Passivhaus NACHHALTIGE Zukunft WFeist Ed2010

Embed Size (px)

Citation preview

  • 8/9/2019 Passivhaus NACHHALTIGE Zukunft WFeist Ed2010

    1/9

    Mit dem Passivhaus in eine nachhaltige ZukunftDr. Wolfgang Feist, Passivhaus Institut, Rheinstr. 44/46, 64283 Darmstadt

    Beitrag auf der 6. Passivhaustagung in Basel 2002(mit Funoten von 2010 )

    Nachhaltigkeitber Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren viel geschrieben worden. Im Kern geht es umeine rumliche wie zeitliche Horizonterweiterung fr den kategorischen Imperativ ImmanuelKants:

    Handle so, da die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten knnte.

    Wenden wir dies auf die Welt von heute und insbesondere auf die unserer Kinder undKindeskinder an, so ist Nachhaltigkeit die Konsequenz: Voraussichtlich 10 bis 12 MilliardenMenschen werden diesen Planeten schon zur Mitte des 21. Jhds. bewohnen; wenn wirerfolgreich sind mit einer Politik der Nachhaltigkeit, so werden es spter auch nichtwesentlich mehr werden.1 Lebensraum im engeren und im bertragenen Sinn bietet die Erdeohne weiteres fr diese groe Zahl von Menschen. Auch Nahrung, Kleidung und das Dachber dem Kopf mssen im Grundsatz kein Problem darstellen, auch wenn sie das in derGeschichte und bis heute immer wieder waren.2 Lebenswert empfinden wir das Daseinregelmig aber erst dann, wenn die Segnungen des tglichen Lebens ber dieunverzichtbaren Grundbedrfnisse hinausgehen. Das als Segen empfundene Erleben kanndabei sehr unterschiedlicher Natur sein; nicht allein der materielle Wohlstand machtglcklich, auch wenn dies das berwiegende Glaubensbekenntnis in unserer vom Kapital-umsatz geprgten Zeit ist. Ganz entscheidend ist dabei, da den Menschen ihr jeweilsureigenster Weg zum Glck selbst berlassen bleibt; nichts ruft grere Widerstnde hervor,als die Fremdbestimmung. Die Grenzen der Entfaltung fr das eigene Glck liegen allein imRespekt vor dem gleichen Recht des anderen mglicherweise erst knftig geborenen Menschen.

    Wie wir von glubigen Christen, Moslems oder Buddhisten erwarten, da sie die Rechte derAndersglubigen (und auch der Unglubigen!) respektieren, so erwarten wir auch vomwohlstandsglubigen Materialisten, da er die Rechte anderer bercksichtigt insbesonderedie der knftigen Generationen, die sich gleichfalls einen bescheidenen materiellenWohnstand sollten leisten knnen. Schon sind wir bei einer operationalisierbaren Definitionfr den Begriff der Nachhaltigkeit:Nachhaltiges Wirtschaften kann dauerhaft in der Zukunft fortgesetzt werden, ohne da bedeutende Nachteile fr Mitwelt, Umwelt und Nachwelt entstehen.

    1 WF 2010: Die Bevlkerungspolitik war berall dort erfolgreich, wo auf Bildung und die Beteiligungder Menschen gesetzt wurde. Das Bevlkerungsproblem als globales Problem existiert heute nichtmehr es gibt allerdings noch Regionen, in denen durch Korruption, ideologische Fehlleitung undAusbeutung regionale Probleme fortbestehen.2 WF 2010: Eine andere Sicht ist teilweise noch verbreitet. Sie entbehrt aber fundierter Grundlagen.Der Planet knnte auch 12 Mrd Menschen ernhern, wenn er umsichtig, nachhaltig und natrlich mitangepasster Technologie bewirtschaftet wird und mehr als 10 Mrd mssen es nicht werden, wennes mit Vernunft weiter geht.

  • 8/9/2019 Passivhaus NACHHALTIGE Zukunft WFeist Ed2010

    2/9

    Wir knnen nicht leugnen, da unser derzeit praktiziertes Wirtschaften ziemlich weit vonNachhaltigkeit entfernt ist. Im Kurzschlu gedacht knnte man es daher als nicht mit demKantschen Imperativ vereinbar ansehen: Wir wrden dann permanent unmoralisch handeln,ein Vorwurf, wie er von den Pionieren der Humankologie immer wieder erhoben wurde.Nach dieser Auffassung mten wir schnellstmglich das Bergewand anziehen, Abbitteleisten und umkehren; eine Auffassung, die nicht so neu ist, wie sie zunchst erscheint. DemAufruf zur Askese sind historisch immer wieder Menschen gefolgt; ebenso krftig aber ist derWiderstand gegen die Begrenzung und das Aufbegehren gegen die Prediger derEnthaltsamkeit.

