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Notfall Rettungsmed 2014 · 17:325–326 DOI 10.1007/s10049-014-1884-1 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 M.P. Müller 1  · C. Kill 2  · J. Wnent 3  · M. Fischer 4  · J. Scholz 5  · B. Gliwitzky 6  · M. Helm 7  ·  A. Lechleuthner 8  · T. Lohs 9  · H. Marung 10  · M. Messelken 4  · S. Seewald 11  ·  J.-T. Gräsner 11 1 Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Dresden 2 Zentrum für Notfallmedizin, Universitätsklinikum Giessen-Marburg, Standort Marburg 3 Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck 4 Klinik für Anästhesie, Operative Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Klinik am Eichert, ALB-FILS-KLINIKEN GmbH Göppingen 5 Vorstand, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Schleswig-Holstein 6 Deutscher Berufsverband Rettungsdienst e. V., Offenbach an der Queich 7 Sektion Notfallmedizin, Bundeswehrkrankenhaus Ulm 8 Institut für Notfallmedizin, Berufsfeuerwehr Köln, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, Stadt Köln 9 Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst Baden-Württemberg, Stuttgart 10 Institut für Notfallmedizin, Asklepios Kliniken Hamburg GmbH, Hamburg 11 Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Campus Kiel Nur was wir messen,  können wir verbessern These 5 – Alle Teilschritte der  Wiederbelebung müssen einem  umfassenden Qualitätsmanagement  unterliegen Die Reanimation stellt eine besondere He- rausforderung für das Behandlungsteam dar: Minimale Änderungen der Prozes- se haben großen Einfluss auf die Überle- bensrate. So reduziert beispielsweise eine Steigerung des Zeitintervalls ohne Tho- raxkompressionen während der Reani- mation die Aussicht auf Erfolg. Sogar die Dauer der Unterbrechungen der Thorax- kompressionen für die Defibrillation be- einflusst die Überlebensrate [2]. Dies im- pliziert, dass wir – ähnlich wie Hochleis- tungssportler – alle (Teil-)Prozesse opti- mal trainieren müssen. Für eine stetige Verbesserung der Leistungen und einen optimalen Ablauf muss die Qualität der Reanimation erfasst und ausgewertet wer- den. Die Mitglieder des Teams sollen eine Rückmeldung zu ihrer Leistung erhalten, und es soll jede Reanimation mit anderen Fällen im Sinne eines Benchmarking ver- glichen werden, damit von den Besten ge- lernt werden kann. Im Folgenden sollen die wichtigsten Maßnahmen und Prozes- se bei der Reanimation dargestellt werden, die gut messbar sind und – so die Forde- rung der Autoren – bei jeder Reanimation dokumentiert werden sollen. 1. Erfassung der Einsatzzeiten Im Rettungsdienst ist die Erfassung ge- nauer Einsatzzeiten seit Jahren etabliert. Für innerklinische Notfallteams ist eine ebenso exakte Dokumentation der Ein- satzzeiten zu fordern. Das von der Deut- schen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) etablierte Notfallprotokoll für innerklinische Not- fälle bietet die entsprechenden Felder zur Erfassung der Einsatzzeiten [4]. Anzustre- ben ist eine automatisierte genaue Doku- mentation, beispielsweise durch Etablie- rung digitaler Alarmierungssysteme, die das jeweilige Notfallteam alarmieren und die Einsatzzeiten elektronisch dokumen- tieren. Bei Synchronisierung der System- zeiten der automatischen und manuellen Defibrillatoren mit den Uhren des digita- len Alarmierungssystems oder bei Fehlen eines solchen mit der Uhr der Telefon- anlage lassen sich in der Regel die Alar- mierungszeiten auch in zeitlichen Bezug zum ersten abgeleiteten EKG-Rhythmus und dem Zeitpunkt der ersten Defibrilla- tion bringen. 2. Erfassung der Qualität der Thoraxkompressionen Zur Messung der Qualität der Thorax- kompressionen sind mehrere Methoden etabliert. Die meisten modernen Defibril- latoren bieten die Möglichkeit, über Impe- danzmessungen die Thoraxkompressio- nen zu identifizieren und die Daten nach 325 Notfall + Rettungsmedizin 4 · 2014| Konzepte - Stellungnahmen - Leitlinien

Nur was wir messen, können wir verbessern; We can only improve what we measure;

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Notfall Rettungsmed 2014 · 17:325–326DOI 10.1007/s10049-014-1884-1© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M.P. Müller1 · C. Kill2 · J. Wnent3 · M. Fischer4 · J. Scholz5 · B. Gliwitzky6 · M. Helm7 · A. Lechleuthner8 · T. Lohs9 · H. Marung10 · M. Messelken4 · S. Seewald11 · J.-T. Gräsner11

