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Wir wollen rein Bundestag �Bewährt Graf von Nayhauß über Politikersprache und schluderige Medien. MEDIEN 53 Erklärt Harold Burson über den US-Wahlkampf und leere Inhalte. PUBLIC AFFAIRS 36 www.politik-kommunikation.de Helios Media GmbH | ISSN 1610-5060 | Ausgabe 06/12 | Oktober 2012 | 7,20 Euro

politik und kommunikation

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politik&kommunikation ist das einzige deutsche Fachmagazin für politische Kommunikation. Es bietet eine professionelle Plattform für die Diskussion aktueller Themen und Trends und berichtet unabhängig und parteiübergreifend über Kampagnen und Köpfe, Techniken und Methoden.

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Wir wollen

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BewährtGraf von Nayhauß über Politikersprache und schluderige Medien. MEDIEN 53

ErklärtHarold Burson über den US-Wahlkampf und leere Inhalte. PUBLIC AFFAIRS 36

www.politik-kommunikation.de Helios Media GmbH | ISSN 1610-5060 | Ausgabe 06/12 | Oktober 2012 | 7,20 Euro

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Inhalt

pol it ik&kommunikat ion | Oktober 2012

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14 Am WerkEin Jahr bis zur Bundestagswahl. p&k wirft einen Blick auf den Stand der Vorbereitungen – und stellt die ersten Kandidaten vor.

36 ErklärtPR-Urgestein Harold Burson über den US-Wahlkampf, der in seinen Augen keiner ist – und warum Afrika the next big thing ist.

53 BewährtDer Politik fehlt die richtige Sprache, meint Graf von Nayhauß. Im Interview erklärt der Szenekenner, wieso das ein Verlust sei.

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38 Gesetz des Monats Änderung der Fahrzeugzulassungs-

verordnung 40 Verbrauchte Taktik Das Politikfeld Rüstung von Björn Müller

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46 Kompakt48 Ins Weiße Haus auf Wachswalzen p&k Historie: Teil 12 von Marco Althaus

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50 Rhetorik

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52 Kompakt53 „Ich halte nichts von Twitter und Facebook“ Interview mit Mainhardt

Graf von Nayhauß von Felix Fischaleck54 Bücher und TV56 Im Normtief Hätte Bundespräsident Wulff zwangsläufig gehen müssen? von Jan Lies und Helen Fischer58 Machtfaktor Sympathie aus „Psychologie der Macht“ von Michael Schmitz

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61 Kompakt62 Camerons Darling Porträt über Kwasi Kwarteng von Aljoscha Kertesz

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8 Meldungen Gute Noten für Angie, Keine homogene Masse

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12 Braucht Deutschland eine neue Nationalhymne?

Pro und Kontra von Werner Schulz und Peter Hahne

14 Wahlkampfvorboten Ein Jahr vor der Bundestagswahl von Christina Bauermeister und Felix Fischaleck16 „Verbrennen kann man einen auch

in drei Wochen“ Interview mit Oskar Niedermayer18 Sie gehen – sie wollen rein Von Wolfgang Thierse bis Michelle Müntefering21 „Die Euro-Krise hilft allein

der Union“ Interview mit Peter Matuschek 22 Die große p&k-Umfrage Alle Namen32 Der Freund in meinem Bett Der Job des Polit-Bodyguards von Marie-Luise Klose

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34 Liquid Lobbying Über Lobbying und Beteiligung von Heiko Kretschmer und Wilhelm Konstanciak36 „Ein inhaltsleerer Wahlkampf“ Interview mit Harold Burson von Marie-Luise Klose

64 Stimmenfang per Memorystick Der digitale Wahlkampf in Afrika von Markus Brauckmann

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66 Die Karrierekurve Wolfgang Clement68 Dagewesen Bürgerfest des Bundespräsidenten von Christina Bauermeister 70 Personen und Karriere Neue Aufgaben für Yzer und Lüke,

Hebeker spricht für Bundstag74 Ossis Welt Das Politikbilderbuch76 Gala Die wichtigsten Events80 Politikkalender Die Top-Termine im Oktober82 Mein Lieblings... p&k befragt Bundestagsabgeordnete

nach dem, was ihnen lieb ist84 Porträt in Zahlen Dieter Dombrowski

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3 Redaktionstagebuch5 Liebling des Monats6 Duellantendämmerung Essay von p&k-Redaktionsleiter

Till Schröder86 Letzte Seite

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Er hat es geschafft – innerhalb von vier Monaten hat sich der Umwelt-minister ein Branding verpasst, auf das sogar Karl-Theodor zu Gut-tenberg neidisch wäre. Er ist nicht nur der Twitter-König (Freut mich, dass ich seit der #HeuteShow so viele Angebote als Bodyguard kriege. Bin insoweit aber leider schon engagiert u absolut treu!),

ewiger Junggeselle („Der liebe Gott hat es gefügt, dass ich allein durchs Leben gehe“), nein er ist auch drauf und dran, zum Mister Energiewende zu werden und damit Philipp Rösler endgültig ins politische Niemandsland zu be-fördern. Fragt sich, wer oder was das saarländische Bonvivant über-haupt noch stoppen kann? Ein

Doktorarbeit hat er nie geschrie-ben und einflußreiche Freunde lädt er lieber selbst zum Bratkar-toffel-Essen in seine Wohnung ein. Dass er sogar richtig lustig sein kann, bewies Altmaier bei einer Konferenz Anfang September. Er habe lange gedacht, er müsse eigentlich mal etwas abnehmen, sagte er dort. Inzwischen sieht der

rund 140 Kilo schwere Saarländer aber auch Vorteile in seinem Ge-wicht. „Mit meiner Figur kann ich im Winter die Heizung problemlos drei Grad niedriger stellen“. Mit seinem natürlichen Polster könne er auch länger ohne Nahrungsauf-nahme auskommen und sei schon deshalb „ein lebendes Beispiel für Nachhaltigkeit“.

Liebling des Monats: Peter Altmaier

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Kompakt

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Deutsche Public-Affairs-Experten bewerten die Arbeit der Bundesregie-rung ein Jahr vor der Bundestagswahl positiver als noch im Vorjahr. Dies ergab eine Umfrage der Agentur MSL Ger-many unter 300 Public-Affairs-Verant-wortlichen. 60 Prozent der teilnehmen-den Befragten bewerten die Regierungs-arbeit mit „gut“ – im Vorjahr waren es nur 34 Prozent. Bei der Beurteilung der Regierungsleistung nach Politikberei-chen schnitten vor allem die Bereiche Außenhandelspolitik, Wirtschaft und Verteidigung gut ab. Kritisch sehen die Befragten dagegen die Energiepolitik, drei Viertel bewerten sie mit „schlecht“ oder „sehr schlecht“. Im zweiten Teil der Umfrage beurteilen die Befragten ihre eigene Branche: Dabei kam heraus, dass Unternehmen und Verbände ihre finan-ziellen und personellen Investitionen in Public-Affairs-Arbeit verstärken. Und: Obwohl Soziale Medien für die Kontakt-pflege zwischen Politik und Wirtschaft immer wichtiger werden, erhalten klas-sische Instrumente des Netzwerkens wie persönliche Treffen oder Parlamentari-sche Abende weiterhin Vorzug.

Der Bundestag hat sein elektronisches Petitionssystem überarbeitet. Numehr haben die Bürger die Wahl zwischen einem Pseudonym und einem Klarna-men, wenn sie eine Beschwerde einrei-chen. Außerdem wurde die Darstellungs-

weise der Anwendung auf der Webseite des Bundestags optisch über-sichtlicher gemacht und mit Zusatzinformatio-nen ausgerüstet, die auf die jeweilige Petition und die Diskussion darüber abzielen. Das neue Sys-tem erleichtert es zudem, sich barrierefrei am Poli-tikgeschehen zu betei-ligen. Die Ausschuss-

vorsitzende Kersten Steinke (Die Linke) begründete die Überarbeitung damit, dass mittlerweile „rund ein Drittel aller Petitionen den Deutschen Bundestag über das Internet erreichen“. https://epetitionen.bundestag.de

Kompakt

PUBLIC AFFAIRS

Gute Noten für Angie

PETITIONEN

Anonym beschweren

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Das Internet ist die Hoffnung fast aller Parteien. Hier hockt die Jugend. Ist man hier aktiv, könne man sich problemlos verjüngen, so die Annahme der Strategen. Eine Studie der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg sieht das differenzierter. Ihr zufolge sind die im Netz politisch aktiven Jugendlichen dieselben, die es auch offline sind. Das Internet ist nur ein weiterer Kanal ihrer Ambitionen. Unter ihnen nehme „symbolische Teil-habe ohne politische Wirkung“ eher zu. Die Befragten nennen häufiger als Grund ihrer Aktivitäten, nur ein Zei-chen, aber nicht Einfluss auf das poli-tische System nehmen zu wollen. Die Studie befragte Facebook-Nutzer im Alter zwischen 21 und 35 Jahren.

JUGENDLICHE

On = Offline

Wie beurteilen Sie die Arbeit der Bundesregierung in folgenden Politikbereichen?