    Das moralisch Verwerfliche an der Lebensform des materiell geprgten Wohlstandes vermagich nicht zu erkennen: Worauf es ankommt, das sind die Perspektive fr die Nachhaltigkeitund die Toleranz anderen Lebenszielen gegenber.

    Am Beispiel Energie lassen sich Problem und Perspektive besonders gut heraus arbeiten.Oft kommt an dieser Stelle der Vorwurf, hier handle es sich umeine allein auf einen kleinen

    Teilaspekt verengte Weltsicht : immer nur Energie. Ich werde zeigen, da es sich hier nichtum die Scheuklappen eines Spezialisten handelt, sondern tatschlich um das entscheidendeGrundproblem: Das wird im brigen insbesondere von der konventionellen Energiewirtschaftso gesehen und ist von dort her bedeutende Triebkraft fr die gesamte Politik, ja fr Kriegoder Frieden in der Welt3. Selbst wenn die Bedeutung der Energieversorgung so hoch nichtwre, gewnne sie diese Bedeutung allein dadurch, da die Mchtigen der Welt sie ihrzuschreiben. Sie tun dies nicht ohne Grund, wie die Spannungen und Proteste zeigen, die jeder kleinen Bewegung zu hheren Benzinpreisen folgen.

    Energie: das entscheidende GrundproblemDie technische Zivilisation beruht in ihren Grundfesten auf dem aktiven Einsatz von Energie.Das ist bei der Verwurzelung der modernen Wirtschaft in der industriellen Revolution keinWunder, begrndet sich jedoch viel grundstzlicher im Vernderungspotential, das diephysikalische Gre Energie beinhaltet. Ich habe diesen Zusammenhang in meinemSchlubeitrag zur 5. Passivhaus-Tagung bereits erklrt: Der Energieoperator(Hamiltonoperator) formuliert das Gesetz der zeitlichen Entwicklung; mit viel verfgbarerEnergie kann aktiv zu jeder Zeit und an jedem Ort nahezu jedes denkbare(und physikalisch mgliche 4 ) Ereignis erzwungen werden. Damit wird Energie tatschlich zur Schlsselgrefr die Zukunftsentwicklung und sie ist auch (ebenso trivial wie offensichtlich) der

    entscheidende Schlssel zur Macht. Dies mag man bewerten wie man will an der Kraft desFaktischen geht hier kein Weg vorbei.

    Ein Problem resultiert hieraus vor allem dann, wenn die Verfgbarkeit von Energie knftigaus dem einen oder anderen Grund begrenzt ist. Nach allem, was wir heute wissen, mssenwir genau davon ausgehen. Genau genommen ist nicht die Verfgbarkeit der technischgewinnbaren Energie begrenzt (jedenfalls nicht in relevanten Zeitrumen), sondern die von

    3 WF2010: Ein aktuelles Beispiel ist die Rede von Bill Gates in TED2010 berEnergie. Einfundamentaler Irrtum dort ist, dass es nicht auf exakt Null gehen muss. 10% sind praktisch Null in

    Hinsicht auf Nachhaltigkeit. Das ndert das ganze Bild nichts desto weniger, die Wchtigkeit desEnergieproblems wird deutlich.4 Korrektur WF2010

    http://www.youtube.com/watch?v=JaF-fq2Zn7I&feature=relatedhttp://www.youtube.com/watch?v=JaF-fq2Zn7I&feature=related
  • 8/9/2019 Passivhaus NACHHALTIGE Zukunft WFeist Ed2010

    3/9

    einigermaen kostengnstig gewinnbarer Energie5. Hier waren und sind wir durch die leichthebbaren, leicht verarbeitbaren und ebenso leicht speicherbaren fossilen Energietrgerverwhnt. So einfach, billig und in kurzfristig nahezu beliebigen Mengen verfgbar wie l,Erdgas oder Kohle wird keiner der knftig zu verwendenden Energietrger mehr sein vlligunabhngig davon, ob wir das Heil knftig bei lsnden, Kernfusion oder Sonnenenergiesuchen. Nachhaltig ist die extensive Verwendung der fossilen Energietrger aber sichernicht. Es mu also eine Lsung fr die Zeit danach gefunden werden, und diese Lsungmu noch in diesem Jahrhundert greifen.

