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HANDICAP 1/2011 Am 18. März wurde die neue Zentrale von Endolite Deutschland in Mainleus bei Kulmbach offiziell eröff- net. Das englische Traditionsunternehmen Chas A. Blatchford & Sons Ltd, das seine prothetischen Pro- dukte unter dieser Marke weltweit anbietet, besteht schon seit 1890 und ist auch heute noch in Familien- besitz. Endolite ist bei uns seit Ende der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts bekannt, als das legendäre Prothesensystem mit hydraulischem ESK-Knie und Multiflex-Fuß von Biedermann MOTECH vermarktet wurde und für viele aktive Beinamputierte die große Befreiung bedeutete, weil es der Wegbereiter für mo- derne und funktionelle Prothesentechnik in Deutsch- land war. Nachdem die Endolite-Produkte zwischen- zeitlich von Bauerfeind Prothetik vertrieben wurden, entschloss sich der heutige Inhaber, Stephen Blatch- ford, zu einer der größten Investitionen in der Firmen- geschichte: Den Aufbau einer eigenen Niederlassung im wichtigsten Markt Europas: Deutschland. Dazu konnte er Konstanze Hager, ehemalige Leiterin der Prothetik bei medi, gewinnen, die ein Team von insge- samt zwölf erfahrenen Orthopädie-Technikern, Außen- Wegbereiter Sonderdruck Orion Kniegelenk und Echelon Fuß von Endolite im Praxistest: dienstlern, Marketing- und Service-Spezialisten um sich versammelte, welches seit Jahresbeginn mit gewohnter Kreativität das gesamte Portfo- lio von Endolite in Deutschland, Österreich und den Benelux-Ländern of- feriert. Die Endolite-Eröffnungs-Rechnung Momentaner Höhepunkt ist das neue Orion-Kniegelenk in Verbindung mit dem Echelon-Fuß. Diese Kombination wird von Endolite als komplettes Bewegungssystem „my.leg“ vermarktet – mit der galant formulierten Ver- sicherung, dass „1 + 1 = 3“ seien! Bei unserem Praxistest wollen wir na- türlich in Erfahrung bringen, ob diese aben- teuerliche Rechnung tatsächlich aufgehen kann. Ich reise dazu schon einen Tag vor der Eröffnung nach Mainleus, um zusam- men mit Adam Baier die einzelnen Kompo- nenten zu konfigurieren. Gewohnt profes- sionell und zügig baut der Orthopädieme- chanikermeister die Prothese in der klei- nen Werkstatt unter dem mitgebrachten MAS-Schaft auf, sodass wir schon nach kurzer Zeit mit der dynamischen Anprobe im multifunktionellen Seminarraum des neuen Endolite-Zentrums beginnen kön- nen, der dafür mit Treppe und Rampen aus- gestattet ist. Kreativ und bewegt: Das Endolite-Team bei der Eröffnung in Mainleus aus HANDICAP 1/2011

Orion Kniegelenk und Echelon Fuß von Endolite im ... · HANDICAP 1/2011 Am 18. März wurde die neue Zentrale von Endolite Deutschland in Mainleus bei Kulmbach offiziell eröff-net

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HANDICAP 1/2011

Am 18. März wurde die neue Zentrale von Endolite Deutschland in Mainleus bei Kulmbach offiziell eröff-net. Das englische Traditionsunternehmen Chas A. Blatchford & Sons Ltd, das seine prothetischen Pro-dukte unter dieser Marke weltweit anbietet, besteht schon seit 1890 und ist auch heute noch in Familien-besitz. Endolite ist bei uns seit Ende der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts bekannt, als das legendäre Prothesensystem mit hydraulischem ESK-Knie und Multiflex-Fuß von Biedermann MOTECH vermarktet wurde und für viele aktive Beinamputierte die große Befreiung bedeutete, weil es der Wegbereiter für mo-derne und funktionelle Prothesentechnik in Deutsch-land war. Nachdem die Endolite-Produkte zwischen-zeitlich von Bauerfeind Prothetik vertrieben wurden, entschloss sich der heutige Inhaber, Stephen Blatch-ford, zu einer der größten Investitionen in der Firmen-geschichte: Den Aufbau einer eigenen Niederlassung im wichtigsten Markt Europas: Deutschland. Dazu konnte er Konstanze Hager, ehemalige Leiterin der Prothetik bei medi, gewinnen, die ein Team von insge-samt zwölf erfahrenen Orthopädie-Technikern, Außen-

