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puk-Dossier VERWERTUNGSGESELLSCHAFTEN Verwertungsgesellschaften – unverzichtbar für die kulturelle Vielfalt Von Olaf Zimmermann Blick in einen der ersten Computer: komplizierte Verdrahtung. Foto: Stefanie Ernst politik & kultur Die Verwertungsgesellschaften stehen heute an einer Weggabelung: Gehören sie eher zur Kultur oder eher zum Kommerz, sind sie ganz normale Unternehmen wie tausende andere auch, sind sie Unternehmen besonde- rer Art, weil sie in besonderer Weise sozialen und kultu- rellen Zwecken verpflichtet sind oder sind sie Selbsthil- feeinrichtungen der Künstler, die auch wirtschaftliche Zwecke verfolgen? B is vor wenigen Jahren war die Stellung der Verwer- tungsgesellschaften im Kulturbereich und in der Po- litik unangefochten. Urheber und Rechteinhaber haben sich in Verwertungsgesellschaften zusammengeschlossen, damit für die Rechte, die von einem Einzelnen nicht ge- wahrt und wahrgenommen werden können, Vergütungen erhoben werden. Geradezu legendär sind die Anfänge der musikalischen Verwertungsgesellschaften in Frankreich und in Deutschland. Und in der Tat ist die Gründung der Ver- wertungsgesellschaften und die Verankerung des Prinzips der kollektiven Rechtewahrnehmung eine große kulturpo- litische und solidarische Leistung der Gründerväter. Die Grundprinzipien aus den Anfängen der Verwertungsgesell- schaften wie ihre Verpflichtung, dass die Schöpfer kulturell bedeutsamer Werke einen besonderen Vorzug bei der Ver- gütung erhalten sollen und dass auf einen Teil der Vergü- tung verzichtet wird, damit diese sozialen Zwecken zuge- führt werden, tragen noch heute. Dennoch, bei allen Ver- diensten der Verwertungsgesellschaften, ist ihre Position nicht mehr so gefestigt, wie noch vor einigen Jahren. Herausforderung Europa Nicht zuletzt der europäische Einigungsprozess, der nach wie vor von der wirtschaftlichen Einigung geprägt ist, trägt dazu bei, dass sich sowohl die deutschen Verwertungs- gesellschaften als auch die nationale Politik neu positio- nieren müssen. Die EU-Kommission sieht die Verwertungs- gesellschaften unter rein ökonomischen Gesichtspunkten und stört sich, auf Grund ihres Grundverständnisses für mehr und vor allem für europaweiten Wettbewerb in al- len Wirtschaftsbereichen zu sorgen, an der faktischen Monopolstellung der Verwertungsgesellschaften. Sie möchte für mehr Wettbewerb unter den Verwertungsge- sellschaften sorgen. Ihr Ziel ist es, dass die Urheber frei wählen können, welche der Verwertungsgesellschaften ih- nen die besten Konditionen, sprich den größten Ertrag ver- spricht. Der „staatsentlastenden Funktion“ der deutschen Verwertungsgesellschaften, die einen Teil ihrer Erlöse sozi- alen und kulturellen Zwecken zuführen, messen sie keine Bedeutung zu. Im Vordergrund steht eine Betrachtung un- ter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die EU-Kommis- sion steht also eindeutig auf der Seite des Kommerzes. Die Verwertungsgesellschaften stehen vor der Her- ausforderung, diese rein marktwirtschaftliche Betrach- tung zu beantworten. Verstehen sie sich als Solidarge- meinschaften, verweigern sie sich dem Wettbewerb und suchen eher die Zusammenarbeit mit den, oftmals ebenfalls konkurrenzlosen, Schwestergesellschaften in anderen Ländern oder gehen sie auf die Forderung nach mehr Wettbewerb ein, beteiligen sie sich an Ausschrei- bungen und werden unter rein wirtschaftlichen Gesichts- punkten tätig? Die Voraussetzungen für die Antwort sind sehr unterschiedlich, je nach vertretenen Rechten, nach dem Repertoire, das angeboten werden kann und nach dem eigenen Selbstverständnis. Welche Antworten die Verwertungsgesellschaften geben, sie werden nicht folgenlos bleiben. Neigen sie mehr dem Kommerz zu, wird es schwer sein, in der Poli- tik weiterhin Bündnispartner zu gewinnen, die für die „Monopolstellung“ der Verwertungsgesellschaften strei- ten. Wenden sie sich stärker der Kultur zu, besteht unter Umständen die Gefahr, dass die Erlöse der wirtschaftlich erfolgreichen Rechteinhaber sinken und diese die Frage aufwerfen, warum für soziale und kulturelle Zwecke ihre eigene Ausschüttung gemindert wird. Herausforderung DRM Den Verwertungsgesellschaften weht aber noch in wei- terer Hinsicht der Wind entgegen. Die neuen technischen Möglichkeiten gestatten bereits jetzt, zwar noch unzurei- chend, in naher Zukunft aber sicherlich technisch ausge- reifter, die Erfassung und genaue Abrechnung der Nut- zung urheberrechtlich geschützter Werke. Es wird daher immer öfter die Frage aufgeworfen, ob die kollektive Rech- tewahrnehmung überhaupt noch zeitgemäß ist oder ob die Zukunft nicht den Digital-Right-Management-Syste- men gehört. Die Verwertungsgesellschaften nehmen die- se Diskussion offen auf und stellen dar, dass sie für das digitale Rechtemanagement gerüstet sind und hohe Da- tenschutzstandards hierbei gewährleisten können. Ver- wertungsgesellschaften haben kein Interesse, Nutzern bestimmte Produkte zu verkaufen, sie stellen daher kei- ne Nutzerprofile her und wären mithin ideale Institutio- nen, um die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke genau abzurechnen, ohne uns, die Nutzer, noch mehr zu gläsernen Bürgern zu machen. Sicherung der kulturellen Vielfalt Verwertungsgesellschaften waren die ersten Selbsthilfe- organisationen der Künstler. Künstler taten sich zusam- men, damit sie gemeinsam dafür Sorge tragen, dass sie einen Ertrag aus der Nutzung ihrer kreativen Leistung zie- hen können. Dieses ist das Grundprinzip der Verwertungs- gesellschaften. Über die Einhaltung dieses Grundprinzips wachen die staatliche Aufsicht aber auch die gewählten Gremien. Grundlage der Verwertungsgesellschaften ist die Solidarität der Künstler untereinander, speziell der wirt- schaftlich erfolgreichen mit den weniger erfolgreichen. Dieses Grundprinzip widerspricht einem reinen Marktver- ständnis, es entstammt einer Philosophie, die sich für kulturelle Vielfalt einsetzt. Kulturelle Vielfalt bedeutet, dass es neben der marktgängigen Kunst, die ihre Abnehmer und Nutzer findet, auch Platz für künstlerische Ausdrucks- formen geben muss, die bisher auf ein eher geringeres Interesse beim Publikum treffen, aber dennoch kulturell wertvoll sind. Der Erhalt der kulturellen Vielfalt ist ein entscheidendes Argument, Kultur nicht der allgemeinen Liberalisierung preiszugeben, sondern sich vielmehr für Ausnahmetatbestände einzusetzen. Die Verwertungsge- sellschaften stehen mit ihren angestammten Geschäfts- feldern für diesen Konsens: Erhalt der kulturellen Vielfalt. Dafür lohnt es sich einzutreten. Kritik aus der Politik Sowohl in der Enquete-Kommission „Zukunft des Bür- gerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundes- tags (1999-2003) als auch in der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestags (2003-2007), in denen ich mitwirkte bzw. angehöre, war die Arbeit der Verwertungsgesellschaften immer wieder ein höchst strittiges Thema. Stellt man sich der Diskussion, kann zumeist, wenn sich die erste temperamentvolle Aufregung gelegt hat, verdeutlicht werden, dass die Verwertungsgesellschaften die Rechte ihrer Mitglieder, der Künstler und Rechteinha- ber, treuhänderisch wahrnehmen und dass Leistungen in unserer Gesellschaft, das heißt selbstverständlich auch künstlerische Leistungen, nicht umsonst zu haben sind. puk-Dossier Mit dem vorliegenden puk-Dossier „Verwertungsgesell- schaften“ sollen einige aktuelle Debatten zu Verwertungs- gesellschaften aufgegriffen werden. Es soll deutlich ge- macht werden, dass Verwertungsgesellschaften keine „normalen“ Unternehmen sind, sondern es sich vielmehr um Selbstorganisationen der Künstler handelt, die dazu dienen, dass diese die ihnen zustehende angemessene Vergütung aus der Nutzung künstlerischer Leistungen erhalten. Es sollen aber auch die Kritiker der Verwertungs- gesellschaft zu Wort kommen und der Frage nachgegan- gen werden, ob die bestehenden Vergütungssysteme der Verwertungsgesellschaften noch tragfähig sind. Im Mittelpunkt des puk-Dossiers „Verwertungsge- sellschaften“ stehen die Arbeit der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Verviel- fältigungsrechte), der GVL (Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten), der VG BILD-KUNST (Ver- wertungsgesellschaft Bild-Kunst) und der VG WORT (Ver- wertungsgesellschaft Wort). Eingangs schildert Albrecht Dümling die Geschich- te dieser vier Verwertungsgesellschaften. Danach stellt Gabriele Schulz die rechtlichen Voraussetzungen, die Möglichkeiten der Mitgliedschaft, die Organisationsform und Entscheidungsgremien dar. Mitglieder der Aufsichts- gremien der Verwertungsgesellschaften geben Auskunft über ihre Arbeit. Die Möglichkeiten der Aufsicht werden in einem Interview mit Senta Bingener und Jörg Port- mann vom Deutschen Patent- und Markenamt darge- stellt. Gitta Connemann, MdB hinterfragt die bisherige Aufsicht und fordert die Verlagerung der Aufsicht an eine Regulierungsbehörde. Die Bestimmungen im Urheber- rechtswahrnehmungsgesetz zu den sozialen und kultu- rellen Zwecken der Verwertungsgesellschaften werden von Artur-Axel Wandtke und Georgios Gounalakis be- leuchtet. Harald Heker, Tilo Gerlach, Reinhard Meyer und Franka Hellmannsberger stellen die Arbeit der verschie- denen Sozial- und Kulturwerke der Verwertungsgesell- schaften vor. Mit den Tarifen für die Nutzung von Musik setzen sich der Ernst Burgbacher, Präsident der Bundes- vereinigung Deutscher Orchesterverbände und Jürgen Becker, Vorstand der GEMA auseinander. Bernhard Roh- leder, Hauptgeschäftsführer der BITKOM, und Ferdinand Melichar, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG WORT, befassen sich mit der „Geräteabgabe“, der hef- tig umstrittenen Kopierabgabe auf Speichermedien. Welche Aufgaben die Verwertungsgesellschaften in der Zukunft wahrnehmen sollten, darüber geben Günter Krings, MdB (CDU), Jörg Tauss, MdB (SPD), Wolfgang Neskovich, MdB (DIE LINKE), Sabine Leutheusser-Schnar- renberger, MdB (FDP) und Undine Kurth, MdB (Bündnis 90/Die Grünen) Auskunft. In Interviews skizzieren Ha- rald Heker, Tilo Gerlach, Peter Zombik, Gerhard Pfennig und Ferdinand Melichar welche Aufgaben ihrer Ansicht nach die von ihnen vertretene Verwertungsgesellschaft in der Zukunft übernehmen wird. Mein Dank gilt Dr. Harald Heker (GEMA), Dr. Tilo Gerlach (GVL), Prof. Dr. Gerhard Pfennig (VG BILD- KUNST) und Prof. Dr. Ferdinand Melichar (VG WORT). Sie haben die Erstellung dieses puk-Dossier finanziell ermöglicht. Sie haben sich für eine unabhängige Beila- ge in einer kulturpolitischen Zeitung und gegen eine Imagebroschüre entschieden. Sie stellen sich damit der Kritik von Dritten und der kulturpolitischen Auseinan- dersetzung. Dieses ist ein positives Signal für Gesprächs- bereitschaft und Gesprächsfähigkeit der Verwertungs- gesellschaften. Ich hoffe sehr, dass das vorliegende puk- Dossier „Verwertungsgesellschaften“ zur Versachli- chung der Diskussion und zur besseren Einschätzung der Verwertungsgesellschaften führt. DER VERFASSER IST HERAUSGEBER VON POLITIK UND KULTUR UND GESCHÄFTSFÜHRER DES DEUTSCHEN KULTURRATES

politik & kultur puk-Dossier...puk-Dossier Mit dem vorliegenden puk-Dossier „Verwertungsgesell-schaften“ sollen einige aktuelle Debatten zu Verwertungs-gesellschaften aufgegriffen

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Page 1: politik & kultur puk-Dossier...puk-Dossier Mit dem vorliegenden puk-Dossier „Verwertungsgesell-schaften“ sollen einige aktuelle Debatten zu Verwertungs-gesellschaften aufgegriffen

puk-DossierVERWERTUNGSGESELLSCHAFTEN

Verwertungsgesellschaften – unverzichtbar für die kulturelle VielfaltVon Olaf Zimmermann

Blick in einen der ersten Computer: komplizierte Verdrahtung. Foto: Stefanie Ernst

politik & kultur

Die Verwertungsgesellschaften stehen heute an einerWeggabelung: Gehören sie eher zur Kultur oder eherzum Kommerz, sind sie ganz normale Unternehmen wietausende andere auch, sind sie Unternehmen besonde-rer Art, weil sie in besonderer Weise sozialen und kultu-rellen Zwecken verpflichtet sind oder sind sie Selbsthil-feeinrichtungen der Künstler, die auch wirtschaftlicheZwecke verfolgen?

Bis vor wenigen Jahren war die Stellung der Verwer-tungsgesellschaften im Kulturbereich und in der Po-

litik unangefochten. Urheber und Rechteinhaber habensich in Verwertungsgesellschaften zusammengeschlossen,damit für die Rechte, die von einem Einzelnen nicht ge-wahrt und wahrgenommen werden können, Vergütungenerhoben werden. Geradezu legendär sind die Anfänge dermusikalischen Verwertungsgesellschaften in Frankreich undin Deutschland. Und in der Tat ist die Gründung der Ver-wertungsgesellschaften und die Verankerung des Prinzipsder kollektiven Rechtewahrnehmung eine große kulturpo-litische und solidarische Leistung der Gründerväter. DieGrundprinzipien aus den Anfängen der Verwertungsgesell-schaften wie ihre Verpflichtung, dass die Schöpfer kulturellbedeutsamer Werke einen besonderen Vorzug bei der Ver-gütung erhalten sollen und dass auf einen Teil der Vergü-tung verzichtet wird, damit diese sozialen Zwecken zuge-führt werden, tragen noch heute. Dennoch, bei allen Ver-diensten der Verwertungsgesellschaften, ist ihre Positionnicht mehr so gefestigt, wie noch vor einigen Jahren.

Herausforderung Europa

Nicht zuletzt der europäische Einigungsprozess, der nachwie vor von der wirtschaftlichen Einigung geprägt ist, trägtdazu bei, dass sich sowohl die deutschen Verwertungs-gesellschaften als auch die nationale Politik neu positio-nieren müssen. Die EU-Kommission sieht die Verwertungs-gesellschaften unter rein ökonomischen Gesichtspunktenund stört sich, auf Grund ihres Grundverständnisses fürmehr und vor allem für europaweiten Wettbewerb in al-len Wirtschaftsbereichen zu sorgen, an der faktischenMonopolstellung der Verwertungsgesellschaften. Siemöchte für mehr Wettbewerb unter den Verwertungsge-sellschaften sorgen. Ihr Ziel ist es, dass die Urheber freiwählen können, welche der Verwertungsgesellschaften ih-nen die besten Konditionen, sprich den größten Ertrag ver-spricht. Der „staatsentlastenden Funktion“ der deutschenVerwertungsgesellschaften, die einen Teil ihrer Erlöse sozi-alen und kulturellen Zwecken zuführen, messen sie keineBedeutung zu. Im Vordergrund steht eine Betrachtung un-ter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die EU-Kommis-sion steht also eindeutig auf der Seite des Kommerzes.

Die Verwertungsgesellschaften stehen vor der Her-ausforderung, diese rein marktwirtschaftliche Betrach-tung zu beantworten. Verstehen sie sich als Solidarge-meinschaften, verweigern sie sich dem Wettbewerb undsuchen eher die Zusammenarbeit mit den, oftmalsebenfalls konkurrenzlosen, Schwestergesellschaften inanderen Ländern oder gehen sie auf die Forderung nachmehr Wettbewerb ein, beteiligen sie sich an Ausschrei-bungen und werden unter rein wirtschaftlichen Gesichts-punkten tätig? Die Voraussetzungen für die Antwort sindsehr unterschiedlich, je nach vertretenen Rechten, nachdem Repertoire, das angeboten werden kann und nachdem eigenen Selbstverständnis.

Welche Antworten die Verwertungsgesellschaftengeben, sie werden nicht folgenlos bleiben. Neigen siemehr dem Kommerz zu, wird es schwer sein, in der Poli-tik weiterhin Bündnispartner zu gewinnen, die für die„Monopolstellung“ der Verwertungsgesellschaften strei-ten. Wenden sie sich stärker der Kultur zu, besteht unterUmständen die Gefahr, dass die Erlöse der wirtschaftlicherfolgreichen Rechteinhaber sinken und diese die Frageaufwerfen, warum für soziale und kulturelle Zwecke ihreeigene Ausschüttung gemindert wird.

Herausforderung DRM

Den Verwertungsgesellschaften weht aber noch in wei-terer Hinsicht der Wind entgegen. Die neuen technischenMöglichkeiten gestatten bereits jetzt, zwar noch unzurei-chend, in naher Zukunft aber sicherlich technisch ausge-reifter, die Erfassung und genaue Abrechnung der Nut-zung urheberrechtlich geschützter Werke. Es wird daherimmer öfter die Frage aufgeworfen, ob die kollektive Rech-

tewahrnehmung überhaupt noch zeitgemäß ist oder obdie Zukunft nicht den Digital-Right-Management-Syste-men gehört. Die Verwertungsgesellschaften nehmen die-se Diskussion offen auf und stellen dar, dass sie für dasdigitale Rechtemanagement gerüstet sind und hohe Da-tenschutzstandards hierbei gewährleisten können. Ver-wertungsgesellschaften haben kein Interesse, Nutzernbestimmte Produkte zu verkaufen, sie stellen daher kei-ne Nutzerprofile her und wären mithin ideale Institutio-nen, um die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werkegenau abzurechnen, ohne uns, die Nutzer, noch mehr zugläsernen Bürgern zu machen.

Sicherung der kulturellen Vielfalt

Verwertungsgesellschaften waren die ersten Selbsthilfe-organisationen der Künstler. Künstler taten sich zusam-men, damit sie gemeinsam dafür Sorge tragen, dass sieeinen Ertrag aus der Nutzung ihrer kreativen Leistung zie-hen können. Dieses ist das Grundprinzip der Verwertungs-gesellschaften. Über die Einhaltung dieses Grundprinzipswachen die staatliche Aufsicht aber auch die gewähltenGremien. Grundlage der Verwertungsgesellschaften ist dieSolidarität der Künstler untereinander, speziell der wirt-schaftlich erfolgreichen mit den weniger erfolgreichen.Dieses Grundprinzip widerspricht einem reinen Marktver-ständnis, es entstammt einer Philosophie, die sich fürkulturelle Vielfalt einsetzt. Kulturelle Vielfalt bedeutet, dasses neben der marktgängigen Kunst, die ihre Abnehmerund Nutzer findet, auch Platz für künstlerische Ausdrucks-formen geben muss, die bisher auf ein eher geringeresInteresse beim Publikum treffen, aber dennoch kulturellwertvoll sind. Der Erhalt der kulturellen Vielfalt ist einentscheidendes Argument, Kultur nicht der allgemeinenLiberalisierung preiszugeben, sondern sich vielmehr fürAusnahmetatbestände einzusetzen. Die Verwertungsge-sellschaften stehen mit ihren angestammten Geschäfts-feldern für diesen Konsens: Erhalt der kulturellen Vielfalt.Dafür lohnt es sich einzutreten.

Kritik aus der Politik

Sowohl in der Enquete-Kommission „Zukunft des Bür-gerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundes-

tags (1999-2003) als auch in der Enquete-Kommission„Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestags(2003-2007), in denen ich mitwirkte bzw. angehöre, wardie Arbeit der Verwertungsgesellschaften immer wiederein höchst strittiges Thema.

Stellt man sich der Diskussion, kann zumeist, wennsich die erste temperamentvolle Aufregung gelegt hat,verdeutlicht werden, dass die Verwertungsgesellschaftendie Rechte ihrer Mitglieder, der Künstler und Rechteinha-ber, treuhänderisch wahrnehmen und dass Leistungen inunserer Gesellschaft, das heißt selbstverständlich auchkünstlerische Leistungen, nicht umsonst zu haben sind.

puk-Dossier

Mit dem vorliegenden puk-Dossier „Verwertungsgesell-schaften“ sollen einige aktuelle Debatten zu Verwertungs-gesellschaften aufgegriffen werden. Es soll deutlich ge-macht werden, dass Verwertungsgesellschaften keine„normalen“ Unternehmen sind, sondern es sich vielmehrum Selbstorganisationen der Künstler handelt, die dazudienen, dass diese die ihnen zustehende angemesseneVergütung aus der Nutzung künstlerischer Leistungenerhalten. Es sollen aber auch die Kritiker der Verwertungs-gesellschaft zu Wort kommen und der Frage nachgegan-gen werden, ob die bestehenden Vergütungssysteme derVerwertungsgesellschaften noch tragfähig sind.

Im Mittelpunkt des puk-Dossiers „Verwertungsge-sellschaften“ stehen die Arbeit der GEMA (Gesellschaftfür musikalische Aufführungs- und mechanische Verviel-fältigungsrechte), der GVL (Gesellschaft zur Verwertungvon Leistungsschutzrechten), der VG BILD-KUNST (Ver-wertungsgesellschaft Bild-Kunst) und der VG WORT (Ver-wertungsgesellschaft Wort).

Eingangs schildert Albrecht Dümling die Geschich-te dieser vier Verwertungsgesellschaften. Danach stelltGabriele Schulz die rechtlichen Voraussetzungen, dieMöglichkeiten der Mitgliedschaft, die Organisationsformund Entscheidungsgremien dar. Mitglieder der Aufsichts-gremien der Verwertungsgesellschaften geben Auskunftüber ihre Arbeit. Die Möglichkeiten der Aufsicht werdenin einem Interview mit Senta Bingener und Jörg Port-mann vom Deutschen Patent- und Markenamt darge-stellt. Gitta Connemann, MdB hinterfragt die bisherige

Aufsicht und fordert die Verlagerung der Aufsicht an eineRegulierungsbehörde. Die Bestimmungen im Urheber-rechtswahrnehmungsgesetz zu den sozialen und kultu-rellen Zwecken der Verwertungsgesellschaften werdenvon Artur-Axel Wandtke und Georgios Gounalakis be-leuchtet. Harald Heker, Tilo Gerlach, Reinhard Meyer undFranka Hellmannsberger stellen die Arbeit der verschie-denen Sozial- und Kulturwerke der Verwertungsgesell-schaften vor. Mit den Tarifen für die Nutzung von Musiksetzen sich der Ernst Burgbacher, Präsident der Bundes-vereinigung Deutscher Orchesterverbände und JürgenBecker, Vorstand der GEMA auseinander. Bernhard Roh-leder, Hauptgeschäftsführer der BITKOM, und FerdinandMelichar, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VGWORT, befassen sich mit der „Geräteabgabe“, der hef-tig umstrittenen Kopierabgabe auf Speichermedien.Welche Aufgaben die Verwertungsgesellschaften in derZukunft wahrnehmen sollten, darüber geben GünterKrings, MdB (CDU), Jörg Tauss, MdB (SPD), WolfgangNeskovich, MdB (DIE LINKE), Sabine Leutheusser-Schnar-renberger, MdB (FDP) und Undine Kurth, MdB (Bündnis90/Die Grünen) Auskunft. In Interviews skizzieren Ha-rald Heker, Tilo Gerlach, Peter Zombik, Gerhard Pfennigund Ferdinand Melichar welche Aufgaben ihrer Ansichtnach die von ihnen vertretene Verwertungsgesellschaftin der Zukunft übernehmen wird.

Mein Dank gilt Dr. Harald Heker (GEMA), Dr. TiloGerlach (GVL), Prof. Dr. Gerhard Pfennig (VG BILD-KUNST) und Prof. Dr. Ferdinand Melichar (VG WORT).Sie haben die Erstellung dieses puk-Dossier finanziellermöglicht. Sie haben sich für eine unabhängige Beila-ge in einer kulturpolitischen Zeitung und gegen eineImagebroschüre entschieden. Sie stellen sich damit derKritik von Dritten und der kulturpolitischen Auseinan-dersetzung. Dieses ist ein positives Signal für Gesprächs-bereitschaft und Gesprächsfähigkeit der Verwertungs-gesellschaften. Ich hoffe sehr, dass das vorliegende puk-Dossier „Verwertungsgesellschaften“ zur Versachli-chung der Diskussion und zur besseren Einschätzungder Verwertungsgesellschaften führt.

DER VERFASSER IST HERAUSGEBER VON POLITIK UNDKULTUR UND GESCHÄFTSFÜHRER DES DEUTSCHENKULTURRATES

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Verwertungsgesellschaften – Geschichte politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 2

Teil des Verwaltungsgebäudes der GEMA in Berlin. Foto: GEMA

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Solidargemeinschaften für die Rechte der einzelnen UrheberZur Geschichte der Verwertungsgesellschaften GEMA, GVL, VG WORT und VG BILD-KUNST I Von Albrecht Dümling

Der Pariser Uhrmachersohn Pierre-Augustin Caron steck-te voller Ideen, auf die er stolz war und die er nichteinfach verschenken wollte. 1753 entdeckte er ein neuesHemmungsrad für Taschenuhren, die so genannte Un-ruh, welche die Laufpräzision entscheidend verbesser-te. Caron stellte dem königlichen Uhrmacher Jean-And-ré Lepaute seine Erfindung vor. Der Uhrenexperte er-kannte die Bedeutung der Neuheit sofort und veröffent-lichte in der Zeitschrift „Le Mercure de France“ einenArtikel, worin er sie als eigenen Fund deklarierte. Derjunge Caron war über diesen Diebstahl seines geistigenEigentums empört und pochte in einem offenen Briefumgehend auf seine Urheberschaft. Er rief die französi-sche Akademie an, die in einem Gutachten seine Priori-tät bestätigte. Caron hatte gesiegt, Lepaute war bla-miert. Schon ein Jahr später übernahm der gerade 22-jährige Erfinder die Stellung des Älteren als Hofuhrma-cher. Rasch stieg er dort dank seines Ideenreichtums undseiner Initiative auf. Er heiratete eine reiche Witwe, er-hielt dadurch Landbesitz, den Namen Beaumarchais undbesseren Zugang zum Hof.

Es blieb nicht bei den Uhren. Beaumarchais, wie manihn bald nannte, wurde Geheimagent, ein überaus

erfolgreicher Kaufmann, der umfangreiche Waffenliefe-rungen in das damals von England sich lösende Nord-amerika organisierte (Lion Feuchtwanger widmete demThema einen Roman), und nicht zuletzt Bühnenautor.Viel Beifall fanden seine Komödie Le barbier de Sévilleund das sozialkritische Lustspiel La folle journée ou lemariage de Figaro, die Grundlage für Mozarts Oper.

Die Theater wurden damals meist von Schauspie-lern geleitet, die häufig den Autoren Zahlungen schul-dig blieben oder falsche Angaben über ihre Einkünftemachten. Beaumarchais wollte sich diesen Betrug nichtgefallen lassen. Da auch andere Autoren betroffen wa-ren, suchte er nach einer grundsätzlichen Lösung. Am 3.Juli 1777 lud er Kollegen der schreibenden Zunft in seinHaus im Pariser Marais-Viertel ein. Bei diesem Treffenerläuterte er den versammelten Bühnenautoren, dassman von Beifall allein nicht leben könne: „Man disku-tiert in den Foyers der Theater darüber, dass es für dieAutoren, die nach Ruhm streben, nicht vornehm sei, umdie Bedürfnisse des täglichen Lebens zu kämpfen. Manhat vollkommen recht, der Ruhm besitzt eine große An-ziehungskraft, doch leider wird vergessen, dass man365mal in einem Jahr zu Mittag speisen muss, um sichdieses Ruhmes ein Jahr lang zu erfreuen.“ Die Autoren

te zum ersten Mal das geistige Eigentum unter gesetz-lichen Schutz. Drei Jahre später, am 13. Januar 1791,trat in Frankreich das erste Urheberrechtsgesetz in Kraft.Unter allen Besitztümern – so hieß es in dieser Verord-nung – seien die geistigen Werke des Schriftstellers dieheiligsten, unangreifbarsten und persönlichsten. Demgesetzlichen Schutz entsprechend wurde im März 1791das bisherige „Bureau de Législation Dramatique“ durchein „Bureau de Perception des droits d’auteurs et com-positeurs“ ersetzt. Den Autoren standen damit die Kom-ponisten zur Seite, die über das neue Büro Gebühren fürAufführungen ihrer Bühnenwerke erhielten. An den Schutzanderer Komponisten dachte man damals noch nicht, dadie Zahl der Konzerte unüberschaubar schien. 1798 sorg-te die Gründung einer konkurrierenden Verwertungsge-sellschaft für Unruhe, bis sich schließlich im März 1829beide Gesellschaften zu der bis heute bestehenden „So-ciété des Auteurs et Compositeurs Dramatiques“ (SACD)vereinten. Auslöser der Bewegung war der selbstbewusstePierre-Augustin Caron de Beaumarchais gewesen, dembis heute jeder Autor die Erkenntnis verdankt, „sich nichtnur zur Wehr zu setzen, um seine Interessen durchzuset-zen, sondern auch aus Selbstachtung“.

Das französische Gesetz schützte einheimische Au-toren, nicht aber die ausländischen, deren Werkeweiterhin plagiiert wurden. Zu den Leidtragenden ge-hörte Carl Maria von Weber, dessen Freischütz-Oper inParis in geänderter Form erklang – die Tantiemen kas-sierte der französische Bearbeiter. Das Allgemeine Preu-ßische Landrecht von 1794 schützte zwar die Verleger,nicht aber die Autoren. Das änderte sich am 11. Juni1837, als Preußen das „Gesetz zum Schutz des Eigen-tums an Werken der Wissenschaft und Kunst“ verab-schiedete, damals das modernste Urheberrecht. 1841erhielt dieses Gesetz auch im Deutschen Bund Geltung.

Wie in Frankreich waren auch in Deutschland dieSchöpfer musikalischer Bühnenwerke Vorkämpfer desUrheberrechts. Parallel zur Reichsgründung riefen sie am16. Mai 1871 eine „Deutsche Genossenschaft dramati-scher Autoren und Komponisten“ ins Leben. Deren Sta-tut berief sich auf das Gesetz für den norddeutschenBund vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrechtan Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompo-sitionen und dramatischen Werken. Das Deutsche Reichübernahm ein Jahr später dieses Gesetz, das allerdingsdas Aufführungsrecht für Konzertwerke stiefmütterlichbehandelte. Denn es schützte nur Aufführungen unge-druckter Werke und gab alle anderen Stücke frei: „Mu-sikalische Werke, welche durch Druck veröffentlichtworden sind, können ohne Genehmigung des Urhebersöffentlich aufgeführt werden, falls nicht der Urheber aufdem Titelblatt oder an der Spitze des Werkes sich dasRecht der öffentlichen Aufführung vorbehalten hat.“Diese Regelung entsprach dem Interesse der Verlegeran einem möglichst unkomplizierten Notenabsatz undeiner weiten Verbreitung der Werke. Mit diesem Argu-ment konnten sie die meisten Komponisten dazu bewe-gen, ihnen mit den Verlagsrechten auch das Aufführungs-

recht zu übertragen. Die im Gesetz immerhin erwähnteMöglichkeit zur Verwertung der Aufführungsrechte lie-ßen die Urheber in der Regel ungenutzt. Sie ahntendamals noch nicht, dass ihnen damit eine wesentlicheEinkommensquelle entging.

Um Werke deutscher Autoren auch im Ausland zuschützen, mussten internationale Vereinbarungen ge-schlossen werden. Grundlegend war ein Abkommen, dasam 9. Juni 1886 in der Hauptstadt der Schweiz von neunLändern, von Deutschland, Belgien, Spanien, Frankreich,Großbritannien, Haiti, Italien, Liberia, der Schweiz undTunesien, unterzeichnet wurde und erstmals das inter-nationale Urheberrecht regelte. Die so genannte BernerKonvention schützte den Urheber eines Verbandslandesin allen anderen Verbandsländern nach den jeweiligennationalen Gesetzen wie ein Inländer. Deutsche Kom-ponisten genossen nun endlich auch in Frankreich dendort geltenden Schutz, wie umgekehrt ihre französischenKollegen östlich des Rheins nicht länger vogelfrei blie-ben. Die Berner Übereinkunft bewirkte zudem, dass dieUrheberrechtsregelungen der Unterzeichnerstaatenaneinander annäherten. Zu den Vätern dieser epoche-machenden Vereinbarung gehörte der Dichter und Ro-mancier Victor Hugo; als Präsident der „Société desAuteurs et Compositeurs Dramatiques“ hatte er 1878im hohen Alter die „Association littéraire et artistiqueinternationale“ (ALAI) mit dem Ziel begründet, den in-ternationalen Schutz der Autoren zu vervollkommnen.Als diese Gesellschaft im September 1895 einen Kon-gress in Deutschland durchführte, wurde erstmals einedeutsche Gesellschaft für musikalische Aufführungsrech-te gefordert. Ein aktiver Vorkämpfer solcher Bestrebun-gen war der Berliner Urheberrechtler Prof. Dr. AlbertOsterrieth, der 1897 zu den Gründern der „Internatio-nalen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz“ ge-hörte. Aber es sollten weitere vier Jahre vergehen, bisam 19. Juni 1901 das „Gesetz betreffend das Urheber-recht an Werken der Literatur und der Tonkunst“ denSchriftstellern und Komponisten ausdrücklich die aus-schließlichen Aufführungsrechte für die von ihnen ge-schaffenen Werke zusprach. Damit waren auch inDeutschland die gesetzlichen Möglichkeiten geschaffen,eine Anstalt für musikalische Aufführungsrechte einzu-richten, wie sie sich in Frankreich, Italien und Österreichbereits bewährt hatten.

Musikalische Aufführungsrechte –die GEMAEin einzelner Urheber kann unmöglich allein seine Auf-führungsrechte verwalten, kann er doch kaum je alleAufführungen der eigenen Werke überschauen und diedafür nötigen Gebühren erheben. Auch einzelne Veran-stalter und ausführende Künstler sind mit der Aufgabeüberfordert, bei allen Rechteinhabern, deren Stücke sieaufführen, Genehmigungen und Aufführungsrechte ein-

InhaltsverzeichnisVerwertungsgesellschaften – unverzichtbar für die kul-turelle VielfaltVon Olaf Zimmermann 1

Solidargemeinschaften für die Rechte der einzelnen Ur-heber – Zur Geschichte der GEMA, GVL, VG WORT undVG BILD-KUNSTVon Albrecht Dümling 2

Verwertungsgesellschaften sind keine normalen Unter-nehmenVon Gabriele Schulz 6

Europäisches Soft Law – Gefahr für die kulturelleVielfaltVon Olaf Zimmermann 11

Statements von Gremienmitgliedern der Verwertungs-gesellschaften 6

Das Prinzip der Rechtewahrnehmung verteidigenInterview mit Gitta Connemann 14

Einsicht nehmen, prüfen, abstimmen, beaufsichtigenInterview mit Senta Bingener und Jörg Portmann 15

Treuhänder der Kreativen – Zur kulturellen und sozia-len Dimension der VerwertungsgesellschaftenVon Artur-Axel Wandtke 16

Ein Missverständnis – Kulturförderung und Urheberrecht.Die besondere kulturelle und soziale Aufgabe der Ver-wertungsgesellschaftenVon Georgios Gounalakis 17

Der Markt allein zählt nicht – Die GVL fördert kulturellbedeutende LeistungenVon Tilo Gerlach 18

Stiftung Sozialwerk der VG Bild-Kunst – Unterstützungin Notlagen, bei Berufsunfähigkeit und im AlterVon Reinhard Meyer 19

Die sozialen und kulturellen Funktionen der VG WORT –Drei Institutionen und ihre AufgabenVon Franka Hellmannsberger 20

Tarifverhandlungen mit Augenmaß – Das Verhältnis vonVerwertungsgesellschaften und LaienorchesternVon Ernst Burgbacher 21

Engagement für die Allgemeinheit – Förderung derLaienmusik durch die GEMAVon Jürgen Becker 22

Vom digitalen Boom profitieren die Urheber direkt – EineZukunftsvision und ihre Bedeutung für die GegenwartVon Bernhard Rohleder 22

Verwertungsgesellschaften im digitalen Zeitalter – Di-gital Rights Management-Systeme machen Verwer-tungsgesellschaften nicht überflüssigVon Ferdinand Melichar 23

Wettbewerb darf nicht zur Zweiklassengesellschaft führenVon Günter Krings 24

Prinzip der kollektiven Rechtewahrnehmung beibehal-ten und stärkenVon Jörg Tauss 25

Verwertungsgesellschaften in ihrem kulturellen AuftragstärkenVon Wolfgang Neskovic 26

Verwertungsgesellschaften sozial und kulturell in diePflicht nehmenVon Undine Kurth 27

Die kollektive Rechtewahrnehmung hat ZukunftVon Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 27

Rechte der Autoren gegen Global Player durchsetzenInterview mit Harald Heker 28

„Wir blicken besorgt nach Brüssel“Interview mit Tilo Gerlach und Peter Zombik 29

„Eine Polarisierung ist Unsinn“Interview mit Ferdinand Melichar 30

Offen an die künftigen Herausforderungen herangehenInterview mit Gerhard Pfennig 31

ließen sich von der Rede ihres Gastgebers überzeugenund gründeten an jenem Sommerabend das „Bureaude Législation Dramatique“ – die erste Urheberrechts-gesellschaft der Welt.

Wie erwähnt besaß Beaumarchais enge Kontaktenach Nordamerika, wo 1788 die Verfassung der Verei-nigten Staaten von Amerika verkündet wurde. Sie stell-

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Verwertungsgesellschaften – Geschichte politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 3

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zuholen. Eine so komplexe Aufgabe kann nur von einerdarauf spezialisierten Verwertungsgesellschaft gelöstwerden. Diese verwaltet als Solidargemeinschaft treu-händerisch die Rechte „ihrer“ Urheber, vergibt gegenGebühr die notwendigen Genehmigungen und betreibtanschließend das Inkasso der vereinbarten Gebühren.

Als weltweit erste Verwertungsgesellschaft für nicht-dramatische Musik war 1851 in Paris die „Société desAuteurs, Compositeurs et Editeurs de Musique“ (SACEM)gegründet worden, die schon im ersten Jahr 350 Mit-glieder, Komponisten, Textdichter und Verleger vertrat.Bei öffentlichen Aufführungen ihrer Werke mussten dieVeranstalter durchschnittlich zwölf Prozent der Einnah-men an die SACEM abführen. Dieser hohe Satz entsprachden Interessen der Unterhaltungskomponisten, auf de-ren Initiative die Gesellschaft entstanden war. Geradein Paris wurden im Unterhaltungssektor erhebliche Ein-künfte erzielt. Viele österreichische Autoren und Verle-ger hielten das französische Beispiel für nachahmens-wert, weshalb sie im Dezember 1897 in Wien die „Ge-sellschaft der Autoren, Componisten und Musikverle-ger“ (später abgekürzt AKM) gründeten. Es gab Bestre-bungen, auch in Deutschland eine ähnliche Gesellschaftins Leben zu rufen. Aber Komponisten ernster Musik wieRichard Strauss, Eugen d’Albert, Engelbert Humperdinckund Hans Sommer gaben zu bedenken, dass sich dasdeutsche Musikleben von dem in Frankreich prinzipiellunterscheide. Die rein wirtschaftliche Arbeitsweise derSACEM passe zur Vorherrschaft der Unterhaltungsmu-sik in Frankreich, weniger dagegen zur Priorität ernsterMusik in deutschen Konzerten. Eine pauschale Besteu-erung der Konzerteinnahmen, so befürchtete man, wür-de die Veranstalter vor geschützten zeitgenössischenWerken zurückschrecken lassen. An deren Stelle wür-den noch mehr als bisher die Klassiker treten.

Ein wichtiges Forum für solche Überlegungen warder Allgemeine Deutsche Musikverein. Hier diskutierteman verschiedene Modelle, wie das Aufführungsrechtvielmehr dazu benutzt werden könne, Aufführungenneuer Musik zu fördern. So dachte man an eine Besteu-erung auch der älteren Werke, die dann den neuen Kom-positionen zugute kommen sollte. Dazu sei allerdingseine Verlängerung der Schutzfrist unbedingt notwendig.

Auch der verlegernahe Verein der Deutschen Musi-kalienhändler wog die Vorteile und Nachteile von Auf-führungsgebühren ab. Im Schnellverfahren gründete erim Mai 1898 in Leipzig eine „Anstalt für musikalischesAufführungsrecht“, die vor allem den Handel und dieVerleger begünstigte. Nachdem die Komponisten diesenüberraschenden Coup durchschaut hatten, forderten sieeine eigene Tantiemenanstalt. Im Juli 1898 rief RichardStrauss seine Kollegen in einem offenen Brief auf, sichbei der bevorstehenden Revision des Urhebergesetzes zuWort melden. Die Leipziger Anstalt, die die Hälfte der Tan-tiemen an die Verleger verteilte, sei untragbar. Vielmehrsollten vor allem die Autoren, ohne die keine Musik exis-tieren würde, von den Aufführungstantiemen profitieren.

Interesse und Solidarität der Komponisten wuchsen.Sie erkannten, dass sie nur dann ihr Recht erhalten

Partitur von „Tod und Verklärung“ von Richard Strauss. Aus dem Buch „Musik hat ihren Wert. 100 Jahre musikali-sche Verwertungsgesellschaft in Deutschland“. ConBrio 2003

Gebäude der GVL in Berlin. Foto: GVL

würden, wenn sie sich selbst dafür einsetzten. Zunächstorganisierten sie mit Erfolg einen Boykott gegen dieLeipziger Tantiemenanstalt. Sodann beteiligten sie sichan der Neugestaltung des Urheberrechtsgesetzes, wo-bei der juristisch gebildete Friedrich Rösch, ein Freundvon Richard Strauss, die Führung übernahm. Das „Ge-setz, betreffend das Urheberrecht an Werken der Litera-tur und Tonkunst“, das schließlich am 29. Juni 1901verkündet wurde, befriedigte die Komponisten nichtwirklich. Dennoch bildeten sie auf dieser Grundlage am14. Januar 1903 als Solidargemeinschaft die „Genos-senschaft Deutscher Tonsetzer“ (GDT), die einige Mo-nate später im gleichen Gebäude in der Berliner Wil-helmstrasse eine eigene „Anstalt für Musikalisches Auf-führungsrecht“ (AFMA) eröffnete.

Von Beginn an bemühte sich die AFMA um einegerechte Bewertung der geistigen Leistung. Anders alsdie französische SACEM unterschied sie zwischen erns-ter und unterhaltender Musik, zwischen E- und U-Mu-sik, und entwickelte dabei ein differenziertes Punkte-system. Während bei Unterhaltungsmusik Musiktyp undZeitdauer für die Punktzahl wesentlich waren, war esbei ernster Musik zusätzlich die Schwierigkeit der Be-setzung. Auf diese Weise sollte eine objektiv nachvoll-ziehbare Wertung erzielt werden. Bis heute wurde die-ser Verteilungsplan immer weiter verfeinert. Auch diekollektive Rechtewahrnehmung, das damals eingeführ-te System der Berechtigungsverträge und Pauschalge-bühren, hat sich bis heute bewährt.

Komponisten und Verleger von Unterhaltungsmu-sik sahen sich durch das Punktesystem und den Vertei-lungsplan der AFMA benachteiligt. Da für sie mehr alsdie geistige Leistung der durch Aufführungen erzielteUmsatz zählte, gründeten sie 1915 eine eigene Tantie-menanstalt, die „Genossenschaft zur Verwertung musi-kalischer Aufführungsrechte“ (GEMA, heute „alteGEMA“ genannt). Es verwundert nicht, dass es zu stän-digen Konflikten zwischen beiden Gesellschaften kam.Angesichts der wirtschaftlichen Erfolge der GEMA, de-ren Einkünfte die der AFMA rasch überflügelten, ver-schärfte sich der Ton. In seinem Liedzyklus Krämerspie-gel (nach Texten von Alfred Kerr) betonte Richard Strauss1918 noch einmal die Position der GDT, indem er sati-risch zugespitzt die unterschiedlichen Interessen derUrheber und der Verleger gegenüberstellte. Immerwieder gab es Einigungsversuche, die regelmäßig schei-terten. Zu einer dauerhaften Lösung kam es erst im Sep-tember 1933, als Joseph Goebbels die Konkurrenten zur„Staatlich genehmigten Gesellschaft zur Verwertungmusikalischer Urheberrechte“ (Stagma) zusammenfass-te. Die neue Gesellschaft unterstand dem Propaganda-minister und hatte schon bald dessen judenfeindlichePolitik zu übernehmen. Nach dem „Anschluss“ Öster-reichs ging auch die dortige AKM in die reichsdeutscheStagma über.

Solange Richard Strauss Präsident der Reichsmu-sikkammer war, waren die E-Musik-Komponisten imVorteil. Denn die Stagma reservierte ein Drittel der Ein-künfte aus konzertmäßigen Aufführungen für sie, die-ses „Ernste Drittel“ sollte ihnen eine Existenzgrundla-ge bieten. Die höhere Bewertung der E-Musik, von der

schon die AFMA ausgegangen war, entsprach der Auf-fassung Adolf Hitlers. Während des Krieges aber siegteschließlich der Pragmatismus von Joseph Goebbels.Unterhaltungskomponisten hatten sich bei ihm darüberbeklagt, dass sie mit ihren höheren Einkünften die erns-te Musik alimentierten. Auf Weisung des Propaganda-ministers wurde daraufhin 1940 das „Ernste Drittel“

gestrichen. Die Ausrichtung an den kulturellen Werten,wie sie Richard Strauss und die Gründer der GDT ange-strebt hatten, wich damit der Orientierung am wirt-schaftlichen Erfolg.

Im Krieg steigerten sich die Einnahmen noch, wasauch mit Gebietsgewinnen zusammenhing. So konntedie Stagma neue Bezirksleitungen in Straßburg, Posenund Krakau einrichten. 1943 betrugen ihre Einkünftestattliche 16 Millionen Reichsmark. Im Februar 1945wurde das Gebäude, wohin die Verwertungsgesellschaftwährend des Krieges ausgelagert war, bei einem Bom-benangriff total zerstört. Dennoch konnte die Stagma1947 fast bruchlos in eine neue Gesellschaft überge-führt werden, die wiederum eine Monopolstellung be-saß und sich GEMA nannte. Die Abkürzung besaßnunmehr allerdings eine erweiterte Bedeutung: „Gesell-schaft für musikalische Aufführungs- und mechanischeVervielfältigungsrechte“. Schon die Stagma hatte seit1938 auch die so genannten mechanischen Rechte, dieRechte an Tonaufnahmen, vertreten. Seitdem tragenRundfunk- und Schallplattenaufnahmen ebenso zu denEinnahmen der Verwertungsgesellschaft bei. Platten-hersteller haben an sie etwa zehn Prozent der Lizenz-basis eines Tonträgers für die mechanische Vervielfälti-gung abzuführen.

Der fließende Übergang von der NS-Zeit zur bun-desrepublikanischen Wirklichkeit verdankte sich demtaktischen Geschick des ehemaligen Stagma-Mitarbei-ters und neuen GEMA-Generaldirektors Erich Schulze.Wegen der Berliner Blockade verlagerte er den Haupt-sitz der Gesellschaft nach München. Schulze bemühtesich andererseits um ein sachliches Verhältnis zur 1951in der DDR entstandenen AWA (Anstalt zur Wahrungder Aufführungsrechte). Unter seiner Führung beteilig-te sich die GEMA maßgeblich an der Weiterentwicklungdes Urheberrechts, vor allem des „Gesetzes über Urhe-berrecht und verwandte Schutzrechte“ vom 9. Septem-ber 1965, kurz Urheberrechtsgesetz (UrhRG). Es dienteder „Sicherung einer angemessenen Vergütung für dieNutzung des Werkes“ und verpflichtete die Verwertungs-gesellschaften – wie dies schon für die Genossenschaftdeutscher Tonsetzer und die AFMA gegolten hatte – zueiner Abgabe für kulturelle und soziale Zwecke.

Als Schulze im Dezember 1989 nach 40-jähriger Tä-tigkeit als GEMA-Generaldirektor in den Ruhestand ging,hatte sich mit dem Fall der Mauer die politische Situationin Deutschland erneut verändert. Diesen Veränderungentrug sein Nachfolger Reinhold Kreile Rechnung. Er be-

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mühte sich um eine gerechte Einbindung der ostdeut-schen Autoren und setzte den wirtschaftlichen Trends derZeit den kulturellen und sozialen Auftrag der GEMAentgegen, der Gründungsidee von 1903 folgend. Die Ver-wertungsgesellschaft mit dem Pegasus als Symbolfigurvertritt in Deutschland heute das gesamte Weltrepertoireder urheberrechtlich geschützten Musik und gehört mitüber 60.000 Mitgliedern und Erträgen von zuletzt 874Millionen Euro weltweit zu den führenden Verwertungs-gesellschaften. Maßstäbe setzen auch ihre kulturpoliti-schen Impulse. Nicht zufällig war bis zu diesem Sommerder Komponist Christian Bruhn zugleich Vorsitzender desGEMA-Aufsichtsrats und Präsident der CISAC (Confédé-ration internationale des Sociétés d’Auteurs et Composi-teurs), des internationalen Netzwerks der Urheberrechts-gesellschaften, zu dem 217 Autorenverbände aus 114Ländern gehören. Beim Brüsseler Urheberrechtsgipfel derCISAC hob Bruhn am 30. Mai 2007 hervor: „Die Arbeitder Autoren bildet die Quelle der Wertschöpfungskette.Ohne diese Arbeit gibt es keine Kreativwirtschaft, keineInternetgeschäfte und keine Downloads.“ Obwohl derEinfluss der E-Komponisten in der GEMA seit 1903 er-heblich gesunken ist, gilt der kulturelle Auftrag, dem sieihre Berechtigung verdankt, unverändert.

Leistungsschutzrechte – die GVL

Das Urheberrechtsgesetz von 1965 erwähnte neben denRechten des Urhebers verwandte Schutzrechte, die esals Leistungsschutz- oder Nachbarrechte bezeichnete.Es schützt damit auch solche Leistungen, die nicht einepersönlich-geistige Schöpfung darstellen wie etwa einemusikalische Komposition, aber dennoch als schützens-wert betrachtet werden. Dazu gehören die Leistungender ausübenden Künstler. Bereits seit 1910 genossensie einen ähnlichen Urheberschutz wie Bearbeiter, ob-wohl ein Komponist wie Hans Pfitzner dies für abwegighielt: „Der schöpferische Interpret ist ein Widerspruchin sich.“ Dieser Schutz kam in der Regel allerdings nurden Tonträgerherstellern und nicht den Künstlern zugute.(Nicht anders hatten Jahrzehnte zuvor überwiegend dieVerleger die Aufführungsrechte der Komponisten für sichin Anspruch genommen.)

Die 1952 in Düsseldorf gegründete Deutsche Orches-tervereinigung (DOV) hat sich von Beginn an solchenFragen gewidmet. Sie wollte nicht nur eine Orchester-gewerkschaft sein, sondern neben der Tarifpolitik auch

zum Sozialversicherungsrecht, zur Kulturpolitik und zurEntwicklung des Leistungsschutzrechts beitragen. Ge-schäftsführer Hermann Voss war in allen diesen Berei-chen aktiv. Er begründete die Zeitschrift „Das Orches-ter“, deren Schriftleiter er bis 1976 war, und gehörte zuden Vätern des Freiburger Tarifvertrages, der die Vergü-tung der Musiker an den Gehaltsbewegungen im öffent-lichen Dienst orientierte. Schließlich war es auch sei-nem Engagement zu verdanken, dass im März 1959 imZusammenwirken mit dem Verband der Tonträgerfirmen(IFPI) in Köln die „Gesellschaft zur Verwertung von Leis-tungsschutzrechten mbh“ (GVL) ins Leben gerufen wur-de. Es war eine Pioniertat, gab es doch in keinem ande-ren Land Vergleichbares. Die Gründung erfolgte in Er-wartung eines bis dahin noch fehlenden Gesetzes. Aberder Optimismus sollte sich lohnen: Als 1965 das neueUrheberrechtsgesetz verabschiedet wurde, schloss eserstmalig auch den Leistungsschutz der ausübendenKünstler mit ein. Seitdem besitzen deutsche Interpreteneine herausragende urheberrechtliche Position: Der Ge-setzgeber gibt ihnen für die Dauer von 50 Jahren nachder Aufführung oder Aufzeichnung das Recht der Ver-vielfältigung und Verbreitung von Vervielfältigungsstü-cken sowie deren öffentlicher Wiedergabe oder desWeitersendens. Sie erhalten damit auch das Recht, be-stimmte Nutzungen zu verbieten. Ähnlich wie den Ur-hebern, wie Komponisten und Autoren, wird den ausü-benden Künstlern damit die Möglichkeit eingeräumt, sichgegen eine Entstellung ihrer Leistungen zu wehren.

Es gab neben Zustimmung auch starken Widerstandgegen die neue Regelung, die bis heute nicht in allenLändern existiert. Verwerter wie die Rundfunkanstaltenwollten nicht einsehen, warum sie für eine Musikein-spielung, die sie bei der Produktion bereits honorierthatten, bei der Wiederholung erneut zahlen mussten.Die GVL musste deshalb mehrere Zivilprozesse führen.Aber auch Komponisten fürchteten, die neue Regelungkönne dazu führen, dass ihre Werke weniger oft gespieltwürden.