Angaben in Prozent. Quelle: MSL Germany Public Affairs Umfrage 2012

WIRTSCHAFT

24 5 269

STEUERN

39 37 18 6

ARBEIT UND SOZIALES

60 23 3 15

AUSSENHANDEL

6 66 8 2 18

GESUNDHEIT

35 48 8 8

FORSCHUNG UND TECHNOLOGIE

3 53 29 3 11

BILDUNG

37 44 8 11

UMWELT

2 35 42 11 10

ENERGIE

2 16 44 31 8

VERBRAUCHERSCHUTZ

58 23 6 13

VERTEIDIGUNG

10 61 6 6 16

NETZPOLITIK

48 26 5 21

Sehr gut Gut Schlecht Sehr schlecht Keine Angabe

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Wie stark ist der Einfl uss von Online-Freundschaften wirklich? Dieser Frage gin-gen Wissenschaftler aus den USA in einem einzigartigen Experiment nach, dessen Ergebnisse kürzlich veröff entlicht wur-den. Via Facebook forderten sie 61 Mil-lionen Amerikaner auf, wählen zu gehen. Am 2. November 2010, dem Tag der letz-ten Kongresswahlen, bekamen sie nach dem Einloggen bei Facebook die Nachricht „Heute ist Wahltag“ angezeigt. Sie konn-

ten einen Button „Ich habe gewählt“ ankli-cken und Informationen zu Wahllokalen in ihrer Nähe abrufen. Das Expe-riment erfolgte dabei in zwei Versionen. Der Großteil der Teilneh-mer sahen die Nachricht kombiniert mit Gesich-tern von bis zu sechs zufällig ausgewählten Facebook-Freunden, die zuvor „Ich habe gewählt“ geklickt hatten. Bei 611.000 weiteren, zufäl-lig ausgewählten Test-teilnehmern fehlte jeg-

licher Hinweis auf das Klickverhalten der eigenen Freunde. Außerdem bekamen 614.000 Facebook-Mitglieder als Kon-trollgruppe den Wahlappell überhaupt nicht angezeigt. Dabei zeigte sich, dass der Wahlappell eine messbar größere Wirkung hatte, wenn mit dem Bildern eigener Face-book-Freunde kombiniert war. Die Klick-rate von „Ich habe gewählt“ war um 2,1 Pro-zent höher als beim Appell ohne Fotos.www.nature.com

SOCIAL MEDIA

Das Facebook-Experiment

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FINANZEN

Präsidentenpauschale

Piraten im Umfragetief: Muss sich die Partei professionalisieren?

SPD startet Bürgerdialog fürs Wahlprogramm: Nur Getöse?

Romney postuliert, Obama-Wähler sähen sich als „Opfer“: Kostet ihm der Fehltritt alle Siegchancen?

Niederlande nach der Wahl: Fanal für den Rechts-populismus in Europa?

Merkel setzt weiter auf Schwarz-Gelb: Wahltaktisch die richtige Entscheidung?

EXPERTEN-

TIPPWolfgang Ismayr

(Uni Dresden)Ulrich Sarcinelli(Uni Koblenz-

Landau)

Ulrich vonAlemann

(Uni Düsseldorf)

Karl-Rudolf Korte (Uni Duisburg-

Essen)

Wichard Woyke(Uni Münster)

Uwe Jun(Uni Trier)

Peter Lösche(Uni Göttingen)

Altpräsidenten und Ex-Kanz-ler sollen nach dem Willen der schwarz-gelben Regierung künftig einheitlich mit Personal, Büros und Dienstwagen versorgt werden. Der Haushaltsausschuss des Bundes-tags soll im November über diese Frage entscheiden. Bisher gibt es keine gesetzliche Regelung zur Aus-stattung. Die Gesamtkosten hier-für liegen derzeit im Durchschnitt bei 280.000 Euro, schwanken jedoch teilweise von Präsident zu Präsi-dent erheblich. Laut einem Bericht der „Rheinischen Post“ sollen sich die Büros der Altpräsidenten künftig alle im Bundestag befi nden. Nach dem Rücktritt von Christian Wulff hatte es Diskussionen darüber gege-ben, welche Ausstattung für Altprä-sidenten angemessen ist.

Jugendliche nutzen Facebook privat, aber auch politisch

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Kompakt

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Die Konrad-Adenauer-Stif-tung räumt in einer aktuel-len Studie unter dem Namen „Dann bleib ich mal weg“ mit den Klischees über Nicht-wähler auf. Diese seien kei-neswegs eine homogene Masse, heißt es in der Stu-die von Viola Neu. Die Auto-rin hat außerdem herausge-funden, dass das Bildungs-niveau – anders als vermu-tet – auf die Wahlabstinenz keinen deutlichen Einfluss hat. Auch die These, dass der Nichtwähleranteil bei jüngeren Personen geringer sei, konnten die Befragungser-gebnisse nicht klar belegen. Bei der Frage der Erwerbstätigkeit stellte sich gar her-aus, dass der Arbeiteranteil unter- und

der Angestelltenanteil überrepräsentiert ist. Befragt wurden gut 1500 Personen, die unmittelbar nach den Bundestagswahlen 2005 und 2009 in Umfragen von „infratest dimap“ angaben nicht gewählt zu haben.

In Berlin will Mozilla 2013 ein Community-Space eröffnen. Ein hipper Name für eine Unterneh-mensrepräsentanz, was ist das Besondere?Barbara Hüppe: Es wird ein modernes Büro, wie es in vielen Unternehmen der Fall ist mit dem Unterschied, dass bei Mozilla noch immer ein Großteil der Entwicklungsarbeit von Freiwilligen erledigt wird. Für diese Community ist der Raum. Wenn Leute mal einen Tag von uns aus für Mozilla arbeiten wollen, dann gibt es dort Sitzecken und Konferenz-räume.

Die Lobbying-Szene bekommt derzeit Zuwachs von Facebook und Twitter. Sind sie die Nächs-ten in der Reihe?Nein, wir machen kein klassisches Lobbying – auch weil uns dafür die Ressourcen fehlen und weil wir es in den USA aufgrund unseres Stif-tungscharakters gar nicht dürfen. Wir vertreten jedoch in der Netzpo-litik ganz klare Positionen. Bei der Frage der Standortbestimmung im Internet waren wir beispielsweise die ersten, bei denen die Nutzer aktiv zustimmen mussten, ob sie das wollen. In Deutschland stehen wir als Ansprechpartner für solche The-men ebenfalls bereit. In der Hauptstadt hängen in letz-ter Zeit auffallend viele Plakate von ihnen? Ein neuer Image-coup?Nein, wir haben uns erstmals ent-schieden, in Deutschland auf klassi-sches Marketing zurückgreifen. Die Leute sollen sehen, wofür wir ste-hen. Die Kampagne ist auf Themen gerichtet, die den deutschen Inter-netusern am Herzen liegen: Sicher-heit und Privatsphäre.

NICHTWÄHLER I

Keine homogene Masse

ÖKUMENE

Wir sind ein Gott

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Katholische und Evange-lische Kirche sollen sich wieder vereinen – dies ist das Ziel der Initiative „Ökumene jetzt – Ein Gott, ein Glaube, eine Kirche“. Zu den promi-nenten Unterstützern der Kampagne gehören die Politiker Thomas de Mai-zière, Annette Schavan und Frank-Walter Stein-meier. Insgesamt unterzeichneten 23 Per-sönlichkeiten aus Politik, Sport und Kultur

den Aufruf, den die „Zeit“ veröffentlichte. Dort heißt es: „Wir wollen nicht Ver-söhnung bei Fortbeste-hen der Trennung, son-dern gelebte Einheit im Bewusstsein historisch gewachsener Vielfalt.“ Anlass für die Initiative ist der 50. Jahrestag des Zweiten Vatikanischen Konzils in diesem Jahr

sowie der 500. Jahrestag der Reformation im Jahr 2017.

NICHTWÄHLER I I

Bitte wählen!

INTERVIEW

Hereinspaziert

Thomas de Maizière

So soll das neue Gebäude aussehen

Die Wahlbeteiligung lag bei der Bundes-tagswahl 2009 nur noch bei 70,8 Pro-zent – ein historischer Tiefstand. Damit wieder mehr Bürger wählen gehen, plant der Bundestag eine Wahlmotivations-kampagne. In der offiziellen Ausschrei-bung heißt es: „Ziel ist es, mit der Kam-pagne die stimmberechtigten Bürger zur Wahrnehmung ihres Wahlrechts zu akti-

vieren.“ Für die gesamte Kampagne ist ein Budget von 1,5 Millionen Euro vorgese-hen. Bis zum 28. September konnten sich Agenturen um den Auftrag bewerben. Sie sollen Spots für TV, Radio und Internet konzipieren und umsetzen. Außerdem wird vom Bundestag gewünscht, dass die Agenturen Medienkooperationen anbie-ten können.

Wie stark interessieren Sie sich für Politik?

Angaben in Prozent. Quelle: Konrad-Adenauer-Stiftung

sehr stark

gar nicht

kaum

stark

etwas

2005 2009 Albus 2012

38 3941,3

25 2421,9

17 17 17,9

10

9

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11

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Kompakt

Anzeige

Bayern ist Spitzenreiter bei direkt-demokratischen Verfahren auf kom-munaler Ebene. Zu diesem Ergeb-nis kommt der zweite Bürger-begehrensbericht des Vereins Mehr Demokratie. In Bayern fan-den 40 Prozent aller von 1956 bis 2011 deutschlandweit durchgeführ-ten Bürgerbegehren und Bürgerent-scheide statt. Der Bericht entstand in Zusammenarbeit mit der Bergischen Universität Wuppertal und der Phi-lipps-Universität Marburg. Er infor-miert darüber, wie häufig und zu welchen Themen in den Bundeslän-dern Bürgerbegehren und Bürgerent-scheide stattfanden. Laut Bericht gab es von 1956 bis 2011 deutschlandweit 5929 direktdemokratische Verfahren. Schlusslicht der Liste ist übrigens der Stadtstaat Bremen, wo über den gesamten Zeitraum nur sechs Ent-scheide stattfanden.