Wegbereiter

Sonderdruck

Orion Kniegelenk und Echelon Fuß von Endolite im Praxistest:

dienstlern, Marketing- und Service-Spezialisten um sich versammelte, welches seit Jahresbeginn mit gewohnter Kreativität das gesamte Portfo-lio von Endolite in Deutschland, Österreich und den Benelux-Ländern of-feriert.

Die Endolite-Eröffnungs-RechnungMomentaner Höhepunkt ist das neue Orion-Kniegelenk in Verbindung mit dem Echelon-Fuß. Diese Kombination wird von Endolite als komplettes Bewegungssystem „my.leg“ vermarktet – mit der galant formulierten Ver-sicherung, dass „1 + 1 = 3“ seien! Bei unserem Praxistest wollen wir na-

türlich in Erfahrung bringen, ob diese aben-teuerliche Rechnung tatsächlich aufgehen kann. Ich reise dazu schon einen Tag vor der Eröffnung nach Mainleus, um zusam-men mit Adam Baier die einzelnen Kompo-nenten zu konfigurieren. Gewohnt profes-sionell und zügig baut der Orthopädieme-chanikermeister die Prothese in der klei-nen Werkstatt unter dem mitgebrachten MAS-Schaft auf, sodass wir schon nach kurzer Zeit mit der dynamischen Anprobe im multifunktionellen Seminarraum des neuen Endolite-Zentrums beginnen kön-nen, der dafür mit Treppe und Rampen aus-gestattet ist.

Kreativ und bewegt: Das Endolite-Team bei der Eröffnung in Mainleus

aus HANDICAP 1/2011

HANDICAP 1/2011

Die Programmierung ist dank des praktischen Einstellmoduls am Gelenk schnell erledigt. Nach der Aktivierung wird zunächst der Auslösepunkt für den Übergang von der Schwung- in die Standphase automatisch vom System kalibriert, was bereits nach vier Schritten erfolgt ist. Danach wird der mikroprozessorgesteuerte hydraulische Standphasenwiderstand fürs

Yielding den individuellen Be-dürfnissen und Wünschen des Nutzers entsprechend einge-stellt. Es schließt sich die Adaption der Schwungpha-sensteuerung an: Nach einer Grundkalibrierung geht der Anwender etwa eine Minute lang mit wechselnden Ge-schwindigkeiten, während-

dessen das intelligente System sein Gangmuster kennenlernt und die Schwungphase permanent anpasst und optimiert. Dazu werden die Daten von der Mess-Sensorik im Gelenk erfasst und vom Mikroprozessor in Steuer-signale für die Pneumatik umge-wandelt. Deren Ventile öffnen oder schließen sich je nach Gehgeschwin-digkeit blitzschnell mehr oder weniger und bauen damit einen variablen Widerstand auf, durch den sich der Beugewinkel des Knies erhöht oder reduziert, um den Prothesenfuß immer im richtigen Moment für den näch-sten Auftritt bereitzustellen. Während die intelligente pneumatische Schwungphasensteuerung also über die Knieflexion gebietet, wird die Kniestreckung am Ende der Schwungphase mechanisch und auf hydrau-lischem Wege gedämpft. Mit Hilfe eines 5-mm-Inbusschlüssels kann der gewünschte Extensionswiderstand an der Rückseite des Gelenks feinfüh-lig dosiert werden.

