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Eine Kolumne über meinen Alltag in Peking.
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REGION 3 ZÜRICHSEE-ZEITUNG OBERSEEDIENSTAG, 17. APRIL 2012
Muslime wollen separate Gräber – Gemeinden sind skeptisch
BESTATTUNG. Das St. Galler Friedhofgesetz soll künftig eigene Grabfelder für Verstorbene anderer Religionen ermöglichen. Mit diesem Anliegen sind Mus lime an den Kanton gelangt. Kommt die Vorlage durch, liegt der Ball bei den Gemeinden. Im Linth gebiet sind diese noch zurückhaltend bis kritisch.
RAMONA KRIESE
Noch vor einem Jahr schlug die Vorlage im Kantonsparlament hohe Wellen: Insbesondere bürgerliche Parteien hielten nicht viel von separaten Grabfeldern für Muslime, wiesen den umstrittenen Artikel in der Friedhofverfassung entschieden zurück. Jetzt, gut ein Jahr später, wird die Vorlage erneut diskutiert. Der Kanton ging über die Bücher, suchte das Gespräch mit den Gemeinden. Bei einem Ja haben diese neu die Kompetenz, separate Grabfelder innerhalb bestehender Friedhöfe zu errichten – sofern das Bedürfnis besteht.
Doch wie ist überhaupt die gängige Praxis? In RapperswilJona werden viele Muslime nach ihrem Tod in ihr Heimatland überführt. Das betreffe einen Grossteil der verstorbenen Mus lime, weiss Mediensprecher Hansjörg Goldener. Zahlen dazu gibt es allerdings keine. Der andere Teil der Muslime akzeptiert als einzige Alternative eine christliche Erdbestattung. Konkrete Nach fragen nach einer islamischen Beerdigung, die insbesondere eine Aus richtung nach Mekka bedingen würde (siehe Kasten), sind bei der Stadt bisher keine eingegangen. Das bedeute aber nicht, dass auch kein Bedürfnis vorhanden sei, wagt Goldener zu bedenken. Denn: «Wo kein Angebot bekannt ist, da fragt auch keiner nach.»
Der Anteil der Bürger anderer Konfessionen beträgt in RapperswilJona 28 Prozent; hiervon sterben pro Jahr etwa 20 Personen.
Grundsätzlich stehe man der Vorlage offen gegenüber, sagt Goldener. Trotzdem wolle man erst abwarten, ob die Vorlage durchkomme. Wie eine mögliche Umsetzung in RapperswilJona aussehen könnte, sei noch unklar.
«Ist das gerechtfertigt?» In Schmerikon will der Gemeinderat erst prüfen, ob das Bedürfnis nach getrennten Grabfeldern vorhanden sei. Ob allein der relativ grosse Ausländeranteil dies rechtfertige, sei fraglich, sagt Gemeindepräsident Félix Brunsch wiler. Er weiss von einigen Schmerk ner Muslimen, die sich mit einer gewöhlichen Erdbestattung zufriedengaben – also auf dem gemeindeeigenen Friedhof, neben Verstor
benen mit christlichem Glauben. «Es ist fraglich, ob ein solches Angebot sinnvoll ist», sagt auch Eschenbachs Gemeindepräsident Josef Blöchlinger. Er spricht ein mögliches Platzproblem an, wie es gerade auf kleineren Friedhöfen in ländlichen Gemeinden der Fall sein könne. Es sei auch eine Kostenfrage: «Das könnte viel Geld verschlingen.» In Eschenbach machen die 107 Türken einen Grossteil der Muslime aus. «Womöglich würde die Umsetzung an einem zentralen Ort der Region genügen – etwa in RapperswilJona.»
In Uznach hat sich der Gemeinderat noch nicht mit der Vorlage befasst. Man möchte darüber befinden, wenn klar ist, ob diese im Kantonsrat eine Mehrheit findet, sagt Gemeindepräsident Erwin Camenisch.
«Integration über Tod hinaus» An den Kanton geraten ist die Anfrage von Kirchenvertretern sowie der Dachorganisation islamischer Gemeinden der Ostschweiz und des Fürstentums Liechtenstein (Digo). «Muslime wenden sich schon seit Jahren an uns und fragen nach Möglichkeiten für eine islamische Bestattung», sagt Präsident Hi sham Maizar. Gerade Muslime der zweiten und dritten Generation seien stark mit ihrer Wohngemeinde verwurzelt: Sie wünschen sich, dass verstorbene Eltern oder Verwandte in ihrer Nähe beigesetzt werden – und nicht etwa, dass sie in ihr Heimatland repatriiert werden.