Ein Gespenst geht um, heißt es im kommu-nistischen Manifest von 1848. Dem maro-den Kapitalismus schlüge demnächst sein letztens Stünd-lein. Nun wandelt wieder ein Gespenst in der Politik. Dies-mal könnte es wirk-lich die Warenwirt-schaft zum Still-stand bringen. Die Grünen fordern es für alte Fahrräder, um Verkehrsicher-heit und lokalem Fachhandel unter die Arme zu greifen. Der BUND will es für gereifte Kühlschränke. Die Bahn gar für ihre Flotte altersschwacher Diesel-loks. Und für Umweltminister Peter Altmaier gehören bald alte Heizkessel zum alten Eisen, dank der Subventio-nierung durch den Staat. Die Abwrack-prämie hebt neuerlich ihr müdes Haupt. Es scheint fast, als müsste das halbe Land abgewrackt werden, nur damit die Wirtschaft brummt. Dabei

ist die Bilanz des Urhe-bers verheerend. Als „Umweltprämie“ ummantelt, von Bür-gern und Medien als Abwrackprämie ent-tarnt, stürzten die 2500 Euro für jeden Autobe-sitzer, der seinen Alt-wagen verschrotten ließ und einen neuen kaufte, den Gebraucht-wagenmarkt ins Chaos,

erlebte der Neuwagenmarkt zwar eine Spitze, um danach um so tiefer zu fal-len. Die Leute hatten ihren geplan-ten Neuwagenkauf einfach um ein Jahr vorverlegt. Und der Umwelt leistete man einen Bärendienst: Die Herstel-lung eines Autos verschlingt ein Vielfa-ches mehr Energie, als der lebenslange Betrieb. CO2-Einsparung adé. Funkti-onstüchtiges zu verschrotten, um kurz-fristig konjunkturell zu verpuffen? Marx würde nur wissend kichern. Was Kommunisten nicht schaffen, schaffen die Betriebswirte.

Aufgedeckt: Abwrackmarxismus

Marx wäre stolz

BÜRGERBEGEHREN

Bayern ist Spitze

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Pol i t ik

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VON WERNER SCHULZ VON PETER HAHNE

Was heißt „zeitgemäß“ bei einer Hymne? Etwa diese neue PC-Version der Österreicher, die den „großen Söhnen“ ein

„Töchter“ voran setzten und damit auf poetischen Rhythmus und singbare Melodie pfeifen? Zu deutsch: „schwesterlich“ statt „brüderlich mit Herz und Hand“. Ein Fall für Stefan Raab & Co.

Nein, wir haben eine der schönsten Nationalhymnen der Welt. Eingängige Melodie, feierlich, erhebend. Und ein Text, der sich auch nach Jahrzehnten noch sehen und singen lassen kann. Im Vergleich zu anderen ein wahrhaft friedlicher Text. Nicht nur bei Fußball-Länderspielen lohnt das Hören anderer Länderlieder.

Die Italiener schmettern: „Laßt uns die Reihen schlie-ßen, wir sind bereit zum Tod! Italien hat gerufen!“

Fast im selben Jahr, 1841, dichtete August-Hein-rich Hoffmann von Fallersleben die schöne Stro-

phe von Einigkeit und Recht und Freiheit, in deren Glückes Glanz das deutsche Vaterland blühen soll. Soll ich das ändern, nur weil eine aufgeregte Sängerin, die wohl den falschen Geschichtslehrer hatte, daraus mal „brüh im Lichte“ machte“? Apropos Geschichtsleh-

rer: Das Lied der Deutschen hat einen wahr-haft revolutionären Dichter, war sozusagen die

68er-Hymne der damaligen studentischen Jugend gegen Fürstenherrschaft und Imperialismus. Klar: der Text der ersten Strophe ist missbraucht

worden – wie so vieles in der Welt. Für Hoffmann war sein „Deutschland über alles“ das genaue Gegenteil vom Nazi-Grö-ßenwahn. Die Generation, die die „verkehrte“ Strophe heute noch im Geiste mitsingt, ist fast ausgestorben. Lebendig ist die Toleranz und Modernität der „offiziellen“ Hymne. Idealer kann ein Text für die Bürger der Ex-DDR oder mit Migrationshinter-grund doch gar nicht sein. Sie könnten den wunderbaren Text eigentlich besonders laut schmettern, auch als Fußballer.

Wir brauchen Pädagogen, die die Revolutionsgeschichte von Schwarz-Rot-Gold (Hambacher Fest) und des „Liedes der Deut-schen“ (Biografie Hoffmann) lehren. Dann käme keiner auf die Idee, ausgerechnet diese Hymne zu renovieren. Wir brauchen keine neue Nationalhymne, wir brauchen mehr Einigkeit und Recht und Freiheit in unserer Gesellschaft.

Pro

1989/1990 hätte ich diese Frage mit einem klaren „Ja“ beant-wortet. Vor zwanzig Jahren hatte ich mir vorgestellt, dass

man die Vereinigung für eine gründliche Inventur beidseitig der deutschen Grenze nutzt. Die war natürlich besonders im Osten notwendig, aber auch in der Bundesrepublik gab es seit Mitte der 80er Jahre einen regelrechten Reformstau. Es wäre der Mühe wert gewesen, für eine neue Republik eine neue Ar-chitektur zu entwerfen. So ist etwa bei der Nationalhymne eine Chance vertan worden. Die DDR hatte eine Hymne, die seit den 70er Jahren nicht mehr gesungen werden durfte, weil sie den Gedanken an Wiedervereinigung enthielt. In West-deutschland sangen die Demokraten – wenn über-haupt – die dritte Strophe. Die erste hört man bei rechten Aufmärschen und in Fußballsta-dien. Kein Wunder, dass einige unsere Nati-onalspieler dann lieber schweigen. Und lei-der viele es nicht hören wollen.

Beim Vereinigungsprozess der beiden Teile Deutschlands hatte ich vorgeschla-gen, eine neue Hymne als Verbindung von Beethoven und Brecht zu schaffen: Als Me-lodie „Freude schöner Götterfunken“ und als Text die „Kinderhymne“: „Anmut sparet nicht noch Mühe“. Das ist nicht überschwänglich und nicht geduckt – genau das, was es für ein neues, be-scheidenes Nationalbewusstsein gebraucht hätte. Die Gelegen-heit ist vertan worden.

Das „Deutschlandlied“ ist Geschichte und beschreibt ein Gefühl des 19. Jahrhunderts. Wer sich damit wohlfühlt, soll es singen. Es steht wie Wagner neben der Rockmusik.

Reif ist die Zeit allerdings für eine offizielle Hymne der Eu-ropäischen Union. Ein gemeinsames Lied, eine Erzählung für Europa. Beethovens „Ode an die Freude“ hat bis heute keinen Text. 60 Jahre nach ihrer Gründung steckt die Union in einer ihrer größten Krisen. Es geht um den politischen Zusammen-halt oder besser um die Stärkung dieser europäischen Einheit, die soviel Positives für die Menschen geleistet hat. Ein offizieller Text wäre ein weiterer Schritt für eine gemeinsame Verfassung und Festigung Europas.

Kontra

Peter Hahnewurde bekannt über seine frühere Arbeit als Journalist für das ZDF. Heute ist er einer der bekanntesten Publizisten des Konservatismus in der Republik.

Werner Schulzist seit 2009 EU-Parlamentsabgeordneter. Davor war der Grünen-Politiker 15 Jahre lang Mitglied des Bundestags. Schulz gilt als Querdenker in seiner Partei und fordert seit langem einen Ersatz für die jetzige Hymne.

Braucht Deutschland eine neue Nationalhymne?

Vielen gilt DEUTSCHLANDS HYMNE als altbacken und historisch überholt. Werner Schulz hätte gerne ein neues Lied. Peter Hahne findet, wir haben eine der

schönsten Hymnen der Welt.

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Sparkassen. Gut für Deutschland.

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Sie wollen reinDiese Politiker wollen 2013 in den Bundestag gewählt werden.

Der Kreuzberg-SchwabeCem Özdemir: „Yes we Cem” – hieß es 2008, als die Grünen mit großer Mehrheit Cem Özdemir zu ihrem neuen Vorsitzenden wählten. In den Bundestag schaffte es der 46-Jährige ein Jahr später jedoch nicht. Das soll sich vier Jahre später ändern: Özdemir will das Direktmandat im Wahlkreis Stuttgart 1 gewinnen. Keine leichte Aufgabe, denn die CDU ist hier traditionell stark. Den Alltag eines Abgeordneten kennt Özdemir, der in Berlin-Kreuzberg wohnt, nur zu gut, von 1994 bis 2002 saß er für die Grünen bereits im Bundestag.