Konfiguration und intelligente Programmierung gehen schnell von der HandDas Orion lernt in der Folge weiterhin dazu, zudem kann die Schwungphasensteuerung für eine Feinabstimmung jeder-zeit auch manuell nachjustiert werden. Für mich jedoch ist schon die automatische Programmierung binnen weniger Minuten so optimal gelaufen, dass ich keine weiteren Ein-stellungen vornehmen muss, um in den Alltag zu starten. Eine intelligente Lösung ist auch das ins Gelenk integrierte Programmiermodul: Mit verschiedenen Druckabläufen auf die zwei mit Plus und Minus bezeichneten Knöpfe können in Verbindung mit farbigen LED-Anzeigen und diversen Abfol-gen von verschieden langen Signaltönen alle Einstellungen

vorgenommen wer-den. Für den Ortho-pädie-Techniker mag die Programmierung ohne echtes optisches Display zunächst ge-wöhnungsbedürftig sein, sie ist in der Bedienungsanleitung aber gut beschrieben und dürfte nach einiger Übung schnell von der Hand gehen. Prothesenträger können über das Einstellmodul jeder-zeit den Ladezustand des Akkus und die einwandfreie Funktion des Systems überprüfen sowie das Gelenk in den Status der letzten Programmierung zurücksetzen. Bei niedrigem Akkustand und Fehlfunktionen werden sie vom Orion zudem akustisch wie optisch gewarnt.Für die optimale Einstellung des Echelon benötigen wir sogar etwas mehr Zeit als für die Programmierung des Orion, denn Ziel des statischen Aufbaus ist es zu-nächst, eine Art Balancepunkt im Mittelfußstand zu erreichen, um den hydraulisch gedämpften Bewe-gungsspielraum des Knöchelgelenks zu definieren. Danach gilt es dann, die Widerstandswerte für die Plantarflexion und die Dorsalextension so anzupas-sen, dass der Prothesenfuß insgesamt rund und har-monisch abrollt. Dank der Expertise von Adam Baier ist auch dieser Arbeitsschritt zügig erledigt, sodass die Prothese nach insgesamt nur einer guten halben Stunde fertig konfiguriert ist und der Eröffnungsfeier wie dem ausgiebigen Praxistest nichts mehr im Wege steht.

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Praktisch: Das Einstellmodul für die Programmierung ist immer an Bord

Expertise: Meister Adam Baier hat die Testkonfiguration unter dem bestehenden MAS-Schaft aufgebaut

Gut platziert und handlich: Ladebuchse und Ladegerät

Leicht und harmonisch Gehen: Mit der Testprothese im Wildpark Poing

Das KniegelenkDas brandneue Orion ist ein einachsiges Kniegelenk, dessen Schwung- und Stand-phase permanent elektronisch geregelt wird. Da die Schwungphasensteuerung auf pneumatischem und die Standphasensiche-rung auf hydraulischem Wege erfolgt, ist es ein sogenanntes Hybridkniegelenk. Beide Steuereinheiten befinden sich in einem von hinten sichtbaren Zylinder, der ins stabile Karbon-Chassis eingebettet ist. Auch die Mess-Sensorik und der Mikroprozessor sind direkt ins Gelenk integriert. Das Orion ist eine Weiterentwicklung des Adaptive-Knies von Endolite, das in Deutsch-land nie in den Verkauf kam. Während das Adaptive noch mit einer Fern-bedienung angesteuert wurde, ist das Einstellmodul beim Orion mit zwei Druckknöpfen für die Programmierung auf der oberen Knieebene integriert

und somit immer an Bord. Die Option, das Orion über einen Bluetooth-Adapter an der Mini-USB-Ladebuchse auch mit dem Notebook einzustellen bzw. auszu-lesen, ist bislang nur den Entwicklern vorbehalten. Neben der einfachen und weitgehend automatisierten Program-mierung der Standphasensicherung sowie der selbstlernenden Schwung-phasensteuerung kann beim Orion der Widerstand der hydraulischen Extensions-dämpfung mit einem Inbus-schlüssel manuell ange-

passt werden. Ein drehbarer proximaler Pyramidenadapter erleichtert dem Orthopädie-Techniker den Prothesenaufbau. Der leistungsfähige Lithium-Ionen-Akku ist fest ins Orion ein-gebaut und hält 48 bis 72 Stunden durch, sollte aber täglich aufgeladen werden, was nur etwa zwei Stunden in Anspruch nimmt. Das handliche Ladegerät mit Mini-USB-Stecker gehört zum Lieferumfang. Das