Inzwischen nimmt die GVL die Zweitverwertungs-rechte nicht nur der ausübenden Künstler und der Ton-trägerhersteller wahr, sondern auch der Videoproduzen-ten und Filmhersteller. Bei Tonträgersendungen der öf-fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der Ver-bände der privaten Sender schließt sie selbst die Verträ-ge und nimmt das Inkasso vor. Bei der sonstigen öffent-lichen Wiedergabe von Tonträgern und Sendungen ge-schieht dies durch die GEMA, die ohnehin für die Erst-verwertung der mechanischen VervielfältigungsrechteGebühren erhebt. Für die GVL bedeutet dies einen er-heblichen Vorteil, kann sie sich doch dadurch einen auf-

wendigen Außendienst ersparen. Da sie neben den bei-den Geschäftsführern nur 35 Angestellte beschäftigt, istder Verwaltungsanteil an den Kosten relativ gering.

Obwohl Mitglieder der Deutsche Orchestervereini-gung unter den Wahrnehmungsberechtigten der GVLniemals die Mehrheit repräsentierten, waren beide Ver-bände von Beginn an eng miteinander verbunden (ähn-lich wie zuvor die Genossenschaft Deutscher Tonsetzerund ihre Tantiemenanstalt). Hermann Voss leitete DOVund GVL von Düsseldorf aus, bis ihm 1976 der Urheber-rechtsanwalt Peter Girth nachfolgte. Da dieser schonnach zwei Jahren die Intendanz des Berliner Philharmo-nischen Orchesters übernahm, wurde 1978 Rolf Dünn-wald Geschäftsführer beider Verbände. Im Jahr 1982 zogdie DOV zusammen mit der GVL von Düsseldorf nachHamburg, dem damals wichtigsten Standort der deut-schen Musikindustrie. Gegen Ende des Jahres 2000schied Dünnwald aus Altersgründen aus seinen Ämternaus, womit zugleich die bisherige Personalunion in derGeschäftsführung endete. Zum Geschäftsführer der Or-chestervereinigung wurde Gerald Mertens gewählt. DieNachfolge Rolf Dünnwalds als Geschäftsführer der GVLtrat Tilo Gerlach an.

Nach der deutschen Wiedervereinigung traten dieausübenden Musiker der ehemaligen DDR der Orches-tervereinigung und der GVL bei. Es folgte 2003 derUmzug beider Verbände (wie auch von Teilen der Mu-sikindustrie sowie des Spitzenverbandes der phonogra-phischen Wirtschaft) von Hamburg nach Berlin. DerGesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrech-ten gehören heute fast 120.000 ausübende Künstler undüber 6000 Tonträgerhersteller an. Der Zuwachs an Be-zugsberechtigten führte zu einer Steigerung der Einnah-men, von 134 Mio. Euro im Jahr 2001 auf zuletzt (2006)163 Millionen. Die GVL ist damit international ebensoführend wie in ihrem Bereich die GEMA. Den größtenAnteil an ihren Einnahmen machen die Sendevergütun-gen für Tonträger aus, gefolgt von der Vergütung für dieöffentliche Wiedergabe. Rückläufig sind dagegen dieEinnahmen aus der Vervielfältigung zum privaten Ge-brauch, die von der ZPÜ (Zentralstelle für private Über-spielungsrechte) eingezogen werden. Die Einnahmenwerden zu gleichen Teilen an die Künstler und Herstel-ler verteilt. Die Verteilung erfolgt dabei nicht nach Sen-deminuten, wie in anderen Ländern, sondern entspre-chend der Honorierung der Erstauswertung. Entschei-dend ist damit nicht die künstlerische Leistung, um de-ren Bewertung sich die GEMA bemüht, sondern derMarktwert des jeweiligen Interpreten.

Entsprechend dem Gesetz war bei der Gründung derAFMA beschlossen worden, zehn Prozent ihrer jährli-chen Ausschüttungssumme für soziale, kulturelle undkulturpolitische Zwecke zu verwenden. Inzwischen istdieser Anteil bei allen Verwertungsgesellschaften nied-riger. Bei der GVL beträgt er bis zu fünf Prozent undwird vor allem für den künstlerischen Nachwuchs ver-wendet. Gefördert werden auch die Arbeitsphasen derJungen Deutschen Philharmonie und Projekte wie dasKonzert des Deutschen Musikrats.

Literarische Urheberrechte – die VG Wort

Obwohl der Theaterautor Beaumarchais zu den Pionie-ren des künstlerischen Urheberrechts gehörte, waren die

frühesten Verwertungsgesellschaften nicht der Litera-tur gewidmet, sondern der Musik. Zur 1851 gegründe-ten SACEM gehörten allerdings bereits Textdichter, dieaber nur dann Tantiemen erhielten, wenn Musikstückemit ihren Texten aufgeführt wurden. Diese Regelung giltin der GEMA bis heute. Autoren von Bühnentexten, sogenannte „Dramatiker“, hatten sich schon 1871 in der„Genossenschaft dramatischer Autoren und Komponis-ten“ zusammengetan, um ihre Rechte zu erkämpfen.Autoren anderer, nicht mit Musik verbundener literari-scher Texte konnten dagegen vor der Entstehung desRundfunks kaum Aufführungen oder sonstige Zweitnut-zungen nachweisen, die sie hätten auswerten können.Da erst das Radio neue Verwertungsmöglichkeiten schuf,gilt die 1926 gegründete „Gesellschaft für SenderechtembH“ als erste Verwertungsgesellschaft für literarischeUrheberrechte.

Anlass war Hugo von Hofmannsthals Einakter DerTor und der Tod, der ohne Genehmigung des Autors imRundfunk gesendet worden war. Der durch seine Auto-rengesellschaft vertretene Schriftsteller war vor Gerichtgegangen und hatte Recht bekommen: am 12. Mai 1926entschied das Reichsgericht, dass die Sendung einesSprachwerkes ohne Genehmigung gegen das ausschließ-liche Recht des Autors zur gewerbsmäßigen Verbreitungseines Werkes verstößt. Auf der Grundlage dieser Ent-scheidung gründeten die Autoren und Verleger drama-tischer Werke als Kontroll- und Inkassoinstitut die „Zen-tralstelle der Bühnenautoren und Bühnenverleger“, dieAutoren und Verleger nichtdramatischer Werke die schonerwähnte „Gesellschaft für Senderechte mbH“. Siebrachten die jeweiligen Senderechte in diese Gesell-schaften ein, die daraufhin mit der Reichsrundfunkge-sellschaft eine „Generallizenz“ gegen eine entsprechen-de Vergütung vereinbarten. Die gesendeten literarischenWerke wurden nach Zeilen verrechnet und nach Abzugeiner Inkassogebühr von 30 % an Autoren (45 %) undVerleger (25 %) verteilt.

Im Dritten Reich wurde die privatrechtliche „Gesell-schaft für Senderechte“ aufgelöst und durch den „Deut-schen Verein zur Verwertung von Urheberrechten anWerken des Schrifttums“ ersetzt. Erst 1947 entstand inBerlin wieder eine „Zentralstelle für Senderechte mbH“,die jedoch in den Westzonen keine Aktivitäten entfalte-te. Nachdem dort die Verwertung literarischer Werkelange brachgelegen hatte, gründeten die Autoren im Jahr1955 zu diesem Zweck gleich zwei Gesellschaften. InHannover entstand die „Gesellschaft zur Wahrung lite-rarischer Urheberrechte mbh“ (GELU) und in Münchenals ausdrückliche Gegengründung die „Verwertungsge-sellschaft für literarische Urheberrechte“ (VLU). Ange-sichts der Streitigkeiten zwischen beiden Gesellschaf-ten, an denen Verleger nicht beteiligt waren, wurde am17. Februar 1958 in München die „Verwertungsgesell-schaft WORT“ gegründet. Ihr Ziel war es, die widerstre-benden Gruppen zusammenzufassen und auch Verlegerins Boot zu holen. Entsprechend zählten zu den 13 Grün-dungsmitgliedern der VG WORT acht Schriftsteller undfünf Verleger. Nachdem die GELU schon im September1958 in Konkurs gegangen war, blieb noch die VLU, diesich erst nach jahrelangen Verhandlungen auflöste undihren Mitgliedern den Beitritt zur VG WORT empfahl.

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Solidargemeinschaften

Die Allgemeine Musikzeitung behandelt in ihrer Ausgabe vom 15.11.1895 die Frage des musikalischen Urheberrechts.Aus dem Buch „Musik hat ihren Wert. 100 Jahre musikalische Verwertungsgesellschaft in Deutschland“. ConBrio 2003

Gebäude der VG WORT in München. Foto: Reiner Roos

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Die Verwertungsgesellschaft WORT wollte Rechtsansprü-che bei der öffentlichen Wiedergabe im Rundfunk, beider Vervielfältigung durch privates Überspielen von Ton-trägern, bei der Filmvorführung, bei Verwendung in Leih-büchereien und im öffentlichen Vortrag durchsetzen, wasangesichts der mangelnden gesetzlichen Grundlagenzunächst Schwierigkeiten bereitete. Problematisch warauch, dass die Gesellschaft noch 1962 nur 430 Wahr-nehmungsberechtigte vertrat. Nachdem die ersten Jah-re fast ohne jede Einkünfte geblieben waren, brachte1963 der Beitritt zu der von GEMA und GVL gegründe-ten „Zentralstelle für private Überspielungsrechte“(ZPÜ) einen ersten Aufschwung – die VG WORT war nunbeteiligt am Inkasso der Gebühren für die private Über-spielung mittels Tonbandgeräten. 1966 betrugen ihreEinkünfte aus der Geräteabgabe bereits 640.000 DM,was ihr erstmals einen wirtschaftlichen Betrieb ermög-lichte.

Ein weiterer Zuwachs der Einnahmen erfolgte, nach-dem 1967 ein Vertrag mit der „Vereinigung der Musik-veranstalter e.V.“ abgeschlossen war, durch den Rechteder öffentlichen Wiedergabe abgegolten wurden. Seit-dem waren die Gaststättenbetriebe verpflichtet, zwan-zig Prozent der an die GEMA zu zahlenden Vergütun-gen an die VG WORT zu entrichten. Noch positiver schlugfür die literarischen Autoren die so genannte kleine Ur-heberrechtsreform von 1972 zu Buche, brachte sie ih-nen doch die Bibliothekstantieme, die nach den Leihbü-chereien nun auch sämtliche öffentliche Büchereien zuentrichten hatten. Im Juni 1975 wurde ein entsprechen-der Pauschalvertrag mit Bund und Ländern geschlos-sen, wodurch sich das bisherige Aufkommen der Ver-wertungsgesellschaft verdoppelte.

Neue Technologien führen zu neuen Verwertungs-arten. So ermöglicht der Fotokopierer bequeme Verviel-fältigungen aus Büchern, Zeitungen und Zeitschriften.Um Bücher vor dem unberechtigten Kopieren zu schüt-zen, führte der Börsenverein des Deutschen Buchhan-dels 1955 einen Musterprozess vor dem Bundesgerichts-hof. Auf der Grundlage der dort gefällten Entscheidungschloss der Börsenverein mit dem Bundesverband derDeutschen Industrie ein Abkommen; der BDI verpflich-tete sich darin, für die in gewerblichen Unternehmenaus wissenschaftlichen und Fachzeitschriften hergestell-ten Kopien eine Vergütung zu zahlen. Die zunächst ein-gerichtete „Inkassostelle für Fotokopiergebühren“ wur-de nach dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzesvon 1965 in eine selbständige „Inkassostelle für urhe-berrechtliche Vervielfältigungsgebühren GmbH“ umge-wandelt. Diese wurde 1972, nach der Einführung derBibliothekstantieme, zur Keimzelle der „Verwertungs-gesellschaft Wissenschaft GmbH“. Die Bibliothekstan-tieme erforderte eine enge Zusammenarbeit mit der VGWORT, was 1978 zur Verschmelzung beider Verwertungs-gesellschaften am Standort München führte.

Mehr als 340.000 Autoren und Übersetzer vonschöngeistigen und dramatischen, journalistischen undwissenschaftlichen Texten sowie über 8.000 Verlagehaben bis heute Wahrnehmungsverträge mit der VG Wortabgeschlossen. Diese konnte im Jahr 2005 Einnahmenvon rund 91 Millionen Euro erzielen. Rund 35 % davonstammten aus der Kopiergeräteabgabe, 24 % von Rund-funk- und Fernsehsendern. Nach Abzug der Verwaltungs-kosten, die 2005 bei 7 % lagen (2006 bei 8,95 %) wur-den insgesamt 84 Mio. Euro ausgeschüttet. Im Ge-

schäftsjahr 2006 sanken die Einnahmen auf 86 Mio. Euro,was nicht zuletzt an geringeren Einkünften aus der Ko-piergeräteabgabe lag. Leider führten die aufwändigenMusterprozesse, welche die VG WORT in der Frage derdigitalen Vervielfältigungsgeräte führte, noch zu keinengreifbaren Ergebnissen. Da zugleich die Zahl der Aus-schüttungsempfänger auf einen neuen Höchststandstieg, erhielten diese im Allgemeinen weniger als in denJahren zuvor.

Diverse Bildrechte – die VG BILD-KUNST

Zu den jüngsten Verwertungsgesellschaften gehört dieVG BILD-KUNST, die bildende Künstler im März 1968 inFrankfurt am Main als wirtschaftlichen Verein ins Lebenriefen. Nach dem Vorbild der Musikschaffenden und derliterarischen Autoren wollten nun auch sie ihre urhe-berrechtlichen Interessen wahrnehmen. Ihr Ausgangs-punkt war das so genannte Folgerecht. Es verpflichteteim Urheberrechtsgesetz von 1965 Galeristen und Auk-tionäre, bei Weiterverkäufen von Kunstwerken ein Pro-zent der Erlöse an die Urheber oder ihre Erben zu zah-len. Die Künstler, die ja ihre Werke nur einmal verkau-fen können, waren damit an den Wertsteigerungen imKunstmarkt beteiligt. Die neue „Bild-Kunst Gesellschaftzur Wahrnehmung und Verwertung der Rechte und An-sprüche bildender Künstler“ setzte sich zum Ziel, dieseRegelung durchzusetzen und zu verbessern. Viele Künst-lerkollegen reagierten auf entsprechende Rundschrei-ben positiv. Beim Frankfurter Künstlerkongress des Be-rufsverbandes Bildender Künstler im Juni 1971 bestä-tigten sie dies Interesse.

Widerstand kam dagegen vom Kunsthandel. Diesernahm noch zu, als die Urheberrechtsnovelle von 1972den Abgabesatz auf fünf Prozent erhöhte und den Händ-lern außerdem strengere Auskunftsverpflichtungen auf-erlegte. Einzelne Galeristen drohten Künstlern, die sichder neuen Verwertungsgesellschaft angeschlossen hat-ten, sie nicht mehr zu vertreten. Einige prominente Mit-glieder ließen sich durch solche Drohungen zum Aus-tritt bewegen. Dagegen protestierten Künstler wie Ger-hard Richter aus anderen Gründen gegen das neue Ge-setz. Richter hatte pauschale Abgaben gewünscht, wo-mit man auch jüngere Kollegen hätte fördern können.Dem stand das deutsche Urheberrecht entgegen, dasnur individuelle Vergütungen erlaubte.

Die ersten Jahre waren magere Jahre. Der Vereinhatte seinen Sitz in der Wohnung des Frankfurter Ma-lers und Grafikers Paul Rötger und wuchs nur langsam.Ende 1969 umfasste er 26 Mitglieder. Es gab noch kei-nerlei Einnahmen, dagegen Kosten, die durch einen Kre-dit gedeckt werden mussten. Aber die Mitgliederzahlerhöhte sich auf ca. 2.000, als 1974 auch andere Bildur-heber wie Illustratoren, Fotografen, Grafikdesigner undBildagenturen hinzukamen. Sie gründeten in der VGBILD-KUNST ihre eigene Berufsgruppe, die sich vor al-lem auf die zwei Jahre zuvor eingeführte Bibliotheks-tantieme konzentrierte. Dazu wurde 1975 ein Koopera-tionsvertrag mit der VG WORT geschlossen. Die Einkünfteaus der Bibliothekstantieme verbesserten endlich die an-gespannte Finanzlage der Verwertungsgesellschaft. Siekonnte Büros in München und Frankfurt eröffnen unddamit beginnen, die Rechte ihrer Mitglieder auch ge-genüber Verlagen zu vertreten.

Gegner der VG BILD-KUNST hielten dieser ihre un-wirtschaftliche Arbeitsweise vor. Tatsächlich wurden1978 von den Erträgen von 838.000 DM, die vor allem

der Bibliothekstantieme entstammte, mehr als 590.000für Verwaltungskosten verwendet. Angesichts negativerPressemeldungen stieg die Mitgliederzahl zunächst nurlangsam (1978 auf 2.700, 1980 auf 3.400). Die Vorstel-lung, dass eine kollektive Wahrnehmung von Rechtensinnvoll sein könne, war den bildenden Künstlern au-ßerdem damals meist noch fremd. Eher tendierten siedazu, die Verbreitung von Abbildungen ihrer Werke alsWerbung anzusehen. Ähnlich wie zu den Gründungs-zeiten der musikalischen Verwertungsgesellschaften, alsKomponisten von den neuen Gebühren sinkende Auf-führungszahlen befürchteten, meinten auch viele Bild-urheber, die neuen Geldforderungen würden die Verbrei-tung ihrer Werke behindern.

Zu den Gegnern der Verwertungsgesellschaft hat-ten neben den Galeristen zunächst auch die Verlegergehört. Aber schon 1977 kam es zu einer ersten Koope-ration mit dem Börsenverein der Deutschen Buchhan-dels. Bald erkannte man, dass die kollektive Wahrneh-mung von Bildrechten beiden Seiten Vorteile brachte.Ab 1982 wurden auch Filmurheber und Filmproduzen-ten in die VG aufgenommen, die dort eine dritte Berufs-gruppe bildeten. Ihr Interesse entsprang aus der rapi-den Zunahme privater Nutzungen durch Tonkassettenund Videogeräte. Aber auch bei anderen Gruppen derbildenden Künstler führten neue Reproduktions- undVorführungstechniken zu einer Vergrößerung des Ver-wertungsspektrums.

Trotz dieser Ausweitung ihres Aufgabenbereichs be-mühte sich die VG BILD-KUNST um eine schlankere Or-ganisationsstruktur, um die zunächst noch sehr hohenKosten zu reduzieren. Die Verwaltung wurde vereinheit-licht und rationalisiert, dabei 1986 die Geschäftsstelleweitgehend von München nach Bonn verlagert. Zu dentreibenden Kräften dieser Reform gehörte Gerhard Pfen-nig, der Bundesgeschäftsführer des BerufsverbandesBildender Künstlerinnen und Künstler (BBK), der seit1982 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VGBILD-KUNST ist und diese Position bis heute mit großerSachkenntnis bekleidet. Seit 1995 ist die Bonner Haupt-verwaltung mit ca. 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern im dortigen „Haus für Kultur“ untergebracht.Daneben verfügt die Verwertungsgesellschaft über einBüro in Berlin; es sind die ehemaligen Räume des DDR-eigenen „Büros für Urheberrechte“.Karikatur: Dieko Müller

Mit den anderen deutschen Verwertungsgesellschaftenarbeitet die VG BILD-KUNST eng zusammen. So verwal-tet sie die Bibliothekstantieme in einer gemeinsam mitder VG WORT und der GEMA gegründeten Zentralstelle.Fast vierzig Jahre nach ihrer Gründung ist sie auf heuteca. 39.000 Mitglieder angewachsen; seit 1985 gehörenzu ihr auch Szenenbildner, Kostümbildner und Filmar-chitekten. Im zurückliegenden Jahr 2006 betrug die Ge-samtsumme ihrer Erlöse ca. 43,5 Millionen Euro, wobeidie Videogeräte- und Leerkassettenabgabe einen Anteilin Höhe von ca. 15 Mio. ausmacht, gefolgt von den Fo-tokopiervergütungen (ca. 11,3 Mio.). Für Reproduktions-rechte in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern wurden3,9 Mio. Euro eingenommen, für die Folgerechte bilden-der Künstler ca. 3,6 Mio. und für die Bibliothekstantie-me etwa 380.000. Davon abzuziehen sind die Verwal-tungskosten, die inzwischen bei einem mit anderen Ver-wertungsgesellschaften vergleichbaren Durchschnitt von7-10 % liegen.

Für kulturelle und soziale Zwecke behielt die VG BILD-KUNST zuletzt ca. 1 Mio. Euro ein, die fast ausschließlichder Stiftung Kunstfonds zugute kommen. Die Stiftungvergibt seit 1990 den HAP-Grieshaber-Preis, benanntnach dem Grafiker, der sich besondere Verdienste umdie Entwicklung der Verwertungsgesellschaft erwarb.Aus ähnlichen Gründen verleiht die GEMA die Richard-Strauss-Medaille und die GVL einen Hermann-Voss-Kul-turpreis.

Wie für die anderen Verwertungsgesellschaften istauch für die VG BILD-KUNST die Zusammenarbeit mitden internationalen Schwestergesellschaften selbstver-ständlich. Schon 1973 war ein Gegenseitigkeitsvertragmit der französischen SPADEM zustande gekommen.Die zunehmend multimediale Nutzung erfordert au-ßerdem eine Zusammenarbeit von Autoren der ver-schiedenen Sparten als Gegengewicht gegen die wirt-schaftlich weiterhin übermächtige Verwertungsindus-trie. Dem entspricht der Schulterschluss der Verwer-tungsgesellschaften, um auf nationaler wie europäischerEbene die Rechte der Urheber abzusichern und weiterzu entwickeln.

DER VERFASSER LEBT ALS MUSIKWISSENSCHAFTLERUND PUBLIZIST IN BERLIN UND HAT ZULETZT EINE GE-SCHICHTE DER GEMA VERFASST

Gebäude der VG BILD-KUNST in Bonn. Foto: Hanno Thon

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politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 6

Statements KLAUS-MICHAEL KARNSTEDT, MITGLIED IM AUF-SICHTSRAT DER GEMA: „Es liegt mir sehr am Herzen, mit dazu beizutragen,das Inkasso der GEMA zu stärken und in einigenBereichen zu verbessern. Dieses betrifft auch dieTarifgestaltung im Bereich des mechanischenRechts sowie die des gesamten Online-Geschäfts.Ferner setze ich mich dafür ein, dass das internatio-nale Erscheinungsbild der GEMA weiterhingepflegt und gegebenenfalls verbessert wird,damit eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mitanderen Verwertungsgesellschaften garantiertbleibt und darüber hinaus die Transparenz derGEMA nicht nur für ihre Mitglieder, sondern auchfür die internationalen Autoren und Verlegererhalten bleibt.“

Klaus-Michael Karnstedt. Foto: GEMA

Wolfgang Dick.Foto: Oldenbourg Schulbuchverlag GmbH

WOLFGANG DICK, MITGLIED IM VERWALTUNGS-RAT DER VG WORT:Zu den traditionellen, vor allem auf dem Gutenberg-Medium Druck basierenden Nutzungsarten vonTexten sind in den letzten Jahrzehnten neue, vorallem elektronische Nutzungsarten hinzugekom-men. So erfreulich dies ist, so dringlich ist es, dafürklare Regelungen im Urheberrecht zu schaffen undin der Praxis durchzusetzen. Wie üblich gibt es auchdazu gegensätzliche Positionen. Dem Schutzbedürf-nis von Autoren und Verlegern stehen die Interes-sen z. B. der Geräteindustrie gegenüber. Gefahrdroht auch von der durch das Internet hergestelltenGlobalisierung. Ohne wirksamen nationalen undinternationalen Schutz und ohne angemesseneEntlohnung von Autoren und Wahrnehmungsberech-tigten sind Bildung und Information auf höchstemNiveau und in Freiheit gefährdet. Deshalb engagiereich mich.

FRAUKE ANCKER, VORSTANDSMITGLIED DER VGBILD-KUNST:Die Verwertungsgesellschaften sind wichtig für dieUrheber. Wer würde sonst die Erlöse aus der Zweit-verwertung für die Urheber einkassieren und an dieseverteilen? Wer würde sonst für die Abgabepflichtig-keit neuer Verwertungsformen kämpfen? Wer würdesich in langwierigen und oft kostspieligen Urteilenfür die Rechte der Urheber engagieren? Wer machtedie so notwendige Interessenpolitik für Urheber?Zwar ist in Sonntagsreden unbestritten, dass dieKulturschaffenden wichtig für unsere Gesellschaftsind, sie sind unverzichtbar für den Fortschritt invielen Bereichen, sie sind das Salz in der Suppe.Wenn es aber um das angemessene Honorar für dieseLeistung geht, tauchen die meisten Sonntagsrednerab und denken lieber an multimediale Vermarktungs-möglichkeiten und Querfinanzierung andererProjekte als an die faire Teilhabe des Urhebers amwirtschaftlichen Erfolg.Glücklicherweise vertreten auch Berufsverbände undGewerkschaften die Interessen der Urheber, aber dieVerwertungsgesellschaften haben den großen Vorteilals neutraler zu gelten, nicht nur weil in einigen auchdie Vermarkter inzwischen vertreten sind, sondernweil es ganz sachlich um die Umsetzung existieren-den Rechtes geht, die Rechte, die der Gesetzgeberden Urhebern zugestanden hat. Dies macht die

Verwertungsgesellschaften – was tun sie?

Was tun Verwertungsgesellschaften?Was machen eigentlich Verwertungsgesellschaften?Sind sie Unternehmen der Kulturwirtschaft? Gehörensie auf Grund ihres Umsatzes zu den großen Playernim Kulturbereich und haben daher eine starke Positi-on, oder sind sie eigentlichen sozialen und kulturellenZielen verpflichtet? Wer kann Mitglied einer Verwer-tungsgesellschaft werden? Besteht die Möglichkeit fürjeden oder gibt es Abstufungen zwischen ordentlichenMitgliedern und einfachen Wahrnehmungsberechtig-

ten? Wie werden die Einnahmen verteilt? Wer enga-giert sich in Verwertungsgesellschaften? Und warumsind sie bereit dieses Ehrenamt zu übernehmen? Mitdiesen Fragen befasst sich Gabriele Schulz im folgen-den Kapitel. Mitglieder der gewählten Aufsichtsgre-mien geben in Kurzstatements Auskunft, warum siesich dort engagieren.

DIE REDAKTION

Buchstabensetzen als Drahtseilakt. Foto: Stefanie Ernst

Keine normalen UnternehmenVerwertungsgesellschaften I Von Gabriele Schulz

Die Verwertungsgesellschaften haben – wie AlbrechtDümling in diesem Dossier dargestellt hat – zumeist einewechselvolle Geschichte hinter sich. Dass aller Anfangschwer ist, zeigt sich auch in ihrer Historie. Es galtzunächst die Urheber und andere Rechteinhaber „untereinen Hut zu bringen“, eine Satzung zu entwickeln, dieGremien zu bilden und schließlich musste das Inkassogelingen. Die meisten Verwertungsgesellschaften krank-ten zunächst an letzterem. Diese Anfangsprobleme sindjedoch längst überwunden. Die Verwertungsgesellschaf-ten sind innerlich gefestigt. Die von ihnen wahrgenom-menen Rechte werden im Urheberrecht benannt und imUrheberrechtswahrnehmungsgesetz ist die Aufsicht überdie Verwertungsgesellschaften geregelt. Hier ist auchfestgelegt, dass ein Teil der Erlöse für soziale und kultu-relle Zwecke verwandt werden muss.

V erwertungsgesellschaften bewegen sich also wederim rechtsfreien Raum noch können sie nach Gut-

dünken handeln. Ganz im Gegenteil, der vom DeutschenPatent- und Markenamt wahrgenommenen Aufsichtwerden durch das UrheberrechtswahrnehmungsgesetzBefugnisse erteilt, um die Arbeit der Verwertungsgesell-schaften effektiv zu kontrollieren. Dieses ist auch rich-tig so, denn die jeweiligen Verwertungsgesellschaftenbilden de facto ein Monopol. Neben der staatlichenAufsicht, der die Jahresabschlüsse, die Tarife, die Be-schlüsse der gewählten Gremien und die Satzungsän-derungen unverzüglich mitgeteilt werden müssen, be-aufsichtigen die gewählten Gremien die Verwertungs-gesellschaften.

Verwertungsgesellschaften sind Selbstorganisatio-nen der Urheber und der Rechteinhaber. Die Delegier-ten der Urheber und Rechteinhaber legen die Satzungfest, sie bestimmen über die Tarife und sie entscheidenüber die Verteilungspläne. Die Vorstände oder geschäfts-führenden Vorstandsmitglieder müssen mit den gewähl-ten Gremien eng zusammenarbeiten. Bereits auf Grundihrer Rechtsform unterscheiden sich viele Verwertungs-gesellschaften von „normalen“ Unternehmen. Nochmehr gilt dies bezüglich der internen und externen Kon-trollen.

Und noch ein weiteres Unterscheidungskriteriumdarf nicht außer Acht gelassen werden. Verwertungsge-sellschaften sind sozialen und kulturellen Zwecken perGesetz verpflichtet. Diesem gesetzlichen Auftrag wirdin den Satzungen und in der Praxis entsprochen.

Rechtsformen

Die Verwertungsgesellschaften GEMA, VG BILD-KUNSTund VG WORT sind wirtschaftliche Vereine. Damit un-terscheiden sie sich vom allgemein bekannten einge-tragenen Verein, der nicht auf wirtschaftlichen Ge-schäftsbetrieb ausgerichtet ist und der in das Vereinsre-gister der zuständigen Amtsgerichte eingetragen wird.Ein wirtschaftlicher Verein – auch rechtsfähiger Vereinkraft Verleihung genannt – verfolgt einen wirtschaftli-chen Geschäftsbetrieb. Er erhält seine Rechtsfähigkeitdurch die staatliche Verleihung. Die GVL hat die Rechts-form der GmbH gewählt. Gesellschafter sind die Deut-sche Orchestervereinigung und die Deutsche Landes-gruppe der IFPI (International Federation of the Phono-graphic Industry).

In Deutschland unterliegen die Verwertungsgesell-schaften der Aufsicht des Deutschen Patent- und Mar-kenamtes. Zusammen mit dem Bundeskartellamt ent-scheidet das Deutsche Patent- und Markenamt zuerstüber die Erlaubnis zum Betrieb einer Verwertungsge-sellschaft. Ebenso obliegt es dem Deutschen Patent- undMarkenamt gegebenenfalls über den Widerruf einer Er-laubnis zu entscheiden. Gitta Connemann und SabineBingener setzen sich in diesem Dossier mit der Aufsichtüber die Verwertungsgesellschaften auseinander.

Gewinnorientierung oder Gemeinnutz

Obwohl die Verwertungsgesellschaften die Rechtsformdes wirtschaftlichen Vereins haben, ist ihre Tätigkeit nichtauf einen Gewinn ausgerichtet. So ist zum Beispiel in §2 Satz 1 der GEMA-Satzung festgelegt: „Zweck des Ver-eins ist der Schutz des Urhebers und die Wahrnehmungseiner Rechte im Rahmen der Satzung. Seine Einrich-tung ist uneigennützig und nicht auf die Erzielung vonGewinn gerichtet.“ In der Satzung der VG WORT stehtin § 1 (III): „Zweck des Vereins ist es, die urheberrecht-lichen Befugnisse seiner Mitglieder und Wahrnehmungs-berechtigten treuhänderisch wahrzunehmen, die ihmvertraglich diese Wahrnehmung anvertrauen.“ Und in§ 1 (IV): „Die Einrichtung des Vereins ist gemeinnützigund nicht auf die Erzielung von Gewinn gerichtet.“ Beider VG BILD-KUNST wird diese Grundaussage in § 2 Satz3 der Satzung so getroffen: „Die Tätigkeit der VG BILD-KUNST ist nicht auf die Erzielung von Gewinn gerich-tet.“ In der Satzung der GVL ist unter § 5 nachzulesen:„Die Geschäftsführung ist entsprechend dem satzungs-gemäßen Zwecke der der Gesellschaft so einzurichten,daß für die Gesellschaft keine Gewinne erzielt werden.“Bereits die Satzungen der hier besonders vorgestellten

Verwertungsgesellschaften verbieten also eine Gewinn-orientierung der Verwertungsgesellschaft. Grob gespro-chen gilt folgendes Prinzip: die Einnahmen werden ab-züglich der Verwaltungskosten und der Ausgaben für so-ziale und kulturelle Zwecke an die Wahrnehmungsbe-rechtigten verteilt. Die erzielten Einnahmen werden alsonicht gewinnbringend angelegt, in Aktien investiert oderähnliches. Dieses ist ein wesentlicher Unterschied zunormalen Unternehmen. Verwertungsgesellschaftenkönnen sich daher an Projekten wie z.B. der InitiativeMusik nur im Rahmen ihrer kulturellen Zwecke enga-gieren. Dabei handelt es sich dann um kein Engagementder Musikwirtschaft, sondern um eine Beteiligung derUrheber an diesem Vorhaben, denn sie müssen für dieErfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen sozialen undkulturellen Zwecke auf einen Teil ihrer Vergütungen ver-zichten.

Wahrgenommene Rechte

Die Verwertungsgesellschaften nehmen vor allem diegesetzlichen Vergütungsansprüche der Urheber, Leis-tungsschutzberechtigten und anderen Rechteinhaberwahr. Das sind zum Beispiel:· Vergütungsansprüche aus der Vervielfältigung zum pri-

vaten Gebrauch in Form der Geräte- und Speicherme-dienabgabe sowie der Fotokopierabgabe,

· Vergütungsansprüche aus der Kabelweitersendung,· Vergütungsansprüche aus der Herstellung von Pres-

sespiegeln,· Vergütungsansprüche aus der öffentlichen Zugänglich-

machung für Unterricht und Forschung,· Vergütungsansprüche aus dem Vermieten und Verlei-

hen von Vervielfältigungsstücken.Treuhänderisch nehmen die Verwertungsgesellschaftenfolgende Aufgaben wahr:· Vergütungsansprüche aus der öffentlichen Wiederga-

be von Bildtonträgern,· Vergütungsansprüche aus der öffentlichen Wiederga-

be von Funksendungen.Die GEMA nimmt weiter die Vergütungsansprüche

aus der öffentlichen Aufführung von Musik wahr. Hierzusteht in § 13a Urheberrechtswahrnehmungsgesetz: „(1)Veranstalter von öffentlichen Wiedergaben urheber-rechtlich geschützter Werke haben vor der Veranstal-tung die Einwilligung der Verwertungsgesellschaft ein-zuholen, welche die Nutzungsrechte an diesen Werkenwahrnimmt.“ Bei Live-Aufführungen von Musik ist dieGEMA allein zuständig, bei der Wiedergabe von Musikauf Tonträgern erhalten die ausübenden Künstler eineVergütung. Zuständige Verwertungsgesellschaft ist dieGVL. Das Inkasso wird im Auftrag der GVL von der GEMAerledigt.

Bei der öffentlichen Aufführung von Musik wirdbesonders anschaulich, wie wichtig Verwertungsgesell-schaften sind. Es ist weder dem Urheber noch dem Nut-zer urheberrechtlich geschützter Werke möglich, jedeNutzung nach zu halten. Man stelle sich vor, jeder Nut-zer urheberrechtlich geschützter Werke müsste zuvorbeim Komponisten und beim Textdichter die Erlaubniszur öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes einho-len und einzeln mit ihm abrechnen. Hält man sich die-ses vor Augen, wird deutlich, dass die kollektive Rech-tewahrnehmung eine deutliche Vereinfachung und we-

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Peter Hanser-Strecker. Foto: Schott Music

PETER HANSER-STRECKER, MITGLIED IM AUF-SICHTSRAT DER GEMA:Für mich ist es seit Jahrzehnten ein wichtiges persönli-ches Anliegen, mich in der GEMA zu engagieren, undobwohl mit einigem Aufwand verbunden, möchte ichdiese Arbeit auch in Zukunft gerne fortsetzen. DerGrund ist einfach: Die Arbeit der GEMA ist für unserUnternehmen von existenzieller Bedeutung. Sieunterstützt uns als Verlag dabei, Urheber angemessenfür ihre Arbeit zu entlohnen, indem sie elementareRechte unserer Autoren wahrnimmt. Sie schützt auchunsere verlegerischen Leistungen.Im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierungist es unser gemeinsames Ziel, den Schutz geistigenEigentums und seine Transformation in klingendeMünze durchzusetzen. So kommt jedes Engagementin der GEMA sowohl unseren Autoren als auch demUnternehmen zugute und unterstützt darüber hinausdas gesellschaftspolitische Anliegen des Urheber-schutzes.

Frauke Ancker. Foto: privat

SUSANNE SCHÜSSLER, MITGLIED IM VERWAL-TUNGSRAT DER VG WORT:Schon vor der Aufnahme meines Germanistikstudi-ums hatte ich in Verlagen gearbeitet und wusste, dassich dorthin zurückkehren würde. Also studierte ichdas ungewöhnliche Nebenfach Urheberrecht, das einspäteres Präsidiumsmitglied der VG WORT, Prof.Gerhard Schricker, unterrichtete, und wurde mit derNotwendigkeit und der gesetzlichen Verankerung derVerwertungsgesellschaften sowie ihrer großenBedeutung für Urheber wie Verwerter gleichermaßenvertraut gemacht. So musste ich nicht langeüberlegen, als man mir antrug, Mitglied im Verwal-tungsrat zu werden. Als ich dorthin kam, hatte dieUrheberrechtsnovelle viele Probleme aufgeworfen.Als Leiterin eines – auch 40 Jahre nach seinerGründung – unabhängigen, linken Programmverlagsmöchte ich mich dafür einsetzen, dass sich Autorenund Verlage nicht als Gegner mit unterschiedlichenInteressen begreifen, sondern dafür arbeiten, dasswir unsere Konflikte vernünftig beilegen und diegemeinsamen Ziele in den Vordergrund stellen: Einelobbystarke Geräteindustrie und eine öffentliche

StatementsVerwertungsgesellschaften politisch effizient. Es istdieser Tage viel von Digital Rights Management (DRM)die Rede, angeblich marktfähige Software, die dieindividuelle Abrechnung zwischen Vermarkter undUrheber ermöglichen soll. Damit, so die Vertreter desDRM, wären Verwertungsgesellschaften eigentlichüberflüssig. Zunächst einmal stimmt die These nicht.Es gibt keine marktfähige Software in diesem Bereich.Zum anderen wäre damit das Ziel erreicht, dieUrheber, überwiegend kreative Individualisten, zuatomisieren und sie eines gewichtigen Sprachrohrs zuberauben. Damit die Verwertungsgesellschaften weiterfür die Urheber tätig sein können, engagiere ich michin der VG BILD-KUNST. Ich habe von der Arbeit aberauch profitiert: Einerseits zwingt das Engagementdazu im Bereich des Urheberrechtes auf dem neuestenStand zu bleiben, an politischen Entwicklungen,Gesetzgebungsvorhaben zugunsten der Urhebermitzuwirken, was meist ein zähes Geschäft ist, aberauch Erfolge mit sich bringt. Zum anderen war und istdie persönliche Begegnung mit Urhebern interessantund bereichernd. Sie hilft über den eigenen Horizonthinauszublicken.

Verwertungsgesellschaften – was tun sie?

Bestandteil des äußeren Erscheinungsbildes eines frühen Computers. Foto: Stefanie Ernst

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niger bürokratischen Aufwand darstellt. Dieses gilt auchfür die Rechteinhaber selbst. Sie haben überhaupt nichtdie Möglichkeit von jedem Nutzungsvorgang einzeln zuerfahren und dafür eine Vergütung zu erheben. Erst diekollektive Rechtewahrnehmung macht es möglich, dassdie Urheber tatsächlich eine Vergütung für die Nutzungihrer Werke erhalten und diese Vergütung sollte für je-dermann eine Selbstverständlichkeit sein. Handelt es sichdoch bei Künstlern nicht um Hobbykomponisten oderHobbydichter, die ihre Werke jedermann zugänglichmachen wollen und ihren Lebensunterhalt anderweitigverdienen. Künstler leben von der Verwertung und Nut-zung ihrer Werke, daher müssen sie eine Vergütung er-halten.

Die GEMA ist die Verwertungsgesellschaft, mit derdie „normalen“ Nutzer urheberrechtlich geschützterWerke am direktesten in Kontakt kommen. Vereine, dieMusik aufführen oder bei ihren Festen spielen, müssenan die GEMA die Gebühren abführen.

Eine ähnliche Vereinfachung der Rechtewahrneh-mung stellen zum Beispiel die Gesamtverträge über dieBibliothekstantieme sowie den Kopiendirektversand dar.Diese Verträge werden zwischen den 16 Ländern undden Verwertungsgesellschaften geschlossen. Laut § 27Urheberrechtswahrnehmungsgesetz ist für die Vermie-tung von Bild- oder Tonträgern und die Verleihung vonOriginalen oder Vervielfältigungsstücken eines Werkeseine Vergütung an den Urheber zu zahlen. Auf den Ver-gütungsanspruch kann nicht verzichtet werden. Sie kön-nen laut Gesetz auch nur durch eine Verwertungsge-sellschaft geltend gemacht werden. – Es wäre auchweder dem einzelnen Künstler noch dem Nutzer zumut-bar, jeden einzelnen Verleih- oder Vermietvorgang zukontrollieren und eine Gebühr zu erheben. – Auch hierstellt die kollektive Rechtewahrnehmung eine deutlicheVereinfachung dar. Denn auch in diesem Fall ist es fürden Nutzer weder praktikabel noch zumutbar jeweilsdie Genehmigung vom Urheber einzuholen und danndie Vergütung zu entrichten. Aus gutem Grund hat da-her der Gesetzgeber festgelegt, dass diese Vergütungennur von Verwertungsgesellschaften wahrgenommenwerden können.

Wahrnehmungszwang und Abschluss-zwangDie Verwertungsgesellschaften können sich ihre Wahr-nehmungsberechtigten nicht aussuchen. Sie sind gesetz-lich verpflichtet, mit jedem, der es möchte, einen Wahr-nehmungsvertrag abzuschließen. Hierzu ist in § 6 Urhe-berrechtswahrnehmungsgesetz formuliert: „(1) Die Ver-wertungsgesellschaft ist verpflichtet, die zu ihrem Tä-tigkeitsbereich gehörenden Rechte und Ansprüche aufVerlangen der Berechtigten zu angemessenen Bedingun-gen wahrzunehmen, wenn diese Deutsche im Sinne desGrundgesetzes oder Staatsangehörige eines anderenMitgliedstaates der Europäischen Union oder eines an-deren Vertragsstaates des Abkommens über den Euro-päischen Wirtschaftsraum sind oder ihren Wohnsitz imGeltungsbereich dieses Gesetzes haben und eine wirk-same Wahrnehmung der Rechte oder Ansprüche andersnicht möglich ist. Ist der Inhaber eines UnternehmensBerechtigter, so gilt die Verpflichtung gegenüber demUnternehmen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der Eu-ropäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Ab-kommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.“

Genauso wie die Verwertungsgesellschaften mit je-dem Wahrnehmungsberechtigten einen Wahrnehmungs-vertrag abschließen muss, muss sie jedem, der es möchte,zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrecht einräu-men. Dieser Abschlusszwang ist in § 11 Urheberrechts-wahrnehmungsgesetz festgeschrieben. Hier steht: „(1)Die Verwertungsgesellschaft ist verpflichtet, auf Grundder von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann aufVerlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungs-rechte einzuräumen.“

Darüber hinaus wird den Verwertungsgesellschaf-ten per Gesetz auferlegt, Gesamtverträge zu angemes-senen Bedingungen mit Nutzern urheberrechtlich ge-schützter Werke oder Leistungen abzuschließen. EineAusnahme besteht lediglich, wenn der Verwertungsge-sellschaft diese Gesamtverträge auf Grund einer gerin-gen Mitgliederzahl des Nutzes nicht zuzumuten sind (§12 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz).

Der doppelte Kontrahierungszwang, also der Wahr-nehmungszwang wie auch der Abschlusszwang, gepaartmit der Verpflichtung Gesamtverträge abzuschließen,sofern es der Verwertungsgesellschaft zuzumuten ist,beschreibt nochmals, wie stark die Arbeit der Verwer-tungsgesellschaften durch den Gesetzgeber reglemen-tiert wird. Diese Reglementierung liegt in der besonde-ren Stellung der Verwertungsgesellschaft, eben demausschließlich von ihnen vertretenen Repertoire, begrün-det.

Wahrnehmungsberechtigter oderMitglied?Aus dem Wahrnehmungszwang ergibt sich, dass jedeVerwertungsgesellschaft Urheber als Wahrnehmungsbe-rechtigte aufnehmen muss. Manche Verwertungsgesell-schaften unterscheiden allerdings zwischen Mitgliedern

und Wahrnehmungsberechtigten. In § 6 Urheberrechts-wahrnehmungsgesetz ist geregelt, wie die Wahrneh-mungsberechtigten, die nicht Mitglied einer Verwer-tungsgesellschaft werden können, in Entscheidungs-prozesse über eine gemeinsame Vertretung einbezogenwerden müssen. Hier ist formuliert: „(2) Zur angemesse-nen Wahrung der Belange der Berechtigten, die nicht alsMitglieder der Verwertungsgesellschaft aufgenommenwerden, ist eine gemeinsame Vertretung zu bilden. DieSatzung der Verwertungsgesellschaft muß Bestimmun-gen über die Wahl der Vertretung durch die Berechtigtensowie über die Befugnisse der Vertretung enthalten.“Bei der GEMA wird eine Unterscheidung der Mitgliederin:· ordentliche Mitglieder,· außerordentliche Mitglieder,· angeschlossene Mitgliedergetroffen. Die Bedingungen für die außerordentliche undordentliche Mitgliedschaft der GEMA sowie der Statusder angeschlossenen Mitglieder wird in der Satzung derGEMA in den § 6 bis 8 beschrieben. § 9 geht auf dieBeendigung der Mitgliedschaft ein.

Angeschlossene Mitglieder sind Wahrnehmungsbe-rechtigte, die mit der GEMA einen Berechtigungsvertraggeschlossen haben. Sie sind nicht Mitglied der GEMAim Sinne des Vereinsrechts. Rechtliche Grundlage ist al-lein der Berechtigungsvertrag. Die außerordentlicheMitgliedschaft kann beim Vorstand beantragt werden.Vor der Aufnahme muss der Antragsteller dem Aufnah-meausschuss alle von ihm geforderten Auskünfte ertei-len. Gegebenenfalls müssen sich Antragsteller, die Ur-heber sind, einer Klausurprüfung vor dem Aufnahme-ausschuss unterziehen. Sollte der Vorstand den Antragauf Aufnahme als außerordentliches Mitglied ablehnen,besteht die Möglichkeit beim Aufsichtsrat Beschwerdeeinzulegen.

Die außerordentliche und ordentliche Mitgliedschaftsteht grundsätzlich laut § 6, 4 der GEMA-Satzung nurfolgenden Personenkreisen bzw. Unternehmen offen:a) Komponisten und Textdichter, die die deutsche Staats-angehörigkeit oder die Staatsangehörigkeit eines Mit-gliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzenoder ihren steuerlichen Wohnsitz im Verwaltungsgebietdes Vereins oder in einem Mitgliedstaat der Europäi-schen Gemeinschaft haben. Ausnahmen bedürfen derZustimmung des Aufsichtsrats.b) Musikverlage, die ihren Sitz im Verwaltungsgebiet desVereins oder in einem Mitgliedstaat der EuropäischenGemeinschaft haben und im Handelsregister eingetra-gen sind. Auf Verlangen des Vorstands sind die Firmenverpflichtet, einen Handelsregisterauszug nach demneuesten Stand vorzulegen. Bestehende Mitgliedschaf-ten werden durch diese Bestimmungen nicht berührt.Als Musikverlag kann nur eine Firma aufgenommen wer-

den, die Werke der Musik aufgrund schriftlich im Sinnedes geltenden Verlagsgesetzes geschlossener Verlagsver-träge vervielfältigt und verbreitet. Darunter sind nur diehandelsübliche Herstellung und der handelsübliche Ver-trieb von Noten (auch als Mietmaterial) zu verstehen.

Musikverlage, die in Form einer Gesellschaft geführtwerden, sind verpflichtet, die Beteiligungsverhältnisseoffenzulegen. Befinden sich Kapitalanteile unmittelbaroder mittelbar in Händen einer anderen Gesellschaft,so erstreckt sich die Verpflichtung zur Offenlegung auchauf diese.“

Voraussetzung für die ordentliche Mitgliedschaft istzunächst die fünfjährige außerordentliche Mitglied-schaft. Weiter müssen ordentliche Mitglieder ein be-stimmtes Mindesteinkommen aus Vergütungen derGEMA erreichen, bevor sie die ordentliche Mitgliedschafterhalten. Dabei gelten laut § 7 der GEMA-Satzung fol-gende Bestimmungen:· Komponisten müssen in fünf aufeinander folgenden

Jahren ein Mindestaufkommen von mindestens30.677,5 Euro insgesamt, jedoch in vier aufeinander-folgenden Jahren mindestens 1.840,65 Euro von derGEMA bezogen haben. Für ehemalige ordentliche Mit-glieder beträgt die Frist drei Jahre und es muss einMindestaufkommen von mindestens 12.271,01 Euroerreicht werden. Bei Komponisten, die der Sparte Ezugerechnet werden, verringern sich die Beträge umein Drittel.

· Textdichter müssen ebenfalls in fünf aufeinander fol-genden Jahren ein Mindestaufkommen von mindestens30.677,5 Euro insgesamt, jedoch in vier aufeinander-folgenden Jahren mindestens 1.840,65 Euro von derGEMA bezogen haben. Für ehemalige ordentliche Mit-glieder beträgt die Frist drei Jahre und es muss einMindestaufkommen von mindestens 12.271,01 Euroerreicht werden. Bei Textdichtern, die der Sparte E zu-gerechnet werden, verringern sich die Beträge um einDrittel.

· Musikverleger müssen in fünf aufeinander folgendenJahren ein Mindestaufkommen von mindestens76.693,78 Euro insgesamt, jedoch in vier aufeinan-derfolgenden Jahren mindestens 4.601,63 Euro vonder GEMA bezogen haben. Für ehemalige ordentlicheMitglieder beträgt die Frist drei Jahre und es muss einMindestaufkommen von mindestens 30.677,51 Euroerreicht werden. Bei Musikverlegern, die der Sparte Ezugerechnet werden, verringern sich die Beträge umein Drittel.

Die Mitgliedschaft als ordentliches Mitglied mussbeim Vorstand beantragt werden. Der Vorstand entschei-det im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat.Darüber hinaus kann der Aufsichtsrat ordentliche Mit-

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Meinung, die den Urheberschutz von Werken geringachtet, sind schwierige und mächtige Gegner, gegendie wir, die Autoren, Journalisten, Verlage, nur durchgemeinsame Anstrengung etwas bewirken können.

Dagmar Sikorski. Foto: GEMA

DAGMAR SIKORSKI, MITGLIED IM AUFSICHTSRATDER GEMA:62.690 Komponisten, Textdichter und Musikverlegerbilden weltweit eine der wegweisendsten Solidarge-meinschaften. Trotz vieler Begehrlichkeiten,ausgelöst durch neue Technologien und politischeEntscheidungen, hat es diese Gemeinschaft bisherimmer erreicht, eine angemessene Vergütung für dieNutzung der Werke ihrer Mitglieder zu sichern. Dafürstehen vier Buchstaben: GEMA, Gesellschaft fürmusikalische Aufführungs- und mechanischeVervielfältigungsrechte. Keine Behörde, sondern eineflexible und international renommierte Verwertungs-gesellschaft, die mit ihrer professionellen Arbeitnicht nur das Inkasso von Lizenzen sicherstellt,sondern auch im politischen Bereich die Interessender Urheber mit Nachdruck vertritt. Die GEMA warund ist sich ihrer sozialen und kulturellen Verantwor-tung stets bewusst. Über 50 Millionen Euro werdenjährlich für soziale Projekte und kulturelle Zweckeaufgewandt.Unter dem GEMA-Motto „Musik hat ihren Wert“kämpfe ich als Aufsichtsratsmitglied der GEMA undPräsidentin des Deutschen Musikverlegerverbandesfür diese Solidargemeinschaft, weil ich sonst keineChance sehe, die Rechte der Urheber so effektivdurchzusetzen. Ohne die GEMA wären die Kreativenin ihrer Existenz gefährdet und der (Aus-)Nutzungihrer Werke zum Nulltarif gnadenlos ausgesetzt.

FRED BREINERSDORFER, MITGLIED DES VERWAL-TUNGSRATES DER VG WORT :Kürzlich wurde mir von einer jungen Regisseurin einVertrag zur Prüfung vorgelegt. Sie hat einemVerwerter von Urhebernutzungsrechten eineninteressanten Stoff angeboten. Der Verwerterwitterte ein gutes Geschäft. Der Verwerter wolltedeswegen optimale Lösung in den Vertrag schreiben– ausschließlich für sich. In diesem Vertrag hattesich der Verwerter deswegen gegen alles abgesichert,was er für risikoreich und gefährlich hielt. Ich zitieredie umfangreichste Klausel aus diesem Zusammen-hang im Wortlaut:„Der Regisseur versichert und garantiert, dass er keinMitglied einer Verwertungsgesellschaft oder einersonstigen berufständischen Vereinigung (z.B. der VGBILD-KUNST, Directors Guild of America etc.) wederinnerhalb noch außerhalb Deutschlands ist und dassdem Abschluss dieses Vertrages einschließlich derRechtseinräumung keine Kollektivvereinbarungenentgegenstehen oder zusätzlich zu den vertraglichenRegelungen Anwendung finden. Sofern und soweitder Regisseur Rechte, die nach diesem Vertrag demAuftraggeber eingeräumt werden, einer Verwertungs-gesellschaft eingeräumt hat, verpflichtet sich undgarantiert der Regisseur gegenüber dem Auftragge-ber, sich diese Rechte von der Verwertungsgesell-schaft rückübertragen zu lassen und diese Rechtedem Auftraggeber einzuräumen, wobei nur die derVerwertungsgesellschaft eingeräumten, aufgrundGesetzes allein von einer Verwertungsgesellschaftgeltend zu machenden, nicht anderweitig übertragba-

Statements

Susanne Schüssler. Foto: Christian Thiel

Verwertungsgesellschaften – Was tun sie?

Blick durch eine Stereoskoplinse. Foto: Stefanie Ernst

glieder kooptieren, bei denen eine Mitgliedschaft auskulturellen Gründen wünschenswert ist. Hier kann alsoder besonderen kulturellen Verpflichtung der GEMARechnung getragen werden und Wahrnehmungsberech-tigten, die die genannten Voraussetzungen nicht erfül-len, deren Mitgliedschaft aber aus kulturellen Gründenwünschenswert wäre, diese ermöglicht werden.