Der KommissarCharles M. Huber: Der Schau-spieler, bekannt durch seine Rolle als Polizeikommissar Henry Johnson in der Krimiserie „Der Alte“, kandidiert für die hessische CDU in Darmstadt.Der gebürtige Münchner mit senegalesischen Wurzeln war bisher Mitglied der CSU, will nun aber in die CDU eintreten. Huber wird es jedoch nicht leicht ha-ben, seine Konkurrentin ist die ehemalige SPD-Justizministerin Brigitte Zypries. Seine Themen: Familienpolitik und Bildung.

Der bärtige HoffnungsträgerChristian Kühn: Der 33-jährige Grünen-Politiker mit dem markan-ten Vollbart wurde am 13. Juli in Tübingen als Bundestagskandidat nominiert. Er soll Winfried Hermann beerben, der 2011 aus dem Bundestag ausschied, um Verkehrsminister in Baden-Württemberg zu werden. Kühn ist seit Ende 2009 Landesvorsitzender der Grünen in Baden-Württemberg. Seine inhaltlichen Schwerpunkte sind die Ver-kehrs-, Umwelt- und Hochschulpolitik.

„Kraaaaasss!“Florian Simbeck: Der Schau-spieler und Fernseh-Reporter ist bekannt durch die von ihm verkörperte Figur „Stefan Lust“ im Comedy-Duo „Erkan und Stefan“. Der 41-Jährige will im Wahlkreis Pfaffenhofen-Freising (Bayern) für die SPD kandidie-ren. Die Wahlkreis-Delegierten entscheiden am 25. Oktober über Simbecks Kandidatur.

Müntes MädchenMichelle Müntefering: Die Ehefrau von Ex-SPD-Chef Franz Müntefering zieht für die Sozialdemokraten in den Bun-destagswahlkampf. Sie tritt im Wahlkreis Herne/Bochum II an, der als Hochburg der SPD und damit als sicheres Sprungbrett in den Bundestag gilt. Die 32-Jährige gehört seit acht Jahren dem Vorstand der NRW-SPD an. Mit Franz Müntefering ist die Journalistin, die ihre Ausbildung bei der Parteizeitung „Vorwärts“ machte, seit 2009 verheiratet.

Der StrategeSebastian Nerz: Die Piratenpar-tei Baden-Württemberg hat den stellvertretenden Bundesvor-sitzenden auf Listenplatz 1 für die kommende Bundestagswahl gewählt. Der 29-Jährige tritt in Tübingen als Direktkandidat an. Zudem leitet er den Wahlkampf der Bundespartei. Dabei braucht der Bioinformatiker vor allem eins: strategisches Geschick.

Die grüne PiratinAnke Domscheidt-Berg: Die 44-jährige Unternehmerin, Open-Government-Verfechterin und ehemalige Grüne will für die Piratenpartei in den Bundestag. Sie bewirbt sich um Listenplatz 1 der Piratenpartei Brandenburg.

Der Gewinner-VerliererJost de Jager: Der Vorsitzende der CDU Schleswig-Holstein will den Wahlkreis Flensburg-Schles-wig erobern. De Jager braucht ein Erfolgserlebnis: Trotz des Wahlsieges im Mai, blieb der CDU nur die Oppositionsrolle.

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11pol it ik&kommunikat ion | Oktober 2012

p&k: Die Piraten liegen aktuell in den Umfragen bei Forsa bei sechs Pro-zent. Es wird oft behauptet, dass die neue Partei vor allem den Grünen Stimmen wegnimmt. Wie ist Ihre Ein-schätzung?Matuschek: Das ist unserer Ansicht nach eine Fehleinschätzung. In der politischen Selbsteinschätzung verorten sich die Pi-raten-Sympathisanten zum Beispiel eher in der politischen Mitte, sogar noch etwas rechts von der SPD, während die Grünen deutlich links von der Mitte liegen. Rich-tig ist jedoch, dass die Piraten in starkem Maße Erst- und Nichtwähler an sich bin-den. Diese Ventil-Funktion hatten in der Vergangenheit oft die Grünen inne. Es gibt aber kaum einen direkten Zustrom von ehemaligen Grünen-Wählern zu den Piraten.… also leisten die Piraten sogar einen Dienst an der Demokratie?Zumindest stoßen sie in ein Vakuum und ziehen die mit den etablierten Par-teien Unzufriedenen an. Ingesamt muss sich die Politik jedoch Gedanken ma-chen, wie man es den Menschen erleich-tern kann, an Wahlen teilzunehmen. Wir hatten ja bei der letzten Bundestagwahl einen Nichtwähleranteil, der sogar noch höher war als bei der ersten Bundestags-wahl 1949.

INTERVIEW: CHRISTINA BAUERMEISTER UND FELIX FISCHALECK

„ Die Euro-Krise hilft allein der Union“Er ist der Mann der Zahlen: PETER MATUSCHEK leitet beim Meinungsforschungsinstitut Forsa die Politik- und Sozial-forschung und ist damit auch verantwortlich für die Wahl-umfragen. Im p&k-Interview spricht er über den Last Minu-te Swing, Wahlmanipulation durch Briefwahl und den typi-schen Piratenwähler.

Forsa-Chef Manfred Güllner hat in einem Interview kritisiert, dass die Briefwahl einer Wahlmanipulation gleicht. Sind Sie der gleichen Mei-nung?Bei der Briefwahl wird das Prinzip einer Wahl – nämlich einer Entscheidung an einem Stichtag – verwässert, weil man sich während eines Zeitraums von 6 Wo-chen entscheiden kann, in dem noch viel passieren kann, was Einfluss auf die Wah-lentscheidung hat. Außerdem kann – an-ders als im Wahllokal – der ganze Pro-zess von der Beantragung der Briefwahl über das Ausfüllen der Unterlagen bis zur Abgabe der Unterlagen überhaupt nicht kontrolliert werden, so dass mannigfal-tige Manipulationen möglich sind.2005 hat Ex-Kanzler Schröder am Wahltag die Demoskopen scharf kri-tisiert, weil sie die Au�oljagd der SPD nicht erkannt haben. Ist solch ein Last Minute Swing in dieser Wahl aus-geschlossen?Bei der Bundestagswahl 2005 hatten wir die Situation, dass es ein Missverhält-nis gab zwischen den Kanzlerpräferen-zen der Unionshänger und der Wahlab-sicht. Ein Drittel der Unionshänger hatte große Vorbehalte gegenüber der dama-ligen Kandidatin Merkel. Schröders Be-liebtheit in der Bevölkerung hat letzt-

lich den Last Minute Swing für die SPD gebracht. Bei der Wahl im kommenden Jahr sehe ich ehrlich gesagt keinen Kan-didaten bei der SPD, der im Moment ähn-lich hohe Beliebtheitswerte wie die Kanz-lerin hat.Also hilft die Euro-Krise vor allem der Union?Auf jeden Fall. Die Mehrheit der Deut-schen fühlt sich von Angela Merkel gut vertreten, sie macht auf internationalem Parkett eine gute Figur. Auch wenn nicht jeder die Details der Euro-Krise durch-schaut, hat man den Eindruck, sie unter-nimmt das Beste, um Deutschland unbe-schadet durch die Krise zu führen.Forsa gilt traditionell als SPD-nah, das Allensbach-Institut als CDU-nah. Woher kommen diese Einstufungen?Ich kenne diese Zuschreibungen natür-lich auch. Bei uns ist dies vermutlich durch die ja allseits bekannten Kontakte von Herrn Güllner und Gerhard Schrö-der entstanden. Solche Zuschreibun-gen haben jedoch für unsere tägliche Ar-beit keine Bedeutung. Wir haben – mit einer Ausnahme – nie direkt für die Bun-des-SPD gearbeitet, von daher ist das ein Stempel, der irgendwann entstanden ist. Insgesamt haben wir natürlich, wie an-dere Institute auch, Auftraggeber aus allen politischen Lagern. Fo

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p&k: Im November wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Sie haben in Ihrem Leben als Public-Affairs-Ex-perte viele Wahlkämpfe miterlebt. Wie hat sich das politische Campaig-ning in den letzten Jahrzehnten in den USA verändert?Harold Burson: Ich will ehrlich sein: Es ist viel schlechter geworden. Eigentlich ist das, was Obama und Romney treiben, kein Wahlkampf. Es ist eine Inszenierung der Personen, die zur Wahl stehen. Das war in den USA schon immer ein wich-tiger Aspekt, aber in diesem Jahr gibt es keine Substanz an Themen mehr. Es ist der nichtssagendste und inhaltsleerste Wahlkampf, den ich in meinem ganzen Leben verfolgt habe. Dafür tragen beide Kandidaten Verantwortung.Sie sagen, die Fixierung auf Persön-lichkeiten hätte stark zugenommen. Woher kommt das? Fo

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„Ein inhaltsleerer US-Wahlkampf“Auch wenn ihm nicht mehr jeder Schritt so leicht fällt wie früher, HAROLD BURSON (91) schaut nahezu täglich im New Yorker Büro seines Unternehmens vorbei. Im September war der Architekt der großen PR-Agentur in Berlin zu Gast und sprach mit p&k über den laufenden US-Wahlkampf.