Orion Kniegelenk hat eine Gesamthöhe von 25 cm, wiegt ca. 1.350 g und ist für oberschenkelamputierte wie knie-exartikulierte Anwender der Mobilitätsgrade 2 und 3 mit einem Gewicht von bis zu 125 kg (Mobi 4: 100 kg und nur nach individueller Absprache) vorgesehen. Der Fachhan-delspreis für Orthopädie-Techniker beträgt 10.999 Euro netto.

Der ProthesenfußDer Echelon ist ein zugleich dynamischer wie besonders adaptiver Prothesenfuß mit einer zweigeteilten Vorfuß-feder und einer Fersenfeder aus Karbon, die mit freiem Spiel untereinander an einem Trägerelement aus Leicht-metall befestigt sind. Darüber ist ein zweiachsiges Knö-chelelement mit hydraulischer Steuereinheit integriert – ein Novum bei mechanischen Prothesenfüßen. Der Echelon ermöglicht so eine Beweglichkeit von 9 Grad im Knöchelgelenk, wovon 6 Grad auf die Plantarflexion und 3 Grad auf die Dorsalextension entfallen. Die dafür gewünschten Widerstandswerte der Hydraulik können mittels zweier Stellschrauben stufenlos und unabhän-gig voneinander justiert werden. Im dynamischen Zusammenspiel mit den Karbonfedern erhöht sich die Plantarflexion beim Fersenauftritt auf bis zu 15 Grad und die Dorsalextension beim Zehenabstoß auf bis zu 25 Grad.Der Echelon eignet sich für die Versorgung von unter- wie oberschenkelamputierten sowie knie- und hüftex-artikulierten Anwendern, kann in den Größen 22-30 cm bestellt und durch die Wahl unter 8 verschiedenen Federstärken individuell konfiguriert werden. Er hat eine Einbauhöhe von 115-125 mm je nach Fußgröße, wiegt ca. 930 g mit bzw. 675 g ohne Fußkosmetik (bei Fußgröße 26 cm) und ist für Anwender der Mobilitäts-grade 2 und 3 mit einem Gewicht von bis zu 125 kg (Mobi 4: 100 kg und nur nach individueller Absprache) vorge-sehen. Der Fachhandelspreis für Orthopädie-Techniker beträgt 3.499 Euro netto inklusive Fußkosmetik und Kosmetikanschlussplatte.

Auf den Palisaden: Das robuste Prothesensystem verträgt eine Kletterpartie im Westernfort

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schlags. Das flüchtige Medium Luft der Pneumatik garantiert ein ermüdungsfreies Durchschwingen des Unterschenkels und bringt genügend Power mit, um die Kniebeugung während der Schwungphase effektiv zu begrenzen. Der Echelon ist ein dynamischer Fuß mit bodenständigen QualitätenErnüchterung macht sich beim ersten Abstecher in den Wald vor allem bei meiner Tochter Charlotte breit, denn offenbar haben andere Besucher die freilau-fenden Bambis schon so gut abgefüttert, dass sie un-ser gekauftes Grünzeug in Tüten schlicht verschmä-hen. Dafür kann ich mich nun auf dem von Wurzelwerk durchzogenen Waldboden in aller Ruhe von den Qua-litäten des Echelon überzeugen. Beim einfedernden Fersenkontakt senkt sich der Karbonfuß sogleich in Richtung Boden ab. Diese hydraulisch kontrollierte Plantarflexion im Knöchelgelenk sorgt gerade auf et-was unebenem Terrain für einen vollflächigen Auftritt und somit für höhere Sicherheit. Da der Echelon den vollen Bodenkontakt förmlich zu suchen scheint, kann man sich mit diesem Fuß sehr gut ausbalancieren und