1 Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Dresden 2 Zentrum für Notfallmedizin, Universitätsklinikum Giessen-Marburg, Standort Marburg 3 Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein,

Campus Lübeck 4 Klinik für Anästhesie, Operative Intensivmedizin, Notfallmedizin und

Schmerztherapie, Klinik am Eichert, ALB-FILS-KLINIKEN GmbH Göppingen 5 Vorstand, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Schleswig-Holstein 6 Deutscher Berufsverband Rettungsdienst e. V., Offenbach an der Queich7 Sektion Notfallmedizin, Bundeswehrkrankenhaus Ulm 8 Institut für Notfallmedizin, Berufsfeuerwehr Köln, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, Stadt Köln 9 Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst Baden-Württemberg, Stuttgart10 Institut für Notfallmedizin, Asklepios Kliniken Hamburg GmbH, Hamburg11 Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin,

Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Campus Kiel

Nur was wir messen, können wir verbessernThese 5 – Alle Teilschritte der Wiederbelebung müssen einem umfassenden Qualitätsmanagement unterliegen

Die Reanimation stellt eine besondere He-rausforderung für das Behandlungsteam dar: Minimale Änderungen der Prozes-se haben großen Einfluss auf die Überle-bensrate. So reduziert beispielsweise eine Steigerung des Zeitintervalls ohne Tho-raxkompressionen während der Reani-mation die Aussicht auf Erfolg. Sogar die Dauer der Unterbrechungen der Thorax-kompressionen für die Defibrillation be-einflusst die Überlebensrate [2]. Dies im-pliziert, dass wir – ähnlich wie Hochleis-tungssportler – alle (Teil-)Prozesse opti-mal trainieren müssen. Für eine stetige Verbesserung der Leistungen und einen optimalen Ablauf muss die Qualität der Reanimation erfasst und ausgewertet wer-den. Die Mitglieder des Teams sollen eine Rückmeldung zu ihrer Leistung erhalten, und es soll jede Reanimation mit anderen Fällen im Sinne eines Benchmarking ver-glichen werden, damit von den Bes ten ge-

lernt werden kann. Im Folgenden sollen die wichtigsten Maßnahmen und Prozes-se bei der Reanimation dargestellt werden, die gut messbar sind und – so die Forde-rung der Autoren – bei jeder Reanimation dokumentiert werden sollen.

1. Erfassung der Einsatzzeiten

Im Rettungsdienst ist die Erfassung ge-nauer Einsatzzeiten seit Jahren etabliert. Für innerklinische Notfallteams ist eine ebenso exakte Dokumentation der Ein-satzzeiten zu fordern. Das von der Deut-schen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) etablierte Notfallprotokoll für innerklinische Not-fälle bietet die entsprechenden Felder zur Erfassung der Einsatzzeiten [4]. Anzustre-ben ist eine automatisierte genaue Doku-mentation, beispielsweise durch Etablie-rung digitaler Alarmierungssysteme, die

das jeweilige Notfallteam alarmieren und die Einsatzzeiten elektronisch dokumen-tieren. Bei Synchronisierung der System-zeiten der automatischen und manuellen Defibrillatoren mit den Uhren des digita-len Alarmierungssystems oder bei Fehlen eines solchen mit der Uhr der Telefon-anlage lassen sich in der Regel die Alar-mierungszeiten auch in zeitlichen Bezug zum ersten abgeleiteten EKG-Rhythmus und dem Zeitpunkt der ersten Defibrilla-tion bringen.

2. Erfassung der Qualität der Thoraxkompressionen

Zur Messung der Qualität der Thorax-kompressionen sind mehrere Methoden etabliert. Die meisten modernen Defibril-latoren bieten die Möglichkeit, über Impe-danzmessungen die Thoraxkompressio-nen zu identifizieren und die Daten nach

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der Reanimation auszulesen. Ausgelesen werden können beispielsweise Frequenz der Herzdruckmassage, teilweise auch Beatmungen sowie Unterbrechungen der Thoraxkompressionen. Bei Implementie-rung von Frühdefibrillationsprogrammen ist die ärztliche Supervision und Quali-tätssicherung Pflicht [3], insofern sollte die Auswertung der Daten aus dem Defi-brillator nach jeder Reanimation erfolgen. Noch genauer ist eine Erfassung der Tho-raxkompressionen mittels Lagesensoren. Diese erfassen die Thoraxkompressionen und messen neben der Frequenz auch die Eindrücktiefe und die Entlastung. Es sind Pads verfügbar, die mit einem Defibril-lator verbunden werden oder auch in die Defibrillationselektroden integriert sind, andere Geräte funktionieren selbstän-dig und geben dem Helfer optische oder akus tische Rückmeldung zu den gemesse-nen Parametern. Häufig ist dies mit einer Metro nomfunktion verbunden, die die optimale Frequenz der Thoraxkompres-sionen vorgibt.