INTERVIEW: MARIE-LUISE KLOSE Der Internetauftritt der Kandidaten hat einen ganz entscheidenden Teil dazu bei-getragen. Rund um die Uhr sind Informa-tionen per Klick verfügbar, private De-tails werden beliebig verbreitet. Wissen Sie, ich denke, dass diese gesamte Show in den USA übertrieben ist. Sie üben auch Kritik an der Finanzie-rung des US-Wahlkampfs.Das Geld und die Finanzierung der immer aufwendigeren Inszenierungen hat das System langsam durchfressen. Um über-haupt an Wahlen teilnehmen zu kön-nen, bedarf es immenser Spendensum-men und die muss man als Politiker erst mal auftreiben. Private Spenden müssten stark reguliert werden, insbesondere von Seiten der Unternehmen, um zu gewähr-leisten, dass man sich nicht einen Prä-sidenten kaufen kann. Deshalb sollte es eine öffentliche Finanzierung der Wahl-kämpfe geben. Vor über 60 Jahren hat sich Burson-Marsteller gegründet. Empfinden Sie

sich als Pionier der Public Relations und Public Affairs?Nein, denn es gibt PR, seit es Sprache gibt. Wenn auch nicht als Dienstleis-tung. Die Menschen haben schon immer PR genutzt. PR bedeutet nicht mehr als Überzeugungsarbeit. Man will jemanden überzeugen, etwas zu tun oder eine Mei-nung anzunehmen. Im alten Rom dien-ten die großen Foren zur Machtdemons-tration. Martin Luther hat seine Thesen nicht ohne Grund ausgerechnet an eine Kirchentür geschlagen. Das war öffentlich sichtbare PR in der damaligen Zeit. Aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg entwi-ckelte sich, was wir heute als Dienstleis-tung kennen.Die Kommunikationsbranche hat mehrere Revolutionen erlebt. Woran merken Sie das in Ihrer Arbeit?Der Nachrichtenfluss ist komplett anders als damals. Im Gründungsjahr 1953 war selbst das Fernsehen noch in den Kinder-schuhen. Heute ist es das einfachste der

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Welt, Nachrichten zu versenden, jeder ist dazu in der Lage. Für uns bedeutet das ein wachsendes Arbeitsfeld: Es wird immer schwerer, gehört zu werden, sich mit einer Nachricht im Strudel der Infor-mationen durchzusetzen. Dafür braucht es gute Public-Relations- und Public-Af-fairs-Arbeit. Inzwischen geht es in un-serer Arbeit nicht mehr nur darum, zu kommunizieren und Überzeugungsar-beit zu leisten. Es geht auch um Anlässe. Das wird innerhalb der Branche häufig unterschätzt. Wir bieten unseren Kun-den Angebote, die Kommunikation und Anlässe umfassen.Also ist diese Entwicklung gut für Ihr Kerngeschäft?Heute gibt eine wesentlich höhere Beach-tung und Wertschätzung der PR. Früher haben nur die großen visionären Unter-nehmen Agenturen in Anspruch genom-men, heute gehört es schlicht dazu. Wir werden gebraucht.

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Langfristig wissen wir nicht, ob sozi-ale Netzwerke Segen oder Fluch werden. Wahrscheinlich beides. Vieles ist noch völlig ungeklärt. Urheberrechte, Daten-schutz, Grenzen der Werbung. Ein gro-ßes Problem ist auch die Verlässlichkeit. Das Verhältnis zwischen Autor und Leser hat sich gewandelt. Es leidet das Vertrau-ensverhältnis in Bezug auf die Qualität, weil jeder in der Lage ist zu publizieren. Die Arbeit von Burson-Marsteller wurde in der Vergangenheit in einigen Fällen als intransparent kritisiert.Ich stehe voll hinter der Transparenzidee, die sich in unserem Unternehmen inzwi-schen durchgesetzt hat. Jeder soll wis-sen, für wen wir arbeiten. Natürlich gibt es auch vertrauliche Informationen zwi-schen uns und den Kunden, die wir be-raten. Wenn ich aber mit einem Dritten spreche, wie jetzt mit Ihnen, dann haben Sie ein Recht zu erfahren, in wessen Inte-resse ich das tue. Grundsätzlich gilt: Wir

Abtreibungsbewegung, noch die Unter-stützer des Abtreibungsrechts. Das ist ein zu emotionales Thema.Das Netzwerk von Burson-Marstel-ler erstreckt sich über den gesamten Globus, 67 Büros führen Sie weltweit. Wann reicht es Ihnen?Es geht darum, dort zu sein, wo unsere Klienten sind. Wir müssen den ande-ren immer einen Schritt voraus sein und neue Märkte erschließen. In Afrika tut sich viel, und ich denke dort wird unsere Arbeit in aufstrebenden Staaten zuneh-mend nachgefragt werden.Mit 91 Jahren sind Sie ein Urgestein in der PR-Branche. In 60 Jahren haben Sie viel erlebt. Welche Aktion ver-deutlicht für Sie am meisten, wie PR-Arbeit funktioniert?Sie werden erstaunt sein (lacht). Ich habe dazu beigetragen, dass aus dem Stadion der Universität von Mississippi die letz-ten Flaggen der Konföderierten Staaten aus dem Bürgerkrieg entfernt wurden. Das ist in den USA ein heißes Thema ge-wesen. Rassistische Strukturen waren in den Südstaaten an der Tagesordnung. Wir holten neue Spieler ins Football-Team der Universität. Sie waren sehr gut – und schwarz. Der Deal, den wir den pa-triotischen Menschen in Mississippi an-boten, war ganz einfach. Sind die Flaggen weg und gebt ihr euren Rassenhass auf, dann bekommt ihr ein besseres Football-team. Jeder verstand das unterbewusst, es war ein klarer Handel. Das hat mir ge-zeigt: Die öffentliche Meinung zu verän-dern ist schwer, aber nicht unmöglich.

Burson-Marsteller ist eine der weltweit größten Public-Relati-ons und Public-Affairs-Agenturen. Im Jahr 1953 gründete Harold Burson gemeinsam mit Bill Marsteller das Unternehmen, in-zwischen umfasst das globale Netzwerk 67 Niederlassungen. Seit 1973 ist die Agentur in Deutschland vertreten, mit Hauptsitz in Frankfurt am Main und einer Zweigstelle in Berlin. Für seine Kampagnenarbeit wurde Burson-Marsteller mit über 125 Preisen ausgezeichnet. Gleichzeitig blieb die Arbeit des Unternehmens nicht frei von Kritik: Ihm wurden verdeckte PR-Praktiken vorgeworfen und die Zusammenarbeit mit fragwürdigen Klienten wie der argentinischen Militärjunta oder Nicolae Ceausescu angeprangert.

Gerade die vernetzte Welt erleichtert die Kommunikation. E-Mails und so-ziale Netzwerke gehören zum Alltag dazu. Wie verändert das die Arbeit?Neue Medien haben die Anzahl der Mög-lichkeiten für uns als PR-Unternehmen zu kommunizieren vervielfacht. Unsere Kunden brauchen weit mehr professi-onelle Hilfe als früher, um ihren öffent-lichen Auftritt durch das Labyrinth an Kommunikationskanälen zu manövrie-ren. Wir erschließen Kanäle und lotsen durch den Informationsdschungel. Das ist gut, aber …… es ergeben sich daraus auch neue Probleme und Herausforderungen?

arbeiten für niemanden, mit dem sich unsere Kunden und unsere Mitarbeiter unwohl fühlen würden. Das hat sich be-währt.Was genau heißt das? Wo ist die Grenze: Für wen würden Sie generell nicht arbeiten?Wir wurden von Gaddafi gefragt, ob wir für Libyen arbeiten würden. Das haben wir abgelehnt. Prinzipiell betreuen wir keine Schurkenstaaten. Ebenso wenig Themenkomplexe, die derart umstritten und polarisierend sind, dass sich unse-rer Kunden daran stören könnten und in-terne Konflikte entstehen. Zum Beispiel betreuen wir in den USA weder die Anti-

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Mit der Kampagne „Zufrieden leben. Garantiert!“ wirbt das Land Baden-Württemberg wieder einmal für den eige-nen Standort. Nach „Wir können alles außer hochdeutsch“ garantiert das Bundesland Hinzugezogenen diesmal nichts Geringe-res als Zufriedenheit, und das mit Geld-zurück-Garantie. Wem es laut Kampagne

in Baden-Württemberg nicht gefalle, bekomme den Umzug bezahlt. Die ersten 50 Teilneh-mer, die eine Zufrie-denheitsgarantie bean-tragen, können bis zu 500 Euro Umzugshilfe erhalten. Mit der Kam- pagne möchte das Staatsministerium Baden-Württemberg Investoren, Unterneh-mer und hochqualifi-

zierte Arbeitskräfte für einen dauerhaf-ten Umzug in den Südwesten Deutsch-lands gewinnen. Die Aktion startete am 30. September 2012 und läuft bis zum 15. April 2012. Mitgewirkt an der Kampagne hat die PR-Agentur Zum Goldenen Hir-schen. www.bw-jetzt.de

BADEN-WÜRTTEMBERG

UmzugshilfeIm Land der Dichter und Denker hapert es: 14 Prozent der arbeitsfähi-gen Bevölkerung kann keine zusam-menhängende Texte lesen. Die-sem funktionalen Analphabetis-mus den Kampf angesagt hat nun auch das Bildungsministerium. Mit „Lesen und Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt“ startet eine Kampagne, die mit drei emotiona-len TV-Spots und Plakaten, gestal-tet von A&B One, das Thema ent-tabuisieren will. Kurze Geschichten aus dem Alltag betonen die helfende Hand von Freunden. Sie weisen auf Angebote wie das ALFA-Tele-fon. Die Aktion ist Teil der „Natio-nalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener in Deutschland“ durch Bund und Länder. www.mein-schlüssel-zur-welt.de

