrisiko. Dies lässtsich erfahrungsgemäß nur durchmehr Kontrollen erhöhen, nichtaber lediglich durch Erhöhungder angedrohten Sanktionen –oder durch angedrohte Sanktio-nen, die sowieso nicht umgesetztwerden, weil bislang dasEuroparecht in diesem Bereichnoch nicht überall greift.

„Knöllchenbeschluss“wird umgesetzt

Deutschland ist mit seinerMittellage in Europa eines der

wichtigsten Ziel- und Transit-länder des Kontinents. Allein imGüterkraftverkehr aus anderenEU-Mitgliedstaaten werdenjährlich mehr als 25 MillionenFahrten auf deutschen Straßenzurückgelegt. BeiLkw oder Pkw mitausländischem Kenn-zeichen bleibt das Ra-sen und Drängelnbeim Blitzen einerKontrollkamera aufdeutschen Straßenbisher viel zu häufigohne Folgen: Einernormalerweise fälli-gen Geldbuße kannsich der Fahrer durchdie Rückkehr in seinHeimatland oft be-quem entziehen.

Das soll in Zukunftanders werden: Bun-desjustizministerinBrigitte Zypries kün-digte beim Verkehrs-gerichtstag schwereZeiten für Raser an.Ein so genannter„ K n ö l l c h e n b e -schluss“ der EU-Kommission werdegegenwärtig in deutsches Rechtumgesetzt. Das heißt, eine Geld-strafe oder Geldbuße, die in ei-nem Mitgliedstaat rechtskräftigverhängt worden ist, muss künf-tig auch von den anderen EU-Staaten anerkannt und voll-streckt werden. Hierbei geht esnicht um Bagatellverstöße wieFalschparken, sondern um Sank-tionen über 70 Euro.

Bislang existiert ein bilatera-les Abkommen, das zur Vollstre-ckung verpflichtet, nur zwischenDeutschland und Österreich. Mitden übrigen EU-Ländern be-steht zwar die so genannte

Vollstreckungshilfe, die aber vielzu aufwändig für Massen-verfahren ist wie die Verkehrsde-likte es sind.

In Deutschland soll deshalbder EU-Rahmenbeschluss nochin diesem Jahr durch das „Euro-päische Geldsanktionsgesetz“umgesetzt werden. Und Zypriesist sich sicher: „Es wird sich her-umsprechen, dass ein ausländi-

sches Kennzeichnen künftig keinFreibrief mehr ist, um etwa aufdeutschen Autobahnen zu ra-sen“.

Doch auch hier gilt: Gegensei-tige Anerkennung ist keine Ein-bahnstraße. Auch deutsche Auto-fahrer werden die Verkehrsre-geln im EU-Ausland künftignoch genauer beachten, denn siekönnen nicht mehr darauf hof-fen, dass Verstöße folgenlos blei-ben.

Damit der „Knöllchenbe-schluss“ aber nicht dem gewach-senen Rechtsstaatsverständniswiderspricht, soll in kritischenFällen die Vollstreckung in

Deutschland verweigert werden.Dabei geht es etwa um Fälle, indenen der Halter eines Fahr-zeugs „bestraft“ werden soll,ohne Rücksicht darauf, ob erauch wirklich der Fahrer war, derden betreffenden Verstoß began-gen hat.

Oder es geht um Praktiken derGeschwindigkeitsschätzung oder

Knöllchenbeschluss: Im Ausland erwischt – in Deutschland künftig zahlen Foto: dpp/Opel/GP

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-messung, die unseren Anforde-rungen an eine Beweisführungnicht entsprechen. Zum Beispieldas so genannte „Amtsauge“, dasin manchen Mitgliedstaaten zu-lässig ist, also der Polizist, der mitbloßem Augenmaß abschätzt,wie schnell ein Auto gefahren ist.Ministerin Zypries erläuterte,alle Bürger sollten „darauf ver-trauen können, dass es einenMindeststandard an Verfahrens-rechten in der gesamten EUgibt“. Die grenzüberschreitendeStrafverfolgung müsse deshalb„gekoppelt sein mit der grenzü-berschreitenden Geltung vonSchutzrechten“. Deshalb möch-te die Ministerin die „Stärkungder Bürgerrechte“, die „Verbes-serung der praktischen Zusam-menarbeit der Justiz“ und denländerübergreifenden Einsatz„moderner Kommunikations-technik (E-Justice)“ zu einemSchwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft machen.

In diesem Zusammenhang rätsie, beim Halterdatenaustauschin Verkehrsangelegenheiten dieguten Erfahrungen, die bei denStrafregistern gemacht wordenseien, zum Vorbild zu nehmen. Essei aus Gründen der Ökonomieund des Datenschutzes sinnvol-ler, „die bereits bestehenden na-tionalen Register“ zu vernetzenund den Datenaustausch zwi-schen ihnen zu erleichtern, als„eine neue europäische Zentral-behörde mit zusätzlicher Büro-kratie“ zu schaffen.

Höhere Bußgeldergefordert

Immer wieder werden Forde-rungen nach höheren Sanktionenfür Verkehrsverstöße laut. Grunddafür sind nicht nur spektakulä-re Unfälle sowie ein angeblichzunehmendes „Rowdytum“ unddie Gefährdung schwächererVerkehrsteilnehmer auf unserenStraßen, sondern auch nationaleund internationale Rahmen-bedingungen. So ist der deutscheBußgeldkatalog – abgesehen von

punktuellen Änderungen inmehreren Novellen – seit 1990praktisch unverändert, und dastrotz Inflation und stark gestie-gener Parkgebühren.

Es ist bekannt, dass Verwar-

nungsgelder inzwi-schen bewusst einkal-kuliert werden, indemAutofahrer sich z. B.an die Bußgeldgren-zen heranfahren. Ver-glichen mit anderenMitgliedstaaten derEU sind die Geld-bußen in Deutschlandniedrig. Der Rah-menbeschluss zurVollstreckung vonGeldsanktionen inder EU sieht eineMindestgrenze von 70Euro vor.

Vor diesem Hinter-grund hat sich Bun-desverkehrsministerWolfgang Tiefensee

dafür ausgesprochen, die Geld-bußen differenziert anzuheben.„Wir müssen mit drastischen, ab-schreckenden Strafen gegenRaser, Drängler und auchDrogenkonsumenten vorgehen,um die vielen vernünftigen Au-tofahrer zu schützen“, forderteder Verkehrsminister. Die Kom-bination aus mehr Kontrollenund abschreckenden Bußgeldernhält er für einen „viel verspre-chenden Weg“.

Das alles hört sich theoretischgut an, ob es in der Praxis funkti-oniert, hängt aber u. a. davon ab,

ob es genügend Kontrollen(sprich Personal) geben wird, da-mit die Verkehrssünder erwischtund die angedrohten Bußgelderüberhaupt verhängt werdenkönnen.

Eine repräsentative Um-frage des Bundesverkehrs-ministeriums unter Deutsch-lands Autofahrern ergabkürzlich: acht von zehn Au-tofahrer klagen über zuneh-mend rücksichtsloses Ver-halten auf den Straßen.Verkehrsrüpel sind demzu-folge vor allem männlicheFührerschein-Neulinge, dieüberproportional an schwe-ren und tödlichen Unfällenbeteiligt sind.

Die Altersgruppe der 18-bis 25-Jährigen ist mit mehrals 30 Prozent an Alkohol-unfällen beteiligt. Verkehrs-minister Tiefensee will dar-auf mit absolutem Alkohol-verbot für Fahranfänger re-agieren. Wer dagegen ver-stößt muss mit 125 EuroBußgeld, zwei Punkten imVerkehrszentralregister, ei-nem Fahrübungsseminarund der Verdoppelung derProbezeit rechnen.

Wird aus dem Knöllchenbald ein Knollen?

Doch erst einmal will man sichoffenbar mit den Bußgeldern be-fassen. Denn die Potenziale zurErhöhung der Verkehrssicherheitdurch Qualitätsverbesserungender Verkehrsinfrastruktur, passi-ve Kfz-Sicherheitssysteme und in-tensive Verkehrsaufklärungs-arbeit seien weitestgehend er-schöpft. Ein Effekt aktiver Syste-me werde erst langsam, nämlichbei Neubeschaffung von Fahrzeu-gen, eintreten. Wenn die Tendenzim Unfallgeschehen nicht abbre-chen sollte, sei es erforderlich,„flankierend zu einer intensivier-ten Verkehrsüberwachung einedifferenzierte Anhebung derGeldbußen für schwere Ver-kehrsverstöße“ vorzunehmen, ar-gumentierte der Vertreter desBundesverkehrsministeriums,Dr. Frank Albrecht, auf demdiesjährigen Verkehrsgerichts-tag.

Eine Arbeitsgruppe aus Ver-tretern des Bundes und der Län-der ist zu dem Ergebnis gekom-

Unsanft gestrandet im Ausland – Hoffen auf Verbesserung praktischer Zusammen-arbeit der Justiz Foto: dpp/GP

Minister Tiefensee: Raser sollen kräftig blechen Foto: DVR

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men: „Eine weitere spürbare Ver-besserung des Unfallgeschehenslässt sich kurzfristig nur errei-chen, wenn die Maßnahmen zurDurchsetzung der Verkehrsre-geln weiter verstärkt werden.Dazu zählt als ein entscheiden-der Faktor ein Sanktionsniveaumit Abschreckungswirkung.“

BußgeldparadiesDeutschland

Ein Sanktionsvergleich inEuropa zeigt, dass es keine Über-treibung ist, vom „Bußgeld-paradies Deutschland“ zu spre-chen. Beispielsweise gilt fürGeschwindigkeitsverstöße in denNiederlanden knapp das Dop-pelte und in Schweden das bis zuZehnfache der deutschen Sätze.Albrecht sieht einen „unmittel-baren Zusammenhang zwischender Bereitschaft zur Begehungvon Rechtsverletzungen unddem Grad deren Ächtung“ indem jeweiligen Staat. Zuletzthabe Frankreich eindrucksvollgezeigt, wie man „mit einemGesamtpaket von Maßnahmen,dessen zentrale Punkte die Ab-schreckung durch erhöhte Sank-tionen und verstärkte Überwa-chung gebildet haben“, einenRückgang der Zahl der Unfall-toten in drei Jahren um 25 % er-reicht hat.

Folgende Kriterien sollten derÜberarbeitung der Bußgeldvor-schriften – wie es die Bund-Län-der-Arbeitsgruppe vorschlägt –zugrunde gelegt werden:• Bedeutung des Tatbestandes

für die Verkehrssicherheit,• typischer Grad an Vorwerfbar-

keit,

• die Tatsache bereits erfolgterErhöhungen des Regelsatzesim Bußgeldkatalog sowie

• finanzielle Vorteile, die häufigaus dem Verstoß hervorgehen.

Hiervon ausgehend wurden fol-gende Änderungen beim Ver-

kehrsgerichtstag diskutiert:• Anheben der Bußgeldober-

grenze bei Verkehrsordnungs-widrigkeiten von derzeit 1.000Euro auf künftig 2.000 Euro,

• Erhöhen der Sanktion bei Al-kohol- oder Drogenfahrtennach § 24 a StVG von 1.500Euro auf 3.000 Euro,

• Erweitern des Verwarnungs-geldbereichs auf die Ober-grenze von 65 Euro (bisher 35Euro),

• Heraufsetzen der Eintragungs-grenze für das FlensburgerVerkehrszentra l reg i s ter(VZR) von 40 Euro auf 70Euro,

• Schwerpunkt der Verteuerungder Bußgeldregelsätze sollteliegen bei

- Hauptunfallursachen (insbe-sondere Alkohol- und Drogen,Abbiege- und Vorfahrtver-stöße, Rotlichtverstöße, zuschnelles Fahren und Unter-schreitungen des Sicherheits-abstandes) und

- Verstößen, die oft zu wirt-schaftlichen Vorteilen führen(insbesondere Überladungund weitere Verstöße gegenMaße und Gewichte, Sonn-tagsfahrverbot, mangelnde

Ladungssicherung, verkehrs-unsicherer Fahrzeugzustand,Manipulation von Geschwin-digkeitsbegrenzern in Lkwund Bussen, mangelnde Bau-stellensicherung im Straßen-raum),

• Aufnahme vorsätzlicher Ver-stöße in den Bußgeldkatalogmit Regelsätzen und Fahrver-bot sowie eines einheitlichenErhöhungssatzes bei Fahr-lässigkeitsdelikten, die vorsätz-lich begangen werden,

• Änderungen bei den VZR-Eintragungen sollten nicht er-folgen,

• Regelsätze für Fußgänger soll-ten unverändert bleiben und

• Mehreinnahmen, die sich ausder Anhebung des Sanktions-niveaus ergeben, sollten fürZwecke der Verkehrssicher-heit eingesetzt werden.

Gegenstimmen

Höhere Geldbußen für Ver-kehrsordnungswidrigkeiten soll-ten nur der Verkehrssicherheitdienen. Dr. Michael Burmann,Rechtsanwalt aus Erfurt, räum-te zwar ein, dass das deutscheBußgeldniveau bezogen auf an-dere Staaten in Europa als zuniedrig zu bewerten sei. Anderer-seits müsse aber auch berück-sichtigt werden, dass von der EU-Kommission und vom Europäi-schen Verkehrssicherheitsratdurchgeführte Erhebungen erge-ben haben, dass Deutschland imeuropäischen Vergleich an einervorderen Stelle bei der Intensi-tät der Verkehrsüberwachungstehe.

Fraglich erscheine, ob durcheine Erhöhung der Geldbußentatsächlich in relevantem Maßeauf das Verkehrsverhalten derBürger eingewirkt werden könne.Eine präventive Wirkung dürftenach Burmanns Meinung ehernur bei Angehörigen finanziellschwächerer Bevölkerungskreisezu erwarten sein. Diese Fragemüsse man sich deshalb stellen,weil „wir mit dem Punktesystemund der Sanktion des Fahrverbo-tes durchaus wirksame Mittel ha-ben“, auf das Fahrverhalten derBürger einzuwirken.

Umgekehrt lassen sich wirt-schaftliche Vorteile eines Unter-nehmers durch die Überladungeines Lkws oder auch durchLenkzeitverstöße mit Hilfe einerErhöhung der Geldbußen nicht„ins Blaue hinein“ wegnehmen.Burmann: „Auch bei einer Ver-

VERKEHRSPOLITIK

Autobahn-Drängler: Ohne Rücksicht auf Verluste Foto: dpp/VW/HP

Gefährliche Überladung stoppen: Bald durch Mautkontrollstellen? Foto: dpp/GDV/GP

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dreifachung des Regelsatzesdürfte der wirtschaftliche Ge-winn wohl nur sehr einge-schränkt abgeschöpft werdenkönnen.“ Wer es ernst meine mitdem Anliegen, den wirtschaftli-chen Gewinn abzuschöpfen,müsse „die bislang bereits vomGesetz vorgegebenen Möglich-

keiten ausschöpfen“, also denWeg über § 17 Abs. 4 OWiG(Höhe der Geldbuße) oder § 29 aOWiG (Verfall) wählen.