Die GEMA hatte zum 31.12.2005 insgesamt 61.942Mitglieder. Davon waren 2.953 ordentliche Mitglieder,6.305 außerordentliche Mitglieder und 52.686 ange-schlossene Mitglieder.

Wie die GEMA unterscheidet auch die VG WORT inWahrnehmungsberechtigte und in Mitglieder. Wahrneh-mungsberechtigter kann werden, wer nachweislich In-haber von Urheberrechten und Nutzungsrechten anSprachwerken ist. Bei Abschluss eines Wahrnehmungs-vertrags muss der Antragsteller sich einer der sechsBerufsgruppen zuordnen. Sollten die Voraussetzungenerfüllt sein, ist die Mitgliedschaft in mehreren Berufs-gruppen möglich. Das aktive und passive Wahlrecht kannallerdings nur in einer Berufsgruppe ausgeübt werden.Die Berufsgruppen sind laut § 2 der Satzung der VGWORT:· Berufsgruppe 1: Autoren und Übersetzer schöngeisti-

ger und dramatischer Literatur;· Berufsgruppe 2: Journalisten, Autoren und Übersetzer

von Sachliteratur;· Berufsgruppe 3: Autoren und Übersetzer von wissen-

schaftlicher und Fachliteratur;· Berufsgruppe 4: Verleger von schöngeistigen Werken

und von Sachliteratur;· Berufsgruppe 5: Bühnenverleger;· Berufsgruppe 6: Verleger von wissenschaftlichen Wer-

ken und von Fachliteratur.Neben den Wahrnehmungsberechtigten gibt es noch

Bezugsberechtigte. Als Bezugsberechtigte gelten Gele-genheitsautoren (z.B. Graduierte, die ihre Dissertationveröffentlichen). Sie nehmen nur an der Reprographie-ausschüttung teil. Berechtigte können jederzeit einenWahrnehmungsvertrag abschließen.

Wahrnehmungsberechtigte der Berufsgruppen 1oder 2 können Mitglied werden, wenn sie mindestensdrei Jahre Wahrnehmungsberechtigte sind und wenn siein den letzten drei Kalenderjahren im Durchschnittmindestens 1.000 Euro pro Jahr oder als Autor oder Über-setzer schöngeistiger Literatur mindestens 500 Euro imJahr oder aus den Ausschüttungen der Bibliothekstan-tieme mindestens 500 Euro im Jahr erhalten haben. Inden Berufsgruppen 4 und 5 muss die Ausschüttungmindestens 3.000 Euro im Jahr betragen haben. Der Sta-tus als Wahrnehmungsberechtigter muss ebenfalls seitdrei Jahren bestehen. Wahrnehmungsberechtigte derBerufsgruppen 3 und 6 können Mitglied werden, wennsie mindestens drei Jahre Wahrnehmungsberechtigtesind und „erwartet werden kann, dass der Ertrag seinerRechte die Wahrnehmung lohnt.“

Darüber hinaus können – ähnlich der GEMA – Wahr-nehmungsberechtigte als Mitglieder aufgenommenwerden, „die in besonderer Weise die Interessen, Auf-gaben und Ziele der VG WORT fördern oder deren kultu-relle, künstlerische oder wissenschaftliche Bedeutungdie Aufnahme als wünschenswert erscheinen läßt.“ Auchhier können also kulturelle Erwägungen also eine Rollebei der Mitgliedschaft spielen. Es wird eine Aufnahme-gebühr erhoben.

Die VG WORT zählt 218.316 Berechtigte (216.522Berechtigte Autoren, 1.794 Berechtigte Verlage) und 391Mitglieder (217 Autoren und 74 Verlage).

Im Unterschied zur GEMA und zur VG WORT kenntdie VG BILD-KUNST keine Unterscheidung zwischen Wahr-nehmungsberechtigten und Mitgliedern. Mit dem Wahr-nehmungsvertrag wird die Mitgliedschaft erworben. DieVG BILD-KUNST unterscheidet drei Berufsgruppen:· Berufsgruppe I: Bildende Kunst (9.877 Mitglieder)· Berufsgruppe II: Fotografie und Design (22.055 Mit-

glieder)· Berufsgruppe III: Film (7.080 Mitglieder)

Die GVL kennt als GmbH keine Mitglieder. Sie hatzwei Gesellschafter und zwar die Deutsche Orchester-vereinigung und die Deutsche Landesgruppe der IFPI.Bei den Wahrnehmungsberechtigten gibt es im Bereichder Tonträgerhersteller und Veranstalter nur einen ein-heitlichen Berechtigtenstatus. Insgesamt gibt es in die-sem Bereich 6.077 Tonträgerhersteller und 23 Veranstal-ter als Wahrnehmungsberechtigte.

Bei den ausübenden Künstlern wird unterschieden,zwischen ordentlichen Berechtigten und außerordentli-chen Berechtigten. Die ordentlichen Berechtigten habender GVL mit der Wahrnehmung ihrer weltweiten Rechteübertragen, die außerordentlich Berechtigten lediglichdie Wahrnehmung der Rechte in Deutschland. Insgesamt115.875 ausübende Künstler haben mit der GVL einenWahrnehmungsvertrag geschlossen. Sie sind folgendenKategorien zuzuordnen:· Instrumental- und Vokalsolisten: 69.788 Berechtigte,

davon 3.674 außerordentlich Berechtigte· Orchestermusiker: 22.969 Berechtigte, davon 178 au-

ßerordentliche Berechtigte· Wortinterpreten: 12.173 Berechtigte, davon 147 au-

ßerordentlich Berechtigte

· Musikregisseure: 1.520 Berechtigte, davon 266 außer-ordentlich Berechtigte

· Chorsänger: 6.162 Berechtigte, davon 131 außeror-dentlich Berechtigte

· Dirigenten: 1.258 Berechtigte, davon 69 außerordent-lich Berechtigte

· Wortregisseure: 1200 Berechtigte, davon 7 außeror-dentlich Berechtigte

· Tänzer: 795 Berechtigte, davon 36 außerordentlichBerechtigte

Die ausübenden Künstler können mehreren Kategorienangehören.

Wer hat was zu sagen?

Der unterschiedliche Status der Wahrnehmungsberech-tigten wirkt sich bei der GEMA und bei der VG WORTauf die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten aus.Organe des wirtschaftlichen Vereins GEMA sind:· die Mitgliederversammlung, der nur die ordentlichen

Mitglieder angehören,· der Aufsichtsrat,· der Vorstand im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches.Der Mitgliederversammlung obliegen, die dem Vereintypischen Aufgaben wie:· die Entgegennahme des Geschäftsberichts,· die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats,· die Wahl und die Abberufung der Aufsichtsratsmitglie-

der sowie der weiteren Ausschüsse und Kommissionen,· die Beschlussfassung über Satzungsänderungen, Än-

derungen des Berechtigungsvertrags, Änderungen desVerteilungsplans,

· die Beschlussfassung über die Auflösung des Vereins.Jedes ordentliche Mitglied der GEMA hat in der

Mitgliederversammlung eine Stimme. Aus dem Kreis deraußerordentlichen und angeschlossenen Mitgliederwerden für die Mitgliederversammlung Delegierte ge-wählt. Diese Wahl findet im Rahmen einer Versamm-lung der außerordentlichen und angeschlossenen Mit-glieder in Verbindung mit der Mitgliederversammlungstatt. Die Versammlung der außerordentlichen und an-geschlossenen Mitglieder wird vom Aufsichtsratsvorsit-zenden geleitet. Der Vorstand leistet dieser Versamm-lung einen Geschäftsbericht und steht laut GEMA-Sat-zung § 12 zur Auskunftserteilung zur Verfügung. DieVersammlung der außerordentlichen und angeschlos-senen Mitglieder entsendet in die Mitgliederversamm-lung der ordentlichen Mitglieder 34 Delegierte. DieseDelegierten müssen folgenden Berufsgruppen angehören:· sechzehn Delegierte aus der Berufsgruppe der Kom-

ponisten, davon mindestens sechs Rechtsnachfolger,· acht Delegierte aus der Berufsgruppe der Textdichter,

davon mindestens vier Rechtsnachfolger,· zehn Delegierte aus der Gruppe der Verleger.

Fortsetzung von Seite 7

Verwertungsgesellschaften

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Sollten aus den Gruppen der Komponisten und Textdich-ter keine ausreichende Zahl an Rechtsnachfolgern fürdie Wahl zur Verfügung stehen, können auch andereMitglieder gewählt werden.

In der Mitgliederversammlung der ordentlichenMitglieder haben die Delegierten der außerordentlichenund angeschlossenen Mitglieder die gleichen Rechte wiedie ordentlichen Mitglieder mit der Ausnahme des pas-siven Wahlrechts. Die Delegierten können wie die or-dentlichen Mitglieder Anträge für die ordentliche Mit-gliederversammlung stellen.

Die ordentlichen Mitglieder der GEMA wählen zu-sammen mit den Delegierten der außerordentlichen undangeschlossenen Mitglieder den Aufsichtsrat. Dem Auf-sichtsrat gehören laut § 13 der GEMA-Satzung· sechs Komponisten· fünf Verlger· vier Textdichteran. Für jede Berufsgruppen können zwei Stellvertretergewählt werden.

Der Aufsichtsrat hat weitreichende Aufgaben in derVereinssteuerung. Zu diesen zählt:· die Bestellung des Vorstands,· das Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand, der Auf-

sichtsrat legt in seiner Geschäftsordnung fest, welcheGeschäftsvorfälle zustimmungsbedürftig sind,

· die Zustimmung zu den Tarifen,· die Entsendung von Mitgliedern im Ausschüsse und

Gremien, Beschlüsse von Gremien und Ausschüssenkönnen vom Aufsichtsrat aufgehoben werden.

Die Tätigkeit im Aufsichtsrat, wie auch in den Kommis-sionen und Ausschüssen, erfolgt ehrenamtlich.

In der Anhörung der Enquete-Kommission des Deut-schen Bundestags „Kultur in Deutschland“ wurde vonAbgeordneten des Deutschen Bundestags kritisch ange-merkt, dass verglichen mit der großen Anzahl an ange-schlossenen Mitglieder nur eine kleine Minderheit an or-dentlichen Mitglieder die wesentlichen Entscheidungen derGEMA beeinflusst und aus deren Mitte der Aufsichtsratgewählt wird. Sie bemängelten ein Demokratiedefizit. VonSeiten der GEMA wurde deutlich gemacht, dass die großeZahl der wirtschaftlich weniger erfolgreichen Mitgliederkeine dominierende Stellung einnehmen sollte und dassdie Interessen der außerordentlichen und angeschlossenenMitglieder durch die gewählten Delegierten vertreten wer-den. Damit werde ein hohes Maß an Demokratie geleistet.Der vom Aufsichtsrat bestellte Vorstand vertritt den Ver-ein gerichtlich und außergerichtlich. Weiter hat der Vor-stand dem Aufsichtsrat vierteljährlich einen Geschäfts-bericht vorzulegen. Der Vorstand ist hauptamtlich tätig.

Neben den erwähnten Gremien Mitgliederversamm-lung, Aufsichtsrat und Vorstand, die die Geschäftspoli-

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politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 9

Fred Breinersdorfer. Foto: Breinersdorfer

ren Vergütungsansprüche von der Rückübertragungausgenommen sind.“Wir brauchen Verwertungsgesellschaften, weilunfaire Verwerter sich vor der Macht der Verwer-tungsgesellschaften derartig fürchten.

Werner Schaub. Foto: Franz Fischer

WERNER SCHAUB, VORSTANDSMITGLIED DER VGBILD-KUNST:Ich wurde im Juli 2007 neu in den Vorstand derVerwertungsgesellschaft Bild-Kunst gewählt für dieBerufsgruppe I in der Nachfolge von Hans WilhelmSotrop. Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst alsInstitution, die über die Urheberrechte von visuellenProdukten wacht, insbesondere aber darüber, dassdie Künstlerinnen und Künstler zu ihrem Rechtkommen, ist eine der effizientesten in Europaüberhaupt. Deshalb ist es mir wichtig, mit meinemEngagement die VG BILD-KUNST in den nächstenJahren zu begleiten.

Statements

JÖRG EVERS, GEMA-AUFSICHTSRAT,MITGLIED IM AUFSICHTSRAT DER GEMA:Die Verwertungsgesellschaft GEMA schafft in derRegel durch ihre Ausschüttungen das wichtigsteFundament der Existenzsicherung für uns Kompo-nisten und damit für unsere Kunst und die Musik-kultur. Das Aufsichtsratsmandat, welches mir meineKollegen durch ihre Wahl übertragen haben, istdaher eine besondere vertrauensvolle Verpflichtungzur effizienten Vertretung ihrer Interessen.Nicht hoch genug zu schätzen ist für mich dasGremium des Aufsichtsrats als Fokus der Kompe-tenz, Erfahrung und Sachkunde. Der rege Gedan-ken- und Informationsaustausch auch mit denVertretern der zwei anderen Kurien der Textdichterund Verleger, wie natürlich mit den GEMA-Vor-standsmitgliedern, ermöglicht es, in Kenntnis derverschiedenen Perspektiven und Positionen zu einerweitgehend objektiven Einschätzung eines Sachver-halts zu gelangen. Diese bildet die Voraussetzung,um angesichts einer sich ständig verändernden undimmer komplexer werdenden Musiklandschaft diejeweils anstehenden, nötigen Entscheidungen zutreffen, bzw. miteinander Kompromissvorschläge zuerarbeiten, welche dann auch durchsetzbar sind,da sie von allen drei Kurien solidarisch getragenwerden.

Jörg Evers. Foto: GEMA

Verwertungsgesellschaften – Was tun sie?

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tik und Positionierung der GEMA verantworten, gibt esweitere Gremien, die für Probleme im Innenverhältnisder Mitglieder bzw. zwischen Mitgliedern und GEMAzuständig sind. Der Schlichtungsausschuss ist für Strei-tigkeiten zwischen GEMA-Mitgliedern und der Be-schwerdeausschuss für Streitigkeiten zwischen derGEMA und ihren Mitgliedern zuständig.

Die Satzung der VG WORT weist den Organen Mit-gliederversammlung, Verwaltungsrat und Vorstand ähn-liche Aufgaben zu wie die GEMA-Satzungen den Orga-nen der GEMA.Die Mitgliederversammlung hat unter anderem folgen-de Aufgaben:· Entgegennahme und Erörterung des Geschäftsberichts,· Entlastung des Verwaltungsrats und des Vorstands,· Wahl des Verwaltungsrates,· Genehmigung und Änderung des Verteilungsplans,· Beschlussfassung über Satzungsänderungen,· Neufestsetzung des Mitgliedsbeitrags.

An der Mitgliederversammlung können die Mitglie-der teilnehmen. Sie haben das aktive und passive Wahl-recht. Ähnlich der Versammlung der außerordentlichenund angeschlossenen Mitgliedern der GEMA findet beider VG WORT eine Versammlung der Wahrnehmungs-berechtigten – hier laut Satzung der VG WORT § 8 – amVortag der Mitgliederversammlung statt. Der Vorstandinformiert die Wahrnehmungsberechtigten über denGeschäftsbericht und gibt Auskünfte. Aus ihrer Mittewählen die Wahrnehmungsberechtigten Delegiert für dieMitgliederversammlung und zwar:· aus den Berufsgruppen 1, 2 und 3 (Autoren, Überset-

zer und Journalisten) je fünf Delegierte, sowie fünfStellvertreter,

· aus den Berufsgruppen 4, 5 und 6 (Verleger) je dreiDelegierte sowie drei Stellvertreter.

Die Delegierten der Wahrnehmungsberechtigtenhaben während ihrer Amtszeit mit Ausnahme des pas-siven Wahlrechts alle Rechte der Mitglieder.

Von wesentlicher Bedeutung für die Geschicke derVG WORT ist der Verwaltungsrat. Er besteht aus:· fünf Mitgliedern der Berufsgruppe 1 (Autoren und

Übersetzer schöngeistiger und dramatischer Werke),· fünf Mitglieder der Berufsgruppe 2 (Journalisten, Au-

toren und Übersetzer von Sachliteratur),· vier Mitgliedern der Berufsgruppe 3 (Autoren und

Übersetzer von Sachliteratur),· drei Mitgliedern der Berufsgruppe 4 (Verleger von

schöngeistigen Werken und von Sachliteratur),· zwei Mitgliedern der Berufsgruppe 5 (Bühnenverleger),· zwei Mitgliedern der Berufsgruppe 6 (Verleger von

wissenschaftlichen Werken und von Fachliteratur).Der Verwaltungsrat hat unter anderem folgende

Aufgaben:· Bestellung und Abberufung des Vorstands, Abschluss

von Verträgen mit dem Vorstand,· Weisungen an den Vorstand, Bestimmung der Rechte,

die durch den Vorstand übernommen werden dürfen,· Zustimmung zu Inkasso- und Kontrollverträgen, Zu-

stimmung zu Tarifen und Tarifverträgen mit Verwert-ern und Verbrauchern,

· Errichtung, Überwachung und Auflösung von Kommis-sionen,

· Vorschlag über die Aufstellung eines Verteilungsplans,Treffen von Beschlüsse, die nach den Verteilungsplä-nen erforderlich sind,

· Erlass und Änderung der Geschäftsordnung.Die Tätigkeit im Verwaltungsrat erfolgt ehrenamt-

lich. Neben dem Verwaltungsrat sind folgende Kommis-sionen dauerhaft tätig:· Satzungskommission· Bewertungskommission, sie bereitet Änderungen und

Ergänzungen des allgemeinen Verteilungsplans der VGWORT vor

· Kommission Wissenschaft, Beratung des Verwaltungsratsin allen den Bereich Wissenschaft betreffenden Fragen.

Der Vorstand besteht aus vier oder fünf Mitgliedern.Davon sind drei ehrenamtlich tätig. Ein Vorstandsmit-glied sollte Verleger und eines Autor sein. Ein oder zweiMitglieder sind hauptamtlich geschäftsführend tätig. DerVorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergericht-lich. Er nimmt die Geschäfte der laufenden Verwaltungwahr und gibt den Verwaltungsratsmitgliedern halbjähr-lich einen Geschäftsbericht.Die VG BILD-KUNST kennt laut § 5 der Satzung vier Or-gane:· die Mitgliederversammlung,· die Berufsgruppenversammlung,· den Verwaltungsrat,· den Vorstand.

Da die VG BILD-KUNST keine Unterscheidung inWahrnehmungsberechtigte und Mitglieder kennt, habenalle Mitglieder in der Mitgliederversammlung eine Stim-me. Die Mitgliederversammlung hat unter anderem fol-gende Befugnisse:· Beschluss über den von den jeweiligen Berufsgrup-

pen vorgeschlagenen Verteilungsplan,· Feststellung des Jahresabschlusses, Entlastung des

Vorstands auf Vorschlag des Verwaltungsrates,· Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrates,· Errichtung und Finanzierung von Vorsorge- und Un-

terstützungseinrichtungen sowie von Einrichtungen zurkulturellen Förderung.

Fortsetzung von Seite 8 Die Berufsgruppenversammlung tagt im Zusammenhangmit der Mitgliederversammlung. Die jeweiligen Berufs-gruppen schlagen der Mitgliederversammlung die fünfMitglieder sowie fünf Stellvertreter für den Verwaltungs-rat vor. Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Verwal-tungsrat ist die Mitgliedschaft in der VG BILD-KUNST.Als stellvertretende Mitglieder des Verwaltungsrateskönnen von Berufsorganisationen auch Personen vor-geschlagen werden, die der VG BILD-KUNST nicht an-gehören, aber über urheberrechtliche Qualifikationenverfügen. Laut Satzung sollen die Vorschläge die reprä-sentative Vertretung der verschiedenen urheberrechtli-chen Tätigkeiten der Mitglieder sichern. Dazu ist in derSatzung bereits festgelegt, dass aus den BerufsgruppenI (Bildende Kunst) und II (Fotografie und Design)mindestens ein Verleger vorgeschlagen wird. Aus derBerufsgruppe III (Film) soll ein Hauptregisseur, drei wei-tere Urheber (davon höchstens ein Regisseur) und einFilmproduzent genannt werden. Neben den Mitgliedernfür den Verwaltungsrat schlagen die Berufsgruppenver-sammlungen auch die ehrenamtlichen Vorstandsmitglie-der vor.

Der Verwaltungsrat hat die Aufgabe die Geschäfts-führung zu überwachen. Der Verwaltungsrat beschließtunter anderem:· die Wahl und Abberufung des Vorstands sowie die

Geschäftsordnung des Vorstands,· über Gegenseitigkeitsverträge mit anderen Verwer-

tungsgesellschaften,· über die Aufstellung von Tarifen,· über die Errichtung und Aufhebung von Ausschüssen

und Kommissionen.Der Vorstand besteht aus vier Mitgliedern. Drei

davon sind ehrenamtlich tätig. Sie entstammen den dreiBerufsgruppen. Das geschäftsführende Vorstandsmit-glied ist hauptamtlich tätig. Der Vorstand führt die Ver-einsgeschäfte und informiert den Verwaltungsrat regel-mäßig über die Entwicklung des Vereins.

Die GVL unterscheidet sich von der GEMA, der VGBILD-KUNST und der VG WORT insoweit, als dass siekein rechtsfähiger Verein kraft Verleihung sondern eineGmbH ist. Die GmbH wird durch zwei Geschäftsführervertreten. Die Berufung sowie die Abberufung der Ge-schäftsführer erfolgt durch die Gesellschafter.

Darüber hinaus wird ein Beirat gebildet. Dieser Bei-rat besteht aus 24 Mitglieder. Davon werden· 12 Mitglieder von den Gesellschaftern berufen,

· davon werden 8 von der Deutschen Orchesterverei-nigung

· und vier von der Deutschen Landesgruppe der IFPIberufen

· 12 Mitglieder werden von den Berechtigten durch Wahlbestimmt,· davon zwei Mitglieder für die Tonträgerhersteller

· und je ein Mitglied für die Gruppe der Dirigenten,Instrumentalsolisten, Gesangs- und Tanzsolisten, Or-chester, Chor- und Ballettmitglieder, Studiomusiker,Schauspieler und künstlerisch Vortragende, Regisseu-re, Bild- und Tonträgerhersteller (Hersteller von Vi-deoclips), Veranstalter.Als Beiratsmitglied kann nur gewählt werden, wer

an den drei aufeinanderfolgenden Verteilungen vor ih-rer Berufung oder Wahl teilgenommen hat. Weiter müs-sen sie ihren Sitz bzw. Wohnsitz in Deutschland habenoder ihre Einnahmen vorwiegend aus Verwertungen inDeutschland beziehen. Herstellervertreter können lautSatzung der GVL nur „Inhaber, Gesellschafter, Vorstands-mitglieder, Geschäftsführer, Prokuristen oder Angestell-te mit Handlungsvollmacht werden.“

Der Beirat hat unter anderem zu folgenden Punk-ten eine Beschlussfassung zu treffen:· die Bedingungen zu denen Ansprüche und Rechte

wahrzunehmen sind,· die Verteilungspläne.

Weiter berät der Beirat die Geschäftsführer unteranderem bei der Aufstellung der Tarife und dem Ab-schluss von Gesamtverträgen.

Insgesamt muss festgehalten werden, dass in allenVerwertungsgesellschaften die gewählten Gremien Ein-fluss auf die Verteilung der Mittel nehmen. Dabei wer-den die unterschiedlichen Berufsgruppen in den Gremi-en jeweils berücksichtigt. Die gewählten Gremienmit-glieder arbeiten ehrenamtlich und engagieren sich da-mit für die anderen Mitglieder bzw. Wahrnehmungsbe-rechtigten. Sie nehmen Verantwortung in den Verwer-tungsgesellschaften wahr. Die starke Stellung der ge-wählten Gremien entspricht dem Prinzip der Selbstor-ganisation der Urheber, das der Gründungsimpuls derVerwertungsgesellschaften ist.

Verteilung

Die Verteilung der Einnahmen erfolgt nach den Vertei-lungsplänen, die von den gewählten Gremien beschlos-sen werden. Die Verwertungsgesellschaften haben dafürjeweils ausgeklügelte Verteilungspläne erarbeitet, diedazu beitragen sollen, dass einerseits die besonderekünstlerische Bedeutung eines Werkes gewürdigt wirdsowie selbstverständlich auch deren Nutzung. Allen Ver-wertungsgesellschaften ist gemeinsam, dass in den Sat-zungen verankert ist, bei den Verteilungsplänen die kul-turellen und sozialen Zwecke zu berücksichtigen.

Sowohl die VG WORT als auch die VG BILD-KUNSThaben in ihren Satzungen Grundsätze der Verteilungfestgelegt. In der Satzung der VG WORT ist verankert,dass bei den Nutzungen, bei denen der individuelle An-

Die Karte veranschaulicht, welche Radiosender empfangen werden konnten. Foto: Stefanie Ernst

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Statements

Bernd Schmidt. Foto: privat

BERND SCHMIDT, MITGLIED IM VERWALTUNGS-RAT DER VG WORT:Die VG WORT habe ich als Wahrnehmungsberechtig-ter durch meine Tätigkeit als Übersetzer, Journalistund Herausgeber kennen gelernt. Mitte der neunzi-ger Jahre wurde ich von der Berufsgruppe 1, denBelletristen also, als Delegierter in die Mitgliederver-sammlung entsandt. Seit 1999 bin ich Mitglied desVerwaltungsrates, allerdings nicht in der Autorenku-rie, sondern in jener der Bühnenverleger. Ich habealso, wenn man so will, das Lager gewechselt. Wassich verschwörerisch anhört, zeigt hingegen, wie nahdie Interessen von Urhebern und Verlegern in einerVerwertungsgesellschaft liegen können. Bühnenverle-ger nehmen – ebenso wie die VG WORT – die Rechteder Urheber treuhänderisch wahr und sie partizipie-ren am Erfolg wie auch am Misserfolg der von ihnenvertretenen Urheber. Um erfolgreich agieren zukönnen, muss man sich den Herausforderungen derdigitalen Welt stellen und erkennen können, wo dieDurchsetzungskraft und Kontrollmöglichkeit desEinzelnen, ob Autor oder Verlag, endet, um einegemeinsame Lösung zu finden. Dies im fairenMiteinander zu tun, ist der Grund für mein Engage-ment in der VG WORT.

Peter Ruzicka. Foto: Anne Kirchbach

PETER RUZICKA, MITGLIED IM BEIRAT DER GVL:Als Komponist und Dirigent bin ich Mitglied derVerwertungsgesellschaften GEMA und GVL, inletzterer auch Mitglied in deren Beirat und dazuVorsitzender des Beschwerdeausschusses. DieTätigkeit dieser Organisationen für die Urheber undLeistungsschutzberechtigten ist in unserer medialverwalteten Welt unverzichtbar. Die urheberrechtli-chen Verwertungsgesellschaften wirken „staatsentlas-tend“, indem sie nicht nur eine Kontroll- und Abrech-nungsfunktion ausüben, sondern sich auch kulturpoli-tisch gestaltend und fördernd betätigen. Gerade derletztere Gesichtspunkt führt dazu, dass mancheUrheber, auch solche der E-Musik, von den Erträgnis-sen ihrer Werke und dem „Wertungszuschlag“ lebenkönnen. Ein Problem stellen freilich die jungenKünstler da. Hier wäre zu überlegen, ob die GEMAnicht etwa zinslose Kredite als Fördermaßnahmen imVorgriff auf später zu erwartende Aufführungstantie-men leisten könnte. Sie dürfte es nach dem heuteschon geltenden Verwertungsgesellschaftengesetz.Damit würde der Schritt in die berufliche Tätigkeit alsfreischaffender Urheber in einem entscheidendenLebenszeitpunkt erleichtert, vielleicht sogar angeregt.Auch hier mag es also so etwas wie einen „Generatio-nenvertrag“ geben.

HARTMUT KARMEIER, MITGLIED IM BEIRAT DERGVL:Seit der Erfindung des Tonträgers vor mehr als 100Jahren ist das Hören von Musik nicht mehr von Ortund Zeit abhängig. Die ständige Qualitätsverbesse-rung der Tonträger bis hin zur Digitalisierung hat esermöglicht, einmal produzierte Musik quasi ohneQualitätsverlust endlos zu kopieren. Die Musikkon-serve wird benutzt zur Gestaltung von Rundfunkpro-grammen, bei Tanzveranstaltungen, in Supermärk-ten, in Gaststätten und Restaurants etc. Die GVLbietet dem ausübenden Musiker die einzigeMöglichkeit, angemessen an der Vermarktung seinererbrachten Leistung teilhaben zu können. Durch dieBündelung der Rechte bei einer Wahrnehmungsge-sellschaft wird auch Nischenrepertoire abgesichert– ein wichtiger Beitrag zur kulturellen Vielfalt.

Verwertungsgesellschaften – Was tun sie?

Fortsetzung von Seite 9

Verwertungsgesellschaften

teil am Ertrag nicht festzustellen ist, neben dem Aus-maß der Nutzung auch die kulturelle und künstlerischeBedeutung des Werkes in angemessenen Umfang zuberücksichtigen ist. In der Satzung der VG BILD-KUNSTfinden sich ähnliche Regelungen.

Einnahmen und Ausgaben

Die VG BILD-KUNST erzielte im Jahr 2006 43,5 Mio. Euroan Erträgen aus der Wahrnehmung von Urheberrech-ten. Diese Erträge ergeben sich aus der Wahrnehmungfolgender Rechte:· Folgerecht der Bildenden Künstler (3,59 Mio. Euro)· Reproduktionsrechte (Kunst und Fotografie) (3,90 Mio.

Euro)· Senderechte (622.000 Euro)· Bibliothekstantieme (742.000 Euro)· Fotokopier-Geräteabgabe (6.67 Mio. Euro)· CD/DVD-Brenner-Abgabe (3,79 Mio. Euro)· Fotokopier-Betreiberabgabe (588.000 Euro)· Fotokopierbetreiberabgabe an Schulen (311.000 Euro)· Pressespiegel (149.000 Euro)· Lesezirkel (55.000 Euro)· Kabeleinspeisung Kunst/Foto, enthält auch die öffent-

liche Wiedergabe (437.000 Euro)· Kabeleinspeisung Film, enthält auch die öffentliche

Wiedergabe (7,20 Mio. Euro)· Vermietung von Videokassetten (401.000 Euro)· Videogeräte- und Leerkassettenabgabe (15,05 Mio.

Euro)An die Berechtigten, im Fall der VG BILD-KUNST also andie Mitglieder, wurden 38,3 Mio. Euro ausgeschüttet.

Die Verwaltungskosten der VG BILD-KUNST lagenim Jahr 2006 bei 5,26% und erreichten damit den nied-rigsten Wert seit der Gründung der VG BILD-KUNST. ImJahr 2005 betrug der Verwaltungskostenanteil noch7,40%.

Ein Spezifikum der VG BILD-KUNST sind die Einnah-men aus dem Folgerecht, die an die Ausgleichsvereini-gung Kunst fließen. Das Folgerecht ist eine gesetzlichfixierte Abgabe (§ 26 Urheberrechtsgesetz), die anfällt,wenn ein Kunstwerk weiterveräußert wird und hieranein Kunsthändler oder Versteigerer beteiligt ist. Die Fol-gerechtsabgabe fällt an, wenn der Preis des Kunstwerks400 Euro übersteigt. Ab 400 Euro bis 50.000 Euro be-trägt die Abgabe 4% des Verkaufspreises, danach sinktsie degressiv.

Grundlage der Ausgleichsvereinigung Kunst ist eineVereinbarung zwischen den Verbänden der Galeristen,Kunsthändler und Auktionäre sowie der VG BILD-KUNST.In der Ausgleichsvereinigung Kunst werden das Folge-recht und die Künstlersozialabgabe gekoppelt. Grund-lage der Künstlersozialabgabe ist das Honorar, das an

freiberufliche Künstler gezahlt wird. Die Künstlersozial-abgabe beträgt im Jahr 2007 5,1% und sinkt im Jahr2008 auf 4,9%. Mitglieder der AusgleichsvereinigungKunst zahlen statt Folgerechtsabgabe und Künstlerso-zialabgabe einen jährlichen Pauschalbetrag, der sichnach ihrem jährlichen Umsatz bemisst. Die Einnahmenwerden jährlich in zwei „Töpfe“ geteilt. Aus dem einenwird die Künstlersozialabgabe an die Künstlersozialkas-se abgeführt. Aus dem anderen erfolgt die Ausschüt-tung an die Künstler bzw. Erben, die folgerechtspflich-tig sind.

Die VG WORT erzielte im Jahr 2006 Erlöse aus derWahrnehmung von Urheberrechten in Höhe von 85,9Mio. Euro. Diese Erlöse verteilen sich auf die verschie-denen Wahrnehmungsbereiche wie folgt:· Bibliothekstantieme 9,71 Mio. Euro· Lesezirkel 0,08 Mio. Euro· Videovermietung 1,07 Mio. Euro· Fotokopieren in Schulen 3,26 Mio. Euro· Kopiergeräteabgabe 28,60 Mio. Euro· Kopier-Betreiberabgabe 3,72 Mio. Euro· Kopienversand 0,07 Mio. Euro· Pressespiegel 3,85 Mio. Euro· Schulbuch 1,10Mio. Euro· Hörfunk / Fernsehen 19,20 Mio. Euro· Kleine Senderechte + Sonstiges 0,73 Mio. Euro· Kabelweiterleitung Inland 5,34 Mio. Euro· Kabelweiterleitung Ausland 3,01 Mio. Euro· Sonstige Auslandserlöse 6,15 Mio. Euro

An Verwaltungskosten fielen 8,95 % der Erlöse an.Ausweislich des Geschäftsberichtes 2006 ist der Anstiegder Verwaltungskosten im Vergleich zum Vorjahr (7%)unter anderem auf höhere Investitionen in die EDV zu-rückzuführen.

Als Problem stellt sich für die VG WORT nach wievor, dass die Vergütungsansprüche für digitale Verviel-fältigungsgeräte auf dem Rechtsweg erstritten werdenmüssen, da die Hersteller und Importeure nicht bereitsind, ihre Zahlung zu leisten.Die GEMA erreichte im Jahr 2006 Erlöse in Höhe von874,378 Mio. Euro. Davon wurden 752,705 Euro ver-teilt. Die Verwaltungskosten beliefen sich auf 13,9 %und sind damit zum dritten Mal in Folge gesunken. Beiden Verwaltungskosten der GEMA ist zu berücksichti-gen, dass sie im Unterschied zu den anderen Verwer-tungsgesellschaften über einen Außendienst verfügt, dersowohl die ordnungsgemäße Abführung der Vergütun-gen kontrolliert als auch Ansprechpartner für Vergü-tungspflichtige ist.Die Erträge stammen aus:· Aufführungs-, Vorführungs-, Sende- und Wiedergabe-

rechte 396,886 Mio. Euro· Vervielfältigungsrechte 201,488 Mio. Euro

· davon aus Tonträgerlizenzen 102,471 Mio. Euro· aus anderen Sparten 99,017 Mio. Euro

· Vergütungsansprüche 41,638 Mio. Euro· Inkassomandate 207,336 Mio. Euro

· davon aus der zentralen Lizensierung von Tonträgernund Bildtonträgern 119,971 Mio. Euro

· für andere Verwertungsgesellschaften 87,365 Mio. Euro· sonstige Erträge 27,030 Mio. Euro

Nach Sparten gegliedert stellen sich die Erlöse wiefolgt dar:· Lebende Musik 79,212 Mio. Euro· Tonfilm 8,657 Mio. Euro· Mechanische Musik 119,351 Mio. Euro· Vergütungsansprüche nach § 27 UrhG 6,703 Mio. Euro· Tonträger- und Bildtonträgervervielfältigung 240,609

Mio. Euro· Inkassomandate für andere Verwertungsgesellschaf-

ten 52,786 Mio. Euro· Vergütungsansprüche nach § 54 UrhG 34,935 Mio. Euro· Rundfunk und Fernsehen 245,015 Mio. Euro· Ausland 60,080 Mio. Euro· Sonstige Erträge 27,030 Mio. EuroDie Erlöse werden abzüglich der Verwaltungskosten so-wie der Abführung für soziale und kulturelle Zwecke andie Urheber ausgeschüttet-

Demokratiedefizit?

Den Verwertungsgesellschaften wird oft ein Demokra-tiedefizit vorgeworfen. Es wird in Zweifel gezogen, obdie Künstler überhaupt etwas zu sagen haben oder nichtvielmehr die hauptamtlichen Vorstände alleine die Ge-schicke bestimmen. Weiter wird die Frage gestellt, obes überhaupt ausreichende Kontrollmechanismen gibt,die sicherstellen, dass die Verwertungsgesellschaftendie ihnen per Gesetz zugewiesenen Aufgaben wahr-nehmen. Befasst man sich aber näher mit der innerenVerfasstheit der Verwertungsgesellschaften und mitden Aufgaben der Aufsicht wird deutlich, dass dieseVorwürfe so nicht haltbar sind. Die geschäftsführen-den Vorstände der Verwertungsgesellschaften unter-liegen in doppelter Hinsicht der Aufsicht. Zum einender staatlichen durch das Deutsche Patent- und Mar-kenamt. Hier kann sicherlich angesichts schmaler per-soneller Ressourcen über Verbesserungen nachgedachtwerden. Zum anderen kontrollieren die gewählten Gre-mien die Arbeit und treffen die wesentlichen Entschei-dungen. In den Gremien sind die unterschiedlichenBerufsgruppen vertreten, so dass keine Gruppe dieandere majorisieren kann.

Es lohnt sich also, sich intensiver mit den Verwer-tungsgesellschaften und mit ihrer Arbeit zu befassen undsich dabei stets vor Augen zu halten, dass sie Selbstor-ganisationen der Urheber und Rechteinhaber sind, de-nen es darum geht, dass die Urheber eine angemesseneVergütung für die Verwertung ihrer Leistungen erhal-ten. Das ist der Kern der Arbeit der Verwertungsgesell-schaften und dafür lohnt es, sich einzusetzen.

DIE VERFASSERIN IST WISSENSCHAFTLICHE MITARBEI-TERIN DES DEUTSCHEN KULTURRATES

Bestandteil des Transistorrechners Z 23 aus den 60er Jahren. Foto: Stefanie Ernst

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Statements

Hartmut Karmeier. Foto: privat

Stephan Frucht.Foto: Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI

STEPHAN FRUCHT, MITGLIED IM BEIRATDER GVL:Neulich fragte ein Abgeordneter während einerAnhörung im Deutschen Bundestag: „Was wäre denn,wenn es überhaupt keine Verwertungsgesellschaftengäbe?“ Es war den meisten Anwesenden deutlichanzumerken, dass sie in dieser Frage eine heimlicheSehnsucht des Abgeordneten verorteten, noch einmalgenau erklärt zu bekommen, wozu es eine Verwer-tungsgesellschaft eigentlich gibt. Vielen Menschengeht es so. Ich bin gewähltes Mitglied im Beirat derGVL. Dort vertrete ich die Gruppe der Dirigenten undkünstlerischen Produzenten. Die GVL sorgt dafür,dass diese und andere Künstler nicht leer ausgehen,wenn ihre Aufnahmen gesendet werden. Dies findeich sehr sinnvoll. Schließlich ist doch das Radio ohneMusiker so langweilig wie der Bundestag ohneAbgeordnete.

Eberhard Hauff. Foto: privat

EBERHARD HAUFF, VORSTAND BERUFSGRUPPEFILMURHEBER DER VG BILD-KUNST:Seit Jahrzehnten engagiere ich mich für die Rechteder Filmurheber. Die Honorare der meist freiberufli-chen Werkschöpfer, insbesondere der Regisseure,stehen in keinem Verhältnis zum Zeitaufwand undzur Leistung. Umso wichtiger sind Vergütungen ausden immer vielfältigeren urheberrechtlichenNutzungen. Den Bestrebungen, die Ansprüche derUrheber den wirtschaftlichen Interessen vonUnterhaltungskonzernen zu opfern, treten dieVerwertungsgesellschaften zu Recht entschiedenentgegen. Es geht darum, die Position der Urheberentscheidend zu stärken und einem um sichgreifenden Raubtierkapitalismus Einhalt zu gebieten.Ohne den Zusammenschluss in Verwertungsgesell-schaften wäre es für Kreative unmöglich, ihreexistentiellen Interessen durchzusetzen.

MARTIN BÖTTCHER, MITGLIED IM BEIRAT DER GVL:Es gibt gigantische ökonomische Konglomerate, dievor aller Augen ungebremst enormen Einfluss aufdie Geschicke von Regionen, Staaten, der gesamtenWeltwirtschaft ausüben. Darum verstehe ich dieAufgeregtheit nicht, mit der momentan Praxis bzw.sogar Daseinsberechtigung unserer Verwertungsge-sellschaften hinterfragt werden. Ich kann dahinternur Eigeninteressen aus Profil und Profit vermuten.Ohne unsere VGen wäre meinen Kollegen und mir

Verwertungsgesellschaften – Was tun sie?

Verwertungsgesellschaften und EuropaDas Urheberrecht war und ist auch ein internationa-les Recht. Die wesentlichen Grundaussagen zumSchutz des geistigen Eigentums sind in internationa-len Abkommen niedergelegt. Deutschland hat dieseAbkommen ratifiziert.

Im Zuge des europäischen Einigungsprozesses gewinntdie europäische Dimension des Urheberrechts an Be-deutung. Im Jahr 2001 wurde die „Richtlinie zur Har-monisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts undder verwandten Schutzrechte“ verabschiedet, die seitherin verschiedene Körbe aufgeteilt im Deutschen Bundes-tag diskutiert und mit dem „Zweiten Gesetz zur Rege-lung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“in diesem Jahr in nationales Recht umgesetzt wurde.

Das Recht der Verwertungsgesellschaften ist in denverschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Uni-

on sehr unterschiedlich geregelt. In Deutschland istdas Urheberrechtswahrnehmungsgesetz maßgeblich.

Bislang wurde die Arbeit der Verwertungsgesell-schaften auf der europäischen Ebene nicht normiert,obwohl sich sowohl das Europäische Parlament alsauch die Europäische Kommission über einen län-geren Zeitraum mit dem Thema befasst haben. Dasjüngste Ergebnis dieser Beschäftigung ist die Emp-fehlung der EU-Kommission zu Online-Musikdiens-ten, die auf einen stärkeren Wettbewerb der Ver-wertungsgesellschaften untereinander abzielt. OlafZimmermann setzt sich mit der europäischen De-batte zu Verwertungsgesellschaften unter dem Blick-winkel der kulturellen Vielfalt und des Wettbewerbsauseinander.

DIE REDAKTION

Europäisches Soft Law – Gefahr für kulturelle VielfaltVon Olaf Zimmermann

Am 18.10.2005 veröffentlichte Binnenmarktskommis-sar Charlie McCreevy die „Empfehlung der Kommissionfür die länderübergreifende, kollektive Wahrnehmungvon Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, diefür legale Online-Musikdienste benötigt werden“ (2005/737/EG). Obwohl diese Empfehlung im engeren Sinnezunächst nur die Online-Musikdienste betrifft, wird de-ren mögliche Umsetzung in den Mitgliedstaaten derEuropäischen Union und vor allem deren Anwendungdurch Unternehmen der Kulturwirtschaft erheblichenEinfluss auf die kollektive Rechtewahrnehmung haben.

D iese Empfehlung, die laut EU-Terminologie ein„Nicht veröffentlichungsbedürftiger Rechtsakt“ ist,

gehört zum so genannten Soft Law der EU-Kommission.Ihr musste weder vom Rat noch vom Europäischen Par-lament zugestimmt werden, sie kann dennoch erhebli-che Wirkung entfalten.

Als Adressaten hat die Empfehlung „Diese Empfeh-lung ist an die Mitgliedstaaten und an alle Marktteil-nehmer, die auf dem Gebiet der Wahrnehmung von Ur-heberrechten und verwandten Schutzrechten in der Ge-meinschaft tätig sind, gerichtet.“ Sie kann also sowohlvon den Mitgliedstaaten als auch von den Unterneh-men aufgegriffen werden.

Die Empfehlung zu den Online-Musikdiensten stehtam Ende einer längeren Beschäftigung der EuropäischenInstitutionen mit der kollektiven Rechtewahrnehmungdurch Verwertungsgesellschaften und vor allem markiertsie eine Abkehr von der vorherigen Beachtung der kultu-rellen und sozialen Bedeutung der Verwertungsgesell-schaften.

Echerer-Bericht

Im Dezember 2003 legte Mercedes Echerer, MdEP den„Bericht über einen Gemeinschaftsrahmen für Verwer-tungsgesellschaften im Bereich des Urheberechts“ (2002/2274/(INI) (Endgültig A5-0478/2003) dem Ausschuss fürRecht und Binnenmarkt des Europäischen Parlaments vor.Der Ausschuss für Recht und Binnenmarkt des Europäi-schen Parlaments behandelte das Thema federführend,der Ausschuss für Wirtschaft und Währung sowie derAusschuss für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sportdes Europäischen Parlaments waren mitberatend undhaben jeweils eine Stellungnahme abgegeben.

Im Echerer-Bericht wurde an verschiedenen Stellenauf die kulturellen und sozialen Aspekte der Verwer-tungsgesellschaften eingegangen. Es wurde festgestellt,„dass die de jure und de facto Monopole, die den Ver-wertungsgesellschaften in der Regel zukommen, demGrundsatz nach kein Wettbewerbsproblem darstellen,sofern sie ihren Mitgliedern oder beim Zugang zu Rech-ten durch potentielle Kunden keine unangemessenenBeschränkungen auferlegen.“ Es wird allerdings aner-kannt, dass diese Monopole einer gewissen Regulierungbedürfen.

Als eigentliche Herausforderung im Bereich derRechteverwertung wird im Echerer-Bericht die vertikaleMedienkonzentration beschrieben und eine kritischeAuseinandersetzung der Kommission mit der vertikalenMedienkonzentration gefordert.

Im Echerer-Bericht wird die Kommission klipp undklar aufgefordert, die kulturelle Dimension der Verwer-tung von Rechten bei der Befassung mit Verwertungs-gesellschaften im Blick zu haben.

Hinsichtlich der Verwertung im Musikbereich wirdunterstrichen, dass die bestehende Praxis der Verwer-tungsgesellschaften „über die Verteilungsregelung nichtkommerzielle, aber kulturell wertvolle Werke zu fördern,zur Entwicklung der Kultur und zur kulturellen Vielfaltbeiträgt.“ Ebenso wird im Bericht „die kultur- und ge-sellschaftspolitische Tätigkeit der Verwertungsgesell-schaften, was sie auch zu Trägern hoheitlicher Funktio-nen macht“, anerkannt.

Wesentlich an diesem in typischer EU-Parlament-sprache verfassten Bericht ist, dass hier die Künstler inden Mittelpunkt gestellt werden. Hier wird kein Zweifeldaran gelassen, dass das Urheberrecht zuerst dazu dient,dass die Schöpfer künstlerischer Werke sowie die Leis-tungsschutzberechtigten einen wirtschaftlichen Ertragaus der Verwertung ihrer Werke ziehen können müssenund dass die kollektive Rechtewahrnehmung durch Ver-wertungsgesellschaften ein wichtiger Baustein dafür ist.Auch wird an verschiedenen Stellen unterstrichen, wiewichtig die kulturellen und sozialen Aufgaben der Ver-wertungsgesellschaften sind.

Diese Aussagen sind aber kein Freifahrtschein fürVerwertungsgesellschaften. Im Gegenteil unmissver-ständlich wird ausgedrückt, dass in einigen EU-Mitglied-staaten die Aufsicht noch unzureichend ist. Eine Aus-weitung der Informationspflicht hinsichtlich der Veröf-fentlichung der Tarife, der Verteilungsschlüssel und derJahresabschlüsse wurde angemahnt. – Mit Blick auf diedeutschen Verwertungsgesellschaften ist jedoch anzu-merken, dass sie einer Aufsicht unterstehen und dasssie verpflichtet sind, ihre Tarife und Jahresabschlüsseim Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Die Verteilungs-schlüssel sind teilweise per Satzung festgelegt und an-

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Große Reproduktionskamera, die auf einer hölzernen Balkenkonstruktion befestigt ist. Foto: Stefanie Ernst

sonsten den Webseiten der Verwertungsgesellschaftenzu entnehmen.

In der Begründung zu diesem Bericht wird ausdrück-lich ausgeführt, dass die exklusive Stellung der Verwer-tungsgesellschaften ein Garant dafür ist, eine „weiter-reichende Konzentration von geistigem Eigentum zuverhindern.“

Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Eu-ropäischen Parlaments mahnte in seiner Stellungnah-me an, dass auch auf dem Gebiet des Urheberrechts derWettbewerb, wo immer es möglich ist, gestärkt werdensollte. Demgegenüber forderte der Ausschuss für Kultur,Jugend, Bildung, Medien und Sport des EuropäischenParlaments von der EU-Kommission bei der Prüfung derVerwertungsgesellschaften die kulturelle Dimension derVerwertung von Rechten zu berücksichtigen. Deutlichwird von diesem Ausschuss klargestellt, dass das Ge-winnstreben mit dem Charakter von Verwertungsgesell-schaften unvereinbar ist.

Entschließung des EP

Das Europäische Parlament hat auf der Grundlage desEcherer-Berichts am 15.01.2004 die „Entschließung desEuropäischen Parlaments zu einem Gemeinschaftsrah-

men für die Verwertungsgesellschaften im Bereich desUrheberrechts und der verwandten Schutzrechte“ (2002/2274 (Ini)) (P5_TA(2004)0036) angenommen.

Diese Entschließung folgt in ihrer Grundausrichtungdem Echerer-Bericht. Auch hier stehen die Künstler imMittelpunkt. Und auch hier wird darauf abgehoben, dass„der Schutz und die Verwertung von Rechten an geisti-gem Eigentum wichtige Faktoren zur Förderung der kul-turellen Kreativität und Beeinflussung der Zunahme derkulturellen und sprachlichen Vielfalt sind.“ Das Euro-päische Parlament verweist in der Entschließung „aufdie Bedeutung der Realisierung eines Gleichgewichtszwischen den Rechten und Interessen der Künstler undInhaber von Rechten einerseits sowie der Notwendig-keit, die optimale Verbreitung ihrer Werke zu Gunstenihre potenziellen Publikums zu gewährleisten“. Sie er-kennt an, „dass in diesem Zusammenhang Verwertungs-gesellschaften einen größeren Vorteil bei der Erleichte-rung des Zugangs der Benutzer zu Inhalten und Verbrei-tung der Werke zu Gunsten der gesamten Kette bieten“.

Das Europäische Parlament stellt fest, dass sich dieVerwertungsgesellschaften der verschiedenen EU-Mit-gliedstaaten unterscheiden und dieses in unterschiedli-

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politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 12

LUTZ HACKENBERG, VORSITZENDER DES VERWAL-TUNGSRATES DER VERWERTUNGSGESELLSCHAFT BILD-KUNST:Wem Dienstleisten zu wenig oder zu eng ist, wen esnach Selbstdarstellung und Selbstverwirklichungdrängt, der soll sich in die Freie Kunst begeben. Dortweht allerdings ein schärferer Wind. Dort ist alleserlaubt und nichts erwünscht. Je besser, destounerwünschter. Vor allem sind keine Nachahmergefragt.Einerseits sichert das deutsche Urheberrecht dieExistenz der geistig Schaffenden und reguliert dieVermittlung von Kulturgütern. Die kulturelle undwirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechtes istunbestritten. Andererseits kopiert die ganze Weltvielfach Werke der bildenden und angewandten Kunst,des Films, der Literatur und der Musik. Auf derNutzerseite besteht also nach wie vor wenig bis keineBereitschaft, Rechte abzugeben.1968 wollte die Gründungsversammlung der VG BILD-KUNST nachvollziehen, was Musikschaffenden undLiteraten schon längst gelungen war: die Gründungeiner Gesellschaft zur Wahrnehmung urheberrechtli-cher Interessen bildender Künstler. Dafür wurden sieals „Funktionärsclique aus Frankfurt“ beschimpft.Heute sorgen die Verwertungsgesellschaften dafür,dass Urheber nicht leer ausgehen, sondern dass sieüber die von ihnen nicht selbst wahrzunehmendenRechte eine angemessene Beteiligung an denVergütungen für die Nutzung ihrer Werke erhalten.Nach 35-jähriger Tätigkeit der VG VG BILD-KUNSTkonnte der Vorstand 2003 über Erlöse in Höhe von 40,2Mio. Euro berichten: Eine bemerkenswerte Entwick-lung, die ohne die engagierte Unterstützung derBerufsverbände und Organisationen der Bildurheberund deren Eintreten für die Anwendung geltenderGesetze und der Entwicklung der Gesetzgebung nichtmöglich gewesen wäre: Der starke Anstieg der Erlösewar vor allem in der erstmaligen Auszahlung der CD-Brenner-Vergütung von 6,9 Mio. Euro begründet.Im Jahr 2005 betrugen die Ausschüttungen an dieUrheber 38,4 Mio. Euro und 2006 (bei einem Verwal-tungskostensatz von 5,62 % und 39.012 Wahrneh-mungsberechtigten) 36,5 Mio. Euro.

Frank Dostal. Foto: GEMA

StatementsFortsetzung von Seite 11

Europäisches Soft Lawdie angemessene Beteiligung (!) an der Nutzungunserer Musik nie so sicher. Wenn Wirtschaftsriesensich in gleichem Maße staatlicher Aufsicht unter-stellten wie wir, könnte nicht nur Winnetou ruhigerschlafen.

Martin Böttcher. Foto: privat (P.Gessing)

FRANK DOSTAL, MITGLIED IM AUFSICHTSRAT DERGEMA UND IM BEIRAT DER GVL:Wer den Wert und die Bedeutung des Schöpferischenfür eine Gesellschaft erkennt, stärkt die Rechte desgeistigen Eigentums und unterstützt starke,Mitglieder-bestimmte VGen mit unüberhör- undsehbarem kulturellem und sozialem Auftrag. Nichtbloße Inkasso-Dienstleistungs-Agenturen mit demheimlichen Zusatzauftrag, durch geschicktesLobbying eine Nutzungs- und Zahlungsmoral sowie -Methoden zu schaffen, die VGen möglichst baldüberflüssig machen. Meine Wunsch-VG ist eineberufsständische Selbsthilfeorganisation, die sohilf- und segensreich ist, dass man auch dannMitglied bleibt, wenn man sie gar nicht mehrbraucht. Aus – Achtung: unmodernes Wort: –Solidarität mit Seinesgleichen.