BILDUNG

Lesehilfe

Nachwuchswerbung einmal anders: Die Bundeswehr umgarnt in Zusammen-arbeit mit der Jugendzeitschrift „Bravo“ junge Leute zwischen 16 und 19 Jahren. Die Werbekampagne will Jugendliche mit dem Slogan „Berg- oder Beach-Typ“ für kos-tenlose „Adventure Camps“ in Berchtes-gaden und auf Sardinien begeistern. Kritik

an der Kampagne kommt unter anderem vom Kindershilfswerk „terre des hommes“ und der Evangelischen Kirche in Deutsch-land. Terre des hommes moniert, die Bun-deswehr werbe mit Bildern von Strand-partys um Rekruten und verschweige dabei die tödliche Gefahr von Ausland-seinsätzen. Der Leiter des Dezernats Per-

sonalwerbung der Bundeswehr, Steffen Stoll, sagt der Tageszeitung „Welt“, das Ziel der Kampagne sei es, Jugendliche auf die Bundeswehr aufmerksam zu machen. Es handele sich jedoch nicht direkt um eine Form der Rekrutierung, so Stoll. www.bravo.de/specials/bw/adventure-camps

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Mit dem Bund am Strand Mit diesem Plakat wirbt die Bundeswehr in der Jugendzeitschrift „Bravo“

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Kampagne

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Es geht um InhalteGefühlte 80 Prozent aller Kandi-datenwebseiten beschreiben den aufstrebenden Politiker als eine Kombination von „lösungsorien-tiert“, „zielstrebig“, „erfahren“ und dynamisch. Illustriert werden die Schlagworte jeweils durch ein nettes Porträt oder eine Aufnahme vom Politiker – vielleicht sogar mit Fami-lie oder Freunden vor einem lokalen Wahrzeichen. Alles andere, werden die meisten gar nie mehr sehen. Zu schnell ist der Browser zu und die Webseite weg. Die Zugriffszahlen sind auch entsprechend. Und wenn jemand beim Profi um Rat fragt, wird gerne eine SEO, eine „Search Engine Optimisation“ empfohlen – also eine Optimierung der Findbarkeit durch Google. Und das zielt völlig am Problem vorbei. Diese Websei-ten werden nicht aus technischen Gründen nicht gefunden. Sie bieten schlichtweg keine relevanten Inhalte – oder verstecken diese in Seiten-langen Positionspapieren. Wieso soll dann auch jemand kommen? Abhilfe schafft nur eines: Investieren Sie Zeit und Geld in ihre Inhalte. Fassen Sie ihre wichtigsten Forderungen kurz und verständlich zusammen, lassen Sie zentrale Fakten doch einmal durch einen Graphiker nett aufberei-ten. Und das gilt weder nur für die Website noch nur für Kandidaten. Wenn Sie gesehen werden wollen, müssen Sie etwas bieten. Ob auf der Webseite der Orts- oder Kreispartei, in den Sozialen Medien und natürlich auch auf ihrem Flugblatt.

Die Jusos in Thüringen wollen mit der Kampagne „Alles was ich will“ ihr poli-tisches Programm für die kommenden Landtagswahlen entwickeln. Diese fi n-den zwar erst 2014 statt, aber die jun-gen Sozialdemokraten versprechen sich durch die lange Phase eine effi ziente Themenauswahl. So soll die Mitglieder-gewinnung verbessert werden und ein überzeugendes Juso-Programm entste-hen. „Alles was ich will“ hat drei Stu-fen und soll über eine eigene Internet-seite, Plakate, T-Shirts und Kartenak-tionen beworden werden. In der ersten Phase seit Anfang September sammeln die Jusos über Fragekarten Ideen bei Jugendlichen. Diese dienen in Phase zwei als Basis für eine Jugendbefragung in ganz Thüringen. Markus Giebe, Juso-Chef im Bundesland: „Die dritte Phase dient dann der Ideen-Konsolidierung für ein unser Programm zur Wahl 2014.“ Die Kampagne fi nanzieren und gestal-ten die Jusos in Eigenregie.

Das Bundesinnenministe-rium (BMI) hat mit der Kam-pagne „Vermisst“ gegen die Gefahr der Islamisierung kei-nen Erfolg. Konkret soll diese auf die Beratungsstelle „Radi-kalisierung“ aufmerksam machen. Seit Ende August gibt es ein Onlineportal, im Laufe des Septembers folg-ten Anzeigen in Printmedien und eine Postkartenaktion. Höhepunkt sollte eine Plaka-taktion in Berlin, Bonn und Hamburg werden. Die Motive werben mit den Bildern junger Migranten im Stile von Vermisstenanzeigen. Die Plakatation wurde aber gestoppt. Offi zielle Begrün-dung: Die derzeitige weltweite Unruhe unter Muslimen wegen eines islamfeind-lichen Schmähvideos. Doch die Kampa-gne erntet seit Beginn Kritik. SPD und Grüne kritisieren die Aktion als unsen-sibel und plump. Der heftigste Wider-spruch kommt von muslimischen Ver-

bänden, wie der „Türkischen Gemeinde Deutschland“. Diese intervenierte sogar mit einem Brief bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Eur-opa (OSZE) und den Vereinten Natio-nen gegen die aus ihrer Sicht „stigmati-sierende“ Kampagne. Träger der Kampa-gne ist die „Initiative Sicherheitspartner-schaft“, die vom Bundesinnenministerium gesponsert wird. www.initiative-sicherheitspartnerschaft.de

JUGENDORGANISATIONEN

Mitmach-Jusos

BUNDESINNENMINISTERIUM

Kampagne mit Hindernissen

„Pfl egekinder machen dein Leben bun-ter“ – mit diesem Slogan will der Kin-der- und Jugendhilfe Verbund Berlin-Brandenburg in den Bezirken Lichten-berg und Neukölln neue Pfl egeeltern gewinnen. Kooperationspartner sind das Jugendamt Berlin-Neukölln, die Initiative Gesundes Neukölln und das Jugendamt Berlin-Lichtenberg. Die Kampagne wirbt mit fünf verschiedenen Plakatmoti-ven. Darauf zu sehen sind auch gleichge-schlechtliche Paare und Alleinstehende. Die Kampagne entstand durch die Unter-stützung von freiwilligen Helfern, sie wird nicht von einer Agentur betreut.

PFLEGE

Eltern auf Zeit

KAMPAGNEN-TRENDS

Für p&k analysieren die Autoren der Arbeitsgemeinschaft für Online-Kommunikation

„Kampagnenpraxis”, wie Politiker das Internet für ihre Kampagnen nutzen können.

Lorenz Keller ist Inhaber der barracuda digitale agentur und berät Parteien, u. a. die SPD Nordrhein-West-falen, und NGOs. Mit anderen Autoren hat er 2009 das Online-Projekt Kampagnenpraxis gestartet. www.kampagnenpraxis.de

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Medien

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Die US-Wahl rückt immer näher. Am 6. November entscheiden die US-Bür-ger über ihren Präsidenten. „Bild.de“ widmet der Wahl eine eigene Online-

Talkshow namens „US-Wahl inside“. Die Protagonisten: Béla Anda, „Bild“-Politikchef, und Axel Wallrabenstein, Chef der PR-Agentur MSL Germany. Seit dem 20. September disktutieren die beiden Politikexperten wöchentlich über aktuelle Aufreger des US-Wahl-kampfs. In der ersten Folge ging es um die Wählerbeschimpfungen Romneys und die geeignete Krisen-PR.www.bild.de/video/clip/us-wahl-inside

Ärger in Nordrhein-Westfalen: Die Pira-tenpartei lieferte sich eine heftige Aus-einandersetzung mit der Zeitschrift des Deutschen Kulturrats „Politik & Kul-tur“. Diese legte in ihrer Herbstausgabe ein Plakat der Initiative „Ja zum Urheberrecht“ bei. Darauf zu sehen sind leblose Körper auf dem Obduktionstisch, ein Arzt mit Anony-mus-Maske entnimmt ihnen das Herz. Mit der Kampagne setzt sich die Initiative für einen besseren Schutz der Urheberrechte im Internet ein. Diese seien von existenzi-eller Bedeutung für Kunstschaffende. Die Piratenpartei forderte die Rücknahme des Plakats, es sei zu drastisch und würde ein falsches Bild der Diskussion um die Reform des Urheberrechts in Deutschland zeich-nen. Der Kulturrat verteidigte die Aktion, das Plakat mit Titel „Kulturfledderer“ werde nicht zurückgezogen. www.kulturrat.de

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Dieses Plakat sorgt für Ärger

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„Ich halte nichts von Twitter und Facebook“Er ist der Grandseigneur des deutschen Journalismus, bekannt vor allem durch seine Kolumnen. p&k sprach mit MAINHARDT GRAF VON NAYHAUSS über die Sprache der Politiker.