Gerechtigkeit muss vorSparzwang gehen

Im Übrigen darf, nach Auffas-sung von Burmann, der Gesetz-geber die Rechtsschutzmög-lichkeiten nicht einschränken,wenn er durch höhere Geldbu-ßen auf das Fahrverhalten ein-wirken will. Ein Gesetzentwurfdes Bundesrates soll nämlich nurnoch Geldbußen von über 500Euro (bislang 250 Euro) den Wegzur Rechtsbeschwerde eröffnen.Ferner soll auch gegen die Ver-hängung eines Fahrverbotes vonmaximal 1 Monat Dauer keine

Rechtsbeschwerde mehr zulässigsein. „Damit wird faktisch dasgesamte Verkehrsordnungswi-drigkeitenrecht von der Möglich-keit ausgeschlossen, amtsge-richtliche Urteile durch dieRechtsbeschwerde überprüfenzu lassen“, kritisierte Burmann.

Der Verzicht auf die Durch-

setzung der materiellen Gerech-tigkeit könne im Einzelfall dazuführen, dass das Vertrauen desBürgers in die Rechtstaatlichkeiterheblich eingeschränkt werde.Erfreulicherweise habe jedochdie Bundesregierung in ihrerStellungnahme zum Gesetzes-entwurf des Bundesrates die neu-erliche Anhebung der Rechts-mittelgrenzen abgelehnt.

Belastung von Justiz undVerwaltungsbehörden

Der Augsburger AmtsrichterRaimund Wieser erwartet erheb-liche Auswirkungen einer An-hebung der Bußgeldregelsätzebei Verkehrsordnungswidrig-keiten auf die Vollzugspraxis.Verkehrsordnungswidrigkeiten

im Sinne von § 24 f. StVG stellenzwar die Masse aller Ordnungs-widrigkeiten dar, sehen aber imVergleich zu anderen Ordnungs-delikten Sanktionen ganz über-wiegend bisher nur im Bagatell-bereich vor. Verstöße gegenG e f a h r g u t v o r s c h r i f t e n(GGVSE), Pflichten des Fahr-

personals (FPersG), Personen-beförderungsrecht (PBefG) oderim Güterkraftverkehr (GüKG)werden mit vielfach höherenGeldbußen bedroht. Wieser be-richtete, dass die Einspruchs-häufigkeit dort „wesentlich hö-her“ liege, obwohl keine Eintra-gung in das Verkehrszentral-register“ erfolge. Er befürchtet,dass eine bedeutende Anhebungder Regelbußen bei Verkehrs-verstößen zu einer „markantenSteigerung der Einspruchszahlengegen Bußgeldbescheide“ unddamit zu einer Mehrbelastungvon Verwaltung und Justiz füh-ren werde.

Ein weiterer Grund für stei-gende Rechtsmittelzahlen dürf-te nach Meinung von Wieser inden verschlechterten wirtschaft-

Zu schnell? Verkehrsverstöße können künftig teuer werden. Foto: dpp/VW/GP

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lichen Verhältnissen von Teilender Bevölkerung liegen.

Punkte und Fahrverbotbeibehalten

Auch der mögliche Wegfall sogenannter „1-Punkte-Verstöße“im VZR stößt bei dem Amtsrich-ter auf Kritik: „Da die zahlen-mäßig meisten Verkehrsverstößemit einem Punkt bewertet sind,kämen nur noch besondersschwerwiegende Verkehrsord-nungswidrigkeiten zur Eintra-

gung.“ Dies sei wegen der „Ein-schränkung der Gefahrenabwehrdurch die Fahrerlaubnisbehör-de“ keine geeignete Reaktion.Bisher besitzt eine VZR-Ein-tragung für Kraftfahrer durch-aus abschreckenden Charakter,wie volkstümliche Begriffe„Flensburger Punktekonto“oder „Verkehrssünderkartei“belegen.

Wesentlich einschneidenderals die Geldbuße ist für Autofah-rer meist das Fahrverbot (§ 25StVG), das bislang als Neben-folge einer Verkehrsordnungs-widrigkeit wegen grober oderbeharrlicher Pflichtverletzungverhängt werden kann. Hier willder Justizvertreter keine Ein-

schränkung des Regelfahr-verbotes bei Ersttätern akzeptie-ren. „Im Interesse vor allemschwächerer Verkehrsteilneh-mer“ könne auf die „bewährteverkehrserzieherische Wirkungdes Fahrverbots“ nicht verzich-tet werden.

Als hilfreich zur Entlastungder Verfolgungsbehörden undder Justiz von steigenden Ein-spruchszahlen bei einer Erhö-hung der Regelgeldbußen siehtVerkehrsrichter Wieser eine„verstärkte Wahrnehmung des

Opportunitätsprinzips“. Ge-meint ist, bei leichten Verkehrs-verstößen in geeigneten Fällenvermehrt von der Einstellungs-möglichkeit Gebrauch zu ma-chen.

Ergänzend soll eine angemes-sene Verteuerung der Kosten-haftung des Fahrzeughalters dieEinspruchszahlen eindämmen.Schon heute führt die bloßeNichtangabe des Fahrzeug-führers gerade bei schwerwie-genden Halt- und Parkverstößenzu einer erheblichen „Verbilli-gung“ gegenüber der Geldbußeund provoziert den Einspruchförmlich.

Schließlich befürchtet Wieser,erhöhte Geldbußen würden zu

besonderen Schwierig-keiten bei der Vollstre-ckung führen. Vielfachscheitere bereits jetzt dieVollstreckung von Buß-geldbescheiden an denwirtschaftlichen Verhält-nissen der Betroffenen.Es sei nicht hinnehmbar,dass unpfändbare Fahr-zeugführer, die z. B. einFahrzeug zur Berufsaus-übung benötigen, eineArt „zeitlich unbegrenzte‚Narrenfreiheit´ zur Bege-hung von Ordnungswid-rigkeiten genießen“ undder verkehrserzieherischeZweck der Geldbuße alsernste Pflichtenmahnungins Leere laufe.

Hier sollte eine eindeu-tige gesetzliche Regelungzur Durchsetzung vonGeldbußen mittels Er-zwingungshaft erfolgen.

Drängler und Raser sol-len mehr bezahlen

Der für die Sanktionen zustän-dige Arbeitskreis empfiehlt in sei-ner Entschließung dem Gesetzge-ber, für schwere Verkehrs-verstöße, die Hauptunfallur-sachen darstellen (insbesondereRotlicht-, Abstand-, deutlicheGeschwindigkeitsverstöße sowieAlkohol- bzw. Drogenfahrten),die Geldbußen differenziert anzu-heben, um Unfallzahlen spürbarzu verringern. Nötig sind sowohlhinreichend starke polizeilicheÜberwachungsmaßnahmen alsauch ein als wirksam empfunde-nes Sanktionsniveau.

„Einer Mentalität, die Geldbu-ßen bei Verkehrsverstößen be-wusst einkalkuliert, muss entge-gengewirkt werden“, heißt es inder Empfehlung.

Eine durchgängige Erhöhungaller Bußgeldsätze soll nicht erfol-gen. Eine schärfere Sanktionie-rung nur der schweren Delikte er-scheint überdies geeignet, demUmstand angemessen Rechnungzu tragen, dass die Bußgeldsätzeseit 1990 im Wesentlichen unver-ändert geblieben sind undDeutschland ein im Verhältnis zuanderen EU-Staaten sehr gerin-ges Bußgeldniveau bei Verkehrs-verstößen hat.

Nicht zuletzt bleibt aber auchan die Einlösung des Verspre-chens von Bundesverkehrs-minister Tiefensee zu appellieren,die Mehreinnahmen aus Ver-kehrsverstößen für konkreteUnfallverhütungsprojekte zu ver-wenden. Es wäre gut, wenn hierzubald ein näherer Bericht vorge-legt würde, der geeignet wäre, diesicher bereits geweckten Be-gehrlichkeiten anderer Ressortsauf künftig sprudelnde Geldquel-len von vornherein einzudäm-men. Peter Schlanstein

Anmerkung: Im zustimmen-den Beschlussvorschlag derInnenministerkonferenz zur Er-höhung der Bußgelder (31. Mai/1. Juni 2007) ist die Forderung derVerkehrsministerkonferenz, dieerwarteten Mehreinnahmen zurErhöhung der Verkehrssicherheitzu verwenden, nach Interventionder Finanzminister von Bundund Ländern bewusst gestrichenworden.

Bei Beachtung von Tempolimits könnten Unfallzahlen sinken Foto: dpp/GDV

VERKEHRSPOLITIK

Unfallrisiken minimieren: Mehr Kontrollen und Bußgeld – bevor es kracht Foto: dpp/GP

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KINDERSCHUTZ

Reaktionen dringlich!Qualifizierungsmaßnahmen für Kommissaranwärterdes Landes Mecklenburg-Vorpommern:

„Eine ordentliche Tracht Prü-gel hat noch niemandem gescha-det…?“ – Dieses Klischee hieltsich keine 10 Minuten, nachdemMichael Havemann und GinaGraichen vom Landeskriminal-amt Berlin den Kommissaran-wärterinnen und -anwärtern vomFachbereich Polizei und vom In-stitut für die polizeiliche Aus-und Fortbildung Videomaterialzeigten, das eine misstrauisch

gewordenen Mutter heimlichaufgezeichnet hatte. Inhalt: dieMisshandlung ihres Kleinkindesdurch ihren Lebensgefährten.

Die Anblicke, das aufgezeich-nete Weinen und Schreien desmisshandelten Kindes waren sounerträglich, dass mancher inTränen ausbrach oder den Raumverlassen musste …

Danach zeigten sie den ent-setzten Teilnehmerinnen undTeilnehmern weitere, nichts be-schönigende Fotos davon, wasEltern ihren Kindern antatenund antun.

Es sei nicht die Absicht derBerliner Kriminalisten, zu scho-ckieren und ihre Zuschauer undZuhörer an ihre Grenzen zu füh-

ren, jedoch „nützt es niemanden,zu verdrängen und zu verharm-losen, am wenigsten den betrof-fenen Kindern“, erklärte GinaGraichen, Erste Kriminalhaupt-kommissarin und Leiterin desbundesweit einzigen Fachkom-missariats zur Bearbeitung der-artiger Fälle.

Sie und KriminaloberratMichael Havemann, Leiter desDezernates 12 beim Berliner

Landeskriminalamt, bei dem ihrFachkommissariat angebundenist, vermittelten dem Nachwuchsfür den gehobenen Polizei-vollzugsdienst des Landes Meck-lenburg-Vorpommern in je vierUnterrichtseinheiten alles rundum die Vernachlässigung undMisshandlung von Kindern.

Graichen und Havemann er-innerten daran oder machten eseinigen der Anwesenden viel-leicht auch das erste Mal deut-lich, dass bereits seit Jahren§ 1631 des Bürgerlichen Gesetz-buchs festlegt, dass Kinder einRecht auf gewaltfreie Erziehunghaben und dass körperliche Be-strafung, seelische Verletzungenund andere entwürdigende Maß-

nahmen unzulässig sind.Während bei Fällen häuslicher

Gewalt mittlerweile in aller Re-gel davon ausgegangen werdenkann, dass eine gegenwärtigeGefahr für Gesundheit und Le-ben meist einer erwachsenenFrau vorliegt und sofort gehan-delt wird, bleibt es bei betroffe-nen Kindern – nicht nachvoll-ziehbar – oft bei einer Anzeigeund einem Bericht an das Ju-

gendamt und das Kind wird beiseinen Peinigern belassen.

Die Verletzung der Fürsorgeoder Erziehungspflicht gemäߧ 171 Strafgesetzbuch war und istvielen Polizeibeamtinnen undPolizeibeamten gar nicht alsStraftatbestand und von Amtswegen zu verfolgendes Offizial-delikt bewusst, so dass bei Kin-dern, die in total verdrecktenZimmern zum Teil mit Un-gezieferbefall „hausen“ müssen,oft und somit fälschlich nur einBericht an das Jugendamt ge-schrieben wird.

Die Misshandlung von Schutz-befohlenen gemäß § 225 Strafge-setzbuch war schon eher be-kannt, doch räumten die Teil-

nehmerinnen und Teilnehmerder Veranstaltung ein, sich be-züglich Gefahren abwehrenderMaßnahmen bisher in aller Re-gel auf das Jugendamt verlassenzu haben.

Doch die Polizei ist die einzi-ge für die Verhütung von Straf-taten zuständige Behörde. Unddie Verletzung der Fürsorge-oder Erziehungspflicht und dieMisshandlung von Schutzbefoh-lenen sind Straftaten. In allenZweifelsfällen ist zunächsteinmal dem Kind Glauben zuschenken und das Kind sollte inObhut/in Gewahrsam genom-men und dann dem Kinder- undJugendnotdienst überstellt wer-den.

Es kann zwar sein, dass das

Jugendamt nach Prüfung desSachverhaltes das Kind wieder indie Obhut (?) seiner Eltern zu-rückgibt, aber der verantwortli-che Sachbearbeiter ist so in derPflicht, sich sehr viel intensivermit dem Sachverhalt auseinan-derzusetzen und die Familie abdiesem Zeitpunkt sehr viel inten-siver zu begleiten.

Darüber hinaus ist – vielennicht geläufig – auch die Polizeiberechtigt, eine Berichtskopieunmittelbar an das zuständigeFamiliengericht weiterzuleiten,und der örtlich zuständige Fami-lienrichter hat dann von Amtswegen Sachaufklärung zu betrei-ben. >

Eine ordentliche Tracht Prügel hat noch niemandem geschadet …?

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Holen Sie das Kind daraus – und zwar sofort!

Michael Havemann „formu-lierte es hart: „Wenn Sie alsPolizeibeamter ein Kind in einersolchen Situation bei den Elternlassen und es drei Tage später totist, haben Sie mit dieser Verant-wortung zu leben, und ich meinedamit weniger die juristische Ver-antwortung. Ich persönlich wüss-te als Mensch nicht, wie ich mitso einer Schuld leben sollte.“

Dies gelte auch bezüglich desBetretens und Durchsuchens derWohnung bei einem derartigenVerdacht: Sie können und müssenin diesen Fällen von einer gegen-wärtigen Gefahr für Leib und Le-ben eines Kindes ausgehen undsofort rein in die Wohnung.“

Viele Kinder, die in derartigenVerhältnissen belassen werden,geben als Erwachsener das wei-ter, was sie als Kind erlernt haben.

Die beiden Berliner Expertenhaben nicht zuletzt durch eine in-tensive Öffentlichkeitsarbeit fürBerlin eine erhebliche Erhöhungder Anzeigebereitschaft erreicht,

so dass scheinbar die Fallzahlenim Vergleich zu anderen Bundes-ländern drastisch gestiegen sind.„Tatsächlich haben wir jedoch nurdas Dunkelfeld erhellt“, erklärtHavemann.