– unterstützt von der Standphasensicherung des Orion – auch über längere Zeit in leicht abschüssigem oder an-steigendem Gelände entspannt stehen, um den Brunftrufen der Damhirsche zu lau-schen. Die zweigeteilte Vorfußfeder trägt dabei

ihren Teil dazu bei, dass sich der Echelon auch seit-lichen Unebenheiten, etwa beim Tritt auf eine Baum-wurzel, gut anpasst.Im weitern Gangablauf wird die Karbonfeder schon beim Überrollen durch die Bewegungsführung im Knö-chelgelenk vorgespannt, um sich beim Zehenabstoß

Über Stock und Stein: Im Wald ist der Echelon ein adaptiver Begleiter

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Der PraxistestAn einem schönen Frühlingstag haben wir uns den Wildpark Poing in der Nähe von München als anspruchsvolles und weitläufiges Terrain ausge-wählt. In dem 57 Hektar großen Waldgebiet lebt einheimisches Rot-, Dam-, Reh-, Muffel- und Schwarzwild fast wie in freier Wildbahn. Die Tiere sind mit Menschen sehr vertraut und fressen zum Teil sogar aus der Hand. Auf befestigten Schotterwegen wandern die Besucher vorbei an Ponyzuchthof und Zwergziegenfarm, Fischbecken und Feuchtbiotopanlage, an Volieren mit Greifvögeln und Eulen sowie Gehegen mit Füchsen, Luchsen und Wöl-fen. Und natürlich fehlt es auch nicht an abenteuerlichen Spielplätzen, Rutschen und Kletterattraktionen.

Das Orion vereinigt als Hybridkniegelenk das Beste aus zwei Welten Mit dem Orion geht es sich wunderbar leicht und harmonisch, stelle ich schon auf der ersten Promenade fest und lasse das Wolfsrudel zunächst einmal links liegen. Kaum zu glauben, wie elegant und für den Anwender unmerklich die pneumatische Schwungphasenregelung wechselnde Gang-geschwindigkeiten moduliert und auch hohes Tempo mit schneller Schritt-frequenz ohne Verzögerung mitgeht. Das ist überhaupt kein Vergleich zu anderen ebenfalls mikroprozessorgesteuerten Pneumatiken wie zum Bei-spiel der Smart IP von Endolite, die bei schnellem Gehen und abrupten Tempiwechseln spürbar an ihre Grenzen kommt. Mit dem Orion hat man dagegen eher den Eindruck, als sei man mit einer beson-ders leichtgängigen hydrau-lischen Schwungphasen-steuerung unterwegs, was im Hinblick auf die mecha-nische Dämpfung des Ex-tensionsanschlags ja auch tatsächlich stimmt. Denn selbst bei einer fulminanten Streckbewegung des Ge-lenks schwingt der Unter-schenkel sanft bremsend in den progressiven Wider-stand der hydraulischen Ex-tensionsdämpfung hinein, statt wie bei den meisten Pneumatiken hart in den Anschlag zu knallen. Mit dem Orion könnte man so-gar etwas joggen, aber dafür ist das Kniegelenk nicht vorgesehen. Funktionell macht die Konstruktion des Hybridgelenks jedenfalls absolut Sinn, denn beim Orion werden die Vorteile der beiden gängigen Kniesteu-erungsmechanismen in einem modernen mikroprozessorgesteuerten System ausgenutzt: Das zähe Medium Öl der Hydraulik regelt die Stand-phase und dient zugleich auch der effizienten Dämpfung des Streckan-