Verwertungsgesellschaften – Was tun sie?

chen einzelstaatlichen Traditionen und Besonderheitenhistorischer, juristischer, kultureller und wirtschaftlicherArt begründet ist.

Wie bereits im Echerer-Bericht angelegt, werdenauch in der Entschließung des Europäischen Parlamentsdemokratische Strukturen sowie Transparenz der Verwer-tungsgesellschaften eingefordert.

Mitteilung der Kommission

Wenige Monate nach der Entschließung des Europäi-schen Parlaments erschien die „Mitteilung der Kommis-sion an den Rat, das Europäische Parlament und denEuropäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: DieWahrnehmung von Urheberrechten und verwandtenSchutzrechten im Binnenmarkt“ (KOM(2004) 261 end-gültig).

Die Kommission wählt in ihrer Mitteilung bereitseine andere Sprache. Zwar verweist sie an einer Stelleauch auf die kulturelle und soziale Dimension der Ver-wertungsgesellschaften. Ihre Zielrichtung ist aber eineandere. Die Kommission zeichnet mit der Mitteilung denWeg eines stärker gemeinschaftsrechtlich geprägtenRechtsrahmens für Verwertungsgesellschaften vor. Sobemängelt sie die erheblichen Unterschiede zwischenden Verwertungsgesellschaften der verschiedenen Mit-gliedstaaten, sowohl was den gesetzlichen Rahmen alsauch was die Praxis betrifft. Hier schlägt sie eine stär-kere Harmonisierung vor. Dabei hat sie auch im Blick,dass es einen gesetzlichen Rahmen für die Verwaltungder Verwertungsgesellschaften geben sollte.

Von Bedeutung auch mit Blick auf die im Jahr 2005abgegebene Empfehlung von BinnenmarktkommissarMcCreefy ist die Aussage der Kommission, dass der Bin-nenmarkt durch das Territorialitätsprinzip der Verwer-tungsgesellschaften behindert würde. Zurzeit ist es so,dass die Verwertungsgesellschaft über ein Netzwerk anGegenseitigkeitsverträgen in dem Land, in dem sie tä-

tig sind, das gesamte Weltrepertoire anbieten können.Die Verwertungsgesellschaften selbst werden aber nichtländerübergreifend tätig, sondern nur in ihrem Territo-rium. Dieses Territorialitätsprinzip wird von der Kom-mission in der Mitteilung in Frage gestellt. Es wird un-ter anderem der Vorschlag unterbreitet, eine Gemein-schaftsvorschrift zu erlassen, die bestimmt, „dass jedeLizenz, die das Recht der öffentlichen Wiedergabe oderder Zugänglichmachung betrifft, zumindest für grenz-überschreitende Tätigkeiten per definitionem Nutzungs-handlungen in der gesamten Gemeinschaft erlaubt. Daswürde bedeuten, dass die öffentliche Wiedergabe oderdie öffentliche Zugänglichmachung, wenn sie irgendwoin der Gemeinschaft genehmigt würde, auch in jedemanderen Mitgliedstaat erlaubt wäre. Eine solche Rege-lung käme der teilweisen Abschaffung des Territoriali-tätsprinzips gleich.“

In Deutschland hat sich der Deutsche Kulturrat ge-gen die Mitteilung der Kommission zur Wahrnehmungvon Urheberrechten und verwandten Schutzrechten imBinnenmarkt positioniert. Er hat deutlich gemacht, dassder Binnenmarkt durch die bestehenden Regelungennicht beeinträchtigt wird. Der Deutsche Kulturrat hat dieBedeutung des Territorialitätsprinzips für die Verwer-tungsgesellschaften kleinerer Länder hervorgehoben, dasie eine große Bedeutung zur Sicherung der kulturellenVielfalt haben. Ebenso wurde darauf verwiesen, dassauf Grund der Bestimmungen des Urheberrechtswahr-nehmungsgesetzes in Deutschland die Genehmigungvon und die Aufsicht über Verwertungsgesellschaftenbereits verwirklicht ist.

Der Deutsche Kulturrat hatte die deutsche Bundes-regierung aufgefordert, sich im Rat dafür einzusetzen,dass die Mitteilung der Kommission „Die Wahrnehmungvon Urheberrechten und verwandten Schutzrechten imBinnenmarkt“ nicht weiter verfolgt wird.

Kommissionsempfehlung zuOnline-MusikdienstenDie Empfehlung der Kommission zu den Online-Musik-diensten aus dem Jahr 2005 geht über die Mitteilung

der Kommission „Die Wahrnehmung von Urheberrech-ten und verwandten Schutzrechten im Binnenmarkt“jedoch noch weit hinaus.

Hier ist nicht mehr von Künstlern, von kulturellerVielfalt, von künstlerischen Werken und sozialer Verant-wortung die Rede, sondern nur noch von gewerblichenNutzern und Rechteinhabern. Mit der Empfehlung solldaher „für eine multiterritoriale Lizensierung gesorgtwerden, um für gewerbliche Nutzer mehr Sicherheit fürihre Aktivitäten zu fördern und das Wachstum legalerOnline-Dienste zu fördern, wodurch sich wiederum dieEinnahmen der Rechteinhaber erhöhen würden.“

Das Territorialitätsprinzip spielt in dieser Mitteilungkeine Rolle mehr. Im Gegenteil, der Rechteinhaber sollseine Online-Rechte ganz oder zum Teil einer Verwer-tungsgesellschaft innerhalb der Europäischen Unionübertragen können, die diese wiederum gemeinschafts-weit lizensiert. Ziel ist es unter anderem, dass die Ver-wertungsgesellschaften rationeller und transparenterarbeiten.

In dieser Empfehlung findet die Tradition, dass beider Vergütung künstlerisch wertvolle Arbeiten, die un-ter Umständen weniger verwertet werden, besondersgewertet werden, keine Berücksichtigung. Ganz im Ge-genteil, dieser Solidaritätsgedanke spielt hier nicht nurkeine Rolle mehr, er widerspricht der Grundintention derEmpfehlung zu den Online-Musikdiensten.

Die Anwendung dieser Empfehlung kann zu einerAusdifferenzierung der Verwertungsgesellschaften füh-ren. Auf der einen Seite gäbe es die, die multiterritorialarbeiten und ein bestimmtes Repertoire anbieten, daseben nicht an die Landessprache oder regionale kultu-relle Ausdrucksformen gebunden, sondern vielmehrweltweit marktgängig ist. Das würde voraussichtlich aufeine weitere Vormachtstellung des angloamerikanischenRepertoires an populärer Musik hinauslaufen. Es könn-te sein, dass sich ein Oligopol weniger Verwertungsge-sellschaften bildet, das diese Rechte anbietet. Auf deranderen Seite müssten die Verwertungsgesellschaften,die über diese Rechte nicht verfügen, um ihr Überleben

Karikatur: Dieko Müller

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politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 13

Die Aufgaben der VG BILD-KUNST für die Jahre 2007und 2008 werden sich schwerpunktmäßig auffolgende Bereiche konzentrieren:- Analyse der Zahlungsströme innerhalb der Zentral-stelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) undNeuorganisation der zufließenden Erträge (die ZPÜist die älteste und aus wirtschaftlicher Sichtbedeutendste Form der Zusammenarbeit derdeutschen Verwertungsgesellschaften. Sie hat dieAufgabe, die Vergütungsansprüche gegenüber denGeräteherstellern und -importeuren und gegenüberden Leermedienherstellern und -importeuren geltendzu machen und das Vergütungsaufkommen an ihreGesellschafter, den einzelnen Verwertungsgesell-schaften, zu verteilen).- Abschluss von Verhandlungen zur zulässigenZugänglichmachung von Werken in Universitäten undHochschulen (Sinn und Zweck des § 52a UrhGbesteht in seiner Eigenschaft als Schrankenregelung.Er soll die Verwertungsrechte des Urhebers an seinenschöpferischen Leistungen limitieren und denInteressen der Allgemeinheit Rechnung tragen. Fürdie öffentliche Zugänglichmachung ist eine angemes-sene Vergütung zu zahlen. Für die ursprünglich alsvergütungsfrei vorgesehene Verfügbarkeit fürUnterrichtszwecke muss die Pflicht zur Zahlung einerangemessenen Vergütung über die Verwertungsgesell-schaften beibehalten bleiben).- Entwicklung von Verwaltungsmöglichkeiten für dieAbwicklung des Vergütungsanspruchs aus derErschließung von Archivrechten gemäß § 137 l neuerFassung (in der Frage der Erschließung von „Archiv-schätzen“ ist es den Rechtsinhabern gelungen, dieVerwertungsgesellschaftspflichtigkeit der Vergütun-gen für die Nutzung von bisher in Archiven verschlos-senen Werken durchzusetzen. Damit wird aus Sichtder VG BILD-KUNST die Voraussetzung dafürgeschaffen, dass in diesen Situationen – derAufnahme der Auswertung von Archivwerken –zumindest eine angemessene Vergütung durch dieVerwertungsgesellschaften durchgesetzt werdenkann).Die VG BILD-KUNST hat sich – und dies entsprichtebenso dem Willen der Mitglieder ihrer Gremien wiedem Gesetz – nicht nur um die Wahrnehmung derRechte und Ansprüche ihrer Mitglieder bemüht,sondern gleichzeitig Aufgaben im Interesse derGesamtheit der Urheberinnen und Urheber übernom-men: Sie gibt in die Kulturwerk GmbH einenangemessenen Anteil ihrer Erlöse zur Förderungkulturell bedeutender Werke aller Bereiche ihrerMitgliedschaft und trägt über die Stiftung Sozialwerkdafür Sorge, dass Künstlerinnen und Künstlerfinanzielle Unterstützungsleistungen erhalten, diedurch die Maschen des Sozialnetzes der Kulturberufefallen.Bundesregierung und EG-Kommission haben bishergroßen Wert auf die Sicherung der Rechte derKünstler und Bildautoren gelegt und die Autorenauch über ihre Berufsverbände ermutigt, sich dieserRechte bewusst zu werden und sie zu nutzen. DieSicherung der Urheberrechte im Bereich derindividuellen Vermarktung und zunehmend auch imBereich der kollektiven Wahrnehmung sowieVerteidigung dieser Rechte durch Verwertungsgesell-schaften hat die „Funktionärsclique aus Frankfurt“schon früh erkannt.Einen Teil Freizeit für ein Engagement in Berufsorga-nisationen abzugeben ist nicht immer selbstverständ-lich, jedoch berufspolitisch geboten. Der persönlicheVorteil liegt im Vorsprung an Erfahrung: Wer dasLeben nur als Schauplatz sieht, der muss Eintrittzahlen!

Statements

Lutz Hackenberg. Foto: AGD

Verwertungsgesellschaften – Was tun sie?

Bewegte Bilder: Der Film wird zum festen Bestandteil unserer Kultur. Foto: Stefanie Ernst

Fortsetzung von Seite 12

Technik von heute, Design von gestern: Radio, CD-Player und Kassettenrekorder in einem. Foto: Kristin Bäßler

kämpfen. Zeitgenössische Künstler, die ernste Musikschaffen, hätten noch mehr wirtschaftliche Probleme,da sie nicht mehr von einer Quersubventionierung durchdie populäre Musik leben könnten.

Es steht weiter in Frage, ob die Nutzer auf langeSicht tatsächlich einen Gewinn hätten, wenn sie einemeuropaweiten Oligopol gegenüberstehen oder ob diebestehenden Verwertungsgesellschaften mit ihren Ge-genseitigkeitsverträgen dem Wettbewerb nicht zuträg-licher sind.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass ähnlicheEmpfehlungen für andere künstlerische Sparten ausge-sprochen werden, so dass der gesamte Kultursektor er-griffen würde.

Kulturverträglich?

Es stellt sich die Frage, ob die Empfehlung zu Online-Musikdiensten einer Kulturverträglichkeitsprüfung im Sin-ne des Art. 151, 4 des EG Vertrags standhalten würde.Diese Kulturverträglichkeitsprüfung besagt, dass Gemein-schaftspolitiken dahingehend geprüft werden müssen, obsie kulturverträglich sind. Die Empfehlung zu Online-Musikdiensten ist dieses sicherlich nicht. Sie begünstigtlediglich die jetzt schon großen Verwertungsgesellschaf-ten, die unter Hintanstellung ihrer kulturellen und sozia-len Verpflichtungen vielleicht kurzfristig einen wirtschaft-lichen Nutzen aus einem solchen Modell ziehen könnten.Auf Dauer besteht aber die Gefahr, dass sie verlieren, dennauch die erfolgreiche populäre Musik braucht eine Basis,auf der sie entwickelt werden kann.

Eigentlich hätte hier der EU-Kulturkommissar dieNotbremse ziehen müssen, wenn ein solches Thema aufdie europäische Agenda gebracht wird. Das Instrumentdes Soft Law bietet allerdings die Möglichkeit, quasi durchdie kalte Küche, vollendete Tatsachen zu schaffen.

Kulturelle Vielfalt

Aber noch in weiterer Hinsicht ist die Empfehlung derKommission zu den Online-Musikdiensten bedenklich.Seit dem Jahr 2003 wird über die Konvention KulturelleVielfalt debattiert. Nicht zuletzt ausgelöst durch dieGATS-Verhandlungen im September 2003 in Cancun(Mexiko) wurde von der UNESCO-Generalversammlungim Herbst 2003 in Paris beschlossen, eine Konventionzum Schutz der kulturellen Vielfalt zu erarbeiten. Dieseserfolgte auch sehr rasch und bereits im Herbst 2005wurde das „UNESCO-Übereinkommen über den Schutzund die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksfor-men“ (kurz Konvention Kulturelle Vielfalt) verabschie-det. Im März 2007 trat die Konvention Kulturelle Viel-falt in Kraft, nachdem sie von mehr als 52 UNESCO-Mitgliedstaaten ratifiziert worden waren. Erforderlichwaren lediglich 30.

Die Konvention Kulturelle Vielfalt war eigentlich alsvölkerrechtliches Instrument gegenüber den GATS-Ver-handlungen (Allgemeines Übereinkommen über denHandel mit Dienstleistungen) der Welthandelsorganisa-tion (WTO) gedacht. Im Rahmen der GATS-Verhandlun-gen tauchte auch die Forderung nach einer Liberalisie-rung der Märkte für Kulturgüter und -dienstleistungen

auf. Es wurde befürchtet, dass die Liberalisierung zuLasten der kulturellen Vielfalt und zur weiteren Domi-nanz der angloamerikanischen Kulturgüter führen könn-te. Die Konvention Kulturelle Vielfalt soll hierzu einGegengewicht bilden. Als völkerrechtliches Dokumentkann sie in den GATS-Verhandlungen als Argumentgegen eine Liberalisierung angeführt werden. Für dieMitgliedstaaten der Europäischen Union verhandelt dieEU bei den GATS-Verhandlungen. Die EU hat sich auchfür die Konvention Kulturelle Vielfalt stark gemacht,an den Verhandlungen mitgewirkt und sie bereits rati-fiziert.

Neben den grundsätzlichen Aussagen zur Bedeu-tung der kulturellen Vielfalt wird in der Konvention Kul-

turelle Vielfalt auch auf die Bedeutung des geistigenEigentums zur Sicherung der kulturellen Vielfalt einge-gangen.

Obwohl die Konvention Kulturelle Vielfalt in Bezugauf die GATS-Verhandlungen entwickelt wurde, erschöpftsie sich nicht darin. Sie entfaltet auch eine Bedeutungim nationalen Kontext. Die Unterzeichnerstaaten ver-pflichten sich nämlich, auch in ihrem eigenen Land diekulturelle Vielfalt zu gewährleisten. Darüber muss allevier Jahre Bericht erstattet werden.

Mehr als heiße Luft

Indem von der Europäischen Gemeinschaft die Konven-tion Kulturelle Vielfalt ratifiziert wurde, hat sie sich auchverpflichtet, innergemeinschaftlich für kulturelle VielfaltSorge zu tragen und das heißt mehr als – eher beschei-den ausgestattete – Kulturprogramme aufzulegen oderfür Sprachenvielfalt einzutreten.

Kulturelle Vielfalt kann nur gesichert werden, wenndieser Gedanke in allen Politikfeldern berücksichtigtwird. Die Kulturverträglichkeitsprüfung wäre – konse-quent angewendet – ein ideales Instrument um inner-halb der Europäischen Gemeinschaft sicherzustellen,dass die kulturelle Vielfalt gewahrt wird.

Die Empfehlung zu den Online-Musikdiensten weistaber in eine andere Richtung. Hier zeigt sich, dass esallein um einen kurzfristigen Wettbewerb unter ökono-mischen Vorzeichen geht. Die Nutzer von Online-Mu-sikrechten sollen diese Rechte möglichst günstig erwer-ben können. Dabei wird nicht danach gefragt, wovondie Komponisten, Textdichter und Interpreten dieserMusik leben sollen und wie ein möglichst breites Re-pertoire sehr unterschiedlicher Musik – eben kulturelleVielfalt – erhalten werden kann.

Es kommt nun auf zweierlei an: Zum einen mussdas Bewusstsein geschärft werden, dass die KonventionKulturelle Vielfalt auch den nationalen bzw. europäischenRechtsrahmen betrifft, die Konvention Kulturelle Vielfaltmuss also mit Leben gefüllt werden. Zum anderen kommtes nun auf die Unternehmen und die Verwertungsgesell-schaften an, ob sie diese Empfehlung umsetzen. Geradedie Verwertungsgesellschaften aus dem Musikbereichhaben hier eine große Verantwortung. Sie stehen tatsäch-lich vor der Frage: Kultur oder Kommerz?

Je nachdem wie die Antwort ausfällt, wird auch dernationale Gesetzgeber reagieren müssen und wird ge-gebenenfalls in den Verwertungsgesellschaften die überviele Jahrzehnte bewährte Solidarität der Urheber inFrage stehen.

DER VERFASSER IST HERAUSGEBER VON POLITIK UNDKULTUR UND GESCHÄFTSFÜHRER DES DEUTSCHENKULTURRATES

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Verwertungsgesellschaften – Aufsicht politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 14

Das Prinzip der kulturellen Rechtewahrnehmung verteidigenInterview mit MdB Gitta Connemann (CDU), Vorsitzende der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“

politik und kultur (puk): Frau Connemann, warum be-schäftigt sich die Enquete-Kommission „Kultur inDeutschland“ mit den Verwertungsgesellschaften?Connemann: Die Enquete-Kommission wurde mit demAuftrag eingesetzt, eine Bestandsaufnahme über dieSituation von Kunst und Kultur in Deutschland zu er-stellen und daraus Handlungsempfehlungen für denGesetzgeber abzuleiten. Dabei muss es natürlich auchum die wirtschaftliche und soziale Lage der Kulturschaf-fenden in Deutschland gehen, denn sie sind das Funda-ment, auf dem unsere kulturelle Entwicklung ruht.

puk: Verwertungsgesellschaften tragen zur Verbesserungder wirtschaftlichen Situation von Künstlern bei. Dannist doch alles in Ordnung?Connemann: Damit Künstlerinnen und Künstler ihrgeistiges Eigentum verwerten können, brauchen wir dasPrinzip der kollektiven Rechtewahrnehmung und zwarso, wie es vom Gesetzgeber im Urheberrechtswahrneh-mungsgesetz ausgestaltet worden ist. Zu diesem Mo-dell gehören zwingend starke Verwertungsgesellschaf-ten. So wie die übrigen Mitglieder der Enquete-Kom-mission halte auch ich deren Arbeit im Grundsatz fürnotwendig und richtig. Dennoch glaube ich, dass spezi-ell in diesem Bereich – der übrigens von der Politik bishernoch nicht hinterfragt worden ist – Handlungsbedarfgegeben ist und deutliche Verbesserungsmöglichkeitenbestehen – zugunsten der Künstlerinnen und Künstler.

puk: Was meinen Sie genau?Connemann: Da ist zunächst einmal die Frage der Auf-sicht. Im Januar diesen Jahres hat die Enquete-Kommis-sion eine öffentlichen Anhörung durchgeführt, an derVertreter der Verwertungsgesellschaften, unabhängigeExperten und auch der Präsident des Deutschen Patent-und Markenamts (DPMA) teilgenommen haben. Ausseiner Stellungnahme habe ich den Eindruck erhalten,dass es dort an den personellen noch strukturellen Vor-aussetzungen fehlt, um eine effektive Aufsicht zugewährleisten. Das DPMA beschäftigt ca. 2.600 Mitar-beiter, die eine große Bandbreite an Aufgaben haben.Die Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften nimmt

Gitta Connemann. Foto: Deutscher Bundestag

im Vergleich zu der Betreuung geistiger Schutzrechtenur einen sehr geringen Stellenwert ein. Nur fünf Mitar-beiter bilden das Referat „Urheberrecht“, das die ge-setzlich vorgeschriebene Aufsicht der Verwertungsge-sellschaften leisten soll. Diese Abteilung kann schon quaZuschnitt immer nur eine „Randerscheinung“ sein. Ichhalte aber auch das Aufgabenverständnis des DPMA fürproblematisch. Es sieht sich nicht in der Pflicht, im kon-kreten Einzelfall einzugreifen. Es beschränkt sichlediglich auf eine abstrakte Evidenzkontrolle. Im Gesetzsteht aber an keiner Stelle, dass die Aufsichtsbehördesolche Einzelprüfungen nicht durchführen soll oder darf.

puk: Was schlagen Sie vor?Connemann: Aus meiner Sicht sollte die Aufsicht überdie Verwertungsgesellschaften durch eine unabhängi-ge Institution erfolgen, die diese Tätigkeit als Schwer-punkt ihrer Arbeit versteht. Ideal wäre eine Regulierungs-behörde. Diese Aufsicht müsste zudem im Einzelfall kon-trollieren, ob die Verwertungsgesellschaften ihren ge-setzlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachkom-men.

puk: Wenn Sie mangelnde Aufsicht kritisieren, dannunterstellen Sie auch, dass die Verwertungsgesellschaf-ten stärker kontrolliert werden müssen?Connemann: So wie es der Gesetzgeber ohnehin bereitsklar vorgegeben hat. Denn die Verwertungsgesellschaf-ten haben faktisch eine Monopolstellung. Es muss alsoeine Kontrolle stattfinden, um Missbrauch zu begegnen.Nehmen Sie beispielsweise den doppelten Kontrahie-rungszwang: Er besagt, dass eine Verwertungsgesell-schaft jeden Künstler des von ihr vertretenen kulturel-len Bereichs auch tatsächlich aufnehmen muss und imAnschluss seine Rechte konsequent wahrzunehmen hat.

puk: Aber so verstehen sich doch auch alle Verwertungs-gesellschaften in Deutschland?Connemann: Ja, das ist so – bislang. Es gibt jedochaktuelle Entwicklungen, die dieses Bild trüben. So hatdie GEMA zusammen mit der MCPS CRS eine Tochter-gesellschaft namens CELAS zur Wahrnehmung von Onli-

ne-Rechten für einen Major gegründet, die in derRechtsform einer GmbH agiert und deren Handeln da-mit auf rein wirtschaftliche Ziele gerichtet sein muss.Es greift weder der Abschluss- noch der Wahrneh-mungszwang. Diese Tochter kann sich also vorbehal-ten, nur noch ausgesuchte Künstler zu vertreten undbestimmte Vermarkter von der Verwertung auszuschlie-ßen.

puk: Man kann an diesem Punkt entgegen halten, dassdie Vorgaben und Richtlinien der EU-Kommission ex-akt diese wirtschaftliche Ausrichtung der Verwertungs-gesellschaften fordern. Die GEMA reagiert doch nurauf einen künstlich erzeugten Wettbewerb unter denVerwertungsgesellschaften, den die EU-Kommissionentfacht hat.Connemann: Wenn man sich der Meinung der EU-Kom-mission anschließen wollte, wäre das in der Tat ein Pro-blem. Aber das ist genau die Frage. Hier stehen wir mei-ner Meinung nach an einem Scheideweg: Wollen wirVerwertungsgesellschaften zukünftig nur noch als Rech-temakler und Inkassounternehmen begreifen oder alskulturnahe Einrichtungen? Sollen Verwertungsgesell-schaften in Zukunft ausschließlich wirtschaftliche Inte-ressen verfolgen oder soll weiterhin ihre kulturelle undsoziale Verpflichtung im Vordergrund stehen? Kommerzoder Kultur. Das ist die Frage. Und die Antwort daraufmüssen wir selbst geben. Denn die EU-Kommission istbislang in ihren Bestrebungen auch auf EU-Ebene iso-liert. So vertritt zum Beispiel das EU-Parlament eineandere Auffassung. Und es ist mehr als fraglich, obdie EU-Mitgliedstaaten den von der Kommission ein-geschlagenen Weg tatsächlich mitgehen werden undsollen.

puk: Ist das ein klares Bekenntnis zum kulturellen undsozialen Auftrag der Verwertungsgesellschaften?Connemann: Ich kann und darf an dieser Stelle dasErgebnis der Enquete-Kommission nicht vorwegnehmen.Aber meine persönliche Meinung ist klar und eindeutig:Wir müssen an dem bisherigen System festhalten. Dennnur so ist dauerhaft kulturelle Vielfalt gewährt. Nur sokommen auch diejenigen Künstlerinnen und Künstlerzum Zug, die nicht den großen wirtschaftlichen Erfolgerzielen. Ich sehe mich da übrigens auch in Überein-

stimmung mit vielen Verwertungsgesellschaften, die janach der Gründung der CELAS ihre Sorgen europaweitgeäußert haben. Daraus folgt für mich eine klare Auf-gabenteilung: Die Politik hat die Aufgabe, das Prinzipder kollektiven Rechtewahrnehmung zu verteidigen undinsoweit die Verwertungsgesellschaften vor Wettbewerbzu schützen. Diese Position sollten wir auch auf euro-päischer Ebene gemeinsam vehement vertreten. Im Ge-genzug müssen sich aber die Verwertungsgesellschaf-ten darauf beschränken, ihren im Gesetz verankertenAufgaben nachzukommen, und nicht als Wirtschaftsun-ternehmen tätig zu werden. Andernfalls wäre ihre fakti-sche Monopolstellung nicht mehr zu rechtfertigen. Dazugehört für mich auch, dass keine Tochterunternehmengegründet werden, die auf den Datenbestand der Mut-tergesellschaft zurückgreifen, aber wegen ihrer Rechts-form nicht der Aufsicht unterworfen sind.

puk: In welchen Bereichen sollte die Aufsicht außerdemnoch verstärkt tätig werden?Connemann: Erforderlich ist aus meiner Sicht eine grö-ßere Transparenz. Beispielsweise muss jede Verwertungs-gesellschaft eine Vorsorge- und Unterstützungseinrich-tung einrichten, an die ein bestimmter Prozentsatz desGesamtaufkommens abgeführt werden muss. Diese So-zialwerke sollen Leistungen im Alter, bei Krankheitenetc. leisten. Es gibt nun aber nicht für jede Verwertungs-gesellschaft aussagekräftige valide Daten, ob und inwelchem Umfang Mittel an die jeweiligen Sozialwerkeabgeführt werden.

Bei der Tarifaufstellung sehe ich Defizite hinsicht-lich der Nachvollziehbarkeit.Schließlich wirft die Mitwirkung bei der Verteilung derEinnahmen für mich Fragen auf. Das Gesetz schreibt vor,dass jeder Urheber angemessen für die Nutzung seinerWerke zu vergüten ist. Wenn aber der Verteilungsplaninnerhalb einer Verwertungsgesellschaft mit rund 60.000Wahrnehmungsberechtigten nur von deren knapp 3.000ordentlichen Mitgliedern aufgestellt wird, ist zu hinter-fragen, ob eine demokratische Teilhabe gewährleistet ist.

Schon an diesen ausgewählten Beispielen zeigt sichsicherlich, dass eine starke Aufsicht im Sinne aller Kul-turschaffenden in Deutschland ist.

DAS INTERVIEW FÜHRTE ACHIM VON MICHEL

Aufsicht über die VerwertungsgesellschaftenDie Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages„Kultur in Deutschland“ wurde in der 15. Legislatur-periode erstmals mit dem Auftrag eingesetzt, demDeutschen Bundestag konkrete Vorschläge zur Verbes-serung der Rahmenbedingungen für die Kultur inDeutschland zu unterbreiten. Da die Enquete-Kommis-sion aufgrund der verkürzten Legislaturperiode ihreArbeit nicht zu Ende führen konnte, wurde sie in der16. Legislaturperiode erneut eingesetzt.

Die Enquete-Kommission hat den Auftrag, sich mit demStrukturwandel der öffentlichen und privaten Förde-rung von Kunst und Kultur, der wirtschaftlichen undsozialen Lage der Künstler sowie mit der Kulturland-

schaft Deutschlands zu befassen. In verschiedenen An-hörungen der Enquete-Kommission wurden Fragen desUrheberrechts und des Urheberrechtswahrnehmungsge-setzes angesprochen. Speziell zum Urheberrechtswahr-nehmungsgesetz hat die Enquete-Kommission eine ei-gene Anhörung durchgeführt, zu der unter anderem dasDeutsche Patent- und Markenamt eingeladen wurde. DieEnquete-Kommission wird auch zur Frage der künftigenRegelung der Aufsicht dem Deutschen Bundestag Vor-schläge unterbreiten.

Bislang obliegt der Aufsicht die Genehmigung einer Ver-wertungsgesellschaft sowie gegebenenfalls der Entzugdieser Erlaubnis. Weiter hat die Aufsichtsbehörde die

Pflicht, darüber zu wachen, dass die Verwertungsgesell-schaft ihren Verpflichtungen nachkommt. Die Aufsichts-behörde ist berechtigt an der Mitgliederversammlung derVerwertungsgesellschaft und, sofern ein Aufsichtsrat oderBeirat besteht, auch an seinen Sitzungen teilzunehmen.Die Verwertungsgesellschaften müssen der Aufsichtsbe-hörde jede Satzungsänderung, die Tarife und jede Tarif-änderung, die Gesamtverträge, die Vereinbarungen mitausländischen Verwertungsgesellschaften, die Beschlüs-se der Mitgliederversammlung, eines Aufsichtsrates oderBeirats und aller Ausschüsse, den Jahresabschluss, denLagebericht und den Prüfungsbericht unverzüglich mit-teilen. Weiter muss eine Verwertungsgesellschaft Entschei-dungen in gerichtlichen oder behördlichen Verfahren, in

denen sie Partei ist, der Aufsichtsbehörde zur Verfügungstellen, sofern dieses von der Aufsicht verlangt wird.Darüber hinaus kann die Aufsichtsbehörde jederzeitAuskunft über alle die Geschäftsführung betreffendenAngelegenheiten sowie die Vorlage der Geschäftsbü-cher und anderer geschäftlicher Unterlagen verlangen.

Bei der Anhörung der Enquete-Kommission „Kultur inDeutschland“ kam zum Ausdruck, dass zwischen denAufgaben, die die Aufsicht wahrnehmen soll und derPersonalausstattung des Deutschen Patent- und Mar-kenamts für diese Aufgabe eine Diskrepanz besteht.

DIE REDAKTION

Über die Wahlscheibe konnten europaweit Radiosender angewählt werden. Foto: Stefanie Ernst

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Verwertungsgesellschaften – Aufsicht politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 15

Einsicht nehmen, prüfen, abstimmen, beaufsichtigenDie Referatsleiterin der Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften im Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), Senta Bingener, und derVorsitzende der Schiedsstelle im DPMA, Jörg Portmann, über die Rolle und Aufgaben des DPMA

politik und kultur (puk): Mit welchen konkreten Fra-gestellungen beschäftigt sich das DPMA im Rahmen sei-ner Rolle als Aufsicht über die Verwertungsgesellschaf-ten?Dr. Bingener: Nachdem die Tätigkeit einer Verwertungs-gesellschaft einer Erlaubnis bedarf, sind wir zunächstfür die Prüfung und die Erteilung einer Genehmigungzuständig. Ebenso ist das DPMA natürlich auch für denWiderruf dieser Erlaubnis zuständig, wenn die Voraus-setzungen für die Tätigkeit als Verwertungsgesellschaftnicht mehr vorliegen oder eine Verwertungsgesellschaftwiederholt ihren Verpflichtungen zuwiderhandelt. DenSchwerpunkt unserer Arbeit bildet aber die laufendeAufsicht über die existierenden Verwertungsgesellschaf-ten, die eine Reihe von Prüfungen beinhaltet. Vor allemkontrollieren wir dabei, dass die Verwertungsgesellschaf-ten einerseits die Rechte gegenüber den Urhebern zuangemessenen Bedingungen wahrnehmen, also dass dieKreativen eine angemessene Vergütung für die Nutzungihrer Werke erhalten. Andererseits stellen wir sicher, dassauch die Verträge mit den Nutzern zu angemessenenBedingungen geschlossen werden, also dass z.B. dieTarife in einem gesunden Verhältnis zur Nutzung ste-hen.

Denn im Gegensatz zu einer privaten Rechteagen-tur, die nicht dem staatlichen Einfluss unterliegt, musseine Verwertungsgesellschaft tatsächlich jeden Urheberaufnehmen. Außerdem ist sie verpflichtet, seine Rechtenach Abschluss des Berechtigungsvertrags auch wahr-zunehmen und ihm nach Abzug der nötigen Verwal-tungskosten die im Gesetz verankerte „angemesseneVergütung“ auszuschütten. In der Praxis setzen wir un-sere Aufsichtspflicht durch eine Vielzahl von Maßnah-men um; wir haben zum Beispiel Einblick in die Ge-schäftsbücher, nehmen an Mitgliederversammlungenund Sitzungen von Aufsichtsrat oder Beirat einer Ver-wertungsgesellschaft teil, prüfen neue Tarife auf Ange-messenheit, und stimmen uns mit den Geschäftsführun-gen der Verwertungsgesellschaften bereits im Vorfeldüber geplante Vorhaben ab.

puk: Ist das Kontrollinstrumentarium des DPMA IhrerMeinung nach ausreichend?Dr. Bingener: Das gesetzliche Aufsichtsinstrumentari-um, wie es seit der Gesetzesänderung durch das Gesetzzur Regelung des Urheberrechtes in der Informations-gesellschaft existiert, ist aus unserer Sicht weitestge-hend ausreichend: Es beinhaltet eine Generalbefugnis,die es dem DPMA ermöglicht, alle erforderlichen Maß-nahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Ver-wertungsgesellschaft ihre Pflichten erfüllt. Dazu gehö-ren neben formlosen Hinweisen, formelle Abmahnun-gen und der Erlass von Verwaltungsakten auch der Wi-derruf der Erlaubnis und die Untersagung des Geschäfts-betriebes. Das mögliche Zwangsgeld wurde auf eineObergrenze von 100.000 Euro angehoben. GesetzlicheVerbesserungsmöglichkeiten, die den Rechtsweg gegenEntscheidungen des DPMA gegenüber einer Verwer-tungsgesellschaft betreffen, sind gegenwärtig Gegen-stand der Diskussion im Rahmen der Enquete-Kommis-

sion „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundesta-ges und müssen abgewartet werden. Dieses aufsichts-rechtliche Instrumentarium nutzt das DPMA derzeit ausmeiner Sicht grundsätzlich effizient. Allerdings würdenwir Beschwerden über Verwertungsgesellschaften gernehäufiger noch schneller bearbeiten, als wir dies aufgrundder personellen Ausstattung immer können. Rein wirt-schaftlich stehen den Kosten der Aufsicht über die Ver-wertungsgesellschaften beim DPMA von deutlich untereiner halben Million Euro Einnahmen der Verwertungs-gesellschaften von deutlich über einer Milliarde Eurogegenüber.

puk: Mit der Novellierung des Urheberrechts (2. Korb)kommt der Schiedsstelle im DPMA eine wesentlich stär-kere Rolle zu, denn sie soll bei der Festlegung von Tari-fen zwischen den gegnerischen Parteien vermitteln.Halten Sie diesen Weg für praktikabel?Jörg Portmann: In der Tat soll die Schiedsstelle in Zu-kunft immer dann angerufen werden, wenn sich Ver-wertungsgesellschaften und Nutzer nicht sofort übereinen Tarif zur Abgeltung urheberrechtlicher Leistungenfür Geräte und Speichermedien einigen können. UnsereAufgabe ist es dann, mithilfe eines unabhängigen Gut-achtens, das von uns in Auftrag gegeben wird, den tat-sächlichen Umfang der urheberrechtlich relevanten Nut-zung zu erfassen und danach eine Einigung herbeizu-führen. Ich halte dieses Vorgehen grundsätzlich für sehrgeeignet, eine realistische Komponente in die gesamteTarif-Diskussion einzubringen. Das neue System ist ge-rechter, weil es auf realen Nutzungszahlen basiert undnicht auf abstrakt im Gesetz verankerten Tarifen.Allerdings plädieren wir sehr stark dafür, dass im Rah-men der anstehenden Verhandlungen nach Möglichkeitüberall dort, wo es möglich ist, Gesamtverträge abge-schlossen werden. Damit verringert sich das Prozessri-siko für alle Beteiligten und die Schiedsstelle kann sogenannte „Billigkeitsgründe“ geltend machen und sobeispielsweise Rabatte gewähren. Das wird nicht mög-lich sein, wenn wir für jede Nutzungsart und jeden Ge-rätetyp mit jedem Hersteller, Importeur bzw. Händlergesondert verhandeln müssen.

puk: Erwarten Sie also, dass mit Inkrafttreten der Ur-heberrechtsnovelle schlagartig Frieden eingekehrt zwi-schen Verwertungsgesellschaften und den Nutzern, undsich alle am Verhandlungstisch die Hände reichen?Jörg Portmann: Nein, ganz so einfach wird es wohlnicht gehen, wenngleich wir im Bereich der Nutzungvon Ruftonmelodien, Musikvideos und Tonträger/CDsbereits drei konkrete Verhandlungsergebnisse mit Ge-samtvertragspartnern vor der Schiedsstelle aufzuweisenhaben, von denen sich zumindest zwei bis jetzt als trag-fähig für beide Seiten erweisen haben. Natürlich bin ichrealistisch – in den kommenden zwei Jahren, die der Ge-setzgeber als Übergangsfrist zur Festsetzung neuer Tarifegewährt, kommt gehörig Arbeit auf uns zu. Wir beantra-gen gerade zusätzliche Beisitzerkapazitäten und erstel-len erste Zeitplanungen. Demnach gehen wir davon aus,dass ein solcher Einigungsprozess von der Beauftragung

Senta Bingener. Foto: privat

Die Rolle des Deutschen Patent- und Markenamtes

im Prozess der Rechteverwertung in DeutschlandZum einen verschafft das gesetzliche Konstrukt, dasdie Beauftragung von Verwertungsgesellschaftendurch den Urheber mittels eines Berechtigungsver-trags vorsieht, den Verwertungsgesellschaften diePosition eines Treuhänders der von ihnen vertrete-nen Urheber und Leistungsschutzberechtigten miteinem nicht unerheblichen Handlungsspielraum. Dadie Verwertungsgesellschaften die ausschließlichenNutzungsrechte der jeweils von ihnen vertretenenUrheber an bestimmten Urheberrechten kollektiv,also für viele Rechteinhaber, wahrnehmen, erlangensie außerdem häufig ein faktisches Monopol für eineVielzahl von gleichen Rechten. Existiert für eine be-stimmte Art von Urheberrechten – wie es oft der Fallist – nur eine einzige Verwertungsgesellschaft, hatsie national das Monopol für alle Rechte dieser Art.Meistens hat sie zudem noch engmaschige Gegen-seitigkeitsverträge mit den Verwertungsgesellschaf-ten anderer Länder, und verfügt insoweit sogar überein Weltmonopol.

Diese beiden Punkte waren vom Gesetzgeber des Ur-heberrechtswahrnehmungsgesetzes im Jahr 1965 imInteresse einer ökonomischen Wahrnehmung gleich-artiger Rechte aus einer Hand zwar durchaus ge-wünscht. Die darin angelegte Machtfülle der Verwer-

tungsgesellschaften im Innenverhältnis zum wahrneh-mungsberechtigten Urheber sowie im Außenverhält-nis zum Nutzer bedurfte jedoch nach Ansicht des Ge-setzgebers gleichzeitig eines Korrektivs. Dieses wur-de durch die Konstitution einer staatlichen Aufsichtüber die Verwertungsgesellschaften geschaffen – denPräsidenten des Deutschen Patent- und Markenam-tes. Das DPMA ist dem für Fragen des Urheberrechtszuständigen Bundesjustizministerium (BMJ) nachge-ordnet und ist als Bundesbehörde für die deutschland-weite Aufsicht besonders geeignet.

Innerhalb des DPMA wird die Aufsicht durch ein Refe-rat wahrgenommen, das derzeit mit vier Juristen unddrei weiteren Mitarbeitern besetzt ist. Neben ihrer Zu-ständigkeit für die Erlaubniserteilung als Verwertungs-gesellschaft tätig zu sein, achtet die Bundesbehördeim Rahmen ihrer laufenden Kontrolle darauf, dass dieVerwertungsgesellschaften ihren gesetzlichen Verpflich-tungen nachkommen. Nicht Gegenstand der Aufsichtist allerdings die Prüfung von Vergütungsforderungeneiner Verwertungsgesellschaft in konkreten Einzelfäl-len. An dieser Stelle kommt die Schiedsstelle beim DPMAins Spiel, die in Streitfällen von den Nutzern der Vergü-tungstarife angerufen werden muss, bevor ein ordent-liches Gerichtsverfahren angestrebt wird.

des Gutachtens bis zur Aushandlung der Vergütungshö-he in etwa sechs Monaten zu bewältigen ist. Zuvor mussallerdings gemeinsam mit den Beteiligten der konkreteGutachterauftrag festgelegt werden. Hierfür dürftenmindestens drei Monate erforderlich sein. Wenn wir rea-listisch davon ausgehen, dass es mehrere Verfahren fürDrucker, Scanner, PC etc. geben wird, so wird die Frist vonzwei Jahren wohl gerade ausreichen, um die neuen Tarifefür alle Nutzungsformen verbindlich festzulegen.

puk: Was geschieht, wenn trotzdem keine Einigungzwischen den Parteien erzielt werden kann?Jörg Portmann: Dann werden nach wie vor die Gerich-te angerufen, allerdings wurde eine Instanz aus demProzess eliminiert. Das Verfahren geht direkt zum Ober-landesgericht und dann zum Bundesgerichtshof.

DAS INTERVIEW FÜHRTE ACHIM VONMICHEL

Erinnerungen an Gutenberg: Nachbildung einer hölzernen Presse aus dem 17.Jahrhundert. Foto: Stefanie Ernst

Jörg Portmann. Foto: W. Guth

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Verwertungsgesellschaften – Soziale und kulturelle Zwecke politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 16

Kamera mit Zoomobjektiv für Außenaufnahmen. Foto: Stefanie Ernst

Treuhänder der KreativenZur kulturellen und sozialen Dimension der Verwertungsgesellschaften I Von Artur-Axel Wandtke

Es wird immer wieder Kritik an den Verwertungsgesell-schaften geübt oder sogar deren Existenz als anachro-nistisch im digitalen Zeitalter bezeichnet. Dabei wirdvergessen, dass sie in einem ganz bestimmten histori-schen Kontext entstanden sind und nur in Verbindungmit der Entwicklung des Urheberrechts betrachtet wer-den können.

Denn in der Geschichte des Urheberrechts hat esimmer wieder Zeiten gegeben, in denen entweder

von einem Wandel oder von einer Legitimationskrise desUrheberrechts gesprochen wurde. Manchmal hilft einBlick in die Geschichte, um die kulturelle und sozialeDimension der Verwertungsgesellschaften zu verstehen.

Pierre Augustin Caron de Beaumarchais (1732-1799), Autor der bekannten Bühnenstücke „Der Barbiervon Sevilla“ und „Die Hochzeit des Figaro“, ließ am 20.Februar 1791 im „Le Moniteur“ die Verfassung der ers-ten Verwertungsgesellschaft der Welt (Die Gesellschaftdramatischer Autoren) veröffentlichen und seine Stückeund die der anderen Autoren durch diese verwalten (Jac-ques Boncompain, La révolution des auteurs, Paris 2002,S. 285). Mit dem Zusammenschluss der Bühnenautorensollte deren Rechtsstellung gestärkt werden, weil dieAutoren kaum eine individuelle Kontrolle über die Auf-führungen ihrer Stücke in Frankreich ausüben konnten.

Das andere Motiv von Beaumarchais bestand da-rin, die Tyrannei der Comédie Française zu brechen, diedie Bühnenstücke entweder unentgeltlich oder mit ei-nem geringen Entgelt aufführen ließ. Beaumarchaiswollte den Zugang der Werke für jedermann erreichen.Im Gegenzug sollte der Verwerter eine angemesseneVergütung zahlen. Diese Forderungen gelten auch in derGegenwart. Die im Laufe der Geschichte entstandenenVerwertungsgesellschaften in Deutschland stehen bisheute vor einem ähnlichen Problem. Die von den Urhe-bern und Leistungsschutzberechtigten gegründeten Ver-wertungsgesellschaften (z.B. VG Wort, VG BILD-KUNST,GVL, GEMA u.a.) sind gesetzlich berechtigt und ver-pflichtet, für die Nutzung der Werke eine gesetzlicheangemessene Vergütung von dem Verwerter oder derGeräteindustrie zu verlangen. Die entsprechenden Ver-gütungen, die die Verwertungsgesellschaften nach ei-nem ganz bestimmten Verteilerschlüssel an die Urhe-ber, Verleger und Leistungsschutzberechtigten ausschüt-ten, beruhen auf Verteilungsplänen, die die Betroffeneneigenverantwortlich aufstellen. Die Verwertungsgesell-schaften als Verwaltungseinheiten sind im Grunde dieErfüllungsgehilfen der Kreativen. Ihre Aufgabe ist es, miteinem Teil des Gesamtaufkommens der Verwertungsge-sellschaften kulturell bedeutende Werke und Leistun-gen zu fördern (z.B. Begabtenförderung oder Förderungernster Musik).

In Zukunft gilt es mehr denn je die kulturelle Viel-falt in Deutschland und Europa mithilfe der Verwertungs-gesellschaften zu fördern. Der Gesetzgeber selbst stelltmit der rechtlichen Grundlage der Tätigkeit der VG denunmittelbaren Zusammenhang zwischen kultureller undsozialer Wirkung derselben her. Die soziale Dimensionder VG ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung:1. So soll über die gesetzliche Vergütung Innovation ge-fördert und damit zum kulturellen Reichtum beigetra-gen werden. Gleichzeitig ist die Vergütung ein Teil desEinkommens der Kreativen, deren Werke oder künstle-rische Leistungen als Gegenleistungen der Allgemein-heit in der realen und virtuellen Welt zur Nutzung zurVerfügung gestellt werden. In der Vergütung spiegeltsich gleichsam die kulturelle und soziale Dimensionwieder. Deshalb waren im Zusammenhang mit der No-vellierung des Urheberrechtsgesetzes (sog. Korb II) dieVerwertungsgesellschaften vor allem daran interes-siert, für die Kreativen eine gerechte Vergütungsrege-lung gegenüber der Geräteindustrie durchzusetzen. DiePraxis wird zeigen, ob dies mit den Neuregelungengeschehen wird.2. Die Verwertungsgesellschaften haben einen direk-ten sozialen Auftrag durch den Gesetzgeber erhalten.Danach sollen die Verwertungsgesellschaften Vorsorge-und Unterstützungseinrichtungen für die Inhaber der vonihr wahrgenommenen Rechte oder Ansprüche bilden. DieGEMA-Sozialkasse war für die gesetzliche Regelung Vor-bild. Die Unterstützung in Not geratener Urheber undLeistungsschutzberechtigter bringt den Solidargedankender Verwertungsgesellschaften zum Ausdruck. Es ent-spricht deshalb auch dem Gebot der Sozialbildung, dassein Teil des Aufkommens der Verwertungsgesellschaftenfür soziale Zwecke verwandt wird. Der Abzug vom Auf-kommen der Verwertungsgesellschaften für soziale Zwe-cke ist eine gesetzliche Forderung und nicht ein Verfah-ren nach Gutdünken der Verwertungsgesellschaften. Diesentspricht auch dem Interesse der betroffenen Urheberund ausübenden Künstler. Ob ein Verstoß gegen die Be-lange der Wahrnehmungsberechtigten vorliegt oder nicht,unterliegt der staatlichen Aufsichtsbehörde (DeutschesPatent- und Markenamt). Als Mitglied der Sozialkommis-sion der VG-Wort weiß ich, wie wichtig es ist, dass z.B.zinslose Darlehen oder andere Zuwendungen an Berech-tigte vergeben werden. Ebenso werden Gelder für Druck-kosten und Zuwendungen aus dem Förderungs- und Bei-

hilfenfonds Wissenschaft der VG-Wort ausgezahlt. Da dieVerwertungsgesellschaften keine warenproduzierendenUnternehmen sind, sondern Selbstverwaltungseinrich-tungen bzw. Treuhänder der Kreativen, bestimmen sieden Inhalt und Umfang der Verteilung der Mittel. DieMittelvergabe für kulturelle und soziale Zwecke ist des-halb nicht nur zeitgemäß, sondern objektiv notwendigund subjektiv von den Kreativen gewollt. Dass bei der

Verteilung der Mittel vom Gesamtaufkommen das Prin-zip der Angemessenheit gewahrt werden muss, liegt aufder Hand. Für die Verwertungsgesellschaften bestehtnicht die Frage, ob Mittel für kulturelle und soziale Zwe-cke verteilt werden, sondern wie verteilt wird und wel-cher Prozentsatz vom Gesamtaufkommen dafür verwen-det wird. Über die Höhe lässt sich trefflich streiten. Werdie Verteilung unter Ausschluss der Mittel für kulturelle

und soziale Zwecke fordert, degradiert die Verwertungs-gesellschaft zu reinen Geldeintreibungs- und Geldaus-schüttungsmaschinen. Verwertungsgesellschaften müs-sen im digitalen Zeitalter des 21. Jahrhunderts gestärktund nicht geschwächt werden.

DER VERFASSER IST HOCHSCHULPROFESSOR AN DERHUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN

Soziale und kulturelle ZweckeVerwertungsgesellschaften werden in ihrem Handelnbestimmte Restriktionen auferlegt. So können sie sichihre Wahrnehmungsberechtigten nicht aussuchen, son-dern sind gesetzlich verpflichtet, die Rechte und An-sprüche der Wahrnehmungsberechtigten wahrzuneh-men. Ebenso ist ihnen ein Abschlusszwang auferlegt.Sie müssen also jedermann auf Verlangen und zu an-gemessenen Bedingungen, wie es das Urheberrechts-wahrnehmungsgesetz vorschreibt, Nutzungsrechte ein-räumen. Und noch in dritter Hinsicht hat der Gesetz-geber den Verwertungsgesellschaften – und damit denWahrnehmungsberechtigten – eine Pflicht auferlegt.Bei der Verteilung der Einnahmen muss beachtet wer-den, dass kulturell bedeutsame Werke und Leistungenbesonders berücksichtigt werden (§ 7 UrhWG). Damitwird ein Urgedanke der Verwertungsgesellschaften,nämlich die Solidarität unter den Mitgliedern, in eineRechtsvorschrift gegossen. Der Gesetzgeber hat alsodie geltende Praxis und Tradition zusätzlich gesetzlichabgesichert. Darüber hinaus sind die Verwertungsge-sellschaften verpflichtet, Vorsorge- und Unterstüt-zungseinrichtungen für die Inhaber der von ihr wahr-genommenen Rechte und Ansprüche einzurichten (§8 UrhWG). Die Sozial- und Unterstützungswerke derVerwertungswerke gründen also auf dieser gesetzli-chen Verpflichtung.

Die sozialen und kulturellen Zwecke stehen aber auchimmer wieder in der Diskussion. Teilweise wird ange-zweifelt, ob es überhaupt noch angemessen ist, dassVerwertungsgesellschaften verpflichtet sind, einen Teilder Erlöse sozialen und kulturellen Zwecken zuzufüh-

ren. Des Weiteren wird moniert, dass unklar ist, werdurch die Sozialwerke unterstützt wird und ob die Mit-tel auch gerecht verteilt werden.

Georgios Gounalakis, Professor für Medienrecht an derPhillips-Universität Marburg, zieht die sozialen und kul-turellen Zwecke grundsätzlich in Zweifel. Seines Er-achtens ist die soziale und kulturelle Verpflichtung derVerwertungsgesellschaften rechtssystematisch nichthaltbar. Auch zweifelt er an, ob die Urheber tatsächlichdie von ihnen verlangte Solidarität gerne erbringen oderob es sich hier nicht vielmehr um ein tradiertes Missver-ständnis handelt, zumal eine Reihe von Wahrnehmungs-berechtigten zwar auf Vergütungen verzichten muss,selbst aber nicht in den Genuss von Leistungen kom-men kann. Artur-Axel Wandtke, Professor für Urheber-recht an der Humboldt-Universität zu Berlin, vertritt diegegenteilige Meinung. Er begründet die sozialen undkulturellen Verpflichtungen der Verwertungsgesellschaf-ten aus ihrer Geschichte. Seines Erachtens sind dieseVerpflichtungen zeitgemäß, gerade weil Verwertungs-gesellschaften mehr sind als Inkassounternehmen. Siesind Zusammenschlüsse der Urheber und Rechteinha-ber. Und diese brauchen die Unterstützung ihrer Kolle-gen. Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA,stellt am Beispiel der GEMA dar, wie den sozialen undkulturellen Zwecken konkret nachgekommen wird. Sei-ner Ansicht nach hat die Tätigkeit der Verwertungsge-sellschaften per se eine kulturelle und soziale Dimensi-on, da dank der GEMA die Nutzer unkompliziert Zugangzu den Nutzungsrechten und die Urheber die ihnen zu-stehende Vergütung erhalten. Er macht deutlich, dass

gerade dem von der GEMA praktizierten unterschied-lichen Wertungsverfahren ein komplexer Verteilungs-schlüssel zugrunde liegt, der zu einer angemessenenVergütung beitragen soll. Tilo Gerlach, Geschäftsfüh-rer der GVL, stellt am Beispiel der GVL heraus, dassdie Kulturförderung einer Verwertungsgesellschaft indie Zukunft gerichtet sein kann. Die GVL fördert unteranderem besonders den musikalischen Nachwuchs. Dieheutigen tätigen Künstler verstehen sich also solida-risch mit der nachkommenden Generation. Am Bei-spiel der Stiftung Sozialwerk der VG Bild-Kunst stelltReinhard Meyer, Verwaltungsdirektor der VG Bild-Kunst, dar, in welchem Volumen Mittel zur Verteilunganstehen, wie differenziert nach den verschiedenenBerufsgruppen die Mittel ausgeschüttet werden undin welcher Form die Ausschüttung erfolgt. Er unter-streicht dabei die Bedeutung der sozialen Unterstüt-zung für die Künstlerinnen und Künstler. Franka Hell-mannsberger, Geschäftsführerin des Sozialfonds derVG Wort, exemplifiziert, dass sowohl die Autoren alsauch die Verleger bzw. deren Hinterbliebene unterstütztwerden können. Sie verweist auch darauf, dass der So-zialfonds der VG Wort neben der wichtigen finanziel-len Bedeutung auch ein Ort der Anerkennung verdien-ter Autoren ist, was für diese von großer Bedeutungist. Der Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaftder VG Wort ist nach der Deutschen Forschungsgemein-schaft der zweitgrößte Zuschussgeber für wissen-schaftliche Werke. Seine Arbeit ist damit ebenfalls indie Zukunft gerichtet.