    Die konventionellen Energie-SzenarienSehr gut illustrieren lt sich die Problematik, wenn man von den konventionellen Energie-Szenarien ausgeht. Eine aktuelle Publikation hierzu ist der IEA-Welt-Energie-Ausblick [IEA2001]. Die Basisargumentation dieser Arbeit ist folgende:

    Um die Ungerechtigkeiten in der Welt zumindest nicht zu verschrft auftreten zulassen, ist ein wirtschaftliches Wachstum weltweit unverzichtbar.

    Nach den Analysen der Zusammenhnge zwischen Bruttoinlandsprodukt undEnergiebedarf ist damit ein Wachstum des Energiebedarfs vorgezeichnet.

    Voraussetzung dafr ist die Verfgbarkeit von ausreichend kostengnstigenPrimrenergietrgern. Diese Voraussetzung ist allerdings in den nchsten 20Jahren problemlos (?) erfllt.

    Bisher eingeleitete Manahmen der IEA-Mitgliedslnder zur Bereitstellung von erneuerbarenEnergietrgern und zur rationellen Energienutzung werden in das Szenario bernommen;diese Manahmen haben allerdings keinen grundstzlichen Einflu auf das Ergebnis.Im Ergebnis fhrt das Referenzszenario auf eine Zunahme des Welt-Primrenergiebedarfsbis 2020 um ca. 50%.6

    Die zustzlich gegenber heute bentigte Energie mu vor allem aus Erdl und aus Quellenim Nahen Osten gewonnen werden.

    Keine Frage, das diese Prognose keine Begeisterung auslst. Die Botschaft lautet eindeutig:Wenn die Gemeinschaft es so nicht will, dann bedarf es eines grundstzlich verndertenHandelns.

    Die Argumentation erscheint im Grundsatz korrekt. Vielleicht wird das wirtschaftlicheWachstum zu optimistisch eingeschtzt und die bisherigen Anstze zur besseren Effizienzetwas zu pessimistisch. Ein vom Passivhaus Institut entsprechend modifiziertes

    5 Umstritten ist nur der Zeitraum, bis zu dem dies relevant wird. Whren Peak-Oil-Vertreter diesenteilweise schon als gekommen ansehen, gibt uns die IEA noch 10 bis 20 Jahre ernst zu nehmendewissenschaftlich fundierte Szenarien vielleicht noch 50 Jahre. Das sind aber alles extrem kurzeZeitrume mit Nachhaltigkeit haben sie alle nichts mehr zu tun.6 WF 2010: Die Prognose der IEA fr das Referenzszenario hat sich seither nicht entscheidendgendert und die reale Entwicklung verluft erschreckend nahe an dieser Prognose. Allerdings hatdie IEA nun selbst genau dies sehr klar erkannt und herausgearbeitet: Dieser Pfad ist nicht nachhaltig! Wir mssen und knnen ihn ndern und die IEA empfiehlt uns heute Alternativen, diedenen aus diesem Referat sehr nahe kommen.

  • 8/9/2019 Passivhaus NACHHALTIGE Zukunft WFeist Ed2010

    4/9

    Trendszenario liefert dann nur noch 25% mehr Primrenergiebedarf; das Grundproblembleibt!

    Welche Alternativen gibt es? Der IEA-Welt-Energie-Ausblick behandelt durchaus Szenarienfr hhere Effizienz und fr einen anderen Modalsplit beim Verkehr. Dennoch zielt diekonventionelle Strategie auf einen Ausbau der Kernenergie und auf die militrischeSicherung der lversorgung.(vgl. die letzte Anmerkung)

    Wir sollten uns darber im klaren sein, da der von starken Krften in der Wirtschaft unddamit verbundenen starken Krften in der Politik geforderte Weg eine Reihe vonKonsequenzen hat:

    Dieser Weg wird fr die Volkswirtschaften teuer; zwar werden die Kosten sich nichtunmittelbar im Energiepreis niederschlagen, sondern vor allem in Staatsausgaben7: Solchenfr militrische Sicherung nach auen und solchen fr die innere Sicherheit. Argumentierenwird man hier mit Sachzwngen, die diese Ausgaben ohnehin unverzichtbar machen. Eineim folgenden beschriebene Politik der nachhaltigen Entwicklung kann jedoch dasgegenseitige Vertrauen weltweit strken und damit die Ausgaben fr die unverzichtbareSicherheitspolitik begrenzen.8

    Allein die erforderliche Energieversorgungstruktur macht erhebliche Anstrengungen in derSicherheitspolitik erforderlich. Die Notwendigkeit, vor allem auf Vorrte im Nahen Ostenzurckgreifen zu mssen, schafft ein permanentes Konfliktpotential: Nicht nur mit denFrderlndern in der Region, sondern auch mit den weltweit erstarkenden Konkurrenten umdie Rohstoffnutzung.

    Die Ziele einer umfassenden Reduktion der CO2-Emissionen kann man unter diesenUmstnden vergessen. Da dies die vorherrschende berzeugung bei den fhrenden

    Industrievertretern und in der mageblichen politischen Fhrung ist, wundert es auch nicht,da sich bedeutende Krfte einer Ratifizierung des Kyoto-Protokolls entgegenstellen.9

    Die prognostizierte Entwicklung wird sich im brigen bei freiem Lauf der Marktkrfteletztendlich doch nicht ergeben, wie es sich die neoliberalen Theoretiker vorstellen: Nichtbedacht sind dabei die marktfremden Konfliktherde, derer es weltweit genug gibt und die sichgerade unter diesen Umstnden immer wieder entwicklungshemmend entznden werden.Insbesondere im Anschlu an die Zeitperspektive des Szenarios werden auf demprognostizierten hohen Energieverbrauchsniveau die Verteilungskmpfe gewaltig zunehmen.Dabei hilft es auch nichts, auf der ganzen Welt gefllige Regierungen einzusetzen, wenn dasProblem einer ausreichenden Versorgung fr alle nicht gelst wird.

    Die berzeugungskraft des Sachzwangs liegt darin, da es keine realistischen Alternativengibt. Gibt es sie wirklich nicht im Bereich der Energieversorgung?

    7 WF2010: Ein aktuelles Zeichen dafr: Entwrfe des Jahres 2010 des US-Senates fr ein EnergyBill sehen ffentliche Subventionen fr Kernkraftwerke vor. Hier wrde der Steuerzahler fr denKonsum von Energie aufkommen, die unter Marktpreisen angeboten wird.8 WF2010: Leider hat sich diese Einschtzung schon ab 2003 bewahrheitet und es hat lang gedauert,bis die Einsicht berwog, dass die aggressive Strategie nicht erfolgreich war.

    9 WF2010: Auch diese dunkle Einschtzung hat sich mit dem gescheiteren Klimagipfel inKopenhagen leider aktuell bewahrheitet. Allerdings: Es gibt dennoch Chancen, und auf diese kommtder Artikel zu sprechen.

  • 8/9/2019 Passivhaus NACHHALTIGE Zukunft WFeist Ed2010

    5/9

    Meine Damen und Herren, wir wissen inzwischen, da es sie gibt. Sie haben in groem Madazu beigetragen, diesen Ansatz in die Praxis umzusetzen und fr jedermann begreifbar underreichbar zu machen.

    Effiziente Energienutzung: der entscheidendeLsungsbeitragEbenso wichtig wie die Tatsache, da in der Energieversorgung das entscheidende Problemfr eine nachhaltige Zukunft liegt, ist die Erkenntnis, da die Effizienz der Energieanwendungnahezu beliebig gesteigert werden kann. Folgende Beispiele heute verfgbarerhocheffizienter Technik zeigen dies fr das gesamte Anwendungsspektrum:

    Heizenergieverbrauch (30% des Gesamtverbrauchs)Passivhaus mit einem Reduktionspotential von ber 90%

    Verkehrsdienstleistung (30% des Gesamtverbrauchs)2-Liter-Auto mit einem Reduktionspotential von ber 70%

    Industrielle GrundstoffproduktionRecyclingkreislufe und Materialeinsatzoptimierung mit Potentialen ber 70%

    Das Passivhaus ist in der Gesamtentwicklung dabei am meisten fortgeschritten.Passivhuser gibt es inzwischen in groer Zahl10 die Erfahrungen aus der Praxis sinddabei so gut, da das Konzept von selbst berzeugt:

    Gerade die Verbesserung der Behaglichkeit wird von den Bewohnern besonderswahrgenommen und ausgesprochen. Effiziente Energienutzung erweist sich mit dem

    Passivhaus als Weg zu mehr Wohlstand und hherem Komfort. Planer, Bautrger und Bauschaffende dokumentieren ihre Erfahrungen mit dem Bau

    von Passivhusern. Die Branche erkennt, da hhere Qualitt vielleicht etwas mehrAnstrengung am Anfang, aber bedeutende Erleichterung in der Folge bedeutet. DasPassivhaus fhrt nicht nur zu hherer Energieeffizienz, sondern auch zu insgesamthherer Bauqualitt.

    Die Entwicklung energetisch hocheffizienter Produkte kann dank der heuteverfgbaren Hard- und Software auch von kleinen und mittleren Betrieben ohneweiteres voran gebracht werden. Die Passivhaus geeigneten Produkte fr Fenster,

    Wand und Lftung zeigen dies. Hier liegt ein Wachstumsmarkt vor, der Auftrieb frdie gesamte Baubranche bringen kann.

    Ein vielfach vorgebrachtes Argument gegen die Wirksamkeit der effizienten Energienutzungzur Lsung des Energieproblems kann leicht entkrftet werden:

    - Effizienzverbesserungen gab es historisch schon immer; sie sind in den Szenarienlngst bercksichtigt. Das notwendige und real eintretende Wachstum hat dieEffizienzverbesserung bisher immer mehr als aufgebraucht und das wird auch knftigso bleiben.

    10 WF2010: Und im Jahr 2010 in noch weit grerer, etwa 20.000; weltweit gibt es inzwischenrealisierte Projekte. DieInternational Passive House Associationuntersttzt dies.

    http://www.passivehouse-international.org/index.php?lang=dehttp://www.passivehouse-international.org/index.php?lang=de
  • 8/9/2019 Passivhaus NACHHALTIGE Zukunft WFeist Ed2010

    6/9

    Die historische Analyse ist fast korrekt; es ergibt sich nach ihr jedoch kein exponentielles Wachstum des Energieverbrauchs, sondern ein lineares. Das schwcht die Gewalt der zu erwartenden Trendentwicklung etwas ab, lst das Problem aber im Grundsatz nicht. Ohne Zweifel mu in Bezug auf die effiziente Energienutzung knftig erheblich mehr geschehen, als nach dem derzeitigen Trend:

    Von selbst wird sich das Effizienzszenario nicht einstellen. Hierzu bedarf es konomischer und politischer Anstrengungen. Die Grundlagen dafr sind vorhanden: Mit bis 1990 verfgbarer und konomisch vertretbare Technik war der Energieverbrauch im Bereich der Raumwrme um etwa 50% reduzierbar. Mit den heute technisch und konomisch verfgbaren Passivhaustechniken lt sich der Verbrauch um mehr als 90% reduzieren: Hier handelt es sich um eine ganz andere Dimension fr den Lsungsbeitrag. In diesem Ausma (Faktor 10!) kann die nachgefragte Dienstleistung (beheizte Wohnflche) in realistischen Zeitrumen gar nicht anwachsen.

    Somit: Es gibt heute eine reale Chance, mit der Einfhrung von ganz erheblich verbesserter Energieeffizienz den Zuwachs an nachgefragten Dienstleistungen zu berholen. Dies allerdings mu man wollen, es wird sich nicht passiv einstellen.

    - Effizienzverbesserungen mgen in den Industrielndern einen Beitrag leisten. DerMehrverbrauch entsteht allerdings knftig vor allem bei den sich entwickelndenLndern, und diese haben einen bedeutenden Nachholbedarf beimEnergieverbrauch.

    Der Energieverbrauch der Industrielnder dominiert bisher die weltweite Nachfrage bei weitem 11 : Einen Beitrag zur hheren Effizienz in den Industrielndern darf man daher nicht herunterspielen. Im zweiten Teil der Behauptung wird mit der unkorrekten

    Gleichsetzung von Energieverbrauch und Wohlstandsentwicklung durch Energie- dienstleistungen gearbeitet. Hocheffizienztechnik kann selbstverstndlich auch in den sich entwickelnden Lndern eine bedeutende Rolle spielen: Warum sollte man dort nicht von vorn herein nachhaltige Strukturen aufbauen, wo wir diese bei uns erst mhsam aus den vorhandenen Altbestnden herausentwickeln mssen?