3. Erfassung der EKG-Rhythmen

Bei jeder Reanimation werden initialer Herzrhythmus, Anzahl der Defibrilla-tionen sowie die Zeiten und verwende-ten Energien dokumentiert. Unbedingt ausgewertet werden sollten der jeweili-ge Herzrhythmus vor jeder Defibrillation und der Zeitpunkt der ersten Defibrilla-tion. Dies trifft auch für Reanimationen in Krankenhäusern zu. Auch wenn defi-brillierbare Rhythmen in Kliniken selte-ner sind als in der Präklinik, ist zu for-dern, dass die erste Defibrillation inner-halb von 2 min nach Kollaps erfolgt [1]. Moderne Defibrillatoren speichern üb-licherweise wesentlich mehr Daten, die auch ausgelesen sowie im Sinne des Qua-litätsmanagements ausgewertet und archi-viert werden können. Wichtige zu erhe-bende Daten beinhalten die Prä-, Post- und Perischockpausen bei den Thorax-kompressionen. Auch alle weiteren er-hobenen Daten wie Vitalparameter oder auch 12-Kanal-EKG sollten, falls technisch möglich, ausgelesen werden.

4. Einsatz von mechanischen Thoraxkompressionsgeräten

Falls mechanische Thoraxkompressions-geräte eingesetzt werden, sollten das ver-wendete Gerät sowie Beginn und Ende des Einsatzes dokumentiert werden. Dies erscheint besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Studienlage wichtig. Bislang gibt es noch keine eindeutige Evidenz für einen Einfluss mechanischer Thoraxkom-pressionsgeräte.

5. Dokumentation der Postreanimationstherapie

In der Postreanimationphase ist eine in-tensive Überwachung essenziell. Die mo-dernen Defibrillatoren bieten meist auch Funktionen eines Überwachungsmoni-tors, häufig können auch die Daten des Ereignisses ausgelesen werden. Beson-ders hervorzuheben ist die Dokumenta-tion von 12-Kanal-EKG, Kapnographie, Beatmungsparameter (FiO2!) sowie Tem-peratur. Das konsequente Dokumentieren dieser Parameter hilft uns hinsichtlich der leitliniengerechten Postreanimationsver-sorgung aufmerksam zu bleiben.

Die erhobenen Daten sollten inner-halb der jeweiligen Einrichtung zu qua-litätssichernden Zwecken ausgewertet und in nonpunitiven Feedbackgesprä-chen mit dem Reanimationsteam zeitnah besprochen werden. Darüber hi naus wä-re es wünschenswert, dass neben den vor-genannten Instrumenten bei jeder Reani-mation eine Aufzeichnung mittels Dik-taphon läuft, um den ganzen Ablauf der Reani mation zu erfassen. Hierfür sind enge Absprachen mit den Mitarbeitern und Personalräten notwendig, um eine hohe Akzeptanz zu erzielen. Für einen Vergleich mit anderen Systemen im Sinne eines Benchmarks eignet sich das Deut-sche Reanimationsregister.

Korrespondenzadresse

PD Dr. M.P. MüllerKlinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Universitäts-klinikum DresdenFetscherstr. 74, 01307 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. M.P. Müller, C. Kill, J. Wnent, M. Fi-scher, J. Scholz, B. Gliwitzky, M. Helm, A. Lechleuthner, T. Lohs, H. Marung, M. Messelken, S. Seewald und J.-T. Gräs-ner geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

1. Chan PS, Krumholz HM, Nichol G et al (2008) De-layed time to defibrillation after in-hospital cardiac arrest. N Engl J Med 358:9–17

2. Cheskes S, Schmicker RH, Christenson J et al (2011) Perishock pause: an independent predictor of sur-vival from out-of-hospital shockable cardiac arrest. Circulation 124:58–66

3. Hensel FJM (2004) Empfehlungen der Bundesärz-tekammer (BÄK) zur Frühdefibrillation. Notfall Ret-tungsmed 7:40–41

4. Jantzen T, Dreyer A, Fischer M et al (2011) Das in-nerklinische Notfallprotokoll. Anästh Intensivmed 52:S723–S726

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