DIE REDAKTION

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Verwertungsgesellschaften – Soziale und kulturelle Zwecke politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 17

Die sozialen und kulturellenVerpflichtungen der GEMAVon Harald Heker

Ein Missverständnis – Kulturförderung und UrheberrechtDie besondere kulturelle und soziale Aufgabe von Verwertungsgesellschaften I Von Georgios Gounalakis

Kulturelles Schaffen befriedigt ideelle und geistige Be-dürfnisse der Allgemeinheit. Ebensolche Bedürfnissedürfen wir auch dem Schöpfer kultureller Erzeugnisseunterstellen. Der allerdings hat regelmäßig noch einhandfesteres Motiv: Er möchte für die Nutzung seinerWerke marktgerecht vergütet werden. Doch wie soll dasgelingen, wenn Art und Ausmaß der Werknutzung durchdie Allgemeinheit für den einzelnen Urheber gar nichtkontrollierbar sind? Angesichts der unüberschaubarenMöglichkeiten, ein urheberrechtlich geschütztes Werkzu nutzen, ist der Urheber damit überfordert, für jedeeinzelne Nutzung Verträge abzuschließen und die ver-einbarten Entgelte einzuziehen.

I n bare Münze verwandelt sich das geistige Eigentumdes Urhebers in solchen Fällen mit Hilfe der Verwer-

tungsgesellschaften. Ist der Urheber etwa Komponist undTextdichter eines so mittelmäßigen wie erfolgreichenSchlagers, freut er sich darüber, dass die hierfür zuständi-ge Verwertungsgesellschaft GEMA die finanziellen Früchteseines Mittelmaßes einfährt und später an ihn abführt.Die GEMA wird dabei keinen Radiosender, keine Dorfdis-kothek und kein Altenheim aus ihren Inkassoaugen ver-loren haben. Und weil das so ist, treten Radiosender, Dis-kothekenbetreiber, Konzertveranstalter und alle anderenNutzer urheberrechtlich geschützter Musikwerke bereitsvon sich aus an die GEMA heran, um die ihrer Nutzungentsprechenden Tarife an sie abzuführen.

Die Tarife können sich freilich nicht an der tatsächli-chen Nutzung jedes einzelnen Werks orientieren. Pauscha-lierungen sind daher unumgänglich. Ebenso pauschaliertist die Ausschüttung an die Urheber. Sie erfolgt nach ei-nem Verteilungsschlüssel der Verwertungsgesellschaft.Insgesamt haben wir es so mit einem System der kollek-tiven Wahrnehmung von Urheberrechten zu tun. Es trittneben das System urheberrechtlicher Verwertungsrechteund verhilft diesen zur Durchsetzung. UrheberrechtlicheAusschließlichkeitsrechte bilden zusammen mit der kol-lektiven Rechtewahrnehmung die beiden Säulen des Ur-heberrechtssystems. Aus rechtlicher Sicht ist diesem Ur-heberrechtssystem nichts hinzuzufügen. Dem verfassungs-rechtlichen Gebot der Eigentumsgarantie, den Urheberan der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke angemes-sen zu beteiligen, kann nur mit Hilfe der Verwertungsge-sellschaften entsprochen werden.

Doch auch kulturpolitisch sollte gegen ein solchesSystem nichts einzuwenden sein. Schließlich ist eine viel-fältige Kulturlandschaft ohne die wirtschaftliche Ver-wertbarkeit kultureller Erzeugnisse nur unter größtenSchwierigkeiten denkbar. Allerdings wollen sich die Ver-wertungsgesellschaften mit einer rein kulturwirtschaft-lichen Aufgabenzuschreibung nicht zufrieden geben. Sieals Inkassounternehmen für Urheber und Rechteinha-ber zu bezeichnen, käme ihnen einer Beleidigung gleich.Überhaupt scheinen sie Begriffe wie Transparenz, Effi-zienz und nutzungsorientierte Verteilungsschlüssel alskulturferne Neoliberalismen zu verabscheuen. Zugestan-den, Inkassounternehmen genießen nicht den besten Ruf.Aber wer wird denn gleich beleidigt sein, immerhin gehtes doch um Kulturinkasso? Mehr Kultur, weniger Inkas-so, so antworten die Verwertungsgesellschaften.

In der Tat gefallen sich die Verwertungsgesellschaf-ten in der Rolle des unmittelbaren Kulturförderers ausge-sprochen gut. Es hat den Anschein, als wollten sie etwasvom erhabenen Glanz des Kulturbetriebs abbekommen:Nicht bloß Geld einsammeln, sondern es nach eigenemGutdünken kulturbewusst einsetzen. Das macht etwas her:Modernes Mäzenatentum statt schäbiger Geldeintreibe-rei. Und das Gesetz hilft bei der kulturellen Parfümierungkräftig mit: Gemäß § 7 S. 2 UrhWG sollen die Verteilungs-pläne der Verwertungsgesellschaften dem Grundsatz ent-sprechen, dass kulturell bedeutende Werke und Leistun-gen besonders zu fördern sind. Und § 8 UrhWG sieht gardie Einrichtung ganzer Vorsorge- und Unterstützungsein-richtungen für Wahrnehmungsberechtigte vor.

Der Urheber, der von seiner Verwertungsgesellschaftdie Wahrnehmung seiner Verwertungsrechte erwartet,muss sich also einen prozentualen Abzug für soziale undkulturelle Aufgaben der Verwertungsgesellschaften ge-fallen lassen. Mehr noch: Erinnern wir uns an unserenmittelmäßigen aber erfolgreichen Schlagerkomponisten,hat es für ihn mit dem Abzug noch nicht sein Bewen-den. Denn wenn die GEMA, was nicht überrascht, ande-re Musiksparten für kulturell bedeutsamer erachtet,muss der Schlagerkomponist die finanzielle Umvertei-lung der ihm urheberrechtlich zustehenden Einnahmenüber sich ergehen lassen. Hier konterkariert das Rechtder kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten dasUrheberrecht selbst. Der systemische Bruch liegt darin,direkte Kulturförderung im Urheberrecht zu verorten.Dort allerdings hat direkte Kulturförderung rechtssyste-matisch nichts verloren. Urheberrecht ist und bleibt nunmal Wirtschaftsrecht im weiteren Sinne und umfasstallein die wirtschaftliche und damit indirekte Kompo-nente der Kulturförderung.

Die Verwertungsgesellschaften selbst haben für rechts-systematische Brüche freilich kein Schmerzempfinden. Wohlaber, wenn an ihre dualistische Ordnung aus Kultur undKommerz gerührt wird, in der wie selbstverständlich die

Kultur die Vorherrschaft übernimmt: Hier setzt sich das überJahrtausende geistesgeschichtlich tradierte Primat desGeistes über den Körper fort und findet für den Fall derGEMA sein vorläufiges Ende in der dualistisch konstruier-ten Trennung von ernster Musik und Unterhaltungsmusik.Unser mittlerweile schon lieb gewonnener Schlagerkom-ponist verzichtet über den Weg dieser Unterscheidung aufTeile seiner Vergütung und bezahlt letztlich die kulturelleCorporate Identity der GEMA.

Die kulturell-soziale Funktion der Verwertungsgesell-schaften ist also zunächst ein rechtssystematisches Ver-sehen. Ein Versehen, das sich auch nicht unter Hinweisauf die verfassungsrechtlich fundierte Sozialbindung desEigentums aus Art. 14 Abs. 2 GG verschmerzen lässt,wonach Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch demAllgemeinwohl dienen soll. Ein solcher Hinweis wärewenig überzeugend, müsste er doch erklären, was diespezifische Sozialpflichtigkeit des Urhebers eigentlichausmacht. Selbst wenn hierfür eine Begründung gelän-ge, bliebe die Frage, was denn die sozialpflichtige Spe-zialität der kollektiven Rechtewahrnehmung gegenüberder individuellen sei. Nimmt nämlich der Urheber seineVerwertungsrechte selbst, also ohne Einschaltung einerVerwertungsgesellschaft wahr, unterfällt er nicht derbehaupteten Sozialpflichtigkeit seines Urheberrechts.Eine besondere Abgabe fällt hier nämlich nicht an. Undso bleibt es dabei: Die unmittelbar sozial-kulturelle Funk-tion der Verwertungsgesellschaften fügt sich weder ver-fassungs- noch urheberrechtlich in das Rechtssystem ein.

Brüche im Rechtssystem freilich bringen den Kul-turpolitiker noch nicht aus der Fassung, wenn sich nichtauch noch ein kulturpolitischer Bruch hinzugesellt. Dochgerade hier warten die Verwertungsgesellschaftenzumindest mit bröckelnden Fassaden auf. Die kulturelleFassade der Verwertungsgesellschaften steht und fälltnämlich mit der immer wieder behaupteten Solidari-tät der von den Gesellschaften vertretenen Künstler.Diese permanent beschworene Künstlersolidarität istes, die einen langjährigen Vorstandsvorsitzenden derGEMA von seiner Verwertungsgesellschaft als „Leucht-turm der Kultur“ schwärmen ließ. Doch leider handeltes sich bei der Solidarität der Künstler um ein histo-risch tradiertes Missverständnis. In ihm weht der post-romantische Duft des ausgehenden 19. Jahrhunderts.Einer Zeit, in der sich der Künstler in seinem Schaffenzwar von Kirche und Staat emanzipiert findet, sich seineGeldgeber aber nun auch unter den Rezipienten sei-ner Werke suchen musste. Der Zusammenschluss frei-beruflicher Künstler in den Vorläufern der heutigenVerwertungsgesellschaften folgte also weniger ideel-len Motiven, wie sie heute noch in den verklärten Vor-stellungen vom selbst- und mittellosen Künstler wie-derzufinden sind, sondern aus ganz rationalen Grün-den: Der Künstler wollte für sein Urheberrecht vergü-tet werden. In nichts anderem bestand die Solidaritätder Künstler untereinander. Diese Solidarität auch un-

ter den Bedingungen eines funktionierenden Systemsvon Verwertungsgesellschaften weiterhin als Prämis-se zu unterlegen, gleicht einer Fiktion: Mit dem Funk-tionieren des Systems ist die mangelnde Vergütung desKünstlers als Grundlage seiner Solidarität mit ande-ren Künstlern entfallen. Der andere Künstler wirdwieder zu dem, was er grundsätzlich immer war: zumKonkurrenten. Die Homogenität der in den Verwer-tungsgesellschaften zusammengeschlossenen Gruppenvon Wahrnehmungsberechtigten ist eine über den Be-griff der Künstlersolidarität erzwungene und per Ge-setz festgeschriebene Solidarität, die faktisch nichtmehr besteht. Der Schlagerkomponist fühlt sich mitdem Komponisten so genannter ernster Musik nichtsolidarisch und beide zusammen werden wohl kaumeine Solidarität zu ihren Verlegern verspüren. Doch allegemeinsam finden sich in der GEMA vertreten.Gerade die GEMA versteht es, diesem konstruierten Soli-

daritätsverhältnis noch weitere Absurditätsstufen hinzu-zufügen: So kommen nur ordentliche Mitglieder der GEMAin den Genuss einer Sozialversicherung. OrdentlichesMitglied wird man allerdings nur, wenn man der GEMAEinnahmen in nicht minder ordentlicher Höhe bescherthat. Wer unter dem Grenzwert rangiert, bleibt bloßer Bei-tragszahler. Insgesamt führt dies zum Ergebnis, dass we-nig erfolgreiche Künstler Sozialleistungen für ehemalserfolgreiche Künstler aufzubringen haben. Neben einemunvorstellbar hohen Ausmaß an Künstlersolidarität, ver-steht sich! Nach alldem dürfte kein Zweifel mehr beste-hen: Die vielbeschworene originär kulturfördernde Auf-gabe der Verwertungsgesellschaften ist nicht nur einrechtssystematischer Fremdkörper. Sie ist insgesamt einunbesehen tradiertes Missverständnis.

DER VERFASSER IST PROFESSOR FÜR MEDIENRECHT ANDER PHILLIPS-UNIVERSITÄT MARBURG

Die GEMA kommt neben ihrer Kernaufgabe – der treu-händerischen Verwaltung der ihr zur Wahrnehmung über-tragenen Urheberrechte – auch sozialen und kulturel-len Verpflichtungen nach. Damit wird der in der GEMAgrundlegende Gedanke der Solidargemeinschaft ver-wirklicht. Schon die Rechtsform der GEMA, die ein wirt-schaftlicher Verein gemäß § 22 BGB ist, zeigt die Be-deutung der durch die Mitglieder in demokratischenStrukturen gestalteten Selbstorganisation der Rechte-wahrnehmung. Die Mitglieder der GEMA, nämlich Kom-ponisten, Textdichter vertonter Texte und Musikverleger,übertragen der Verwertungsgesellschaft GEMA durchAbschluss eines Berechtigungsvertrages ihre Urheber-rechte zur kollektiven Wahrnehmung. Aufgrund ihrerbesonderen Stellung unterliegen die Verwertungsgesell-schaften in Deutschland einer staatlichen Aufsicht, dievom Deutschen Patent- und Markenamt und vom Deut-schen Kartellamt ausgeübt wird. Bereits durch ihre Kern-aufgabe, das heißt in ihrer Mittlerposition zwischen denInhabern der Urheberrechte und den Musiknutzern, hatdie GEMA eine nicht zu unterschätzende soziale undkulturelle Bedeutung: Durch ihre Arbeit stellt die GEMAsicher, dass einerseits alle Musiknutzer unkompliziertZugang zu den erforderlichen Nutzungsrechten habenund andererseits Komponisten und Textdichter ihrengerechten Lohn für die Nutzung ihrer schöpferischenArbeit bekommen. Darüber hinaus hat die GEMA – mitder Berücksichtigung kultureller Leistungen bei der Ver-

teilung der Tantiemen, mit den verschiedenen so genann-ten Wertungsverfahren und der GEMA-Sozialkasse –besondere Instrumente der sozialen Unterstützung undkulturellen Förderung geschaffen. Von diesen Instrumen-ten soll hier die Rede sein.

Die Grundlagen der sozialen und kultu-rellen Verpflichtungen

Die Tradition, dass Urheberrechtsgesellschaften auchsoziale und kulturelle Verpflichtungen übernehmen,

ist in Deutschland so alt wie die GEMA selbst bzw. ihreVorläufergesellschaften. Jürgen Becker hat die Aufgabeder Verwertungsgesellschaften als Träger öffentlicher undprivater Aufgaben im Handbuch „Recht und Praxis derGEMA (Kreile, Becker, Riesenhuber 2005) ausführlich be-schrieben. Bereits die 1903 vom Komponisten RichardStrauss und seinen Mitstreitern gegründete „Anstalt fürmusikalische Aufführungsrechte“ sah vor, dass von denErträgen nach Abzug der Verwaltungskosten 10 % für eineUnterstützungskasse der Genossenschaft zur Verfügunggestellt wurden. Albrecht Dümling stellt das in seinemBuch zum hundertjährigen Bestehen der GEMA (Musikhat ihren Wert, Regensburg 2003) heraus.

Im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG)von 1965 wurde in § 7 festgeschrieben, dass die Vertei-

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Innenleben des Z 23, einem der ersten Computer der Welt. Foto: Stefanie Ernst

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Verwertungsgesellschaften – Soziale und kulturelle Zwecke politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 18

lungspläne der Verwertungsgesellschaften dem Grund-satz entsprechen müssen, dass kulturell bedeutendeWerke und Leistungen zu fördern sind. In § 8 UrhWGheißt es weiter, dass die Verwertungsgesellschaften Vor-sorge- und Unterstützungseinrichtungen für die Inha-ber der von ihr wahrgenommenen Rechte oder Ansprü-che einrichten sollen. Dass dieses „Soll“ in der Rechts-vorschrift für die Verwertungsgesellschaften in Deutsch-land eine Pflicht, ja ein „Muss“ bedeutet, ist immerwieder festgestellt worden. Peter Lerche stellt diesenSachverhalt in seinem Beitrag „Rechtsfragen der Ver-wirklichung kultureller und sozialer Aufgaben bei derkollektiven Wahrnehmung von Urheberrecht, insbeson-dere im Blick auf den so genannten 10%-Abzug derGEMA im GEMA-Jahrbuch 1997/98 dar.

Der Dachverband der VerwertungsgesellschaftenCISAC (Confédération International des Sociétésd’Auteurs et Compositeurs) sieht in den Vertragstextenzur gegenseitigen internationalen Wahrnehmung vonUrheberrechten vor, dass für Pensions-, Hilfs- und Un-terstützungskassen der Mitglieder oder zur Förderungder nationalen Künste auf die kassierten Tantiemen einAbzug von höchstens 10 % vorgenommen werden kann.Sowohl der CISAC-Mustervertrag sowie die die Vertei-lung betreffenden Satzungsbestimmungen, die Vertei-lungspläne und die Geschäftsordnungen werden in derTextsammlung des jährlich erscheinenden GEMA-Jahr-buch veröffentlicht.

In den allgemeinen Grundsätzen zum Verteilungs-plan der GEMA für das Aufführungs- und Senderecht istfestgelegt, dass aufgrund der zwischen den Urheber-rechtsgesellschaften international abgeschlossenen Ge-genseitigkeitsverträge jeweils 10 % von der Verteilungs-summe für soziale und kulturelle Zwecke bereitgestelltwerden. Zudem werden – sowohl im Bereich Auffüh-rungs- und Senderecht wie auch im mechanischen Ver-vielfältigungsrecht – anfallende Zinserträge, Aufnahme-sowie Verwaltungsgebühren, Konventionalstrafen undandere unverteilbare Beträge gleichfalls diesen Zweckenzugeführt. In Erfüllung des sozialen Zwecks geschiehtdies zugunsten der GEMA-Sozialkasse und der Alterssi-cherung. Im Übrigen werden die Mittel im Rahmen derverschiedenen Wertungs- und Schätzungsverfahren ver-teilt.

Der Umfang und die Aufteilung dersozialen und kulturellen MittelDie GEMA hat für die fünf Geschäftsjahre 2001 bis 2005durchschnittlich jährlich € 52,3 Mio. als soziale und kul-turelle Zuwendungen zur Verfügung gestellt. Diese Sum-me wurde verteilt auf:· die GEMA-Sozialkasse und die Alterssicherung,· die Wertungsverfahren in den Sparten E- und U-Mu-

sik,· das Schätzungsverfahren der Bearbeiter.Die Mitgliederversammlung der GEMA hat in diesemZusammenhang festgelegt, dass die Zuwendungen inder Sparte E 30,07 % der insgesamt für soziale und kul-turelle Zwecke zur Verfügung stehenden Mittel nachAbzug des für die Sozialkasse ermittelten Bedarfs nichtunterschreiten dürfen.

Die kulturelle Bewertung von Werken imRahmen des Verteilungsplans der GEMADie GEMA setzt das gesetzliche Gebot der sozialen undkulturellen Förderung zum Beispiel durch die Sozialkasseoder die Wertungsverfahren um. Darüber hinaus wirkt dieForderung in § 7 UrhWG, dass kulturell bedeutende Werkeund Leistungen zu fördern sind, konkret in die Gestaltungdes Verteilungsplans der GEMA für das Aufführungs- undSenderecht hinein. Oft diskutiert wird in diesem Zusam-menhang die Unterscheidung zwischen Werken der erns-ten Musik und der Unterhaltungsmusik (E und U). Der Ver-teilungsplan der GEMA ist indes wesentlich differenziertergestaltet: So wird bei der Abrechnung von Werkaufführun-gen, sowohl in der Sparte E wie auch in U, jedem aufge-führten Werk eine Punktziffer zwischen 12 und 2400 Punk-ten zugeordnet. Der geltende Punktwert – das heißt derfinanzielle Wert eines Abrechnungspunktes – wird jährlichaufgrund der in den einzelnen Abrechnungssparten erwirt-schafteten Erträge ermittelt. Bei der Abrechnung von Hör-funk- und Fernsehsendungen ist ein jährlich errechneterMinutenwert die Grundlage der Abrechnung; in diesemBereich kommt ein werkbezogener Faktor zwischen 1 und2 ½ zur Anwendung. Die Kriterien für die Vergabe der Punkt-ziffern bzw. Faktoren werden an den musikalischen Merk-malen der einzelnen Werke festgemacht: Berücksichtigtwerden unter anderem die Spieldauer, die Besetzung,die Gattung und die stilistische Einordnung der Werke.So wird beispielsweise zeitgenössischer konzertanterJazz, der eine besondere künstlerische Bedeutung hat,bei der Aufführung höher abgerechnet als Tanzmusik.Ein weiteres Beispiel: Die Verrechnung der Hörfunksen-dung eines Popsongs erfolgt mit dem Faktor 1, währendein großes Orchesterwerk aus dem Bereich der ernstenMusik mit Faktor 2 ½ eingestuft wird. In Zweifelsfällenentscheidet der Werkausschuss der GEMA, der von der

Mitgliederversammlung gewählt wird, über die Festset-zung der Punktziffern bzw. Abrechnungsfaktoren.

Zudem sind im Verteilungsplan für das Aufführungs-und Senderecht verschiedene Multiplikatoren vorgesehen,mit denen unter anderem die Nutzungshäufigkeit einesWerkes gewichtet wird. So wird beispielsweise bei derregelmäßig wiederkehrenden Sendung von Titel- oderErkennungsmusiken ab einer bestimmten Minutensum-me eine Reduktion bis zu einem Zehntel vorgenommen.

Eine Differenzierung nach Punktziffern und Minu-tenwerten beziehungsweise eine Anwendung von Mul-tiplikatoren ist freilich nur im Aufführungs- und Sende-recht vorgesehen. In den anderen Sparten, wie zum Bei-spiel bei der Ausschüttung für Tonträgervervielfältigun-gen oder bei Filmmusik, wird die Musiknutzung ohneUnterscheidung von E und U an die beteiligten Urheberund Verleger abgerechnet.

Die Wertungsverfahren der GEMA

Dem Grundsatz der Förderung kultureller Werke undLeistungen entspricht die GEMA durch ihre Wertungs-und das Schätzungsverfahren:

I. Wertungsverfahren in der Unterhaltungs-und Tanzmusika) Berufsgruppe Komponistenb) Berufsgruppe Textdichterc) Berufsgruppe VerlegerII. Wertungsverfahren in der Sparte Ea) Berufsgruppe Komponistenb) Berufsgruppe Textdichterc) Berufsgruppe VerlegerIII. Schätzungsverfahren der Bearbeiter

Die Höhe der Leistung im Einzelfall errechnet sich aus Pa-rametern wie Dauer der Mitgliedschaft zur GEMA, Aufkom-men im Aufführungs- und Senderecht und Bewertung desGesamtschaffens und der künstlerischen Persönlichkeit.

Die verschiedenen Wertungsverfahren werden vonWertungsausschüssen durchgeführt, deren Besetzungvon der Mitgliederversammlung bestimmt wird und dieunter anderem zuständig sind für die Vergabe von Punk-ten für das Gesamtschaffen und für Zuweisungen ausden Mitteln des Ausgleichsfonds für künstlerische Här-tefälle und erstmals ab 2007 auch für die Förderungdes zeitgenössischen Musikschaffens.

Fortsetzung von Seite 17 Das Schätzungsverfahren der Bearbeiter entschädigt Ar-rangeure dafür, dass Bearbeiter geschützter Werke, die imAuftrag von Rundfunk, Fernsehen, Tonträgerfirmen etc.Arrangements erstellen, aufgrund der Verteilungsregeln immechanischen Vervielfältigungsrecht nicht unmittelbar amwirtschaftlichen Erfolg beziehungsweise am Lizenzaufkom-men beteiligt sind. Die Schätzungskommission, ein ebenfallsvon der Mitgliederversammlung gewähltes Gremium ausfünf Bearbeitern, entscheidet über die Punktvergabe imEinzelfall, vergibt ebenfalls Punkte für das Gesamtschaf-fen und ggf. Beträge aus dem Ausgleichsfonds.

In den Anhängen zu den Wertungsverfahren sinddie Bedingungen für die Teilnahme an der Alterssiche-rung geregelt: Nach Erreichen des 60. Lebensjahres undnach mindestens 20-jähriger ordentlicher GEMA-Mit-gliedschaft erhält ein Mitglied einmal jährlich die Al-terssicherung, die sich aus früher erreichten Punkten inseiner Wertung errechnet.

Die GEMA Sozialkasse

Die Satzung der GEMA Sozialkasse beginnt mit der pro-grammatischen Präambel:

Da dem Wert der schöpferischen Leistungen einesUrhebers oder der verlegerischen Leistung eines Musik-verlegers nicht immer und automatisch ein adäquaterErtrag (Erlös aus der Verwertung des Urheberrechts)entspricht, hat die GEMA durch ihre Mitgliederversamm-lung neben den Differenzierungen des Verteilungspla-nes und des Wertungsverfahrens die Errichtung einersozialen Ausgleichskasse beschlossen.

Die GEMA-Sozialkasse sieht in ihrer Satzung sowohleinmalige wie auch wiederkehrende Leistungen vor. DieLeistungen sind für Mitglieder vorgesehen, die das60. Lebensjahr vollendet haben, fünf Jahre ununterbro-chen der GEMA als ordentliche Mitglieder angehörthaben und nachweisen können, dass ihre Einnahmen(und die ihrer Ehepartner) zum Lebensunterhalt nichtausreichen. Die Altersbegrenzung kann entfallen, wennder Nachweis erbracht wird, dass eine komplette Pfle-gebedürftigkeit vorliegt. Ein Verlegermitglied kann auchVerlagsangestellte in Führungspositionen als Empfän-ger einer wiederkehrenden Leistung benennen. Leistun-gen der GEMA-Sozialkasse werden im Alter sowie beiKrankheit, Unfall und sonstigen Fällen der Not gewährt.Beim Tod eines ordentlichen Mitglieds wird ein Sterbe-geld gezahlt. Leistungen werden auch dem hinterblie-

benen Ehepartner beziehungsweise, wenn es keinenEhepartner gibt, minderjährigen Waisenkindern von or-dentlichen Mitgliedern gewährt. In Ausnahmefällen kannan eine langjährige Lebensgefährtin oder einen lang-jährigen Lebensgefährten gezahlt werden.

Die GEMA-Sozialkasse besteht aus drei selbständi-gen Abteilungen (Komponisten, Textdichter, Musikver-leger); jede dieser Abteilungen wird von einem Kurato-rium mit jeweils drei Mitgliedern geleitet. Die Kurato-ren werden vom Aufsichtsrat gewählt.

Ebenfalls einen erheblichen Beitrag im Rahmen derkulturellen Förderung durch die GEMA leisten ihre Stif-tungen. Die GEMA-Stiftung (gegr. 1976) „verfolgt aus-schließlich und unmittelbar mildtätige und gemeinnüt-zige Zwecke […]“ (Satzung der GEMA-Stiftung, § 2).Unterstützt werden bedürftige Komponisten, Textdich-ter sowie Musikverleger und deren Angehörige durcheinmalige oder laufende Zuwendungen. Komponistenund Textdichter werden durch Ausbildungsbeihilfen,durch zweckgebundene Zuwendungen für die mit künst-lerischen Tätigkeiten mittelbar oder unmittelbar zusam-menhängenden Aufwendungen, durch zweckgebunde-ne Zuwendungen für musikalische Produktionen, Pilot-projekte, Wettbewerbe und Publikationen sowie durchdie Verleihung von Preisen gefördert.

Auch die Franz Grothe-Stiftung (gegr. 1960) „verfolgtausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mild-tätige Zwecke […]“ (Satzung der Franz Grothe-Stiftung, §2). Stiftungszweck ist – neben der Förderung der Tonkunst– auch die Hilfe in Notfällen. Der Stiftungszweck wird vorallem dadurch verwirklicht, dass befähigte und bedürftigeKomponisten, Musikstudierende und eventuell auch in Notgeratene Berufsmusiker oder frühere Berufsmusiker undKünstler durch Zuwendungen unterstützt werden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass dieWahrnehmung kultureller und sozialer Aufgaben für dieGEMA einen identitätsbestimmenden Grundkonsensdarstellt. So hat die GEMA schon seit ihrer GründungVerantwortung in diesen Bereichen übernommen. DieGEMA agiert also für den Erhalt des Wertes der Musikunter steter Wahrung kultureller und sozialer Aspekteund ermöglicht und sichert ihren Mitgliedern dadurchdie finanzielle Existenzgrundlage für ihre schöpferischeund verlegerische Arbeit.

DER VERFASSER IST VORSTANDSMITGLIED DERGEMA

Der Markt allein zählt nichtDie GVL fördert kulturell bedeutende Leistungen I Tilo Gerlach

Grammophon. Foto: Stefanie Ernst

Die sozialen und kulturellenVerpflichtungen

Das Wahrnehmungsgesetz verpflichtet die Verwertungs-gesellschaften, in besonderem Maße kulturelle und so-ziale Belange zu berücksichtigen. Bei den Lizenzierun-gen sollen nach § 13 Abs. 3 Wahrnehmungsgesetz dieTarife Rücksicht nehmen auf religiöse, kulturelle undsoziale Belange der Nutzer. Dem kommt die GVL in derPraxis dadurch nach, dass beispielsweise die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender nur etwa die Hälfte dessenfür die Tonträgersendung zahlen müssen wie kommer-zielle Privatsender, die öffentliche Wiedergabe von Mu-sik in Sozialeinrichtungen deutlich günstiger als in La-denlokalen ist und die Kabelweitersendungen in Kran-kenhäusern deutlich günstiger als in Hotels sind. ImVerhältnis zu den Wahrnehmungsberechtigten berück-sichtigt die GVL kulturelle und soziale Belange bereitsbei der Regelausschüttung im Rahmen der vom Beirat,dem Vertretungsorgan der Wahrnehmungsberechtigten,jährlich beschlossenen Verteilungspläne. Danach erhal-ten ordentliche Berechtigte eine Mindestausschüttungvon 110 Euro auch dann, wenn ihre Verteilungssummenach der Regelverteilung deutlich niedriger wäre. Ha-ben also Musiker im Verteilungsjahr nur an einer Pro-duktion teilgenommen, wofür sich rechnerisch beispiels-weise eine GVL-Ausschüttung von 40 Euro ergebenwürde, so erhalten sie zusätzliche 70 Euro für die Min-destausschüttung. Umgekehrt unterliegt die Regelaus-schüttung für Spitzenverdiener einer degressiven Staf-felung. Dies hat zur Folge, dass auch Spitzenverdienervon der GVL im Verhältnis nur einen geringeren Anteilerhalten, wohingegen die Anteile der geringer Verdie-nenden entsprechend steigen. Hiermit berücksichtigt dieGVL die Vorgaben nach § 7 des Wahrnehmungsgeset-zes, dass bei der Verteilung kulturell bedeutende Leis-tungen zu fördern sind, sind es häufig doch gerade die-se, die im Markt weniger erfolgreich sind.

Darüber hinaus gibt es satzungsgemäß die Möglich-keit von kulturellen und sozialen Zuwendungen von

bis zu 5 % der Verteilungssumme, um den Vorgaben von§ 8 Wahrnehmungsgesetz nachzukommen. Danach solldie Verwertungsgesellschaft Vorsorge- und Unterstüt-zungseinrichtungen für ihre Berechtigten einrichten. Aufdieser Grundlage beschließt der Beirat der GVL jährlichdie Zuwendungsrichtlinien, in denen die Einzelheiten fürdie sozialen und kulturellen Zuwendungen festgelegtsind. Diese Leistungen sind rechtlich nicht verselbstän-digt, sondern erfolgen innerhalb des regulären Betriebs.Es gibt also keine GVL-Stiftung oder dergleichen.

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Verwertungsgesellschaften – Soziale und kulturelle Zwecke politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 19

Stiftung Sozialwerk der VG BILD-KUNSTUnterstützung in Notlagen, bei Berufsunfähigkeit und im Alter I Von Reinhard Meyer

Platine eines heutigen Computers. Foto: www.pixelio.de

Die Gründung der Verwertungsgesellschaften im Bildbe-reich Ende der 60er Jahre stand im engen Zusammen-hang mit zwei neu ins Urheberrecht eingeführten Ansprü-chen: Neben dem anfangs sehr schwierig durchzusetzen-den Folgerecht war dies vor allem die Bibliothekstantie-me; für den „Bibliotheksgroschen“ hatte sich damalsinsbesondere Heinrich Böll stark gemacht. Diese Biblio-thekstantieme, also die von den Bibliotheken zu zahlen-de Gebühr für die Ausleihe von urheberrechtlich nochgeschützten Büchern, hatte der Gesetzgeber mit einerstarken sozialen Begründung eingeführt, die dann in derFolge auch die Verwertungsgesellschaften verpflichtete,Teile der Vergütung nicht nur nach der Teilhabe an dentatsächlichen Ausleihen in den öffentlichen Büchereien,sondern auch nach sozialen Kriterien zu verteilen.

Diese Sozialverpflichtung galt natürlich auch für denrelativ kleinen Anteil an der Tantieme, der auf Bild-

urheber, also auf Fotografen, Designer und BildendeKünstler entfiel. Zur Umsetzung dieser sozialen Aufga-ben innerhalb der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunstgründeten die damals noch getrennt operierenden Grup-pen der Fotografen und Designer sowie die der Bilden-den Künstler zwei Sozialfonds, die sich später als Sozi-alwerk der VG BILD-KUNST zum eigenständigen Vereinverbanden. Das Spektrum dieses Vereins wurde 1985erweitert, als auch Filmurheber zur VG BILD-KUNST stie-ßen.

Auch die neu ins Gesetz aufgenommenen Vergü-tungen wie die Vergütungen für das private Kopierenunterlagen der Sozialverpflichtung aus dem Wahrneh-mungsgesetz, sodass sich die Erträge und die Ausga-ben des Sozialwerks im Laufe der Zeit erheblich vergrö-ßerten. Von den zwischen 1975 bis 2006 zur Verfügungstehenden 17,4 Mio. Euro wurden 16,3 Mio. Euro fürHilfeleistungen verbraucht; der durchschnittliche Verwal-tungskostensatz betrug 6,5 %.

Anfang 2003 wurden die Aufgaben des Vereins indie „Stiftung Sozialwerk der VG BILD-KUNST“ überführt,die seither die sozialen Aufgaben erfüllt, zu denen dasWahrnehmungsgesetz die Verwertungsgesellschaftenverpflichtet. Das Stiftungskapital der Stiftung Sozialwerkwurde über mehrere Jahre von der VG BILD-KUNST ein-gezahlt und betrug Anfang 2007 rd. 4,4 Mio. Euro.

Die Stiftung Sozialwerk gewährt – im Rahmen ihrerMöglichkeiten – Urhebern im visuellen Bereich Unter-stützungen in Notlagen, bei Erwerbs- und Berufsunfä-higkeit oder im Alter. Die Hilfeleistung ist allein abhän-gig von der sozialen Bedürftigkeit, die in jedem einzel-nen Fall nachgewiesen werden muss und einer Prüfungunterliegt. Die Stiftung ist also auf keinen Fall eine Al-terssicherung für die Urheber der VG BILD-KUNST, siekann nur in tatsächlichen Notfällen eingreifen.

Die Struktur der Stiftung Sozialwerk lehnt sich andie dreigliedrige Berufsgruppenstruktur der VG BILD-KUNST an. Entsprechend fließen die Mittel verschiede-nen Fonds der Stiftung zu:Berufsgruppe I: Bildende KünstlerBerufsgruppe II: Fotografen, DesignerBerufsgruppe III: Filmurheber

Ihre Gelder erhält die Stiftung Sozialwerk in ersterLinie aus den Erträgen für die Verwertung von Urheber-rechten durch die VG BILD-KUNST. In deren Verteilungs-plänen ist festgehalten, welche Anteile der für die Nut-zung von urheberrechtlich geschützten Werken eingenom-menen Vergütungen dem Sozialwerk zufließen. Auf dieseMittel verzichten die Urheber, denen die Vergütungen jazunächst ungeschmälert zustehen würden. Weitere Mit-tel erhält die Stiftung aus Spenden und Nachlässen so-wie aus den Erträgen ihres Stiftungskapitals. Insgesamtbelaufen sich Einnahmen und Ausgaben der Stiftung So-zialwerk derzeit auf jährlich rund 1,1 Millionen Euro.

Der Vorstand der Stiftung Sozialwerk ist personen-identisch mit den drei ehrenamtlichen Vorstandsmitglie-

Für soziale Zuwendungen wurden im Jahr 2006 insge-samt 283.000 Euro aufgewandt. Die sozialen Leistun-gen für Wahrnehmungsberechtigte umfassen u. a. Hilfebei unverschuldetem Verdienstausfall im Krankheitsfalloder durch Unfall, Zuschüsse zu Krankheitskosten, dienicht durch Versicherungen abgedeckt sind, Teilkosten-übernahme bei Zahnbehandlungen, Zuschüsse bei be-rufsbedingter Anschaffung von Brillen, Beihilfen beiKuren oder therapeutischen Behandlungen etc. sowieUnterstützung in Notlagen oder bei Bedürftigkeit. Deut-lich höher sind die kulturellen Zuwendungen. Siebetrugen 2006 insgesamt 1,864 Mio. Euro. Hierunter fälltdie finanzielle Unterstützung für die Weiterbildung –so in Form von Kursen, Seminaren, Workshops, Auslands-studien, Orchesterlehrgängen (Jugendorchester) oderEinzelunterricht. Außerdem unterstützt die GVL finanzi-ell die Teilnahme ihrer Wahrnehmungsberechtigten anWettbewerben auf nationaler und internationaler Ebe-ne. Darüber hinaus erhalten WahrnehmungsberechtigteAusbildungsbeihilfen zum Beruf des ausübendenKünstlers für ihre Kinder.

Ausübende Künstler, die langjährig an der Verteilung derGVL teilgenommen haben und deren Verdienst rückläu-fig ist, unterstützt die GVL im Rahmen der so genann-ten Treueregelung, die 2006 1,308 Mio. Euro betrug.Danach erhalten sie ihre durchschnittliche GVL-Aus-schüttung trotz rückläufiger Einnahmen weiter in bis-heriger Höhe. Davon profitieren ca. 1.000 Künstler. Zu-sätzlich zu den geschilderten Individualförderungengewährt der Beirat auch Zuwendungen an institutionelleTräger für kulturelle und kulturpolitische Zwecke. 2006betrugen diese 300.000 Euro. Hierzu zählen beispiel-weise die Unterstützung des Deutschen Musikrats undder „Initiative Musik“, der gemeinsamen Initiative desStaatsministers für Kultur und Medien (BKM) und derMusikwirtschaft zur Förderung der Popularmusik.Insgesamt wendete die GVL also ca. 3,570 Mio. Euro imJahre 2006 für die kulturellen und sozialen Zuwendun-gen auf. Innerhalb des Beirats besteht ein breiter Kon-sens über die Notwendigkeit dieser Fördermaßnahmen,verstehen sich die Mitglieder – und das betrifft ausü-bende Künstler, Tonträgerhersteller und Veranstaltergleichermaßen – doch als Teil einer Solidargemeinschaftund haben die im Beirat vertretenen ausübenden Künst-

ler nicht selten auch unterstützt durch die Nachwuchs-förderung der GVL den Einstieg in das Berufsleben ge-schafft.

Bedauerlich ist es, dass diese notwendige, staats-entlastende Förderung innerhalb Europas keineswegsselbstverständlich ist. In vielen Mitgliedstaaten der Eu-ropäischen Union fehlen Regelungen wie diejenigen desdeutschen Wahrnehmungsgesetzes. Ansätze der Euro-päischen Kommission, die Verwertungsgesellschaften inEuropa in den Wettbewerb um die Künstler treten zulassen, erscheinen nicht nur vor diesem Hintergrundhochproblematisch. Denn ohne entsprechende Harmo-nisierung der in Deutschland gesetzlich gebotenen Auf-wendungen für den Zuwendungsbereich ergeben sichfür die deutschen Verwertungsgesellschaften deutlicheWettbewerbsnachteile, wenn ein Künstler wählen soll,ob er beispielsweise durch die britische Verwertungs-gesellschaft, die solche Abzüge nicht kennt, 1.000 Euroerhält oder über die GVL wegen der gesetzlich gebote-nen Zuwendungen nur 950 Euro. Von einer europäischenHarmonisierung kann in diesem Bereich noch keine Redesein. So werden zum Teil in anderen Ländern entspre-chende soziale und kulturelle Förderungen dadurch fi-

nanziert, dass bestimmte Erlösanteile beispielsweise ausder Leermedien- und -geräteabgabe für die private Ver-vielfältigung qua Gesetz für diese Zwecke einbehaltenwerden und gar nicht erst zur Verteilung an die Verwer-tungsgesellschaften gelangen. So sind die zur Vertei-lung zur Verfügung stehenden Mittel zum Teil deutlichstärker reduziert als dies in Deutschland nach Abzug derdurch die Gremien beschlossenen Zuwendungsmittel derFall ist. Dennoch erhalten die Wahrnehmungsberechtig-ten wegen der ungeschmälerten Weiterleitung den irri-gen Eindruck, ihre Vergütungen würden nicht für sozia-le und kulturelle Zwecke reduziert werden. Mangelsharmonisierter Rahmenbedingungen fehlt es also aneinem fairen Wettbewerb zu gleichen Bedingungen zwi-schen den europäischen Verwertungsgesellschaften. DasEuropäische Parlament hat dies erkannt und misstbesonders auch den sozialen und kulturellen Aufgabender Verwertungsgesellschaften eine besondere Bedeu-tung zur Sicherung der kulturellen Vielfalt bei. Es bleibtzu wünschen, dass diese Stimme sich gegenüber der EU-Kommission durchsetzen wird.

DER VERFASSER IST GESCHÄFTSFÜHRER DER GVL

dern der VG BILD-KUNST; Geschäftsführer der Stiftungist das hauptamtliche Vorstandsmitglied der VG BILD-KUNST. Entscheidungen über Förderungen werden abernicht vom Vorstand, sondern von Beiräten getroffen: JedeBerufsgruppe der VG BILD-KUNST schlägt sieben Mit-glieder für ihren Beirat vor, diese werden dann vom Ver-waltungsrat für drei Jahre gewählt. Das Prinzip „Urhe-ber helfen Urhebern“ ist also auch bei den Entschei-dungen über Hilfeleistungen umgesetzt und gibt denBeschlüssen der Gremien die notwendige fachliche Er-fahrung und Kompetenz.

Der Gruppe der Bildenden Künstler fließen jährlichca. 450.000 Euro zu. Rund 40 % dieses Betrages wer-den benutzt, um ältere Kolleginnen und Kollegen mitz.T. völlig unzureichender Alterversorgung regelmäßigzu unterstützen; ein weiteres Viertel wird für punktuelleUnterstützungsleistungen in Notsituationen verwandt,der Rest wird für die Weihnachtsgratifikation verwandt,die an ältere Mitglieder der VG BILD-KUNST, deren Ein-kommen unter einer bestimmten Grenze liegt, gezahltwird.

Die Gruppe der Fotografen und Designer erhält jähr-lich rund 500.000 Euro, die zu mehr als 60 % in die re-gelmäßige Unterstützung von älteren Kollegen fließen;der Anteil der einzelnen Hilfsleistungen in besonderenNotlagen macht in dieser Berufsgruppe nur 5 % aus.Ein weiteres Drittel der Leistungen für Fotografen undDesigner besteht in den Weihnachtsbeihilfen für älte-re Urheber in beengten finanziellen Verhältnissen.

Bei den Filmurhebern werden rund 150.000 Euro Hil-feleistungen gewährt; hier fließen je 40 % in die Dauer-zahlungen sowie in die Weihnachtsbeihilfen, 20 % des

Aufkommens werden für einmalige Beihilfen ver-braucht.

Die Vergabe von Mitteln muss bei der Stiftung Sozi-alwerk der VG BILD-KUNST, Weberstr. 61, 53113 Bonn,Tel. 0228/915 34 22 beantragt werden. Das Sozialwerkstellt dazu Formulare zur Verfügung, auf denen für dieEntscheidung wesentliche Daten nachgefragt werden.Die Entscheidungen erfolgen in jährlich je zwei Verga-

besitzungen der zuständigen Beiräte; in dringenden Fäl-len können aber ausnahmsweise Sofortentscheidungengetroffen werden. Vorsitzender der Vergabebeiräte sindWerner Schaub (Bildende Kunst), Udo Milbret (Fotogra-fie und Design) und Inga Sauer (Film).

DER VERFASSER IST VERWALTUNGSDIREKTOR DER VGBILD-KUNST

Setzmaschinen lösten das Handsetzen nach und nach ab. Foto: Stefanie Ernst

Fortsetzung von Seite 18

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Verwertungsgesellschaften – Soziale und kulturelle Zwecke politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 20

Die sozialen und kulturellen Funktionen der VG WORTDrei Institutionen und ihre Aufgaben I Franka Hellmannsberger

Fernsehstudio der 50er Jahre. Foto: Stefanie Ernst

Zweck jeder Verwertungsgesellschaft ist in erster Linienaturgemäß die Verwaltung von Rechten (meist Zweit-verwertungsrechten) oder auch nur von Vergütungsan-sprüchen (die der Gesetzgeber oft ausdrücklich derWahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften vorbe-halten hat). Hauptaufgabe also ist das Inkasso und dieVerteilung von Vergütungen, die der einzelne Autor oderVerleger selbst aus tatsächlichen oder rechtlichen Grün-den nicht realisieren könnte.

Neben dieser Rechteverwaltung verfolgen aber alleVerwertungsgesellschaften, so auch die VG WORT,

ausdrücklich und nachhaltig auch soziale und kultu-relle Ziele. Dieses soziale Engagement gehört schonseit Gründung der ersten Verwertungsgesellschaftenzu deren Wesensprinzip. Mit dem Urheberrechtswahr-nehmungsgesetz von 1965 wurden Verwertungsge-sellschaften verpflichtet, Vorsorge- und Unterstüt-zungseinrichtungen für ihre Mitglieder einzurichten(§ 8) sowie kulturell bedeutende Werke und Leistun-gen zu fördern (§ 7). Verwertungsgesellschaften wer-den daher auch als „Träger staatsentlastender Tätig-keit“ bezeichnet, die „wichtige kulturpolitische Funk-tionen“ wahrnehmen. Diese gesetzlich verankertenAufträge finden sich auch in der Satzung der VG WORTwieder.

Um diesen Aufgaben nachzukommen, hat die VGWORT drei Institutionen geschaffen: den Sozialfonds, dasAutorenversorgungswerk, sowie den Förderungs- undBeihilfefonds Wissenschaft.

1. Sozialfonds derVG WORT GmbHIm Jahr 1973 hat die VG WORT den gemeinnützigenSozialfonds gegründet, der ausschließlich und unmit-telbar mildtätige Zwecke verfolgt. Die Befreiung von derKörperschaftssteuer bedingt, dass laut Abgabenordnungnur solche Personen unterstützt werden können, „de-ren Bezüge nicht höher sind als das Vierfache des Re-gelsatzes der Sozialhilfe; beim Alleinstehenden undHaushaltsvorstand tritt an die Stelle des Vierfachen dasFünffache des Regelsatzes [...]“. Voraussetzung istweiterhin der Nachweis der schriftstellerischen/journa-listischen Tätigkeit.

Der Sozialfonds gewährt Autoren und Verlegern undderen Hinterbliebenen in akuten und permanenten Not-lagen finanzielle Beihilfen, die durch den Beirat des So-

zialfonds auf Antrag beschlossen werden. Der Sozial-fonds zahlt monatliche und einmalige Zuwendungen undauch zinslose Darlehen.

Neben den finanziellen Hilfen unterstützt der Sozi-alfonds Autorinnen und Autoren durch Beratungen,durch Empfehlungen an andere Stiftungen, Verwertungs-gesellschaften oder auch staatliche soziale Einrichtun-gen, Verhandlungen mit Schuldnern, Anträge auf Wie-deraufnahme in die Krankenversicherung oder die Künst-lersozialkasse, Hinweise auf Krankengeldansprüche undvieles mehr. Diese beratende Tätigkeit des Sozialfondshat einen besonderen Stellenwert, denn die Künstlerfühlen sich hilflos angesichts schwer verständlicherGesetze und Bestimmungen. Und für die alten und ver-gessenen Künstler ist der Sozialfonds ein 0rt, an demman ihre Verdienste kennt und anerkennt, was zuweileneine noch größere Bedeutung hat als die finanzielleZuwendung.

Die VG WORT kann satzungsgemäß an den Sozial-fonds jährlich bis zu 10 % ihrer Einnahmen (ohne Wis-senschaft) abführen. Für das Jahr 2006 wurden der Ge-sellschaft 2,6 % aus Wahrnehmungserträgen, rund 1,0Million Euro zugeführt. Es werden derzeit weniger Mit-tel beantragt als vorhanden sind.

Im Jahr 2006 wurden 398 Autoren bzw. Hinterblie-benen von Autoren 1.161.525 Euro Zuwendungen undDarlehen bewilligt, davon 49 % als monatliche Zuwen-dungen, 44 % als einmalige Zuwendungen und 7 % alszinslose Darlehen. Seit seinem Bestehen hat der Sozial-fonds in den Jahren 1973 bis 2006 insgesamt über 27Millionen Euro an bedürftige Autoren und Verleger so-wie deren Hinterbliebene ausgezahlt.

2. Autorenversorgungswerk – ÖffentlicheStiftung bürgerlichen RechtsDas 1976 als öffentliche Stiftung gegründete Autoren-versorgungswerk gewährt freiberuflichen Autoren Zu-schüsse zu einer freiwilligen Lebensversicherung sowiezur Krankenversicherung. Für die Finanzierung dieserZuwendungen hatte der Gesetzgeber bereits 1972 ge-fordert, 50 % der Vergütungen aus der so genanntenBibliothekstantieme (Vergütung für das Verleihen in öf-fentlichen Bibliotheken) zur Verfügung zu stellen. Ne-ben den Einnahmen aus der Bibliothekstantieme set-zen sich die monatlichen Sozialleistungen für die Alters-vorsorge aus Teilen des Presse-Reproaufkommens so-wie der Geräte- und Leerkassettenvergütung zusammen.Sie machen – bei einem festgelegten Höchstsatz von143,16 Euro pro Monat – die Hälfte der vom Autor ins-gesamt einbezahlten Beiträge aus. Ziel dieser Regelungist es, Autoren, die in keiner Festanstellung tätig sind,zu einem finanziell gesicherten Leben im Ruhestand zuhelfen.

Insgesamt wurden seit 1976 rund 6.200 Autoren undPublizisten mit insgesamt 117,45 Millionen Euro bezu-schusst – allein 2005 wurden dafür über 5,1 Millionen

Euro aus dem Aufkommen der VG WORT aufgebracht.Als der Ansturm freiberuflicher Autoren auf das Auto-renversorgungswerk immer größer wurde, sah es sich1996 aus finanziellen Gründen gezwungen, keine Neu-zugänge mehr aufzunehmen. Dieser bedauerliche, abernotwendige Schritt fiel ein wenig leichter, da mit Ein-führung der Pflichtversicherung für Künstler auch Au-toren von der Künstlersozialkasse übernommen wur-den.

3. Förderungs- und BeihilfefondsWissenschaft der VG WORT GmbHDer 1977 gegründete Förderungs- und BeihilfefondsWissenschaft (ebenfalls eine hundertprozentige Toch-tergesellschaft der VG WORT) unterstützt wissenschaft-liche Autoren und deren Werke. Wegen seiner die Wis-senschaft fördernden Zwecke ist er als gemeinnütziganerkannt.

Äquivalent zum Sozialfonds gewährt der Beihilfe-fonds finanzielle Unterstützung für in Not geratene wis-senschaftliche Autoren und Verleger und deren Hinter-bliebene.

Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre wurden jähr-lich an 17 Personen laufende Beihilfezahlungen geleis-tet, hinzu kommen einmalige Beihilfen, die jedoch un-ter 10 % des jährlichen Gesamtauszahlungsbetrags vonrund 125.000 Euro liegen. Seit Bestehen hat der Beihil-fefonds Wissenschaft in den Jahren 1977 – 2006 über 3Millionen Euro an in Not geratene Urheber oder Verle-ger von wissenschaftlichen Werken oder Fachwerkenoder an deren Hinterbliebene ausgezahlt.

Der finanziell wesentlich gewichtigere Förderungs-fonds unterstützt darüber hinaus Wissenschaft und For-schung auf direktem Wege: Die VG WORT gewährt vorallem Druckkostenzuschüsse für die Erstveröffentlichungherausragender wissenschaftlicher Werke. Möglichmachten diesen Fonds die wissenschaftlichen Verleger,die ihren 50-prozentigen Anteil an der Bibliothekstan-tieme dafür bereitstellen. Gezielt unterstützt werdenwissenschaftliche Werke, die aufgrund der hohen Spe-zialisierung und geringer Auflage ohne finanzielle Hilfenicht erscheinen könnten. Seit 1977 wurden so mehrals 3.000 wissenschaftliche Werke gefördert. In den letz-ten fünf Jahren wurden durchschnittlich 135 Neubewil-ligungen mit einem Gesamtvolumen von rund 900 Tau-send Euro pro Jahr erteilt. Seit seinem Bestehen hat derFörderungsfonds Wissenschaft in den Jahren 1977 –2006 Druckkostenzuschüsse von insgesamt rund 22Millionen Euro ausgezahlt.

Der Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT istdamit nach der Deutschen Forschungsgemeinschaft derzweigrößte Zuschussgeber für wissenschaftliche Werkein Deutschland.