    - Die erheblich verbesserte Energieeffizienz erfordert wirtschaftliche und politischeAnstrengungen. Das ist ein Eingriff in das freie Spiel der wirtschaftlichen Krfte unddamit eine Strung des Marktgeschehens. Solche dirigistischen Manahmen habenin der Geschichte noch nie zu Lsungen gefhrt.

    Die konventionelle Energiepolitik greift in hohem Ausma mit staatlichen Instrumenten in das freie Spiel der Krfte ein: Nach wie vor verschlingen die Kohlesubventionen und die Kernenergieforschung jeweils allein mehr ffentliche Mittel als alle Manahmen zur Energieeffizienz zusammen. 12 Da dies nicht zu Lsungen fhrt, ist offensichtlich. Die Politik sollte endlich den Mut aufbringen, die mit Intelligenz und Arbeit erzielbaren Beitrge zur Energieeffizienz in mindestens

    11 WF2010: Das ist auch noch 2010 so; es ist daher etwas scheinheilig, wenn wir fr die Lsung aufChina und Indien verweisen.

    12 WF2010: Auch das hat sich bisher nur wenig gendert die Forschungspolitik blieb aufKernenergie und Kohle fixiert. Die Effizienzforschung muss nach wie vor selbst um Kleinstbetrgebetteln, um wenigsten Messgerte und einfachste Laborausstattungen betreiben zu knnen.

  • 8/9/2019 Passivhaus NACHHALTIGE Zukunft WFeist Ed2010

    7/9

    gleichem Umfang zu frdern wie die nukleare Entsorgungstechnik. Heute wird der grte Teil des Steueraufkommens dem Faktor Arbeit angelastet: Auch dies ein Eingriff des Staates, der konomische Randbedingungen verndert. Einigkeit wird zumindest darin betont, da die Staatsquote insgesamt fallen soll. Der Vorschlag,Umzusteuern, das Steueraufkommen vom Faktor Arbeit zunehmend auf nicht

    erneuerbaren Rohstoffkonsum zu verlagern, wird jedoch fiskaltheoretisch mit dem Argument abgelehnt, da solche Steuern im Erfolgsfall rcklufig wren im Sinne des erstrebten Rckgangs der Staatsquote doch geradezu erwnscht. Fazit: Man sollte nicht so tun, als ob ausgerechnet bei einer die Effizienz der Energieverwendung frdernden Politik der heilige Gral der Marktwirtschaft verletzt wrde. Ganz im Gegenteil: Marktwirtschaftliche Strukturen werden gerade durch eine solche Politik gestrkt, denn es sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die hier bedeutende Beitrge geleistet haben und knftig weiter leisten werden 13 . Effiziente Energieanwendung ist eine Chance fr die Marktwirtschaft; eine entsprechende Entwicklung setzt allerdings voraus, da innovative und hocheffiziente Lsungen

    nicht von der Marktmacht einiger weniger Unternehmensriesen erstickt werden.Insbesondere erfolgt dies durch das Dumpingangebot an billiger Energie, das in keiner Weise die langfristigen Grenzkosten dieses entscheidenden Gutes widerspiegelt. Strukturen die heute unter diesen inkorrekten Randbedingungen mit schlechter Effizienz geschaffen werden, lassen sich knftig nicht auf die Schnelle und nicht mit geringem Aufwand sanieren. Wenn also knftig die Energiepreise auf ein die langfristigen Grenzkosten abbildendes Ma ansteigen werden, wird der strukturbedingte Verbrauch auf hohem Niveau zunchst einmal vorhanden sein; dann lt er sich rasch nur durch Wohlstandseinbuen reduzieren. Will man dies vermeiden, so mu heute mit einer konsequenten auf Nachhaltigkeit abgestellten

    Sanierungspolitik begonnen werden. Dann lassen sich bereits heute beginnend alle Modernisierungsmanahmen im ohnehin ablaufenden Erneuerungszyklus fr Effizienzverbesserungen nutzen. Da dies ausreicht, um das Problem zu lsen, habe ich bereits in meinem Beitrag zur 3. Passivhaus-Tagung in Bregenz dargestellt. 14