Eine Hotline für Hinweise

Einen wesentlichen Beitraghierzu hat in Berlin eine eingerich-tete Hotline der Polizei geleistet,über die rund um die Uhr und ggf.anonym Hinweise auf vernachläs-sigte oder misshandelte Kindergegeben werden können.

„Entgegen ersten Befürchtun-gen haben wir bei bisher ca. 1.600Anrufen seit 2004 noch in kei-nem Fall erlebt, dass Nachbarnanzuschwärzen versuchten“, soHavemann.

Ein Landesbeauftragterfür Kinderschutz?

Eine solche Hotline auch fürMecklenburg-Vorpommern hal-te ich für wünschenswert und re-alisierbar. Wir haben so viele –notwendige – Beauftrage fürGleichstellung, Datenschutz,

gleichgeschlechtliche Lebens-weisen und und und. Ich würdemir ebenso „Landesbeauftragtefür Kinderschutz“ wünschen, dieden Kinderschutz in den Län-dern vorantreiben, eine verbes-serte Vernetzung aller beteiligtenöffentlichen und nicht-öffentli-

chen Stellen unterstützen, koor-dinieren und überwachen. EineMinimalforderung wäre aus mei-ner Sicht die Einrichtung einerzentralen Koordinierungsstellefür Kinderschutz auf der Ebenedes jeweiligen Bundeslandes, ver-gleichbar z. B. der Fachstelle Kin-

derschutz des Landes Branden-burg.

Manchmal können bereitsKleinigkeiten zu Verbesserungenbeitragen, z. B. wenn die Ver-nachlässigung und Misshandlungvon Kindern zukünftig als WE(wichtiges Ereignis) an dieBehördenleitung und das Innen-ministerium zu melden wären.Das würde von vornherein je-dem verdeutlichen, dass es ummehr geht, als um eine „ordent-liche Tracht Prügel“.

Dauerthema

Das Thema Kinderschutz darfnicht nur während brisanter,öffentlichkeitswirksamer The-men aufflammen. Es ist einDauerthema.

Um das weiter im Bewusstseinzu halten und praktikable Maß-nahmen voranzubringen, wird esu. a. in Güstrow an der Fachhoch-schule für öffentliche Verwal-tung, Polizei und Rechtspflegedes Landes Mecklenburg-Vor-pommern am 11. Oktober 2007eine Kinderschutzkonferenz ge-ben. Daran werden u. a. derInnenminister des Landes,Lorenz Caffier, und der Sozial-minister Erwin Sellering teilneh-men. Rainer Becker

Das Programm für die Kin-derschutzkonferenz und weitereHinweise sind unterwww.fachstelle-kinderschutz.deunter dem Menuepunkt Veran-staltungen zu finden.

Anmeldungen zur Konferenz:[email protected]

Kinder im Müll – Berlin Fotos (4): LKA Berlin

KINDERSCHUTZ

Unterrichtseinheit an der Verwaltungs-FHS Güstrow zum Thema„Vernachlässigung und Missbrauch von Kindern” Foto: FHS

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Die Gründungsphase an der Deutschen Hochschuleder Polizei (DHPol) in Münster-Hiltrup steht vor ih-rem Abschluss. Nach den Probeläufen soll imHerbst 2007 der erste „richtige“ Studiengang alsMasterstudiengang starten. Das Interesse an die-ser neuen Struktur in der Ausbildung polizeilicherFührungskräfte, aber auch das Begleiten der in denProbeläufen befindlichen Kolleginnen und Kollegenund die kritische Aufnahme ihrer bisherigen Eindrü-cke waren Anlass für Ernst Scharbach und HugoMüller, am 27. März 2007 als Vertreter des GdP-Bundesvorstandes mit Lehrgangsteilnehmerinnenund -teilnehmern sowie dem Vizepräsidenten derDeutschen Hochschule der Polizei, WolfgangBirkenstock, zu einem kritischen Austausch zusam-men zu kommen.Im Folgenden soll der aktuelle Stand derGründungsphase beschrieben sowie eine fachlicheAntwort auf immer wieder gestellte Fragen gegebenwerden. In der nächsten Ausgabe unserer Zeitungwerden wir über die Sichtweise sowie dieStimmungslage bei den Teilnehmern der so ge-nannten Probeläufe berichten.

Das Kuratorium der Deutschen Hochschule der Polizeiwird in einer Sondersitzung im Juni 2007 prüfen, ob mitBeginn des Masterstudiengangs „Öffentliche Verwaltung– Polizeimanagement“ 2007/2009 alle Voraussetzungenfür die Aufnahme des Lehr- und Forschungsbetriebs derHochschule vorliegen. Bei einer positiven Prognose wirdes das Ende der Gründungsphase für den 30. September2007 festlegen.Der Umfang und die Problembereiche der während derGründungsphase zu bewältigenden Aufgaben sind in ihrergesamten Tragweite nur Insidern bekannt und geben An-lass zu vielen, auch wiederkehrenden Fragen. Im Folgen-den sollen deshalb nicht nur die bisher erfolgten Schritte,der aktuelle Sachstand und die weitere geplante Entwick-lung dargestellt, sondern auch Antworten auf die ammeisten gestellten Fragen gegeben werden.

AUS- UND FORTBILDUNG

Erster akkreditierterMasterstudiengang einerHochschule der Polizei

Am 6. Juni 1997 fasste die IMKden Beschluss, die Polizei-Füh-rungsakademie in Münster zu ei-

terzuentwickeln – mit der Maß-gabe, dass der angebotene Studi-engang praxisbezogen ist, die bis-herigen Einwirkungsmöglich-keiten von Bund und Ländernerhalten bleiben und die Verän-derung kostenneutral erfolgt.

Den aktuellen und zukünftigenAnforderungen an Führungs-

ner Hochschule der Polizei in derTrägerschaft der Innenressortsder Länder und des Bundes wei-

kräfte der Polizei kann nach Auf-fassung aller Verantwortungs-träger am besten ein Studiengangauf Masterniveau, so wie erbereits in anderen europäischenStaaten realisiert ist, an einerHochschule in der Verantwortungder Innenministerien des Bundesund der Länder gerecht werden.>

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Daher erarbeitete das Innen-ministerium des Landes Nord-rhein-Westfalen 2002 im Auftragdes Kuratoriums bei der Polizei-Führungsakademie zunächst ei-nen Gesetzentwurf über dieDeutsche Hochschule der Polizei,der jedoch von allen zu beteiligen-den Wissenschaftsministerien erstmitgetragen werden konnte,nachdem die Konzeption undAkkreditierung des Master-studiengangs vorgelegt wurde.

Die Einleitung eines Akkre-ditierungsverfahrens als Quali-

tätsnachweis für den künftigenMasterstudiengang war zudemnotwendig geworden, da parallelzur Erarbeitung des Gesetzent-wurfes über die DHPol das allge-meine Hochschulwesen umfas-send reformiert wurde.

Die durch die Novellierung desHochschulrahmengesetzes(HRG vom 20. August 1998) ein-geleitete Entwicklung machte dasSystem der gestuften Studiengän-ge und der international ver-

gleichbaren Abschlüsse Bachelorund Master auch in Deutschlandverbindlich. Der Aspekt der inter-nationalen Vergleichbarkeit derStudienabschlüsse erlangt vordem Hintergrund der zunehmen-den Europäisierung der polizeili-chen Bildungsarbeit und der Zu-sammenarbeit im Netzwerk dereuropäischen Polizeiakademienund Polizeihochschulen(CEPOL) auch für die polizeili-che Aus- und Fortbildung zuneh-mende Bedeutung. DieModularisierung der Curriculaund die Einführung des„European Credit Point Transferand Accumulation System“(ECTS) sichern diese Vergleich-barkeit.

Erster akkreditierterMasterstudiengangder Polizei

Das Kuratorium der PFA be-schloss vor diesem Hintergrunddie Akkreditierung des Master-studiengangs „Öffentliche Ver-waltung – Polizeimanagement“durch die Akkreditierungs-agentur ACQUIN (Akkreditie-rungs-, Certifizierungs- und

Qualitätssicherungs-Institut inBayreuth). Nachdem die PFAeine umfangreiche Selbstdoku-mentation zum geplanten Studi-engang und eine Dokumentationaller notwendigen hochschul-gemäßen Rahmenbedingungendes Studiengangs im Herbst 2003eingereicht hatte, konnte dasAkkreditierungsverfahren imMärz 2004 erfolgreich beendetwerden: Das Konzept des Master-studienganges hat allen wesentli-chen Qualitätskriterien entspro-chen, die für Masterstudiengängegelten. Der Studiengang ist damitder erste akkreditierte Master-studiengang einer Hochschule derPolizei.

Nach der Akkreditierung des

Studiengangs konnte das Gesetz-gebungsverfahren in Nordrhein-Westfalen ohne weitere Problemezu Ende geführt werden.

Mit dem förmlichen Abschlussder Ratifizierungsverfahren beimBund und in den Ländern ist dieDeutsche Hochschule der Polizeimit Sitz in Münster errichtet wor-den: Die PFA wurde nach Maß-gabe des Gesetzes in die Hoch-schule übergeleitet.

Die Gründungsphase unddie Arbeit des Gründungs-senats

Der Prozess der Umsetzungdes Gesetzes, die Anpassung derOrganisation an den Betrieb derHochschule und die Durchfüh-rung von Berufungsverfahren sollbis Ende September 2007 abge-schlossen sein. Bis zu diesem end-gültigen Statuswechsels sind zahl-reiche, teilweise im Gesetz derHochschule verankerte Maßnah-men umzusetzen – u. a. die Ein-berufung des Gründungssenats,die Ernennung einer Gründung-präsidentin/eines Gründungs-

AUS- UND FORTBILDUNG

Die Deutsche Hochschule der Polizei in Münster-Hiltrup Foto: DHPol

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präsidenten und die Verabschie-dung zahlreicher, für Hochschu-len konstitutiver Ordnungen(Grundordnung, Wahlordnungfür den Senat, Prüfungsordnung,Berufungsordnung, Evaluations-ordnung usw.).

Dem Gründungssenat gehörenVertreterinnen und Vertreter dereinzelnen an der Hochschule tä-tigen statusrechtlichen Gruppenan. Die Statusgruppe der Profes-soren wird durch fünf externeUniversitätsprofessoren reprä-sentiert, die durch das Kuratori-um der DHPol in den Grün-dungssenat berufen wurden. Alleanderen stimmberechtigten Mit-glieder des Gründungssenats wur-den gewählt.

Daneben gehören zu denstimmberechtigten Mitgliedernfünf Lehrkräfte für besondereAufgaben, jeweils ein/eine Vertre-ter/in der wissenschaftlichen Mit-arbeiter und der hauptamtlichbeschäftigten weiteren Mitarbei-ter sowie zwei Vertreter/innen derStudierenden.

Als Gründungspräsident derDHPol wurde der bisherige Prä-sident der Polizei-Führungsaka-demie Klaus Neidhardt vom Ku-ratorium vorgeschlagen unddurch die Landesregierung Nord-rhein-Westfalen ernannt. Er leitetdie Senatssitzungen und istebenfalls stimmberechtigt.

Weitere Mitglieder mit bera-tender Funktion sind der Vize-

präsident, die Leiter der Verwal-tung und des PolizeitechnischenInstituts, der gewählte Sprecherder Lehrenden und die Gleich-stellungsbeauftragte.

Der Gründungssenat hat am23.5.2006 seine Arbeit aufgenom-men und in bisher 8 Sitzungenu. a. die Gewinnung des Lehr-personals für die DHPol vorberei-tet und entsprechende Empfeh-lungen und Vorschläge für dasKuratorium erarbeitet: 14 Lehr-

gebiete mit 29 Lehrenden sindvorgesehen. Die Lehrgebietsleiterder polizeispezifischen Lehr-gebiete (6) sowie ein Teil derbisher dort tätigen Lehrkräftewurden aus der Polizei-Führungs-akademie befristet in die Hoch-schule übergeleitet; die Professu-

ren für die Lehrgebiete mit wis-senschaftlichem Hintergrund (8)wurden öffentlich ausgeschrie-ben. Die Berufungsverfahren un-ter Federführung des Gründungs-senats werden voraussichtlich biszum Ende der Gründungsphaseabgeschlossen sein.

Neben dieser Aufgabe hat derGründungssenat zahlreiche Emp-fehlungen und Stellungnahmenzu Grundsatzfragen des Lehr-und Studienbetriebs und Vor-schläge zur Prüfungsordnung fürden Masterstudiengang und de-ren Anlagen erarbeitet, eine Stel-lungnahme zum Haushaltsvoran-schlag 2008 der DHPol abgege-ben und die Wahlordnung für denSenat der Hochschule erlassen.

Probeläufe des Master-studiengangs

Parallel zur Arbeit des Grün-dungssenats führt die DHPol seitOktober 2005 zwei aufeinanderfolgende Probeläufe des Master-studiengangs der Hochschuledurch, um die Umsetzbarkeit desmodularisierten Curriculums, dieOrganisation des Studiums unddie Rahmenbedingungen für dieFertigung der Masterarbeiten zuerproben und notwendige Kor-rekturen vor dem Beginn desHochschulbetriebs vornehmen zukönnen.

Beide Durchgänge erfolgenzwar nach dem Regelwerk derbisherigen Laufbahnprüfungs-ordnung der PFA, dennoch aberso nah wie möglich an der Reali-tät des Hochschulstudiums. Sowerden die vorgesehenen Leis-tungsnachweise den Modulen zu-geordnet und nach Beendigungdes Studiengangs durch die Hoch-schule bescheinigt, um die nach-trägliche Erlangung des Master-grades zu erleichtern. Im zweitenProbelauf soll nach Möglichkeitauch eine Masterarbeit geschrie-ben werden.

An die beiden Probeläufe wieaber auch an den gesamten Pro-zess der Gründung der Hochschu-le und deren Folgen knüpfen sichfür die in der Polizei Beschäftig-ten zahlreiche Fragen.

Die 10 amhäufigsten ge-stellten Fragen:

1. Gibt es fürdie Polizeivoll-zugsbediens-teten, die imhöheren Dienst sind und ihre drit-te Fachprüfung an der PFA ab-gelegt haben, eine so genannteNachgraduierung?

Nein, eine Nachgraduierung,wie sie bei Einführung der Fach-hochschulen zum Teil durch Ge-setz vorgenommen wurde, kann

Das Thema Projektmanagement ist auch Gegenstand des Master-studiengangs. Fotos: DHPol

Der Autor:Wolfgang Birkenstock,Vizepräsident der DeutschenHochschule der Polizei inMünster-Hiltrup

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es bei einem Masterstudiengangnicht geben, weil eine für denMasterstudiengang wesentlicheLeistung fehlt – nämlich dieMasterarbeit mit ihren hohen An-forderungen, die an die Qualitäteiner wissenschaftlichen Arbeitgestellt werden müssen. Außer-dem erlaubt die veränderte Struk-tur des Studiengangs keine voll-ständige Übertragung bisherigerLeistungsnachweise, weil die(auch internationale) Vergleich-barkeit der bisherigen Abschlüs-se fehlt.