INTERVIEW: FELIX FISCHALECK

p&k: In dem von Ihnen herausgegebe-nen Buch „Kauderwelsch – Die Spra-che der Politiker“ geht es um Wort-hülsen und Sprachverschleierungen von Politikern und Journalisten. Hat das Kauderwelsch in den vergange-nen Jahren zugenommen?Nayhauß: Es hat definitiv zugenommen, was insbesondere mit den Fremdwörtern und Anglizismen zu tun hat, die immer mehr Einzug in unsere Sprache gefunden haben. In der Bonner Republik war das noch anders, man denke nur an den ehe-maligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Her-bert Wehner, der sehr direkt gesprochen hat. Ein Beispiel: Er bezeichnet einmal in einer Wahlrede Walter Hallstein, damals Staatssekretär im Auswärtigen Amt, als „Mann ohne Herz und Hoden“. Tragen die Journalisten eine Mit-schuld am Kauderwelsch?Nein, nur in dem Sinne, dass sie ungefil-tert Kauderwelsch-Deutsch übernehmen und schreiben. Wenn etwa Frau Leut-heusser-Schnarrenberger davon spricht, dass es zwischen der FDP und den Grü-nen mehrere Schnittstellen gibt. Warum sagt Sie nicht einfach Gemeinsamkeiten? Eine solche Ausdrucksweise wird leider von vielen Kollegen übernommen. Ge-nauso dieses dämliche Wort vom Amts-kollegen. Wenn Merkel den britischen Premier besucht, dann schreibt die dpa, dass Sie das beim Amtskollegen tut, wobei man sich dann fragt, in welchem Amt sitzen sie denn zusammen, im Kanz-leramt oder in Downing Street No. 10?Wer schafft es, eher eine verständli-che Sprache zu sprechen – der Boule-vard oder die Qualitätsmedien?Eine klare Sprache finden Sie in der „Bild-Zeitung“, wo es darauf ankommt, kurze Sätze zu bilden und Fremdwörter zu ver-meiden. Ich war ja nun 30 Jahre als Kolum-nist dabei und habe mich eben auch an diese Sprachregelung gehalten. Während Sie in der FAZ im Kommentar Sätze fin-Foto

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den, die über 29 Zeilen gehen – ein Satz! Gerade die sogenannte qualitative Presse neigt dazu, kein klares Deutsch zu schrei-ben.Sie kritisieren in ihrem Beitrag des Bands auch die heutzutage vorherr-schende „Political Correctness“. Was genau stört Sie daran?Es ist wichtig, dass man die Dinge beim Namen nennt. Wir hatten ja bei Gutten-berg den Fall, dass er als erster die Bundes-wehreinsätze in Afghanistan als kriegs- ähnliche Aktionen bezeichnete. Kauder-welsch wird oft auch dazu benutzt, um eine Tatsache zu verschleiern oder zu umschreiben. Welche Auswirkungen haben die Neuen Medien auf unsere Sprache?Auf die Sprache wird nicht mehr der Wert

gelegt, den sie eigentlich verdient. Gerade im Internet finden Sie immer mehr Angli-zismen und Abkürzungen vor. Wenn das ZDF ein Hashtag einrichtet, warum sagt man nicht einfach Verbindungszeichen. Ich halte nichts von Twitter und Face-book, aus dem einfachen Grund: Ich hab genug Möglichkeiten, um mich schrift-lich zu verbreiten. Außerdem sind die Ge-

fahren des Missbrauchs dieser Form des Inter-nets einfach zu groß. Würden Sie Politi-kern raten, auf Face-book aktiv zu sein?Darüber habe ich mir noch zu wenig Gedan-ken gemacht. Politi-ker sind auf Facebook zusätzlichen Beleidi-gungen ausgesetzt. Oft wird von Ihnen auch nur Mist verbreitet, wie „ich bringe jetzt mei-nen Anzug in die Rei-nigung“. Wen interes-siert das eigentlich? Da geht es nur um das Selbstdarstellungsbe-dürfnis von Politikern. Um mit etwas Positi-vem zu enden: Wel-che Politiker spre-chen eine vorbild-hafte Sprache?Richard von Weizsä-cker und Roman Her-zog kann man her-vorheben. Ersterer hat mit seiner Rede zum

Jahrestag der Kapitulation die richtigen Worte gefunden und Roman Herzog mit seiner bekannten Ruck-Rede. Ich würde auch Hans-Dietrich Genscher dazuzäh-len. Von der heutigen Politiker-Genera-tion fällt mir SPD-Chef Gabriel positiv auf. Das hängt sicherlich auch mit seinem erlernten Beruf als Lehrer zusammen.

Mainhardt Graf von Nayhaußwurde 1926 in Berlin geboren. Seine journa-listische Laufbahn begann er bei den „Nach-richten für Außenhandel“. Danach schrieb Nayhauß unter anderem für „Spiegel“, „Bun-te“, und „Bild“. Seit November 2011 ist er Herausgeber für die Edition-Lingen-Stiftung. Dort erschien vor Kurzem das Buch „Kauder-welsch – Die Sprache der Politiker“.

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Medien

pol it ik&kommunikat ion | Oktober 2012

������ � ��Literatur über politische Kommunikation steht hoch im Kurs. Doch welche Bücher sind

empfehlenswert? p&k stellt jeden Monat NEUE PUBLIKATIONEN vor. Außerdem: Welche politischen TALKSHOWS konnten mit ihren Themen punkten – und wo blieb die Qualität auf der Strecke?

Bestand

Oskar Niedermayer (Hg.): Die Piraten-partei, Springer VS, Wiesbaden 2012. 257 Seiten, 19,95 Euro.

Worum geht es? Um die Anfänge, die bisherigen Erfolge und die Zukunftsaussichten der Piraten.Wer hat es geschrieben? Oskar Niedermayer ist Professor für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin.Was ist der beste Satz? „Vielleicht schneller als erwartet, könnte sich die Frage nach einer Regierungsbeteiligung stellen, die zu kontroversen innerparteilichen Diskussionen führen könnte.“Was sagt die Redaktion? Eine umfassende Analyse der Partei, die vor allem für Parteienfoscher und Mitglieder der Piraten ein Gewinn sein dürfte.

KASSENSCHLAGER Was liest die Macht? Regelmäßig stellt die Parlamentsbuchhandlung in der Wilhelmstraße die am häufigsten verkauften Bücher vor.

Die Chefredakteurin der „taz“, Ines Pohl, und die ande-ren Autoren des Buchs, überwiegend „taz“-Redakteu-re und freie Journalisten, zeichnen ein negatives Bild der professionellen Interessensvertretung. Ihre Thesen lauten: Tagtäglich versuchen Lobbyisten auf verschie-denen Ebenen die Interessen kleiner Gruppen gegen das Gemeinwohl durchzudrücken. Mit allen Mitteln versuchen sie, ihre Profite durch Einflussnahme auf po-litische Entscheidungsprozesse zu steigern. Die Auto-

ren zeigen anhand von 50 Beispielen, wie einflussreich Lobbyisten sind und wie man ihnen Einhalt gebieten kann. Sie fordern: Mehr Transparenz bei den politischen Entscheidungsfindungen und Schluss mit den illegiti-men Auswüchsen des Lobbyismus.

Böse LobbyistenInes Pohl (Hg.): Schluss mit Lobbyismus. 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt. Westend-Verlag, Frankfurt am Main 2012, 224 Seiten, 14,99 Euro.

Verstand

Adrian Teetz: Krisenmanagement. Rational entscheiden – Entschlossen handeln – Klar kommunizieren. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2012. 215 Seiten, 39,95 Euro.

Worum geht es? Kommunikationsverant-wortliche erhalten Tipps, wie sie Krisen am besten meistern.Wer hat es geschrieben? Adrian Teetz ist Strategie- und Organisationsberater. Er lehrt unter anderem an der Deutschen Akademie für Public Relations. Was ist der beste Satz? „Ein Dementi ist nur dann zweckmäßig, wenn es über die Qualität verfügt, die einsetzende öffentliche Debatte sofort zu beenden beziehungsweise im Sinne eines ‚schlagenden Beweises‘ wirksam zu deeskalieren.“Was sagt die Redaktion? Nützlicher und praxisnaher Ratgeber für Führungskräfte und Manager.

Anstand

Worum geht es? Um die Frage, wie sich die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte – 2005 wurde das deutsche Abgeordnetengesetz verändert – auf das politische System auswirkt. Wer hat es geschrieben? Stephan Malessa ist Politikwissenschaftler, Journalist und Pressesprecher. Was ist der beste Satz? „Die potenzielle Gefahr, dass Nebentätigkeiten korruptive Züge bekommen, ist aber virulent.“Was sagt die Redaktion? Die Studie ist sowohl für Parlamentarismusforscher als auch Transparenz-Verfechter aufschlussreich, gerade durch den internationalen Bezug.

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Stephan Males-sa: Beruf – Politik – Transparenz. Ne-bentätigkeiten-Re-geln für Bundestags-abgeordnete im int. Vergleich. Springer VS, Wiesbaden 2012, 362 S., 49,95 Euro.

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Oliver Bendel: Die Rache der Nerds. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz und München 2012. 296 Seiten, 19,99 Euro.

Das digitale Dilemma

VON BENJAMIN VORHÖLTER

NIELANDS

TVRÜCKBLICK

Jörg-Uwe Nieland ist Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Politik, Medien und Gesellschaft an der Universität Duisburg-Essen.