Gut ausbalanciert: Der Echelon sucht den vollen Bodenkontakt auf unebenem Geläuf

trauensvoll in den Beugewiderstand hineingleiten und so problemlos al-ternierend Treppabgehen kann. Während der insgesamt vierwöchigen Testphase habe ich täglich mehr als 100 Stufen auf diese Weise „yieldend“ bewältigt, ohne dass es jemals zu einer Fehlfunktion oder einem plötz-lichen Durchrutschen des Gelenks gekommen ist, einerlei, wo auf der Trep-pe ich den Prothesenfuß aufgesetzt habe – mit seiner Plantarflexion kommt der Echelon einem sicheren und flächigen Auftritt auch hier entge-gen. Selbst das Bergabgehen an extrem steilen Hängen kann man als be-wegungsgeschulter Anwender mit der zuverlässigen Standphasenkontrol-

le des Orion im Yielding noch ganz gut aussteuern, was ich – natürlich auf ei-gene Gefahr – auf einer veritablen Mar-

terstrecke im Wildpark Poing erprobe. Ist das Gefälle nicht ganz so grim-mig, trägt wiederum der Echelon mit vollem Bodenkontakt zur Sicherheit bei – besonders wichtig etwa auf laubbedecktem und nassem Untergrund, auf dem man beim eher punktuellen Auftritt mit der Ferse konventioneller Prothesenfüße schnell ins Schlittern gerät – und nicht nur in Poing wo-möglich Boing macht.

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dann mit einem deutlich spürbaren Energiestoß zu entladen. Diese hy-draulisch kontrollierte Dorsalextension bewirkt eine Anhebung der Fuß-spitze, kommt dem An-wender vor allem beim Bergaufgehen durch die Verkürzung des Vorfuß-hebels entgegen und löst sich auch während der Schwungphase nicht

auf, sodass man mehr Bodenfreiheit gewinnt und nicht so leicht an Hindernissen hängen bleibt. Insgesamt harmonisiert das hydraulische Knöchelgelenk die Be-wegungskette vom Fersenauftritt bis zum Zehenab-stoß zu einem nahtlosen Ablauf wie aus einem Guss und verbessert die energierückgewinnenden Eigen-schaften der Karbonfedern – der Echelon ist ein kom-fortabler und innovativer Prothesenfuß mit erstaunlich dynamischen Qualitäten.

Mit Sicherheit auf der Treppe und bergab yielden„Papa, ich will jetzt endlich die kleinen Wildschweine sehen!“, ruft meine Tochter und zerrt mich die höl-zerne Treppe zur Aussichtsplattform am Gehege hin-auf. Während Charlotte die Frischlinge zählt, die sich genüsslich im Schlamm suhlen, habe ich Gelegenheit, die Zuverlässigkeit der Standphasensicherung des Orion zu testen. Von der ersten Stufe an ist die mikro-prozessorgesteuerte Hydraulik voll da, sodass ich ver-

Stets zuverlässig: Die mikroprozessorgesteuerte Standphasensicherung macht das alternierende Treppabgehen leicht

Gesundheit & Rehabilitation / Orthopädie-Technik / ProthesentestsMarterstrecke: Selbst extrem steile Hänge lassen sich im Yielding noch ganz gut aussteuern

HANDICAP ist das Informations- und Lifestyle-Magazin für Menschen mit Mobilitäts-einschränkungen, ihre Angehörigen und Freunde. Vier Mal im Jahr berichten wir ausführlich über alle Themen rund um ein aktives und selbstbestimmtes Leben.

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Gunther BelitzLindberghstraße 18

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TestLektüre

HANDICAP 1/2011

Sitzen, Klettern, Knien und PedalierenHöchste Zeit für eine Pause im Biergarten des Wildparks. Selbstverständ-lich erleichtert das Yielding des Orion auch ein physiologisches Platzneh-men auf der Holzbank unter Belastung beider Beine. Da sich die Spitze des Echelon dabei absenkt, kann man den Fuß besser unter den Körper-schwerpunkt bringen, was bei flachem Gestühl wie einer Bierbank beson-ders angenehm ist und später auch das Aufstehen einfacher macht. Und schließlich sieht ein Prothesenfuß mit vollem Bodenkontakt beim Sitzen nicht nur natürlicher aus, sondern behütet bereits angetrunkene Zeitge-nossen, die seinen Weg kreuzen, auch vor einem Sturz über die offene Klinge der aufragenden Fußspitze – der Klassiker im Repertoire der scha-denfreudigsten Geschichten, die sich Amputierte untereinander an ihren Stammtischen erzählen.Frisch und munter geht es jetzt mit Charlotte auf den Spielplatz, wo di-verse Kletterpartien weitere Herausforderungen für Orion und Echelon be-reithalten. Beim Entern der hölzernen Palisaden des Westernforts wirkt das schicke schwarze Karbon-Chassis des Orion, das noch ein wenig an das legendäre Endolite-System vergangener Tage erinnert, nicht nur wie ein perfekt inszenierter Stilbruch, sondern es schützt die sensible Elek-tronik auch gut vor Schlägen und Stößen. Kriechend und krauchend im Getümmel, fällt mir auf, wie gut man sich mit dem Orion hinknien kann. Die aus weich gummiertem Kunststoffmaterial gefertigte Kniekappe ist