    Der Erfolg kann sich sehen lassenNicht auf die geforderten Beitrge der anderen, insbesondere der Politik, warten,sondern selbst etwas tun

    Im Vergleich zu den Zig-Milliarden-Subventionen in die Entwicklung der Kernenergie oder dieanhaltenden Kohlesubventionen war der bisherige Beitrag des Staates zur Entwicklung dereffizienten Energienutzung bescheiden. Die wenigen Forschungsmittel, die es hierfr bishergab, haben aber Bedeutendes erreicht: Der Deckungsbeitrag, der durch Effizienztechnikschon heute geleistet wird, ist hher als der Kernenergiebeitrag: Bei unvernderter Effizienz

    13 WF2010: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bilden schon heute die gesunde Basis unsererWirtschaft. Es gibt dadurch regelmig viele Wettbewerber, das ist eine der Grundvoraussetzungenfr einen funktionierenden Markt. Zudem ist bei solchen Unternehmen die Weitsicht in der Regelausgeprgt, insbesondere, wenn Familieneigentum die Basis bildet und daher lngerfristig gedachtwerden muss. Technologien, deren Entwicklung in KMUs verantwortlich geleistet werden knnen,

    stellen schon von daher sowohl eine Chance fr Nachhaltigkeit als auch fr wirtschaftliche Stabilittdar.14 WF 2010:Energie, Wohlstand, Lebensqualitt, 3. Passivhaustagung, Bregenz 1999

    http://www.scribd.com/doc/24529383/energieeffizienz-wohlstand-lebensqualitaet-2009-2nd-feisthttp://www.scribd.com/doc/24529383/energieeffizienz-wohlstand-lebensqualitaet-2009-2nd-feist
  • 8/9/2019 Passivhaus NACHHALTIGE Zukunft WFeist Ed2010

    8/9

    (Basisjahr 1980) wre der Energieverbrauch in Deutschland heute um 25% hher, als ertatschlich ist. Das bedeutet, da der Effizienzbeitrag bereits in den letzten 20 Jahrenausgereicht hat, um den Zuwachs an Nachfrage nach Energiedienstleistungen aufzufangen.Das ist um so erstaunlicher, als noch 1980 Potentiale dieser Grenordnung vollstndig inFrage gestellt worden waren. Trotz erheblicher Hindernisse, fortdauernder Subventionierungdes Energieverbrauchs und nur bescheidener politischer Anstrengungen zur Untersttzungder effizienten Energienutzung ist es gelungen, den Energieeffizienzbeitrag zumzweitgrten Einzelposten nach dem Minerall auszubauen.

    Nun sollte man nicht so tun, als seien die Versorgungsoptionen (Kohle, Minerall,Kernenergie, Regenerative und Energieeffizienz) alle gleichwertig und als knne man esdaher getrost dem freien Spiel der Krfte berlassen, welcher Beitrag sich am Markt ambesten durchsetzt. Unbestritten hat die Energieeffizienz gegenber allen anderenVersorgungsoptionen ausschlielich Vorteile:

    Energieeffizienz ist zu 100% nachhaltig. Einmal durch die Anwendungsstruktur

    eingesparte Energie erzeugt auf Dauer keine kologische Belastung mehr.Energieeffizienz erschpft sich nicht; jeder kann sie jederzeit in Anspruch nehmen. Energieeffizienz kann berall eingesetzt werden. Sie ist nicht an bestimmte

    Versorgungsstrukturen gebunden. berall, wo Systeme zur Energieanwendungeingesetzt werden, lt sich die Effizienz verbessern: Entweder von Anfang an oderdurch nachtrgliche Modernisierung.

    Die Techniken zur Energieeffizienzverbesserung durchziehen die gesamteVolkswirtschaft. Innovationen in diesem Bereich knnen ein bergreifender Motor frdas Wachstum sein.

    Energieeffizienztechniken entspringen einer Inlandswertschpfung. Sie erfordern vorallem den Einsatz der Faktoren Wissen und Arbeit. Angesichts lahmender Wirtschaftund ansteigender Arbeitslosigkeit eine uerst wichtige Perspektive.

    Energieeffizienztechniken sind frei von zustzlichen Gefahrenpotentialen. Ganz imGegenteil, jede Modernisierung eines Energieanwendungssystems kann zeitgleichzur Verbesserung der Sicherheit durch Anpassung an den Stand der Technik genutztwerden.