DIE VERFASSERIN IST GESCHÄFTSFÜHRERIN DES SOZI-ALFONDS DER VG WORTMikrophon, das bei den ersten Übertragungen von Rundfunksendungen zum Einsatz kam. Foto: Stefanie Ernst

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Verwertungsgesellschaften – Tarife politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 21

Magnetbänder als externes Speichermedium. Kein Vergleich zu den heutigen Speichermöglichkeiten. Foto: Stefanie Ernst

Tarifverhandlungen mit AugenmaßDas Verhältnis von Verwertungsgesellschaften und Laienorchestern I Von Ernst Burgbacher

Die Laienorchesterszene ist ein wichtiger Bestandteil desdeutschen Musiklebens – nicht nur aus einer quantitati-ven Betrachtung heraus. Eine unüberschaubare Vielzahlvon Konzerten und anderen musikalischen Veranstaltun-gen findet jedes Jahr in allen Teilen unseres Landes statt.Blasorchester, Sinfonieorchester, Akkordeonorchester,Zupforchester und andere Orchestersparten vermittelndabei einem nicht unerheblichen Teil des Konzertpubli-kums die einzigen unmittelbaren musikkulturellen Kon-takte. Hierbei gelangen musikalische Werke zur Auffüh-rung, die dem geistigen Eigentum eines Musikschöpferszugeordnet werden können und müssen. Verwertungs-gesellschaften – aus der Perspektive der Laienmusikver-bände die GEMA – kümmern sich um die Interessen die-ser Musikschöpfer. Das Verhältnis zwischen den Verbän-den des Laienmusizierens und der GEMA ist daher einintensives, wenn auch nicht immer konfliktfreies.

Um es gleich anfangs zu betonen: Der „Wert der Mu-sik“ muss anerkannt und eine angemessene Ver-

gütung von Urhebern im musikalischen Bereich sicher-gestellt werden. Bei allen Interessenskonflikten zwischenUrhebern auf der einen, und Verwertern auf der ande-ren Seite sollte diese Feststellung stets im Blickfeld ge-halten werden. Die rund 23.000 nicht-professionellenOrchester in Deutschland sind Nutzer von geschütztenWerken. Dass für diese Nutzung eine Vergütung aufge-bracht werden muss, steht außer Zweifel.

Die Verwertungsgesellschaften sind eine wesentlichSäule in unserem Musikleben, die die wirtschaftlicheExistenz von Urhebern sicherstellen soll. Der Bereich desLaienmusizierens ist eng verflochten mit dem „profes-sionellen Bereich“ des Musiklebens, denn die Orches-ter benötigen nicht irgendeine Literatur, sondern einequalitativ hochwertige. Aufgrund dieser engen Verflech-tungen haben auch die Verbände des Laienmusizierensein Interesse an wirtschaftlich fairen und stabilen Struk-turen für professionelle Musiker, Komponisten und Ar-rangeure. Es ist aber ebenso wichtig, die Interessen undNotwendigkeiten aus der Perspektive der vielen Orches-ter zu betrachten und ernst zu nehmen. Innerhalb derLaienmusikverbände bzw. der Musikvereine wird sehrhäufig und sehr intensiv das Verhältnis bzw. die Ver-tragsbedingungen mit der GEMA diskutiert. Diese Dis-kussionen und die dabei artikulierten Probleme lassensich im Wesentlichen auf zwei Themenbereiche konzen-trieren: Zum einen auf die Tarifgestaltung und zum an-deren auf den Verwaltungsaufwand.

Tarifgestaltung

Die Vergütung für die Aufführung geschützter Werke hatsich in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich mehrerhöht als die Inflationsrate dieses Zeitraums. So lagnach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Infla-tion im Zeitraum von 1993 bis 2006 bei rund 45 Pro-zent, während sich die GEMA-Vergütung für die Laien-orchester im gleichen Zeitraum um rund 100 Prozenterhöhte. Berücksichtigt man nun die erhöhten Kostenfür Musikinstrumente, Ausbildung von Jungmusikernoder Proberäumlichkeiten auf der einen Seite sowie dieim bundesweiten Durchschnitt rückläufigen Zuwendun-gen der öffentlichen Hand auf der anderen Seite, so wirdein leider immer problematischer werdender Umstanddeutlich: Der finanzielle Spielraum von Laienorchesternwird immer enger und die Erfüllung ihrer kultur-, gesell-schafts- und bildungspolitischen Aufgaben immerschwieriger. Aus diesem Grund ist es in Zukunft von ganzherausragender Wichtigkeit, Tarifverhandlungen und Ta-riffestsetzungen mit Augenmaß zu führen.

Neben der nominalen Höhe der Vergütung für dieAufführung von geschützten Werken sind für die Orches-ter der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbän-de (BDO) aber auch andere Aspekte der Vertrags- undTarifgestaltung von Bedeutung. Derzeit existieren un-terschiedliche Gesamtverträge mit den verschiedenenFachverbänden des Laienmusizierens. Eine Zusammen-führung dieser unterschiedlichen Gesamtverträge zueinem Gesamtvertrag für alle Laienmusikverbände wirdvon Vertretern der einzelnen Verbände immer wiedervorgeschlagen und gefordert. Darüber hinaus könnteüber eine Verlängerung der Vertragslaufzeiten eine er-höhte Planungssicherheit für die einzelnen Orchestererreicht werden.

Aber auch andere Regelungen der derzeitigen Pra-xis sind aus der Sicht der BDO nicht zufrieden stellendund sollten daher unbedingt überdacht werden: So gel-ten für die immer wichtiger werdenden Fördervereinevon nicht-professionellen Orchestern auch dann nichtdie besseren Konditionen eines Gesamtvertrages, wennsie satzungsgemäß ausschließlich das Orchester för-dern. Im Weiteren orientiert sich die Gebührenbere-chung an der Größe des Veranstaltungssaals, unabhän-gig von der Anzahl der im Konzert anwesenden Zuhö-rer. Orchester, die aufgrund ihrer Größe auf entspre-chende Räumlichkeiten angewiesen sind, werden hierbenachteiligt, da sie zumeist nicht gewährleisten kön-nen, diese großen Räumlichkeiten auch mit Publikumfüllen zu können.

Verwaltungsaufwand

Eine der wichtigsten Forderungen der BundesvereinigungDeutscher Orchesterverbände ist die umfassende Entbü-rokratisierung der Tätigkeitsfelder ehrenamtlich engagier-ter Personen. Ohne das ehrenamtliche Engagement einerVielzahl von Vereinsvorsitzenden, Jugendbetreuern oderanderer Funktionsträger gäbe es nicht diese Breite in derinstrumentalen Laienmusik, wie wir sie in Deutschlandkennen. Aus unterschiedlichen Gründen wird es auch fürMusikvereine zudem immer schwieriger, Personen fürEhrenämter zu gewinnen. Deshalb muss es grundsätzlichzu einer Vereinfachung der Verwaltungsaufgaben im eh-renamtlichen Bereich kommen – auch in Bezug auf denUmgang mit der GEMA. Vor einigen Jahren wurde derEntwurf für einen Gesamtvertrag diskutiert, der aus derSicht der Musikvereine wesentliche Verwaltungsverein-fachungen mit sich gebracht hätte. Leider konnte für die-sen Gesamtvertrag keine für beide Seiten zufrieden stel-lende finanzielle Einigung gefunden werden.

Fazit

Die Laienmusikverbände anerkennen die kreativen Leis-tungen von Komponisten und sind auch bereit, für dieInanspruchnahme dieser Leistungen zu bezahlen. Den-noch ist es für die zukünftige Existenz der rund 23.000nicht-professionellen Orchester in Deutschland äußerstwichtig, dass die Verbände des Laienmusizierens mit derGEMA Gesamtverträge zu angemessenen Bedingungenabschließen können. Hierbei sollten folgende Punkte Be-rücksichtigung finden:· Die Erhöhung der Vergütungen sollte in Zukunft

lediglich in Höhe der Inflationsrate stattfinden.· Die Gesamtverträge sollten längere Laufzeiten aufwei-

sen, um dadurch eine größere Planungssicherheit zugewährleisten.

· Die verwaltungstechnischen Abwicklungen der unter-schiedlichen Vorgänge sollte überprüft und durch ver-besserte Anmelde- und Nachweisverfahren für dieehrenamtlich tätigen Personen in den Orchestern ver-einfacht werden.

· Fördervereine, die ausschließlich ein den entsprechen-den Gesamtvertrag betreffendes Orchester fördern,sollten von diesem Gesamtvertrag ebenfalls einbezo-gen werden.

· Bei der Berechung der Vergütung sollte auch die An-zahl der in der Veranstaltung anwesenden Zuhörer ein-bezogen werden.

Dass zukünftige gemeinsame Anstrengungen derVerwertungsgesellschaften und der Laienmusikverbän-de auch kulturpolitisch sinnvoll sind, soll die abschlie-ßende Beobachtung aus der Konzertpraxis verdeutlichen:Zeitgenössische oder jüngere Kompositionen werden

von Laienstreichorchestern nicht aus ästhetischen Grün-den seltener aufgeführt als andere Kompositionen, son-dern weil sich eine Vielzahl der Orchester die Aufführungdieser Werke schlicht nicht leisten kann. Mit diesem Um-stand können weder die Komponisten, noch die Orches-ter zufrieden sein. Der intensive Dialog zwischen denLaienmusikverbänden und den Verwertungsgesellschaf-ten wird daher auch in Zukunft entscheidend sein, um

Problematiken wie die eben dargestellte auszuräumen –mit Lösungen, die sowohl die Interessen der Urheber, alsauch die der Verwerter berücksichtigen.

DER VERFASSER IST PARLAMENTARISCHER GESCHÄFTS-FÜHRER DER FDP-BUNDESTAGSFRAKTION UND PRÄ-SIDENT DER BUNDESVEREINIGUNG DEUTSCHER OR-CHESTERVERBÄNDE

Wer zahlt warum wofür?Verwertungsgesellschaften verwalten die ihnen vonWahrnehmungsberechtigten übertragenen Rechte bzw.Rechte, die ausschließlich kollektiv wahrgenommenwerden können wie die Kopierabgabe, treuhänderisch.Die erzielten Erlöse werden nach Abzug der Verwal-tungskosten sowie der Abzüge für soziale und kultu-relle Zwecke an die Wahrnehmungsberechtigten aus-geschüttet. Bei den Vergütungen wird in der öffentli-chen Diskussion immer wieder die Frage aufgewor-fen, wofür überhaupt gezahlt werden muss und ob dieVergütungen nicht viel zu hoch seien. Um die Debattezu veranschaulichen, werden die unterschiedlichen Po-sitionen am Beispiel zweier verschiedener Vergütun-gen gegenüber gestellt. Die Laienmusikverbände han-deln mit der GEMA Gesamtverträge für die Nutzungurheberrechtlich geschützter Musik aus. Hier kommenErnst Burgbacher, Präsident der BundesvereinigungDeutscher Orchesterverbände und Jürgen Becker, Vor-stand der GEMA, zu Wort und setzen sich mit den Ta-rifen für die Nutzung von Orchesterwerken von Laien-orchestern auseinander. Bei der pauschalen Vergütungfür Speichermedien und -geräte verhandeln die Ver-wertungsgesellschaften u.a. mit BITKOM, dem Zusam-menschluss von Unternehmen der Informationswirt-schaft und Telekommunikation. Hier nehmen BernhardRohleder, Hauptgeschäftsführer von BITKOM und Fer-dinand Melichar, Geschäftsführendes Vorstandsmit-glied der VG Wort, Stellung.

Ernst Burgbacher betont zu Beginn seines Beitrags,dass eine angemessene Vergütung von Komponistenund Textdichtern sichergestellt sein muss. Er bekenntsich klar zum System der kollektiven Rechtewahrneh-mung. In der konkreten Praxis sieht er aber Handlungs-bedarf. Seines Erachtens erfahren die Tarife eine zugroße Steigerung. Angesichts von Kostensteigerungenfür Instrumente und sinkenden Zuschüssen plädiert erfür Tarife mit Augenmaß, um das Laienmusizieren nichtzu gefährden. Ebenso beklagt er zu hohe bürokrati-

sche Hürden in der Zusammenarbeit mit der GEMA.Insbesondere werde nicht klar, mit wem unter wel-chen Voraussetzungen Gesamtverträge geschlossenwerden. Demgegenüber hebt Jürgen Becker hervor,dass die GEMA zusätzlich zu den im Urheberrecht vor-geschriebenen Nachlässen bei den Tarifen bei Veran-staltungen, die einen besonderen sozialen oder kultu-rellen Charakter haben können, in den Gesamtverträ-gen Nachlässe gewährt. Aus seiner Sicht kommt dieGEMA den Vereinen der Laienmusik, sowohl was dieTarifgestaltung als auch den bürokratischen Aufwandbetrifft, entgegen. Er unterstreicht abschließend, dassdiese Nachlässe bei den Tarifen letztlich zu Lasten derUrheber gehen, denen nämlich ein Teil ihrer Vergütungentgeht.

Bernhard Rohleder stellt zu Beginn seines Beitragsheraus, dass voraussichtlich künftig jeder ein Autor ist,der die Möglichkeiten, die mit Web 2.0 beschritten wer-den, nutzt. Insofern stellt sich für ihn die Frage nachder Berechtigung von pauschalen Vergütungen. Sei-nes Erachtens liegt die Zukunft im individuellen digi-talen Rechtemanagement. Er wirft den Verwertungs-gesellschaften vor, dass sie mit ihren Forderungen beiden Pauschalabgaben einen Beitrag zur Entwertungdes geistigen Eigentums geleistet haben, da die For-derungen zu hoch seien. Demgegenüber sieht zwarauch Ferdinand Melichar die Bedeutung des digitalenRechtemanagements wachsen, die Verwertungsgesell-schaften werden in diesem Zusammenhang aber nichtüberflüssig werden. Im Gegenteil: sie können in derZukunft gerade bei der Verwaltung von DRM-Syste-men eine wichtige Rolle spielen. Zugleich stellt ernochmals heraus, dass die Erlaubnis der privaten Ko-pie zwangsläufig eine angemessene Vergütung derUrheber in Form der Geräte- oder Leerträgervergütungnach sich zieht.

DIE REDAKTION

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Verwertungsgesellschaften – Tarife politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 22

Vom digitalen Boom profitieren Urheber direktEine Zukunftsvision und ihre Bedeutung für die Gegenwart I Von Bernhard Rohleder

Engagement für die AllgemeinheitFörderung der Laienmusik durch die GEMA I Von Jürgen Becker

Die GEMA wird in der Öffentlichkeit in erster Linie wahr-genommen bei ihrer Lizenzerteilung für öffentliche Auf-führungen von Musik, für die sie Vergütungen in Rech-nung stellt, bzw. dann, wenn sie im Rahmen ihrer Kon-trolltätigkeit Vergütungen für die Musiknutzung imNachhinein geltend macht.

D ie GEMA bezieht ihren Auftrag dazu von den Rech-teinhabern, den Komponisten, Textdichtern und bei-

der Verleger, die ihr das Recht zur Lizenzierung von öf-fentlichen Aufführungen ihrer Werke zur treuhänderi-schen Wahrnehmung übertragen haben. Denn im Zeit-alter der Massennutzung von Musik ist der Schöpfer vonMusikwerken nicht in der Lage, die öffentlichen Auffüh-rungen seiner Werke selbst zu lizenzieren und zu kon-trollieren.

Die GEMA ist gesetzlich dazu verpflichtet, Tarife überdie Vergütungen aufzustellen, die sie für die öffentlicheAufführung von Musik ihrer Mitglieder, sei es live, sei esals Background-Musik in Gaststätten, Supermärkten,Boutiquen, Ladenpassagen, Diskotheken etc., fordert.Dadurch wird eine gleichmäßige Behandlung aller gleichgelagerten Fälle durch die GEMA sichergestellt.

Die GEMA ist darüber hinaus ebenfalls gesetzlichverpflichtet, mit „Vereinigungen, deren Mitglieder nachdem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz geschützteWerke oder Leistungen nutzen oder zur Zahlung vonVergütungen nach dem Urheberrechtswahrnehmungs-gesetz verpflichtet sind“ zu angemessenen Bedingun-gen Gesamtverträge abzuschließen. In diesen werdenim gegenseitigen Einvernehmen zwischen GEMA undVerbänden die Bedingungen festgelegt, unter denen deneinzelnen in den Vereinigungen zusammengeschlosse-nen Veranstaltern die Erlaubnis zur Musikaufführungerteilt wird. Bei der großen Zahl derjenigen, die Musiknutzen, wäre es für die GEMA auch unzweckmäßig,wenn sie mit jedem Nutzer auf den Einzelfall abge-stimmte Verträge über die Einräumung eines Nutzungs-rechts und über die Höhe der Vergütungen schließenwürde. Insofern hat die GEMA an der Erfüllung der ihrauferlegten Pflicht ein besonderes Interesse.Die GEMA hat eine große Anzahl von Gesamtverträgenmit den unterschiedlichsten Verbänden und Vereinigun-gen abgeschlossen, die eines gemeinsam haben: die Ver-tretung von Nutzern von Musik. Abschlüsse bestehen u.a.mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter, demDeutschen Bühnenverein, den Schaustellerverbänden,dem Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband, demDeutschen Sängerbund, dem Verband der Deutschen Kon-zertdirektionen, dem Bund Deutscher Karneval etc.

Ihr besonderes Augenmerk richtet die GEMA bei derAufstellung von Tarifen und dem Abschluss von Gesamt-verträgen auf die Belange derer, die als Laien und imRahmen bürgerschaftlichen Engagements Musik öffent-lich aufführen:

Gemäß § 52 Abs. 1 UrhG sind musikalische Veran-staltungen erlaubnisfrei zulässig, wenn die öffentlicheWiedergabe von Musik keinem Erwerbszweck des Ver-anstalters dient, kein Eintrittsgeld erhoben wird und dieausübenden Künstler keine Vergütung erhalten. Darüberhinaus muss für bestimmte in § 52 Abs. 1 UrhG näherbezeichnete Veranstaltungsformen, darunter Veranstal-tungen der Jugend- und Sozialhilfe sowie der Alten- undWohlfahrtspflege, dann keine Vergütung an die GEMAentrichtet werden, wenn die Veranstaltungen nach ih-rer sozialen oder erzieherischen Zweckbestimmung nureinem bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen zu-gänglich sind. Im Ergebnis führt diese Regelung dazu,dass in der Praxis für eine Vielzahl von Veranstaltungenaus dem Bereich bürgerschaftlichen Engagements vonder GEMA kein Inkasso durchgeführt wird. Dies bedeu-tet gleichzeitig, dass der Gesetzgeber den Urhebern ei-nen erheblichen finanziellen Beitrag zur Förderung desbürgerschaftlichen Engagements abverlangt.

Soweit jedoch bei Veranstaltungen aus dem Bereichbürgerschaftlichen Engagements die Voraussetzungendes § 52 Abs. 1 UrhG nicht gegeben und für die Musik-nutzung in derartigen Veranstaltungen Vergütungen andie GEMA zu entrichten sind, wird von der GEMA beider Tarifgestaltung berücksichtigt, dass derartige Ver-anstaltungen einen besonderen sozialen oder kulturel-len Charakter haben können. Grundlage hierfür ist § 13Abs. 3 Satz 4 UrhWG, wonach die Verwertungsgesell-schaft bei der Tarifgestaltung und bei der Einziehungder tariflichen Vergütung auf religiöse, kulturelle undsoziale Belange des zur Zahlung der Vergütung Verpflich-teten einschließlich der Belange der Jugendpflege an-gemessen Rücksicht nehmen soll. Die GEMA beachtetdiese Bestimmung besonders sorgfältig und hat eineReihe von GEMA-Tarifen aus sozialen und kulturellenGründen herabgesetzt. So ermäßigen sich z.B. die be-sonders häufig beanspruchten Vergütungssätze U-VK fürdie Wiedergabe von Live-Musik und M-U (Wiedergabevon mechanischer Musik) wie folgt:· 15 % für Tonträgerwiedergaben in Gemeinschaftsräu-

men von Müttergenesungsheimen, deren Träger denVerbänden der Bundesarbeitsgemeinschaft der FreienWohlfahrtspflege angeschlossen sind;

· 15 % für Tonträgerwiedergaben in Gemeinschaftsräu-

men von Altenheimen und Altenwohnheimen, derenTräger den Verbänden der Bundesarbeitsgemeinschaftder Freien Wohlfahrtspflege angeschlossen sind, undin Gemeinschaftsräumen von kommunalen und staat-lichen Altenheimen und Altenwohnheimen;

· 20 % für Jugendveranstaltungen, die im Rahmen derJugendbetreuung für Jugendliche unter 21 Jahrendurchgeführt werden, soweit nur alkoholfreie Geträn-ke ausgegeben werden und – falls von den Besuchernein Entgelt zu entrichten ist – der Unkostenbeitrag 1,00Euro nicht übersteigt;

· 20 % für gesellige Veranstaltungen von Kriegsbeschä-digten- und Hinterbliebenen-Vereinigungen, wenn derReinertrag satzungsgemäß zweckgebunden ist und fürreine Fürsorge- und Betreuungsmaßnahmen verwen-det wird;

· 20 % für gesellige Veranstaltungen von Gewerkschaf-ten, die Ende April oder Anfang Mai anlässlich des Ta-ges der Arbeit durchgeführt werden;

· 33 1/3 % für gesellige Veranstaltungen des Roten Kreu-zes, wenn der Reinertrag bestimmungsgemäß denZwecken des Roten Kreuzes zufließt.

Über diese und andere Tarifermäßigungen hinaus istzusätzlich zu berücksichtigen, dass die GEMA für den Be-reich gemeinnütziger, ehrenamtlich geführter Vereine ingroßem Umfang Gesamtverträge abgeschlossen hat, sobeispielhaft mit dem Deutschen Sportbund oder den Ver-einsverbänden der Schützen-, Karnevals- oder Blasmusik-vereine, in denen jeweils eine Vielzahl kleinerer Verbände

zusammengeschlossen sind. Den von diesen Gesamtver-trägen erfassten Mitgliedsvereinen der Verbände wird einNachlass von 20 % auf die Normalvergütungssätze einge-räumt – damit also auch auf die bereits unter sozialen undkulturellen Erwägungen redu-zierten Tarife.

Die Gesamtverträge erleichtern darüber hinaus auchdie praktische Zusammenarbeit zwischen der GEMA undtausenden verschiedener Vereine in Deutschland, die inaller Regel gut und reibungslos funktioniert. So wird inden Gesamtverträgen neben den als angemessen verein-barten Tarifen auch der alltägliche Geschäftsverkehr derVereine mit der GEMA unter besonderer Berücksichtigungder jeweiligen spezifischen und vereinstypischen Umstän-de und Standardsituationen einvernehmlich geregelt.Beispielsweise sind häufig für besondere Veranstaltungs-kategorien aus Gründen der Praktikabilität pauschale Ab-geltungen oder mitgliederbezogene Pro-Kopf Tarife ver-einbart, durch die manche lästige Verwaltungsarbeitinsbesondere auf Seiten der Vereine entfällt. Es ist kenn-zeichnend für diese Gesamtvertragsbeziehungen, dasssich die Vertragspartner periodisch zusammensetzen, umden Stand der Zusammenarbeit nach Verbesserungsmög-lichkeiten zu untersuchen. Die GEMA hat hier immer einoffenes Ohr für die Belange der Vereine als Musiknutzer,soweit dieses im Rahmen des von der GEMA im Verhält-nis zu ihren Mitgliedern bestehenden Treuhandverhält-nisses und den gesetzlichen Bestimmungen von Urheber-rechtsgesetz und des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzmöglich ist.

Soweit bei der großen Masse der täglichen Lizenzab-wicklungen in Einzelfällen Missverständnisse auftreten,wie etwa Zahlungsverzögerungen oder aber als unan-gemessen empfundene Lizenzrechnungen, so handelt essich meistens um Kommunikationsprobleme, die ihreGründe häufig in der ebenso nüchternen wie Kosten spa-renden maschinellen Verarbeitung der Lizenzvorgängehaben können, aber auch durch die häufige Fluktuationder ehrenamtlich besetzten Vereinsfunktionen begrün-det sein können. Zur Ausräumung und Vermeidung der-artiger Probleme stellt die GEMA in ihren Bezirksdirek-tionen besonders erfahrene und kompetente Ansprech-partner ab, die mit den speziellen Belangen der ehren-amtlich organisierten Musiknutzer vertraut sind. DieGEMA sieht es insoweit als ihre permanente Aufgabean, sowohl im persönlichen Kontakt auf Ebene der Li-zenzierung als auch immer wieder in neuen Initiativenden informellen Kontakt mit den Vereinen zu halten undzu verbessern.

Bei allem ist jedoch zu bedenken, dass im Sinne ei-nes Engagements für die Allgemeinheit von Autoren einfinanzieller Beitrag geleistet wird, die selbst häufig dersozialen Unterstützung und Förderung bedürfen. Inso-fern sind der GEMA bei der Aufstellung von Tarifen undim Rahmen von Tarifverhandlungen natürliche Grenzengesetzt.

DER VERFASSER IST STELLVERTRETENDER VORSITZEN-DER DES VORSTANDS DER GEMA

Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werfen – eineZukunft, die dank des Internets für immer mehr Men-schen derzeit zur Gegenwart wird: Wir bewegen uns mithoher Geschwindigkeit aus einer Welt der Leser, Hörerund Zuschauer in eine andere Welt – die der Autorenund Produzenten. In eine Welt, in der fast jeder nichtnur Information und Unterhaltung konsumiert, sondernauch produziert. Diese Botschaft sollte mit Web 2.0 an-gekommen sein. Das Netz ist nicht nur Verkaufsplatt-form für Texte, Musik und Filme – es bringt neue For-men der Kreativität hervor, etwa Blogs, an denen Milli-onen Menschen teilhaben.

D ies hat Folgen für die Nutzung geistigen Eigentums.In den 80er Jahren, als das Internet nur Experten

ein Begriff war, hat man das recht schlicht gelöst: Tech-nische Produkte, mit denen man Werke vervielfältigenkann, werden mit einer Abgabe belegt. Das betrifft heu-te etwa CD-Roms, DVD-Brenner und Scanner. Ihr Laden-preis besteht nicht nur aus Herstellungskosten, Vertriebs-margen und Mehrwertsteuer. Mit der Kopierpauschalefällt eine Zusatz-Abgabe an. Dieser Obolus liegt derzeitzwischen einigen Cent für Rohlinge und einer dreistelli-

gen Summe für Hochleistungs-Scanner. Verwertungsge-sellschaften sammeln diese Abgaben ein und schüttensie – nach Abzug der eigenen Verwaltungs- und Perso-nalaufwendungen – über ein kompliziertes System andie Urheber aus.

Inzwischen hat sich die Welt für Autoren und Publi-kum radikal geändert. Das System pauschaler Kopier-Abgaben lässt sich schlecht in die Welt des Web 2.0übertragen. Welchen Sinn macht ein solches System imZeitalter digitaler Medien, wo Nutzer zu Produzentenwerden und untereinander vielfältige Beziehungen derWerknutzung entstehen? Nach dem bisherigen Pau-schalsystem müssten wir letztlich eine gigantische Um-verteilungsmaschine in Gang setzen, die bei jedem Geldeinsammelt und an jeden Geld ausschüttet. Das kannauf Dauer nicht funktionieren.

Für digitale Medien gibt es mittelfristig ohnehinkeine andere Möglichkeit, als von pauschalen auf indi-viduelle Vergütungsformen umzustellen. Im Web ist dasauch kein Problem, wie die vielfältigen Angebote kos-tenpflichtiger Datenbanken, Archive und Online-Publi-kationen zeigen. Die Umstellung wäre nicht mehr alsgerecht. Zum Beispiel werden Qualitäts-Aspekte bei

Pauschalabgaben nicht berücksichtigt. Die Verwertungs-gesellschaften, die das Geld für die Autoren einsammeln,rechnen überwiegend nach Masse ab und wollen dasauch in Zukunft tun. Je länger ein Text, desto höher dieVergütung. Deshalb setzen wir uns dafür ein, Pauschal-abgaben zumindest in der Welt des Internets gar nichterst einzuführen, sondern gleich mit individuellen Lö-sungen zu arbeiten.

In der öffentlichen Diskussion wird bisweilen der Ein-druck erweckt, die Nutzung von digitalem Rechte-Ma-nagement (DRM) sei Zukunftsmusik. Doch das Gegenteilist der Fall. Für die Softwarebranche ist passwortgeschütz-ter Onlinevertrieb längst Standard, für die Musikindus-trie ist er ein wichtiges Standbein. Auch der Downloadvon Hörbüchern ist ein Renner, kaum ein anderes Seg-ment wächst ähnlich stark. Und die Anzahl legal aus demInternet abgerufener Videos steigt ebenfalls rapide. Selbstaußerhalb der audiovisuellen Medien haben wir uns anDRM gewöhnt: Wir bezahlen für das Dossier bei SpiegelOnline, für den Testbericht der Stiftung Warentest oderfür den Stichworteintrag bei Brockhaus.

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Musikhören als Luxus. Grammophon aus Messing. Foto: Stefanie Ernst

Page 23: politik & kultur puk-Dossier...puk-Dossier Mit dem vorliegenden puk-Dossier „Verwertungsgesell-schaften“ sollen einige aktuelle Debatten zu Verwertungs-gesellschaften aufgegriffen

Verwertungsgesellschaften – Tarife politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 23

Verwertungsgesellschaften im digitalen ZeitalterDigital Rights Management-Systeme machen Verwertungsgesellschaften nicht überflüssig I Von Ferdinand Melichar

Natürlich sind die absoluten Umsatzzahlen dieser neu-en Märkte noch relativ gering. Aber die Dynamik ver-dient Beachtung. Das Online-Geschäft wächst exponen-ziell. Und natürlich steigen parallel die Lizenzeinnah-men für die Urheber. Wenn man bedenkt, dass dieserMarkt erst vor kurzem gestartet ist, kann man ermes-sen, welches zukünftige Erlöspotenzial hier besteht.

Ein oft zitiertes Vorurteil gegenüber DRM-Systemenlautet, dass digitales Rechtemanagement in erster Li-nie große Medienkonzerne unterstützt und kleine An-bieter benachteiligt. Das ist grundverkehrt, denn inzwi-schen haben sich unterschiedlichste DRM-Plattformenetabliert, die es Künstlern oder kleinen Verlagen ermög-lichen, ihre Werke direkt und individuell im Netz anzu-bieten.

So können Urheber die Nutzung ihrer Werke ei-genverantwortlich steuern – ohne, dass ein aufwändi-ger Verwaltungsapparat zwischengeschaltet werdenmuss. Der Bundestag hat das bei der Neuregelung desUrheberrechts in diesem Jahr leider nur unzureichendumgesetzt. Internet-Downloads hätten grundsätzlichvon der Vergütungspflicht ausgenommen werden müs-sen. Entweder werden die Inhalte ohnehin kostenpflich-tig angeboten – oder gratis ins Netz gestellt. Gesetz-lich verordnete Abgaben braucht es in beiden Fällennicht.

Dort, wo individuelle Lösungen noch nicht verfüg-bar sind, hält der Gesetzgeber zu Recht an den Pau-schalen fest. Die bisherigen Abgaben für Kopierer, Scan-ner, MP3-Spieler sowie Rohlinge gibt es nach wie vor,und es werden weitere Geräte in die Abgabenpflichteinbezogen. Die kollektive Rechtewahrnehmung durchVerwertungsgesellschaften hat also in den etabliertenBereichen auch künftig Bestand. Niemandem wird et-was weggenommen.

Dank der Neuauflage des Urheberrechts werden dieVerwertungsgesellschaften auch 2008 ihre Einnahmenweiter stark steigern können. Schon bisher haben Wirt-schaft und Verbraucher Jahr für Jahr höhere Summenabgeführt. So prognostiziert der BITKOM, dass 2007insgesamt mehr als 170 Millionen Euro an die Organi-sationen VG WORT und ZPÜ fließen. Das ist eine deutli-che Steigerung gegenüber den 124 Millionen aus demJahr 2005. Und drei Jahre früher waren es noch 76 Mil-lionen. Individuelle Einnahmen der Urheber sind bei die-sen Beträgen noch nicht eingerechnet.

Doch die Legitimität des Pauschalsystems bemisstsich nicht nur an den eingenommenen Summen. Nebendem berechtigten Einwand, wie zukunftsgerecht dasModell ist, müssen die Verwertungsgesellschaften wei-tere kritische Fragen beantworten, nämlich nach ihrerEffizienz und Transparenz.

Leider sind die maßgeblichen Verwertungsgesell-schaften heute eine „Black Box“: Auf der einen Seite

fließen dreistellige Millionenbeträge hinein, auf der an-deren gehen Tausende mehr oder weniger kleinerSchecks an die Urheber. Doch nach welchen Maßstäbendie Organisationen arbeiten, bleibt weitgehend im Dun-keln. Zahlen sind schwer oder gar nicht erhältlich, Ver-teilerschlüssel kaum nachvollziehbar. So ist zum Beispielvöllig unklar, welcher Betrag direkt an Autoren, Künst-ler und Verlage im Ausland geht. Ausgewiesen wird nurdie Verrechnung der Verwertungsgesellschaften unter-einander. Angesichts der Dominanz angelsächsischerInterpreten im deutschen Musikmarkt liegt die Vermu-tung nahe, dass wir in Deutschland Geld einsammeln,das dann zu großen Teilen ins Ausland transferiert wird.Die positiven Effekte für den deutschen Kunstbetriebbleiben so aus.

Dabei könnten die Verwertungsgesellschaften Mo-dernität beweisen: Erstens, indem sie genauer Rechen-schaft ablegen. Und zweitens, indem sie auf die Chan-cen neuer Technologien hinweisen, anstatt Panikmachezu betreiben. Gerade freien Autoren, Musikern, Filme-machern und bildenden Künstlern bietet die digitale Weltenorme Möglichkeiten.

In dem Ringen um möglichst hohe Pauschalbeträgehaben die Verwertungsgesellschaften ein Ziel aus denAugen verloren, das sie im Interesse ihrer Mitgliedergenauso stark verfolgen sollten: der breiten Öffentlich-keit die Schutzwürdigkeit geistigen Eigentums zu ver-mitteln. Erreichen wir das, indem wir an materielle Gü-

ter wie Drucker und PCs eine Abgabe heften? Damit er-reichen wir eher das Gegenteil. Der PC wird teurer, alsosubjektiv wertvoller. Das geistige Gut hingegen – derText, der Song, das Bild, der Film – verliert subjektiv anWert. Wer für einen PC eine Kopierabgabe gezahlt hat,wird hemmungslos kopieren. Er wird es in dem Bewusst-sein tun, alle finanziellen Pflichten erfüllt zu haben.Kaum ein Jugendlicher wird sich der Tatsache bewusstsein, dass mit der Abgabe nur die Zweitverwertungs-rechte legaler Kopien vergütet sind. Die Bereitschaft,schwarz zu kopieren, wird weiter steigen, das Unrechts-bewusstsein sinken.

Selbst manche Spitzenpolitiker sehen Gerätepau-schalen als Strafabgabe für illegales Kopieren an. Ge-nau das ist die Abgabe aber nicht. Hier aufzuklären, istebenso wichtig wie die Debatte um Vergütungsmodel-le. Dass geistiges Eigentum schützenswert ist, wissengerade die von BITKOM vertretenen Softwarehäuser undMarkenhersteller mit am besten. Sie leiden seit Jahr-zehnten unter Produktpiraterie und illegalen Kopien.Über die Schutzwürdigkeit geistigen Eigentums herrschtaber längst kein gesellschaftlicher Konsens. Urheber,Rechteverwerter und Gerätehersteller müssen noch vielÜberzeugungsarbeit leisten.

DER VERFASSER IST HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER DES BUN-DESVERBANDES INFORMATIONSWIRTSCHAFT, TELEKOM-MUNIKATION UND NEUE MEDIEN E.V. (BITKOM)

I.Manche Kritiker wollen in Verwertungsgesellschafteneine aussterbende Spezies aus dem 20. Jahrhundert se-hen, die in der Zukunft Dank Digital Rights Manage-ment und Technical Protection Measures kaum nochExistenzberechtigung hätten. Schon ein Blick ins Gesetzaber belegt das Gegenteil. Das 1966 in Kraft getreteneneue Urheberrechtsgesetz bestimmte erstmals und nuran einer Stelle, dass ein urheberrechtlicher Vergütungs-anspruch nicht vom Urheber selbst oder einem Dritten(z.B. Verleger oder Produzent) geltend gemacht werdenkann, sondern nur durch eine Verwertungsgesellschaft(es handelte sich um die als Ausgleich für die danacherlaubte Privatkopie eingeführte Gerätevergütung). Heu-te findet sich solche Verwertungsgesellschaftspflicht imGesetz bereits an acht Stellen und mit der soeben be-schlossenen Novelle des so genannten 2. Korbes kom-men drei weitere hinzu (bezogen auf die Vergütungsan-sprüche für den Kopienversand auf Bestellung, die Nut-zung an elektronischen Leseplätzen und schließlich dieSondervergütung bei einer Verwertung in bisher unbe-kannter Nutzungsart). Die Verwertungsgesellschafts-pflichtigkeit wird vom Gesetzgeber aber nicht nur fürsolche gesetzlichen Vergütungsansprüche vorgeschrie-ben, sondern neuerdings auch für die Geltendmachungvon Ausschließlichkeitsrechten wie der Kabelweitersen-dung. Diese – durch EU-Recht gebotene – Einschaltungvon Verwertungsgesellschaften wurde eingeführt, „da-mit das reibungslose Funktionieren vertraglicher Verein-barungen nicht durch den Einspruch von Außenseitern[…] in Frage gestellt werden kann“; sie liegt also vorallem im Interesse der Kabelbetreiber. Für alle vorge-nannten Fälle gilt, dass erst durch die Einschaltung vonVerwertungsgesellschaften die betreffenden Ansprücheauf wirtschaftlich sinnvolle Weise geltend gemacht wer-den können. Einzelabrechnungen an jeden Rechteinha-ber würden die Nutzer überfordern und sie in Konse-quenz von der – ja durchaus gewünschten – Nutzungder urheberrechtlich geschützten Werke abschrecken. InAnerkennung dieser Realität setzen deshalb der euro-päische ebenso wie der nationale Gesetzgeber vermehrtdie Konstruktion der Verwertungsgesellschaftspflich-tigkeit urheberrechtlicher Ansprüche ein. Dies gilt auchund gerade für digitale Nutzungen, wie z.B. die schonangeführte On-the-Spot-Consultation urheberrechtlichgeschützter Werke an Leseplätzen in Bibliotheken.

II.Das deutsche Urheberrecht erlaubt, wie alle kontinen-taleuropäischen Gesetze, die Vervielfältigung zu (in wei-terem Sinne) privaten Zwecken. Der verschiedentlicherhobenen Forderung nach einem Verbot der digitalenPrivatkopie wird auch im so genannten 2. Korb eine klareAbsage erteilt: Eine Regelung, die etwa nur die analogePrivatkopie zuließe, wäre laut Gesetzesbegründung„praktisch kaum durchsetzbar und den Verbrauchernnicht zu vermitteln. Ein solches Verbot würde die sozia-le Realität ignorieren und die Autorität und Glaubwür-digkeit der Rechtsordnung untergraben.“ Es ist dies si-cher die einzig richtige Entscheidung (wofür glaubt mandenn, werden z.B. in England – wo Privatkopien verbo-ten sind – DVD-Brenner gekauft?). Gestattet man aberdie Privatkopie, so folgt hieraus zwangsläufig, dass denUrhebern im Gegenzug eine angemessene Vergütungzu bezahlen ist, die in Deutschland in Form der Geräte-und Leerträgervergütung durch Verwertungsgesellschaf-ten erhoben wird. Eine vergütungsfreie zulässige Privat-kopie wäre als Eingriff in das Eigentumsrecht des Urhe-bers verfassungswidrig (so wieder die Begründung zum

2. Korb) und würde zudem auch gegen den berühmtenDrei-Stufen-Test des EU-Rechts verstoßen. Wenn man alsoweiterhin wie gehabt das private Kopieren auch mit digi-talen Mitteln zulassen will, sind Verwertungsgesellschaf-ten auch in Zukunft unverzichtbar – nur sie können diehierfür zu zahlenden Vergütungen verwalten.

III.Vielfach wird behauptet, technische Kopiersperren undvor allem Digital Rights Managementsysteme würdenVerwertungsgesellschaften überflüssig machen. Auchdies geht an der Realität vorbei.

Dabei muss man gar nicht auf die technischen Un-zulänglichkeiten all dieser Systeme verweisen (ist dasSystem einmal von einem findigen Hacker geknackt, sosteht es danach in der Regel jedermann offen im Webzur Verfügung). Entscheidend ist, dass alle technischenSchutzmaßnahmen nur bei digitalen Vorlagen eingesetztwerden können. Sie können also nur dort greifen, wosich digitale Träger (wie CDs oder DVDs) durchgesetzthaben. Es wird aber auch in Zukunft wichtige und auchwirtschaftlich bedeutende Bereiche geben, wo techni-sche Schutzmaßnahmen nicht möglich oder nicht er-wünscht sind. Dies gilt insbesondere für den Textbereich:Auch wenn für wissenschaftliche Literatur die digitaleOn- und Offline-Verbreitung voranschreitet, so dominie-ren hier doch immer noch die Printausgaben und dieswird für Zeitungen und Zeitschriften ebenso wie für

Bücher noch lange gelten. Auf der anderen Seite wer-den z.B. Öffentlich-Rechtliche Rundfunkanstalten – ge-halten durch ihren gesetzlichen Auftrag – auch weiterhinunverschlüsselte Sendungen veranstalten. Will man alsodas private Vervielfältigen nicht verbieten, so sind wiederdie Verwertungsgesellschaften gefordert, die hierfüranfallende Vergütung zu verwalten.

Neben den – insbesondere im Interesse der Nutzerund des Wissenschaftsstandorts Deutschland – eingeführ-ten gesetzlichen Lizenzen (für privates Kopien, Kopien-versand von Artikeln, On-the-Spot-Consultations etc.) gibtes freilich Bereiche, in denen individuell registrierte undabgerechnete digitale Nutzungen möglich und auch wün-schenswert sind. Hier stellt sich allerdings die Frage, werdie einzelnen Nutzungsvorgänge registrieren und abrech-nen wird. Für audio- und audiovisuelle Werke wollen die-se Aufgabe die in diesem Bereich global agierenden Groß-konzerne übernehmen (obwohl sich z.B. EMI laut FOCUS„vom lästigen Kopierschutz und kryptischen DRM“ schonwieder verabschiedet). Für den Textbereich haben vor al-lem internationale agierende Großverlage das Know-howund das Kapital, um wirtschaftlich erfolgsversprechendeAngebote ins Netz stellen zu können. Der einzelne Urhe-ber aber wird hierzu nur selten in der Lage sein. Die Rech-teverwaltung im Internet durch den einzelnen Urheberoder Rechteinhaber entspricht insbesondere im Wissen-schaftsbereich auch nicht den Bedürfnissen der Nutzer.Diese wollen – schon um die Transaktionskosten zu min-

dern – möglichst viele Rechte aus einer Hand erwerbenkönnen. Es ist daher schon jetzt absehbar, dass sich pro-fessionelle (nicht notwendig: kommerzielle) Anbieter wiez.B. Bibliotheken, Forschungszentren u.ä. als Internetpor-tale einschalten werden. Hier bieten sich wieder Verwer-tungsgesellschaften als zentrale Verwaltungsorganisati-onen an. Sie verfügen schon jetzt weitgehend über diehierfür notwendigen Dokumentationen, besitzen dasKnow-how und die nötigen technischen Einrichtungen.Vor allem aber: Sie sind von den Urhebern und Rechtein-habern selbst getragene, nicht gewinnorientierte Orga-nisationen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeitder Verwertungsgesellschaften in diesem Bereich istallerdings, dass sie an die Stelle der für privates Kopierennotwendigerweise pauschalen Verwaltung und Abrech-nung ein individuelles Verwaltungssystem stellt, in demjeder einzelne Nutzungsvorgang individuell erfasst undabgerechnet wird. Hier sollte man dann nicht mehr von„kollektiver“ sondern besser von „zentraler Verwaltung“sprechen. Unter diesen Voraussetzungen können Verwer-tungsgesellschaften in Zukunft eine wichtige Rolle beider Verwaltung von DRM-Systemen spielen. DRM-Syste-me werden jedenfalls Verwertungsgesellschaften nichtüberflüssig machen – beide werden sich auch in Zukunftergänzen.

DER VERFASSER IST GESCHÄFTSFÜHRENDES VOR-STANDSMITGLIED DER VG WORT

Fortsetzung von Seite 22

Kamera Arriflex 300. Foto: Stefanie Ernst

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Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 24

Dr. Günter Krings, MdB (CDU)

geboren 1969; evangelisch-reformiert; verheiratet.1989 Abitur. 1989 bis 1994 Studium der Rechtswis-senschaften und Geschichte an der Universität Köln,1994 erste juristische Staatsprüfung; 1994 bis 1995Studium des US-amerikanischen und internationa-len Rechts an der Temple University in Philadelphia,Fulbright-Stipendiat, Abschluss Master of Laws;1995 bis 1997 Rechtsreferendar u.a. beim Deut-schen Städtetag, zweite juristische Staatsprüfung1997. 1997 bis 2002 wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Institut für Staatsrecht der Universität Köln;Dozent an der Kölner Journalistenschule; 2002 Pro-motion; Dr. jur. Rechtsanwalt in Mönchengladbachseit 1998; seit 2004 Lehrbeauftragter an der Uni-versität Köln.Mitglied der JU seit 1983, der CDU seit 1985, 1989bis 1994 Vorsitzender der JU Wickrath, 1992 bis 2003Bezirksvorsitzender der JU Niederrhein, seit 1998stellvertretender Bezirksvorsitzender der CDU Nie-derrhein; seit 2002 stellvertretender Kreisvorsitzen-der der CDU in Mönchengladbach; seit 1995 Lan-desvorstand des Ev. Arbeitskreises der CDU in Nord-rhein-Westfalen. Seit 1989 Mitglied im Kulturaus-schuss der Stadt Mönchengladbach, Schirmherr derGBS-Patienten-Initiative; ehrenamtliches Mitglied imAufsichtsrat des Bethesda-Krankenhauses in Mönch-engladbach.Mitglied des Bundestages seit 2002; stellvertreten-des Mitglied und Projektgruppenleiter der Bundes-staatskommission.

Günter Krings. Foto: Krings

Wettbewerb darf nicht zur Zweiklasssengesellschaft führenDas Urheberrecht aus der Sicht der CDU/CSU-Fraktion I Von Günter Krings

„Diese Notenarbeit ist ein ernstes bedeutendes Werk.Es kann uns nicht gleichgültig sein, in welchem Rah-men dieses dargestellt wird!“ So entsetzt gibt sich derMusiklehrer in der Oper „Ariadne auf Naxos“ vonRichard Strauss, als er von dem Haushofmeister erfah-ren muss, dass im Anschluss an die vorgesehene operaseria auch noch eine heitere Oper folgen soll. Im weite-ren Verlauf der Handlung wischt der Haushofmeister dieästhetischen Bedenken vom Tisch und zeigt die ökono-mische Abhängigkeit auf: Wer bezahlt, bestimmt.

E s war mit Sicherheit nicht die Absicht des Librettis-ten Hugo von Hoffmannsthal, den mangelnden

Schutz des Künstlers durch das Fehlen urheberrechtli-cher Bestimmungen aufzuzeigen, aber unfreiwillig bringter diesen Aspekt mit dem Ausspruch des Musiklehrerseben doch zum Ausdruck. Die Problematik war auchdemjenigen nicht unbekannt, der diese Textzeilen ver-tonte: Richard Strauss. Gilt er doch allgemein als Grün-dungsvater der Verwertungsgesellschaften in Deutsch-land. Denn in seiner Zeit erhielt der Urheber in Deutsch-land zum ersten Mal einen gesetzlichen Vorbehalt fürdie Aufführung seiner Werke und damit den notwendi-gen Hebel in die Hand, um selbst die Tantiemen einzu-streichen, die bis dato fast stets beim Verleger lande-ten.

Spätestens mit der technischen Möglichkeit der pri-vaten Vervielfältigung eröffnete sich eine neue Dimen-sion. Der Gesetzgeber sah sich nun vor zwei Alternati-ven gestellt: Entweder bleibt die Vervielfältigung im pri-vaten Rahmen weiterhin nicht erlaubt oder er lässt diePrivatkopie zu und gibt dem Urheber dafür einen Vergü-tungsanspruch. Der Gesetzgeber entschied sich 1965 fürletztere Alternative, da er sich keine Illusionen darübermachte, dass die Privatkopie in der analogen Welt durchden Urheber nicht effektiv kontrolliert werden konnte.

Als die Bilder laufen lernten. Foto: Stefanie Ernst

Privatkopie“ geredet. Für den Verbraucher sind die Ab-gaben auf Geräte und Speichermedien eben wenig fass-bar bzw. er registriert überhaupt nicht, dass der Kauf-preis bereits eine Abgabe für die Vervielfältigung vonurheberrechtlich geschütztem Material enthält.

Die Kreativindustrie tut sich allerdings noch schwermit der Implementierung von DRM-Systemen. Dabei sinddie gesetzlichen Rahmenbedingungen gegeben. Dennsofern der Rechteinhaber sein Werk mit technischenSchutzmaßnahmen ausgestattet hat, dürfen diese auchzum Zwecke der Anfertigung einer Privatkopie nichtumgangen werden. Sogar der Vertrieb von entsprechen-der Software ist verboten. Trotzdem wurden in der Ver-gangenheit DRM-Systeme wieder vom Markt genom-men. Inzwischen haben EMI und Universal den DRM-Schutz von ihren online-vertriebenen Musikstücken he-runtergenommen. Der Rest der Branche sitzt wie dasKaninchen vor der Schlange und wartet ab. Universalbegründet seinen Vorstoß offiziell damit, dass sie unter-suchen möchte, ob mit der Freigabe von technischenSchutzmaßnahmen tatsächlich ein Anstieg von Raub-kopien einhergeht. Ob man wirklich ein Prophet seinmuss, um das Ergebnis vorherzusagen, bleibt den Ver-antwortlichen anheimgestellt. So sehr Forderungen nacheiner weiteren Einschränkung der Privatkopie berech-

In welche Richtung sollen sich die Verwertungsgesell-schaften entwickeln? Welche Schwerpunkte wollen sieselbst setzen? Wie werden sich DRM-Systeme auf dieArbeit der Verwertungsgesellschaften auswirken? Wirddie kollektive Rechtewahrnehmung überflüssig oder gibtes neue Chancen? Zu diesen Fragen positionieren sichzum einen Abgeordnete des Deutschen Bundestags, zumanderen die Geschäftsführer der Verwertungsgesell-schaften GEMA, GVL, VG Bild-Kunst und VG Wort.

Günter Krings, MdB, Mitglied des Rechtsausschussesund Berichterstatter für Urheberrecht der CDU/CSU-Fraktion, sieht in den DRM-Systemen eine Chance fürdie Nutzer urheberrechtlich geschützter Werke und fürdie Urheber selbst und geht davon aus, dass diese Sys-teme an Akzeptanz gewinnen werden. Zugleich ist erder Auffassung, dass Verwertungsgesellschaften nichtausgedient haben. An ihre Arbeit, speziell an ihre Trans-parenz, sind aber höhere Anforderungen zu stellen. JörgTauss, MdB, bildungs- und medienpolitischer Sprecher,sieht mit Blick auf die gerade abgeschlossene Gesetz-

gebung zu Korb II Urheberrecht in der Informationsge-sellschaft ebenfalls die Verwertungsgesellschaften in derPflicht, mehr für ihre Transparenz zu tun. Wolfgang Nes-kovic, MdB, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion DIELINKE, vertritt die Meinung, dass die Verwertungsge-sellschaften in ihrem kulturellen und sozialen Auftraggestärkt werden sollten. Er appelliert zugleich für einestärkere Aufsicht. Die rechtspolitische Sprecherin derFDP-Fraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, MdB,sieht vor allem auf der europäischen Ebene Handlungs-bedarf. Sie plädiert für eine Harmonisierung des Rechts-rahmens, lehnt den Vorstoß der EU-Kommission aus demJahr 2005 aber ab, da die Gefahr einer Novellierung nachunten besteht, die weder im Interesse der Urheber nochder Nutzer sein kann. Undine Kurth, MdB, Parlamentari-sche Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-nen und Mitglied der Enquete-Kommission „Kultur inDeutschland“ des Deutschen Bundestages, lehnt – wiedie Abgeordneten der anderen Fraktionen – den Vor-schlag der EU-Kommission ab, einen Wettbewerb unterden Verwertungsgesellschaften zu entfachen. Sie ver-

tritt zugleich die Auffassung, dass die Aufsicht verstärktwerden sollte. Insgesamt bekennen sich die befragtenAbgeordneten klar zum System der kollektiven Rechte-wahrnehmung, genauso unmissverständlich plädierensie für eine stärkere Aufsicht und die konsequente Wahr-nehmung der kulturellen und sozialen Zwecke.

Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA, sieht wiedie Abgeordneten des Deutschen Bundestags das Er-fordernis, den Forderungen der EU-Kommission nachmehr Wettbewerb entgegen zu treten. Er hebt in die-sem Zusammenhang die staatsentlastende Funktionder Verwertungsgesellschaften besonders hervor.Zugleich stellt sich die GEMA dem Wettbewerb. TiloGerlach und Peter Zombik, Geschäftsführer der GVL,teilen die Einschätzung zu den Gefahren, die von Sei-ten der Wettbewerbskommission aus Brüssel drohen.Sie sehen zugleich die Verwertungsgesellschaften, spe-ziell die GVL, vor der Herausforderung stärker multila-teral zu agieren, da dieses von den Nutzern verlangtwird. Dabei wird auch die Gefahr einer Abwärtsspirale

bei den Vergütungen angesprochen. Ferdinand Me-lichar, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VGWort, spricht von den Perspektiven der VG Wort beimdigitalen Rechtemanagement. Seines Erachtens könn-ten gerade Verwertungsgesellschaften verhindern,dass es gläserne Kunden gibt. Obwohl Verwertungs-gesellschaften Wirtschaftsunternehmen sind, da siedas Inkasso für die Rechteinhaber und nachher dieAusschüttung der Vergütungen übernehmen, er-schöpft sich ihre Aufgabe nicht darin. Die Wahrneh-mung der sozialen und der kulturellen Zwecke ist einkonstitutives Merkmal der Verwertungsgesellschaf-ten. Gerhard Pfennig, Geschäftsführendes Vorstands-mitglied der VG Bild-Kunst, sieht die Verwertungsge-sellschaften gefordert, eingefahrene Positionen zuüberdenken und die bestehenden Herausforderungenoffen anzunehmen. Er sieht ganz besonders die Ur-heber und Rechteinhaber im audiovisuellen Bereichgefordert, neue Wege zu gehen.