dabei ebenso robust wie rutschhemmend. Der Kniebeugewinkel von 130 Grad gereicht zwar nicht der Drahtigkeit eines In-dianers zur Ehre, ist aber allemal alltagstauglich und hindert auch nicht beim Fahrradfahren. Den Drahtesel kann ich trotz einer fürs Yielden relativ stramm eingestellten Standphasensicherung problemlos nutzen, ohne einen Widerstand beim Pedalieren zu verspüren. Und das ist auch gut so, denn das Orion verfügt nur über einen einzigen Betriebsmodus; Ände-rungen der Parameter können also ausschließ-

lich über das Einstellmodul und nicht einfach durch die Auswahl weiterer bereits im System hinterlegter Modi für verschiedene Anwendungskon-texte vorgenommen werden. Die zwei Druckknöpfe des Einstellmoduls auf der oberen Kniefläche sind selbst unter dem Stoff einer rustikalen Jeans gut zugänglich und dürften

auch im Zuge einer geschickten Versorgung mit einer zweigeteilten Kosmetik ebenso wie die dort befind-liche Mini-USB-Ladebuchse erreichbar bleiben. Die Schutzabdeckung der Ladebuchse aus Gummi lässt sich manchmal nicht ganz leicht öffnen, zumindest wenn man große Finger und kurze Nägel wie ich hat; meiner vierjährigen Tochter bereitet das überhaupt keine Mühe.

Kein Gelenk fürs DschungelcampDer fest ins Orion eingebaute Lithium-Ionen-Akku ist so leistungsfähig, dass er bei mir oft erst nach vier Re-daktionstagen mit wenig Auslauf im Büro ans Ende sei-ner Kapazität kommt, dafür aber bereits nach nur zwei Stunden wieder vollständig aufgeladen ist. Wenn der Akku überhaupt keine Energie mehr liefert, schaltet das Orion automatisch in eine sehr hohe Standpha-sensicherung. Man kann so noch ins gebeugte Knie einsinken und vorsichtige Schritte machen; ein schnel-leres und koordiniertes Gehen ist aber nicht mehr möglich. Nach multiplen Warnsignalen kann man im letzten Moment vor dem Exitus noch selbst den Beu-gewiderstand am Einstellmodul modifizieren, um etwa die Zähigkeit der Standphasensicherung zu reduzie-ren, allerdings ist es mir nicht gelungen, diesen Mo-ment auch nur ein Mal zu erwischen, weil ich entweder gerade im Auto saß oder in der Stadt unterwegs war.Ein Gelenk für das Dschungelcamp ist das Orion auch wegen der notwendigen Stromversorgung sicher nicht. Power-User werden bemerken, dass es allerhöchste Gehgeschwindigkeiten nicht mehr so harmonisch zu modulieren vermag wie eine mikroprozessorgeregelte hydraulische Schwungphasensteuerung. Auch der Echelon ist ein Prothesenfuß, der hochaktiven Anwen-

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Pedalritter: Das Fahrradfahren ist mit dem Orion ohne Probleme möglich

Bitte Platz nehmen: Orion und Echelon machen das Hinsetzen und Aufstehen leicht und geschmeidig