2. Wird die Hochschule ermög-lichen, den Mastergrad nachträg-lich zu erlangen?

Es ist geplant, dass die Hoch-schule mittelfristig einen berufsbe-gleitenden Masterstudiengangentwickelt, der aus Fernstudien-elementen, kurzen Präsenzphasenmit Leistungsnachweisen und ei-ner teilweisen Anerkennungbisher anderweitig erbrachterLeistungen (z. B. im Studiengangder PFA, in Fortbildungen bzw.durch berufliche Praxis) bestehenkönnte. Darüber hinaus muss ermit einer Masterarbeit abschlie-ßen, für deren Erstellung natürlichmehr Zeit als für die Masterarbeitim Präsenzstudiengang zur Verfü-gung stehen muss.

3. Wird es Sonderregelungen fürdie Teilnehmer an den beiden Pro-beläufen des Masterstudiengangsgeben?

Ja, die Studienleistungen, die dieTeilnehmer/innen an den beidenProbeläufen erbracht haben, wer-den durch ein so genanntes„Diploma supplement“ beschei-nigt und können nachträglich alsLeistungen, die den Anforderun-gen eines Masterstudiengangs ent-sprechen, anerkannt werden. Imersten Probelauf wird allerdingsnoch keine Masterarbeit geschrie-ben, weil das Hochschulpersonalfür die Betreuung der Arbeitennoch nicht vollständig vorhandenist. Die Masterarbeit muss späterauf jeden Fall nachgeholt werden,falls der Master angestrebt wird.

Im zweiten Probelauf soll dieMasterarbeit optional angebotenwerden. Für beide Probeläufe giltallerdings noch die Prüfungs-ordnung der PFA, d. h. alle Teil-nehmer/innen müssen alle dort

vorgesehenen Leistungsnachweiseerbringen. Die Modulprüfungensind kompatibel. Die Masterarbeitist etwas Zusätzliches, da nach derPrüfungsordnung der PFA ledig-lich eine Seminararbeit mit deut-lich geringeren zeitlichen und in-haltlichen Anforderungen vorge-sehen ist.

4. Werden die Studiengängeauch über den Polizeibereich hin-aus geöffnet werden?

Die Deutsche Hochschule derPolizei ist eine polizeiinterne Ein-richtung. Eine Öffnung der Studi-engänge über den Polizeibereichhinaus ist zurzeit nicht geplant unddürfte auch an rechtliche und fi-nanzielle Grenzen stoßen.

5. Wird die DHPol in gleichemMaße wie bisher die PFA denPraxisbezug gewährleisten?

Das Studienangebot richtet sichausschließlich auf komplexe Pro-blemstellungen, die vom höherenDienst der Polizei in der Praxis zulösen sind. Der Studiengang solldie dazu erforderlichen Kompe-tenzen stärken und ausprägen.Dazu werden die Studierendenviel stärker als bisher mit aktivie-renden Lehr- und Lernmethodengefordert, in die Lernprozesse ein-bezogen und mit praktischen Fra-gestellungen konfrontiert, die sieselbständig unter Einbeziehungwissenschaftlicher Methoden lö-sen müssen. Dabei wird wie bisherauch in der PFA eine Vielzahl vonÜbungen durchgeführt.

6. Können sich Polizeibe-dienstete direkt bei der Hochschu-le um einen Studienplatz bewer-ben?

Nein, die Entscheidung über dieZulassung zum Studium an derHochschule liegt unter Gesichts-

punkten der Personalbewirt-schaftung und Personalentwick-lung beim Bund und bei den jewei-ligen Ländern. Die dort durchge-führten Auswahlverfahren orien-tieren sich nach einer Erhebungder DHPol jedoch an dem An-forderungsprofil des höherenPolizeivollzugsdienstes und an denKompetenzzielen des Studien-gangs.

7. Wird der Masterstudiengangauch Absolventen anderer Studi-engänge den Direkteinstieg in denhöheren Polizeivollzugsdienst er-möglichen?

Das ist eine Frage der Gestal-tung des jeweiligen Laufbahn-rechts des Bundes und der Länder.

Grundsätzlich ist der Studiengangmit einigen Modifikationen geeig-net, auch Absolventen einzügigerDiplom- oder zukünftig Bachelor-studiengänge aus dem Bereich derSozialwissenschaften oder derRechtswissenschaft auf Führungs-funktionen des höheren Polizei-vollzugsdienstes vorzubereiten.Auch für Juristen mit 2. Juristi-schen Staatsexamen ist ein modi-fizierter, eventuell auch verkürzterMasterstudiengang vorstellbar.Die Entscheidung über die Ein-führung solcher Studiengänge ob-liegt dem Kuratorium der DHPol.

8. Gibt es Wahlmöglichkeiten indem geplanten Masterstudien-gang, die eine unterschiedlicheSchwerpunktsetzung im Hinblickauf die zukünftige Verwendungerlauben?

Solche Wahlmöglichkeiten gabes schon bisher bei den so genann-ten Wahlpflichtfächern und Semi-naren und wird es in Zukunftdurch die Masterarbeiten in einemnoch höheren Maße geben.

Immerhin wird für die Fertigungder Masterarbeit ein Zeitraum von12 Wochen angesetzt. Ob es wei-tergehende Wahlmöglichkeitengeben wird, zum Beispiel im Hin-blick auf schutzpolizeiliche oderkriminalpolizeiliche Aspekte, wirddurch das Kuratorium zu entschei-den sein.

9. Wird die Deutsche Hoch-schule der Polizei – wie andereHochschulen auch – die Möglich-keit haben zu forschen?

Nach dem Gesetz über dieDeutsche Hochschule der Polizeisind die Professoren verpflichtetzu forschen. Das gilt auch für dieLehrkräfte für besondere Aufga-ben (das sind in der Regel Polizei-vollzugsbeamtinnen und -beamte),sofern sie Lehrgebietsleiter/innensind. Zur Koordinierung der For-schung plant die Hochschule einenForschungsausschuss, in dem alleLehrgebiete vertreten sind.

10. Gibt es die Möglichkeit, Tei-le des Studiums im Ausland zuabsolvieren und haben Polizei-beamte aus dem Ausland die Mög-lichkeit, an der DHPol zu studie-ren?

Diese Möglichkeit wird in ab-sehbarer Zeit bestehen. Ein Mo-dul des Masterstudiengangs derHochschule, nämlich das Modul„Internationale und interkulturel-le Polizeiarbeit“, ist so konzipiert,dass es auch von Teilnehmerinnenund Teilnehmern an kompatiblenStudiengängen des europäischenAuslands in Deutschland absol-viert werden kann und umge-kehrt. Das Modul wird in engli-scher Sprache durchgeführt. DieEuropäische Polizeiakademie„CEPOL“ bemüht sich um dieHarmonisierung der Curriculader europäischen Polizeihoch-schulen und -akademien zu die-sem Themenkomplex. Darüberhinaus gibt es erste bilaterale Ab-sprachen mit europäischenPartnereinrichtungen der Deut-schen Hochschule der Polizei.

Wolfgang Birkenstock

In der nächsten Ausgabe:Aus erster Hand – Sicht-weisen und Stimmungs-lage bei den Teilnehmernder so genannten Probe-läufe.

Studierende bei einer Vorlesung in der Aula Foto: DHPol

AUS- UND FORTBILDUNG

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URTEILE

Neues von der BeleidigungsfrontIm Alltag gibt es immer wieder

Anlässe, die Nerven zu verlieren.Mit impulsiven Gesten und„Kraftausdrücken“ machen sichDünnhäutige dann oft Luft. Häu-fig im Visier sind Beamtinnen undBeamte, wobei Polizisten führen.Urteile zum Thema, die allerdingsauch schon mal mit „Gnade vorRecht“ ergangen sind:

„Bulle“ ist kein Schimpfwortmehr

Wird eine bayerische Hunde-besitzerin früh morgens von derPolizei aufgesucht, weil ihr Vier-beiner in der Nacht Wild gerissenhatte, öffnet sie schlaftrunken dieTür und beantwortet sie die Fra-ge ihrer Tochter „San des d’ Bul-len?“ lediglich mit den Worten„Ja, des san d’ Bullen“, so handeltes sich dabei nicht um eine Belei-

digung, da der Ausdruck „Bulle“im Laufe der Zeit einen Bedeu-tungswandel erfahren hat (Hierverwies das Gericht beispielhaftauf die Fernsehserie „Der Bullevon Tölz“). Das Amtsgericht hat-te die Beleidigung noch mit einerdreimonatigen Freiheitsstrafe aufBewährung geahndet.Landgericht Regensburg,3 Ns 134 Js 97458/04

Polizisten sind auch inU-Bahnen keine „Clowns“

Wer einen uniformierten Poli-zisten (der hier zusammen mit ei-nem Fahrkartenkontrolleur in ei-ner Berliner U-Bahn die Fahrkar-ten der Reisenden prüfte) indi-rekt als „Clown“ bezeichnet, dermuss mit einer Geldstrafe wegenBeleidigung rechnen. Hier hatteder Fahrgast den Ausweis des Po-

lizisten sehen wollen und, als die-ser nicht sofort reagierte, mit derBemerkung „Da kann ja jederClown kommen!“ überreagiert.Das Amtsgericht Berlin-Tiergar-ten übersetzte „Clown“ mit„Spaßmacher und Hanswurst“,also einem „dummen, sich lächer-lich machenden Menschen“ undverurteilte den Fahrgast zu einerGeldstrafe in Höhe von 15 Tages-sätzen a 15 Euro = 225 Euro.Amtsgericht Berlin-Tiergarten,(4) 1 Ss 93/04 - 91/04

Polizisten dürfen ungestraftWegelagerer genannt werden

Ein Autofahrer macht sichnicht strafbar, wenn er eine Ra-darkontrolle der Polizei als„Wegelagerei“ bezeichnet. Eshandelt sich dabei nicht um eineBeleidigung der Polizisten, son-

dern um eine von der Meinungs-freiheit gedeckte Äußerung.Oberlandesgericht Düsseldorf,2b Ss 224/02-2/03

Emotional dürfen Polizisten„Spitzel“ sein

Spricht ein in Zivil gekleideterPolizist 15 Minuten nach Auflö-sung einer Demonstration vier„übrig gebliebene“ Demonstran-ten mit den Worten an: „Handeltes sich um eine neue Versamm-lung?“, so bleibt die Antwort ei-nes Demonstranten: „Mit Spit-zeln rede ich nicht“ (der Polizisthatte sich inzwischen zu erkennengegeben) unbestraft. Eine in derEmotion geäußerte Meinung istweder eine Schmähkritik nocheine Beleidigung.Bayerisches Oberstes Landesge-richt, 5St RR 9/04

Wolfgang Büser undMaik Heitmann

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WAFFENTECHNIK

Schießen oder Nichtschießen istauch eine Frage der Technik„Schießen oder Nichtschießen“ ist seit Jahrzehnten einwichtiger Bestandteil der polizeilichen Schießaus- und-fortbildung. Man kann das Thema aber auch technischverstehen: wie lässt sich sicherstellen, dass eine Schuss-waffe nur in der Hand des oder der Berechtigten funktio-niert? Hierbei geht es sowohl um den privaten Waffenbe-sitz als auch um den Umgang mit Dienstwaffen. Auf der34. Internationalen Fachmesse für Waffen undOutdoorzubehör (IWA) im März in Nürnberg gab es hierzuinteressante Entwicklungen.

Bekanntlich dürfen Schusswaf-fen nur in exakt technisch definier-ten Behältnissen aufbewahrt wer-den. Aber außerhalb – etwa aufdem Transport oder auch auf demSchießstand – sind Situationendenkbar, in denen eine technischeSicherung gegen Missbrauch oderUnfälle sinnvoll ist. Das reicht vomDiebstahl des Waffenkoffers ausdem Auto oder auf dem Versand-weg bis zum Schuss einer ver-meintlich ungeladenen Waffe. Einweiterer Aspekt ist der ab 2008drohende Fall des „Erben-privilegs“ im Waffengesetz. DieIndustrie hatte sich im Vorfeld desjetzt gültigen Waffengesetzes ver-pflichtet, bis 2008 eine Sicherungs-technik zu entwickeln, damitbeispielsweise vererbte Waffenschussunfähig gemacht werdenkönnen, ohne sie selbst technisch

zu verändern. Offenbar sind dieSchwierigkeiten einer solchen

Entwicklung größer als ursprüng-lich angenommen, denn es gibtzurzeit nur die Firma ARMATIXaus Unterföhring, die derlei Lö-sungen anbieten kann – und auchhier sind noch einige Probleme zuüberwinden. Diese Lösung besteht

aus einem Stahlstift, der in denLauf eingeführt und dort verriegeltwird. Das „ARMATIX Quick-lock“ ist ein mechatronischesWaffenschloss, das nur über eineelektronische Authentifizierung inder Bedieneinheit wieder entferntwerden kann. Bei sachgerechterAnwendung bleibt der Lauf unbe-schädigt; wer aber das Sperr-element mit Gewalt entfernen will,zerstört zugleichden Lauf.

Die FirmaARMATIX er-klärte in Nürn-berg, dass sie ge-rade die ersten5.000 Waffen-sicherungen fürKurzwaffen pro-duziert hat undjetzt in den Ver-trieb einsteigenwill. Auch fürLangwaffen gibtes Lösungen,aber eines istden Entwicklernklar geworden:es gibt derma-ßen viele unter-schiedliche Waf-fensysteme, dassdie gesamte Pa-lette noch nichtabgedeckt ist.

Die totale Si-cherheit ist auch(noch?) nicht ge-w ä h r l e i s t e t .Während beispielsweise Revolverdurch das Durchschieben desSperrelements durch den Lauf bisin die Trommel wirksam stillgelegtwerden können, bleibt bei starrverriegelten Selbstladepistolen dieMöglichkeit, Verschluss und (mitSperrelement unbrauchbar ge-machten) Lauf abzunehmen; dannkann theoretisch der gesperrteLauf gegen einen freien ausge-tauscht werden.

Für den Behördenbereich wur-de eine elektronische Basisstation„Baselock“ entwickelt. Dort kannman mehrere Waffen stationär si-

chern, die per PIN wieder freige-geben werden können.