DIE REDAKTION

Wo geht die Reise hin?

Trotzdem sollte er nicht leer ausgehen, sondern für der-artige Vervielfältigungen auch eine Vergütung erhalten.Da es dem Urheber faktisch unmöglich ist, derartigeAnsprüche individuell wahrzunehmen, sind und bleibendie Verwertungsgesellschaft für die analoge Welt un-verzichtbar.

Doch gilt diese Unverzichtbarkeit auch für die digi-tale Welt? Zum jetzigen Zeitpunkt sind hinter dieser Fra-ge wohl noch mehr Fragezeichen zu machen als Ant-worten darauf gefunden wurden. Das Zauberwort „Di-gital-Rights-Management“ (DRM) scheint die Richtungfür den Umgang mit urheberrechtlich geschützten Wer-ken in der digitalen Welt vorzugeben, konkrete Erfolgesind jedoch bislang kaum zu verzeichnen.

Dabei ist die Idee, die hinter DRM steht, genau rich-tig. Werden bislang die Geräte und Speichermedien miteiner Abgabe belastet, die die Vervielfältigung ermögli-chen, wird durch DRM-Systeme auf die konkrete Nut-zung abgestellt. Der Urheber kann dem Nutzer somitein Paket von verschiedenen Nutzungen anbieten unddafür eine angemessene Vergütung verlangen. Auch derpsychologische Vorteil liegt auf der Hand, da der Wertdes geistigen Eigentums direkt mit dem Werk verbun-den wird und gerade nicht mit dem Vervielfältigungs-gerät oder Speichermedium. Darin liegt bislang das Pro-blem urheberrechtlicher Vergütungspraxis. Teilweise wirdsogar schon in der Öffentlichkeit von einem „Recht auf Weiter auf Seite 25

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Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 25

Prinzip der kollektiven Rechtewahrnehmung beibehalten und stärkenDas Urheberrecht aus der Sicht der SPD-Fraktion I Von Jörg Tauss

Eines der ersten Fernsehgeräte, die Einzug in deutsche Wohnzimmer hielten. Foto: Stefanie Ernst

Noch vor der Sommerpause hat der Deutsche Bundes-tag eines der für den Bereich Kultur und Medien wich-tigsten Gesetzesvorhaben in dieser Legislaturperiodeverabschiedet. Im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz-entwurf der Bundesregierung „Zweites Gesetz zur Re-gelung des Urheberrechts in der Informationsgesell-schaft“ (so genannter Zweiter Korb) wurden insbeson-dere auf Drängen der SPD-Bundestagsfraktion noch we-sentliche Änderungen erreicht, die allesamt eine Stär-kung der Urheber zum Inhalt haben und die zugleichdie im Koalitionsvertrag geforderte Stärkung der Urhe-ber im digitalen Zeitalter erreichen sollen.

Durch den Gesetzentwurf und die durchgesetztenÄnderungen wird erreicht, dass

· im Zusammenhang mit der erstmals möglichen Ein-räumung von Nutzungsrechten der Urheber gegenü-ber den Verwertern über noch unbekannte Nutzungs-arten neben dem obligatorischen Vergütungsanspruchauch ein tatsächliches Widerrufsrecht für die Nutzungin einer neuen Nutzungsart eingeräumt wird,

· der „doppelte Flaschenhals“ beseitigt wurde. Dies be-deutet, dass die Vergütungspflicht nicht mehr - wieursprünglich vorgesehen - eine Nutzung in „nennens-wertem Umfang“ (10-Prozent-Schranke) voraussetzt.Es kommt vielmehr darauf an, ob die Geräte und Spei-chermedien für Vervielfältigungen „geeignet“ sind.Zudem ist die Festlegung über die Höhe der Vergü-tungsabgabe nicht mehr an den Gerätepreis gekop-pelt (5-Prozent-Schranke). Nunmehr können die Be-teiligten in weitgehender Selbstregulierung die Höheder pauschalen Vergütung rasch bestimmen bzw. be-stimmen lassen,

· der Gesetzgeber es sich vorbehält, „zu einer gesetzli-chen Regelung der pauschalen Vergütung einschließ-lich der Vergütungshöhe zurückzukehren“ (wie bisher),falls die Selbstregulierung nicht die Erwartungen er-füllt.

Damit wurde den wichtigsten Bedenken derjenigen,die die eigentlichen Adressaten des Gesetzes sind, denUrhebern, Rechnung getragen und das Grunderforder-nis einer angemessenen pauschalen Vergütung auchunter den neuen digitalen Bedingungen erreicht. Leiderist es zuvor jedoch nicht gelungen, die verhärteten Fron-ten aufzubrechen und die Industrie davon zu überzeu-gen, auf die Bedenken der Urheber einzugehen. Statt-

dessen wurde lieber auf die Wirkung einer – um es höf-lich zu formulieren – sehr merkwürdigen Anzeigenkam-pagne gesetzt, anstatt die Ängste der Autoren und Ur-

heber, die mit ihrer Arbeit ja schließlich ihren Lebensun-terhalt bestreiten, ernst zu nehmen.

Im Rahmen dieser Novellierung, insbesondere aberbei der Aushandlung der Höhe der Vergütung für Gerä-te und Speichermedien ist die besondere Rolle der Ver-wertungsgesellschaften wiederholt hervorgehoben wur-den. Aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion wird dadurchdie Funktion und Aufgabe von Verwertungsgesellschaf-ten untermauert, die ihnen zur Wahrnehmung öffentli-cher Aufgaben gesetzlich zugewiesen ist. Sie erfüllenals Solidargemeinschaft der Urheber einerseits einewichtige soziale und kulturelle, also eine gesellschaftli-che Funktion. Sie sorgen andererseits vor allem für ei-nen gerechten Ausgleich gegenüber den Rechteverwert-ern und Nutzern der geschützten Werke, indem sie z.B.die Vergütung von Vervielfältigungsstücken und derWiedergabe in öffentlichen Darbietungen oder Rund-funksendungen sicherstellen.

Insgesamt erfüllen Verwertungsgesellschaften da-mit eine wichtige und unverzichtbare Rolle im Span-nungsfeld zwischen Urhebern und Verwertern einerseits,zwischen der öffentlichen Nutzung und Urhebernandererseits. Die Urheber, die kreativen Schöpfer vonWerken, aber auch Inhaber von Leistungsschutzrechten,bedürfen der Veröffentlichung und auch der Vermark-tung ihrer Werke, um wahrgenommen zu werden undletztlich auch entsprechende Vergütung zu erhalten.Verwerter wiederum lassen sich von den Urhebern dieerforderlichen Nutzungsrechte einräumen, um diesedann auf dem Markt gegenüber den Nutzern verwerten

zu können. Verwertungsgesellschaften bringen diesebeiden Seiten, die vor allem auch aufgrund der unter-schiedlichen Rechtsstellung in einer nicht immer span-nungsfreien Beziehung zueinander stehen, zusammen.Die kollektive Wahrnehmung von Rechten durch Verwer-tungsgesellschaften, staatlicherseits durch eine faktischeMonopolstellung garantiert, sichert den Erhalt von kul-tureller Vielfalt.

Diese Funktionen wurden von den Verwertungsge-sellschaften in der Vergangenheit in besonderer Weiseerfüllt, auch wenn es, wie die Beratungen im Rahmender Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ ge-zeigt haben, in weiteren Details Anpassungs- und Ver-besserungsbedarf geben mag. Die Ende 2007 vorliegen-den Empfehlungen der Enquete-Kommission werdenjedoch vor dem Hintergrund der von der SPD-Bundes-tagsfraktion außerordentlich zu begrüßenden überein-stimmenden Meinung in der Kommission ausgespro-chen, dass an dem bestehenden System der kollektivenRechtewahrnehmung festzuhalten sei.

Veränderungsprozesse betreffen die Verwertungs-gesellschaften in zweierlei Hinsicht, wobei die Qualitätmöglicher Veränderungen höchst unterschiedlich zubewerten ist. Die technischen Möglichkeiten der NeuenMedien beinhalten auch neue Formen der Verwertungvon Inhalten in digitaler Form. Die digitale Rechtever-wertung (Digital Rights Management - DRM) wird eineindividuelle Vergütung der Rechteinhaber auf der Grund-

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tigt sind, so sehr sind die Rechteinhaber aber auch dazuaufgerufen, die schon bestehenden gesetzlichen Mög-lichkeiten auszuschöpfen. Kurzfristige Marketingaktio-nen können sich hier schnell als Bumerang erweisen.

Die Verwertungsgesellschaften werden aber nichtnur durch die Digitalisierung und der damit einherge-henden Aufhebung des Zwangs zur kollektiven Rechte-wahrnehmung herausgefordert, sondern ebenso wird diejetzige Ausgestaltung der Pauschalabgabenerhebung zu-künftig mit Problemen behaftet sein. Grund dafür ist dieAnknüpfung der Vergütung an den Preis von Geräten undSpeichermedien. Für beide Gruppen ergibt sich eine Ent-wicklung, die weiterhin nach unten zeigt. Steht man alsKonsument ungläubig vor den Preisen und denkt, es gehtnicht mehr günstiger, muss man sich kurze Zeit später,dann doch eines besseren belehren lassen. Zwar ist esrichtig, darauf hinzuweisen, dass die Urheberrechtsver-gütung an sich nichts mit einem sinkenden Kaufpreis zutun hat, da schließlich das Ausmaß der Vervielfältigungunabhängig von betriebswirtschaftlichen Überlegungender Hersteller ist, aber will man Käuferwanderungen insAusland verhindern, muss die Vergütung in einem ange-

messenen Verhältnis zum Warenpreis bleiben. Letztendlichhaben auch die Urheber nichts davon, wenn das Geld insAusland abwandert, da in diesem Fall keinerlei Vergü-tung an sie ausgeschüttet werden kann.

Die Verwertungsgesellschaften sehen sich aber nichtnur Kräfte von außen ausgesetzt, sondern auch die in-nere Struktur bedarf eines kritischen Blicks. Dies förder-te insbesondere eine zu Beginn des Jahres von der En-quete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kulturin Deutschland“ durchgeführte öffentliche Anhörungzum Thema „Kollektive Wahrnehmung von Urheberrechtund verwandten Schutzrechten“ zutage. An die Verwer-tungsgesellschaften als Zwangsverband sind in punktoTransparenz und Demokratie besonders hohe Anforde-rungen zu stellen. Auch wenn vielleicht der ein oderandere Sachverständige mit seiner Kritik über das Zielhinausgeschossen ist, gab es schon begründete Zwei-fel, ob einige Verwertungsgesellschaften den Anforde-rungen in der Praxis tatsächlich genügen. Für die Ver-wertungsgesellschaften sollte klar sein, dass sie sich ineine schwierige Situation bringen, wenn sie auch nurden Anschein erwecken, bestimmte Personenkreise wür-den bevorteilt bzw. von der Teilhabe an Entscheidungenausgeschlossen. Hier ist es auch Aufgabe der Politik, ein

wachsames Auge auf Entwicklungen zu haben, die ge-rade in eine gegenteilige Richtung gehen, was auch fürdie Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften gilt.

Neues Ungemach scheint aus Europa zu drohen. DieEU-Kommission gab im Mai 2005 eine Empfehlungheraus, in der sie sich für ein Aufbrechen der Monopolebei der Verwertung der Musikrechte durch die Verwer-tungsgesellschaften aussprach. Im Europäischen Parla-ment ist diese Empfehlung auf scharfe Kritik gestoßen,da es die wettbewerbsrechtlichen Vorstellungen derKommission zu weitgehend empfindet. Dabei lehnen dieEU-Parlamentarier keineswegs eine Öffnung des Wett-bewerbs bei der Rechteverwertung von Online-Musikab, aber sie sprechen sich für eine stärkere Kontrolledieses Wettbewerbs aus. Auch auf der Anhörung derEnquete-Kommission waren sich alle Sachverständigedarin einig, dass die unbedingte Liberalisierung der be-sonderen Funktion der Verwertungsgesellschaften nichtgerecht wird. Es geht beim Urheberrecht eben nicht nurum ein Wirtschaftsgut, sondern auch um die Bewah-rung der kulturellen Vielfalt in Europa.

Auf europäischer Ebene ergibt sich zurzeit eine rechtunübersichtliche Gefechtslage. Während die Verwer-tungsgesellschaften auf der einen Seite die rechtsun-

verbindliche Empfehlung der Kommission aufgreifen undmit Zusammenschlüssen den Versuch unternehmen, eingrenzüberschreitendes Musikrepertoire anzubieten, füh-ren sie hinsichtlich des Wettbewerbsverfahrens der Kom-mission gegen die Internationale Vereinigung von Ver-wertungsgesellschaften (CISAC) eine Abwehrschlachtdurch, um einen Wettbewerb auf der Nutzerseite zu ver-hindern.

Der für den Urheber scheinbar vorteilhafte Wettbe-werb auf Seiten der Rechteinhaber darf aber nicht zueiner Zweiklassengesellschaft von Urhebern führen.Wenn sich die Verwertungsgesellschaften nicht nur alseine Durchlaufstelle für Rechteinhaber verstehen, son-dern weiterhin Aufwendungen für kulturellen Zweckeund sozialen Einrichtungen zur Verfügung stellen sol-len, muss dies für das Vergütungsaufkommen sämtli-cher Rechteinhaber gelten. Die kulturelle Vielfalt kannauch durch einseitige Bevorzugung von Rechteinhabergefährdet werden.

DER VERFASSER IST MITGLIED DES DEUTSCHEN BUN-DESTAGS UND BERICHTERSTATTER DER CDU/CSU-FRAKTION IM DEUTSCHEN BUNDESTAG FÜR URHEBER-RECHTSFRAGEN IM RECHTSAUSSCHUSS

Jörg Tauss, MdB (SPD)

geb. 1953 in Stuttgart; verheiratet. Volksschule, Re-alschule. Lehre als Lebensversicherungskaufmann,Fachbereich betriebliche Altersversorgung. Verschie-dene Tätigkeiten als Gewerkschaftssekretär in Stutt-gart, Esslingen, Hamburg und Bruchsal; Pressespre-cher der IG Metall Baden-Württemberg, z.Z. ruhen-des Arbeitsverhältnis.Mitglied der IG Metall, von ver.di, der Naturfreunde,des ASB, im Senat der Helmholtz-Gemeinschaft Deut-scher Forschungszentren, der Deutschen UNESCO-Kommission, im Kuratorium des Deutschen Studen-tenwerks (DSW); Erster Sprecher der West-Ost-Ge-sellschaft Bruchsal (Tschernobyl-Hilfe); Vorsitzenderdes Kuratoriums des Horst Görtz Institutes (HGI) fürSicherheit in der Informationstechnik an der Univer-sität Bochum, Vorsitzender Wissenschaftsforum Ba-den-Württemberg e. V.Mitglied der SPD seit 1971, seit 2005 Generalsekre-tär der SPD Baden-Württemberg. Mitglied des Bun-destages seit 1994; Sprecher Bildung, Forschung undMedien der SPD-Fraktion.

Jörg Tauss. Foto: privat

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Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 26

Verwertungsgesellschaften in ihrem kulturellen Auftrag stärkenDas Urheberrecht aus der Sicht der Fraktion DIE LINKE I Von Wolfgang Neskovich

Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturschaffende sinddarauf angewiesen, ihre Urheberrechte effizient wahr-zunehmen. Auch wenn dies für einen Außenstehendenschwer vorstellbar ist: Sie leben davon. Derzeit werdendiese Rechte kollektiv durch die Verwertungsgesellschaf-ten wahrgenommen.

I m Folgenden möchte ich mich drei Fragen widmen:Warum ist die Existenzberechtigung der Verwertungs-

gesellschaften nicht in Frage zu stellen? Inwiefern istdas System der kollektiven Rechtewahrnehmung verän-derungsbedürftig? Und: Welche rechts- und kulturpoli-tischen Grundsätze sind in diesem Zusammenhangmaßgeblich?

Im digitalen Zeitalter werden und wurden verstärktHoffnungen darauf gesetzt, dass sich zumindest imOnline-Bereich durch die Digital-Rights-Management-Systeme eine Verwertung von digitalen Inhalten mittelsindividueller Lizenzierung und Abrechnung durchsetzenkönnte, die die kollektive Rechtewahrnehmung verdrän-gen würde. Diese Annahme hat sich bisher jedoch nichtbestätigt. Die DRM-Systeme als technische Schutzmaß-nahmen sind aufgrund ihrer Defizite nicht geeignet, dieVerwertung der Urheberrechte vollumfänglich abzusi-chern. Darüber hinaus übersieht eine Fokussierung aufeine reine Abrechnungsfunktion die von den Verwer-tungsgesellschaften ausgeübten sozialen und kulturel-len Funktionen.

Die Verwertungsgesellschaften sind gesetzlich dazuverpflichtet, bestimmte staatsentlastende Aufgaben zuerfüllen, deren Wahrnehmung das Deutsche Patent- undMarkenamt beaufsichtigt. Hierzu gehört der doppelteKontrahierungszwang in Form des Wahrnehmungszwan-ges gegenüber den Berechtigten und in Form des Ab-schlusszwanges gegenüber den Nutzenden. Beides istnotwendig, um der Monopolstellung der Verwertungs-gesellschaften gerecht zu werden.

Die Verwertungsgesellschaften trifft darüber hinausdie Pflicht, Tarife aufzustellen, die religiös, kulturell undsozial angemessen sind. Somit haben sie eine ausglei-chende gesellschaftliche Funktion, und das nicht nur beider Einnahme von Geldern für die Urheberrechte, son-dern auch bei deren Verteilung. Die Einnahmen der auffremde Rechnung und ohne Gewinnerzielungsabsichtagierenden Gesellschaften sollen gerecht, also ohneWillkür und angemessen nach festen Regeln verteiltwerden.

Kulturell bedeutende Werke und Leistungen sollendabei gefördert werden. Grundsätzlich fließt jedem Be-rechtigten bzw. jeder Berechtigten das zu, was aufgrundder Nutzung seiner bzw. ihrer Leistung vereinnahmtwurde. Daneben wird je nach Verwertungsgesellschaft

Wolfgang Neskovic, MdB (DIE LINKE)

geboren 1948 in Lübeck; verheiratet, zwei Kinder.1968 Gymnasium, Abitur. Studium der Rechtswissen-schaften Universität Hamburg; 1974 erstes juristi-sches Staatsexamen; 1974 bis 1975 wissenschaftli-cher Assistent an der Universität Hamburg; 1977zweites juristisches Staatsexamen. 1978 Rechtsan-walt und Richter im Landgerichtsbezirk Lübeck; 1981Richter; 1990 Vorsitzender Richter am LandgerichtLübeck; mehrjährige Lehraufträge an der Universi-tät Hamburg; 1992 bis 2002 Pressesprecher des Land-gerichts Lübeck; 2002 bis 2005 Richter am Bundes-gerichtshof.Mitglied der Neuen Richtervereinigung und im Tier-schutzverein Lübeck.1979 bis 1994 Mitglied der SPD, 1995 bis 2005 derGrünen, seitdem parteilos.Mitglied des Bundestages seit 2005; stellvertreten-der Vorsitzender des Rechtsausschusses.

Wolfgang Neskovich. Foto: Katja-Julia Fischer

bezwecken. Mag ein gewisser Preiswettbewerb in an-deren Zusammenhängen durchaus erstrebenswert sein,so führt er in der Kultur zwangsläufig zu einem Ausver-kauf der Kunst zu Lasten bestimmter Urheber und Ur-heberinnen sowie zu einer nur zu erahnenden kulturel-len Einfalt und zu sozialem Egoismus. Eine Entwicklung,die in eklatantem Widerspruch zu den gesellschaftlichenZielen der Linken steht.

Eine Stärkung der Verwertungsgesellschaften in ih-rer kulturellen und sozialen Ausgleichsfunktion ist dem-nach dringend geboten, wobei sie mehr als bisher aufTransparenz und Demokratisierung Wert legen sollten.

Hier noch mal eine Zusammenfassung der genann-ten Zielsetzungen (ohne dass ich dadurch weitergehen-den Vorschlägen meiner Fraktion vorgreifen möchte):· keine Entwicklung in Richtung reiner Wirtschaftsun-

ternehmen· Erhöhung der Transparenz für die Rechteinhaber/innen

vor allem bei der Verteilung der Einnahmen (durchkonsequente Offenlegung); dabei sind insbesonderedie Sozialwerke und deren Förderungspraxis in denFokus zu nehmen

· Ermöglichung einer überprüfbaren demokratischenBeteiligung an Entscheidungen der Verwertungsgesell-schaften für alle Betroffenen

· Stärkung des sozialen und kulturellen Auftrags, dendie Verwertungsgesellschaften wahrnehmen, auchdurch Bestandssicherung der Versorgungseinrichtun-gen der VG

· Verwertungsgesellschaften müssen einer umfassendenAufsicht unterstellt werden, um mögliche Konfliktezwischen ihnen und den Künstlerinnen und Künstlern,aber auch anderen Beteiligten zu regeln

· Die Ansiedlung der Aufsicht beim Deutschen Patent-und Markenamt sollte geprüft und nötigenfalls geän-dert werden. Jedenfalls ist eine bessere Personalaus-stattung unumgänglich, um nicht nur bei evidenten Fehl-entwicklungen, sondern nachhaltig zu überprüfen, obsich die VG an ihren gesetzlichen Auftrag halten; darüberhinaus ist die Frage der Aufsicht im Bereich der grenzü-berschreitenden Verwertung angemessen zu regeln.

Die Umsetzung dieses Anforderungskatalogs an dieVerwertungsgesellschaften wäre ein Beitrag zu einerKulturpolitik, die den Kreativen stärkt und nicht denKommerz. Mit einer solchen Gewichtung erhöhen sichdie Chancen, dass Werke entstehen, von denen fort-schrittliche Impulse für die Gesellschaft ausgehen.

DER VERFASSER IST STELLVERTRETENDER VORSITZEN-DER DES RECHTSAUSSCHUSSES DES DEUTSCHEN BUN-DESTAGS UND RECHTSPOLITISCHER SPRECHER DERFRAKTION DIE LINKE IM DEUTSCHEN BUNDESTAG

Fortsetzung von Seite 25

Prinzip der kollektiven Rechte-wahrnehmung

Erste Schritte in den medialen Alltag. Der Farvigraph ermöglichte die gleichzeitige Darstellung mehrerer Messvor-gänge. Foto: Stefanie Ernst

lage der tatsächlichen Nutzung von der Idee her ermög-lichen können. Jedoch bestehen derzeit und mindestensin naher Zukunft vielfältige technische Schwierigkeiten,diese Möglichkeiten in funktionierende DRM-Systemezu überführen. Hinzu kommen zahlreiche offene rechtli-che – beispielsweise datenschutzrechtliche – Fragen, diegegen einen flächendeckenden Einsatz von DRM-Syste-men sprechen. Zudem scheint ein vollkommener Ersatzkollektiver Rechtewahrnehmung durch DRM-Systemeausgeschlossen, weil die Vorteile einer kollektiven Ver-tretung von Urheberrechten durch Verwertungsgesell-schaften auch im digitalen Bereich erhalten bleiben: dietreuhänderische kostengünstige Wahrnehmung von Ur-heberrechten sowie die Möglichkeit, auch über natio-nale Grenze hinweg durch das Prinzip der Gegenseitig-keitsverträge aus einer Hand Rechte zur Nutzung vonWerken zu erhalten (one-stop-shop). Darin, die beste-henden und auch durch DRM-Systeme nicht zu erset-zende Stärken der kollektiven Rechtewahrnehmunginsbesondere hinsichtlich ihrer kulturellen und sozialenAufgaben zu behaupten und auszubauen, sieht die SPD-Bundestagsfraktion auch Möglichkeiten der Weiterent-wicklung von Verwertungsgesellschaften im digitalenZeitalter. Es ist nicht ausgeschlossen, dass DRM-Syste-me die Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften unter-stützen können, ersetzen können sie sie nicht.

Insbesondere auf europäischer Ebene – und das istdie zweite Dimension von Veränderungsprozessen – sindEntwicklungen zu beobachten, die das System der kol-lektiven Wahrnehmung von Urheberrechten grundsätz-lich gefährden könnten. Dies macht insbesondere dieEmpfehlung der Kommission vom 18. Oktober 2005 für„die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung vonUrheberrechten und verwandten Schutzrechten, die fürlegale Online-Musikdienste benötigt werden“ (2005/737/EG) deutlich. Abgesehen davon, dass die Kommis-sion in dieser Form des „soft law“ Empfehlungen ohneBeteiligung des Europäischen Parlaments verabschie-det, werden hierin ganz grundlegende Prinzipien desbestehenden Systems der kollektiven Rechtewahrneh-

mung infrage gestellt. Zum einen wird vorgeschlagen,das Prinzip der territorial tätigen und über Gegenseitig-keitsverträge von ihren europäischen Schwestergesell-schaften beauftragten Verwertungsgesellschaften weit-gehend dadurch zu ersetzen, dass Rechteinhaber einevon ihm frei bestimmbare Verwertungsgesellschaft eu-ropaweit mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauf-tragen kann. Die arrivierten Autoren könnten ein sol-ches System vorteilhaft nutzen, die weniger bekannten,die besonders auf die Tätigkeit der Verwertungsgesell-schaften angewiesen sind, blieben auf der Strecke. Diekulturelle Vielfalt würde gefährdet. Zudem wären gro-ße Verwertungsgesellschaften gegenüber kleinerenSchwestergesellschaften deutlich im Vorteil. Von diesemModell verspricht sich die Kommission einen stärkerenWettbewerb der Verwertungsgesellschaften untereinan-der, da insbesondere in der territorialen Rechtevertretungder nationalen Verwertungsgesellschaften ein Hindernisfür die Entwicklung europaweiter Musikdienste im Onli-ne-Bereich gesehen wird. Doch wird durch den mögli-chen Verlust eines Teils des nur territorial vertretenenRepertoires nicht nur die kulturelle Vielfalt beeinträch-tigt, sondern auch die Möglichkeit, Rechte aus einer Handzu erwerben. Die Vorschläge der EU-Kommission sind ausSicht der SPD-Bundestagsfraktion überaus kritisch zuwerten, zumal bereits nach dem herkömmlichen Modellder Gegenseitigkeitsverträge europaweite Zugriffsrechtemöglich sind und eine Verbilligung der Rechte durch denvon der Kommission angestrebten Wettbewerb auch vonihr selbst nicht erwartet wird. Insofern scheint außer derBedrohung der kulturellen Vielfalt und des bisherigenSystems der kollektiven Rechtewahrnehmung mit all dendamit verbundenen Vorteilen kein substantieller Gewinnin diesen Vorschlägen zu liegen.

Vor diesem Hintergrund wird sich die SPD-Bundes-tagsfraktion dafür stark machen, dass bestehende Sys-tem der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechtendurch Verwertungsgesellschaften angesichts der beste-henden Herausforderungen im digitalen Zeitalter zumodernisieren und zu stärken, um die darin veranker-ten Vorteile gezielt zu nutzen und weiter auszubauen.

DER VERFASSER IST BILDUNGS-, FORSCHUNGS- UNDMEDIENPOLITISCHER SPRECHER DER FRAKTION DERSPD IM DEUTSCHEN BUNDESTAG

über verschiedene Modelle – durch individuelle Förde-rung oder allgemeine Zuwendungen für kulturpolitischeZwecke – dem Bedürfnis der Allgemeinheit nach einembreit gefächerten, nicht vorrangig kommerziell orientier-ten Kulturangebot Geltung verschafft.

In erster Linie verfolgt der Gesetzgeber mit dem Ur-heberrechtswahrnehmungsgesetz den Schutz der Urhe-berinnen und Urheber, die sich in einer schwächeren Ver-handlungsposition befinden als die wirtschaftlich stär-keren Verwerter ihrer Werke. Der technische Fortschrittwird keine Vertragsparität zwischen Kulturschaffendenund Verwertern mit sich bringen. Vielmehr sind deutli-che Konzentrationsprozesse zu beobachten. Dieser struk-turellen Ungleichheit muss mit den Mitteln der Rechts-politik entgegengewirkt werden. Die kollektiven Formender Interessendurchsetzung sind hierfür ein geeignetesMittel, auch im Hinblick auf die Sozialbindung des Ei-gentums. Gerade im Urheberrecht mit seiner überragen-den kulturellen und sozialen Funktion innerhalb derGesellschaft wird dies traditionell aufgegriffen. Dassmeine Fraktion sich im Rahmen des Zweiten Korbs mehrin dieser Richtung erhoffte, hatte ich in meinem letztenBeitrag in politik und kultur bereits zum Ausdruck ge-bracht.

Die Verwertungsgesellschaften stehen nach demZweiten Korb vor großen Herausforderungen, insbe-sondere wegen der von ihnen zu meisternden Verhand-lungen bei der Speichermedien- und Gerätevergütung.Wenigstens hat sich der Gesetzgeber verfassungsrecht-lich dazu verpflichtet, die Auswirkungen der von ihmherbeigeführten neuen Vergütungsregelungen zu beob-achten, sodass Fehlentwicklungen zuungunsten derRechteinhaber und -inhaberinnen hoffentlich vermiedenwerden können.

Die positiven Funktionen der Verwertungsgesell-schaften – respektive ihre kulturellen Aufgaben und diesoziale Absicherung der Kreativen – liegen auf der Hand.In einigen Grundfragen aber besteht nun dringender Ver-besserungsbedarf:

Die EU-Kommission zielt in ihrer Empfehlung vom18. Mai 2005 in die völlig falsche Richtung. In Überein-stimmung mit dem Europäischen Parlament muss icheinem Zukunftsbild widersprechen, in dem Verwertungs-gesellschaften auf der Ebene reiner Wirtschaftsunter-nehmen eingestuft werden. Eine pauschale Nivellierungder Rechte der originären und abgeleiteten Rechtein-haber ist schlicht ungerecht. Gerechtigkeit verlangt viel-mehr eine genaue Analyse und Beurteilung des Wert-schöpfungsbeitrags. Auf den Wettbewerb mit seiner viel-gepriesenen Regulierung von Angebot und Nachfragezu vertrauen, bedeutet, die soziale und kulturelle Aus-grenzung vieler in Kauf zu nehmen, wenn nicht gar zu

Page 27: politik & kultur puk-Dossier...puk-Dossier Mit dem vorliegenden puk-Dossier „Verwertungsgesell-schaften“ sollen einige aktuelle Debatten zu Verwertungs-gesellschaften aufgegriffen

Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 27

Die kollektive Rechtewahrnehmung hat ZukunftDas Urheberrecht aus der Sicht der FDP-Fraktion I Von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Das System der kollektiven Rechtewahrnehmung durchdie Verwertungsgesellschaften ist eine tragende Säuledes Urheberrechts. Es bietet nicht nur den Rechteinha-bern, sondern auch den Nutzern der geschützten WerkeVorteile und ermöglicht den Vertrieb von Rechten auseiner Hand in Bereichen, in denen eine effiziente Rech-tewahrnehmung auf individuellem Wege nicht möglichist. Die technische Entwicklung im digitalen Umfeld undneue Online-Geschäftsmodelle erlauben es inzwischen,auch kleinste Nutzungen zu vertretbaren Transaktions-kosten zu lizenzieren und abzurechnen. Das macht dieVerwertungsgesellschaften in der Informationsgesell-schaft aber keineswegs zu einem Auslaufmodell. ImGegenteil. Auch in der digitalen Welt und im Zeitalterder Online-Verwertung werden die Verwertungsgesell-schaften einen wichtigen Beitrag zum Schutz derKünstler und der Verwerter leisten und als Dienstleisterauch für die Nutzer ein wichtiger Partner bleiben. Auchin Zukunft sind nicht nur die Kreativen, sondern auchdie Verwerter urheberrechtlich geschützter Werke aufkraftvolle Organisationen angewiesen, die ihre Rechtebei der Werknutzung auf kollektiver Ebene umfassendwahrnehmen können.

Auch für die Verwertungsgesellschaften ist die rasantetechnische Entwicklung Chance und Herausforde-

rung zugleich, denn natürlich werden auch sie ihre Ge-schäftsmodelle im Lichte der neuen Technik und der ver-änderten Bedürfnisse von Rechteinhabern und Nutzernüberarbeiten müssen. Die Verwertungsgesellschaftenmüssen sich dabei auch einem stärkeren Wettbewerbuntereinander stellen, denn in der digitalen Welt fallendie Grenzen der Verwertung. Die künftige Entwicklungdes Rechtsrahmens, in dem sich die Verwertungsgesell-schaften bewegen, wird deshalb in Europa eine euro-päische Aufgabe sein. Und zu Recht hat die Europä-ische Kommission die Harmonisierung des Rechts derVerwertungsgesellschaften als Aufgabe benannt. Wiedieser Wettbewerb sachgerecht organisiert werden kann,ist aber noch nicht beantwortet.Eine besondere Bedeutung haben die Verwertungsge-sellschaften traditionell im Bereich der Musikverwer-tung. Musiknutzung ist ein Massenphänomen. In derWahrnehmung von Musikrechten haben die Verwer-tungsgesellschaften ihren historischen Ursprung, und

weltweit sind die größten Verwertungsgesellschaften imBereich der Musik tätig. Auch in der Informationsge-sellschaft wird die Musikverwertung ein wichtiges Tä-tigkeitsfeld der Verwertungsgesellschaften bleiben. Esist deshalb folgerichtig, dass die Europäische Kommis-sion sich bei ihren Plänen für eine Reform des Rechtsder Verwertungsgesellschaften zunächst mit der künfti-gen Organisation der Lizenzierung von Musikrechten fürdie Online-Nutzung befasst hat.

Die Lösungsansätze, die die Kommission in ihrerEmpfehlung vorschlägt, greifen jedoch zu kurz undwerden der besonderen Rolle der Verwertungsgesell-schaften nicht gerecht. Es ist zwar richtig, auch denMarkt der Verwertungsgesellschaften stärker als bisherdem Wettbewerb zu öffnen. Von größerer Wahlfreiheitund einer stärkeren Transparenz können auch hier alleBeteiligten profitieren. Die Kommission übersieht jedoch, Weiter auf Seite 28

Verwertungsgesellschaften sozial und kulturell in die Pflicht nehmenDas Urheberrecht aus der Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen I Von Undine Kurth

Das System der kollektiven Wahrnehmung der Rechte vonUrhebern durch Verwertungsgesellschaften sichert kultu-relle Vielfalt und eine angemessene Vergütung und sozi-ale Absicherung von Künstlern und Urhebern. Es ist uner-setzlich und daher auch in Zukunft zu verteidigen.Allerdings sind auch Reformen erforderlich. Die Verwer-tungsgesellschaften müssen ihrer Verpflichtung zur Trans-parenz und ihren sozialen und kulturellen Verpflichtun-gen besser nachkommen als bisher.

Urheber- und Leistungsschutzrechte sind eine bedeut-same kulturelle Errungenschaft. Künstler leben von

ihrem Publikum, von der Veröffentlichung und Nutzungihrer schöpferischen Werke. In der Regel benötigen siehierzu Verlage, Musikfirmen, Filmproduzenten und ande-re Verwerter, die sich die Nutzungsrechte gegen ein Ent-gelt einräumen lassen und dann die Werke auf den Marktbringen. Daraus folgen zahlreiche weitere nachgelager-ten Verwertungsmöglichkeiten, die jedoch im Einzelnenfür Urheber und Verwerter schwierig zu kontrollieren sind,weil man nicht von jeder Aufführung eines Werkes Kennt-nis erlangen kann. Auch für die weit überwiegende An-zahl der Nutzer ist ein vorheriger Erwerb der jeweiligenLizenz von jedem einzelnen Rechtsinhaber unmöglich.

Die Wahrnehmung der Rechte von Urhebern und vonInhabern verwandter Schutzrechte erfolgt daher über-wiegend treuhänderisch und kollektiv durch Verwer-tungsgesellschaften. Das liegt im Interesse der gesam-ten Gesellschaft, weil so der Schutz der Rechte der Ur-heber sichergestellt wird und die Interessen der Nutzergewahrt bleiben.

Die politischen und die technologischen Entwick-lungen stellen an die Rechtewahrnehmung neue Her-ausforderungen. Globalisierung und Europäisierung so-wie die Digitalisierung und Onlineverfügbarkeit erfor-dern die Anpassung der urheberrechtlichen Regelungen.

System der Verwertungsgesellschaftenerhalten

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen zum System derkollektiven Rechtewahrnehmung durch Verwertungsge-sellschaften. Zwar stellt dieses System eine Ausnahmein unserem Rechtssystem dar, weil es zu einer faktischenMonopolstellung führt. Es findet seine Rechtfertigungaber sowohl darin, dass Verwertungsgesellschaften„Helfer des Urhebers gegenüber den Werknutzern“ sind,als auch darin, dass sie kulturelle und soziale Funktio-nen erfüllen. So ist in Paragraf acht des deutschen Ur-heberrechtswahrnehmungsgesetzes festgelegt, dass dieVerwertungsgesellschaften Vorsorge- und Unterstüt-zungseinrichtungen (Sozialwerke) einrichten sollen.

Damit gewährleistet das System der kollektivenRechtewahrnehmung zumindest im Grundsatz die Un-terstützung von in Not geratenen Künstlern und Publi-zisten und dient der Altersvorsorge. Damit werden staat-liche Sozialsysteme entlastet.

Das im Urheberwahrnehmungsrecht festgeschriebe-ne Prinzip, kulturell bedeutsamen Werken einen höherenAnteil aus den Einnahmen der Verwertungsgesellschaftzukommen zu lassen, sichert auch den Künstlern Einnah-men, deren Werke nicht „populär“ sind. Diese Form derFörderung ist ein wichtiger und unverzichtbarer Beitragzu Erhaltung eines vielfältigen kulturellen Lebens.

Vor diesem Hintergrund ist es unseres Erachtensnach gerechtfertigt, die Tätigkeit der Verwertungsgesell-schaften nicht unter marktpolitischen bzw. wettbewerbs-rechtlichen Gesichtspunkten zu gestalten.

Empfehlung der EU-Kommission gefähr-det kulturelle Vielfalt in EuropaAngesichts der Entwicklungen im Bereich der Internet-Musikdienste und der legalen Online-Musikdienste ent-steht die Herausforderung, den Rechteinhabern dieMöglichkeit zu geben, Urheberrechte und verwandteSchutzrechte während der gesamten Geltungsdauer un-abhängig von Staatsgrenzen oder von Nutzungsformenwahrnehmen zu können, wo immer sie entstehen. Daswürde die Marktfähigkeit der Online-Dienste in Europastärken.

Es muss innerhalb Europas auch sichergestellt sein,dass die Musiker und Schriftsteller eine angemesseneVergütung für eine europaweite Nutzung ihrer Werketatsächlich erhalten – trotz der noch immer erheblichenUnterschiede in den Urheberrechtsgesetzen der einzel-nen Mitgliedsstaaten.

Die von der EU-Kommission am 12. Oktober 2005verabschiedete Empfehlung über die Wahrnehmung vonOnline-Musikrechten vorgeschlagene Lizenzierung vonUrheberrechten für Online-Angebote lehnten BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN jedoch ab. Sie stößt zu Recht auf hefti-ge Kritik auch von Seiten der Verwertungsgesellschaf-ten, Autoren und Musikschaffenden.

Die Kommission will die Hemmnisse für Online-Dienst dadurch abbauen, dass die Rechteinhaber dieMöglichkeit bekommen, eine Verwertungsgesellschaftihrer Wahl mit der Wahrnehmung ihrer Rechte in dergesamten EU zu beauftragen. Durch diese neuen Struk-

turen würde eine grenzüberschreitende Lizenzierungermöglicht und für Rechteinhaber und Lizenznehmereine Wahl darüber, zu welchen Konditionen Musik imNetz verfügbar gemacht würde. Folge wäre ein Wettbe-werb der europäischen Verwertungsgesellschaften.

Den Vorschlag zu Ende denken, heißt jedoch festzu-stellen, dass im Ergebnis dieser Strukturen die großenVerwertungsgesellschaften die europaweiten Musikre-pertoires einkaufen und hierbei auf Quantität statt aufQualität setzen würden. Die Autorenvergütung würdenicht mehr nach dem Prinzip des Schutzes geistigen Ei-gentums und eines Ausgleichs zwischen „populären“und „kulturell bedeutsamen“ Werken erfolgen, sondernnach dem Prinzip des Wettbewerbs. Die Vergütungenwürden sinken und die Komponisten und Textdichterwären die großen Verlierer.

So wünschenswert europaweite Lizenzen aus Sichtder Verbraucher und Online-Musikdienste sind, die aufWettbewerbsdruck hin sinkenden Preise für Urheber-rechtsabgaben gehen letztlich zulasten derer, die Mu-sikwerke produzieren und deren soziale Absicherung.Vor allem wären jene betroffen, deren Werke nicht mark-gängig sind. Die kulturelle Vielfalt bliebe auf der Stre-cke. Musikalische Werke haben aber nicht nur einen wirt-schaftlichen Wert, sie sind auch und vor allem von künst-lerischem Wert.

Seit langem werden die Urheberrechtslizenzen durchein Netzwerk nationaler Verwertungsgesellschaften ver-treten. Durch Gegenseitigkeits-Verträge wird der Erwerbvon Lizenzen außerhalb nationaler Grenzen sicherge-stellt. Dieses Netzwerk spielt eine wichtige Rolle bei derFörderung neuer, kulturell wertvoller Repertoires. Es hatsich bewährt.

Vor dem Hintergrund der UNESCO-Konvention zumSchutz der kulturellen Vielfalt lehnen wir daher Rege-lungen ab, die allein auf der Basis des reinen Wettbe-werbs getroffen werden sollen und die Fragen der kul-turellen Vielfalt und der sozialen Absicherung der Urhe-ber ausblenden. Gerade diese Fragen stehen einer wett-bewerbspolitisch motivierten Neuausrichtung der kol-lektiven Rechtewahrnehmung grundsätzlich entgegen.

Soziale und kulturelle Funktionen stärken

Die Sozialwerke spielen bei der Legitimierung von Ver-wertungsgesellschaften eine wichtige Rolle. Künstler un-terstützen Künstler, in dem sie auf Teile der ihnen zuste-

henden Ausschüttung verzichten. Es wäre daher wün-schenswert, dass die Verwertungsgesellschaften mehrLicht in das Dickicht sowohl der Abführungen an dieSozialwerke als auch der Anspruchsberechtigten und dertatsächlichen Inanspruchnahme brächten. Es ist leideroft nicht klar, wem soziale Unterstützung zusteht undwie viele Rechteinhaber Leistungen aus den Sozialwer-ken beziehen.

Durch das Hinzutreten der Künstlersozialkasse müs-sen die Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen derVerwertungsgesellschaften auch überprüfen, welche so-zialen Funktionen sie wie wahrnehmen können und müs-sen. Gerade wo die Kontrollfunktion des Marktes ent-fällt, ist Transparenz Pflicht. Eine wirksame staatlicheAufsicht über die Verwertungsgesellschaften kann diebessere Wahrnehmung der sozialen und kulturellenFunktionen unterstützen und einfordern. Die Aufsichts-behörde – das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA)– darf sich dabei aber nicht auf so genannte Evidenz-kontrollen beschränken, sondern sie muss die Einhal-tung aller gesetzlichen Verpflichtungen kontrollieren.Dazu muss sie allerdings personell und finanziell ent-sprechend ausgestattet werden.

Unverzichtbar ist es auch, dass die Verwertungsge-sellschaften endlich dafür sorgen, dass alle Wahrneh-mungsberechtigten an den relevanten Entscheidungenmitwirken können und nicht nur ein Bruchteil dieser. Esist inakzeptabel, wenn eine Mehrheit derjenigen, die ander Wertschöpfung der Verwertungsgesellschaften be-teiligt, aber keine ordentlichen Mitglieder sind (außer-ordentliche und angeschlossene Mitglieder), auf die siebetreffenden Entscheidungen – etwa die Verteilung derEinnahmen und die Arbeit der Sozialwerke – keinen Ein-fluss hat. Ihre Interessen müssen authentisch zum Aus-druck gebracht werden können.

Viele Künstler sind auf die Leistungen der Sozial-werke angewiesen. Deshalb muss die Schutz- und Aus-gleichsfunktion der Verwertungsgesellschaften gestärktwerden. Sie ist – neben der Sicherung der kulturellenVielfalt – die entscheidende Begründung für eine nicht-wettbewerbsorientierte kollektive Rechtewahrnehmung.

DIE VERFASSERIN IST PARLAMENTARISCHE GE-SCHÄFTSFÜHRERIN DER FRAKTION BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN IM DEUTSCHEN BUNDESTAG UND MITGLIEDDER ENQUETE-KOMMISSION DES DEUTSCHEN BUN-DESTAGS „KULTUR IN DEUTSCHLAND“

Undine Kurth, MdB (BÜNDNIS 90 /Die Grünen)

geb. 1951 in Tanndorf/Sachsen; verheiratet. Abitur. Stu-dium an der Hochschule für Kunst und Design „BurgGiebichenstein“ in Halle (Saale), Diplom-Innenarchitek-tin. Freiberuflich tätig.Mitglied im Vorstand der Alleenschutzgemeinschaft(ASG), der Arbeiterwohlfahrt Quedlinburg-Werningero-de e. V., des Dachvereins Bildungshaus Carl Ritter e. V.und des Landschaftspflegevereins Bode-Selke-Aue e. V.;Mitglied im Präsidium des Deutschen Verbandes fürLandschaftspflege (DVL). Mitglied im Beirat der MichaelSuccow Stiftung zum Schutz der Natur und im Beiratder Volkshochschule Quedlinburg; Mitglied im Tier-schutzverein Quedlinburg e. V.; Einstieg in die politi-sche Arbeit über Bürgerinitiativen. 1994 bis 2000 Lan-desvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen-An-halt; 1998 bis 2000 Mitglied Parteirat; 2000 bis 2002Mitglied im Bundesvorstand. Seit 1999 Mitglied imKreistag Quedlinburg; Mitglied des Bundestages seit2002; seit Februar 2005 Parlamentarische Geschäfts-führerin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

dass die Aufgabe der Verwertungsgesellschaften sichnicht in der Verwertung eines Wirtschaftsguts erschöpft,sondern zugleich auch den Schutz der Kreativen um-fasst. Die Verwertungsgesellschaften leisten einen wich-tigen kulturellen Beitrag, der mit rein wettbewerbspoli-tischen Ansätzen nicht hinreichend erfasst wird. Daraufhat zu Recht auch der Rechtsausschuss des EuropäischenParlaments hingewiesen und die Kommission aufgefor-dert, eine überarbeitete Lösung vorzulegen, die diesekulturellen Aspekte der kollektiven Rechtewahrnehmungstärker berücksichtigt.

Das Bekenntnis zu einem angemessenen Wettbe-werb unter den Verwertungsgesellschaften bedeutet,dass die Verwertungsgesellschaften durch Leistung undInnovation in der Zukunft überzeugen müssen und ihre

Undine Kurth. Foto: dpa

Vervielfältigung als „Schwerstarbeit“: Die eiserne Handpresse zum Buchdruck. Foto: Stefanie Ernst

Page 28: politik & kultur puk-Dossier...puk-Dossier Mit dem vorliegenden puk-Dossier „Verwertungsgesell-schaften“ sollen einige aktuelle Debatten zu Verwertungs-gesellschaften aufgegriffen

Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 28

Rechte der Autoren gegen Global Player durchsetzenInterview mit Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA

politik und kultur (puk): Herr Dr. Heker, in den ver-gangenen Monaten war viel von der „Neuausrichtungder GEMA“ zu hören. Was ist darunter zu verstehen?Harald Heker: Ich spreche lieber von „mittelfristigerUnternehmensplanung“. Wir haben im vergangenenJahr begonnen, Pläne für notwendige Weichenstellun-gen bis ins Jahr 2009 zu definieren, um auf künftigeMarktentwicklungen reagieren zu können. Dies hat na-türlich auch damit zu tun, dass die Europäische Kom-mission bereits im Jahr 2005 angefangen hat, den Wett-bewerb zwischen den Verwertungsgesellschaften zu for-cieren, wenn nicht sogar zu erzwingen. Sie kennen si-cher die Empfehlung der Generaldirektion Binnenmarktvom 18. Oktober 2005, in der die Verwertungsgesell-schaften in sehr nachdrücklicher Art und Weise aufge-fordert wurden, im Online-Bereich den Wettbewerb umRechteinhaber zu führen. Anfang 2006 wurde – diesmalvon der Generaldirektion Wettbewerb – ein kartellrecht-liches Verfahren gegen die europäischen Verwertungsge-sellschaften eingeleitet, die sich mit der Verwertung vonMusikrechten beschäftigen. Dies hat zum Ziel, Wettbe-werb zu erzwingen, aber weniger um die Rechteinhaberals vielmehr um die Nutzer. Das ist natürlich für die Ver-wertungsgesellschaften fatal, weil Wettbewerb um Kun-den im Endeffekt bedeutet, dass diejenige Verwertungs-gesellschaft in Europa das Geschäft macht, welche dieRechte am billigsten anbietet. Um diesen so genanntenDown-Stream der Erlöse zu verhindern, führen wir diesesKartellverfahren mit all uns zur Verfügung stehenden Mit-teln. Wir sind uns hier auch mit fast allen Schwesterge-sellschaften in Europa einig. Das Verfahren wirdhoffentlich Ende dieses Jahres abgeschlossen sein.

puk: Dennoch werden die politischen Vorgaben der EUin Richtung mehr Wettbewerb nicht völlig zurückgenom-men werden. Wie reagieren Sie darauf?Heker: Wenn es zukünftig Wettbewerb zwischen denVerwertungsgesellschaften geben wird – und zwarhauptsächlich um die Rechteinhaber – dann muss sicheine Verwertungsgesellschaft wie die GEMA darauf ein-stellen. Einige der großen Major Publisher – z.B. EMI –haben schon vor gut einem Jahr ihre Online-Rechte beiden einzelnen Verwertungsgesellschaften in Europa ge-kündigt, um sich zukünftig eine Verwertungsgesellschaftauszusuchen, die deren Online-Rechte europaweit ex-klusiv vermarktet. In Fall EMI hat die GEMA – gemein-sam mit ihrer englischen Schwestergesellschaft MCPS/PRS – die Ausschreibung des Rechtepakets gewonnen.Wir haben dafür eine eigene Firma namens CELAS ge-gründet und nehmen so zum ersten Mal in der Geschich-te der Verwertungsgesellschaften eine europaweite Li-zenzierung von Online-Rechten vor.

puk: Untergraben solche Ausschreibungen, die ja nureiner gewinnen kann, nicht das europäische Solidarsys-tem der Verwertungsgesellschaften?Heker: Diese Gefahr besteht, das muss man an der Stelleklar sagen. Wir können ihr jedoch begegnen, wenn wirgroße und kleine neue Formen der Kooperationen verein-baren, die darauf gerichtet sind, im administrativen Be-reich, dem so genannten Back-Office, Synergien zu schaf-fen, damit sich beide noch stärker ihren kulturellen Auf-gaben widmen können. Dies setzt jedoch einen Bewusst-seins- und Sinneswandel in der großen Familie der euro-päischen Verwertungsgesellschaften voraus.

puk: Hier findet also eine Verschiebung vom Kulturgutzum Wirtschaftsgut statt!

Dr. Harald Heker,Vorstandsvorsitzender der GEMA

geb. 1958; Studium der Rechtswissenschaften inMünchen; Promotion in Freiburg/Br., 1988-1990Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Instituts fürUrheber- und Medienrecht in München, 1990-2000Justiziar des Börsenvereins und Mitgeschäftsführerder Ausstellungs- und Messe GmbH des Börsenver-eins; 2001–2005 Hauptgeschäftsführer des Börsen-vereins des Deutschen Buchhandels und seit 2003Sprecher der Geschäftsführung der Börsenverein Be-teiligungsgesellschaft mbH, in welcher der Börsen-verein seine wirtschaftlichen Aktivitäten, z.B. die Ver-anstaltung der Frankfurter Buchmesse, bündelt; seit2006 Mitglied des Vorstands der GEMA.

Harald Heker. Foto: Anne Hoffmann

Fortsetzung von Seite 27

Die kollektive Rechtewahrneh-mung hat Zukunft

Existenzberechtigung nicht allein aus ihrer Vergangen-heit ableiten können. Das ist durchaus richtig. Der Wett-bewerb darf aber nicht zu einem kurzen Strohfeuer wer-den, an dessen Ende nur wenige Verwertungsgesell-schaften als Folge einer starken Marktkonzentrationübrig bleiben. Mit einer scheinbaren Marktöffnung, diezur Entstehung oligopolistischer Strukturen führt, wärenichts gewonnen. Wir müssen deshalb sicherstellen, dassder Wettbewerb auch den kleineren Verwertungsgesell-schaften ihren Platz lässt, denn die kleinen und natio-nalen Verwertungsgesellschaften spielen eine wichtigeRolle bei der Förderung neuer Rechteinhaber und fürdie kulturelle Vielfalt. Der Wettbewerb unter den Ver-wertungsgesellschaften darf schließlich keinesfalls einWettbewerb um die Nutzer sein, denn das wäre zwangs-läufig ein Rennen um die niedrigsten Tarife zu Lastender Rechteinhaber. Das währe verheerend. Es kann alsonur einen Wettbewerb um die Rechteinhaber geben. Einsolcher Wettbewerb wird die Verwertungsgesellschaf-ten dazu zwingen, ihre internen Strukturen und ihreKostenstruktur weiter zu verbessern. Auch das nützt amEnde allen Beteiligten. Allerdings sind auch in Bezugauf den Wettbewerb um Rechteinhaber viele wichtigeFragen noch ungelöst. Zum Schutz vor allem schwäche-rer Rechteinhaber hat sich der Grundsatz des Wahrneh-mungszwangs bewährt. Ein solcher Zwang würde zueinem Wettbewerbsmodell nicht recht passen. Gibt manden Verwertungsgesellschaften aber das Recht, be-stimmte Rechteinhaber abzulehnen, so würde das demAuftrag der Verwertungsgesellschaften, kulturelle Viel-falt zu fördern, widersprechen.