Tieferer Tiefpunkt

Für p&k schaut sich Medienexperte Jörg-Uwe Nieland die Polit-Talkshows des Monats an.

Das Phänomen ist bekannt: Wenn alle denken, schlimmer geht‘s nimmer, dann setzt ein unverbesserlicher Kasper noch ei-nen drauf. Frei nach Rudi Völler: ein noch tieferer Tiefpunkt. Aus-gangspunkt ist Günther Jauchs Sendung. Zunächst der Versuch, der giftsprühenden Gertrud Höhler eine Plattform für ihre Polemik gegen Angela Merkel zu bieten. Dabei vergleicht sie den Regierungsstil der Kanzlerin mit der Arbeitsweise der Mafi a – das ist absurd und lenkt von den tatsächlichen Gefahren der organisierten Kriminalität sowie dem korrupten Verhalten zahlrei-cher Staaten, Unternehmen und Verbänden ab. Zurück zur CDU-Vorsitzenden: Fundierte Analy-sen der Regierungszeit existieren – die Diskussionsteilnehmer kannten sie nicht. Dafür wurden die Polemik von Höhler und auch Herles durch den Moderator zugelassen – den CDU-Reprä-sentanten (von der Leyen und de Maizière) blieb nur fassungsloses Kopfschütteln. Noch weniger mit der Entscheidungspolitik zu tun, hatte das Stell-dich-ein bei Jauch zu Manfred Spitzers Idee von der „digitalen Demenz“. Selbstver-ständlich gibt es eine Menge Stu-dien zu den Gefahren der Inter-netnutzung. Neil Postman sprach sogar davon, dass wir uns zu Tode amüsieren. Jauchs Diskussion trug aber weder zum Amüsement noch zur Information bei.

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Die Rache der Nerds – das klingt nach einem virtuellen Horrorszenario. Ge-

meine Computer-Freaks regieren die Welt und verbreiten Angst und Schrecken. Sie arbeiten für mächtige Internet-Konzerne. In ihrem Namen saugen sie Daten ab, überwachen unseren Alltag und machen uns zu ihren Sklaven.

Ähnlich kritisch, dafür weniger hyste-risch, beschreibt Oliver Bendel in seinem neuen Buch die Mängel der modernen In-formationsgesellschaft. Es trägt den rei-ßerischen Titel „Die Rache der Nerds“. Trotzdem ist Bendels Werk alles andere als ein kulturpessimistisches Pamphlet, das sich gegen den technologischen Fort-schritt aufl ehnt. Der Autor beleuchtet kritisch den Umgang mit digitaler Kom-munikationstechnologie. Mit zahlrei-chen Beispielen führt Bendel dem Leser vor, wie wir zu Opfern einer Massenbewe-gung werden.

Ob neue Betriebssysteme, bessere Software, Soziale Netzwerke, oder Cloud Computing, mit jedem digitalem Fort-schritt begeben wir uns laut Bendel in Abhängigkeiten, die schwer zu beseitigen

seien. Mit seinen kleinen Geschichten wirft der Autor vor allem ethische Fra-gen auf. Mit „Die Rache der Nerds“ wirbt Oliver er für einen verantwortungsvolle-ren Umgang mit digitalen Informations-medien. Er plädiert für eine Informati-onsethik, die über die Nachteile des Fort-schrittes informiert. Eine Einsicht, die der gemeine Nerd gerne vor lauter Digitalität übersieht.

Diese einfache, aber essentielle Bot-schaft ist der Grund, warum das Buch eine clevere Kulturkritik darstellt. Bendel verfällt nicht in ein langweiliges Schwarz-Weiß-Schema, wenn er Fortschrittsgläu-bigkeit und Kulturpessimismus gegenü-ber stellt. Seine kritische Perspektive er-hält Bendel aus eigener Erfahrung. Denn der Professor für Wirtschaftsinformatik ist sowohl ein „Anhänger des Nerdtums“, als auch einer seiner Kritiker. Aus diesem Grund sind Bendels Ausführungen über die Nachteile der digitalen Informations-gesellschaft fundiert und gut lesbar.

Allerdings bleibt seine Kritik meistens im Ansatz stecken, weil er sich darauf be-schränkt, „einzelne Themen zu umkrei-sen“. Das macht die „Die Rache der Nerds“ jedoch nicht weniger lesenswert.

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Szene

pol it ik&kommunikat ion | Oktober 2012

D ie Gegensätze an diesem Sonntag-morgen in Berlin könnten kaum größer sein. In der S-Bahn sitzen

auf der einen Seite Menschen, die laut-stark über das neue Buch von Bill Clin-ton schwärmen, während auf der Sitz-bank gegenüber junge Erwachsene mit der letzten Flasche Bier auf der Ablage rücklings ihren Rausch ausschlafen.

Doch ehe Sie sich jetzt fragen, zu wel-cher Gruppe Sie wohl an diesem Sonntag gehört hätten, sei Ihnen gesagt, dass die Bill-Clinton-Gruppe einer Einladung ge-folgt ist, die sie mitten in ein preußisches Schloss mit übergroßen Bildern führte, die der Künstler vor Ort schaffen musste, weil sie durch kein Fenster gepasst hätten.

Erstmals seit 2008 stand Schloss Belle-vue wieder für einen Tag lang allen Bür-gern offen. Freiheitspräsident Joachim Gauck hat zum Bürgerfest geladen. Und seine Fans kommen so zahlreich, dass ein kleiner Junge auf dem Weg gar panisch seine Eltern fragt, ob denn der Garten des Bundespräsidenten überhaupt groß genug sei für alle – natürlich abzüglich der jugendlichen Partygänger. Nun groß genug ist der Park – wohl auch, weil sich der Pöbel brav in einer Reihe anstellt, um in die prunkvolle Residenz zu gelangen.

Warum dieses Vokabular? Nun, drin-nen vergaßen viele schnell, dass der

King GauckAuf dem ersten Bürgerfest wurde der Bundespräsident gefeiert wie ein König. p&k ist DAGEWESEN.

VON CHRISTINA BAUERMEISTER

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letzte deutsche Monarch vor gut 70 Jah-ren im niederländischen Exil starb. Ein-gangs erklärt ein Kunsthistoriker in der Uniform eines Kammerherrn am Hofe Friedrichs des Großen die Gepflogen-heiten. Dann geht es im Eiltempo quer durch die Gemächer bis in den Großen Saal, wo ein Staatsbankett mit Silberbe-steck und Blumenschmuck wartet. Nun, ist das denn alles nicht ein bisschen zu pompös für einen Bürgerpräsidenten? Nein, ist die einhellige Meinung viele rGäste, Deutschland solle ruhig zeigen, was es hat.

Dann applaudieren die Leute plötz-lich. Für diejenigen im Schloss ohne Blick-kontakt erklärt der Kammerherr das Ge-schehen: „Seine Majestät bahnt sich in Begleitung seiner Leibgarde den Weg zur Bühne, um das Fest zu eröffnen“, sagt er. In dieser ruft Gauck dann die Bürger auf, wählen zu gehen. Das klingt erst mal ziemlich paradox – doch Königen wider-spricht man ja bekanntlich nicht. Der Ge-feierte selbst kündigt schon auf der Bühne an, nun gleich ein Bad in der Menge neh-men zu wollen. Zitat: „Wenn Sie uns ein bisschen am Leben lassen, wäre das ein-facher“. Aus dem Pulk heraus, der sich einmal durch den Park zieht, kommen immer wieder glückliche Menschen mit Fotos und Autogrammen von Gauck selbst oder seiner „Geliebten“ (warum eigentlich nicht Hofdame?) Daniela.

Anders als im vergangenen Jahr, als Gaucks in Ungnade gefallener Vorgän-ger sich an gleicher Stelle mit Politikern, Medien- und Wirtschaftsvertretern amü-sierte und sich von letzteren auch noch die ganze Sause bezahlen ließ, war der König diesmal mit seinen Untertanen allein auf dem englischen Rasen, der danach eher aussah wie ein Fußballacker.

Und was war sonst noch so los? Auf der Hauptbühne gab es türkischen Pop und jamaikanischen Reggae, das alles für eine Zielgruppe, die morgens in der bier-geschwängerten S-Bahn schlief.

Bleibt noch die Frage, wer am Ende die Zeche zahlt? In diesem Punkt hält es Gauck mit der britischen Monarchie, für die Großbritannien jährlich etliche Milli-onen Pfund ausgibt. Beim Bürgerfest ak-zeptierte das Präsidialamt ausschließlich Sachspenden wie Speisen und Getränke von Unternehmen. Für die restliche Fi-nanzierung ließ Gauck eigens einen neuen Haushaltsposten in Höhe von etwa einer halben Million Euro schaffen. Das Bun-despräsidialamt wehrt sich im Übrigen gegen die These, Gauck wolle wegen Wulff Finanzsponsoren grundsätzlich von Belle-vue fern halten: Gauck kam erst so spät im Jahr ins Amt, da sei keine Zeit geblieben, Sponsorengelder einzutreiben. Gibt es also im nächsten Jahr eine Volksparty auf Kosten der Wirtschaft? Es wäre dem volks-nahen König durchaus zuzutrauen.

Szene

Der Pöbel zu Gast in Bellevue

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Krisenkommunikation für Politiker

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Krisenkommunikation

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Das Lobbying der Sozialen Netzwerke

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