„Smart Gun“

Der Alptraum von Polizistinnenund Polizisten ist, bei einem Ein-satz die Dienstwaffe zu verlierenund in der Hand des Gegenüberswieder zu finden. Dann wünscht

man sich, sie würde nicht funktio-nieren. Genau diesen Gedankenhaben seit mehreren Jahren Ent-wickler aufgegriffen, bis jetzt – dassei gleich gesagt – noch keinepraxistaugliche Lösung gefunden.Interessant sind aber zwei Wege,die jetzt in Nürnberg bekannt wur-den. Die Firma ARMATIX stell-te eine integrierte Lösung zumThema „Smart Gun“ vor; hierbeiist im Verschluss der Pistole eineElektronik eingebaut, die die me-chanische Auslösung des Schusseserst gestattet, wenn eine Authenti-fizierung des oder der Berechtig-

Beim „ARMATIX Quicklock“ wird ein Sperrstift von vorn in den Lauf derWaffe eingeführt, wo er verriegelt. Nur mit der Bedieneinheit kann erwieder entfernt werden. Möglich ist ein PIN-Code oder eine Fingerprint-Authentifizierung. Fotos (4): W. Dicke

Auch für Kipplaufwaffen gibt esein Waffenschloss. Es wird insPatronenlager eingeführt.

Eine Variante der Konsole ist die Wandhalterung fürSchusswaffen.

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ten erfolgt ist. Diese Berechtigungwird durch einen Chip gewährleis-tet, den der oder die Berechtigteam Handgelenk trägt. Dieser Chipwiederum wird durch Fingerprint-Authentifizierung frei geschaltet.Die Waffe samt Elektronik istschockfest. Die ersten zehn Proto-typen werden zurzeit gefertigt. Fürdie Polizei interessant: es sind auchFreischaltungen für mehrere Per-sonen möglich, so dass z. B. auchandere Einsatzkräfte mit derDienstwaffe schießen können,eine fremde Person jedoch nicht.

Einen anderen Weg hat einForscherteam der Universität inTwente (Holland) gewählt. Unter-stützt durch mehrere Waffenher-steller aus Deutschland und Bel-gien gehen die dortigen Wissen-schaftler bei ihrem Projekt „Sec-ure Grip“ von dem Anpressdruckaus, mit dem der Waffenbenutzerdie Pistole in der Hand hält. Die-ser ist – so die Wissenschaftler –

ähnlich wie ein Fingerabdruck in-dividuell unterscheidbar, wobeiberücksichtigt ist, dass auch einund dieselbe Person die Waffe un-

terschiedlich fest in der Hand hal-ten kann. Daher hat man in mo-natelangen Testreihen die jeweili-gen Anpressdrücke aufgezeichnet

und so personenbezogene„Druck-Profile“ erstellt. Zurzeitgeht es den Wissenschaftlern dar-um, die beiden völlig gegensätzli-chen Anforderungen in einemProfil zusammenzufassen, dassnämlich in dem einen Fall die Waf-fe ohne jeglichen Zeitverlustschussfähig ist und in dem ande-ren Fall eben nicht. Bei den bishe-rigen Versuchen lag die Fehler-quote noch bei zwei Prozent, wasschon die Entwickler noch für vielzu hoch halten.

Bis zur Praxistauglichkeit istalso noch ein weiter Weg, und dannwird noch ein ganz anderes Pro-blem zu überwinden sein: die emo-tionale Schwelle der Kolleginnenund Kollegen. Die Unsicherheit,dass im Zweifelsfall die Dienst-waffe versagt, weil die elektroni-sche Schussfreigabe nicht funkti-oniert hat, ist vermutlich eine be-achtliche Hürde für die Akzeptanzeiner solchen „Smart Gun“.

W. Dicke

Für den Behördenbereich ist eine Konsole entwickelt worden, bei dergleich mehrere Waffen sicher verschlossen werden können.

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Urlaub mit SchießübungenLetztes Jahr im Urlaub – ge-

rade die letzte Klausur desHauptstudiums 1 geschrieben –

ging es erstmals in die USA, ummeinen Vater zu besuchen, der inBoston im Bundesstaat Massa-chusetts arbeitet.

Dort ergaben sich einige Ge-legenheiten zu Kontakten mitden amerikanischen Kollegen. Somachte ich bei einer abendlichenVeranstaltung auf der „HMSScott“, einem Spezialschiff derbritischen Marine, das für einigeTage in Boston angelegt hatte,die Bekanntschaft von OfficerCathy Crowley, einer Schiess-ausbilderin der Bostoner Polizei.Sie war hocherfreut, erstmals ei-nen „Kommissaranwärter ausdem Saarland“ zu treffen und ludmich spontan ein, einen Tag beider Schießausbildung ihrer„Trainees“ (Polizeischüler) auf

mal vor“, stieß Officer Crowleywenige Tage später die Tür desSchulungsraums auf, und ichblickte in die erstaunten Gesich-ter von 16 Trainees, die Magazi-ne auffüllten. Mit den Worten„This is Andy, he’s from Ger-many and he’s becoming a policeofficer too”, stellte mich OfficerCrowley dem Leiter des Schieß-standes, Sergeant Brian Fleming,den Schießausbildern und denTrainees vor. Ein leichtes Rau-

nen. Auf die Frage, wie weit ichmit dem Studium sei, antworteteich, dass mich noch ein Monatvom letzten Studienjahr trenne.Stirngerunzel, fragende Blicke.Schnell fügte ich hinzu, dass meinStudium drei Jahre dauert. Er-staunen machte sich breit.

Ich erfuhr, dass die amerika-nischen Kollegen lediglich sechsMonate an der Police Academyin Boston studieren und dieSchießausbildung erst zwischendem vierten und fünften Monatdurchgeführt wird. Vor dempraktischen Teil der Schieß-ausbildung müssen alle Traineeserst 16 Stunden theoretischenUnterricht hinter sich bringen.Danach wird eine Woche langdas „einfache“ Schießen sowieder Umgang mit der Waffe trai-niert. Hierauf folgt eine Woche,in der nachts taktisches Schießengeübt wird. In diesem Jahr wer-den 132 Trainees ausgebildet. Je-

der von ihnen musste zum Ein-stellungszeitpunkt mindestens 21Jahre alt sein, ein HighschoolDiploma (ähnlich dem Abitur)haben oder alternativ wenigstensdrei Jahre bei den amerika-nischen Streitkräften gedient ha-ben.

Mit mir im Schlepptau ging dieganze Mannschaft anschließendauf den Schießstand. Dienstwaffeder Boston Police ist die Glock

23, an der auch die Trainees aus-gebildet werden. Für 16 Traineesstanden an diesem Tag sechs Aus-bilder zur Verfügung. Während

der Übungen kam ich immerwieder mit den etwa gleichaltri-gen Kollegen ins Gespräch und

musste viele Fragen beantwor-ten:

Ob alle deutschen Streifen-polizisten bewaffnet seien, wel-che Dienstpistolen im Saarlandverwendet würden, und wo denn„Saarbrücken“ liege. Mit der Be-schreibung „60 km von RamsteinAirbase entfernt“ konnten diemeisten etwas anfangen, da eini-ge vorher bei den amerika-nischen Streitkräften in Deutsch-land gedient hatten. Ja ja,Deutschland sei schon „a beauti-ful country“, und unvermitteltkam „ein Bier bitte!“

Einer der ehemals in Deutsch-land stationierten Trainees kann-te sich selbst mit unseren An-wärterbezügen aus: „Mann, ihrda drüben verdient echt wenig!“.Auf meine Frage nach seinemGehalt während der Ausbildungmeinte er ganz trocken: „46.000Dollar im Jahr, aber nur währendder Ausbildung. Danach natür-lich mehr.“ Natürlich! Ich trös-tete mich damit, dass das Steuer-,Gesundheits- und Rentensystemin den USA ein anderes ist, au-ßerdem gibt es dort keinen ver-gleichbaren Beamtenstatus fürPolizisten.

Gern nahm ich danach dasAngebot an, die Dienstwaffe derBoston Police auszuprobierenund mein Können für die Dauervon drei Magazinen unter Be-weis zu stellen. Als „Krönung“wurde mir dann die Shotgun(Remington 870) in die Hand ge-drückt, die jedem Dienst-gruppenleiter zur Verfügungsteht und mit „less lethalammunition“(„weniger tödlicheMunition“) benutzt wird. Nach-dem ich auch damit bewiesenhatte, dass die Schießausbildungin Deutschland nicht die schlech-teste ist, war der Tag auf der„Boston Police Pistol Range“schon fast wieder vorbei, ich umeinige Erfahrungen reicher, dieStadt Boston um einiges an Mu-nition ärmer.

Herzlichen Dank an OfficerCathy Crowley, Sergeant BrianFleming, die Trainees und dasganze Boston Police Departmentfür dieses unvergessliche Erleb-nis. THANK YOU!

Andreas Rinnert

Schießstand auf Moon Island

ihrem, auf der Insel „MoonIsland“ südöstlich von Bostongelegenen Schießstand, mitzu-machen. Begeistert nahm ich die-se unverhoffte Einladung an.

Mit den Worten „Ich stell Dich

Andreas Rinnert mit der Reming-ton 870 auf dem Schießstandder Bostoner Polizei Fotos:privat

Die Trainies machen sich unter Aufsicht von Officer Cathy Crowley fürdie nächste Schießübung bereit.

Andreas Rinnert (24),PKA im letzten Studienjahr(Hauptstudium 2) an derFachhochschule für Verwal-tung des Saarlandes/Fachbe-reich Polizeivollzugsdienst inSaarbrücken; 2004 von Berlinins Saarland gezogen, da beider Berliner Polizei nicht ein-gestellt wurde; Mitglied imLandesjugendvorstand derJungen Gruppe

ERLEBNISSBERICHT

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April-Ausgabe des neuenDGB-Magazins

EUROCOP

Mehr Polizei auf die Straße!Knapp vor den Wahlen zum Regionalparlament in Schott-land hat am 24. April die Jahresdelegiertenversammlungder Scottish Police Federation, SPF, stattgefunden. Eineideale Voraussetzung zur Prüfung der Wahlprogramme derParteien mit Blick auf die Polizei: Seit Kurzem ist dasRegionalparlament in fast allen Bereichen für die Polizeizuständig.

Im Zentrum der Versammlungstand eine Podiumsdiskussion mitVertretern der wichtigsten Partei-en in Schottland, an der unter an-derem auch die für die Polizei zu-ständige Justizministerin, CathieJamieson teilnahm. Über eineknappe Stunde diskutierten dieTeilnehmer mit den Delegierten,die aus dem Plenum heraus ihreFragen stellen konnten.

Dabei gingen die Delegiertenhart mit den Politikern ins Gericht,vor allem wenn es um die Fragenach einer personellen Auf-stockung der Polizei in Schottlandging: So wurden Versprechen derJustizministerin, für 1.000 zusätz-liche Polizeibeamte zu sorgen,skeptisch beurteilt:

„Um ehrlich zu sein, 1.000 zu-sätzliche Kolleginnen und Kolle-gen sind ein Witz – das brauchenwir allein für den Bezirk Strath-clyde. Ich denke, die SPF Forde-rung nach mindestens 3.000 zu-sätzlichen Stellen in ganz Schott-

land ist da eher realistisch,” so dermit viel Applaus bedachte Kom-mentar einer Delegierten ausStrathclyde, dem größten der achtPolizeibezirke in Schottland.

Kontrovers diskutiert wurdenauch die bisherigen Erfahrungen

mit den „Community Wardens”.Derzeit beschäftigen die Kommu-nen gut 500 Personen als Com-munity Wardens, die die Polizei alsStreifen ohne Eingriffsbefugnisseunterstützen sollen. Hintergrundder Debatte war ein im März ver-öffentlichter Untersuchungs-bericht des Justizministeriums derzu dem Schluss kommt, dass in60 % der Kommunen, kein mess-barer Effekt auf die Entwicklungder Kriminalitätsstatistik erzieltwerden konnte. In 16 % der Kom-munen wurde sogar ein unge-bremster weiterer Anstieg vonKriminalität und Störungen deröffentlichen Ordnung beobachtet.

Entsprechend fiel auch das Ur-teil des SPF Vorsitzenden, NorrieFlowers aus: „Wir haben bereitsvor vier Jahren gesagt, dass die 20Millionen Pfund, die die Regie-rung für die Wardens bereitgestellthat, besser für die Polizei ausgege-ben werden sollten. Die Erfahrunggibt uns jetzt Recht. Wenn die Leu-te ein Problem haben, erwarten sie,dass ein Polizist sich darum küm-mert und nicht jemand, der die Po-lizei rufen muss, wenn es darumgeht, etwas zu unternehmen.“

Der SPF kommt in Schottlanddie Aufgabe der Vertretung derInteressen der Polizeibeamten zu.Mit knapp über 16.000 Mitgliedern

organisiert sie 98 % der Polizei-beamten in Schottland. Die SPF istkeine Gewerkschaft und ihreFunktion ist am ehesten mit demdeutschen Personalvertretungs-wesen vergleichbar. Der wesentli-che Unterschied besteht darin,dass alle Personalvertreter in einereinheitlichen Organisation, derSPF, zusammengeschlossen sind.

Als Vertretung der Beschäftig-ten verhandelt die SPF Löhne,Pensionen und Arbeitsbedin-gungen der Polizistinnen und Po-lizisten in Schottland. Als Aus-gleich für ein fehlendes Streik- undDemonstrationsrecht hat die SPF,wie im Vereinigten Königreichüblich, rechtlich durchsetzbareBeteiligungsrechte bei der Fest-legung sämtlicher Beschäftigungs-bedingungen bis hin zur Bezah-lung.

Wird auf dem Verhandlungs-wege keine einvernehmliche Lö-sung erzielt, kommt es zu einer bin-denden Entscheidung in einemneutralen Schlichtungsverfahren.Dies geschah zuletzt im Herbst2006, als die Schlichtungskom-mission nach dem Scheitern vonLohnverhandlungen den Perso-nalvertretern Recht gab und eineErhöhung der Bezüge um 3 %verfügte.

jv

Norrie Flowers, Vorsitzender derScottish Police Federation.

Foto: EuroCOP

Die Föderalismusreform istbeschlossen. Bund und Ländersind jetzt weitgehend unabhängigvoneinander für ihr Dienstrechtzuständig. Die Sachlage – so vielist klar – wird unübersichtlicherwerden, die Sachzusammenhängekomplizierter.

Mit dem Magazin für Beamtin-nen und Beamte antwortet derDGB auf die Herausforderungender Föderalismusreform. DenLändermeldungen wurde mehrPlatz an hervorgehobener Stelleeingeräumt. Kompakt und über-sichtlich gehören Nachrichten aus

jedem Land ab sofort zum festenBestandteil des Magazins.

Das Magazin für Beamtinnenund Beamte erscheint monatlichmit einem Umfang von 16 Seiten.Im Titel werden aktuelle Fragenaufgegriffen, Schwerpunkte ge-setzt. Die gesetzlichen Vorhabenund die gewerkschaftlichen Alter-nativen werden ausführlich unterdie Lupe genommen. Neben denNachrichten aus den Ländern ste-hen die beamtenrechtlichen Ent-wicklungen beim Bund, bei denAktiengesellschaften von Bahn,Post, Postbank und Telekom im

Fokus. Interviews und Gastbei-träge spiegeln das Meinungs-spektrum wider.