Eine wichtige Aufgabe, die auch die Kommissionerkannt hat, ist die Schaffung einer internationalenLizenz, die eine grenzüberschreitende Auswertung er-möglicht. Heute können die VerwertungsgesellschaftenRechte nur für ihr Heimatland vergeben. Das ist im Zeit-alter des Internet nicht mehr zeitgemäß und ein Hemm-nis für die Entwicklungen neuer Geschäftsmodelle imdigitalen Umfeld. Das „Santiago-Abkommen“ hatte hiermit einem System des one-stop-shop zunächst Abhilfegeschaffen. Die Lizenznehmer konnten die gewünsch-

ten europaweiten Lizenzen aus einer Hand von einerVerwertungsgesellschaft erwerben. Da das Abkommenwegen wettbewerbsrechtlicher Bedenken der Kommis-sion im Jahr 2004 nicht verlängert worden ist, bestehtnun Handlungsbedarf.

Ein zentrales Element des bestehenden Systems derkollektiven Rechtewahrnehmung ist die Lizenzierung desgesamten Weltrepertoires auf der Grundlage vonGegenseitigkeitsverträgen. Dieses System hat sich be-währt und darf in seinem Kern nicht aufgegeben wer-den. Die Kommissionsempfehlung weist hier in die fal-sche Richtung. Eine genrespezifische Spezialisierungund der Aufbau eines Hausrepertoires durch die Ver-wertungsgesellschaften erscheint keine Alternativezum bewährten System zu sein. Die Förderung desWettbewerbs unter den Verwertungsgesellschaftensollte nicht zu Lasten der Gegenseitigkeitsverträgegehen. Eine Konstruktion zu schaffen, in der mehrWettbewerb und Gegenseitigkeitsverträge gleicher-maßen ihren Platz haben, ist vielleicht die schwierigs-te Aufgabe bei der Harmonisierung des Rechts der Ver-wertungsgesellschaften.

Auch bei der privaten Vervielfältigung werdendie Verwertungsgesellschaften weiterhin eine tragendeRolle zur Sicherung der angemessen Vergütung der Rech-teinhaber spielen. Der Gesetzgeber hat das Vergütungs-recht mit dem „Zweiten Korb“ umfassend geändert undim Sinne kommunizierender Röhren werden die Pau-schalabgaben in vielen Bereichen sukzessive durch

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,MdB (FDP)

geb. 1951; verheiratet. 1970 Abitur in Minden. Stu-dium der Rechtswissenschaften in Göttingen und Bie-lefeld, erstes Staatsexamen 1975, zweites Staatsex-amen 1978. 1979 bis Ende 1990 Tätigkeit beim Deut-schen Patentamt in München; seit 1989 LeitendeRegierungsdirektorin als Abteilungsleiterin für Per-sonal, Haushalt, Fortbildung, Beschaffung. Seit 1997Rechtsanwältin in München.Ehrenamtliche Richterin am Arbeitsgericht München;Beisitzer am Bundesdisziplinargericht. Vorstandsmit-glied der Theodor-Heuss-Stiftung und des Vereins„Gegen Vergessen - Für Demokratie e. V.“; Mitglieddes Deutschen Juristinnenbundes, des Kinderschutz-bundes, der Gesellschaft für gewerblichen Rechts-schutz, der Stiftung ProJUSTITIA, des Stiftungsratesder Sebastian-Cobler-Stiftung und des Tierschutzver-eins Starnberg. Ausgezeichnet mit der Hamm-Brü-cher-Medaille, dem Paul-Klinger-Preis und Frau desJahres 1997 von Mona Lisa.Seit 1978 Mitglied der FDP, Mitglied des Bundesfach-ausschusses Innen und Recht; seit 1997 Mitglied desFDP-Bundespräsidiums; seit Dezember 2000 Vorsit-zende der FDP Bayern. Seit März 2002 Kreisrätin inStarnberg.Mitglied des Bundestages seit 1990; 18. Mai 1992bis 17. Januar 1996 Bundesministerin der Justiz; seit2002 stellvertretende Vorsitzende der FDP-Frakti-on.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.Foto: Deutscher Bundestag/Foto- und Bildstelle

Modelle der individuellen Lizenzierung ersetzt werdenkönnen. Die Pauschalabgabe wird trotz des verstärktenEinsatzes von Digital-Rights-Management (DRM) aufabsehbare Zeit jedoch nicht vollständig verschwinden.Allein die vielen Millionen CDs in den privaten Haus-halten stehen noch für Jahrzehnte als Vorlagen für Pri-vatkopien zur Verfügung, bei denen eine Vergütung durchDRM nicht möglich ist. Das pauschale Vergütungssys-tem und die individuelle Lizenzierung werden also ne-beneinander existieren. Und die Verwertungsgesellschaf-ten müssen deshalb diesen Bereich der kollektiven Rech-tewahrnehmung auch weiterhin abdecken und als Teilihrer Kernaufgaben begreifen. In Bezug auf die Entwick-lung und Durchsetzung von DRM eröffnen sichschließlich auch für die Verwertungsgesellschaften neueTätigkeitsfelder, indem sie beispielsweise für ihre Mit-glieder neuartige Lizenzmodelle schaffen, die auch klei-neren Rechteinhabern den direkten Zugang zu den neu-en Lizenzierungstechnologien eröffnen.

Der Gesetzgeber hat die faktische Monopolsitu-ation der Verwertungsgesellschaften in Bezug auf dievon ihnen wahrgenommenen Rechte ausdrücklich aner-kannt. Dieses Monopol ist die natürliche Konsequenz ausdem Charakter des Urheberrechts als Ausschließlichkeits-recht. Den Verwertungsgesellschaften erwächst aus ihrerStellung aber eine besondere Verpflichtung, und der Ge-setzgeber hat die Verwertungsgesellschaften außerdemunter staatliche Aufsicht gestellt. Die Mischung aus in-terner Kontrolle der Verwertungsgesellschaften durch ihre

Mitglieder und die Überwachung durch das DeutschePatent- und Markenamt (DPMA) hat sich im Grundsatzbewährt. Hinsichtlich der in letzter Zeit laut gewordenenKritik, die internen Abläufe einiger Verwertungsgesell-schaften seien nicht durchschaubar, müssen die Verwer-tungsgesellschaften selbst das größte Interesse an einerVerbesserung der Transparenz haben – unabhängig davon,ob die Kritik berechtigt ist. Nur wenn Rechteinhaber undNutzer gleichermaßen davon überzeugt sind, dass die Ver-wertungsgesellschaften ihrer Rolle als Treuhänder gerechtwerden, werden sie als Vermittler zwischen den Beteilig-ten auch in Zukunft anerkannt sein. Im Übrigen muss dasDPMA über die erforderliche Infrastruktur verfügen, diesie für eine wirksame Aufsicht über die Verwertungsge-sellschaften benötigt

Die Verwertungsgesellschaften können ihre Aufga-be als Treuhänder der Kreativen und als Partner für dieMedienwirtschaft auch im 21. Jahrhundert nur erfüllen,wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen.Die Schaffung dieser Rahmenbedingungen auf europä-ischer und auf nationaler Ebene ist Aufgabe der Politik.Die FDP wird auch an dieser Stelle ihren Beitrag zurModernisierung und Stärkung des Urheberrechts in derInformationsgesellschaft leisten.

DIE VERFASSERIN IST STELLVERTRETENDE VORSITZEN-DE SOWIE RECHTSPOLITISCHE SPRECHERIN DER FDP-BUNDESTAGSFRAKTION UND BUNDESJUSTIZMINISTE-RIN A. D.

Heker: Dieser Gefahr müssen wir begegnen. Die Ver-wertungsgesellschaften, die sich ja nicht als reine Wirt-schaftsunternehmen begreifen, sind aufgefordert,attraktive Mechanismen zu entwickeln, um die kleine-ren Verwertungsgesellschaften ins Boot zu holen. Wirspüren die Verantwortung als große Verwertungsgesell-schaft, insbesondere unter kulturpolitischem Gesichts-punkt, und stehen mit einigen kleineren Gesellschaftenbereits im Dialog. Wir wollen Kooperationen schließenzwischen kleinen und großen Verwertungsgesellschaf-ten. Beispielsweise sind wir mit den Österreichern ineinem sehr engen Dialog und beraten, was wir gemein-sam tun können, um das gesamte deutschsprachige undsomit auch das alpenländische Repertoire zu stärken.

puk: Das klingt alles nach marktwirtschaftlicher Berei-nigung und uneingeschränktem Wettbewerb. Aber Mu-sik ist doch auch ein Kulturgut?Heker: Sie können das Argument des uneingeschränk-ten Wettbewerbs nur mit der kulturpolitischen Aufgabeder Verwertungsgesellschaften relativieren. Diese kul-turpolitische Aufgabe, die ja fast jede Verwertungsge-sellschaft in Europa wahrnimmt, sehr viel deutlicher insBewusstsein zu rücken, ist eine der Kernaufgaben, diejede Verwertungsgesellschaft im Moment leisten muss.Die GEMA unterhält seit vielen Jahrzehnten ein Sozial-werk, in dem bedürftige Komponisten, Textdichter undVerlagsmitarbeiter unterstützt werden. Hier übernehmenwir sozusagen eine staatsentlastende Funktion. Es gibtaußerdem seit vielen Jahren die GEMA-Stiftung und dieFranz-Grothe-Stiftung, um kulturpolitische Initiativenanzustoßen und zu begleiten. Und wir haben natürlichgerade durch den Verteilungsplan der GEMA eine Solid-argemeinschaft par excellence. Schon allein deshalb ge-lingt es uns in Deutschland, die wohl reichhaltigste Mu-siklandschaft in Europa, wenn nicht sogar weltweit, auf-recht zuhalten. Diese Funktion der GEMA in Zukunft nochviel stärker deutlich zu machen, ist das Gebot der Stunde.Wir haben in der Diskussion um den 2. Korb der Urheber-rechtsnovelle gemerkt, wie schwierig es war, unsere Po-sition gegenüber Industrieinteressen deutlich zu machen.So etwas darf keinesfalls noch einmal passieren,insbesondere nicht auf europäischer Ebene.

puk: Haben Sie nicht Sorge, dass die zunehmende Be-deutung der individuellen Rechteverwaltung im Inter-net die Position der GEMA schwächen könnte?Heker: Dies sehe ich gar nicht. Im Gegenteil. Die bishe-rige Entwicklung der Musik im Internet hat doch ge-zeigt, dass entgegen aller Erwartungen die individu-elle Rechteverwaltung nicht leichter, sondern schwe-rer geworden ist. Der freie Zugriff ist nicht Ausnah-me, sondern Regel. Die jüngsten Entwicklungen imsog. 2.0-Bereich sind dafür doch wieder einmal derbeste Beweis. Wer, wenn nicht starke Verwertungs-gesellschaften wie die GEMA, wäre besser in der Lage,die Rechte der Autoren gegen diese neuen Global-Player im Musikgeschäft zu verteidigen und durch-zusetzen. Die GEMA hat dies bereits mit ihren erfolg-reichen gerichtlichen Schritten gegenüber solchenunter Beweis gestellt, die die Rechte der Autoren fürvogelfrei halten. Der einzelne Autor steht wie amAnfang der Geschichte der Verwertungsgesellschaf-ten hier auf verlorenem Posten. Damit wird überdeut-lich, dass die Bedeutung der GEMA sowohl bei derLizenzerteilung, bei der Ermittlung der Nutzungensowie bei der Verteilung von Vergütungen nicht ab-sondern zunehmen wird.

puk: Neben den politischen Schauplätzen müssen Sieauch die ausgewogene Behandlung ihrer Mitglieder imAuge behalten. Wie erklärt sich die unterschiedlicheBehandlung von E- Musik und U-Musik im GEMA-Ver-teilungsplan, die immer wieder für Unmut sorgt?Heker: Hier wird ein Problem heraufbeschworen, dases so in der GEMA-Praxis nicht gibt. Denn es werden fürdie Verteilung von E- und U-Musik getrennte Töpfe gebil-det, die sich aus unterschiedlichen Einnahmen speisen,nämlich aus E- und U-Veranstaltungen. Dies ist sachlichbegründet, weil sich E- und U-Veranstaltungen vom Ty-pus her unterscheiden, und vor allem, weil auch die ge-nutzten Repertoires unterschiedlich sind. Von Ungleich-behandlung kann hier also gar nicht die Rede sein. DieGEMA ist seit ihrem Bestehen geprägt vom harmonischenNebeneinander von E- und U-Komponisten. Ich werdealles daran setzen, damit dies auch so bleibt. Im Dienste,wie ich es Eingangs bereits gesagt habe, eines vielfälti-gen Musiklebens in Deutschland.

DAS INTERVIEW FÜHRTE ACHIM VON MICHEL

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Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 29

„Wir blicken besorgt nach Brüssel“Interview mit Tilo Gerlach und Peter Zombik, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL)

politik und kultur (puk): Was unterscheidet die GVLvon anderen Verwertungsgesellschaften wie der GEMA?Tilo Gerlach: Der zentrale Unterschied ist die konkreteLeistung, die geschützt beziehungsweise verwertet wird.Die ausübenden Künstler haben neben den UrhebernLeistungsschutzrechte an ihrer konkreten künstlerischenInterpretation als Sänger, Schauspieler, Instrumentalistoder Tänzer. Sie interpretieren in der Regel ein urheber-rechtlich geschütztes Werk, wobei der Werkschöpfer zumBeispiel durch die GEMA oder die VG WORT vertretenwird. Das Musik- oder Sprachwerk kann – anders alsein Werk der Bildenden Kunst – nicht direkt erlebt wer-den, es bedarf vielmehr der Vermittlung durch den Künst-ler. Insofern befinden sich die ausübenden Künstler, diewir in der GVL vertreten, in einer Art Zwischenposition:Sie sind einerseits Kreative und verdienen für ihre künst-lerische Leistung einen Schutz. Andererseits sind sie auchWerkmittler und daher mit einem Leistungsschutzrechtbedacht. Insgesamt hat die GVL rund 115.000 Künstlerunter ihren Mitgliedern. Auch die Musikindustrie, ge-nau gesagt die Tonträgerhersteller, sind Vermittler vonWerken und besitzen dieses Recht, da sie die techni-schen, finanziellen und wirtschaftlichen Voraussetzun-gen schaffen, um Aufnahmen in den Markt zu bringen.Der GVL gehören knapp 6.500 Tonträgerhersteller an.

puk: Sind auch Ihre Mitglieder von der Urheberrechts-novelle betroffen?Peter Zombik: Wir sind natürlich im gleichen Maße wiedie Urheber von den Regelungen zur Privatkopie betrof-fen, denn auch unsere Wahrnehmungsberechtigten par-tizipieren an der Vergütung für private Vervielfältigun-gen. Ich denke, wir müssen uns im Wesentlichen den Kom-mentaren unserer Kollegen anschließen: „Das Schlimms-te wurde verhindert!“ Wir sind aber keineswegs zufrie-den mit der gesetzlichen Behandlung der privaten Ver-vielfältigung, und die Tragfähigkeit der neuen Regelun-gen wird sich erst noch erweisen müssen. Wir haben er-hebliche Sorgen, dass die neue Vergütungsregelung denWert nicht abbilden kann, der durch die Nutzung vonUrheber- und Leistungsschutzrechten entsteht. Unabhän-gig davon haben wir aus der Sicht einer Verwertungsge-sellschaft im Hinblick auf einen möglichen 3. Korb derUrheberrechtsnovelle eine ganze Reihe von Wünschen:zum Beispiel das Thema Hinterlegungspflicht.

puk: Worum geht es dabei?Zombik: Die Hinterlegungspflicht ist für uns ein wirt-schaftlich außerordentlich wichtiges Thema. Verwer-tungsgesellschaften stellen Tarife auf, die, wenn sie sichdurchgesetzt haben, bindend sind. Wenn es aber Streitüber diese Tarife gibt, so gelten für Urheber und Leis-tungsschutzberechtigte unterschiedliche Regelungen. Sokann die GEMA die Zahlung des Tarifes aufgrund ge-setzlicher Ansprüche durchsetzen, denn die Nutzungs-rechte sind laut Gesetz erst dann ordnungsgemäß er-worben, wenn der Tarif auch wirklich gezahlt wurde. DieGegenseite kann zwar erwirken, dass nur der von ihrals angemessen empfundene Teil tatsächlich an die Be-rechtigten ausgezahlt wird, während die Differenz zumTarif bei Gericht oder einer gemeinsam eingerichtetenInstitution hinterlegt wird. Über die endgültige Vergü-tungshöhe entscheidet dann die Schiedsstelle des Deut-schen Patent- und Markenamts (DPMA), gegebenenfallsdie zuständigen Gerichte. Bei den Leistungsschutzrech-ten gibt es für die dort bestehenden Vergütungsansprü-che, die die GVL wahrnimmt, eine derartige Hinterle-gungspflicht hingegen nicht. Kommt es zu einem Tarif-streit, drohen den Inhabern von Leistungsschutzrech-ten erhebliche Zahlungsausfälle. Besonders problema-tisch sind dabei Insolvenzen während eines Tarifkonf-liktes, weil dann Zahlungsausfälle wegen der fehlen-den Hinterlegungspflicht uneinbringbar werden können.Außerdem sind wir als GVL in einer schlechteren Ver-handlungsposition: Nutzer können uns prinzipiell beiVerhandlungen unter Druck setzen, indem sie uns ein-fach Kompromisse abringen, damit wir unseren Wahr-nehmungsberechtigten zumindest einen Teil der Vergü-tung zukommen lassen können. Mit einer Hinterlegungs-pflicht könnten wir solche Auseinandersetzungen wirt-schaftlich besser durchstehen und müssten keine „fau-len“ Kompromisse eingehen.

puk: Fordern Sie eine grundsätzliche Stärkung der Leis-tungsschutzrechte?Gerlach: In der Tat lautet eine weitere Kernforderung,die wir in den vergangenen Monaten auch mit unserenWahrnehmungsberechtigten diskutiert haben, die Ver-längerung der Schutzfrist. Wir haben heute eine Schutz-frist von 50 Jahren nach Veröffentlichung der Aufnah-me, während Komponisten und Textdichter eine Schutz-frist von 70 Jahren post mortem haben. Diese zeitlicheDiskrepanz zwischen den Schutzfristen halten wir fürüberholt, denn im Musikbereich ist es in der Regel derausübende Künstler, der mit einem bestimmten Lied inVerbindung gebracht wird. Das soll die Leistung desUrhebers in keiner Weise schmälern – dennoch wirddeutlich, dass die Leistung des Künstlers, der mit einembestimmten Werk in Verbindung steht, kaum weniger

bedeutsam ist. Die Länge der Schutzfristen ist allerdingsdurch eine EU-Direktive geregelt und kann auch nurdurch eine Novellierung dieser EU-Direktive verändertwerden, so dass sich unsere Forderung nicht direkt anden Gesetzgeber des 3. Korbes richten kann.

puk: Welche Herausforderungen birgt die digitale Weltfür die GVL?Zombik: Ich denke, es gibt zwei wichtige Entwicklun-gen, denen wir Rechnung tragen müssen. Zum einenwerden Nutzungsvorgänge zunehmend grenzüberschrei-tend stattfinden. Verwertungsgesellschaften, die tradi-tionell auf ihr Ursprungsland konzentriert waren, wer-den zunehmend mit Nutzern konfrontiert, die multiter-ritorial agieren und darum auch multiterritoriale Nut-zungslizenzen aus einer Hand bekommen wollen. Mas-siv passiert dies bereits jetzt im Bereich des Web-Cas-ting. Hier haben wir bereits entsprechende Instrumen-tarien mit unseren internationalen Schwestergesell-schaften geschaffen, die uns in die Lage versetzen, mul-titerritorialen Lizenzen zu vergeben. Eine der wesentli-chen Voraussetzungen ist dabei jedoch, dass keineAbwärts-Spirale der Vergütungshöhen entsteht. Es gibtkonstituierte Märkte in Europa, in denen es schon überviele Jahre hinweg funktionierende Vertrags- und Tarif-systeme gibt, die nicht in eine solche Abwärtsspiralegedrängt werden dürfen.Gerlach: Der zweite Bereich betrifft die Individualisie-rung der Rechtewahrnehmung. Traditionell funktionie-ren Verwertungsgesellschaften so, dass sie ein umfas-sendes Rechtepaket erwerben und dieses dann wiederkomplett ausgeben – die Rechte, die Wahrnehmungs-berechtigte an eine Verwertungsgesellschaft übergeben,sind dabei alle identisch. Dadurch kann die GVL dieWeltrechte vertreten. Dies wird in Zukunft so nicht wei-ter funktionieren, wir werden flexibler auf die Wünscheeinzelner Gruppen von Wahrnehmungsberechtigten ein-gehen müssen.

puk: Können Sie ein Beispiel nennen?Gerlach: Nehmen Sie nur den Bereich des Web-Cas-ting: Die großen Hersteller, die über eine eigene Lizenz-abteilung verfügen, die sind durchaus in der Lage, mitkleineren Nutzern individuelle Verträge zu schließen. Siemöchten sich die Möglichkeit, ihr Repertoire selbst kon-trollieren zu können, nicht aus der Hand nehmen las-sen. Je kleiner aber ein Hersteller ist, desto weniger ver-fügt er über solche Strukturen. Hier sind Verwertungs-gesellschaften gefordert, auf unterschiedliche Befind-lichkeiten zu reagieren und entsprechende Dienstleis-tungen anzubieten.

Dies führt aber auch zu einem grundsätzlichen Kon-flikt, der innerhalb jeder Verwertungsgesellschaft gelöstwerden muss: Die Frage ist, wie viel individuelle Ver-

Peter Zombik, Geschäftsführer der GVL

Studium der Volkswirtschaft und Soziologie an derUniversität Göttingen; 1977 bis 1982 Assistent desGeschäftsführers des Bundesverband der Phonogra-phischen Wirtschaft; von 1982 bis 2007 Geschäfts-führer des Bundesverband der PhonographischenWirtschaft; seit 1998 Gesamtgeschäftsführung desBundesverbands der Phonographischen Wirtschaftund der Deutschen Landesgruppe der IFPI; seit 1998Mitglied der Geschäftsführung der GVL; seit 2007Geschäftsführer der GVL.

Dr. Tilo Gerlach, Geschäftsführer der GVL

Studium der Rechtswissenschaft in Berlin und Frei-burg; von 1993 bis 1994 Referendar in Berlin undWashington sowie wissenschaftlicher Mitarbeit amInstitut für Wirtschaftsrecht der Humboldt-Universi-tät zu Berlin; seit 1996 Rechtsanwalt, 1996 bis 2001Justiziar der GVL; seit 2001 Geschäftsführer der GVL.

Peter Zombik. Foto: IFPITilo Gerlach. Foto: privat

wertung eine Verwertungsgesellschaft anbieten kann,ohne Gefahr zu laufen, dass auch in Kernbereichen dasSystem der weltweiten Lizenzvergabe aus einer Handaufgebrochen wird. Hier wünschen wir uns auch gesetz-liche Rahmenbedingungen.

puk: Entstehen hier nicht auch zusätzliche Verwaltungs-kosten, die ohnehin schon als zu hoch kritisiert werden?Zombik: Tatsächlich müssen wir auf unsere Kostensitu-ation besonders achten. Zurzeit sind wir sind die preis-werteste europäische Leistungsschutzgesellschaft miteinem Gesamtkostensatz von 8,11 Prozent im vergan-genen Jahr. Unser Ehrgeiz muss es auch weiterhin sein,einen möglichst hohen Anteil der Vergütungen an dieWahrnehmungsberechtigten auszuschütten. Jede Indi-vidualisierung sorgt natürlich dafür, dass zusätzlicheKosten entstehen. Außerdem dürfte es in einem Um-feld individualisierter Rechtewahrnehmung schwieri-ger werden, angemessene wirtschaftliche Bedingun-

gen zu finden und durchzusetzen. Dabei geht esletztlich auch um die Gewährleistung der kulturellenVielfalt, die eine zentrale Aufgabe von Verwertungs-gesellschaften ist. Solange wir über alle Rechte verfü-gen, können wir Rationalisierungs- und Mengeneffek-te nutzen, um vor allem das Nischenrepertoire zu ver-tretbaren Bedingungen an den Nutzer zu liefern. Wirblicken zurzeit vor allem besorgt nach Brüssel, fordernaber auch den Gesetzgeber in Deutschland mit Nach-druck auf, die kulturelle und soziale Bedeutung derVerwertungsgesellschaften angemessen zu berücksich-tigen.

DAS INTERVIEW FÜHRTE ACHIMVON MICHEL

Zeitungspapierrolle. Foto: Stefanie Ernst

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Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 30

Prof. Dr. Ferdinand Melichar

geb. 1938; Studium in Genf, Salzburg und zuletztMünchen, wo er nach Ableistung des Referendar-dienstes 1967 das zweite juristische Staatsexamenablegte. Seither in München als freiberuflicherRechtsanwalt mit Schwerpunkt Urheberrecht tätig.1975 bis 1979 „Conseiller Technique“ des Europa-Rates für Urheberrecht, seit 1976 Mitglied der „Sach-verständigenkommission für Urheberrecht“ beimBundesjustizministerium (Bonn). Seit 1984 geschäfts-führendes Vorstandsmitglied der VERWERTUNGSGE-SELLSCHAFT WORT. Von 1987 bis 1993 Chairman derInternational Federation of Reproduction Rights Or-ganisations (IFRRO); seit 1993 Chairman der Euro-pean Group von IFRRO.

Ferdinand Melichar. Foto: Henning Bock

„Eine Polarisierung ist Unsinn“Interview mit Ferdinand Melichar, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG WORT

politik und kultur (puk): Wie sieht die Zukunft derRechteverwertung in Deutschland aus?Ferdinand Melichar: Wenn ich mir die großen Linienansehe, so bin ich überzeugt davon, dass die Verwer-tungsgesellschaften teilweise wegkommen werden vondem, was man gemeinhin als „kollektive Verwaltung“bezeichnet, die notgedrungen ein bisschen nach demGießkannen-Prinzip arbeitet. Es ist ganz klar, die Ko-piergerätevergütung zum Beispiel muss kollektiv ver-waltet werden, denn kein Mensch kann kontrollieren,was wann wo tatsächlich privat kopiert wird. Das gehtweder im Bereich der Audio- und audiovisuellen Medi-en, noch geht das im Bereich der Printmedien. Das In-ternet bietet hier natürlich eine gewisse Chance. EinePolarisierung aber – entweder Digital Rights Manage-ment (DRM)-Systeme oder kollektive Verwaltung – istUnsinn. Es wird beides nebeneinander geben, wobeiDRM-Systeme zunehmend stärker werden, aberkeineswegs die notwendigen kollektiven Verwaltungs-maßnahmen ablösen können. Ein Phasing-Out der kol-lektiven Verwaltung, das manchmal an die Wand ge-malt wird, halte ich für völlig absurd.

puk: Das Thema DRM ist ja speziell für die VG WORT einschwieriges Feld, denn Textmaterial ist im Zeitalter vonDruckern und Scannern mit solchen Systemen kaum zuschützen.Melichar: DRM-Systeme darf man ja nicht nur als TPM-Systeme (Technical Protection Measures) sehen. Wennbeispielsweise von Subito eine Kopie elektronisch ver-sandt wird, könnten wir genauso eine elektronischeMitteilung bekommen: „Folgender Aufsatz ist elektro-nisch versandt worden […]“ Das heißt, wir werden DRMfür uns nutzbar machen müssen, es geht um die Regis-trierung der effektiven Nutzung. In diesem Zusammen-hang muss man auch in den Vordergrund stellen, war-um Verwertungsgesellschaften besonders dafür geeig-net sind. Zum Beispiel weil wir den Datenschutz garan-tieren können. Wir wären sozusagen das Bollwerk ge-gen den „gläsernen Kunden“. Die Datenschützer unddie Bürger haben ja zu Recht Angst, dass mithilfe vonDRM-Systemen die Nutzungsgewohnheiten von Konsu-menten erforscht werden können. Wenn aber die Ver-wertungsgesellschaften dazwischengeschaltet sind, istder Schutz der persönlichen Daten sichergestellt.

puk: Wenn man 10 Jahre in die Zukunft blickt, wie wirdsich Ihrer Meinung nach das geschätzte Verhältnis vonDRM-Systemen und kollektiver Rechte-Wahrnehmungdarstellen?Melichar: Ich würde denken, möglicherweise 50 zu 50.Derzeit ist das Verhältnis 95 zu 5.

puk: In der politischen Diskussion um die Urheberrechts-novelle (2. Korb) sind – so extrem wie noch nie zuvor –wirtschaftliche Interessen im Vordergrund gestanden.Glauben Sie, dass die Verwertungsgesellschaften lang-fristig nur noch ein Akteur in einem Wirtschaftsgefügesind, oder werden sie weiterhin eine kulturpolitischeAufgabe wahrnehmen?Melichar: Ich persönlich bin der Auffassung, dass dieVerwertungsgesellschaften eben doch etwas anderessind als reine Wirtschaftsbetriebe. Natürlich muss derSchwerpunkt auf dem Wirtschaftsgebiet liegen, dasheißt: Inkasso und Ausschüttung von Geld. Aber wirhaben darüber hinaus einen sehr wichtigen kulturpoli-tischen und einen noch wichtigeren sozialpolitischenAuftrag. Ich glaube, man muss den Menschen wiederins Gedächtnis rufen, dass wir zum Teil staatsentlasten-

Fernsehempfänger von Telefunken aus dem Jahr 1937. Foto: Stefanie Ernst

de Tätigkeiten ausführen. Wenn wir das nicht machenwürden, müsste es der Staat machen. Da ist beispiels-weise der Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT,der Druckkostenzuschüsse für streng wissenschaftlicheArbeiten vergibt, die ohne diesen Zuschuss nicht erschei-nen könnten. Er ist nach der Deutschen Forschungsge-meinschaft (DFG), die vom Steuerzahler finanziert wird,der zweitgrößte Zuschussgeber in Deutschland für sol-che Publikationen. Oder der Sozialfonds, der sich be-dürftiger Autoren und derer Hinterbliebenen annimmt.Diese wären ohne unsere Hilfe zum größten Teil Hartz-IV-Empfänger. Wir sind jedoch, um das auch klarzustel-len, nicht dazu da, den Staat in diesem Punkt aus seinerVerpflichtung zu entlassen. Wir bemühen uns nur, be-dürftigen Autoren und deren Hinterbliebenen einen ge-wissen Lebensstandard zu gewähren, indem wir „Ar-beitslosengeld Plus“ bezahlen.

puk: Kann sich die VG WORT diese Aufgabe vor demHintergrund der jetzt absehbaren Entwicklung in 10 bis20 Jahren noch leisten? War die Krise des Autorenver-sorgungswerks erst der Anfang?Melichar: Tatsächlich haben wir das Autorenversor-gungswerk wegen finanzieller Engpässe leider schlie-ßen müssen – um seinen Konkurs zu vermeiden. Aberwir haben bereits erste Gedankenspiele angestellt, wiewir es wieder öffnen können. Ich bin da sehr optimis-tisch. Und noch einmal: All dies gehört – jedenfalls nachkontinentaleuropäischem Verständnis des Urheberrechts– zum Kernaufgabengebiet der Verwertungsgesellschaf-

ten. Die Anglo-Amerikaner mit ihrem Copyright-Systemsehen dies naturgemäß etwas anders. Deswegen ist eszugleich verständlich und bedauerlich, dass die Vertre-ter der so dominierenden anglo-amerikanischen Pop-musik solche Maßnahmen mit Argwohn verfolgen. ImBereich Wort ist dies allerdings nicht so gefährlich wieim Musikbereich.

puk: Auch die EU-Kommission fördert mit ihrer Idee,Konkurrenz unter den europäischen Verwertungsgesell-schaften zu forcieren, derartige Standpunkte.Melichar: Die von der EU gewollte Konkurrenz ist zumSchaden aller Beteiligten – sie bewirkt genau das Ge-genteil. Dies zeichnet sich jetzt schon ab und die klei-nen Verwertungsgesellschaften der kleinen Länder be-klagen dies bereits lautstark. Die großen musikalischenVerwertungsgesellschaften in Deutschland, Frankreich,Großbritannien, Italien und Spanien werden das Ge-schäft machen, während die kleinen verlieren. Überspitztformuliert wird beispielsweise in Zukunft der österreichi-schen Verwertungsgesellschaft „Autoren –Komponisten– Musikverleger“ (AKM) kaum viel mehr übrig bleiben,als das so genannte Kneipen-Recht zu verwalten, dasheißt von zigtausend österreichischen Kneipen und Ho-tels je ein paar Euro jährlich zu kassieren. Das lukrativeGeschäft – mechanisches Recht, die Sende- und Inter-netrechte für das nicht-österreichische Repertoire –, wirdhingegen woanders gemacht. Das heißt, die Kosten fürdie AKM werden in Relation zum Aufkommen enormsteigen.

Für die Schriftsteller und ihre Verleger bin ich froh,dass es wenigstens etwas Positives aus Brüssel zu be-richten gibt – über die Bibliothekstantieme. Die Recht-sprechung des Europäischen Gerichtshofes besagt, dassdie Richtlinie zum Urheberrecht im Informationszeital-ter zwingend vorgibt, eine Bibliothekstantieme einzu-führen. Man kann nicht, wie es manche Länder versuchthaben, sämtliche öffentliche Bibliotheken von der Ver-gütungspflicht ausnehmen. Hier hat der EuropäischeGerichtshof bereits gegen Belgien, Italien und Spanienentschieden, gegen Portugal läuft das entsprechendeVerfahren noch.

Wir haben in Deutschland einen Vertrag mit Bundund Ländern geschlossen, der uns eine jährliche Pau-schale für alle Ausleihvorgänge durch öffentliche, wis-senschaftliche, kirchliche und alle sonstigen Bibliothe-ken garantiert. Diese Pauschale wird alle zwei Jahreausgehandelt auf Grundlage der Ausleihzahlen, ist aberim europäischen Vergleich leider sehr niedrig. Im Mo-

ment streiten wir vor der Schiedsstelle beim DeutschenPatent- und Markenamt um die Höhe dieser Aufsto-ckung. Angeboten sind 4,9 Prozent, wir wollen 16 Pro-zent.

puk: Gibt des denn wieder eine Tendenz zur Bibliothe-kennutzung?Melichar: Ja, und das ist ganz erstaunlich. Ein typischesBeispiel scheint mir Hamburg zu sein. Die Schließungvon Stadtteilbibliotheken hat dort dazu geführt, dassdie Zentralbibliothek, die sehr gut ausgestattet ist, jetztvermehrten Zulauf hat. Insgesamt haben wir im Jahrweit über 300 Millionen Ausleihvorgänge in Deutsch-land allein in öffentlichen Bibliotheken.

puk: Wie würde die Welt aussehen, wenn eine zukünfti-ge Regierung beschließen würde, dass Verwertungsge-sellschaften überflüssig sind?Melichar: Es gibt den berühmten Spruch: Wenn es Ver-wertungsgesellschaften nicht schon gäbe, für die digi-tale Welt müsste man sie neu erfinden. Das gilt heutemehr denn je, denn insbesondere in der digitalen Weltgibt es eine Vielzahl an Nutzungsmöglichkeiten, die frü-her nicht denkbar waren. Vergleichen sie allein das Ko-pieren eines Aufsatzes am Kopiergerät mit den Mög-lichkeiten, die das Internet bietet.

puk: Verwertungsgesellschaften sind also unverzicht-bar?Melichar: Unverzichtbar nicht nur im Interesse der vonuns vertretenen Autoren, Verleger oder sonstigen Erst-verwerter, sondern auch im Interesse der Nutzer. Wiesoll es sonst funktionieren? Man müsste zuerst die Ber-ner Konvention aufheben, um sich ein Leben ohne Ver-wertungsgesellschaften vorzustellen. Dieses völkerrecht-liche Übereinkommen von 1886 ist ja immer noch dasKernstück des internationalen Urheberrechts. Es besagtzum Beispiel, dass es ein ausschließliches Recht deröffentlichen Wiedergabe gibt. Wie soll dieses ohneVerwertungsgesellschaften realisiert werden? Da gäbees nur zwei Möglichkeiten: entweder wir schaffen dieBerner Konvention ab, was bestimmt ausgeschlossenist, da dies nur einstimmig von den etwa 160 Mitglieds-staaten beschlossen werden könnte. Oder in sämtli-chen Kneipen geht zwar nicht das Licht aber die Musikaus.

DAS INTERVIEW FÜHRTE ACHIMVON MICHEL

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Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 31

Offen an die künftigen Herausforderungen herangehenInterview mit Gerhard Pfennig, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG BILD-KUNST

politik und kultur (puk): Geraten die Verwertungsge-sellschaften mit der Verabschiedung des 2. Korbs derUrheberrechtsnovelle nun wieder in ruhigeres Fahrwas-ser?Gerhard Pfennig: Da bin ich mir noch nicht so sicher.Zunächst einmal müssen wir zufrieden sein mit demKompromiss, der in letzter Minute doch noch gefundenwurde. Das Gesetz bleibt zwar weit hinter den früherenVersprechungen der Politik für eine Stärkung der Urhe-ber in Deutschland zurück, andererseits wurden aberauch massive Zugeständnisse an die Industrie wiederzurückgenommen. Ich persönlich habe meine Zweifel,dass die von der Bundesregierung verordnete, konstruk-tive Zusammenarbeit zwischen den Verwertungsgesell-schaften und der Geräteindustrie im Bereich der Vergü-tung für privates Kopieren in der Praxis tatsächlich funk-tioniert. Unsere Verhandlungspartner sind ausschließ-lich kapitalgetrieben und haben sehr wenig Verständ-nis für den kulturellen und sozialen Anspruch des deut-schen und europäischen Vergütungssystems. In der vomGesetzgeber geplanten Übergangsfrist von zwei Jahren,während der das alte Urheberrecht noch seine Gültig-keit behält, rechnen wir jedenfalls kaum mit einem Ab-ebben der Prozessfreudigkeit von Seiten der Industrie –im Gegenteil, wir stellen fest, dass die Hersteller erneutEntscheidungen der Schiedsstelle des Deutschen Patent-und Markenamts (DPMA) in Frage stellen und statt des-sen den Bundesgerichtshof anrufen. Nach dem neuenGesetz soll aber genau diese Schiedsstelle eine zentraleFunktion bei den Verhandlungen einnehmen. Das alleserscheint mir etwas blauäugig, es wäre sicher bessergewesen, der Gesetzgeber hätte die Regulierung selbstin der Hand behalten, anstatt sie einem freien Spiel derKräfte zu überlassen, in dem die Industrievertreter na-turgemäß einen sehr viel längeren Atem haben.

puk: Sie kritisieren ja auch massiv die Neuregelung imUmgang mit bisher unbekannten Nutzungsformen!Pfennig: Ja, aber in diesem Punkt sind wir selbst nichtganz unschuldig. Tatsächlich gab es bisher zwischen denaudio-visuellen Urhebern – das sind Regisseure, Kame-raleute, Cutter und Ausstatter – und den Produzentenin der Regel nur Verträge über schon bekannte Nutzungs-arten. Beim Aufkommen einer neuen Nutzungsart ge-rieten diese beiden Gruppen regelmäßig in erbittertenStreit, der nur durch Gerichtsentscheidungen zu klärenwar. So hat beispielsweise mit dem Bundesgerichtshofschließlich die höchste deutsche Rechtsinstanz entschie-den, dass es sich bei der DVD um keine neue Nutzungs-art handelt, also die bereits abgeschlossenen Verträgeim Videobereich Anwendung finden. Die Neuregelungdes Urheberrechts erkennt nun zwar einen grundsätzli-chen Vergütungsanspruch für bisher unbekannte Nut-zungsarten an, räumt den Urhebern nur noch ein sehrbegrenztes Mitspracherecht bei der Entscheidung ein,in welchen Nutzungsarten ihre Werke vermarktet wer-den. Auch wenn es von der Bundesregierung bestrittenwird, kommt dieses Gesetz doch quasi einer Cessio-Le-gis-Regelung, also einem kompletten Buy-Out aller Rech-te gleich. Das kann keinesfalls im Sinne der Urheber sein,schwächt die gesamte audio-visuelle Rechteverwertungempfindlich und stellt die Rechteinhaber hier wesent-lich schlechter, als dies in anderen Schaffensbereichender Fall ist. Aus diesem Debakel müssen wir für die Zu-kunft lernen.

puk: Sehen Sie denn eine Alternative zum scheinbar un-auflösbaren Interessenkonflikt zwischen Urhebern undProduzenten?Pfennig: Ja, die sehe ich tatsächlich. Die Realität imaudio-visuellen Markt sieht doch so aus: 80 Prozent derProduzenten arbeiten für die großen Rundfunkanstal-ten. Hier wird in der Regel nur über Komplettpaketeverhandelt, denn die großen Player möchten sich natür-lich alle Wege bei der Vermarktung einer Produktionoffen halten. Dieser Druck, dem eine kleine Produkti-onsfirma kaum etwas entgegen zu setzen hat, wird na-türlich an den Urheber weitergegeben. Ich plädiere dafür,dass sich die Produzenten aus dieser undankbaren Mitt-ler-Rolle lösen und stattdessen gemeinsam mit den Ur-hebern ihre Kräfte bündeln. Nur so erlangen sie eineVerhandlungsposition, die es ermöglicht, den großenAuftraggebern substantiell etwas entgegen zu setzenund angemessene Vergütungen auszuhandeln. Wie der-artige Modelle aussehen könnten, diskutieren wir zurzeitmit unseren Mitgliedern. Ich könnte mir vorstellen, dassin Zukunft Urheber und Produzenten gemeinsam be-schließen, was ein Werk tatsächlich wert ist, und miteiner entsprechenden Forderung auf den Nutzer zuge-hen. Die neuen Technologien können dabei sehr hilfreichsein, denn man kann beispielsweise im Internet schonsehr genau feststellen, wie häufig ein Film tatsächlichgenutzt wurde. Hier ergeben sich auch neue Felder fürVerwertungsgesellschaften, die solche Daten erhebenund zur Verfügung stellen könnten. Anders als ein kom-merzieller Anbieter wären sie nicht dem Angriff vonDatenschützern ausgesetzt, einen „gläsernen Konsu-menten“ zu erschaffen. Wir setzen uns darüber hinausfür die Einrichtung einer gemeinsamen Datenbank zur

Registrierung, aber auch zur laufenden Dokumentationder Werknutzung ein.

puk: Es geht also verstärkt darum, mit einer Stimme zusprechen?Pfennig: Ja genau das ist unser mittelfristiges Ziel. Beiden audio-visuellen Medien hat sich historisch ein ganzanderes Vergütungssystem entwickelt, als beispielsweiseim Musikbereich mit der quasi umfassenden Betreuungdurch die GEMA. Die Zersplitterung der Rechtewahr-nehmung im audio-visuellen Bereich ist in ihrer Struk-tur von den Interessengegensätzen zwischen Produ-zenten und Urhebern geprägt. So kooperieren die un-terschiedlichen Verwertungsgesellschaften audiovisu-eller Urheber, Produzenten und ausübender Künstleruntereinander bisher nur ansatzweise bei der Wahr-nehmung gesetzlicher Vergütungsansprüche. Es gibtauch keine gemeinsame Position zwischen Urhebernund Produzenten im Hinblick auf die Versuche der EU-Kommission, in ihrem Herrschaftsbereich Lizenzstruk-turen zu schaffen bzw. zu vereinheitlichen, wie diesbereits im Bereich der Online-Musiknutzung versuchtwurde. Auch in den Bereichen der Rechtskontrolle undPiraterieverfolgung fehlt bisher ein einheitliches Kon-zept. Dieses System ist in seiner gegenwärtigen Formnicht zukunftsfest, wie die Schwierigkeiten bei den Li-zenzstrukturen selbst im traditionellen Bereich – etwabei den höchst unterschiedlichen Positionen zur Ein-beziehung neuer Formen der Kabelweiterleitung – ein-drucksvoll belegen.

puk: In welchen Themenbereichen sehen Sie die VGBILD-KUNST außerdem verstärkt gefordert?Pfennig: Bisher unberührt von einer gesetzlichen Neu-regelung ist der gesamte Bereich des Weitersenderechts,also die urheberrechtspflichtige Vergütung bei der Wei-terverbreitung von audio-visuellen Inhalten über alter-native Wege. Das war kein Problem, so lange lediglichdas Kabelnetz als zusätzlicher Verbreitungsweg zurVerfügung stand. Satellitentechnologien, HandyTV-Plattformen und die digitale, terrestrische Ausstrah-lung ermöglichen inzwischen eine Vielzahl neuer Er-lösmodelle, von denen die Betreiber solcher Netze er-heblich profitieren. Von einer Vergütungspflicht sindsie jedoch ausgenommen, weil das alte Weiter-senderecht mit der Einführung des Kabels stehen ge-blieben ist und neuere Entwicklungen schlicht nichtberücksichtigt. Der Bundesrat hat sich deshalb bereitsim Mai für eine „technologieneutrale“ Formulierung

Prof. Dr. Gerhard Pfennig

geb. 1946; ist Rechtsanwalt und geschäftsführendesVorstandsmitglied der VG Bild-Kunst, der deutschenVerwertungsgesellschaft für Bildende Kunst, Fotogra-fie, Grafik-Design und Film.Pfennig ist im Bereich der Entwicklung des Urheber-rechts, insbesondere der Entwicklung der Verwer-tungsgesellschaften für Bildende Kunst, Fotografieund Film international tätig und Mitglied einschlä-giger Fachgremien.Er veröffentlicht regelmäßig zu Themen des Urhe-berrechts, der Kulturförderung und der Kulturpoli-tik und ist Honorarprofessor an der UniversitätMainz.

Gerhard Pfennig. Foto: Franz Fischer

Tastatur des Prototyps der modernen Computer. Foto: Stefanie Ernst

dieser Gesetzespassage ausgesprochen, aber im 2. Korbder Urheberrechtsnovelle war dafür kein Platz mehr. Wirsind sehr zuversichtlich, dass im nächsten Schritt – dem3. Korb – auch dieses heiße Eisen von der Regierungangegangen wird. Gleichwohl dürfen wir darauf nichtwarten, denn den Urhebern entgehen schon jetzt im-mense Einnahmen und wir sind darum bereits dabei,entsprechende Erlösmodelle mit den Marktplayern zuverhandeln.

puk: Ein Großteil der Nutzung urheberrechtlich ge-schützter Werke geschieht im Bildungswesen, an Schu-len und Universitäten. Sehen Sie die Rechte Ihrer Mit-glieder hier entsprechend gewahrt?Pfennig: Grundsätzlich begrüßen wir natürlich die Be-reitstellung von urheberrechtlich geschützten Werkenfür Forschung, Wissenschaft und Ausbildung. An die-ser Stelle wird übrigens besonders gut deutlich, dassdie Verwertungsgesellschaften eben keine reine „Han-delsware“ anbieten, die unter ausschließlich wirt-schaftlichen Gesichtspunkten bestmöglich vermarktetwerden muss. Das Repertoire aller Verwertungsgesell-schaften spiegelt vielmehr den kulturellen und geisti-gen Reichtum unserer Gesellschaft wieder. Trotzdemwünschen wir uns natürlich, dass auch im Bildungsbe-reich angemessene Vergütungen an die Urheber derWerke gezahlt werden, denn ohne sie wäre das Werkja nie entstanden. Hier sind wir leider einer Vielzahlbürokratischer Hindernisse ausgeliefert und laufen Ge-fahr, uns im Gestrüpp des Föderalismus zu verlieren.Einziger Lichtblick ist zurzeit der soeben abgeschlos-sene, bundesweit gültige Rahmenvertrag über die Nut-zung von urheberrechtlich geschützten Werken in In-tranets von Schulen. Aber auch das war ein sehr zäherKampf.

puk: Wird sich das Tätigkeitsfeld der VG BILD-KUNST inZukunft deutlich verändern?Pfennig: Es geht weniger darum, neue Betätigungs-felder für Verwertungsgesellschaften zu schaffen; esist vielmehr unsere gemeinsame Aufgabe, eingefah-rene Positionen zu überdenken und die notwendigenSchritte zu tun, um unter Berücksichtigung vorhan-dener Strukturen offen an die Herausforderungen derGegenwart und der absehbaren Zukunft sowie derEntwicklung neuer Strukturen heranzugehen.

DAS INTERVIEW FÜHRTE ACHIMVON MICHEL

Page 32: politik & kultur puk-Dossier...puk-Dossier Mit dem vorliegenden puk-Dossier „Verwertungsgesell-schaften“ sollen einige aktuelle Debatten zu Verwertungs-gesellschaften aufgegriffen

Verwertungsgesellschaften – Zum Schluss politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 32

Karikatur: Thomas Plaßmann

Impressumpuk-DossierVerwertungsgesellschaftenErscheint als Beilage zur Zeitung politik und kultur,herausgegeben von Olaf Zimmermann undTheo Geißler

Deutscher KulturratChausseestraße 103, 10115 BerlinTel: 030/24 72 80 14, Fax: 030/24 72 12 45www.kulturrat.de, E-Mail: [email protected]

Redaktion:Olaf Zimmermann (verantwortlich),Gabriele Schulz, Andreas Kolb

Redaktionsassistenz:Stefanie Ernst

Verlag:ConBrio Verlagsgesellschaft mbHBrunnstraße 23, 93053 RegensburgInternet: www.conbrio.deE-Mail: [email protected]

Herstellung, Layout:ConBrio Verlagsgesellschaft, Petra Pfaffenheuser

Raubkopierer!Raubkopierer, Raubkopierer,bist am Ende der Verlierer.Ich wünsch dir schöne Diebeszeit.Irgendwann tut es dir leid.

Gieriger Erfindergeist,schwer betriebsblöd, skrupelblind,schuf dir Dinge, cool und dreist,die nicht mehr zu ändern sind:

Hardware, die den Ast absägt,der die Musikanten trägt.Keine neuen Rolling Stones!Nicht einmal mehr Casting-Clones

Wird es wohl in Zukunft geben.Wovon sollen die denn leben?Stimmt. Musik soll eine Lust sein.Doch dir fehlt das Schuldbewußtsein,

Während du putzmunter stiehlstund ins Herz der Sache zielst.Freier Zugriff? Super! Toll!Sag mir, wie das gehen soll.

Jeder Raub kommt vor Gericht,nur für Töne gilt das nicht.Du enteignest Phantasie.

Bleibt nur Lärm und Idiotie.Zahl mal Miete - nur vom Ruhm.Mehr Respekt vorm Eigentum!Daß das nicht mal jemand wundert!War das neunzehnte Jahrhundert

Und die ganze Zeit davorje so gut zum Massen-Ohr?Löhn’ für das, was dich erfreut.Sonst hast du es bald bereut.

Raubkopierer, Raubkopierer -bist am Ende der Verlierer.Jawohl.HEINZ RUDOLF KUNZE

Heinz Rudolf Kunze. Foto: Nicolai Georgiew

Für weitere InformationenGEMAGeneraldirektion in MünchenPostfach 80 07 67; 81607 MünchenTel: 089/480 03-00; Fax: 089/480 03-969E-Mail: [email protected]

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GVLPodbieleskiallee 64; 14195 BerlinTel: 030/484 83-600; Fax 030/484 83-700E-Mail: [email protected]; http://www. gvl.de

VG BILD-KUNSTWeberstraße 61, 53113 BonnTel: 0228/915 34-0, Fax: 0228/915 34-39E-Mail: [email protected], http://www.bildkunst.de

VG WORTGoethestraße 46, 80336 MünchenTel: 089/514 12-0,E-Mail: [email protected], http://www.vgwort.de

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Wichtige Gesetze und Dokumente· Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrech-

te (Urheberrechtsgesetz) (UrhG)· Verordnung über das Register anonymer und pseudony-

mer Werke (Werke RegV)· Gesetz über das Verlagsrecht· Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechte und

verwandten Schutzrechten (Urheberrechtswahrneh-mungsgesetz ((UrhWG)

· Gesamtvertrag über die Abgeltung der Ansprüche nach§ 27 Abs. 2 UrhG (Bibliothekstantieme)

· Vertrag zur Abgeltung urheberrechtlicher Ansprüche fürden Direktversand von Kopien durcj der Öffentlichkeitzugängliche Einrichtungen (Gesamtvertrag „Kopiendi-rektversand“)

· Gesellschaftsvertrag Zentralstelle für private Überspie-lung (ZPÜ)

· Gesellschaftsvertrag Zentralstelle für Videovermietung(ZVV)

· Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation fürgeistiges Eigentum (WIPO)

· WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT)· WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT)· Gesetz zu den WIPO-Verträgen vom 20.12.1996 über Ur-

heberrecht sowie über Darbietungen und Tonträger· Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Litera-

tur und der Kunst (Pariser Fassung) (Revidierte BernerÜbereinkunft, RBÜ)

· Welturheberrechtsabkommen (WUA)· Gesetz zu den am 24. Juli 1971 in Paris unterzeichneten

Übereinkünften auf dem Gebiet des Urheberrechts· Internationales Abkommen über den Schutz der ausü-

benden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und derSendeunternehmen („Rom-Abkommen“, Rom-Abk)

· Gesetz zu dem Internationalen Abkommen vom 26. Ok-tober 1961 über den Schutz der ausübenden Künstler,der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunterneh-men

· Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte derRechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen,TRIPS)

· Übereinkommen zum Schutz der Hersteller gegen dieunerlaubte Vervielfältigung ihrer Tonträger

· Gesetz zu dem Übereinkommen zum Schutz der Herstel-ler gegen die unerlaubte Vervielfältigung ihrer Tonträger

· Richtlinie 93/98/EWG des Rates zur Harmonisierung derSchutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwand-ter Schutzrechte

· Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments unddes Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte desUrheberrechts und der verwandten Schutzrechte in derInformationsgesellschaft

· Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments unddes Rates über das Folgerecht des Urhebers des Origi-nals eines Kunstwerks

· Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäi-sche Parlament und den Europäischen Wirtschafts- undSozialausschuss: Die Wahrnehmung von Urheberrech-ten und verwandten Schutzrechten im Binnenmarkt(KOM(2004) 261 endgültig)

· Empfehlung der Kommission vom 18. Oktober 2005 fürdie länderübergreifende kollektive Wahrnehmung vonUrheberrechten und verwandten Schutzrechten, die fürlegale Online-Musikdienste benötigt werden

· Entschließung des Europäischen Parlaments zu einemGemeinschaftsrahmen für Verwertungsgesellschaftenim Bereich des Urheberrechts und der verwandtenSchutzrechte (2002/2274(INI))