    Energieeffizienztechniken sind schon heute kostengnstig im Vergleich zur knftigenkonventionellen Energieversorgung. Je selbstverstndlicher diese Techniken knftig

    in das Marktgeschehen integriert werden, um so deutlicher wird sich derkonomische Vorteil erweisen.

    Billiger als Effizienztechniken sind heute u.U. fossile Energietrger. Da diese nichtdauerhaft den Grundstock der Versorgung bilden knnen, ist seit langem klar. In gewissemAusma gelten die oben genannten Vorteile auch fr andere Optionen, die hauptschlich aufInlandswertschpfung setzen:

    Fr die Kernenergie kann Freiheit von Gefahrenpotentialen allerdings kaum inAnspruch genommen werden. Auch sind die kologischen Auswirkungen nichtvernachlssigbar. Wie kostengnstig Kernenergie Minerall im Verkehr oder bei derGebudeheizung substituieren kann, bleibt ungeklrt.

    Regenerative Energiegewinnung ist in ihrem Energieangebot zeitlich wie rumlichbegrenzt und derzeit (bis auf unbedeutende Ausnahmen) sprbar teurer als

  • 8/9/2019 Passivhaus NACHHALTIGE Zukunft WFeist Ed2010

    9/9

    konventionelle Energie. Auch sind die Umweltauswirkungen nicht immervernachlssigbar, vor allem dann nicht, wenn grere Versorgungsbeitrge erwartetwerden.

    Um nicht miverstanden zu werden: Nichts spricht gegen einen umweltvertrglichweitgehenden Ausbau der regenerativen Energieerzeugung. Effiziente Energienutzung underneuerbare Energieversorgung ergnzen sich sehr gut, wie zahlreiche Beispiele in diesemTagungsband zeigen. Ohne eine sehr weitgehende Verbesserung der Energieeffizienzallerdings wird der Beitrag der erneuerbaren Energietrger immer geringfgig bleiben, ebenadditiv, wie es die Versorgungswirtschaft ausdrckt. Staatliche Programme subventionierenderzeit erneuerbare Energiesysteme auch dann, wenn die Energiegestehungskosten 10 oder20, ja sogar 50 Cent bersteigen. Gegen diese Anschubfrderung fr zukunftsweisendeTechnologien ist nichts einzuwenden. Jedoch die effiziente Energienutzung mit einem weitbedeutenderen Potential, ihrer hohen Innovationskraft fr die gesamte Volkswirtschaft undihrem deutlich niedrigeren Gestehungspreis htte eine gleichwertige Frderung ebensoverdient.15

    Wir sollten nicht mde werden, den Beitrag der Politik einzufordern. Der Weg derEnergieeffizienz mu aber auch dann erfolgreich sein, wenn die Politik sich verschliet. Dievergangenen 20 Jahre zeigen, da die Initiative von Umweltverbnden, Wissenschaft,Wirtschaft und engagierter Einzelner hier etwas bewegen kann. Mit der Umsetzung derEnergieeffizienz stehen wir erst ganz am Anfang. Die realisierten Beispiele zeigen, da esein enormes Potential zu erschlieen gilt. Warten wir nicht auf die Beitrge der anderen,fahren wir fort, unsere eigenen Beitrge zu leisten. Dann werden wir auch dem aktiven Teildes kategorischen Imperativs gerecht:

    Handle so, da die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer

    allgemeinen Gesetzgebung gelten knnte.

    Literatur

    [IEA 2001] Internationale Energie Agentur: World Energy Outlook; IEA-Press, 1. edition, Oct.2001

    Empfohlen zum weiterlesen: Passipedia (deutsche Seite)Or: Passipedia (English pages)

    15 WF2010: Es scheint hier immer noch ein Verstndnisproblem zu geben: Irgendwie scheint dieVorstellung, dass weniger Energieverbrauch nur durch Verzicht erreichbar wre, sehr tief verankert:Immer noch wird das Effizienzpotential sehr stark unterschtzt. Umso wichtiger ist es, die praktischenErfolge zu kommunizieren. Wie es z.B. derPassivhaus Architekturpreismacht.

    http://passipedia.passiv.de/passipedia_de/http://passipedia.passiv.de/passipedia_en/http://j.mp/Architekturpreishttp://j.mp/Architekturpreishttp://passipedia.passiv.de/passipedia_en/http://passipedia.passiv.de/passipedia_de/