Das „Magazin für Beamtinnenund Beamte“ kann im Doppel-pack mit dem Taschenbuch „Wis-senswertes für Beamtinnen undBeamte“ zum Jahresbezugspreisvon 19,50 Euro abonniert werden:INFO-SERVICEHöherweg 27040231 DüsseldorfTelefon: 0180-583-5226Fax: 0180-532-9226E-Mail: [email protected] DGB

DGB-Magazin für Beamtinnen und Beamte:Information – Hintergrund – Meinung

NEUE PUBLIKATION

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ARBEITSWELT

Büroarbeit im Wandel16 Millionen Deutsche arbeiten in Büros – und verbringendort bis zu 80.000 Stunden ihres Lebens. Wie dieseArbeitsumgebung gestaltet ist, prägt ihr Wohlbefinden,ihre Gesundheit und ihre Leistungskraft.

Jahrelang war Büroarbeit„Management by Kasperlethea-ter“, wie es der Berliner Arbeits-zeitexperte Michael Weidingerironisch beschreibt. „Seid ihrauch alle da?“, war die entschei-dende Frage. In den Büros do-minierten Anwesenheitszwangsowie eine Zeit fressende Sit-zungs- und Abstimmungskultur.Dauerpräsenz und volle Termin-planer signalisierten Fleiß, Be-lastbarkeit und Unentbehrlich-keit. Zeit absitzen als Karriere-

faktor, sehen und gesehen wer-den: Das demonstrative Schau-laufen trieb bisweilen absurdeBlüten. Manche Chefs wiesen diePutzfrauen an, in ihrem Büroabends auf gar keinen Fall dasLicht zu löschen. Hinter der stetsleicht geöffneten Tür lag de-monstrativ ein (Ersatz)Jackettauf dem Stuhl, um den Eindruckzu erwecken, dessen Besitzerwäre nur mal eben kurz raus …Und machen wir uns nichts vor,oft ist es heute noch so.

Indirekte SteuerungAn vielen heutigen Büro-

arbeitsplätzen sind Arbeitszeitund Anwesenheit allerdingsnicht mehr unbedingt identisch.Dennoch werden die Mitarbeiterganz vereinnahmt: Mit Handyund Laptop tragen sie einenWettlauf aus, den sie nicht gewin-nen können. Dauernd treffenz. B. Anrufe oder E-Mails ein, aufdie eine sofortige Reaktion er-wartet wird. Der Arbeitsdruckwächst, auch ohne direktenZwang durch Vorgesetzte. „Indi-rekte Steuerung“ nennt das derGewerkschaftsberater KlausPeters. Für ihn geht es inzwischendarum, „die Menschen vor sichselbst zu schützen“.

Darüber hinaus werden Bürosan wechselnden Orten aufge-schlagen: beim Kunden, auf Mes-sen, im Auto, Zug oder Flugzeug,vielleicht auch im Heimbürooder gar auf der sonnigenUrlaubsterrasse. Als Folge ste-hen die von den Unternehmenbereitgestellten Räume zeitweiseleer. Eine Studie des deutsch-schweizerischen Instituts fürArbeitsforschung hat ergeben,

dass Büroangestellte im Schnittnur 60 bis 70 Prozent ihrer Ar-beitszeit im Firmengebäude ver-bringen. Nicht einmal die Hälftedavon sitzen am eigenen Schreib-tisch; in Beratung und Vertrieb istdie Auslastung noch weit gerin-ger. Die traditionelle „Büro-Ein-zelzelle” ist aus betriebs-wirtschaftlicher Sicht besondersflächenintensiv und kostspielig.Schon deshalb interessieren sichFirmen für Alternativen wieGruppenbüro, Kombibüro odergar „non-territoriales Büro”.

Die Büromöbelindustrie hateinen lukrativen Markt entdecktund präsentiert neue Produktewie „Caddies” (fahrbare Roll-container), „Docking Stations”(frei verfügbare Arbeitsplätzemit Anschlüssen für tragbareComputer) oder bequeme Sitz-gelegenheiten für „Büro-Bist-ros”, wo Mitarbeiter kommuni-zieren und ihre Kreativität ent-falten sollen. Plakativ ist dieRede davon, dass die mobile„New work” die statische „Oldwork” abgelöst habe. Es gibt sietatsächlich, die modernen Noma-den ohne festen Schreibtisch, diescheinbar unabhängig von Zeit

Für die Umgestaltung vonGebäuden gilt allgemein dasArbeitsschutzgesetz mit sei-nen Kernzielen, Unfälle zuverhüten und arbeitsbedingteErkrankungen zu vermeiden.Bei der Einführung neuerBürokonzepte kann der Be-triebsrat nach Paragraf 87 undParagraf 111 Betriebsver-fassungsgesetz mitbestimmen.Die Beteiligung der Arbeit-nehmervertreter beginntschon bei der Bauplanung, beider häufig grundlegende Vor-entscheidungen etwa zurFlächenverdichtung fallen.

Die Einführung des so ge-nannten „Desk Sharing”, also

der Auflösung der festenBüroarbeitsplätze für die ein-zelnen Beschäftigten, bedarfnach einem Urteil des Ar-beitsgerichtes Frankfurt derZustimmung des Betriebsra-tes (Paragraf 87, Absatz 1, 2und 6 sowie Paragraf 111 und112 Betriebsverfassungs-gesetz). Eine einseitige Ein-führung durch den Arbeitge-ber ist unzulässig. Solange kei-ne Betriebsvereinbarung oderein Spruch der Einigungs-stelle vorliegt, können dieInteressenvertreter die Unter-lassung solcher Maßnahmenverlangen und gegebenenfallsper einstweiliger Verfügungdurchsetzen.

Mitbestimmungsrechte

Die Spanier nennen es Si-esta, die Japaner Inemuri.Doch hierzulande ist der Mit-tagsschlaf im Büro verpönt.Dabei steigert er die Leis-tungsfähigkeit, meinen For-scher. Der Arbeitswissen-schaftler Martin Braun vomStuttgarter Fraunhofer-Insti-tut für Arbeitswirtschaft undOrganisation geht davon aus,dass die Hälfte der Beschäf-tigten an Übermüdung leidet.„Wir stecken noch in denDenkmustern der Industriali-sierung fest, nach denen die

Foto: Patrick Pleul ©dpa-Report

Geschwindigkeit der Mitar-beiter zählt und nicht derenLeistungsfähigkeit. Und dieist nun mal nur mit einem ge-sunden Rhythmus von Schla-fen und Arbeiten zu errei-chen.“ Aber wer hierzulandesein Mittagsnickerchenmacht, wird immer noch als„Faulenzer“ oder „Schwäch-ling“ abgetan. Knapp jedervierte Angestellte nickt des-halb heimlich ein. Die belieb-testen Orte dafür sind Büro-toiletten und geparkte Autosin der Firmentiefgarage.

In deutschen Büros wird zu weniggeschlafen

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und Raum arbeiten. Sie bildenaber bisher nur eine kleine Min-derheit der Beschäftigten.

„Der Wandel vollzieht sichlangsam, sehr langsam sogar”,bestätigt Design-Expertin BirgitMager. Jeder dritte deutscheBüroarbeitnehmer sitzt nach wievor im klassischen Einzelzimmer,und die meisten Angestellten ste-chen wie seit Jahrzehnten jedenMorgen und jeden Nachmittagihre Karten. Das Ausmaß derelektronisch unterstützten Ar-beit von zu Hause aus werde

ebenfalls überschätzt, glaubt derChemnitzer Soziologe FrankKleemann der in einer Studie„Die Wirklichkeit der Tele-heimarbeit” untersucht hat. „Dasbedeute freilich keineswegs, dasssich gar nichts verändert: Ein Teilder Beschäftigten ist durchausmit der Umgestaltung von„Bürolandschaften” konfron-tiert. Bei der Bewältigung der ge-sundheitlichen und arbeitschutz-rechtlichen Folgen haben dieArbeitnehmervertreter ein Wortmitzureden (siehe Kasten).

Heute sei es nicht mehr zeit-gemäß, Büros nach einem ein-heitlichen Konzept zu gestalten,betont der Büroplaner PeterMartin. Er empfiehlt flexible„Kombibüros”, die sowohl kon-zentrierte Einzelarbeit zulassenals auch Teamprozesse beför-dern.

Überspitzte Szenarien

Das Stuttgarter Fraunhofer-Institut hat sich sein eigenes

Experimentierfeld geschaffen.Für das Zukunftsprojekt „Office21“ wurden persönlich reservier-te Arbeitsplätze gar nicht ersteingerichtet. Jeder Mitarbeiterschiebt auf einem fahrbarenContainer seine Unterlagen, dasmobile Telefon und einen perFunk vernetzten Rechner vorsich her. Für 35 Angestellte rei-chen auf diese Weise 18 Plätze,die jeden Tag neu verteilt wer-den. Die anderen Team-mitglieder sind unterwegs, ma-chen Urlaub oder arbeiten zu

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Zum Weiterlesen

• Gerhard Kilger/Hans-Jürgen Bieneck: NeueQualität der Arbeit - Wiewir morgen arbeiten wer-den. Campus Verlag,Frankfurt 2002

• Frank Kleemann: DieWirklichkeit der Tele-heimarbeit – Eine ar-beitssoziologische Un-tersuchung. Editionsigma, Berlin 2005

• Thomas Gesterkamp:Fröhliche Fron – Dassanfte Regiment derSpaßkultur.

In: Gutesleben.de –Dieneue Balance von Arbeitund Liebe. Klett Cotta,Stuttgart 2002

Informationen über Bü-rokonzepte im Internet:

• Initiative Neue Qualitätder Arbeit

www.inqa-buero.de• Verwaltungsberufsgenos-

senschaft www.vbg.de• Fachinformationsdienst www.ergo-online.de

ARBEITSWELT

Office 21: Das Büro

Office 21: Check-in zum ArbeitsbeginnAlle Bürovarianten haben ihre Vor- und Nachteile. Beim „non-territorialeBüro“: Keine fest zugeordneten Arbeitsplätze, die Arbeitsunterlagen befin-den sich in Rollcontainern – Vorteile: hohe Flexibilität, Kostenersparnisdurch gute Raumausnutzung. Nachteile: fehlende „Heimat“ am Arbeitsort;keine Identifikation mit einem festen Ort. Fotos: Fraunhofer IAO

Hause. Die Propheten derBeraterzunft gehen noch einenSchritt weiter: Im „Hotel“-Kon-zept melden sich die Mitarbeiterbei der virtuellen Rezeption ih-res Unternehmens, buchen fürein paar Stunden einen Raumund verschwinden nach kurzerSesshaftigkeit wieder.

Für die Beschäftigten ist einBüro, das als reines Computer-terminal zum gelegentlichen Ein-loggen funktioniert, offensicht-lich keine wünschenswerte Vor-stellung.

Allerdings sind im Wesentli-chen auch die Zeiten vorbei, „alssich aus der Fläche des Schreib-tisches zuverlässig der Lohnhochrechnen ließ und die Auto-rität des Chefs ihren Ausdruck inzwei Zentnern Eiche fand“, wieder Schweizer Autor RetoSchneider treffend formuliert.Festungsartige Besitztümer mitdicken Teppichen und Vor-zimmerdame haben vielerortsausgedient.

So besehen ist eine flexibleBürowelt, wo im Extremfall je-der mit jedem den Platz tauschenkann, zugleich Ausdruck einergewissen Demokratisierung imUnternehmen: Nicht einmalmehr räumlich können sich Vor-gesetzte ihrer Position sichersein.

Thomas Gesterkamp

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Gespräche stören am meistenDas Stresspotenzial von Bürolärm wird oft unterschätzt.Eine Studie zeigt, dass auch bei mittlerer LautstärkeLeistungsabfall und Gesundheitsstörungen auftretenkönnen, vor allem bei komplexen Aufgaben.

Lärm am Arbeitsplatz ist nichtnur der Krach in der Maschinen-halle, der nach der Arbeitsstät-tenverordnung 85 Dezibel nichtüberschreiten darf. Auch derGeräuschpegel im Büro ist nichtselten beachtlich: Das Telefonklingelt, der Drucker brummt,der PC-Ventilator rauscht, undGespräche sind selbst noch amanderen Ende des Großraumbü-ros zu hören. Alles, was die Auf-merksamkeit auf sich zieht, lenktvon der Arbeit ab.

Die Folge: mehr Fehler oderzusätzliche Belastung durch hö-heren Konzentrationsaufwand.Die Dezibel-Empfehlungen derArbeitsstättenverordnung fürdie Lautstärke am Arbeitsplatzsind für moderne Büroarbeits-plätze zu hoch und müssen an-gepasst werden, schreibt dieArbeitspsychologin CharlotteSust: „Zur Belastung werden zu-nehmend auch niedrige Lärm-pegel, weil die Tätigkeiten anBüroarbeitsplätzen komplexerund damit störanfälliger wer-den.“ Im Büro würden immerweniger Routinetätigkeiten aus-geübt. Zunehmend mehr Aufga-ben erforderten ein höheres Maßan Planung, Selbstständigkeit,Problemlösungsprozessen, Krea-tivität und Verantwortung.

In ihrer Studie „Bildschirm-arbeit und Geräusche“ für dieBundesanstalt für Arbeitsschutzund Arbeitsmedizin untersuch-ten Charlotte Sust und HansLazarus „die Auswirkungen vonGeräuschen mittlerer Intensitätauf simulierte Büro- und Bild-schirmtätigkeiten unterschiedli-cher Komplexität“. Fünf Tagelang wurden 32 Versuchsperso-nen unter fünf verschiedenenGeräuschbedingungen bei unter-schiedlichen Büroarbeiten beo-bachtet. Sie sammelten, prüftenund verarbeiteten Informatio-nen, verfassten Texte und führtenBerechnungen durch.

Mit steigender Dezibelzahlbrauchten die Versuchspersonenmehr Zeit: Sie mussten Zwi-

GESUNDHEIT

schenergebnisse häufiger kon-trollieren, öfter neu anfangenund wählten bisweilen eine um-ständlichere aber sicherere Artund Weise der Bearbeitung. Beisehr komplexen Aufgaben ten-dierten sie dazu, den Auftragnicht vollständig auszuführenoder die Arbeit ganz abzubre-chen. Mit zunehmender Ge-räuschbelastung wuchs außer-

dem das Bedürfnis nach Er-holungspausen.