Dies sei nicht nur sehr aufwändig, sondern auch teuer: Kosten von 10 000 bis 15 000 Franken sind damit verbunden. Ausserdem gehe Integration über den Tod hinaus. Für viele Muslime komme eine Rückführung des Leichnams in die Heimat je länger, je mehr nicht in Frage. Als Alternative bleibt ihnen einzig, sich – entgegen islamischer Regeln – neben Verstorbenen anderer Konfessionen bestatten zu lassen. Mit beiden Varianten sind die Angehörigen nicht wirklich glücklich, sagt Maizar. Nur eine eigene Abteilung innerhalb eines Friedhofs mache eine würdige Bestattung nach islamischem Glauben möglich. Eigene Grabfelder oder islamische Fried höfe gibt es in der Schweiz bisher in grösseren Städten wie Zürich, Luzern, Winterthur, Genf oder Lugano.
Auf dem muslimischen Friedhof in Lugano ist alles nach Mekka ausgerichtet. Bild: key
Bestattungen im IslamIm Islam ist die Erdbestattung die einzig erlaubte Art der Beisetzung. Dazu gehört als Erstes die rituelle Waschung des Leichnams. Dies kann in der Leichenhalle oder im Spital stattfinden. Zentral ist zudem die Ausrichtung des Leichnams nach Mekka (Ort des Glaubens). Die Beerdigung erfolgt im Idealfall auf einem Grabfeld für Muslime oder auf einem islamischen Friedhof. Dabei geht es vor allem darum, dass Spiritualität und Ritualität ermöglicht werden, erklärt Hisham Maizar, Präsident der Dachorganisation islamischer Gemeinden der Ostschweiz und des Fürstentums Liechtenstein.
Ferner verweist er auf die Einhüllung des Leichnams in Tücher. In der Regel wird der Dahingeschiedene ohne Sarg bestattet, um den Verwesungsvorgang zu beschleunigen. In nichtislamischen Ländern ist es den Musli
men jedoch gestattet, Verstorbene in einem einfachen Sarg beizusetzen. «Als hier lebende Muslime möchten wir dem Staat und seinen Auflagen entgegenkommen», erklärt Maizar. Die zu Unrecht verbreitete Annahme, Muslime wollten nur in «reiner Erde» begraben werden (an einem Ort, an dem keine Menschen andern Glaubens ruhten), weist er entschieden zurück. Dies sei eine extremistische Position und habe nichts mit einem gemässigten Islam der Mitte zu tun, für den seine Organisationen stehen. Auch in puncto «ewige Grabesruhe» seien die hier lebenden Muslime zu einem Kompromiss bereit: «Schön wäre es, wenn man die sterblichen Überreste nach 20 oder 25 Jahren in einer speziellen Ecke des Friedhofes belassen könnte.» Vor der Beisetzung kommt es schliesslich zu einem rituellen Gebet. (rkr)
Das sagen die Parteien Der Vorlage für getrennte Grabfelder stehen viele Parteien positiv gegenüber: Unterstützung erhalten die Muslime etwa von der SP, GLP und UGS.Die Glaubensfreiheit schliesse auch den Beerdigungsritus mit ein, sagt Hans peter Raetzo, Präsident der SP RapperswilJona. «Ich sehe keinen Grund, der gegen die Vorlage spricht. Was stört es uns, Menschen aus anderen Religionen etwas entgegenzukommen?» Dem schliesst sich Nils Rickert von der GLP an. Er betont jedoch, dass man bei der Umsetzung eine gewisse Sensibilität beachten müsse: zum Beispiel mit einer übersichtlichen räumlichen Distanz zu den anderen Gräbern. Und Marco Fäh, Präsident der UGS Linth, könnte sich eine Umsetzung eher in grösseren Gemeinden oder der Stadt RapperswilJona vorstellen.
Die CVP steht der Vorlage grundsätzlich offen gegenüber, knüpft ihre Unterstützung jedoch an Bedingun
gen: So müssten die Muslime auf die «ewige Grabesruhe» verzichten – es sei denn, sie nehmen die Mehrfachbelegung eines Grabes in Kauf. Für den Fall, dass rituelle Räume erwünscht sind, müssten die betroffenen Religionsgemeinschaften selber für die Kosten aufkommen oder bereits bestehende Räume nutzen. Als dritten Punkt führt Yvonne Suter, Präsidentin der CVP Linth, die «reine Erde» auf, von der sich islamische Organisationen jedoch klar distanzieren (siehe Kasten rechts).