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Fazit: Eine Rechnung, die mit Gefühl aufgehtWas mich über alle Qualitäten beim Einsatz in der freien Wild-bahn hinaus im Alltag besonders fasziniert hat: Beim ganz normalen Gehen mit dem Orion und dem Echelon hat man den Eindruck, als greife man direkt mit dem Stumpf und ähnlich wie barfuß mit den natürlichen Zehen in einen moosigen Wald-boden. Propriozeption (Eigenwahrnehmung) nennt sich das in der Fachsprache. Für mich ist es das geradezu raumgreifen-de Gefühl, trotz Amputation nahe am Original zu sein; wahr-lich keine bloße Phantomsensation! Gerade beim langsamen und bedächtigen Gehen gleitet man etwas in die sanfte Stand-phasendämpfung des Orion hinein; der Impuls wird vom Eche-

lon sofort aufgenommen, indem er nach dem Fersenauftritt die Fußspitze zum Boden absenkt, das Abrollen erleichtert und beim Fersenabstoß ei-nen Push gibt – einfach ein geschmeidiger Ablauf. Allein der Eindruck, bei jedem Schritt mit der Prothese gleichsam den natürlichen Fuß zu spüren, ist Exempel genug, um festzustellen, dass die Rechnung „1 + 1 = 3“ tat-sächlich aufgeht, denn dieser Eindruck verdankt sich erst dem Zusammen-spiel von Orion und Echelon und nicht allein der Wirkungsweise der ein-zelnen Komponenten. Das vermag ich ein wenig zu beurteilen, weil ich den Echelon schon einmal in Verbindung mit einem anderen Kniegelenk gete-stet habe (siehe HANDICAP 2/2009) und dieser Effekt des Überschusses damals ausblieb.Orion und Echelon sind auch separat erhältlich und können unabhängig voneinander eingesetzt werden. Völlig zurecht werden Kniegelenk und Pro-thesenfuß von Endolite aber in prästabilierter Harmonie als Bewegungs-system „my.leg“ empfohlen und dem Fachhandel inklusive aller Struktur-teile für den kompletten Prothesenaufbau ab Schaft für 13.999 Euro netto angeboten – ein wegbereitender Preis!Text: Gunther Belitz, Fotos: Miriam Belitz

Auskünfte: endolite Deutschland GmbH, Holzstraße 5, 95336 Mainleus, Tel.: 09229/9737-001, Fax: 09229/9737-006, E-Mail: [email protected], Internet: www.endolite.de

dern in punkto Dynamik, Energierückgewinnung und Stoßdämpfung gewisse Grenzen setzt. Erfahrene Nut-zer könnten am Orion die Einstellungen für Schwung-phasensteuerung und Standphasensicherung zwar selbst nach Bedarf ändern, aber der Hersteller ver-merkt in der Gebrauchsanweisung, dass dies aus-schließlich zertifiziertem Fachpersonal vorbehalten sein soll. Auch aus diesem Grunde wäre die Option, verschiedene Modi für spezielle Einsatzszenarien zur Verfügung zu stellen, die sich schnell und sicher – idealerweise via Handy- oder Smartphone-App – auf-

rufen lassen, für versierte Anwender ein Wunsch an die Entwickler der nächsten Ge-neration des Orion. Für ei-nen breiten Anwenderkreis

von beinamputierten Menschen mit mittlerer bis hö-herer Aktivität können das Orion und der Echelon aber jetzt schon überzeugende Wegbereiter für mehr Le-bensqualität und einen unbeschwerten Alltag sein: Programmieren lassen, einfach losgehen und sich – abgesehen vom regelmäßigen Laden des Akkus – um nichts mehr kümmern!

Trittbrettfahrerin: Das Orion als Stufe für den ganz persön-lichen Aufstieg; der Echelon als Motor für den Fortschritt

Eine Rechnung, die aufgeht: 1 + 1 = 3!

Klappern gehört zum Handwerk: Ob sich dieses Traumpaar bereits für das Bewegungssystem my.leg entschieden hat, ist nicht bekannt

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endolite • Holzstraße 5 • 95336 Mainleus • Fon +49 (0)9229 9737-001 • Fax +49 (0)9229 [email protected] • www.endolite.de

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