Es zeigte sich, dass Geräuschemittlerer Lautstärke – zwischen55 und 70 Dezibel – vor allemdann negative Auswirkungen

hatten, wenn sie einen hohenInformationsgehalt besaßen. Indiesen Fällen fiel es den Ver-suchsteilnehmern am schwers-ten, das Gehörte zu ignorieren –vor allem, wenn es Gespräche,besonders private, waren. WelcheGeräusche stören am meisten?Psychologin Sust: „Mehr als al-les andere sind das Unterhaltun-gen, die nichts mit der Arbeit zu

tun haben. Diesen Privatgesprä-chen können sich die Kollegennur schwer entziehen.“

Das Problem entsteht vor al-lem im Großraumbüro. „Mankann von einer Leistungsminde-

rung von 20 bis 30 Prozent aus-gehen“, so Charlotte Sust, „vonpsychosomatischen Beschwer-den ganz abgesehen.“

Deswegen Großraumbürosabzuschaffen, hält sie allerdingsfür verfehlt, denn diese seienwichtig für die Kommunikation.Vielmehr müsse man die Akus-tik verbessern, zum Beispieldurch abgehängte Decken ausschallschluckendem Materialund durch linien- oder wellen-förmig zwischen den Arbeitsplät-zen aufgestellte Trennwände. Fürungestörtes Arbeiten ließen sich

Denkerzellen schaffen; in klei-nen Büros sollten die Kollegeneinander den Rücken zuwenden,damit der eine beim Telefonierenden anderen nicht stört.

Böckler Impuls 8/2007

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POLIZEILICHE KRIMINALSTATISTIK 2006:

Gewalt eskaliertSieht man nur die erste Aussa-

ge der von BundesinnenministerDr. Wolfgang Schäuble und demVorsitzenden der Innenminister-und Senatoren der Länder, demIMK-Vorsitzenden Dr. ErhardKörting, am 8. Mai 2007 vorgestell-ten Polizeilichen Kriminalstatistik2006, könnte man sich eigentlichzurücklehnen: Weniger Kriminali-tät und eine höhere Aufklärungs-quote.

Sieht man sich diese Statistikallerdings genauer an, so kommeneinem doch Bedenken, ob man soohne weiteres zur Tagesordnungübergehen kann.

Zwar ist die Gesamtzahl dererfassten Straftaten 2006 in der Tatum 1,4 Prozent auf ca. 6,304 Milli-onen Straftaten zurückgegangenund die Aufklärungsquote ist er-neut um 0,4 Prozentpunkte auf55,4 Prozent gestiegen, vergleichtman jedoch die Delikte, in denennennenswerte Rückgänge zu ver-

zeichnen sind mit den Delikt-feldern, in denen es Anstiege gab,so muss man zu der Überzeugungkommen, dass in Deutschland dieGewaltausübung und Gewalt-bereitschaft drastisch angestiegensind.

Die Gesamtzahl der Dieb-stahlsdelikte ist erneut deutlichrückläufig. Auch im Jahr 2006 gabes nochmals einen Rückgang um4,6 Prozent auf nunmehr knappüber 2,6 Millionen Fälle. Ange-stiegen ist dagegen die Zahl derKörperverletzungsdelikte um 3,3Prozent auf nunmehr über534.000 Delikte. Ist diese Zahlschon alarmierend genug, sowiegt besonders schwer, dassauch die gefährlichen und schwe-ren Körperverletzungsdeliktewiederum um 2,6 Prozent aufnunmehr über 150.000 Delikteangewachsen sind.

Mehr als 44 Prozent der Täterdieser gefährlichen und schweren

Körperverletzun-gen waren Tatver-dächtige bis maxi-mal 21 Jahren.

Die Gewaltkri-minalität insgesamtist ebenfalls noch einmal um 1,2Prozent angestiegen. Ein Indizdafür, dass sich auch die Polizis-tinnen und Polizisten zunehmendmit gewalttätigem Widerstandkonfrontiert sehen, zeigt der An-stieg der Widerstandshandlungengegen die Staatsgewalt um nocheinmal 0,4 Prozent auf nunmehrfast 26.600 Fälle. Von 1996 bis 2006sind diese Delikte damit um über46 Prozent angestiegen.

Ein weiterer Trend in derKriminalstatistik 2006 ist die Ver-schiebung der Kriminalitäts-aktivitäten hin zu den Betrugs-delikten. Diese sind um 0,5 Pro-zent auf nunmehr über 950.000Fälle angestiegen. Hier wie auchin anderen Deliktsfeldern zeigtsich, dass das Internet immer häu-figer als Tatmittel dient oderSchauplatz von Straftaten ist. Vorallem im Zusammenhang mitOnline-Auktionen bzw. Online-Shops bietet das Internet günstige

Tatgelegenheiten vor allem fürBetrügereien.

82,6 Prozent aller Internet-delikte sind Betrugsdelikte. Auf diePolizei kommen in den nächstenJahren aufgrund des Umstandes,dass immer mehr Delikte imInternet oder mittels des Internetsbegangen werden, riesige Heraus-forderungen zu.

Der Bundesvorsitzende, Kon-rad Freiberg, stellte in einer Presse-meldung zur Bekanntgabe derPolizeilichen Kriminalstatistikklar, dass aufgrund der veränder-ten Deliktstrukturen diese Er-mittlungsarbeit hohe Anforderun-gen an das technische Verständnisstelle und eine gefestigte Persön-lichkeit verlange. now.

Extremisten erneut erstarkt

INNERE SICHERHEIT

Den von Bundesinnenminister,Dr. Wolfgang Schäuble, verkünde-ten starken Anstieg politisch mo-tivierter Straftaten führt derBundesvorsitzende der Gewerk-schaft der Polizei vor allem auf den

Den islamistischen Terrorismus bewertete der Bundesinnenminister alsdie größte Bedrohung der Sicherheit in Deutschland. Wie real sie ist,wurde durch die versuchten Kofferbombenanschläge deutlich. Foto: ddp

bemühungen linksextremistischerGruppen zu verzeichnen sind. Alsdie größte Bedrohung für die Si-cherheit in Deutschland ordneteder Bundesinnenminister jedochnach wie vor die Gefährdungdurch den islamistischen Terroris-mus ein. Im Verfassungsschutz-bericht wird das Potenzial mit32.150 Mitgliedern bzw. Anhän-gern von insgesamt 28 Gruppie-rungen bezeichnet. now.

anhaltenden Glaubwürdigkeits-verlust der demokratischen Partei-en zurück.

Nach den vom Bundesinnen-minister bekannt gegebenen Zah-len wuchs die „Politisch motivier-te Kriminalität – rechts“ auf 18.142Straftaten an (2005: 15.914).Darunter 1.115 Gewalttaten (2005:1.034). Der überwiegende Teil(17.597) der Delikte wurde vonPersonen mit extremistischemHintergrund begangen, darunterallein 1.047 der 1.115 Gewalttaten.Die Zahl der politisch rechts mo-tivierten Straftaten mit extremis-tischem Hintergrund stieg um 14,6Prozent an. Die der Gewalttatenum 9,3 Prozent.

Die Anzahl der politisch linksmotivierten Gewalttaten liegt mit1.209 sogar noch über der der po-litisch rechts motivierten Gewalt-taten. Allerdings ist bei den poli-

tisch links motivierten Gewaltta-ten ein Rückgang um 3,8 Prozentgegenüber 2005 zu verzeichnen.Für 2007 dürfte jedoch wieder miteinem Anstieg zu rechnen sein, dainsbesondere im Zusammenhangmit dem G8-Gipfel in Heiligen-damm starke Mobilisierungs-

Gefährliche und schwere Körper-verletzungsdelikte stiegen auf über150.000. Mehr als 44 Prozent derTatverdächtigen waren maximal 21Jahre alt. Foto: dpa

VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2006:

Bundesinnenminister Dr. WolfgangSchäuble (r.) und der Präsident desBundesamtes für Verfassungs-schutz Heinz Fromm bei der Präsen-tation des Verfassungsschutz-berichtes 2006 Foto: Zielasko

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SENIORENJOURNALLiebe Seniorinnen,liebe Senioren,

seit nunmehr20 Jahren bietetdie Gewerk-schaft der Polizeimit der Senio-rengruppe Bundein wichtiges Fo-rum zur Infor-

mation und zum Austausch inseniorenspezifischen Fragen,

Angemerktinsbesondere des Beamten- undVersorgungsrechts und der Sozi-alpolitik. Darauf können wir stolzsein.

Auch für die Gewerkschaft derPolizei ist es unerlässlich, auf denSachverstand und die Erfahrungvon Senioren zurückgreifen zukönnen. Senioren wollen aktivbleiben und sich einmischen.

Eine Gewerkschaft ist keintheoretisches Gebilde – sie lebtausschließlich von den Menschen,die in ihr und für sie wirken. Vondaher gilt neben meinem Glück-wunsch zum 20. Geburtstag derSeniorengruppe Bund auch meinDank all denjenigen, die die Seni-orengruppe mit aufgebaut unddenjenigen, die sie über Jahre ver-

antwortlich und erfolgreich ge-führt haben.

Ich wünsche unserer Jubi-larin für die Zukunft viel Erfolgund hoffe, dass sich immermehr Seniorinnen und Senio-ren aktiv in die Seniorenarbeiteinbringen. Glückauf!

Artur JungBundesseniorenvorsitzender

20 Jahre SeniorengruppeBund, das sind nicht nur 20 Jah-re ehrenamtliche Interessen-vertretung der Versorgungs-empfänger und Rentner, sondernauch 20 Jahre Interessenver-tretung in einer sich ständig ver-ändernden Welt zwischen allenmöglichen Fronten. Jahre, in de-nen sich die Bediensteten derPolizei und die Versorgungs-empfänger immer wieder im kri-tischen Rampenlicht der Öffent-lichkeit bewegt haben. Und sogeht es bei diesem Jubiläum nicht

Jubiläen fordern heraus, Bilanz zu legen, Rechenschafts-berichte abzugeben, stolz auf Erreichtes, kritisch auf Ver-säumtes hinzuweisen. Jubiläen gelten auch als Höhepunk-te im gesellschaftlichen Geschehen. Sie bewegen uns,Dank zu sagen, die Vergangenheit zu überprüfen und dieZukunft als Aufgabe zu begreifen.

20 JAHRE SENIORENGRUPPE BUND

Es geht immer um Interessen undMitbestimmung

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Die Vorsitzenden der Seniorengruppe Bund seit der Gründung

Fritz Göbel †(Saarland)

13. Mai 1987 bis Dezember 1990

Willi Bruelheide(Schleswig-Holstein)

22. Januar 1991 bis 24. April 1998

Heinz Blatt(Rheinland-Pfalz)

24. April 1998 bis 24. April 2006

Artur Jung(Saarland)

seit 24. April 2006

in erster Linie um stolze Bilan-zen; es geht darum, immer wiederden Ansatz für die Zukunft ge-meinsam zu überdenken.

Mein Glückwunsch zum 20.Jubiläum ist daher verbunden

mit der Ermutigung, neue Zieleund Herausforderungen unbeirrtzu verfolgen. Ebenso möchte ichmit meinen „Gedanken zum Ju-biläum“ auch dokumentieren,dass wir – die Senioren – einge-

bunden sind in die große Fami-lie der Gewerkschaft der Polizei.Denn Eingebundensein desMenschen in seine Familie, sei-nen Freundeskreis, in Gruppenbestimmt in hohem Maße seineZufriedenheit, die Art und Wei-se, wie er mit verändertenLebenssituationen umgeht.

Andererseits bedeutet diesaber auch: Sich einbringen in dieAktivitäten, die bei der Senioren-gruppe darauf ausgerichtet sind,sich zu informieren, sowohl ingewerkschaftlicher als auch in

Von Heinz Blatt

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gesellschaftspolitischer Hinsicht.Sich über Probleme zu informie-ren bedingt gleichzeitig das Ge-spräch, die Diskussion zu führen,um unterschiedliche Auffassun-gen in die Bewertungen einzube-ziehen. Erst daraus ergibt sichKritik und Urteilsfähigkeit. Nurdurch gute Information unterei-nander und Aktivitäten können

wir etwas bewegen und errei-chen. Besonders in der kommen-den Zeit, der Zeit der Kürzungenund Einsparungen, der zuneh-menden Anzahl der Senioren,wird dies dringend erforderlichsein. Wir werden verstärkt han-deln müssen, um auf uns auf-merksam zu machen. Sich „Ein-bringen in die Aktivitäten“, also

mitmachen, können im Übrigennicht nur Pensionäre, willkom-men sind auch Kolleginnen undKollegen, die noch im aktivenDienst stehen. Ich glaube, mitzunehmendem Alter wird einemdie Bedeutung einer gut funkti-onierenden Seniorenarbeit bes-ser bewusst, weil der Übergangvon der aktiven Dienstzeit zum

Pensions- bzw. Rentenalter nä-her rückt. Das fördert die Bereit-schaft, sich mit Themen diesesneuen Lebensabschnitts ausein-ander zu setzen. Das fördert auchdie Solidarität zwischen den Ak-tiven – gerne auch der jüngeren– und den Pensionären undRentnern. Je eher man sich der„Konfrontation mit der eigenen

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SENIORENJOURNALZukunft“ stellt, um so besser.

Zum Jubiläum darf ich fest-stellen:

Es hat sich als richtig erwiesen,mit der Gründung der Senioren-gruppe ein Forum geschaffen zuhaben, das die Möglichkeit bie-tet, sich aktiv einzubringen.

Wie es begann

Da es in einzelnen Landes-bezirken bereits „Fachgruppenfür Seniorenangelegenheiten“,„Seniorenbeiräte“ und „Senio-rengruppen“ gab, wurde auf dem18. Ordentlichen GdP-Bundes-kongress 1986 in Mannheim be-schlossen, „zur Förderung derSeniorenarbeit in der GdP“nunmehr auch eine „Senioren-gruppe Bund“ ins Leben zu ru-fen. Der Antrag ging vom LBHamburg aus, initiiert vom Kol-legen Hans Beßmann, Fach-gruppenvorsitzender für Pensio-näre und Rentner. Seine beein-druckende und überzeugendeAntragsbegründung war aus-schlaggebend für die Annahmedes Antrages 019:

„Der 18. Ordentliche Bundes-

kongress beschließt: dass der§ 16 der Bundessatzung um fol-genden Absatz erweitert wird:

Zur Förderung der Senioren-arbeit besteht in der GdP dieSeniorengruppe“.

Der Grundstein für die jetzi-ge Seniorengruppe Bund wargelegt. Nun galt es, diesen Be-schluss in die Praxis umzusetzen.

Die konstituierende Sitzungdes Vorstandes – bestehend ausjeweils einem Seniorenvertreteraus den Landesbezirken – fandam 19. Mai 1987 in der Bundes-geschäftsstelle in Hilden statt.Nach Annahme der Zusatz-bestimmungen zu § 16 der GdP-Satzung wählte der Vorstand ausseiner Mitte den Geschäftsfüh-renden Bundesseniorenvorstand,der sich wie folgt zusammen-setzte:Vorsitzender:Fritz Göbel (Saarland)Stellv. Vorsitzender: HubertusPetri (Niedersachsen)Schriftführer: Willi Bruelheide(Schleswig-Holstein)

Nach späterem Ausscheidendes Kollegen Fritz Göbel ausdem Vorstand wurde auf der Vor-standssitzung am 22. Januar 1991in Hilden ein neuer geschäftsfüh-render Vorstand gewählt:Vorsitzender: Willi BruelheideStellv. Vorsitzender: HubertusPetriSchriftführer: Olaf Bong (Baden-Württemberg)

Eine weitere Wahl wurde am4. November 1993 erforderlich,weil Kollege Hubertus Petri ausdem Vorstand ausschied. Auf sei-nen Platz wurde Peter Glapa(Nordrhein-Westfalen) gewählt.