Leicht kritisch stehen FDP und SVP der Vorlage gegenüber. Sonderregelungen für einzelne Religionen befürworte man eher nicht, sagt FDPPräsident Marc Hanslin. Und SVPPräsident Raphael Weber betont, man müsse sich zuerst genau über die Vorstellungen der Muslime informieren. Ansonsten habe die SVP durchaus Verständnis für den Wunsch der Muslime. (rkr)
LEBEN IN CHINAVON TANYA KÖNIG
Prepaid Gas
In China funktioniert alles
anders – oder gar nicht. Wie kürzlich das Kochgas. Meine Mitbewohne rin schimpft, sie könne keine Pasta kochen. Nichts gehe. Das Feuer am Herd lodere kurz auf und verginge gleich wieder. Ich versuche, sie zu beruhigen. In Peking müsse man die Gaskarte bei der Bank of Beijing laden und zuhause durch den Zähler ziehen. Dann fliesst das Gas, bis der Zähler bei null ist. Genauso funktioniert es mit dem Strom – alles Prepaid.
Wir gehen also zur Bank. Der Sicherheitsbeamte am Ein
gang erklärt uns, dass wir die Karte auch am Automaten aufladen können und uns die Schlange für den Schalterservice so erspart bliebe. Begeistert stehen wir vor dem Automaten, verstehen jedoch kein Schriftzeichen. Er – sichtlich stolz, uns helfen zu können – nimmt die Karte und lässt sie durch den Automaten, drückt irgendwelche Knöpfe und bittet mich zu zahlen. Doch es funktioniert nicht. Nach einem zweiten Versuch meint er, der Automat scheine kaputt zu sein. Wir müssen doch anstehen.
Zuhause schiebe ich die Karte durch den Zähler, meine Mitbewohnerin macht den Herd an. Eine Flamme flackert auf, doch unsere Freude ist – wie die Flamme – von kurzer Dauer. «Restgas», meint unser Mitbewohner. Wir versuchen es noch ein paar Mal, bis wir auf die Idee kommen, die Batterien auszutauschen. Aber auch das hilft nichts.
Mittlerweile sind meine Mitbewohner in die Schweiz zurück
gekehrt, und ich sitze noch immer ohne Gas zuhause. Meine chinesischdeutsche Nachbarin Ziyi hilft mir und ruft die Gasfirma an. «Morgen um 9 Uhr kommt ein Mechaniker vorbei», sagt sie. «Er hat gefragt, ob du die Batterien ausgetauscht hättest.» – «Ja», antworte ich. – «Gut, ich glaube, die kommen nämlich nicht so gerne.»
Am nächsten Tag stelle ich den Wecker auf 8.30 Uhr, obwohl ich bis Mittag hätte schlafen können. Ich warte. Keiner erscheint. Gegen 12 Uhr knurrt mein Magen; doch ich traue mich nicht aus dem Haus, ich könnte den Mechaniker verpassen. Um 13 Uhr rufe ich Ziyi an und beklage mich, dass der GasMann noch nicht erschienen sei. Sie ruft die Gasfirma an und schimpft, man lasse die Leute nicht warten. Das sei respektlos! Später schreibt sie mir, er komme gegen 19 Uhr. Ich bin verärgert und erleichtert zugleich. Nun kann ich mir wenigstens etwas zum Essen holen.
Kurz nach 19 Uhr klopft es an der Tür, ein sympathischer Chi
nese tritt ein und schaut sich den Kasten an. Er bittet mich um die Karte, schiebt sie durch den Zähler und zündet den Herd an. Die Flamme geht auf – sie bleibt. Bis ich kapiert habe, wieso es funktioniert, ist er bereits verschwunden. Ich schäme mich. Ich hätte nach dem Austauschen der Batterien die Karte nochmals durch den Zähler schieben müssen. Manchmal muss man halt den komplizierten Weg gehen, um das Einfache zu begreifen.
Tanya König (24) lebt seit August in Peking, wo sie im Rahmen ihres Sinologie-Studiums an der Universität Zürich Chinesisch lernt. Das Ende ihrer Kolumne kann man auf www.you-tube.com/cosmotay anschauen. Mehr über sie auf http://about.me/tanyayuan