Nach Änderungen der Ar-beitsrichtlinien für die Senioren-gruppe wird ab der 3. Bundes-seniorenkonferenz der geschäfts-führende Bundesseniorenvor-stand von der Bundessenioren-konferenz gewählt.

In Schweden gäbees uns nicht

Wenn man sich in Europaumsieht, stellt man fest, dass wirhierzulande und in der Gewerk-schaft der Polizei Glück haben:Kolleginnen und Kollegen, dieaus dem aktiven Polizeidienstausscheiden, bleiben bei unsselbstverständlich Gewerk-schaftsmitglied und lassen, wieich hoffe, in ihrem Engagementauch nicht nach.

Wären wir z. B. in Schweden,gäbe es uns gar nicht. Dort en-det die Mitgliedschaft in derPolizeigewerkschaft mit demEnde des Dienstes bei der Poli-zei. Andere Länder – andere Sit-ten. Und da bin ich froh, dass wir

Der Seniorenvorstand Bund vor dem Hildener Gewerkschaftshaus (vonlinks) Karl-Heinz Becker (als Vertreter für Otto Sinner), Bayern; ManfredStock, Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstandes; Fritz Göbel,Vorsitzender der Seniorengruppe Bund, Saarland; Hubertus Petri, stell-vertretender Vorsitzender, Niedersachsen; Hans Adams, Gewerkschafts-sekretär; Josef Mies, Hessen; Jakob Hauser (als Vertreter für NikolausFederau), BKA; Karl Wisser, Rheinland-Pfalz; Otto Gralki, Bremen; WilliBruelheide, Schriftführer, Schleswig-Holstein; Gerhard Schlachta, Berlin;Hans Beßmann, Hamburg; Olaf Bong, Baden-Württemberg und WilliKnode, Nordrhein-Westfalen. Foto: GdP

Erste Senioren-Konferenz 1990 in Siegen (NRW) Foto: GdP

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mit der GdP eine Organisationhaben, die im besten Sinne einenGenerationenvertrag geschlos-sen hat. Es gibt die JUNGEGRUPPE und es gibt dieSENIORENGRUPPE. Zusam-men mit der FRAUENGRUP-PE bilden alle drei die so genann-ten PERSONENGRUPPEN, diesich um ihre jeweilige Klientel inder Mitgliedschaft kümmern.

Dass die Senioren innerhalbder GdP eine aktive Kraft dar-

stellen, wird dokumentiert seitdem Dresdner Bundeskongress1994 durch die geborene Mit-gliedschaft des Vorsitzenden derSeniorengruppe Bund im Bun-desvorstand. Gleiches vollziehtsich in den Landesbezirken.

Das ist keinesfalls etwasSelbstverständliches und in die-ser Konsequenz bei anderenDGB-Gewerkschaften satzungs-mäßig nicht festgelegt. Die GdP-Senioren sind stolz darauf, einesolche Gleichberechtigung seitvielen Jahren erreicht zu haben.Bei meiner Teilnahme an Sitzun-gen des „DGB-Koordinier-ungskreis Seniorenpolitik“ habeich immer wieder angeregt, dieSeniorenarbeit in den anderenDGB-Mitgliedsgewerkschaftenso auszugestalten, dass dieSeniorenvertreter die umfassen-de Möglichkeit der Mitbestim-mung erhalten.

Denn die Seniorinnen undSenioren verfügen über ein breitgefächertes Wissen und einenreichen Erfahrungsschatz, auf

den eine Organisation nicht ver-zichten sollte.

Aktivprogramm Senioren

Die Betreuung von Mitglie-dern, egal ob junge oder alte, isteine schwierige Aufgabe. Immerwieder stellt sich die Frage: Waskönnen wir tun, um unseren Mit-gliedern attraktive und interes-sante Angebote zu machen?

Was ist der Seniorengruppe inden Sinn ge-kommen?

Im Okto-ber 2002 hatder GdP-Bun-deskongressin Magdeburgdie „Entwick-lung eines Se-n i o r e n p r o -gramms aufBundesebe-ne“ beschlos-sen. Das warzugleich derArbeitsauf-trag für denGeschäftsfüh-renden Bun-

desvorstand und den Bundes-seniorenvorstand. Inzwischenkann das „Aktivprogramm fürSenioren (APS)“, das von einerArbeitsgruppe erarbeitet undvom Bundesvorstand verab-schiedet wurde, als ein „Nach-schlagewerk für Seniorinnen undSenioren“ bezeichnet werden –ein breit gefächertes Angebotvon Aktivitäten, Hilfestellungenund Betreuungskonzepten fürSenioren, aber auch für noch„Aktive“. Ebenso soll damit zumAusdruck gebracht werden, dassdie GdP für Kolleginnen undKollegen nicht nur in ihrem Be-rufsleben, sondern auch nachdem Ausscheiden aus dem akti-ven Dienst Verantwortung zeigt,sie ernst nimmt und sie nicht „imRegen stehen lässt“.

Eine Gewerkschaft, die mitder Zeit geht, versteht sich alsPartner ihrer Mitglieder. Einwichtiges Ziel ist darin zu sehen,die Mitglieder durch möglichstviele Angebote an sich zu bindenund somit die Durchsetzungs-kraft der Gewerkschaft zu stär-

ken. Diese Angebote müssen sichentsprechend der vielfältigen Er-wartungen auf viele Arbeits- undLebensbereiche beziehen undsich überdies an den jeweiligenLebensphasen der Mitgliederorientieren. Unsere Mitgliedersind immer dann zufrieden undstehen zu ihrer GdP, wenn derenErwartung mit der selbst erleb-ten Realität übereinstimmt. Daswird aber nur gelingen, wenn dieOrganisation die Erwartungenkennt, sich damit auseinandersetzt und bestrebt ist, Angebotezu entwickeln, die dannwiederum den Wünschen, Be-dürfnissen und Erwartungen derMitglieder entsprechen. An die-sen Gedanken orientiert, hat derBundesseniorenvorstand mitdem „Aktivprogramm Senio-ren“ den Auftrag des Magde-burger Bundeskongresses 2002erfüllt.

Zukunftsbündnisder Generationen

Die gesellschaftliche und ge-werkschaftliche Teilhabe der äl-teren Mitglieder hängt ebensowie die Zukunft der jüngeren

Generationen von einem solida-rischen Generationenverhältnisab. Seniorinnen und Seniorennutzen freiwilliges Engagement,um im Ruhestand aktiv zu blei-ben. Jüngere Kolleginnen undKollegen profitieren von denLebens- und Berufserfahrungender Älteren. Vor diesem Hinter-

grund gewinnt der Dialog derGenerationen in der Gewerk-schaft der Polizei an Bedeutung.Im Rückblick können wir stolzdarauf sein, dass sich die Vorstän-de der beiden Personengruppenmit ihrem Positionspapier„Zukunftsbündnis der Generati-onen“ diesem Thema gestellt ha-ben. Für uns Senioren bedeutetdies konkret: Mit unserer Berufs-und Lebenserfahrung die JUN-GE GRUPPE bei ihren Überle-gungen der drängenden Fragender Zukunft weiterhin zu unter-stützen. Ebenso müssen wir mitunseren jungen Kolleginnen undKollegen über die derzeitige Si-tuation und über ihre Zukunfts-aussichten diskutieren und sievon der Notwendigkeit gewerk-schaftlichen Engagements über-zeugen und zur Mitarbeit ermu-tigen.

Zusammenarbeit mitdem DeutschenBundeswehrverband

Eine weitere Aktivität derSeniorengruppe, die zum Jubilä-um nicht unerwähnt bleiben darf,

ist die Zusammenarbeit mit demDeutschen Bundeswehrverband(DBwV). Bereits im Oktober2003 haben sich die GdP und derDBwV vertraglich verpflichtet,intensiv zusammenzuarbeiten.Eine solche Zusammenarbeitpraktizieren seit 2004 auch dieSeniorenvertreter der beiden

Das Aktivprogramm – ein fundiertes Programm für un-sere Mitglieder im Ruhestand, das insbesondere aufdie Mitgliederbindung und -betreuung abzielt.

Arbeitstagung des Geschäftsführenden Bundesseniorenvorstandes mitdem Vorstand ERH (Ehemalige Soldaten, Reservisten und Hinterbliebe-ne) des Deutschen BundeswehrVerbandes (DBwV) im Januar 2006 inPrieros/Brandenburg. Fotos (2): GdP

Page 33: Nr.6 Juni 2007 Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizeifile/DeuPol0706.pdf · verkündeten Zahlen der PKS ein. Grundtenor, den der Innenminister dabei verbreite-te: Deutschland ist

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Organisationen. Dies gilt insb-esondere für Regelungen imVersorgungsrecht sowie fürBeihilfebestimmungen. Also ver-wandt sind oft die gemeinsamenInteressen und das gemeinsameVorgehen verspricht mehr Erfolgals Alleingänge. Zurzeit befasstsich der Bundesseniorenvor-stand mit dem von der 5. Bundes-

seniorenkonferenz angenomme-nen Antrag B 7 mit dem Auftrag,im Rahmen der Kooperation mitdem DBwV eine Beteiligung andem dort laufenden Projekt „Be-treutes Wohnen“ anzustreben.Ich hoffe, dass die beidenSeniorenvertretungen in Zu-kunft noch enger zusammenrü-cken unter dem Motto: „Ge-meinsam sind wir stärker“.

Bundesseniorenfahrten

Einen besonderen Service fürihre älteren Mitglieder bietet dieGewerkschaft der Polizei seit1999 mit ihren jährlich angebo-tenen Bundesseniorenfahrten.Ob „Donau-Kreuzfahrt“, „Reise

nach Ischia“, „Flusskreuzfahrtauf der Wolga von Moskau nachSt. Petersburg“ oder „Türkei er-leben“, um nur einige Highlightszu nennen. Diese Reisen erfreu-en sich inzwischen großer Be-liebtheit, wofür allein 540 An-meldungen für die 7. Bundes-seniorenfahrt vom 14.-27. Sep-tember 2007 an die Schwarz-meerküste nach Bulgarien denBeweis liefern.

Mit diesen Fahrten verfolgtdie Seniorengruppe das Ziel, ge-werkschaftliche Informationen,Kultur- und Landschaftserleb-nisse mit Spaß zu verknüpfen.Ebenso wird bei diesen Fahrtendas Gemeinschaftsgefühl we-sentlich gestärkt. Ein besondererDank gebührt denen, die diese

Reisen organisieren und durchihr aktives Mitwirken zum Gelin-gen der Bundesseniorenfahrtenwesentlich beitragen.

Neben diesem kurzem Rück-blick und meiner Gratulationzum Jubiläum erhoffe und wün-sche ich mir für die Zukunft, dasses mit der Seniorenarbeit in derGdP kontinuierlich weiter gehtund recht viele Kolleginnen undKollegen – vor allem Neu (Jung)Pensionäre – bereit sind, mitzu-arbeiten und Verantwortung zuübernehmen. Und, dass wirweiterhin voller Stolz sagen kön-nen:

Gut, dass es sie gibt – dieSeniorengruppe der Gewerk-schaft der Polizei!

Die 6. Bundesseniorenfahrt 2006 in die Türkei/Marmaris: Imbiss unterschattigen Bäumen Foto: Hecker

DieBundessenioren-konferenzen

Siegen (NRW) April 1990Kiel (SH) April 1994Saarbrücken (Sa) April 1998Bayreuth (By) April 2002Dresden (Sn) April 2006

SENIORENJOURNAL

Zu seiner Frühjahrssitzungtagte der 18-köpfige Bundes-seniorenvorstand am 24. und25. April 2007 in Berlin. DerBundesseniorenvorsitzendeArtur Jung begrüßte – nebenden Vorsitzenden der Senio-rengruppen der Landesbe-zirke und Bezirke – besondersherzlich den am 14. März 2007neu gewählten Vorsitzendender Seniorengruppe des Lan-desbezirks Mecklenburg-Vor-pommern, den Kollegen HansWederka.

Schwerpunkt der umfang-reichen Tagesordnung war dieBearbeitung der angenomme-nen Anträge der Senioren-konferenz in Dresden sowiedes Bundeskongresses inBerlin, u. a.:• Nominierung einer Arbeits-

gruppe zum Projekt „Be-treutes Wohnen“ in Koope-ration mit dem DeutschenBundeswehrVerband,

• Aufforderung an die Bun-des- und Landesbezirke, fürdie Aufhebung des § 81Abs. 2 Bundesbesoldungs-gesetz: „Ruhegehaltsfähig-keit der Polizeizulage“ undfür deren Dynamisierungeinzutreten,

• Aufforderung an die Lan-desbezirke, in ihren Zu-ständigkeitsbereichen fürdie Einrichtung einerPensionskasse/Rücklagefür Pensionen einzutreten,

• Aufforderung an den Bun-desvorstand, bei den Betei-ligungsgesprächen über denEntwurf der Bundesbei-hilfe-Verordnung für dieAbschaffung der Praxis-gebühr im Beihilferechteinzutreten.

Mit großer Sorge wurdendie negativen Auswirkungender Föderalismusreform dis-

kutiert. Da der Bund und je-des einzelne Land eigene Re-gelungen für Laufbahn, Be-soldung und Versorgung auf-stellen, droht die Gefahr, dassdie Länder gegeneinanderausgespielt werden. Beson-ders gravierend ist das er-kennbare Bestreben der Re-former, die Versorgungsem-pfänger abzukoppeln von derallgemeinen Besoldung – seies die fehlende Einbeziehungin die Einmalzahlregelungenoder fehlende bzw. sehr unter-schiedliche Besoldungsan-passungen für die Jahre 2007und 2008 im Bund und in denLändern.

Nach Auffassung des Bun-desseniorenvorstands führendie erheblichen Auswirkun-gen der Föderalismusreformzu gravierenden Problemenund Einschnitten für die GdP.Das Informationssystem Fö-deralismusreform (ISF) könn-te daher ein geeignetes Instru-ment sein, die Bundesein-heitlichkeit der GdP zu festi-gen.

Aber auch die Zusammen-arbeit mit dem DGB muss er-halten und noch verstärktwerden, denn gemeinsameStellungnahmen zu Gesetzes-vorhaben können nur hier ef-fektiv gefertigt werden – un-ter Mitwirkung der GdP.

Kritisiert wurde an dieserStelle jedoch auch die mangel-hafte Seniorenpolitik desDGB. Der Bundessenioren-vorstand tritt dafür ein, dassdie Gewerkschaften des DGBdie Mitwirkungsmöglichkei-ten von Seniorinnen und Se-nioren – wie in der GdP –satzungsrechtlich festschrei-ben. RB

Sitzung des Bundes-seniorenvorstands

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